
Plenarsitzung
des Bundesrates
950. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich
Donnerstag, 16. Februar 2023
Bundesratssaal
Stenographisches Protokoll
950. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich
Donnerstag, 16. Februar 2023
Dauer der Sitzung
Donnerstag, 16. Februar 2023: 9.00 – 21.59 Uhr
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Tagesordnung
1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, die Europawahlordnung, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, das Volksabstimmungsgesetz 1972, das Volksbefragungsgesetz 1989, das Volksbegehrengesetz 2018, das Wählerevidenzgesetz 2018 und das Europa-Wählerevidenzgesetz geändert werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2023)
2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetz geändert wird
3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Verfahren und den Schutz bei Hinweisen auf Rechtsverletzungen in bestimmten Rechtsbereichen (HinweisgeberInnenschutzgesetz – HSchG) erlassen wird und das Gesetz über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltsdienst-
gesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrpersonen-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz und das Rechtspraktikantengesetz geändert werden
4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft genehmigt wird, und das Bundesgesetz über einen Energiekostenzuschuss für energieintensive Unternehmen (Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz – UEZG) geändert werden
5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Errichtung der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft mit beschränkter Haftung (Forschungsförderungsgesellschaftsgesetz – FFGG) geändert wird
6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden
7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Heimopferrentengesetz geändert wird
8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz geändert wird
9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Zuschuss an die Länder für Wohn- und Heizkostenzuschüsse (Wohn- und Heizkostenzuschussgesetz) erlassen und das Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz – LWA-G geändert wird
10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Stromkostenzuschussgesetz geändert wird
11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und ‑organisationsgesetz 2010 (ElWOG 2010) geändert wird
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Inhalt
Bundesrat
Antrittsansprache des Präsidenten Günter Kovacs .............................................. 17
Erklärung des Landeshauptmannes von Burgenland Mag. Hans Peter Doskozil gemäß § 38 Abs. 3 GO-BR zum Thema „Föderalismus“ – Bekanntgabe .......................................................................................................................... 23
Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 38 Abs. 4 GO-BR ........ 23
Landeshauptmann Mag. Hans Peter Doskozil ....................................................... 23
Debatte:
Mag. Sandra Gerdenitsch ........................................................................................ 38
Bernhard Hirczy ....................................................................................................... 43
Dr. Johannes Hübner ............................................................................................... 49
Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber ...................................................................................... 55
MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky ....................................................................... 59
Landeshauptmann Mag. Hans Peter Doskozil ....................................................... 62
Schreiben des Bundespräsidenten Dr. Alexander Van der Bellen betreffend Einberufung der Bundesversammlung für den 26. Jänner 2023 ..................... 112
Schreiben des Bundeskanzlers Karl Nehammer, MSc betreffend Einberufung der Bundesversammlung für den 26. Jänner 2023 ................................... 114
Schreiben des Bundeskanzlers Karl Nehammer, MSc gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG betreffend Nominierung eines ordentlichen Mitglieds des Ausschusses der Regionen ........................................................................................... 116
Schreiben des Bundesministers für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M. gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über eine Revision des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll durch den Bundespräsidenten ................................................................................................ 122
Schreiben des Bundesministers für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M. gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über eine Revision des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen durch den Bundespräsidenten .............................................................................................................. 126
Aktuelle Stunde (103.)
Thema: „Asylbremse – die Maßnahmen zeigen Wirkung“ .............................. 67
Redner:innen:
Mag. Harald Himmer ............................................................................................... 67
Dominik Reisinger .................................................................................................... 71
Markus Leinfellner ................................................................................................... 75
Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................ 80
Bundesminister Mag. Gerhard Karner .................................................... 84, 100
Martin Preineder ...................................................................................................... 89
David Egger-Kranzinger .......................................................................................... 92
Günter Pröller ........................................................................................................... 95
MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky ....................................................................... 98
Nationalrat
Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ................................................................... 130
Ausschüsse
Zuweisungen........................................................................................... 105, 412
Dringliche Anfragen
der Bundesrät:innen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend „Schluss mit Warten auf EU-Lösungen, Frau Edtstadler! Endlich handeln oder Rücktritt!“ (4073/J-BR/2023) .................................................................................................. 246
Begründung: Josef Ofner ........................................................................................ 246
Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler .......................................................... 256
Debatte:
Dr. Johannes Hübner ............................................................................................... 272
Martin Preineder (tatsächliche Berichtigung) ...................................................... 278
Ing. Eduard Köck ...................................................................................................... 278
Stefan Schennach .................................................................................................... 283
Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................ 290
Christoph Steiner ..................................................................................................... 293
Marlies Steiner-Wieser ............................................................................................ 304
Andreas Arthur Spanring ........................................................................................ 311
Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „23 Maßnahmen zur De-Attraktivierung Österreichs als Zielland für illegale Wirtschaftsmigranten und Scheinasylanten für 2023“ – Ablehnung ....................................................... 316, 320
der Bundesrät:innen Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „Kinderbildung und Kinderbetreuung für alle – wann handeln Sie endlich, Herr Minister? (4074/J-BR/2023) ....................................................................... 320
Begründung: Ingo Appé .......................................................................................... 321
Bundesminister Dr. Martin Polaschek .................................................................... 327
Debatte:
Korinna Schumann .................................................................................................. 331
Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ................................................................................. 337
Markus Leinfellner ................................................................................................... 343
MMag. Elisabeth Kittl, BA ....................................................................................... 347
MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky ....................................................................... 351
Mag. Daniela Gruber-Pruner .................................................................................. 353
Marlies Steiner-Wieser ............................................................................................ 359
Mag. Bettina Lancaster ........................................................................................... 366
Doris Hahn, MEd MA ............................................................................................... 370
Andreas Arthur Spanring ........................................................................................ 374
Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „umgehende Einführung eines Kinderbetreuungs-Förderkonzeptes nach dem Berndorfer Modell“ – Ablehnung ........................................................................................................ 363, 377
Verhandlungen
1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, die Europawahlordnung, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, das Volksabstimmungsgesetz 1972, das Volksbefragungsgesetz 1989, das Volksbegehrengesetz 2018, das Wählerevidenzgesetz 2018 und das Euro-
pa-Wählerevidenzgesetz geändert werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2023) (3002/A und 1911 d.B. sowie 11172/BR d.B. und 11173/BR d.B.) ............................................................................................... 131
Berichterstatterin: Heike Eder, BSc MBA ............................................................. 131
Redner:innen:
Mag. Franz Ebner ..................................................................................................... 132
Mag. Elisabeth Grossmann ..................................................................................... 134
Andreas Arthur Spanring ........................................................................................ 136
Marco Schreuder ..................................................................................................... 140
MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky ....................................................................... 143
Bundesminister Mag. Gerhard Karner ................................................................... 145
Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................... 147
2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetz geändert wird (2968/A und 1909 d.B. sowie 11178/BR d.B.) ................... 147
Berichterstatter: Markus Stotter, BA .................................................................... 147
Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................... 148
3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Verfahren und den Schutz bei Hinweisen auf Rechtsverletzungen in bestimmten Rechtsbereichen (HinweisgeberInnenschutzgesetz – HSchG) erlassen wird und das Gesetz über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltsdienstge-
setz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrpersonen-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz und das Rechtspraktikantengesetz geändert werden (3087/A und 1921 d.B. sowie 11174/BR d.B.) ................... 148
Berichterstatter: Bernhard Hirczy ......................................................................... 148
Redner:innen:
Mag. Sascha Obrecht ............................................................................. 149, 170
MMag. Elisabeth Kittl, BA ....................................................................................... 152
Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ................................................................................. 157
MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky ....................................................................... 160
Stefan Schennach .................................................................................................... 161
Korinna Schumann .................................................................................................. 164
Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher ............................................................... 166
Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................... 172
Gemeinsame Beratung über
4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft genehmigt wird, und das Bundesgesetz über einen Energiekostenzuschuss für energieintensive Unternehmen (Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz – UEZG) geändert werden (3085/A und 1916 d.B. sowie 11168/BR d.B. und 11179/BR d.B.) ......................................................... 173
Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ........................................................................ 173
5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Errichtung der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft mit beschränkter Haftung (Forschungsförderungsgesellschaftsgesetz – FFGG) geändert wird (1918 d.B. sowie 11169/BR d.B. und 11180/BR d.B.) ...................................... 173
Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ........................................................................ 173
Redner:innen:
Günther Novak ........................................................................................................ 174
Mag. Christian Buchmann ...................................................................................... 179
Michael Bernard ...................................................................................................... 182
Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber ...................................................................................... 185
Korinna Schumann .................................................................................................. 187
Mag. Christine Schwarz-Fuchs ............................................................................... 191
Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher ............................................................... 195
Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Teuerung weiter auf Rekordniveau, Insolvenzen steigen: Bekämpfen wir die Inflation und senken die Preise. Tun wir es für die Menschen und die Unternehmen in Österreich, Herr Bundeskanzler!“ – Ablehnung ........................................................................... 177, 199
Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................ 199
Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................ 199
6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsge-
setz, das Allgemeine Pensionsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (3073/A und 1922 d.B. sowie 11175/BR d.B.) ............................................................................................ 200
Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ........................................... 200
Redner:innen:
Andrea Michaela Schartel ....................................................................................... 200
Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................ 202
Sonja Zwazl .............................................................................................................. 204
Korinna Schumann .................................................................................................. 208
Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................ 212
Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Abschaffung der geblockten Altersteilzeit“ – Ablehnung ............................................................................. 211, 214
Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................... 214
7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heimopferrentengesetz geändert wird (3069/A und 1925 d.B. sowie 11176/BR d.B.) .................................................. 215
Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger .......................... 215, 223
Redner:innen:
Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................ 215
Heike Eder, BSc MBA .............................................................................................. 217
Mag. Daniela Gruber-Pruner .................................................................................. 218
Marlies Steiner-Wieser ............................................................................................ 221
Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................ 223
Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem
vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ....................................................... 226
8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz geändert wird (3072/A und 1926 d.B. sowie 11177/BR d.B.) ......................... 226
Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ........................................... 227
Redner:innen:
Andrea Kahofer ........................................................................................................ 227
Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................ 231
Ernest Schwindsackl ................................................................................................ 233
Günter Pröller ........................................................................................................... 236
Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Echte Wertschätzung beim Gehalt statt einmalige Boni für die Pflege!“ – Ablehnung ................................................ 231, 239
Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Pflegeprämie muss auch in Kärnten und allen anderen Bundesländern 2.000 Euro netto betragen!“ – Ablehnung 238, 240
Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................. 239
9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Zuschuss an die Länder für Wohn- und Heizkostenzuschüsse (Wohn- und Heizkostenzuschussgesetz) erlassen und das Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz – LWA-G geändert wird (3078/A und 1915 d.B. sowie 11171/BR d.B. und 11181/BR d.B.) .................................................................... 240
Berichterstatterin: MMag. Elisabeth Kittl, BA ...................................................... 240
Redner:innen:
Otto Auer ................................................................................................................. 241
Daniel Schmid .......................................................................................................... 242
Markus Steinmaurer ................................................................................................ 377
Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................ 379
Mag. Bettina Lancaster ........................................................................................... 383
Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Daniel Schmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mieterhöhungen in Zeiten der extremen Teuerung aussetzen – Es braucht langfristige Konzepte für die Regulierung von Mietkosten!“ – Ablehnung ................................................................... 245, 386
Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................... 386
10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. Januar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Stromkostenzuschussgesetz geändert wird (3023/A sowie 11167/BR d.B. und 11182/BR d.B.) ................................ 386
Berichterstatter: Ernest Schwindsackl .................................................................. 387
Redner:innen:
Alexandra Platzer, MBA .......................................................................................... 387
Doris Hahn, MEd MA ............................................................................................... 389
Markus Steinmaurer ................................................................................................ 392
Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................ 395
Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .............................................................. 397
Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Markus Steinmaurer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gerechtigkeit im Stromkostenzuschussgesetz herstellen!“ – Ablehnung ...................................................................... 394, 400
Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................... 400
11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und ‑organisationsgesetz 2010 (ElWOG 2010) geändert wird (1917 d.B. sowie 11170/BR d.B. und 11183/BR d.B.) .................................................................... 401
Berichterstatterin: MMag. Elisabeth Kittl, BA ...................................................... 401
Redner:innen:
Christoph Stillebacher ............................................................................................. 402
Günther Novak ........................................................................................................ 404
Dr. Johannes Hübner ............................................................................................... 406
Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................ 407
Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .............................................................. 409
Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ....................................................... 412
Eingebracht wurden
Petition .................................................................................................................... 413
Petition betreffend Entlastung des ÖBB-Parkdecks in Wels (Ordnungsnummer 51/PET-BR/2023) (überreicht von Bundesrätin Alexandra Platzer, MBA)
Anträge der Bundesrät:innen
Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gratis Drogen-Testarmbänder für Frauen und Jugendliche (362/A(E)-BR/2023)
Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung des Tabakmonopolgesetz 1996 und des Bundesvergabegesetz Konzessionen 2018 – BvergGKonz 2018 (363/A(E)-BR/2023)
Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Die Zukunft der Trafiken ist in Gefahr!“ – Forderungspaket der Trafikanten an die türkis-grüne Bundesregierung (364/A(E)-BR/2023)
MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Mag. Sascha Obrecht, Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (365/A-BR/2023)
Anfragen der Bundesrät:innen
Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Bildungszentrum im Süden von Graz (4070/J-BR/2023)
Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Personalsituation am LKH-Univ. Klinikum Graz (4071/J-BR/2023)
Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung,
Wissenschaft und Forschung betreffend Personalsituation
am LKH-Univ. Klinikum Graz (4072/J-BR/2023)
Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Schluss mit Warten auf EU-Lösungen, Frau Edtstadler! Endlich handeln oder Rücktritt! (4073/J-BR/2023)
Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Kinderbildung und Kinderbetreuung für alle – wann handeln Sie endlich, Herr Minister? (4074/J-BR/2023)
Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Klimakleber“-Aktion in der Steiermark (4075/J-BR/2023)
Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Medikamenten-Engpässe in der Steiermark (4076/J-BR/2023)
Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Fortsetzung der Autobahnerweiterung der A9 Pyhrnautobahn (4077/J-BR/2023)
Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Neuregelung des Schülergelegenheitsverkehrs
(4078/J-BR/2023)
Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Neuregelung des Schülergelegenheitsverkehrs (4079/J-BR/2023)
David Egger-Kranzinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Haben Sie dabei zugesehen, wie Energiekonzerne die Menschen in Österreich ungerechtfertigt abgezockt haben, Herr Bundesminister? (4080/J-BR/2023)
Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Wo bleibt der Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung in den Bundesländern? (4081/J-BR/2023)
Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Kinderbildung und Kinderbetreuung für alle – wann handeln Sie endlich, Herr Minister? (4082/J-BR/2023)
Anfragebeantwortungen
des
Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesrät:innen Mag. Elisabeth Grossmann,
Kolleginnen und Kollegen betreffend Wo bleibt die dringend benötigte
Auszahlung der Familienbeihilfe?
(3758/AB-BR/2022 zu 4053/J-BR/2022)
des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesrät:innen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorführung von kritischen Ärzten durch ÖÄK (3759/AB-BR/2023 zu 4054/J-BR/2022)
der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Bundesrät:innen Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen betreffend Truppenbesuch im Fliegerhorst Brumowski mit reiner ÖVP-Delegation (3760/AB-BR/2023 zu 4055/J-BR/2022)
der Bundesministerin
für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und
Technologie auf die Anfrage der Bundesrät:innen Horst Schachner,
Kolleginnen und Kollegen betreffend Stromtankstellen: Intransparenz bei der Preisbildung als Blockade für die
Verkehrswende (3761/AB-BR/2023
zu 4060/J-BR/2022)
des Bundesministers
für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesrät:innen Korinna
Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend
Covid-19 Sonderfreistellung: Wo bleibt der Schutz für Schwangere?
(3762/AB-BR/2023 zu 4058/J-BR/2022)
des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Bundesrät:innen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Klasse-Job“-Kampagne: Lehrkräfteoffensive auf Kosten der Elementarpädagogik? (3763/AB-BR/2023 zu 4056/J-BR/2022)
des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesrät:innen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Covid-19 Sonderfreistellung: Wo bleibt der Schutz für Schwangere? (3764/AB-BR/2023 zu 4057/J-BR/2022)
des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesrät:innen Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Konsument*innenschutz bei Stromtankstellen: Intransparenz bei der Preisbildung als Blockade für die Verkehrswende (3765/AB-BR/2023 zu 4059/J-BR/2022)
des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesrät:innen Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutzzonen in Grazer Parks (3766/AB-BR/2023 zu 4061/J-BR/2022)
des
Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesrät:innen MMag. Dr.
Karl-Arthur Arlamovsky, Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bezüge der Staatssekretär:innen (3767/AB-BR/2023 zu
4063/J-BR/2022)
Beginn der Sitzung: 9 Uhr
Vorsitzende: Präsident Günter Kovacs, Vizepräsident Mag. Harald Himmer, Vizepräsidentin Andrea Kahofer.
Präsident Günter Kovacs: Ich eröffne die 950. Sitzung des Bundesrates.
Die Amtlichen Protokolle der 948. Sitzung des Bundesrates vom 20. Dezember 2022 und der 949. Sitzung des Bundesrates vom 21. Dezember 2022 sind aufgelegen und wurden nicht beanstandet.
Begrüßen darf ich in unserer Mitte Herrn Landeshauptmann Mag. Hans Peter Doskozil. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)
Präsident Günter Kovacs: Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Frau Vizepräsidentin! Herr Vizepräsident! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lange vor dem Antritt meiner Präsidentschaft war mir klar: Das wird eine ganz besondere Vorsitzperiode – mit der Eröffnung des Parlamentsgebäudes, des neuen Bundesratssitzungssaals, mit den vielen Aktivitäten rund um diese Eröffnung und mit der Angelobung des Herrn Bundespräsidenten vor drei Wochen.
Ungewöhnlich ist es auch, dass ich den Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz, Herrn Landeshauptmann Mag. Hans Peter Doskozil, innerhalb weniger Wochen bereits zum zweiten Mal hier in der Länderkammer begrüßen darf, was mich besonders freut.
Herr Landeshauptmann, noch einmal: Herzlich willkommen! Danke, dass du heute hier bist und deine Erklärung als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz abgeben wirst. Ich hoffe doch sehr, dass es in nächster
Zeit noch weitere Gelegenheiten geben wird, dich hier im Parlament begrüßen zu dürfen.
Auch die kommenden Wochen und Monate werden eine sehr intensive Zeit, und das ist auch gut so, denn das zeigt, dass der Bundesrat ein aktiver Bundesrat ist, das zeigt, dass der Bundesrat – mit Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen – einen sehr hohen Stellenwert hat. Liebe Bundesrätinnen und Bundesräte, herzlichen Dank!
Mein besonderer Dank gilt auch meiner Vorgängerin Korinna Schumann, die im vergangenen Halbjahr für Wien die Bundesratspräsidentschaft ausgeübt hat. – Liebe Korinna, ich danke dir für die wertschätzende und gute Zusammenarbeit bei der Übergabe der Präsidentschaft und auch darüber hinaus. Danke für eine Präsidentschaft, die von großem Engagement und Einsatz geprägt war. Herzlichen Dank! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Schumann neigt den Kopf.)
Das Ziel von Korinna Schumann war es, den Bundesrat zu stärken. Dem möchte ich voll und ganz beipflichten, denn der Stellenwert des Bundesrates, die Aktivitäten des Bundesrates, sein Wirken geben auch eindrucksvoll Antwort auf Fragen, die immer wieder zu den Aufgaben und Kompetenzen der Länderkammer gestellt werden.
Manche Zentralisten gehen auch so weit, den Bundesrat insgesamt infrage zu stellen. Manche reden von einer Zusammenlegung von Ländern und überhaupt vom Ende des Föderalismus in Österreich. Dieser Meinung kann man ja durchaus sein, es wird Sie aber nicht überraschen, dass ich als Präsident und Mitglied des Bundesrates anderer Meinung bin. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um diese Meinung auch zu begründen.
Meine Damen und Herren, ich war Vizebürgermeister von Eisenstadt, ich war lange im Gemeinderat, bin jetzt momentan im Gemeinderat in Eisenstadt, ich war Abgeordneter zum Burgenländischen Landtag, und diese Funktionen auf
kommunaler und auch auf Länderebene bringen es mit sich, dass es sehr viele persönliche Begegnungen und Gespräche mit den Menschen vor Ort gibt. Man wird immer wieder unmittelbar und persönlich angesprochen und mit den Sorgen und Anliegen der Menschen konfrontiert, gerade jetzt in diesen schwierigen Zeiten.
Dann schaut man natürlich, dass man den Menschen hilft, dass man an Lösungen arbeitet, dass Gesetze beschlossen oder geändert werden. Es ist doch das Wesen der Politik und auch unser Auftrag als gewählte Mandatarinnen und Mandatare, dass wir die Lebenssituation von Menschen verbessern. Das funktioniert meiner Meinung nach besser, wenn man die Lebenssituationen kennt, wenn man nahe bei den Menschen ist und weiß, wo wirklich der Schuh drückt.
Beim Thema Föderalismus geht es natürlich auch um die wirtschaftliche Entwicklung in den Regionen, um Arbeitsplätze, um Infrastruktur und um Energie, um Bildung, um Kinderbetreuung, um die medizinische Versorgung, um die Pflege unserer älteren Menschen und um vieles, vieles mehr.
Der Herr Landeshauptmann hat hier am 12. Jänner von „maßgeschneiderten Lösungen“ gesprochen, die der Föderalismus möglich macht. Bei allen Gemeinsamkeiten der Länder gilt: Es gibt in vielen Bereichen andere Strukturen, aber auch andere Voraussetzungen. Jedes einzelne Bundesland hat seine besonderen Stärken, aber auch seine besonderen Herausforderungen. Daher brauchen wir auch den Föderalismus, daher brauchen wir Subsidiarität, daher brauchen wir auch starke Länder und einen starken Bundesrat als Stimme für die Länder und für die Menschen in allen Regionen Österreichs. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)
Der Föderalismus ist quasi ein Garant dafür, dass keine Region zurückgelassen wird. Meine Damen und Herren, wir dürfen auch keine Region zurücklassen, wir dürfen auch keine Menschen zurücklassen. Da gibt es in der heutigen
Zeit, die von einem schrecklichen Krieg, die von Krisen und Katastrophen geprägt ist, wirklich sehr, sehr vieles zu tun.
Empathie und Menschlichkeit sind gefragt, um dort zu helfen, wo Menschen in Not sind. Empathie und Menschlichkeit sind auch gefragt, wenn sich die Menschen hier bei uns das Leben immer weniger leisten können, wenn Mieten, Strom und Gas so teuer werden, dass sich das mit kleinen Pensionen, mit einem kleinen Einkommen nicht mehr ausgeht, wenn auch der Mittelstand nicht mehr weiß, wie er bei diesen Teuerungen über die Runden kommen soll. Da darf sich die Politik nicht verstecken. Da muss man vom Reden ins Tun kommen, und die Länder zeigen das vor.
Nicht das einzige, aber ein gutes Beispiel dafür ist das Burgenland, mein Heimatland, wo schon im vergangenen Jahr ein Wärmepreisdeckel beschlossen wurde und der Herr Landeshauptmann vor wenigen Tagen auch einen Mietendeckel und fixe Tarife für Strom und Gas vorgestellt hat. Das sind Maßnahmen, die bei den Menschen ankommen. Das ist effektive Hilfe. Anmerken möchte ich in diesem Zusammenhang im Übrigen auch, wie wichtig es war, damals schon, 2020, den Mindestlohn einzuführen. Es ist eigentlich ganz einfach: Die Menschen müssen von dem, was sie verdienen, auch leben können.
Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, gestatten Sie mir, dass ich noch einen Punkt anspreche. Auch bei diesem Punkt geht es um Menschlichkeit, und das ist auch der Schwerpunkt und das Motto meiner Präsidentschaft: Pflege und Gesundheit leistbar, qualitativ und wohnortnahe sicherstellen. Vielen von Ihnen wird die Situation in der Pflege entweder aus dem eigenen Familienumfeld oder aus Berichten bekannt sein. Die Pflege und die damit verbundene Herausforderung sind aus meiner Sicht ein ganz großes und wichtiges Thema unserer Zeit. Die zuletzt beschlossene Pflegereform hat zwar durchaus punktuell Verbesserungen gebracht, aber ich denke, wir brauchen da noch mehr, und auch da sind es die Länder, die
gute Beispiele dafür liefern, wenn ich zum Beispiel an das Pflegepaket des Landes Tirol denke, das im Vorjahr beschlossen wurde.
Erst vor einer Woche hat der burgenländische Landesrat Heinrich Dorner das burgenländische Pflegemodell in Brüssel, im Ausschuss der Regionen, vorgestellt. Diese Pflegeinitiative hat fast einhellige Zustimmung gefunden und das ist ein ganz tolles Zeichen, eine wichtige Bestätigung. Denn was brauchen wir? – Wir brauchen ganz einfach nachhaltige Lösungen, Zukunftsmodelle, damit sich pflegebedürftige Menschen darauf verlassen können, dass sie die bestmögliche Pflege bekommen. Wir brauchen nachhaltige Lösungen, auf die sich Familienangehörige auch verlassen können.
Ich darf auch jetzt schon ankündigen, dass ich im Rahmen meiner Präsidentschaft zu einer Enquete einladen werde, die sich mit dem Thema Pflege, mit den enormen Herausforderungen in diesem Bereich und mit Zukunftsmodellen zum Thema Pflege befassen wird.
Eine ebenso große Herausforderung sind das Gesundheitswesen und die Sicherstellung der medizinischen Versorgung gerade auch im ländlichen Raum. Da sind die Länder immer mehr gefordert, eigene Lösungen zu erarbeiten. Auch da hören wir jeden Tag die Sorgen der Menschen. Daher ist sicherzustellen, dass es im stationären, aber auch im niedergelassenen Bereich genügend Ärztinnen und Ärzte gibt. Jetzt gilt es sicherzustellen, dass es gute Rahmenbedingungen für das Pflegepersonal gibt, das gerade in Zeiten der Pandemie auch Übermenschliches geleistet hat.
Der Herr Landeshauptmann hat bereits angekündigt, dass es bei den Finanzausgleichsverhandlungen nicht nur ums Geld, sondern auch um die Strukturen gehen wird. Das ist auch wesentlich, weil nur dadurch nachhaltige Lösungen geschaffen werden. Es braucht eine qualitativ gute Gesundheitsversorgung, die wohnortnah und leistbar ist, und keine Zweiklassenmedizin, denn Gesundheit darf nicht das Privileg weniger werden. Eine gute Gesundheitsversorgung muss für alle Menschen in diesem Land,
egal ob sie im urbanen oder im ländlichen Raum leben, auch für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen dauerhaft gewährleistet werden. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
Ich bin da aber auch sehr zuversichtlich, dass das Verhandlungsteam der Länder mit Landeshauptmann Doskozil, Bürgermeister Ludwig und den Landeshauptleuten Stelzer und Wallner beim Thema Gesundheit, aber auch bei allen anderen großen Fragen des Finanzausgleichs im Sinne der Bevölkerung sinnvolle, gute und nachhaltige Ergebnisse erzielen wird.
Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als wir das Parlament am 12. Jänner eröffnet haben, war viel von einem respektvollen Miteinander in diesem Haus die Rede. Auch ich möchte das natürlich unterstreichen, gerade als Burgenländer, da im Burgenland immer schon das Miteinander gesucht wurde. Ich möchte aber auch betonen, dass gerade im Bundesrat – auch über alle Parteigrenzen hinweg, auch bei unterschiedlichen Standpunkten – eigentlich immer sehr fair miteinander umgegangen wurde. Ich möchte mich dafür bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr herzlich bedanken, denn das ist nicht selbstverständlich. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
Ich sehe das auch als eine sehr, sehr große Stärke und ich hoffe sehr, dass das auch in Zukunft so bleiben wird. Als Präsident werde ich in diesem Halbjahr auf jeden Fall versuchen, mein Bestes zu tun, um einen positiven Beitrag dazu zu leisten. Ich lade Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein, gemeinsam dafür zu arbeiten, dass der Bundesrat – eine Säule der Demokratie – weiterhin gestärkt wird, dass der Bundesrat durch sein Wirken weiterhin einen Beitrag zur positiven Entwicklung Österreichs, der Bundesländer und der Menschen in unserem Land leistet. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)
Erklärung des Landeshauptmannes von Burgenland zum Thema „Föderalismus“
Präsident Günter Kovacs: Ich begrüße jetzt nochmals Herrn Landeshauptmann von Burgenland Mag. Hans Peter Doskozil sehr herzlich bei uns im Bundesrat und gebe bekannt, dass er seine Absicht bekundet hat, eine Erklärung gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Föderalismus“ abzugeben.
Es liegt mir hierzu ein schriftliches Verlangen im Sinne des § 38 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates vor, im Anschluss an die von Herrn Landeshauptmann von Burgenland abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen. Da das Verlangen ausreichend unterstützt ist, werde ich diesem ohne Weiteres stattgeben.
Ich erteile nun dem Herrn Landeshauptmann von Burgenland zur Abgabe seiner Erklärung das Wort. – Bitte, Herr Landeshauptmann.
Landeshauptmann von Burgenland Mag. Hans Peter Doskozil: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder des Bundesrates! Zunächst herzlichen Dank, dass auch ich die Gelegenheit habe, als aktueller Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz hier im Bundesrat etliche grundsätzliche Gedanken zu teilen und an Sie zu richten, insbesondere über die Rollenverteilung, was die Bundesländer betrifft, und auch über die Rollenverteilung zwischen den Gebietskörperschaften.
Wir haben schon gemerkt, auch im Bundesrat – das ist, glaube ich, ein ganz wesentlicher Aspekt – sind Föderalismus und Subsidiarität – das Wort ist gefallen – ganz wesentliche Aspekte. Ich bin aber der Meinung, es steckt viel mehr dahinter und es ist es wert, diesen Föderalismus und auch das, wie wir mit föderalistischen Aspekten umgehen, mehr und mehr in den Mittelpunkt zu stellen. Ich glaube, das brauche ich jetzt nicht zu wiederholen: Wir leben in sehr, sehr schwierigen Zeiten. Mir persönlich kommt es so vor, dass wir von einer Krise in die nächste Krise kommen.
Denken Sie zurück an die Jahre 2008, 2009, 2010, an die Finanzkrise, denken Sie an die Flüchtlingskrise, denken Sie an die Coronakrise und aktuell, als Auswirkung des Krieges in der Ukraine, an die ganzen Teuerungen, die ganze allgemeine Situation für die Menschen, das Leben zu bestreiten. Es ist aus meiner Sicht nicht mehr greifbar, nicht mehr planbar und nicht mehr absehbar, wo die nächste Krise auftaucht.
In dieser Zeit leben wir. In dieser Zeit leben wir und trotzdem müssen wir – und das ist die Aufgabe der Politik, das ist die Aufgabe jedes Einzelnen, egal ob er regionalpolitisch, bundespolitisch oder landespolitisch tätig ist – positiv in die Zukunft blicken, müssen wir den Menschen eine positive Aussicht für die Zukunft vermitteln und müssen wir diese Signale auch entsprechend weitergeben.
Ich bin daher auch sehr dankbar für die Worte des Präsidenten, dass wir auch hier ein Miteinander vorleben, ein Miteinander des gegenseitigen Achtens, des gegenseitigen Respektierens auch bei aller Unterschiedlichkeit in den einzelnen Themen. Ich glaube, das ist ganz wesentlich, denn wir in der Politik sind in vielen Bereichen auch Vorbild für die Gesellschaft und für die Bevölkerung.
Es ist die Zeit des Finanzausgleiches, es ist die Zeit des beginnenden Finanzausgleiches, bei dem in weiterer Folge der Staatshaushalt und die Aufteilung der Mittel, der Steuermittel neu diskutiert werden.
Sie merken es schon in der Diskussion. Ich habe gestern aufmerksam eine Stellungnahme des Herrn Gesundheitsministers mitverfolgt, dass wir beispielsweise bei der Gesundheitsreform auch darüber diskutieren sollten, ob es zu Kompetenzverschiebungen kommen soll oder nicht. Ich sage Ihnen, es ist nicht die Zeit, über Staatsreformen zu diskutieren, es ist auch keine Staatsreformarbeitsgruppe eingerichtet, sondern es gibt ganz klar Finanzausgleichsverhandlungen.
Ich glaube, ich brauche es in diesem Haus nicht zu betonen und ich brauche Ihnen das auch nicht in dieser Klarheit und Deutlichkeit zu sagen: Föderalismus hat seine Bedeutung, hat seine Wichtigkeit. Die föderale Ausprägung unseres Staates ist ganz, ganz wichtig.
Ich erkläre das immer am Beispiel der Schulverwaltung. Jetzt kann man sagen, die Schulverwaltung ist sehr komplex und sehr kompliziert. Die Schulverwaltung basiert auf den Artikeln 11, 12 und 13 B-VG, mit einer Grundsatzgesetzgebung beim Bund, mit einer Ausführungsgesetzgebung bei den Ländern und mit einer Vollzugskompetenz bei den Ländern. Sie kennen die Diskussion um die Landesbehörde, um den Landesschulrat als gemischte Behörde, als Bundes- und Landesbehörde.
Eines aber hat die Schulverwaltung: Die Schulverwaltung legt auf Bundesebene Grundsätze fest, gibt Bildungsgrundsätze vor, gibt die Stundentafel in den Schulen vor, gibt also auch die Unterrichtsinhalte vor und gibt Finanzierungsmaßstäbe vor – denken Sie an den Richtwert bei der Klassenteilung: die Zahl 25 –, lässt aber den Ländern entsprechend ihren Voraussetzungen, ihren Gegebenheiten, ihren Prioritäten den Spielraum, selbstständig Maßnahmen zu setzen.
Das gibt uns beispielsweise im Burgenland – und so wird es auch in anderen Ländern sein – die Möglichkeit, Kleinststrukturen zu erhalten, wirklich Kleinstschulen zu erhalten. Das gibt uns im Burgenland beispielsweise die Möglichkeit, Rücksicht auf die Zweisprachigkeit zu nehmen. Das gibt uns im Burgenland auch die Möglichkeit, diesen Richtwert der Teilungszahl 25 als Pflichtwert zu leben und auf die Eigenheiten und auf die Auswirkungen im Land Bedacht zu nehmen. Das ist nicht unklug organisiert. Jedes Land hat seine Eigenheiten, jedes Land hat andere Voraussetzungen und der Föderalismus und die Subsidiarität ermöglichen in weiterer Folge, auf diese Rücksicht zu nehmen und auf sie einzugehen.
Wir dürfen auch nicht vergessen: Subsidiarität ist keine Einbahnstraße. Subsidiarität bedeutet nicht, Entscheidungen von Bundesebene auf Landesebene zu geben. Wenn wir von Subsidiarität reden, dann müssen wir das auch ernst meinen und ernst nehmen. Subsidiarität bedeutet auch, auf Landesseite die Größe zu haben und den Zugang zu haben, Entscheidungen möglicherweise auch auf Gemeindeebene zu verlagern. Auch das bedeutet Subsidiarität, da klar ist: Wenn Entscheidungen vor Ort getroffen werden können – und das ist der Sinn der Subsidiarität, die Nähe zum Bürger, die schnelle Entscheidung vor Ort, die Betroffenheit auch zu merken und festzustellen –, dann müssen wir das auch leben.
Dieses Zusammenwirken funktioniert. Dieses Zusammenwirken zwischen den Gebietskörperschaften ist unsere Aufgabe, und der Finanzausgleich ist ein ganz wesentliches Instrument, um auch die Aufgabenerfüllung, die uns dadurch anheimgestellt ist, sicherzustellen.
Ich möchte auf drei Bereiche des Finanzausgleiches eingehen, auch auf die inhaltlichen Bereiche. Meines Erachtens ist die Gesundheitsversorgung, die Sicherstellung einer qualitativen Gesundheitsversorgung auf den verschiedensten Ebenen der wesentlichste und wichtigste Punkt des Finanzausgleiches. Wenn wir es in diesem Segment, im Bereich der Spitäler, im niedergelassenen Bereich, im extra- und intramuralen Gesundheitsbereich, schaffen, eine Einigung beim Finanzausgleich zu finden, dann wird der Finanzausgleich aus meiner Sicht auch funktionieren. Wenn wir uns die Situation gegenwärtig anschauen – und ich kann das aus Sicht des Burgenlandes beurteilen –, ist es so: Wir haben eine Situation, dass wir immer mehr und mehr damit konfrontiert sind, dass Facharztpraxisstellen in ländlichen Regionen, dass auch Hausarztpraxisstellen nicht mehr besetzt werden können. Wir haben eine Situation, dass wir im intramuralen Bereich in den Spitälern Arztstellen nicht mehr besetzen können. Gegenwärtig sind im Burgenland ungefähr 20 Prozent der Arztstellen in den Spitälern nicht besetzt. Das ist die eine Situation und die eine Seite.
Wir haben eine andere Situation, wenn wir uns die
Finanzierungsströme, beispielsweise der Spitäler, anschauen. Sie
wissen alle, Spitäler werden über einen Fonds – jedes Land
hat einen Fonds – finanziert; dieser Fonds wird aus Mitteln
des Bundes, aus Mitteln der ÖGK und aus Mitteln der Länder gespeist.
Diesem Finanzierungsschlüssel ist eine Gastpatientenregelung hinterlegt –eine
Gastpatientenregelung, die fingiert, dass gewisse spitzenmedizinische
Leistungen natürlich in den medizinischen Zentren in Graz, in Wien,
in Salzburg, in Innsbruck, wo auch immer, erbracht werden. Deshalb hat
auch berechtigterweise, das sage ich ganz klar an dieser Stelle, diese Gastpatientenregelung
vorgesehen, dass beispielsweise Wien – ich glaube, es sind
6,6 Prozent – mehr an Mitteln bekommt, als der
Bevölkerungsschlüssel eigentlich vertreten würde. Das
Burgenland bekommt
um 1,1, 1,2 Prozent weniger an Mitteln, als unser
Bevölkerungsschlüssel repräsentieren würde.
Was passiert aber jetzt? – Jetzt haben wir eine Situation, dass wir auf der einen Seite, auf der finanziellen Seite wieder, zu dieser Fondsfinanzierung, die ich vorhin dargestellt habe, wo der Bund, die ÖGK die Mittel reingeben, für die Spitäler mittlerweile in den letzten Jahren – und die Summen steigen – zusätzlich noch 40, 50 Millionen Euro für den Betrieb, nur für den Betrieb der Spitäler zuschießen müssen.
Auf der anderen Seite war es eigentlich einmal unser Zugang – und das wollten wir berechnen, wir wollten uns die Situation anschauen –, zu schauen: Was passiert eigentlich, wenn wir aus dieser Gastpatientenregelung aussteigen würden, wenn wir sagen, okay, wir wollen eine Einzelfallverrechnung und wir gehen in das Modell des qualitativen Wettbewerbes zwischen den Spitälern? Denn der Patient kann sich natürlich aussuchen und hat freie Wahl, in welches Spital er geht, das, was ja derzeit Praxis ist. Das würde aber bedeuten, dass wir im Leistungsäquivalent 40 Millionen Euro aufholen müssen, um überhaupt erst einmal auf das Niveau unserer jetzigen Gastpatientenfinanzierung zu kommen.
Das bedeutet umgekehrt – das sei an dieser Stelle auch ganz offen gesagt –, andere Bundesländer – das sind vielleicht Steiermark, Niederösterreich, Wien – erbringen um diesen Verhältnisbetrag mehr an Leistungen, als sie durch die Gastpatientenregelung abgedeckt bekommen. Auch das muss man fairerweise sagen. Es geht nicht immer nur darum, man will mehr Geld, sondern man muss versuchen, mit der Position eines Landes gemeinsam mit allen Ländern ein System zu schaffen, mit dem jeder leben kann und jeder das Gesundheitssystem finanzieren kann.
Das war beispielsweise bei der Diskussion um die Covid-Ersatzzahlungen in Bezug auf die Spitäler, in Bezug auf das Gesundheitssystem wirklich skurril. Es war insofern skurril, weil ich da gemerkt habe – und das ist jetzt kein Vorwurf, das sind einfach die Fakten, so, wie ich auch unsere Fakten darstelle –, dass westliche Bundesländer eigentlich nicht diesen massiven Finanzierungsbedarf haben wie wir. Warum? – Weil es dort sehr viele Gastpatienten, insbesondere während der Wintersaison, aus dem Ausland gibt und da natürlich Finanzierungsströme entstehen. Somit hat jedes Land unterschiedliche Voraussetzungen, Spitäler zu finanzieren.
Jeder hat seine Vorstellungen, jeder hat seine Ideen, und es liegt an uns, diese Ideen – und das ist jetzt die Aufgabe der Länder – auch im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen zusammenzuführen, hier auch entsprechende Ergebnisse gegenüber dem Bund zu verhandeln und dann natürlich so zu verantworten, dass wir in weiterer Folge diese Gesundheitsversorgung, die wir uns vorstellen, die wir auch tagtäglich immer wieder unserer Bevölkerung vor Augen halten, auch gewährleisten können.
Ich muss ganz ehrlich sagen, ich bin sehr unzufrieden mit Folgendem: Wenn man heute – und ich bekomme das tagtäglich in meinen Sprechstunden im Kontakt mit der Bevölkerung mit – ein MRT will, muss man zu einem Wahlarzt gehen, wenn man einen zeitnahen Operationstermin will, muss man zu einem Wahlarzt gehen. Das ist eine Tendenz, die mehr und mehr verstärkt wird, das ist eine Tendenz hin zu einer Zweiklassenmedizin. Es ist unsere
Aufgabe in der Politik, das zu unterbinden; und das zu unterbinden ist möglich. Das ist gesetzlich möglich, da müssen die entsprechenden Vorkehrungen getroffen werden. Daher geht es beim Finanzausgleich nicht nur darum, wo die zusätzlichen Mittel herkommen, sondern es geht schon auch um eine Strukturfrage, aber nicht um die Strukturfrage, wo die Kompetenzen für den Betrieb der Spitäler liegen, sondern um die Strukturfrage, wie wir die Spitäler finanzieren.
Würden wir nämlich die Kompetenzen für den Betrieb der Spitäler und die Zuständigkeit der Spitäler – das sage ich auch ganz klar – an den Bund abgeben, dann würde das bedeuten, dass Spitäler geschlossen werden. Wir kennen diese Diskussion in den Ländern – wir kennen sie, ich im Burgenland, ich kenne sie in der Steiermark, und es gibt sie auch in anderen Ländern –, und das gilt es zu verhindern. Wir sind in Österreich aus meiner Sicht auch finanziell, budgetär auf Bundesebene, aufseiten der Sozialversicherung, aufseiten der Länder so aufgestellt und so organisiert, dass wir diese Struktur erhalten können, dass wir diese wohnortnahe Spitalsstruktur erhalten können. Das ist unsere Aufgabe.
Es ist natürlich der einfachste Weg, über Schließungen zu diskutieren, es ist der kompliziertere Weg, über Strukturveränderungen zu diskutieren, und ich bin der Meinung, wir müssen im Interesse der Länder, im Interesse der Bevölkerung den komplizierteren Weg gehen. Ich sage das aber an dieser Stelle, weil ich in den letzten Tagen betreffend die Anhebung der Ärztegehälter durchaus ein bisschen kritisiert worden bin, wo wir jetzt im Burgenland den ersten Schritt gegangen sind und das Arztgehalt eines jungen Facharztes, beginnend mit 32, 33 Jahren, auf 140 000 Euro Jahresgehalt erhöht haben.
Auch hier möchte ich Ihnen als Ländervertreter – die Länder haben ja auch in dieser Gehaltsfrage unterschiedliche Voraussetzungen – unsere Beweggründe mitteilen. Wir haben im Burgenland eine Situation, dass, wie ich schon gesagt habe, 80 Prozent der Arztplanstellen in unseren Spitälern
besetzt sind. Wir haben eine Situation, dass wir heute im Burgenland nicht großartig Sonderklassetarife anbieten können wie in anderen Bundesländern. Wenn ich mit einem sehr gut befreundeten Arzt, der nicht im Burgenland tätig ist, um jetzt kein Bundesland vor den Vorhang zu holen, rede, dann sagt er: Geh, schau, 30, 35 Prozent meines Einkommens sind das öffentliche Einkommen, die Beschäftigung im Spital, weitere 40 Prozent ungefähr – das schwankt ein bisschen, ist monatlich unterschiedlich – sind die Sonderklassetarife und die restlichen Prozente, die fehlen, sind die Wahlarztordination.
Auf der einen Seite – ja, das ist okay – ist es gar nicht notwendig, über den öffentlichen Sektor Gehaltserhöhungen vorzunehmen, weil natürlich über den privaten Sektor, Sonderklassetarife, Wahlarztordination, das Gehalt des Arztes entsprechend repräsentativ ausgeglichen wird. Solche Tendenzen nehmen wir aber auch woanders wahr, wenn heute etwa seitens der ÖGK einem Hausarzt nur eine gewisse Zahl an Patienten im Quartal bewilligt wird, die er abrechnen darf. Wenn man heute einem Radiologen nur gewisse Fallzahlen für das MRT und das CT im Quartal bewilligt, so drängt man die Patienten in den privaten Bereich.
Das Drängen der Patienten in den privaten Bereich – am Gehalt des Arztes oder bei den Leistungen erklärt –, bedeutet nichts anderes als die Verschiebung der Finanzierung des Gesundheitssystems auf die Menschen. – Das ist der Effekt. Das passiert aus meiner Sicht nicht zufällig, sondern das hat Struktur, weil wir uns nicht trauen, gemeinschaftlich darüber zu diskutieren: Wie schaffen wir es, möglicherweise auch gewisse Einschnitte zu machen, wie schaffen wir es, gewisse Standards, die wir von unserem Gesundheitssystem erwarten und die die Bevölkerung berechtigterweise erwartet, durch vielleicht auch empfindliche Strukturmaßnahmen sicherzustellen?
Wenn wir diese Diskussion nicht führen, führen wir in ein paar Jahren die Diskussion: Wo strukturieren wir?, und: Wo restrukturieren wir über
Schließungen und über das Zurückfahren von Leistungen und das Zurückfahren von Spitälern oder Ordinationen im ländlichen Bereich? – Und da ist es unsere Aufgabe, aufzustehen und das Wort auch im Sinne der Bevölkerung zu ergreifen, und nicht, den einfachen Weg zu gehen und zu sagen: okay, Kompetenzverschiebung Richtung Bund, und dann als zweiten Schritt, wenn es nicht mehr finanzierbar ist, die Schließung.
Das ist der eine Aspekt, warum aus meiner Sicht der föderale Charakter – die Ausprägungen in den einzelnen Ländern divers zu entscheiden und Dinge unterschiedlich zu machen – grundsätzlich ganz wesentlich ist.
Der zweite Bereich, den ich auch ansprechen möchte, ist
die Pflege. Wenn Sie sich zurückerinnern: Ich glaube, es
war am Beginn der Zweitausenderjahre, da hatte, glaube
ich, ein österreichischer Politiker oder sein Umfeld doch ein gewisses Problem mit der Pflege zu
Hause. Aus dieser öffentlichen Diskussion darüber, wie
Pflege zu Hause stattfindet, wer an und für sich zu Hause pflegt, wie
es diesen 24-Stunden-Kräften, die engagiert werden, geht, welche
Rahmenbedingungen es da gibt, ist dann die Legalisierung
der 24-Stunden-Pflegekräfte entstanden, die ja jetzt fast zu
100 Prozent aus den östlichen oder südlichen
Nachbarländern kommen.
Ein paar Jahre später, es war vielleicht sogar zehn Jahre später, gab es wieder das Thema Pflege im politischen Diskurs, und das Ergebnis dieses politischen Diskurses war am Ende des Tages die Abschaffung des Pflegeregresses. Sie erinnern sich, auch das war damals ein Thema – ich glaube, es war kurz vor einer Wahl –, und man hat den Pflegeregress abgeschafft. Wir, die Länder und der Bund, hanteln uns jetzt immer wieder mit 15a-Vereinbarungen durch, um diese Abschaffung des Pflegeregresses sukzessive abzufedern.
Jetzt haben wir wieder die Diskussion darüber, wie wir Pflege flächendeckend sicherstellen können. Das wird auch ein zentraler Punkt in der Finanzausgleichsverhandlung sein. Auch da sieht man am Beispiel Burgenland – aber auch an anderen Beispielen –, wie wichtig föderaler Zugang ist und wie wichtig
föderaler Vollzug, föderale Zuständigkeit und Kompetenz in dieser Frage sind. Es ist mir selbstverständlich klar und bewusst, dass man unser Modell – wie wir versuchen, Pflege zu organisieren – möglicherweise nicht eins zu eins auf ein anderes Bundesland umlegen kann. Man kann es wahrscheinlich schon gar nicht eins zu eins auf den städtischen Bereich umlegen. Aber für uns im Burgenland, und das ist eben Subsidiarität, ist es wichtig, dieses Modell so zu leben, und das bedeutet, Pflege sehr kleinteilig zu organisieren.
Wir reden bei uns auch sehr oft – und ich glaube, auch Sie in Ihren Bundesländern – über die Ausdünnung des ländlichen Raumes. Wir reden sehr oft darüber, dass da die Post zusperrt, dort das Wirtshaus zusperrt und dass die Struktur immer weniger wird. – Da müssen wir entgegenwirken! Wir sind kein Wirtshausbetreiber, wir sind kein Postbetreiber, aber wir können unsere Strukturen, mit denen wir bei den Menschen sein wollen, dezentral organisieren.
Wenn wir beginnen, zentral zu organisieren, dann wird es in den Ländern wirklich problematisch, und daher haben wir die Entscheidung getroffen, dass wir unsere Pflegestrukturen dezentral organisieren wollen. Wir werden, bei aller Diskussion dahinter – ich kenne die Diskussion –, 71 Pflegestützpunkte errichten, wobei statistisch gesehen jeder einzelne Pflegestützpunkt für 4 000 Einwohner zuständig sein wird. In diesen Pflegestützpunkten wird mobile Hauskrankenpflege, wird Tagesheimzentrum, wird betreutes Wohnen in einer besonderen Form konzentriert stattfinden.
Unser Modell ist aus meiner Sicht unsere Antwort auf das Thema Herausforderungen im Bereich der Pflege, auf das Thema wohnortnahe Pflege und darauf, dass jeder von uns von der Bevölkerung auf das Thema angesprochen wird und wir aufgefordert werden, dass das Thema Pflege positiv erledigt wird.
Es ist für mich ganz wesentlich, in dieser Diskussion und an dieser Stelle darzustellen, was wir im Burgenland machen und warum wir das so machen. Das sind für mich die Beispiele, die wir umsetzen, und die Erklärungen, warum wir so
etwas umsetzen. Ich möchte an dieser Stelle auch ganz bewusst sagen, dass es auch wichtig ist, dass sich die Bundesländer gegenseitig achten, sich mit Respekt begegnen und sich vielleicht das eine oder andere Modell gegenseitig abschauen.
Wir waren beispielsweise, das sage ich an dieser Stelle ganz offen, sehr interessiert an den Verkehrslösungen im Nahverkehr der Steiermark vis à vis bei uns im Süden, an dem, was die Südoststeiermark mit dem kleinteiligen regionalen Verkehr gemacht hat. Wir haben uns dieses Modell sehr genau angeschaut, wir werden dieses Modell ganz einfach kopieren und im Burgenland etablieren. Warum sollen wir nicht etwas machen, das funktioniert und das bei den Menschen ankommt, das für die Region und für die Menschen gut ist, und das dann in weiterer Folge auch im Burgenland umsetzen?
Ich glaube, wenn es dieses gegenseitige Verständnis gibt, dass man nicht immer alles im Bundesland selber erfunden haben muss, sondern dieses Miteinander lebt, und man sich gegenseitig jene Dinge herausnimmt, die für das eigene Land am besten wirken und von denen man glaubt, dass sie am besten wirken, dann, glaube ich, ist das eine Form des Föderalismus, den sich auch die Bevölkerung verdient hat. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
Ich möchte an dieser Stelle auch ein Thema ansprechen, das immer wieder mehr oder weniger in einem gewissen Diskurs steht, und zwar den Mindestlohn. Der Präsident hat das auch in seinem Eingangsstatement kurz erwähnt. Ich glaube, in der Politik ist uns vielfach das Wissen darüber verloren gegangen, wie es den Menschen eigentlich geht. Wir leben so in einem Trott dahin, wir leben in den Strukturen dahin und können die Größenvergleiche in die Vergangenheit nicht mehr ziehen.
Ich selbst war überrascht, das muss ich an dieser Stelle ganz ehrlich sagen, als mir mein Chauffeur erzählte – er war in seinem vorigen Beruf Fliesenleger –:
Ich war bis zur Euroumstellung Fliesenleger und bis 2001 habe ich kollektivvertragsrechtlich ganz normal – damals noch in Schilling – ungefähr 28 000 Schilling verdient! Netto monatlich, ein Fliesenleger. Das war zwar nicht jedes Monat; er hat gesagt: Im Jahresvergleich waren es in ungefähr zwei Dritteln der Monate 28 000 Schilling, dann war es auch ein bissel weniger.
Warum war das so? – Weil bis zu diesem Zeitpunkt die kollektivvertragsrechtliche Bezahlung der Fliesenleger – und das dürfte im Bau- und –nebengewerbe und auch in anderen Branchen so gewesen sein – nach Leistung abgegolten wurde, der Lohn also nach Quadratmeterleistung bezahlt wurde. Er selbst sagte, dass das dann umgestellt wurde. Ungefähr zum Zeitpunkt der Euroeinführung wurde auf Zeitabgeltung umgestellt. Mit der Zeitabgeltung wurde damals sein Gehalt von einem Tag auf den anderen auf 1 250 Euro minimiert. Mittlerweile ist es wieder ungefähr bei 1 700, 1 800 Euro netto, aber auch nicht bei 2 000 Euro, wie es schon einmal im Jahr 2000 war.
Schaut man sich diesen Sachverhalt einer einzelnen Person an, eines Familienvaters, der sein Leben bis dahin – er war im Jahr 2000 ein bissel über 30 Jahre – darauf ausgerichtet hatte, dass er ein Haus baut, dass er die Schulden bezahlen kann, dass seine Kinder entsprechend versorgt sind, und der dann von einem Moment auf den anderen auf ein Gehalt von 1 250 Euro hinunterfällt, dann kann man ihm ja gar nicht böse sein, wenn er sagt: Ich habe die Finanzierung meines Hauses, mein Leben nur mehr bestreiten können, wenn ich am Wochenende pfuschen gegangen bin. – Wer soll denn dem böse sein?
Auch ich, vielleicht wir alle, das weiß ich jetzt nicht, haben das gar nicht gewusst – damals waren viele von uns noch nicht in der Politik. Uns fehlt diese Empathie, dieses Wissen, wie es diesen Menschen wirklich geht, die solche Einschnitte hinnehmen müssen, wenn es doch tatsächlich schon im Jahr 2000 möglich war, dass die Wirtschaft – sage ich jetzt pauschal, es ist vielleicht branchenspezifisch zu unterscheiden – dem Fliesenleger 2 000 Euro zahlen konnte.
Wo läge denn das Gehalt dieses Fliesenlegers heute, wenn er seit dem Jahr 2000 alle Valorisierungen mitgemacht hätte? Darüber will ich gar nicht reden. Wenn ich sagen würde, ein Fliesenleger würde heute vielleicht 3 000 Euro verdienen, dann würden Sie alle sagen: Das ist ja verrückt, das geht ja nicht! – Diesen Blick haben wir verloren, und genau deshalb ist es für uns so wichtig, diese Diskussion um den Mindestlohn zu führen.
Warum können wir beispielsweise im Burgenland – allein auf die letzte Gehaltserhöhung blickend – derzeit 2 000 Euro Mindestlohn zahlen? Auch das ist dem Föderalismus geschuldet, wir konnten selbstständig entscheiden, wie wir Gehaltserhöhung leben. Auch das ist ein Ausfluss des Föderalismus, auch wenn es für viele unangenehm ist, darüber zu reden. Warum können wir 2 000 Euro netto Mindestlohn bezahlen – für jede Mitarbeiterin, die in unseren Spitälern in der Küche steht, für die Reinigungskraft, die tagtäglich bei uns im Landhaus putzt? Die bekommen alle 2 000 Euro netto Mindestlohn. (Beifall bei der SPÖ.) Warum? – Weil wir die letzten Gehaltserhöhungen nicht linear durchgeführt haben, generell nicht linear durchgeführt haben, weil wir gesagt haben: Jeder Mitarbeiter, von jedem Politiker bis hin zur Reinigungskraft, bis hin zur Mitarbeiterin in der Küche, bekommt 300 Euro brutto Lohnerhöhung.
Das bedeutet natürlich, dass der Landesamtsdirektor – symbolisch jetzt als Beispiel genannt – keine Lohnerhöhung dem Gehalt entsprechend um 700 Euro brutto bekommt. Das bedeutet auch, dass der Politiker keine 5,2-prozentige Lohnerhöhung bekommt – ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie viel ein Politiker verdient –, sondern dass bei einem Spitzenpolitiker die Gehaltserhöhung möglicherweise bei 1,5 Prozent liegt, beim Landesamtsdirektor bei 2,5 oder 3 Prozent liegt, bei der Reinigungskraft aber bei 15 Prozent liegt. Und das ist der Unterschied. Nur mit dieser Maßnahme konnten wir diesen Weg, den wir vor zwei, drei Jahren zu gehen begonnen haben, nämlich einen Mindestlohn von 1 700 Euro netto zu implementieren, weitergehen und jetzt auf 2 000 Euro erhöhen.
Diese Maßnahme, und das ist das Interessante daran, hat in Wirklichkeit den gleichen budgetären Aufwand verursacht, als hätten wir die Gehaltserhöhung des Bundes, so wie er sie vorgegeben hat, eins zu eins übernommen. Die Gehaltserhöhung seitens des Bundes hätte bei uns bedeutet: Eine Reinigungskraft bekommt 180 Euro mehr, ein Spitzenbeamter im Landesdienst 700 Euro mehr. Was wäre passiert? – Es hätte eine weitere Spreizung der Gehälter stattgefunden. Die Gehälter hätten sich weiterhin voneinander wegentwickelt. In Wirklichkeit hätte man den Effekt, den man ja – und das verstehe ich auch – mit diesen Lohnerhöhungen von über 7 Prozent erreichen wollte, um Teuerungen abzufedern, Lebenshaltungskosten abzufedern, vielleicht für jemanden erreicht, dem es egal ist, wie hoch die Gas-, wie hoch die Stromrechnung ist, aber demjenigen, der nicht weiß, wie es weitergeht, wie er seine Strom- und Gasrechnung bezahlen soll, hätte man damit eigentlich nicht besonders geholfen.
Das ist ein schwieriges Thema, ich verstehe das, das wird sehr hart diskutiert, insbesondere auch, wenn man ein bisschen in die Wirtschaft hineingeht und sich die einzelnen Branchen anschaut. Das Thema ist nicht einfach, aber es geht ja nicht darum, dass wir in der Politik immer die einfachen Themen behandeln müssen. Es geht doch in der Politik darum, das für die Menschen zu erreichen, was sie von uns erwarten. (Beifall bei der SPÖ.)
Genau in diesem Zusammenhang und in dieser Situation, in der
wir uns jetzt befinden, in der alles teurer wird, muss ich Ihnen sagen, ich war
persönlich zutiefst überrascht, als ein Angehöriger
eines Regierungsmitgliedes zu mir gesagt hat: Mein Onkel, ein älterer
Mann, heizt mit Strom, in einem älteren Haus, und hat bis
dato eine Stromrechnung von 400 Euro gehabt. Jetzt hat er eine monatliche
Vorschreibung – natürlich aufgrund der allgemeinen
Steigerungen, keine Frage – von 1 600 Euro bekommen, bei
einer Pension von 1 500 Euro netto! – Das ist kein
Einzelfall, glauben Sie mir! Das ist kein
Einzelfall.
Und wir sagen dann, dass es eh die Strompreisbremse des Bundes gibt. Es ist eh alles gemacht worden. – Ja, was sollen wir denn diesen Menschen vor Ort sagen? Wie sollen die ihr Leben tagtäglich gestalten? Wir merken das nicht. Ich kann jeden Tag zum Spar, zum Billa, wo auch immer, gehen und kann meinen Einkauf tätigen. Wir bekommen das teilweise gar nicht mehr mit. Ich bin selber ab und zu überrascht, obwohl ich Sprechstunden abhalte, obwohl ich einkaufen gehe und im täglichen Kontakt mit den Menschen bin, noch dazu in einem sehr kleinteilig organisierten Land. Wir bekommen teilweise nicht mit, wie es unseren Mitbürgern geht.
Dann darüber zu diskutieren, ob der Mindestlohn beispielsweise von jetzt 2 000 Euro netto oder historisch von 1 700 Euro netto zu viel ist, ob das die Wirtschaft zahlen kann oder nicht, halte ich nicht für richtig. Unsere Aufgabe ist es, für alle da zu sein, und das versuchen wir im Burgenland: für alle da zu sein, auf der einen Seite mit einer wirklich exzellenten – da können Sie auch in der burgenländischen Wirtschaft fragen – Wirtschaftsförderung Politik zu machen, aber auf der anderen Seite auch dafür Sorge zu tragen, dass die Menschen von dem, was sie verdienen, leben können und dass sie genau wissen, warum sie arbeiten gehen.
Das ist aus meiner Sicht unsere Aufgabe, dafür werden wir gewählt, dafür stehen wir und das können wir umsetzen. Daher bin ich auch sehr dankbar, in dieser Rolle sein zu können, weil wir in Österreich genau diese Staatsformen und diese föderalen Strukturen haben.
An dieser Stelle möchte ich schließen, mich bedanken und Ihnen versichern, ich stehe Ihnen im Wort, nicht nur hier in dieser Institution, hier im Bundesrat, sondern immer, dafür einzutreten, wenn es darum geht, dass föderale Strukturen, Subsidiarität, wie es auch so schön heißt, nicht nur gelebt werden, nicht nur in Sonntagsreden angesprochen werden, sondern auch tatsächlich umgesetzt werden. In diesem Sinne: alles Gute und herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
9.48
Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Landeshauptmann, für deine Ausführungen und auch für die Zeit, die du dir jetzt genommen hast. Ich glaube, das ist für den Bundesrat auch eine besondere Wertschätzung.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Sandra Gerdenitsch. Ich erteile es ihr. – Bitte sehr.
Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, ganz besonders herzlich willkommen bei uns im Bundesrat! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist mir eine ganz besondere Freude und auch Ehre, meine erste Rede im wieder eröffneten Parlament hier im Bundesratssaal anlässlich der Erklärung unseres Landeshauptmannes Hans Peter Doskozil zur Vorsitzübernahme des Burgenlandes in der Länderkammer zu halten. Herzlichen Glückwunsch auch zur Übernahme des Vorsitzes in der Landeshauptleutekonferenz, viel Freude mit der neuen Aufgabe und Kraft dafür, und nochmals: Herzlich willkommen im Bundesrat! Griaß di Gott schei! (Heiterkeit.)
Ich war und bin eine glühende Burgenländerin. Ich bin eine pannonische Mischkulanz. Mein Großvater stammte aus dem Norden, geboren wurde ich im Süden, aufgewachsen bin ich im Mittelburgenland, und ich habe auch mehr als eineinhalb Jahrzehnte in Wien verbracht, zuerst in der Schule, dann studierend und arbeitend, so wie viele andere Burgenländerinnen und Burgenländer auch. Gefühlt hat jeder und jede von uns eine Tante, die einst auszog, um in der Wiener Stadt zu leben und zu arbeiten.
Ich bin tief verwurzelt im Burgenland, ich bin Gemeindevorständin in meiner Heimatgemeinde, ich arbeite als Landesfrauengeschäftsführerin, ich bin Obfrau der Tageseltern Burgenland. Ich bin dadurch also tagtäglich ganz nah an den Menschen, die mir über ihr Leben, über ihre Fragestellungen, die sie
beschäftigen, aber natürlich auch über ihre Probleme, Sorgen und Ängste berichten. Da gilt es zu helfen, hier gilt es, die Lebensrealitäten der Menschen ein Stück weit zu verbessern. Da können und müssen wir auch ansetzen, und das sehe ich als unsere Pflicht als Politikerinnen und Politiker.
Angesichts der Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, ist es ein zentrales Anliegen, den Menschen in dieser schwierigen, belastenden Zeit Sicherheit und Stabilität zu geben. Gerade in Krisenzeiten ist es wichtig, dass die Bundesländer geschlossen auftreten und jedes Bundesland seine Stärken entsprechend nützt. Lassen Sie uns gemeinsam hier im Bundesrat und in enger Zusammenarbeit mit den Bundesländern und dem Bund daran arbeiten, die anstehenden, mitunter sicher nicht einfachen Aufgaben im Sinne der Menschen zu meistern.
In meinem Berufsleben, aber auch in meinem Privatleben habe ich sehr oft davon profitiert, von anderen zu lernen, und ich bin sicher, dass man sich auch von einem Bundesland etwas abschauen kann. Das Burgenland unter der Führung von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil unternimmt so einiges, um gerade jetzt in der Krise den Menschen zur Seite zu stehen. Für mich als Familiensprecherin hier im Bundesrat und als Landesfrauengeschäftsführerin der SPÖ Frauen Burgenland ist es sehr schmerzlich, zu sehen, dass sich wirklich viele Menschen das tägliche Leben nicht mehr leisten können. Ganz besonders betroffen sind Frauen und Familien, unter ihnen sehr viele Alleinerziehende.
Ja, wir leben in herausfordernden Zeiten, und ja, Entschlossenheit ist gefragter denn je. Die Initiativen im Burgenland helfen den Menschen und im besonderen Maße eben den Frauen und Familien.
Dieser Tage wurde ein weiteres Antiteuerungspaket für das Burgenland präsentiert. Es wird den flächendeckenden Mietpreisdeckel geben, mit dem das Land gemeinsam mit den Genossenschaften gegensteuert und die
Mieten im Genossenschaftsbereich auf dem Niveau von Dezember 2022 für zwei Jahre einfriert. Auch im Energiebereich ist das Burgenland aktiv und bietet in Kooperation mit der Burgenland Energie einen attraktiven Fixpreis an. Die Lösung gegen horrende Energiepreise ist selbst produzierte Energie aus erneuerbaren Energieträgern. Das Burgenland gilt in Sachen erneuerbare Energie als Vorzeigebundesland. Zu Spitzenzeiten produziert das Burgenland schon jetzt mehr Strom, als es verbraucht. (Beifall bei der SPÖ.) Durch sinnvolle Maßnahmen wollen wir ab 2030 ohne Energieimporte auskommen, und ab dann macht das Land seine Energiepreise selbst.
Das Burgenland überzeugt mit familienfreundlicher Politik. Gratiskindergarten und bedarfsorientierte Kinderbetreuung sind riesengroße Entlastungen für die Familien. Mit dem Gratiskindergarten und der bedarfsorientierten Kinderbetreuung haben wir im Burgenland die Rahmenbedingungen für Familien enorm verbessert. (Beifall bei der SPÖ.)
Zum einen ist es die finanzielle Entlastung, die mit dem Wegfall der Kindergartenbeiträge den Familien Ersparnisse bis in den vierstelligen Eurobereich gebracht hat. Diese finanzielle Erleichterung kommt heutzutage, wo die Familien die Teuerungsrate besonders hart zu spüren bekommen, noch stärker zur Geltung. Zum anderen haben wir mit der gesetzlich geregelten und bedarfsgerechten Anpassung der Betreuungszeiten in den Kinderkrippen und in den Kindergärten und der Verringerung der Schließtage für Eltern und Familien sehr gute Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geschaffen.
Dazu kommt das verpflichtende kostengünstige Angebot einer Ferienbetreuung für Schüler:innen. Es ist auch so, dass wir das heuer im Burgenland wieder anbieten werden und auch die Preise im Vergleich zum Vorjahr da nicht gestiegen sind. Das ermöglicht oder erleichtert den Eltern, einen Beruf auszuüben. Lassen Sie mich das an dieser Stelle anmerken: Teilzeit zu arbeiten ist für die meisten Menschen absolut kein Privileg.
Das Burgenland investiert jährlich über 36 Millionen Euro für eine qualitative Kinderbetreuung und Kinderbildung. Der Kindergarten ist die erste Bildungseinrichtung für unsere Jüngsten und damit eine wichtige Station in ihrer Entwicklung. Die Zukunft unserer Kinder und Familien muss uns allen etwas wert sein, denn die Kinder von heute sind die Erwachsenen von morgen.
Was wir aber auch unbedingt angehen müssen: Wir müssen – auch im Sinne der allgemeinen Gesellschaft – vor allem arbeitenden Müttern helfen, an diesen Schrauben müssen wir drehen. Das Burgenland ist ein Land, das Frauen unterstützt. Wir setzen verschiedenste Maßnahmen, die den Frauen im Burgenland zugutekommen.
Ich möchte zwei mir besonders am Herzen liegende Maßnahmen herausgreifen. Zum einen ist es die Frauenstrategie Gleich*in die Zukunft und zum anderen ist es die Alleinerziehendenförderung, die wir auch 2023 nicht nur weiterführen, sondern deren Budget wir auch verdoppelt haben. Mit der Frauenstrategie schenken wir dem Frausein im Burgenland noch mehr Bedeutung. Das war uns von Anfang an ein wichtiges Anliegen. Diese erste Frauenstrategie soll euch ein wichtiger Wegweiser für Frauenangelegenheiten und vor allem auch für die Gleichstellungszukunft des Burgenlandes sein. Gleichwertige Bezahlung, Möglichkeiten, um Beruf und Familie besser vereinbaren zu können, Rollenbilder bereits bei Kindern aufbrechen – das wünschen sich Frauen im Burgenland, das ergab die Befragung zur Erstellung der Frauenstrategie. 1 600 Burgenländerinnen und Burgenländer – 12 Prozent davon auch Männer – haben online Fragen beantwortet. Die Ergebnisse dieser Frauenstrategie fließen nun in unsere politische Arbeit ein.
So haben wir in den vergangenen Monaten bereits viele Projekte umgesetzt, um Frauen bei ihrem Ein- oder Umstieg auf dem Arbeitsmarkt zu unterstützen, einige neue Initiativen für Frauen und Mädchen im Mint-Bereich gesetzt und erstmals auch eine Schulung für Landesbedienstete ins Leben gerufen, um sie für den Themenbereich Gewalt an Frauen zu sensibilisieren.
Alleinerziehende – ich selbst bin auch alleinerziehend, ich weiß also, wie es einem da mitunter geht – stehen oftmals emotional, organisatorisch und nicht selten finanziell vor großen Herausforderungen. Die monetäre Unterstützung ist für sie daher eine wichtige Unterstützung, die – vor allem, aber natürlich nicht ausschließlich – Frauen zugutekommt und ihnen so wieder ein Stück Freiheit und Selbstbestimmtheit gibt. Auch im Burgenland ist die Familienform der Alleinerziehenden eine immer größer werdende Gruppe. Über 90 Prozent der Alleinerziehenden sind weiblich.
Auch mit dem Anstellungsmodell für pflegende Angehörige und dem höheren Mindestlohn – der Herr Landeshauptmann hat es vorhin erklärt, die Reinigungskräfte sind durchwegs weiblich und diese profitieren davon – sind wir im Burgenland Vorreiter für soziale Gerechtigkeit. Ob Sie es glauben oder nicht: Mein Vater hat einen Betrieb mit über 50 Mitarbeitern. Er erzählte mir, als wir über den Mindestlohn gesprochen haben, dass er schon lange den Mindestlohn bezahlt, und das gibt ihm recht, er ist nämlich sehr erfolgreich unterwegs mit seinem Unternehmen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Zwazl: Die Wirtschaft ist sozial!)
Gerade auch die Frauen profitieren von diesen Maßnahmen, denn damit werden gezielt Armut und Lohnungleichbehandlung bekämpft.
Ja, ich bin stolz auf mein Heimatbundesland und darauf, dass wir im Burgenland aufeinander schauen, denn genau das zeichnet die Burgenländerinnen und Burgenländer seit jeher aus und hat dazu beigetragen, dass sich das Burgenland so gut entwickeln konnte.
Gleichzeitig bin ich aber genauso stolz, Österreicherin zu sein und gemeinsam hier mit Ihnen allen für unser schönes Land und die Menschen, die hier wohnen, zu arbeiten. Machen wir Politik mit Hausverstand! Machen wir Politik für die Menschen! Für uns als Politikerinnen und Politiker muss gelten, dass Politik kein Selbstzweck sein darf, sondern vielmehr ein Auftrag, für die
Menschen da zu sein. Politik muss den Menschen dienen. Ich persönlich halte es da mit unserem Landeshauptmann Hans Peter Doskozil.
Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident, lieber Günter, heute findet das erste Plenum unter deinem Vorsitz statt. Für deine Amtszeit wünsche ich dir auch von dieser Stelle aus alles Gute und viel Freude mit deiner neuen Aufgabe. Gerne leiste ich deiner Einladung Folge, um gemeinsam daran zu arbeiten, dass wir ein aktiver und somit starker Bundesrat sind und dass der Bundesrat so als eine Säule der Demokratie gestärkt wird. Und ich bin überzeugt, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, dieser Meinung werden auch Sie sein. Setzen wir uns gemeinsam und solidarisch mit aller Kraft dafür ein, dass sich die Menschen in diesem Land das Leben wieder leisten können! Widmen wir uns diesen aktuellen Herausforderungen gemeinsam und miteinander mit aller Kraft! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)
9.58
Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.
Bevor ich Herrn Bundesrat Bernhard Hirczy zum Mikrofon bitte, möchte ich noch zwei Vizepräsidenten außer Dienst heute hier begrüßen: Ewald Lindinger und Hubert Koller sind hier – herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)
Bernhard, ich erteile dir das Wort. – Bitte sehr.
Bundesrat Bernhard Hirczy (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bundespräsident Alexander Van der Bellen bezeichnet die Bundesländer sehr oft als die Motoren der Entwicklung Österreichs und auch als wesentlichen Bestandteil eines föderalen Europas über die Grenzen Österreichs hinaus.
Burgenland, das jüngste Bundesland Österreichs, leistet seinen Beitrag, und manchmal können wir auch laut sein – da meine ich nicht nur den Landeshauptmann, da meine ich das ganze Land. Viele Menschen schätzen das Burgenland, viele Menschen schätzen die Gemütlichkeit im Burgenland, viele kommen als Gäste und bleiben als Freunde. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen.)
Ich darf da zum Beispiel den Neusiedler See, das Radfahren, die Weinbauern, die Winzer und viele weitere Aspekte wie Ausflugsziele, Seen, Burgen und natürlich auch den für das Südburgenland und auch für meinen Heimatbezirk typischen Uhudler erwähnen und – nach dem Applaus passend – die Einladung aussprechen: Kommen Sie und schauen Sie sich das an!
Ich möchte auch auf die Rolle des Bundesrates als Europakammer, als starke Stimme für Europa im Rahmen des EU-Ausschusses verweisen. Die Bundesländer bekennen sich zu Europa, wir bekennen uns zu starken Regionen in Europa, der Bundesrat ist da eine wichtige und treibende Kraft.
Das Burgenland übernimmt den Ländervorsitz und wir sind stolz darauf. Ich bin auch sehr beeindruckt und sehe es positiv, wie prominent der Burgenlandvorsitz im Burgenland im Medium „Mein Burgenland“ – einer Zeitung im Eigentum der Kommunikation Burgenland GmbH – beworben wurde: Günter Kovacs und Hans Peter Doskozil auf fünf Seiten. Ich möchte Günter Kovacs, Freund aus dem burgenländischen Landtag, jetzt für seine Amtszeit im Bundesrat alles Gute und bei dieser Tätigkeit hier im Hohen Haus viel Freude wünschen. (Präsident Kovacs: Danke! – Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der FPÖ.)
Der Blick zurück – ein Moment, der mir in Erinnerung bleibt, es war im Rahmen der Flüchtlingskrise –: Hans Peter Doskozil hat sich, damals noch als Landespolizeidirektor, um 4 Uhr in der Früh vor Ort ein Bild davon gemacht, wie die Situation ist. Es freut mich auch persönlich – es gibt natürlich Freundschaf-
ten, trotzdem darf man hart in der Sache sein –, dass es da sehr bewegende Bilder gibt. Ich darf dir für deinen Einsatz, auch das ist nicht selbstverständlich, danken. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen.)
Wir haben schon viel über das Burgenland gehört,
ich möchte aber auch andere Aspekte und Perspektiven aufzeigen. Der
Standort entscheidet über die Perspektive und über den Blickwinkel.
So gibt es auch Formulierungen, vielleicht haben Sie die eine oder andere in
den letzten Tagen in diversen Zeitungen und Medien gelesen, dass Hans
Peter Doskozil Schritte, Einschnitte, Maßnahmen im Burgenland setzt. Es
wurde zum Beispiel die Kommandozentrale für diverse Umbaumaßnahmen
im Burgenland erwähnt – das ist die Landesholding,
Aufsichtsratsvorsitzender ist eben Hans Peter Doskozil –:
80 Gesellschaften, 4 500 Mitarbeiter und dazu auch noch eine
eigene PR-Agentur.
Auch die Situation in den Regierungsbüros wird erwähnt: Die Zahl der Mitarbeiter in den Büros steigt. Da gibt es Zeitungsrecherchen, die besagen, dass das burgenländische Landeshauptmannbüro mehr Mitarbeiter beschäftigt als die Landesregierung in Vorarlberg. Landeshauptmann Niessl hatte 14 Mitarbeiter, jetzt sind es laut Zeitungsrecherchen 25.
Ich darf auch festhalten, dass die Landesregierung Maßnahmen setzt und natürlich auch versucht, gesellschaftliche Schritte zu setzen, Eingriffe vorzunehmen. Das ist natürlich möglich, legitimiert durch eine gewählte absolute Mehrheit. Es war im Burgenland gelebte Tradition, dass man immer den Konsens zwischen Politik, Wirtschaft, Gemeinden und den Sozialpartnern suchte. Diese Zusammenarbeit ist für manche anscheinend nun etwas belastet, da manche das Gefühl haben, dass im Burgenland nun durch die andere Perspektive sehr viel verstaatlicht wird. Manche sehen darin eine Wettbewerbsverzerrung zulasten der Firmen und zulasten der Steuerzahler.
Es gibt neue Gesetzesnovellen – ich möchte hier schon einmal auf die Baulandsteuer verweisen –, es werden noch weitere Gesetze beschlossen und
manche haben das Gefühl, dass dies dem Land nicht gut tut. Michael Zehetner fasst da einige Punkte sehr wortgewandt zusammen und schreibt:
„Hans Peter Doskozil sorgt regelmäßig für Querschüsse in der sozialdemokratischen Bundespolitik. [...] Mit eiserner Faust regiert der Sozialdemokrat dank absoluter Mehrheit in Eisenstadt. [...] Was den Sozialstaat und die Unterstützung der rund 300.000 Burgenländer:innen betrifft, klingen viele seiner Maßnahmen größer, als sie tatsächlich sind.“
Der medial angekündigte „‚Meilenstein im Bereich Pflege und Betreuung‘“ wird – mit Stand September – „von 252 Menschen in Anspruch genommen“.
„Doskozils Mindestlohn, der vor kurzem auf rund 2.000 Euro Netto erhöht worden ist, gilt nicht flächendeckend.“ Es profitieren derzeit rund 2 500 von 300 000 Burgenländerinnen und Burgenländern von dieser Regelung.
Es stand auch irgendwo: Burgenland, der „Taktstock der Republik“. In einer aktuellen Meldung fasst der Wifo-Experte Hans Pitlik zusammen: Das Burgenlandfüllhorn soll „kein Vorbild“ für den Bund sein. Auffällig ist auch die Pro-Kopf-Verschuldung von etwas mehr als 4 300 Euro im Burgenland, dies ist der dritthöchste Schuldenstand aller Bundesländer und liegt über dem Schnitt der anderen Länder.
Wenn man in den Landtagsprotokollen der letzten Budgetdebatte nachsieht: Der Schuldenstand wird dort von den Mandataren mit 4,3 Milliarden Euro beziffert und nicht, wie oft gelesen, mit 1,3 Milliarden Euro. Es fallen dort auch Sätze wie jene, dass die Situation fatal sei, und es bleibt auch die Botschaft mit einer Rekordverschuldung von 1,8 Milliarden Euro.
Es gibt natürlich auch Prestigeprojekte für das Burgenland, auch diese müssen finanziert werden. Daher haben manche Menschen das Gefühl, dass Geld und neue Steuern benötigt werden. Eine Windkraft- und Photovoltaikabgabe wurde im November von der SPÖ alleine beschlossen, aber sofort vom Bundesverband Photovoltaic Austria kritisiert, denn es war eine Verfünffachung
der Steuern. Jetzt hat auch die Bundesregierung die Notbremse gezogen und Einspruch gegen dieses Gesetz erhoben.
Die Baulandsteuer habe ich kurz erwähnt, es gibt eine neue Jagdsteuer, Tourismussteuern, und es finden sich in den Protokollen auch Sätze wie: Im Burgenland ist man Weltmeister beim Finden von neuen Steuern.
Mir persönlich hat es etwas leidgetan, dass es das Burgenland als einziges Bundesland in der Coronazeit nicht geschafft hat, die Gemeinden direkt mit finanziellen Mitteln zu unterstützen. Der Bund hat mehrere Maßnahmenpakete geschnürt, diese Maßnahmen sind bei den Gemeinden angekommen, dadurch auch bei den Betrieben in der Region, somit wurden auch die Regionen gestützt. Ich bin der Bundesregierung dafür sehr dankbar. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)
Man muss auch darauf hinweisen, dass es weitere Maßnahmen gibt und auch diese bezahlt werden müssen. Derzeit sind rund 45 Prozent der Schulden im Burgenland endfällig. Ich möchte da auf Projekte, die neu dazugekommen sind, verweisen: Egal, ob es die Blockflöten für die Schulen sind, ob es Landesski sind, Landesküchen, Landesbusse und weitere Projekte – endfällige Kredite bezahlen die jungen Menschen, die nächste Generation, und das bereitet mir etwas Sorgen.
Zum Thema Landesbusse möchte ich persönlich festhalten: Es ist uns im Bezirk Jennersdorf – einem kleinen Bezirk mit 12 Gemeinden – gelungen, über die Parteigrenzen hinweg ein Taxiprojekt zu initiieren, um leistbare Mobilität zu ermöglichen. Menschen konnten um 2 oder 4 Euro mit dem Taxi fahren, der Gegenwert dieser Fahrt liegt bei 20, 30 Euro, somit war es für Menschen, die nicht mobil waren, eine großartige Sache, die von Jahr zu Jahr größer wurde.
Ich möchte der ehemaligen Landesrätin und jetzigen Landtagspräsidentin Verena Dunst danken, sie hatte für uns immer ein offenes Ohr und hat uns bei diesem Projekt immer unterstützt. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
Jetzt wird dieses Projekt vom Land Burgenland übernommen. Ich betrachte das einerseits mit einem lachenden Auge, darf trotzdem darauf hinweisen, da es mir sehr wichtig ist, dass ich mir wünsche, dass diese Busse, wenn möglich, auch künftig von heimischen, regionalen Unternehmen betrieben werden, die weiterhin die Arbeitsplätze vor Ort sichern sollen, dass nicht alles zentral gesteuert wird und dass eben auch auf die Bedürfnisse der Menschen, die nicht mobil sind, eingegangen wird.
Ein Punkt, der viele Menschen beschäftigt, ist die sogenannte Baulandsteuer. Sie ist eine Belastung für Menschen, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben. Ein Beispiel: Für eine Familie, deren Einkommenssituation nicht so rosig ist – beide Elternteile haben in einem Textilbetrieb in der Region gearbeitet –, war es auf lange Sicht dennoch möglich, sich einen Bauplatz zu leisten. Nach dieser langen Zeit im Arbeitsleben sind nun auch die Kinder erwachsen und somit fallen auch Steuern an.
Die Baupreise bei uns in der Region liegen teilweise bei 5 bis 15 Euro. Für diese Steuer, die beschlossen wurde – eine dementsprechende Verordnung besagt, dass höchstens der Durchschnittspreis der Statistik Austria herangezogen wird – gibt es konkrete Beispiele: So hat man zum Beispiel für ein Bauland mit 1 700 Quadratmetern bei einem Durchschnittspreis von 30 Euro künftig eine jährliche Belastung von 1 275 Euro. Das sind Steuern, die dem Land zugutekommen.
Die Steuer soll Spekulanten treffen und trifft meiner Meinung nach aber auch Menschen, die nicht so ein großes Einkommen haben. Sie trifft fleißige Menschen und sie trifft auch den Mittelstand – Menschen, die hart gearbeitet haben.
In Zeiten der Krise, es ist heute schon erwähnt worden, haben viele Menschen eine Umbenennung der Landesenergieversorger – egal, was es gekostet hat – von Energie Burgenland auf Burgenland Energie nicht verstanden. Es wurden jetzt Maßnahmen gesetzt. Ich möchte hier auch anmerken, dass die
ÖVP Burgenland die Forderung aufgestellt hat, dass die Übergewinne an die Kunden ausgeschüttet werden. Es gibt jetzt ein Fixpreismodell, aber dennoch bleibt unsere Forderung aufrecht.
Ich möchte abschließend festhalten: Der Blickwinkel, die Perspektive, sachlich aufzuzeigen, welche Punkte mir wichtig sind, das gehört dazu, und ich möchte auch noch einmal das Gemeinsame in den Fokus rücken. Gemeinsam sollen wir den Fokus für das Burgenland suchen, den Blick nach vorne richten. Ich bin stolz auf mein Heimatbundesland, und gemeinsam müssen wir es schaffen, dass alle Burgenländerinnen und Burgenländer stolz auf unser Heimatbundesland sind. Wir reichen jedem die Hand, der einen Beitrag dazu leistet, weil es für uns wichtig ist, dass wir als Burgenland auch weiterhin eine starke Stimme in Österreich sind. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)
10.10
Präsident Günter Kovacs: Danke, Herr Bundesrat.
Zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Johannes Hübner. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Liebe Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegen! Ich bin der erste Nichtburgenländer, der an diesem Tag heute an das Pult tritt. Das liegt daran, dass wir leider keinen burgenländischen Bundesrat in unseren freiheitlichen Reihen haben. (Heiterkeit der Bundesrätin Zwazl.) Es ist aber nicht so ganz falsch, wenn ein Wiener zum Burgenland redet, weil Wien ja bekanntlich die größte burgenländische Stadt ist, zumindest nach den burgenländischen Einwohnern. Wien hat ja Chicago seit einigen Jahrzehnten abgehängt (Zwischenruf des Bundesrates Novak) und ist jetzt unzweifelhaft die größte burgenländische Stadt.
Ich brauche aber auf die burgenländischen Interna gar nicht einzugehen, denn wir haben jetzt von den Kollegen von der SPÖ und von der ÖVP beides
gehört: Die SPÖ-Kollegin hat uns dargelegt, dass das Burgenland das bestverwaltete Bundesland Österreichs, Europas und der Welt ist. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Kollege Hirczy von der ÖVP hat uns erklärt, dass im Burgenland natürlich alles schlecht ist (die Bundesrät:innen Buchmann und Zwazl: Das hat er nicht gesagt!) und die Verwaltung fast nur Fehler macht, dass alles, was gemacht wird, populistisch ist, und so weiter. Die Wirklichkeit liegt natürlich in der Mitte. Im Burgenland wird vieles richtig gemacht, es werden aber natürlich auch Fehler begangen, wie überall in der Welt.
Ich kann daher zum eigentlichen Thema dieser Aussprache und zu dem, was auch der Herr Präsident als Motto vorangestellt hat, zurückkehren: zur Sache, dass auf der einen Seite Politik dazu da ist – beziehungsweise soll Politik das machen –, die Lebenssituation der Menschen, die die Politik vertritt, zu verbessern, und dass auf der anderen Seite der Föderalismus oder die dezentrale Regierungsform, wie das der Herr Präsident und auch der Herr Landeshauptmann gesagt haben, „maßgeschneiderte Lösungen“ für die Menschen, die in einem Gebiet leben, ermöglicht und daher die beste Form der Verwaltung ist.
Ich möchte hinzufügen: Sie ermöglicht nicht nur maßgeschneiderte Lösungen, sondern die Dezentralisierung und der Föderalismus ermöglichen auch wahre Demokratie, denn je mehr dort entschieden wird, wo man lebt, je kleiner die Zahl der Menschen ist, die über ein Thema entscheiden, und je näher man zur Örtlichkeit, wo entschieden wird, ist, desto demokratischer ist es.
Da komme ich jetzt zu dem, was mich bei beiden Reden verwundert hat: dass keiner sagt, wo die Bedrohungen für diese maßgeschneiderten Lösungen herkommen. Die kommen ja nicht vom Bund – ja, sie kommen auch vom Bund, weil die österreichische zentrale Bundesverwaltung, wie jeder bürokratische Organismus, natürlich selber entscheiden will. (Bundesrat Schennach: Aber der Hübner ... Russland!) Jeder, Kollege Schennach, der irgendein Budget hat, der etwas verwalten kann, will das natürlich vergrößern, und den ärgert es, wenn irgendwelche kleinen Leute in den dezentralen Stellen, die eigentlich untergeben sind, mitreden. Das wissen wir. Deshalb gibt es in Österreich
auch immer einen Kampf zwischen Föderalismus und Zentralismus, Wegnehmen von Landeskompetenzen, auf Landesebene Wegnehmen von Gemeindekompetenzen, Zentralisierung von Entscheidungen, Überwachung und dergleichen.
Das ist aber nicht das Problem. Das Problem ist die Europäische Union beziehungsweise die Kommission, die diese Europäische Union darstellt und nach außen vertritt und deren Wirken wir zu spüren bekommen. Alle Leute aus dem Plenum hier, die gestern zum Beispiel im EU-Ausschuss des Bundesrates gewesen sind, wissen ja, was das bedeutet, wie weit diese Regelungen gehen. Sie wissen, dass 80 Prozent der Gesetzesmaterien, mit denen wir uns auseinandersetzen, zentrale EU-Gesetzesmaterien sind, die wir in der einen oder anderen Form umsetzen, mit weniger oder mehr Spielräumen, die wir auf nationaler Ebene haben.
Diese Kompetenzen greifen ja nicht nur in die nationalstaatlichen Belange ein, sondern sie greifen in die Landesbelange oder, wie das sonst in Europa heißt, Provinzbelange und dergleichen, aber auch in die Gemeindebelange ein. Gestern hatten wir zum Beispiel einen Vorhabensbericht der Europäischen Kommission auf der Tagesordnung, der sich Bericht über „die Wiederherstellung der Natur“ nennt. (Bundesrat Schennach: Ihr habt den Antrag abgelehnt! Ihr habt den SPÖ-Antrag abgelehnt!) – Kollege Schennach, ich komme gleich zu Ihnen, wenn Sie sich melden, vergesse ich nicht auf Sie. – Da will die Kommission zentral bestimmen, wie unsere engste Umwelt aussieht. (Bundesrat Schennach: Aber geh!) Das geht bis zur Zahl der Bäume in den Städten, der Grünflächen in den Kleingemeinden. All das soll mit einer Verordnung, nicht einmal mit einer Richtlinie, geregelt werden.
Das sind Dinge, die uns wirklich bedrohen, die uns als Demokraten bedrohen (Beifall bei der FPÖ), die den Föderalismus bedrohen (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach) und die die maßgeschneiderten Lösungen für die Leute, wie das so schön formuliert worden ist, unmöglich machen und zerstören, denn von einem bürokratischen Organismus erdachte Vorschriften, die
für Zypern und Malta auf der einen
Seite, für Österreich, Holland, Schweden und Deutschland
auf der anderen Seite gelten, können nicht maßgeschneidert
sein. Die müssen in gröbster Weise sinnvollen Vorschriften
widersprechen.
Das sehen wir ja in vielen Dingen. Ich rede da nicht von der Gurkenkrümmung, von Bananen, das sind ja eher Dinge für das Kabarett. (Bundesrätin Schumann: Bitte! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich rede aber zum Beispiel davon, Kollege Schennach, dass die Höchstmenge, die bei Toilettenspülungen heruntergelassen werden darf, auf europäischer Ebene verbindlich geregelt ist. Das mag vielleicht in Ländern und Regionen wie Zypern, Malta, Süditalien und Andalusien, in denen es Wassermangel gibt, sinnvoll sein, das ist aber in Österreich, im Burgenland oder auch in Wien geradezu absurd. (Bundesrat Schreuder: Ich finde, das ist eine wichtige Burgenlandrede!)
Das ist ein kleines Beispiel. Es stört uns nicht so sehr, wenn es jetzt weniger oder mehr Toilettenspülungsmenge gibt; das stört vielleicht die Betreiber von Kanalisationssystemen und Kläranlagen, weil dann gewisse Dinge nicht mehr so funktionieren, aber das ist nicht so ein Problem wie andere Dinge. (Bundesrat Schreuder: Wasserexperte Hübner!)
Andere Dinge, die die Leute wirklich spüren, sind zum Beispiel der heute schon erwähnte Strompreis. Da ist es natürlich dramatisch, wenn in einem Land wie Österreich, in dem 60 Prozent – im Schnitt, es ist ein bisschen mehr, es sind 61, 62 Prozent – der Energie aus Wasserkraft gewonnen werden (Bundesrat Schennach: Land am Strome!), 20 Prozent aus diversen anderen alternativen Quellen und nur 20 Prozent aus Gas, die Leute jetzt eine Verdreifachung des Strompreises – auch im Burgenland übrigens – haben, mit der sie leben müssen, und das Ganze mit einem sogenannten Meritordersystem begründet wird, das die europäischen Strommärkte regelt.
Daran sehen wir, dass diese zentralen europäischen Bestimmungen für uns einen riesigen Schaden anrichten. Österreich ist nicht in der Lage, sich da
auszuklinken. Österreich ist nicht in der Lage, die eigenen Konsumenten zu schützen, die Schwächsten der Schwachen zu schützen. Wir müssen bürokratische Riesenapparate wie Strompreisstützungen machen, bei denen mit gewaltigem Aufwand und mit gewaltigen Fehlern ein kleiner Teil dieses Schadens, der da angerichtet wird, mit dem Einsatz von Steuermitteln wieder ausgeglichen wird.
Das geht aber viel weiter. Herr Landeshauptmann, zum Beispiel der von Ihnen erwähnte Fliesenleger: Ja, das ist ein Problem. Die Handwerker werden bei uns nicht angemessen bezahlt, wie alle manuellen Arbeiter. Es ist so, dass seit 2000, seit der Einführung des Euro das real verfügbare Einkommen gemessen an der Kaufkraft dieser manuellen Arbeiter, inklusive der Handwerker, um etwa 30 Prozent gesunken ist – nicht weil die burgenländische Landesregierung einen Fehler gemacht hat, sondern weil wir gezwungen wurden, alle Schutzbestimmungen unseres Arbeitsmarktes aufzuheben, und weil unsere Arbeitnehmer – seien es die Fliesenleger, sei es die Abwäscherin, um die Kollegin von der SPÖ zu zitieren, oder die Reinigungskraft – mit Leuten aus Ländern konkurrieren müssen, in denen das Lohnniveau ein Drittel oder die Hälfte des österreichischen Lohnniveaus beträgt.
Wie soll da das heimische Lohnniveau geschützt werden? (Bundesrätin Schumann: Die FPÖ hat die Mangelberufsliste ... ohne Ende! Danke an die FPÖ!) Wie soll ein Unternehmer oder ein Auftraggeber dazu gebracht werden, jemanden doppelt oder dreifach zu bezahlen, wenn er ausländische Kräfte entsprechend günstiger bekommt? (Beifall bei der FPÖ.) Das sind wirkliche Probleme.
Und weil hier Kollege Hirczy – er ist, glaube ich, jetzt nicht anwesend – davon gesprochen hat, dass wir hier im Bundesrat eine „Europakammer“ und eine „starke Stimme“ gegen die Europäische Union sind (Bundesrätin Schumann: Nicht gegen die Europäische Union!), appelliere ich an die Leute: Bitte lasst diese starke Stimme hören! Wo haben wir eine starke Stimme gegen diese Gesamtdemontage unseres dezentralen, bürgernahen, basisdemokratischen
Systems? Wo haben wir da eine starke Stimme gehört? Wo sind die Einsprüche des Bundesrates gegen die Vorhabensberichte? (Bundesrätin Kahofer: ... wann seid ihr dafür ...?! – Bundesrätin Grimling: ... gemeinsam arbeiten ...!)
Wir haben gestern – fast probeweise – einen Antrag gestellt, zumindest diese Durchführungsverordnung der Europäischen Kommission zu bekämpfen, die vorsieht, dass uns geschrotete Insekten in die Lebensmittel beigemischt werden. (Bundesrat Schennach: Ja sicher! – Bundesrätin Grimling: Geh bitte!) – Ja, ja, Kollege Schennach, das hören Sie nicht gerne, weil Sie selbst dagegen gestimmt haben (Bundesrat Schennach: Ja sicher!), dagegen etwas zu tun, weil Sie selbst der Meinung sind, wir dürfen nicht so viel selbst bestimmen, die Europäische Kommission muss entscheiden, dass Insekten in unsere Müsliriegel, in unser Brot und unser Mehl eingemischt werden dürfen. (Bundesrätin Schumann: Der Brexit in England war ja so erfolgreich! – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Ja, Kollege, das verstehe ich. Wenn man solche Standpunkte vertritt, dann tritt man damit nicht gerne vor die Leute, vor die Wähler und vor die Öffentlichkeit, sondern dann macht man irgendwelche Zwischenrufe. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)
Was ich erwarten würde, ist, dass man solche Missstände, solche Fehlentwicklungen und solche Unterhöhlungen unserer Lebensgrundlagen, wie sie die Europäische Kommission da vornimmt, wenn man sie schon nicht aufhalten und verhindern kann, zumindest mit den vorhandenen Mitteln bekämpft. (Bundesrätin Kahofer: Ja, wenn man die Mittel dafür kriegt!) Auch das passiert leider bei meinen Kollegen von den anderen Parteien nicht. (Bundesrätin Schumann: Der Brexit war in England so erfolgreich! – Bundesrätin Grimling: Ja, ganz erfolgreich!)
Mein Appell daher: nachdenken (Bundesrätin Grimling: Ja! Nachdenken! – Bundesrätin Kahofer: Ja! – Bundesrätin Schumann: Ja! Nachdenken! – Beifall
der Bundesrätinnen Grimling, Kahofer und Schumann), die Positionen infrage stellen und einmal schauen, liebe Kollegen von der SPÖ (Zwischenruf des Bundesrates Schennach – Heiterkeit der Bundesrätin Zwazl), was man wirklich für die Bürger tun kann, außer hier Sonntagsreden zu halten! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)
10.22
Präsident Günter Kovacs: Danke, Herr Dr. Hübner.
Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Dr.in Maria Huber. Ich erteile ihr dieses. – Bitte sehr.
Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Herr Vorsitzender! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Interessierte, die den Livestream mitverfolgen! Kommen wir wieder zurück zum Thema! (Heiterkeit und Beifall bei Bundesrät:innen von Grünen, ÖVP und SPÖ.)
Das Burgenland ist schon ein sehr spezielles Stückchen Österreich, das darf ich, glaube ich, auch als Steirerin hier so sagen. Wir haben es schon gehört: Es ist unser jüngstes Bundesland, das heuer auch seine hundertjährige Zugehörigkeit zur Republik Österreich feiert. (Rufe bei der SPÖ: Nein! Gefeiert hat!) – Doch, die letzten Gemeinden sind erst heuer dazugekommen, das habe ich extra nachgeschaut. (Heiterkeit der Rednerin. – Zwischenbemerkung von Landeshauptmann Doskozil.) – Der Herr Landeshauptmann stimmt mir zu, sehr schön. (Bundesrat Schreuder: Historikerkommision!) – Genau.
Durch seine idealen klimatischen Voraussetzungen, mit diesen warmen, trockenen Winden aus der Pannonischen Tiefebene und den schweren, tiefgründigen Lehmböden ist es, wie wir alle wissen, auch die Heimat großartiger Rotweine. (Heiterkeit und Beifall bei Bundesrät:innen von Grünen, ÖVP und SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: ... großartiger Rotwein! – Ruf bei der FPÖ: ... Uhudler! – Zwischenrufe der Bundesräte Preineder und Himmer.) – Ja, das ist so. Mit dem
Neusiedler See verfügt das Burgenland auch über ein Naturparadies, in dem allein 340 Vogelarten ihren artgeschützten Lebensraum finden.
Mir scheint aber, auch in der Politik geht das Burgenland gerne seinen eigenen Weg. Beim wichtigen Thema Pflege, das Günter Kovacs ja als Schwerpunktthema des burgenländischen Bundesratsvorsitzes im nächsten Halbjahr gewählt hat, ist das Burgenland mit einem Anstellungsmodell für pflegende Angehörige österreichweit in die Vorlage gegangen. Das ist grundsätzlich ein Modell, das auf den ersten Blick sehr gut aussieht, beim näheren Hinschauen zeigen sich aber durchaus einige Fallstricke.
Warum? – Ein großes Problem ist das der Finanzierung. Die zu pflegenden Menschen liefern ihr Pflegegeld ab, in Pflegestufe 3 sind das 90 Prozent, und dafür gibt es eine 20-Stunden-Anstellung für eine Angehörige oder einen Angehörigen. Die zusätzlich notwendigen pflegerischen Fachdienste müssen aber selbst bezahlt werden. Das geht sich von den verbleibenden 10 Prozent des Pflegegeldes schlichtweg nicht aus.
Ein weiteres Problem ist, dass der oder die pflegende Angehörige während der Dienstzeit nur Betreuungshandlungen und keine pflegerischen Tätigkeiten vollziehen darf, weil die Angehörigen ja keine Pflegeausbildung haben. Es kann ihnen selbstverständlich niemand verbieten, in ihrer Freizeit pflegerische Maßnahmen zu setzen. Darum ist das auch gängige Praxis. Es ist allerdings nicht geklärt, was passiert, wenn in der Dienstzeit eine pflegerische Handlung gesetzt wird und dabei vielleicht auch ein Pflegefehler passiert: Wer haftet dann?
Ein drittes Problem, das nicht gelöst ist, ist, dass das Dienstverhältnis, das der pflegende Angehörige mit der Pflegeservice Burgenland GmbH hat, ohne Übergangsfrist mit dem Tod des zu Pflegenden endet. Das ist aus Arbeitnehmer:innensicht eine fatale Schlechterstellung gegenüber anderen Arbeitsverhältnissen.
Bis heute fehlt auch die lange versprochene Evaluierung des Projektes. Allein auf mündliche Auskünfte ausgewählter Gesprächspartner:innen zu setzen,
ermöglicht keine seriöse Auswertung, wie sich das Projekt in der Praxis bewährt hat.
In einem weiteren Schritt hat die burgenländische Landesregierung beschlossen, auch die mobile Pflege im Burgenland neu aufzustellen. Ein Institut wurde beauftragt, dazu einen Plan zu erstellen. Das Ergebnis war, dass die vorhandene Struktur völlig aufgelöst wird und stattdessen 71 Pflegestützpunkte errichtet werden. Die vorgesehenen 71 Pflegestützpunkte decken jeweils eine Region ab und sollen dort Hauskrankenpflege, betreutes Wohnen, Tagesbetreuung sowie Pflege- und Sozialberatung organisieren.
Das ist ein Schritt, der von Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotem Kreuz und Volkshilfe scharf kritisiert wird: Das neue Modell sei unausgegoren und über die Bedürfnisse pflegebedürftiger Menschen hinweg entwickelt worden. Sowohl Angestellte dieser Organisationen als auch Patientinnen und Patienten beziehungsweise Kundinnen und Kunden haben eine Beziehung zu ihrer langjährig vertrauten Pflegeorganisation aufgebaut und können nicht einfach wie Figuren auf einem Spielfeld in eine andere Struktur verschoben werden.
Wenn die Trägerorganisationen das neue Pflegesystem des Burgenlands derart hart kritisieren und von einer Zerschlagung eines funktionierenden Systems sprechen, müssen bei Ihnen, Herr Landeshauptmann, doch eigentlich die Alarmglocken läuten. Das Burgenland rühmt sich, Reformen im Pflegebereich zügig anzugehen, verweigert dazu aber scheinbar den ernsthaften Dialog und die Verhandlung mit denen, die die Pflege tatsächlich in der Praxis vollziehen und managen.
Man kann hier nicht stehen und über ein Bundesland reden, ohne auch auf das Thema Raumordnung einzugehen, denn der Bodenschutz und der sorgsame Umgang mit der Ressource Boden sind ein zentrales grünes Anliegen in allen Bundesländern. Während bestehende Ortskerne ausbluten, werden unaufhörlich lebendige Böden zubetoniert. Diese Verschwendungspolitik vernichtet
Lebensräume für Tiere und Pflanzen, heizt dem Klima ein, zerstört kostbare Anbauflächen für unsere Nahrung und gefährdet letztendlich unsere Lebensgrundlage.
Das Burgenland hat im Bundesländervergleich die höchste Pro-Kopf-Quote an Bodenversiegelung. Mit der Änderung des Raumplanungsgesetzes, das dem Wildwuchs von Einkaufszentren an Ortsrändern einen ersten Riegel vorschiebt, hat das Burgenland einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gesetzt. Wenn es aber dem Burgenland mit dem Schutz von unverbrauchten Böden ernst ist, dann verstehe ich nicht ganz, warum man von Plänen, wie beispielsweise im Bezirk Neusiedl am See ein neues Krankenhaus mitten in die Weingärten, in ein Naturschutzgebiet zu setzen, nicht abweicht.
Ausnahmen und Hintertürchen finden sich auch in der jüngst beschlossenen Baulandmobilisierungsmaßnahme, sodass wichtige Schritte zwar in der Kommunikation nach außen gut verkaufbar sind, dann aber in Wahrheit doch eher zahnlos bleiben. Leider fehlt da seitens der burgenländischen Landesregierung anscheinend der Mut zu konsequentem Bodenschutz, um der massiven Bodenversiegelung Einhalt zu gebieten.
Herr Landeshauptmann, Herr Bundesratspräsident, abschließend bleibt mir nur zu hoffen, dass dieses Leben des „Miteinander“ und das „gegenseitige Verständnis“ mehr sind als nur eine hohle Phrase, dass wir wirklich ernsthaft bestrebt sind, kooperativ zu agieren, um die konstruktive Zusammenarbeit aller im Sinne gemeinsamer Anliegen in den Vordergrund unserer Arbeit zu stellen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen.)
10.30
Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, darf ich Herrn Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner bei uns begrüßen. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)
Zu Wort gemeldet ist Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat.
10.31
Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Herr Landeshauptmann hat für diese Erklärung Föderalismus als Thema gewählt. Er hat es geschafft, sich in 35 Minuten auf einige Aspekte des Föderalismus zu beschränken. Ich habe weniger Zeit – oder möchte mir weniger Zeit nehmen – und möchte daher auch nur auf einige Punkte eingehen, die Sie angesprochen haben.
Beginnen wir mit dem Thema Gesundheit und Pflege – auch weil das der Schwerpunkt Ihrer Präsidentschaft ist –: Bei dieser Materie liegt im Kontext mit dem Föderalismus einiges im Argen. Wir kennen die Plakate, die man braucht, um die Finanzströme im Gesundheitswesen darzustellen. Wir haben es da nicht nur mit Bund und Ländern zu tun, sondern auch mit Sozialversicherungsträgern.
Ein Thema waren die Gastpatienten in Spitälern. Letzte Woche gab es zum Beispiel die Meldung, dass es zwischen der Steiermark und Salzburg Probleme bei der Betreuung von Patienten in Spitälern gibt, wobei man sagen muss: Dieses konkrete Problem ist eines, das ja eigentlich nicht ein Problem zwischen Spitälern sein sollte, denn es geht da um Leistungen, die eigentlich nicht in Spitälern, sondern im niedergelassenen Bereich angeboten werden sollten. Das ist nicht nur ein Problem zwischen diesen zwei Spitälern, sondern auch allgemein ein großes Problem im Gesundheitswesen.
Wir haben zu viele Spitäler in Österreich, was Prestigespitäler betrifft. Da geht es jetzt nicht um stationäre Einrichtungen für Akutversorgung – Unfälle, Notfälle, Geburten –, sondern um solche für geplante Eingriffe, wenn diese schon in Spitälern stationär vorgenommen werden, sie eine stationäre Betreuung erfordern und nicht eine im ambulanten oder niedergelassenen Bereich. Eine Verringerung der Anzahl solcher Einrichtungen dient nämlich insbesondere der Steigerung der Qualität der Patientenversorgung, weil nämlich auch ein gewisses Mindestvolumen an solchen Eingriffen erforderlich ist, um die
Qualität gewährleisten zu können. Das muss dann zwangsläufig auch auf weniger Häuser konzentriert sein.
Gesundheit und Pflege, zweiter Aspekt: Sie haben auch den Pflegeregress angesprochen, der – ich weiß nicht, wie viele Jahre das her ist: fünf, sechs Jahre? – überhastet abgeschafft wurde. Meine Partei war die einzige, die dagegengestimmt hat. Diese Abschaffung des Pflegeregresses hat nämlich – ich weiß nicht, ob es in Kauf genommen oder übersehen wurde – einen Anreiz dafür gebracht, dass die Pflege nicht mobil oder daheim, sondern in Heimen durchgeführt wird.
Was die Pflege daheim betrifft: Im Burgenland gibt es das Modell, dass pflegende Angehörige angestellt werden sollen. Wir haben gerade von meiner Vorrednerin gehört, dass das nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Das hat viele negative Aspekte. Einer der wesentlichen ist, dass die mobile Pflege sinnvollerweise nicht durch Angehörige, sondern durch professionelle Kräfte durchgeführt werden sollte.
Was mobile Pflege – eben nicht Pflege durch Angehörige – betrifft, haben Sie auch in den letzten Tagen oder Wochen ein Modell vorgestellt, das meine Vorrednerin ebenfalls angesprochen hat. Wir sehen das, sagen wir einmal, vorsichtig wohlwollend, was den mobilen Bereich betrifft. Wir glauben, dass das funktionieren kann. Wir sind nicht ganz so optimistisch, was den stationären Bereich betrifft. Im Bereich der Pflege gibt es nämlich das wesentliche Problem der Kollektivverträge: Es gibt 45! Da würde eine Vereinheitlichung nottun.
Ein zweites Thema, das Sie im Bereich Föderalismus angesprochen haben und auf das ich noch eingehen möchte, ist der Finanzausgleich. Wir NEOS fordern eine grundlegende Reform des Finanzausgleichs. Dieser soll nämlich vor allem aufgaben- und leistungsorientiert vorgenommen werden. Was bedeutet das? – Ein Teil des Finanzausgleichs soll aufgrund des Bevölkerungsschlüssels – und zwar nicht eines historisch gewachsenen, abgestuften,
sondern eines reinen Bevölkerungsschlüssels – vorgenommen werden. Der zweite Teil des Finanzausgleichs soll aufgrund des BIPs erfolgen. Der dritte Teil des Finanzausgleichs soll tatsächlich ein Ausgleich, auch ein horizontaler, solidarischer Ausgleich zwischen den Ländern und Gemeinden sein.
Wir müssen nämlich vom vorhandenen Spendierföderalismus zu einem Verantwortungsföderalismus kommen. Verantwortungsföderalismus enthält eine Steuerautonomie für die Länder und Gemeinden, weil die Verantwortung für die Einnahmen gleich gelagert sein soll wie die Verantwortung für die Ausgaben und für die Verwaltung.
Wie schafft man jetzt zum Beispiel so eine Steuerautonomie, die über die geringe vorhandene hinausgeht? – Zum Beispiel, indem die Einkommensteuer verschiedene Komponenten – Hebesätze nennt man das auch – für Bund, Länder und im letzten Ausbauschritt auch für die Gemeinden haben soll. Das würde nämlich keine zusätzliche Bürokratie erfordern, die Einkommensteuer würde nach wie vor durch die vorhandenen Finanzämter administriert werden. Durch die Landesgesetzgebung würde der Tarif oder der Aufschlag auf die Bundeseinkommensteuer festgelegt werden und in weiterer Folge auch durch die Gemeinden – anstelle der vorhandenen Kommunalsteuer. Es würde bundesgesetzlich ein Rahmen vorgegeben werden, wobei der maximale Satz der Höhe des vorhandenen Tarifes entspricht.
Dadurch würde die Abgabenquote gesenkt werden, dadurch würde das verfügbare Einkommen gesteigert werden und in weiterer Folge würde auch die Zahl der Arbeitsplätze gesteigert werden. – Vielen Dank. (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)
10.37
Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat.
Zu Wort gemeldet hat sich Herr Landeshauptmann Mag. Hans Peter Doskozil. Ich erteile dieses. – Bitte sehr.
10.37
Landeshauptmann von Burgenland Mag. Hans Peter Doskozil: Werte Mitglieder des Bundesrates! Es sei mir gestattet, vielleicht auf den einen oder anderen Redner, die eine oder andere Rednerin kurz einzugehen.
Bei der Rede des Herrn Bundesrates Hirczy habe ich mich irgendwie an eine burgenländische Landtagssitzung erinnert gefühlt. Also ich glaube, er hat hier die Protokolle einer burgenländischen Landtagssitzung verlesen. Das ist natürlich – das möchte ich an dieser Stelle auch klar sagen – derzeit die Politik, mit der wir uns im Burgenland konfrontiert sehen.
Es ist natürlich schwierig, wenn man Jahre hindurch – da rede ich von den letzten 60, 70 Jahren des Burgenlandes – mit einer Proporzregierung ausgestattet war. Sie kennen die jüngere Geschichte und die Entwicklung, das sind immer Lernprozesse, das sind für die Sozialdemokratische Partei auf Bundesebene immer Lernprozesse, das möchte ich gar nicht abstreiten, und das ist auch für eine Oppositionspartei auf Landesebene jetzt ein Lernprozess.
Ich möchte aber an dieser Stelle schon zwei, drei wesentliche Dinge betonen: Hätten wir nach wie vor diese Proporzregierung, wie es im Burgenland bis 2015 üblich war, hätten wir den Mindestlohn nicht einführen und umsetzen können. Wir hätten den Gratiskindergarten höchstwahrscheinlich nicht in dieser Dimension umsetzen können. Wir hätten – ich komme auch inhaltlich dazu – die Verkehrsbetriebe, die angesprochen wurden, im südlichen Teil des Burgenlandes, wo eigentlich der Ausgangspunkt dieser Idee war, nicht umsetzen können. Wir hätten – das ist der zweite Punkt, auf den ich eingehen will – auch die Pflegeaspekte und die Pflegereform in dieser Dimension nicht umsetzen können.
Mir ist bewusst, dass es, wenn man eine absolute Mehrheit, eine absolute Regierungsmehrheit hat, schwierig ist, damit auch umzugehen. Es ist auch wichtig, ein gewisses Maß an Demut an den Tag zu legen und immer wieder zu wissen, wer einem diese Möglichkeiten verliehen hat, nämlich dass es die
Bevölkerung ist und nicht sonst irgendjemand. Daher leben wir diese Regierungsmehrheit und diese absolute Mehrheit in einer Koalition mit der Bevölkerung.
Es wurde gesagt, dass wir so einen hohen Verschuldungsgrad haben: Wir – das Burgendland – brauchten im letzten Jahr keine Neuverschuldung. Wir haben historische Zahlungsmittelreserven, wir brauchten keine Neuverschuldung. Wir haben ein Toprating von Standard and Poor’s, das müssen Sie an dieser Stelle auch erwähnen. Natürlich haben wir gesamtheitlich, die Holding inbegriffen, ein gewisses Maß an Verschuldung, aber dem – der Verschuldung der Holding – stehen ja natürlich massive Werte gegenüber! Auch das muss man bei einer Schuldendiskussion in weiterer Folge schon sagen.
Wenn davon geredet wird, dass heute von der Burgenland Energie möglicherweise Übergewinnsteuer abgeführt werden soll – ja, dann hat man höchstwahrscheinlich irgendetwas versäumt. Na, wer bekommt denn mittlerweile die Übergewinne der Energieerzeuger? – Diese bekommt mittlerweile der Finanzminister. Die kann man höchstwahrscheinlich gar nicht mehr abführen und dem einzelnen Burgenländer rückübermitteln. – So viel dazu.
An dieser Stelle sei wohl angemerkt: Das Burgenland hat stabile Finanzen – das ist unsere Aufgabe – und es wird auch in Zukunft stabile Finanzen haben. Das bestätigen auch – das ist ganz wesentlich, und daher machen wir das auch jedes Jahr – die Ratingagenturen.
Zur Pflege – auch das ist ein ganz wesentliches Thema, die Pflege wurde ja auch hier im Diskurs in den Mittelpunkt gestellt – erzähle ich Ihnen jetzt nur zwei Sachverhalte, und Sie können dann selbst urteilen, was man daraus macht.
Wir haben teilweise eine Situation, und das wird in anderen Bundesländern gar nicht anders sein, dass, wenn heute stationäre Pflege betrieben wird, das heißt, wenn ein Pflegeheim betrieben wird, wir diese Pflegeheime mit Tagsätzen des Landes finanzieren, die teilweise, bis zu einem gewissen Grad, mit den
Einbehaltungen der zu Pflegenden – das betrifft in Pflegeheimen das Pflegegeld und auch 80 Prozent der Pensionsleistungen – mitfinanziert werden.
So werden Pflegeheime finanziert, und diese Tagsätze bilden den Betrieb eines Pflegeheimes und bilden andererseits die Immobilie Pflegeheim ab. Mittlerweile passiert die Refinanzierung der Immobilienanteile so, dass diese Immobilienanteile über die Tagsätze statisch bezahlt werden, und die Pflegeheimbetreiber mittlerweile ein Modell entwickelt haben, dass sie auf der Vis-à-vis-Seite des Landes, der öffentlichen Hand, nicht nur eine Betriebsgesellschaft, sondern auch eine Besitzgesellschaft haben. Die Betriebsgesellschaft zahlt der Besitzgesellschaft dann natürlich statisch immer wieder Miete.
Das heißt, die öffentliche Hand refinanziert, refinanziert, refinanziert und zahlt ein Pflegeheim zwei-, drei-, viermal. Und das Beste an diesen Modellen ist, dass wir dann, wenn irgendein Pflegeheimbetreiber – mittlerweile ist das im Burgenland schon zweimal passiert; aktuell wieder – die Immobilie dann noch ins Ausland verkauft, an einen Immobilienfonds verkauft, mit unseren Tagsätzen die Rendite des Fonds bedienen. Daher haben wir diesen Riegel eingeschoben! Das führt jetzt natürlich zu Diskussionen. Pflege muss gemeinnützig sein, auch gesetzlich gemeinnützig, nicht nur verbal: Wir sind gemeinnützig!, sondern tatsächlich gemeinnützig.
Dann sage ich Ihnen noch zwei Aspekte, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, weil wir dadurch, durch diese Strukturveränderung, natürlich budgetär umschichten können und diese Dichte an Pflege auch sicherstellen können: Ich weiß nicht, ob Sie wissen, wenn Sie heute eine mobile Hauskrankenpflege ordern, was eine solche kostet. Das ist ein bisschen unterschiedlich: Je nach Ausbildungsgrad der betreffenden Person – des betreffenden Mitarbeiters, der betreffenden Mitarbeiterin – kostet eine mobile Hauskrankenpflege im Stundensatz zwischen 75 und 85 Euro. Ungefähr 25, 26 Euro, so ist es im Burgenland, beträgt der Selbstbehalt des Betroffenen.
Wissen Sie, was im Notarztwesen ein Rettungsdienstfahrzeug mit einem ausgebildeten hauptberuflichen Sanitäter und einem Zivildiener kostet? – 70 Euro. Da zahlen wir 70 Euro! Da müssen wir das Fahrzeug refinanzieren, da müssen wir die Sonderausrüstung refinanzieren, da müssen wir einen hauptamtlich ausgebildeten und beschäftigten Sanitäter bei den Rettungsorganisationen refinanzieren. Da müssen wir auch den Zivildiener refinanzieren, auch der bekommt eine Zivildienstentschädigung.
Können Sie da zuschauen? Ich kann da nicht zuschauen! Das passt für mich nicht, da ist ein Missverhältnis, und genau das sind die Dinge, die ich vorhin auch ganz klar angesprochen habe: Wenn wir bestmögliche Versorgung – das ist in der Gesundheit, in der Pflege und in vielen anderen Lebensbereichen so – mit den vorhandenen Mitteln – auch wir im Burgenland haben keine Gelddruckmaschinen im Keller und die hat auch der Finanzminister nicht – sicherstellen wollen, dann müssen wir auch diese Themen ansprechen.
Das ist nicht angenehm. Das ist mit Sicherheit nicht angenehm für die Betreiber von Pflegeheimen und in weiterer Folge von NGO-Organisationen, aber wir haben das angesprochen. Ich glaube, das haben Sie in der Diskussion im Burgenland offensichtlich noch mitbekommen. Wir haben das angesprochen, es gibt einen Diskurs mit allen Pflegeanbietern. Es gibt auch eine Einigung mit allen Pflegeanbietern. Es gibt keine öffentliche Diskussion mehr über diesen neuen Weg der Pflege, den wir mit den 71 Pflegestützpunkten gehen.
Nur, was bringt in weiterer Folge unsere Umstellung auf nicht stundenweise Abgeltung – Abgeltung per Stundensatz – in der Pflege mit sich? Das haben Sie nämlich nicht erwähnt. – Es bringt mit sich – und das ist nicht nur im öffentlichen Dienst so, sondern zukünftig auch in der stationären, in der mobilen Pflege –, dass jeder, der dort arbeitet, auch den Mindestlohn bezahlt bekommt!
Wir können diese Änderung der Pflegestrukturen, wir können die Bezahlung des Mindestlohns vornehmen, weil wir Strukturen angreifen, weil wir hinterfragen. Wir brauchen für den Sektor Pflege keine höhere budgetäre Bedeckung, als
sie derzeit aus dem Landesbudget gegeben ist. Daher sehe ich – das sage ich nur für das Burgenland, nicht für die anderen Bundesländer – die Finanzausgleichsverhandlungen im Bereich der Pflege sicherlich ein bisschen entspannter.
Ich bleibe dabei: Der wesentlichste Aspekt in dieser zukünftigen Entwicklung, auch im Bereich der Finanzausgleichsverhandlungen, wird die Spitalsfinanzierung sein. In diesem Sinne ist es wirklich mein Appell – ich kenne das natürlich, wenn man im Burgenland Oppositionspartei ist, diese Diskussionen, die Dinge, die man in den Raum stellt; man agiert dann immer mit Gerüchten, Halbwahrheiten und mit Dingen, die man nicht verifiziert hat –: Nehmen Sie sich doch Zeit, schauen Sie sich die Strukturen an, schauen Sie, wie die Dinge tatsächlich finanziert werden, wie die Finanzströme sind, warum das so ist, und hinterfragen Sie immer alles kritisch! Nur wenn man immer alles kritisch hinterfragt, wird man auf manche Dinge draufkommen.
Die einfache Antwort – zu sagen: Wir brauchen dort mehr Geld, wir brauchen mehr Geld!, und der Status quo bleibt gleich – ist die bequemste Art, Politik zu machen. Um bequem Politik zu machen, ist es aber nicht die Zeit. Das ist unsere Zeit nicht, auch nicht unsere Herausforderung, sondern wir haben auf der einen Seite andere Herausforderungen zu bewältigen und auf der anderen Seite sicherzustellen, dass dieses Niveau, das die Bevölkerung genau in diesen sensiblen Bereichen Pflege und Gesundheit gewohnt ist, erhalten bleibt und möglicherweise ausgebaut wird. – In diesem Sinne recht herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und Grünen, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
10.48
Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Landeshauptmann.
Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Ich darf jetzt auch Herrn Bundesrat außer Dienst Michael Raml, Stadtrat für Sicherheit und Gesundheit in Linz, bei uns begrüßen. – Herzlich willkommen! (Beifall bei der FPÖ.)
Präsident Günter Kovacs: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema
„Asylbremse – die Maßnahmen zeigen Wirkung“
mit Herrn Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner, den ich herzlich willkommen heißen darf.
In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt der erste Redner, die erste Rednerin jeder Fraktion zu Wort, dessen beziehungsweise deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Bundesministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je ein:e Redner:in der Fraktionen sowie anschließend eine Wortmeldung des Bundesrates ohne Fraktionszugehörigkeit mit einer jeweils 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.
Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Harald Himmer. Ich erteile es ihm und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Herzlichen Dank.
Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Ich habe mir (auf das Redner:innenpult weisend) da die Stoppuhr eingestellt, aber nicht, weil ich in den nächsten Minuten einen Anruf erwarte. (Bundesrätin Zwazl: Das hätten wir dir eh nicht durchgehen lassen! – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren im Saal und vor den Bildschirmen! Es ist mir eine Freude, dass der Bundesrat 102 Jahre nach seiner Gründung heute hier in diesem Saal das Licht des Tages erblickt – auch wenn es durch die Vorhänge etwas verdeckt ist – und wir alle bei dieser historischen Stunde dabei sein dürfen. (Beifall des Bundesrates Schreuder.) Wir haben hier den Saal mit den schönsten und größten Kronleuchtern des Hauses und (Zwischenruf des Bundesrates Steiner) mit den 17 Wappen der ehemaligen Kronländer der Donaumonarchie.
Es ist ja so – manche von Ihnen wissen es vielleicht –: Ich habe selbst bereits die Ehre gehabt, schon 20 Jahre in diesem Haus dienen zu dürfen, und so verbindet man mit jedem Platz und mit unterschiedlichen Räumen unterschiedliche Erinnerungen. Die Freude über diesen Saal ist aber nicht davon getrübt, dass ich andere Erinnerungen an diesen Saal habe, nämlich als Auskunftsperson im U-Ausschuss.
Erlauben Sie mir, hier eine kurze Replik anzubringen – ich werde anschließend sagen, in welchem Zusammenhang das zum aktuellen Tagesordnungspunkt steht –: Ich bin hier als Auskunftsperson gesessen, ungefähr dort, wo jetzt Kollege Ebner sitzt. Ich bin hier befragt worden: von Herrn Rosenkranz von der FPÖ – ich würde sagen – hart, sachlich, fair; von Herrn Pilz auch hart, aber unsachlich, unfair und eiskalt (Heiterkeit der Bundesräte Spanring, Ofner und Steiner); von Herrn Petzner auch hart, auch unsachlich, auch unfair. Im Gegensatz zu Peter Pilz, der mehr so der kühle Typ war, der auf die Erregung der Auskunftsperson gewartet hat, war es bei Petzner umgekehrt: Er war von den eigenen Ausführungen so erregt, dass man als Auskunftsperson eigentlich ihn dann beruhigen müssen hat. Dann war da noch Kollege Otto Pendl von der SPÖ (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), der war sachlich, unangriffig – unangriffig nicht deshalb, weil er es nicht gekonnt hätte, sondern weil er von der Partei des Koalitionspartners war und es damals noch so war, dass man es unter Koalitionspartnern der Opposition überlassen hat, angriffig zu sein.
Warum führe ich das aus? – Es gibt ja immer die Möglichkeit, dass man Debatten so führt, dass es um die Sache geht, wie es zwei von diesen Kollegen eigentlich gemacht haben, oder man kann sich selbst in den Mittelpunkt rücken und völlig desinteressiert an dem sein, worum es eigentlich geht.
Genauso ist es auch bei dieser Debatte, die wir hier führen. Ich glaube, es besteht über vieles Konsens. Wir hatten letztes Jahr in Österreich über 100 000 illegale Grenzübertritte, und daher ist die Analyse, dass das europäische Asylsystem nicht funktioniert, wohl eine sehr breite Mehrheitsmeinung. (Zwischenrufe der Bundesräte Spanring, Ofner und Steiner.) Diese Erkenntnis, dass dieses System nicht funktioniert, ist nicht nur eine Erkenntnis von rechten oder konservativen Politikern, sondern diese Erkenntnis findet sich bereits im Jahr 2020 in einem Zitat aus dem Medienpapier der EU-Kommission. Es ist daher ganz klar, dass Handeln gefragt ist, und zwar auf nationaler Ebene und auf internationaler Ebene.
Auf nationaler Ebene möchte ich die Grenzschutzoperation Fox und das Ende der Visafreiheit mit Serbien erwähnen, die Verfahrensbeschleunigungen, die auf die Reise gebracht wurden, die 11 000 Außerlandesbringungen, die 700 Festnahmen von Schleppern im Jahr 2022 – wobei ich sagen muss, dass, wenn 700 Schlepper festgenommen werden, dies natürlich auch wieder ein Zeichen dafür ist, dass etwas nicht funktioniert, denn sonst wären die ja nicht im Lande gewesen.
Es ist daher natürlich sehr wichtig, dass in Richtung der Europäischen Union auf Umsetzung gedrängt wird, eben bei der Implementierung von Pilotprojekten für Asylverfahren an den EU-Außengrenzen, bei der Schaffung von Rechtsgrundlagen für eine Zurückweisungsrichtlinie und ebenso bei der Schaffung von Rechtsgrundlagen für Asylverfahren in sicheren Drittstaaten. Ich denke, es war völlig richtig, dass Österreich mit Bundeskanzler Nehammer und auch durch die Aktivitäten von Bundesminister Gerhard Karner sehr eindringlich eine klare Position bezogen hat, was den Schengenbeitritt von Rumänien und Bulgarien betrifft, und ein Veto eingelegt hat, da es eben wichtig war, ein
System, das nicht funktioniert, fürs Erste einmal nicht zu erweitern. (Vizepräsidentin Kahofer übernimmt den Vorsitz.)
In dem Zusammenhang war es dann auch sicher so, dass das eine Grundlage dafür war, dass auch beim EU-Gipfel, an dem der Bundeskanzler teilgenommen hat, ein Erfolg erreicht werden konnte, dass es nun finanzielle Unterstützung (Zwischenruf des Bundesrates Steiner) zum Schutz der EU-Außengrenzen gibt – wobei es natürlich so ist, dass der Schutz der Außengrenzen mit unterschiedlichen Technologien betrieben werden kann. Das Errichten von Zäunen ist eine Maßnahme von mehreren, aber es ist wichtig, dass die Europäische Union ihre Außengrenzen schützt, wenn wir im Inneren der Europäischen Union Reisefreiheit haben möchten. Das hat eindeutig überhaupt nicht funktioniert, und daher ist es fundamental wichtig, dass es eine Kursänderung gibt und dass diese Kursänderung, die Österreich ganz klar forciert, auch konsequent durchgezogen wird. Dabei helfen uns ausschließlich Aktivitäten, dabei hilft uns ausschließlich Handeln, aber keine Wortspenden. Zu diesen Wortspenden zähle ich auch, wenn man sich in semantische Diskussionen darüber begibt, ob es jetzt eine Asylbremse gibt oder nicht. Tatsache – egal welche Wortwahl man verwendet – ist: Es gibt klare Maßnahmen, und hinsichtlich dieser Maßnahmen, die gesetzt wurden, gibt es auch bereits erste Schritte in die richtige Richtung und erste Erfolge.
Ich möchte auch ganz klar in Richtung der Freiheitlichen Partei sagen: Angesichts unterschiedlicher Wortspenden wie jener unlängst von Landesrat Waldhäusl getätigten verstehe ich natürlich, dass es darauf entsprechende Reaktionen gibt. Viele meinen eben, dass man mit einer Schülerin nicht so rüpelhaft umgehen muss; das hat ja auch die freiheitliche Obfrau aus Salzburg gesagt. (Bundesrätin Schumann: Rüpelhaft? Das ist eine Untertreibung!)
Umgekehrt möchte ich aber auch sagen, dass allein mit der Kritik an der Freiheitlichen Partei natürlich für das Land selbst auch noch nichts weitergegangen ist. Das gilt natürlich auch in die Gegenrichtung: Wenn wir uns
an den Freiheitlichen abarbeiten, sind wir, was die Maßnahmen und Ziele betrifft, auch noch nicht weiter in die richtige Richtung gegangen.
Ich glaube daher, dass es sinnvoll ist, dass nicht nur die Regierungsparteien, sondern auch die anderen Parteien dort, wo die Schnittmengen im Ziel gegeben sind, und dort, wo Maßnahmen gemeinsam getragen werden, den Bundeskanzler und den Bundesminister bei ihren internationalen Bemühungen unterstützen, damit es uns gemeinsam gelingt, das europäische Asylsystem in die richtige Richtung weiterzuentwickeln. (Beifall bei der ÖVP.)
11.00
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dominik Reisinger. Ich erteile es ihm.
Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Eines muss ich Ihnen lassen, Herr Bundesminister: Mit der Wahl des Themas für die Aktuelle Stunde beweisen Sie, dass Sie eine große Portion Selbstüberzeugtheit, ja ich sage sogar Mut besitzen. (Bundesminister Karner: Muss ich! Dazu stehe ich! Das ist meine Aufgabe!) Ehrlich gesagt überrascht mich das auch, zumal ja viele hier in diesem Saal, im Land, in Europa, unter anderem auch zahlreiche Expertinnen und Experten wissen, dass Sie und Ihre ÖVP seit Jahren an diesem Thema vorbeireden, vorbeiarbeiten oder auch – je nachdem, wie man es sieht – nicht arbeiten. Deshalb sind Sie, wenn man die Realität und die Fakten bewertet, schnell entzaubert. Aus Ihrer Selbstüberzeugtheit wird dann umgehend Selbstüberschätzung. (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)
Die Kritiker Ihrer verfehlten Migrationspolitik kommen ja nicht nur aus den Reihen der Opposition, nein, sie kommen auch aus Ihren Reihen. Einer der prominentesten Kritiker ist der Vizepräsident des EU-Parlaments Othmar Karas, der unlängst zu Ihrer Schengenblockade, die ja als Lösung für die
steigenden Asylzahlen herhalten soll (Bundesrat Preineder: Der Standort bestimmt den Standpunkt!), meinte, dass das überhaupt nichts miteinander zu tun habe und die Vermischung unverantwortlich und unsäglich sei. Ich sage: Er hat recht damit. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
So falsch können wir als SPÖ also mit unserer Einschätzung und Bewertung da nicht liegen. (Bundesrat Steiner: Doch, eindeutig!) Und eines darf man auch nicht unerwähnt lassen: Die ÖVP stellt seit über 20 Jahren, mit einer kurzen Unterbrechung (Bundesrat Schennach: Kickl!) in der Kickl-Ära, die Innenministerinnen und Innenminister. Ich frage Sie: Was ist in diesen 20 Jahren geschehen? (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.) – Außer Symbolpolitik wenig bis nichts.
Außer Ankündigungen – besonders unter dem gescheiterten Kanzler Kurz – wurde fast nichts verwirklicht, die Probleme werden so aber nicht kleiner. Und noch pikanter machen das Ganze die – ich nenne es so – Verbrüderungsreisen von Kanzler Nehammer und Ihnen, Herr Minister, nach Serbien und Ungarn. Dort schließt man dann einen sogenannten Pakt gegen illegale Migration und Kriminalität – na, schön wär’s! Dort finden Sie aber nicht die Lösung, dort finden Sie das Problem. (Bundesrat Preineder: Wenn man das Problem findet, kann man auch eine Lösung finden! Wenn man das Problem gar nicht sucht, kommt man zu keiner Lösung!) Ungarn winkt nämlich Tausende von Flüchtlingen unregistriert nach Österreich durch, was ganz klar rechtswidrig und auf das Schärfste zu verurteilen ist. Was aber machen Sie? – Sie rühmen sich Ihrer Zusammenarbeit mit diesen Herrschaften, umarmen sie und feiern das als großen Wurf. Das ist völlig absurd und auch ungerechtfertigt. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)
Sehr geehrter Herr Bundesminister, die Lösungen sind in Wahrheit ganz woanders zu suchen:
Erstens braucht es endlich eine Verbesserung der Lebensbedingungen in den Herkunftsländern – und ja, das kann Österreich nicht allein schaffen. Deshalb ist es ja so wichtig, geschlossen und gestärkt als vereintes Europa aufzutreten. Bessere Lebensbedingungen braucht es im Übrigen auch in den Aufnahmezentren an den EU-Außengrenzen, denn die dort zum Teil vorherrschenden desaströsen und unmenschlichen Bedingungen treiben ja die Menschen erst richtig an, den Weg nach Europa zu suchen.
Zweitens braucht es eine gut organisierte Grenzkontrolle bei uns, vor allem aber an den EU-Außengrenzen. (Bundesrat Spanring: Ach so, jetzt auf einmal? – Beifall des Bundesrates Preineder.)
Drittens braucht es schnellere Asylverfahren, denn wer Anspruch auf Asyl hat, sollte so schnell wie möglich in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt integriert werden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Bundesrat Steiner: Asyl ist Schutz auf Zeit! Auf Zeit! Da brauche ich nicht integrieren!) Dazu habe ich später noch ein gutes Beispiel.
Und viertens braucht es Abkommen mit den Herkunftsländern zur raschen Rückführung von illegalen Migranten. Das ist nämlich die Voraussetzung, dass es Rückführungen geben kann, und dafür braucht es ebenfalls ein geeintes Europa.
Leider versagt Ihre Politik auf allen Ebenen. Anstatt Verbündete zu suchen, vergrämen Sie wichtige Partner auf EU-Ebene durch Ihren vorhin schon angesprochenen Alleingang. So vereint man sich nicht in wichtigen Fragen, so spaltet man sich leider in wichtigen Fragen.
Unerlässlich in der Migrationsdebatte wird es auch sein, endlich mit einem Tabu zu brechen: Es ist nämlich Fakt, dass Österreich Zuwanderung braucht (Bundesrat Preineder: Ja, aber Asyl und Migration ...!), das wird im Übrigen auch von der Industriellenvereinigung so gesehen und auch gefordert. Diese Zuwanderung darf aber nicht planlos verlaufen, sie muss gesteuert werden, da braucht es Organisation, die ich bei Ihnen, Herr Bundesminister, und der ÖVP leider nicht orten kann. (Bundesrat Bader: Na geh!)
Stichwort Organisation: Darunter ist wohl auch Ihr unrühmlicher Plan des Aufstellens von Flüchtlingszelten in den Gemeinden im vergangenen Spätherbst nicht zu verstehen. Das war zu Recht ein Rohrkrepierer, für den Sie auch von ÖVP-Bürgermeistern massiv kritisiert wurden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
Ganz trefflich ins Bild Ihrer Unorganisation passen auch die unzumutbaren Zustände im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen, wo aufgrund der massiven Überfüllung Menschen auf den Gehsteigen liegend ausharren mussten. Ich kann mich daran erinnern, aber ich habe nicht mitgezählt: Wie oft hat Bundesminister Babler Sie in dieser Sache aufgefordert, aktiv zu werden? Wie oft? (Ruf bei der ÖVP: Was? Minister? – Heiterkeit bei der ÖVP. – Bundesminister Karner: Noch ist er nicht Bundesminister!) – Bürgermeister, Entschuldigung, Bürgermeister! (Bundesminister Karner: Vielleicht wird er es noch, aber noch ist er es nicht! Er wäre es vielleicht gern, aber noch ist er es nicht! – Ruf bei der ÖVP: Upgrade! – Bundesrat Preineder: Superstar!)
Ob Ihrer Fehlleistungen in der Migrations- und Integrationspolitik ist es nicht schwer, Ihnen als ÖVP hier kritisch entgegenzutreten. Wie soll man das Ganze denn sonst bewerten? Anstatt fakten- und realitätsorientierte Politik zu machen, verfallen Sie zunehmend einem gefährlichen Populismus. (Beifall bei der SPÖ.)
Manchmal habe ich sogar den Eindruck, dass es gar nicht so um das Können, sondern viel mehr um das Wollen, also um politisches Kalkül, geht. Dass Sie damit aber nicht reüssieren können, haben wir bei der Niederösterreichwahl gesehen. Mit dieser Politik treiben Sie nämlich die Wählerinnen und Wähler nur in die Hände anderer Populisten, und das ist ein gefährliches Spiel. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Die SPÖ hat das gut gemacht in Niederösterreich!)
Abschließen möchte ich mit dem vorhin angekündigten Beispiel verfehlter Integrationspolitik: Ein junger Mann, Anfang zwanzig, der Name liegt mir vor, ist
seit über
sieben Jahren in Österreich. Aufgrund seiner Herkunft war von Anfang an relativ klar und sicher, dass er hier
bei uns bleiben kann und darf. (Bundesrat Tiefnig: Na
ja, da hat sich einiges geändert!) Sein Wunsch war es, Koch zu werden,
also eine Arbeit in einem Mangelberuf zu finden. Während des gesamten
Verfahrens durfte dieser Mann keine Ausbildung machen. (Ruf bei der
FPÖ: Richtig!) Nach sage und schreibe sieben Jahren hat er dann die Rot-
Weiß-Rot-Karte bekommen und am nächsten Tag ist er bei einem
österreichischen Gastronomiebetrieb in eine Kochlehre gegangen. (Bundesrat
Spanring: Na, wie gibt’s das? Das geht nur
dann ...!) Dieser Mann sagte kürzlich: Ich könnte schon
lange ausgebildeter Koch und voll leistungsfähig sein (Bundesrat Spanring:
Genau so ist es!), wenn ihr mich das früher gelassen hättet. (Beifall
bei der SPÖ.)
Also, Herr Bundesminister, es gibt sehr viel zu tun, es gibt sehr, sehr viel zu verbessern. Beginnen Sie mit dieser Arbeit am besten heute! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
11.09
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. – Bitte, Herr Kollege.
Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Vorsitzender! Herr Innenminister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseher und Zuhörer hier im Saal und zu Hause! Liebe Österreicher! Herr Bundesminister, es ist schon etwas grotesk, sich zum Thema „Asylbremse – die Maßnahmen zeigen Wirkung“ hierherzustellen. Ich weiß wirklich nicht, welche Wirkungen sich in diesem Land zeigen, eine Asylbremse ist es auf jeden Fall nicht. (Beifall bei der FPÖ.)
Herr Bundesminister, ich muss Ihnen schon sagen: Sie haben mit den geringeren Asylzahlen im Jänner 2023 gleich wenig zu tun wie Kurz mit einer geschlossenen Balkanroute oder diese Bundesregierung mit einer österreichfreundlichen Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)
Wissen Sie eigentlich, wer für die geringeren Asylzahlen im Jänner 2023 wirklich verantwortlich ist? Wissen Sie das, Herr Innenminister? – Das ist nämlich der liebe Gott, und ich glaube, mit dem sollte die ÖVP doch etwas anfangen können. Es war nämlich der liebe Gott, der irgendwann einmal Frühling, Sommer, Herbst und Winter erschaffen hat. Im Winter ist es erfahrungsgemäß ja so, dass die Temperaturen etwas niedriger sind, dass es etwas kühler ist als im Sommer oder auch im Herbst. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)
Herr Bundesminister, in diesem Zusammenhang darf ich schon auch erwähnen, dass es eben im Winter – bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt – nicht so angenehm ist, eine Reise durch verschiedene Länder anzutreten, wie bei Temperaturen, die im Herbst oder vielleicht sogar im Sommer herrschen. Das ist auch kein großes Geheimnis. Das war nämlich auch schon die letzten Jahrhunderte so, dass es im Winter kälter ist als im Frühling, im Sommer oder im Herbst.
Deswegen muss ich sagen: Er, der liebe Gott nämlich, ist der Einzige, der für diese geringeren Asylzahlen im Jänner verantwortlich ist, und nicht dieser Innenminister, der da neben mir sitzt. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Preineder: Im Sommer war er es dann auch? War er auch im Sommer verantwortlich? – Bundesrätin Schumann: Der liebe Gott und die Asylzahlen!)
Herr Innenminister, ich werde Ihnen aber noch ein Geheimnis verraten: Die Asylzahlen waren auch im Jänner 2022 geringer als in anderen Monaten, nämlich sogar so gering, dass sie geringer waren als im Jänner 2023 – ohne Ihre Maßnahmen, die Sie vielleicht heute noch irgendwann präsentieren werden.
Also frage ich mich schon: Wofür sind Sie eigentlich verantwortlich, Herr Bundesminister? – Dafür, dass wir im Jänner 2023 höhere Asylzahlen haben als im Jänner 2022. Ja, dafür sind Sie verantwortlich, Herr Bundesminister. Dafür sind Sie verantwortlich. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)
Wenn es darum geht, dass wir im Jahr 2022 rund 108 000 Asylanträge in diesem Land gehabt haben, dann muss ich Ihnen sagen: Ja, dafür sind Sie verantwortlich, Herr Innenminister.
Wenn es darum geht, dass wir an unseren Außengrenzen noch immer keine Rückweisungen durchführen, dann kann ich Ihnen sagen: Ja, dafür sind Sie verantwortlich.
Wenn es darum geht – auch wenn es nur Symbolpolitik ist –: Ausreisezentren oder Aufnahmezentren?, dann muss ich sagen: Diesen Asylmagneten haben Sie schon selbst gesetzt. Auch dafür sind Sie verantwortlich, Herr Bundesminister. (Beifall bei der FPÖ.)
Das sind ja nur einige Beispiele, einige Teilbereiche aus Ihrem Ressort, aber ich kann Ihnen sagen: In all diesen Teilbereichen haben Sie gänzlich versagt.
Weil ich gerade beim Versagen bin: Das war jetzt Ihre Arbeit als Regierungsmitglied – aber auch bei jener als Politiker oder als Auskunftsperson in diesem Saal muss ich mir schon eine Frage stellen: Also, wie ist denn das? – Der Bundesminister kommt hier herein, setzt sich hin, redet kein Wort, bis die Oppositionsparteien zwei Drittel ihrer Redezeit an diesem Rednerpult vergeudet haben.
Dann kommen Sie und präsentieren das, was Sie uns heute in einer Aktuellen Stunde sagen wollen. Das ist ja grotesk, Herr Innenminister. (Bundesrat Preineder: So funktioniert eine Aktuelle Stunde!) – Nein, so funktioniert eine Aktuelle Stunde nicht! Das muss ich auch der ÖVP an dieser Stelle einmal sagen.
Der Herr Innenminister sollte schon hier hereinkommen und uns einmal sagen, was er zu sagen hat, damit wir auch darauf reagieren können. (Bundesrat Preineder: Wir stellen die Fragen, und er gibt die Antwort! Das ist das parlamentarische Prozedere! Das ist ja peinlich!)
Wir gehen hier heraus, reden zu einem Thema, bei dem wir vermuten, was uns der Herr Innenminister sagen könnte, damit er sich dann hierherstellt und das letzte Wort hat und von den Oppositionsparteien ja keiner etwas dagegen sagen kann. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl. – Bundesrat Preineder: Wir können eine Fragestunde auch machen, dann können wir ...!)
Es wird aber noch passieren, wenn wir dann unsere 30 Minuten – oder wie viele auch immer – schon verbraucht haben: Der Herr Innenminister wird sich noch hier herausstellen, seine Weisheiten kundtun und versuchen, dieses Parlament und die österreichische Bevölkerung mit seinen Maßnahmen, von denen ich bis heute noch nichts gesehen habe, für dumm zu verkaufen.
Ich muss Ihnen aber eines sagen: Da werden wir Freiheitliche und auch die österreichische Bevölkerung Ihnen einen Strich durch die Rechnung machen. Sie können Ihren schwarzen und türkisen Parteifreunden Ihre harte Zuwanderungslinie vorgaukeln, Sie können ihnen ein X für ein U vormachen, aber die Österreicherinnen und Österreicher nehmen Ihnen das schon lange nicht mehr ab, Herr Innenminister! (Beifall bei der FPÖ.)
Ich habe doch das eine oder andere von Ihnen bei Interviews gehört oder auch in den Medien gelesen – also diesen Bären können Sie den Österreichern nicht mehr aufbinden. Dazu muss ich Ihnen sagen: Nicht das Erzählte reicht, Herr Innenminister, sondern das Erreichte zählt, aber erreicht haben Sie zum Leidwesen unserer Österreicherinnen und Österreicher sehr, sehr wenig.
Wissen Sie, was Sie erreicht haben? – Sie haben in diesem Land erreicht, dass die Asylzentren wie die Schwammerl herausschießen. Sie haben mit Ihrer toleranzromantischen ungezügelten Zuwanderung erreicht, dass das Gesundheitssystem tagtäglich weiter belastet wird. Sie haben erreicht, dass die Österreicher, die sich das Leben heute schon nicht mehr leisten können, durch Ihre Analphabeten – darauf komme ich noch zu sprechen – tagtäglich weiter belastet werden. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)
Sie haben aber auch erreicht, dass Menschen, die jeden Euro dreimal umdrehen müssen, allein im Vorjahr für 108 000 Illegale zusätzlich aufkommen müssen – und das, obwohl sich die Leute in Österreich inzwischen nur mehr aussuchen können, ob sie im Winter hungern oder frieren.
Ja, dafür sind Sie verantwortlich. Dafür sind Sie verantwortlich, Herr Innenminister! Ich glaube, da kann man zu Recht vom schlechtesten Innenminister aller Zeiten in diesem Land sprechen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Preineder: Oder von der schlechtesten Rede bisher!)
Nach diesem regelrechten Asyltsunami 2015 hätte ich es mir ganz ehrlich nicht vorstellen können, dass es zu einer heutigen Landeshauptfrau und damaligen Innenministerin Mikl-Leitner in diesem Land eine Steigerung gibt, aber Sie haben mich eines Besseren belehrt. Da gibt es ja wirklich noch eine Steigerung, Herr Innenminister!
Wissen Sie eigentlich, was der langjährige Leiter des Flüchtlingslagers in Traiskirchen zu all diesem Asylwahnsinn in diesem Land sagt? Falls Sie das nicht gelesen haben, werde ich Ihnen einige Passagen aus diesem Gespräch zitieren.
Franz Schabhüttl hat nämlich gesagt: Es ist „,unser eigenes Idiotentum‘ [...]. ‚Wir unterwerfen uns jenen, die zu uns kommen und für uns [...] kein Verständnis haben.‘“ – Doch langsam beginnt die Gesellschaft zu erwachen.
Er sagt aber auch: „,Wir wissen, dass ein Großteil derer, die unter dem Titel Asyl zu uns kommen, in Wahrheit vor der Polizei des Heimatlandes flieht. Solche Menschen sind [...] weder für die Gesellschaft noch für die Wirtschaft ein Gewinn‘ [...]. 90 Prozent derer, die kommen, sind [...] ‚alleinreisende Männer von der sozial untersten Schicht.‘“ Viele davon sind ‚Analphabeten, von denen nur‘“ die wenigsten in Österreich „,einen Grundschulabschluss schaffen würden.‘“
Ja, Herr Innenminister, damit hat er recht, mit jedem einzelnen Wort. Er hat auch recht damit, dass die Österreicher schön langsam aufwachen. Ich sage
Ihnen, die Österreicher
sind inzwischen aufgewacht. (Bundesrätin
Eder-Gitschthaler: Österreicher? Frauen auch?) Das wissen Sie.
Sie lesen die Sonntagsfragen ja auch.
Wir sind ja nicht die Einzigen, die diese lesen. Sie wissen es: Die
Österreicher sind aufgewacht. Die Österreicher glauben dieser
schwarz-grünen Bundesregierung inzwischen kein Wort mehr. (Beifall bei
der FPÖ.)
Ich habe es bereits Ihrem Vorgänger gesagt, und ich sage es heute hier auch Ihnen: Sie können einen Teil des Volks die ganze Zeit täuschen. Sie können das ganze Volk einen Teil der Zeit täuschen, aber Sie können nicht das gesamte Volk die ganze Zeit täuschen. Das können Sie nicht, Herr Innenminister.
Ich kann nur sagen: Rien ne va plus. (Bundesrätin Schumann: Rien ne was?) Nichts geht mehr. Sie haben versagt. Treten Sie zurück! (Beifall bei der FPÖ.)
11.19
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Kollegin.
Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Die Überschrift der heutigen Aktuellen Stunde lautet: „Asylbremse – die Maßnahmen zeigen Wirkung.“ Als ich den Titel das erste Mal gelesen habe, musste ich scharf nachdenken, was das Wort Asylbremse genau bedeuten könnte, so es doch in meinen Augen zumindest ein Oxymoron ist. Asyl zu gewähren, Asyl zu beantragen ist nicht etwas, was sich steuern oder einfach bremsen lässt. Asyl bietet Schutz vor Ereignissen oder Eingriffen (Bundesrat Steiner: Auf Zeit ...!), die sich eben nicht genau vorhersehen oder steuern oder bremsen lassen. (Bundesrat Steiner: Auf Zeit ...!) Es geht in diesem Zusammenhang um Personengruppen, die wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung verfolgt oder unterdrückt werden beziehungsweise in ihrem eigenen Land von staatlicher
Seite nicht ausreichend geschützt werden können. Diesen Menschen gebührt Asyl. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)
Dazu haben wir und viele andere Staaten uns in der Genfer Flüchtlingskonvention bekannt, die völkerrechtlich am 22. April 1954 in Kraft trat und durch die Republik Österreich am 15. April 1955 ratifiziert und mit dem Bundesgesetzblatt Nr. 55/1955 in den österreichischen Rechtsbestand übernommen wurde. – Eine Asylbremse würde ich genau dort sehen, wo wir es den Staaten unmöglich machen, ihre Menschen so zu behandeln, dass sie fliehen müssen.
Lassen Sie mich jetzt einen Blick in die Erdbebenregionen machen: Genau dort sind wir als Staatengemeinschaft nun gefordert, schnell Hilfe vor Ort zu leisten, wie wir das auch seit dem 6. Februar tun. Dazu möchte ich an dieser Stelle allen Helferinnen und Helfern des Bundesheeres und allen Menschen, die für die Opfer der Bebenkatastrophe gespendet haben, ein herzliches Danke sagen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)
Wenden wir aber den Blick noch kurz etwas genauer nach Syrien: Erst vorgestern wurden auf Druck der Vereinten Nationen zwei weitere Grenzübergänge geöffnet. Jetzt sind es insgesamt immer noch erst drei, an denen Hilfslieferungen in eine Region von fünf Millionen Menschen, die schon durch den jahrelangen Krieg und durch das Assad-Regime gepeinigt sind und jetzt noch zusätzlich einer Erdbebenkatastrophe ausgesetzt sind, möglich sind. Hilfeleistungen und Schutz der Menschenrechte vor Ort: Das, genau das ist es, was auf lange Sicht verhindert, dass Menschen ihre Heimat verlassen müssen.
Oder betrachten wir die Situation der Frauen in Afghanistan und die Folgen der Übernahme des Staates durch das Talibanregime: Frauen und Mädchen werden dort systematisch unterdrückt, erniedrigt und auch daran gehindert, Bildung zu erwerben. Es wird in Zukunft zum Beispiel keine Ärztinnen mehr geben, an die sich Frauen um Hilfe wenden können, und von Männern dürfen Frauen nicht ärztlich versorgt werden. Internationale Hilfsorganisationen
werden an ihrer Arbeit gehindert. – Genau da tut es besonders weh, wenn ich immer von einer Festung Europa höre. Wenn wir nämlich nicht mehr dafür eintreten, anderen Menschen Hilfen zu gewähren, damit sie auch leben beziehungsweise nur überleben können, dann ist wohl der schlechteste Zustand erreicht. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)
Natürlich sehe ich auch die Problematik, dass Österreich und Europa nicht in der Lage sind, eine unendliche Anzahl von Menschen aufzunehmen. Daher gilt es natürlich, die Gründe für die Zuflucht nach Europa zu überprüfen und dementsprechend Schutz zu gewähren.
In letzter Zeit hören wir immer wieder von extremen Asylantragszahlen und illegaler Migration. 2022 wurden in Österreich tatsächlich 108 780 Asylanträge gestellt, es gab aber kaum einen Anstieg von Asylwerber:innen in der Grundversorgung, weil der Großteil der Antragsteller:innen nach kurzer Zeit Österreich wieder verlassen hat beziehungsweise immer wieder verlässt. Der Anstieg der Asylwerber:innen in der Grundversorgung verlief von 1.1.2022 bis jetzt von circa 17 200 auf 21 000. Von den derzeit insgesamt 91 500 Menschen in der Grundversorgung sind nämlich 55 000 Menschen aus der Ukraine, wovon fast 39 000 bei Privatpersonen untergebracht sind, weiters zählen dazu noch 20 700 Asylwerber:innen, 9 000 subsidiär Schutzberechtigte und weitere kleine Gruppen wie Asylberechtigte kurz nach der Anerkennung und einige geduldete Menschen.
Wenn wir noch etwas genauer hinschauen, dann sehen wir, dass im Jahr 2022 in Summe, abgesehen von den Geflüchteten aus der Ukraine, rund 21 253 Menschen Schutz in Österreich gewährt wurde. Das bedeutet, dass diese Menschen von einer österreichischen Behörde als schutzbedürftig eingestuft wurden und diesen Schutz somit auch benötigen. Dazu haben wir uns, wie ich schon erwähnt habe, völkerrechtlich bekannt, und das ist auch gut und richtig so.
Eine weitaus andere Problematik sehe ich aber darin, dass wir auf europäischer Ebene kein taugliches System haben, um diese Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen. Das liegt wohl auch daran, dass es über viele Jahre keine gute und praxisorientierte Reform des Dublinsystems gegeben hat und dieses nun vor dem faktischen Aus steht. Würde Dublin nämlich funktionieren, dann würden nur wenige Asylverfahren in Österreich geführt werden. Da aber die Länder an den EU-Außengrenzen über viele Jahre bei der Aufnahme von Schutzbedürftigen und der Abwicklung von Asylverfahren alleingelassen wurden, hat sich so manches Land schon aus dem System ausgeklinkt. Dafür nenne ich unser Nachbarland Ungarn als prominentes Beispiel.
Ganz interessant ist, dass Österreich sich in der Vergangenheit immer gegen einen europäischen Verteilungsschlüssel betreffend Schutzsuchende ausgesprochen hat. Nun, da wir in der Situation großer Antragszahlen sind, beginnt langsam ein Umdenken. Das ist gut, und in diese Richtung sollten wir weiterarbeiten. Nur ein gesamteuropäisches Konzept wird eine Entlastung für Österreich und schlussendlich auch für Europa bringen. Dazu gehören auch Maßnahmen wie die gemeinsamen Rückführungsübereinkommen und eine bedachtsame Visa- und Zuwanderungspolitik.
Am Asylrecht ist nicht zu rütteln, bei der Einhaltung und bei der Kontrolle der Menschenrechte gibt es aber sehr viel zu tun, denn jeder Mensch hat ein Recht auf Schutz vor Krieg und Verfolgung. Das gemeinsame Europa muss die Flüchtlingsfrage gemeinsam lösen, und genau darauf sollte unser Fokus liegen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)
11.27
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Für eine erste Stellungnahme hat sich der Herr Bundesminister zu Wort gemeldet. – Ich bitte auch Sie, die Redezeit von 10 Minuten nicht zu überschreiten. Bitte, Herr Minister.
11.27
Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Geschätzte Besucher! Geschätzte Zuseher! Vielen Dank für die Möglichkeit, dieses für uns alle, wie ich glaube, sehr wichtige Thema – wie man bei den ersten Stellungnahmen bereits feststellen konnte – anzusprechen und möglichst ruhig, vernünftig und sachlich diskutieren zu können.
Ich meine, prinzipiell ist nicht der Zeitpunkt der Debatte entscheidend, sondern der Inhalt der Debatte. Ich hätte natürlich auch sehr gerne zu Beginn oder in der Mitte oder auch am Ende meine Stellungnahme abgegeben. Ich denke aber, es hat jeder die Gelegenheit, seinen Redebeitrag hier entsprechend den Wortmeldungen zu jedem Zeitpunkt zu leisten, Herr Abgeordneter. Das halte ich für sehr, sehr wichtig, und das ist auch das Lebendige an einer parlamentarischen Debatte.
Neben dem Thema Cyberkriminalität und dem Thema Kampf gegen Extremismus in den unterschiedlichsten Ausprägungen, von Rechtsextremismus bis hin zu politischem Islam, ist der Kampf gegen die Schleppermafia und der Kampf gegen den Asylmissbrauch eine der größten Herausforderungen, die wir aktuell zu bewältigen haben. Das war im letzten Jahr so und das ist auch aktuell so, und das ist etwas, was unsere Beamtinnen und Beamten ganz besonders fordert, weshalb wir auch entsprechende Akzente gesetzt haben und weitere Akzente setzen müssen.
Ich möchte mit einem Blick zurück auf das letzte Jahr beginnen, in welches letztendlich auch der tragische Ausgangspunkt für diese großen Zahlen fiel, die wir zu bewältigen haben, und begründen, warum diese Zahlen so hoch sind. Am 24. Februar 2022 hat nämlich Putin diesen furchtbaren Angriffskrieg auf die Ukraine begonnen.
Das hat bedeutet, dass wir eine unglaubliche Flüchtlingswelle zu bewältigen hatten, vor allem natürlich in den Nachbarländern – wenn ich daran denke, dass
alleine in Polen nach wie vor 1,5 Millionen Menschen aus der Ukraine untergebracht sind, vor allem Frauen und Kinder –, aber natürlich auch in Österreich. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Es sind in Österreich fast 90 000 Menschen registriert. Aktuell sind 54 000 Menschen aus der Ukraine – und da wieder in erster Linie Frauen und Kinder – in der Grundversorgung, das heißt Bundes- und Länderversorgung, entsprechend untergebracht, plus 10 000 Menschen aus der Ukraine, die selbst für sich sorgen können. Sie alle kennen diese Bilder, auf denen natürlich auch größere Autos zu sehen sind, aber diese Menschen haben sich bei Freunden, bei Bekannten oder auch in Hotels selbst untergebracht.
In Summe ist da also vieles gelungen, dass wir nämlich den Menschen, die vor Bomben, vor Gewehrsalven geflohen sind, auch helfen konnten. (Zwischenruf bei der FPÖ.)
Ich möchte mich an dieser Stelle – vielleicht können wir uns alle diesem Dank anschließen – bei den Ländern, bei den Gemeinden, bei vielen Hilfsorganisationen – viele von Ihnen waren in den Gemeinden, bei Vereinen engagiert, als es darum ging, Geld zu sammeln, Hilfsgüter zu sammeln und letztendlich auch in die Ukraine zu bringen, da ist Hervorragendes gelungen –, bei der Zivilgesellschaft, bei allen Beteiligten, bei den vielen, die geholfen haben, ganz, ganz herzlich bedanken. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)
Weil dem so ist, ist das natürlich auch eine entsprechende Herausforderung für das System, eine Belastung für das System. Ich habe es gesagt: 54 000 Menschen sind in der Grundversorgung untergebracht. In Summe gab es dazu noch im letzten Jahr – diese Zahl wurde heute zu Recht schon mehrmals genannt – fast 109 000 Asylanträge, so viele wie in Wahrheit seit den Fünfzigerjahren nicht mehr. Eine letzte Zahl vielleicht noch: In Summe sind aktuell insgesamt, mit den Menschen aus der Ukraine, rund 90 000 Menschen in der Grundversorgung untergebracht. Grundversorgung heißt: Bundeszuständigkeit und Länderzuständigkeit in finanzieller Hinsicht im Verhältnis von 60 : 40.
Was sind die Ursachen dafür? – Ich möchte versuchen, auch das in dieser Debatte kurz zu skizzieren, um eine möglichst große Sachlichkeit hineinzubringen: Aus meiner Sicht liegt der erste Punkt – das haben wir klar gesehen – im Marketing der Schlepper. (Ruf bei der FPÖ: ... Klimabonus!) Der Ukrainekrieg hat ausgelöst, dass die Schlepper ihr Marketing dahin gehend geändert haben, dass sie gesagt haben: Europa ist offen, Europa sucht Arbeitskräfte und ermöglicht es auch sofort, auf den Arbeitsmarkt zu kommen.
Sie wissen, was ich damit meine: Die Vertriebenenrichtlinie, die Anfang März von den europäischen Innenministern in Kraft gesetzt wurde, ermöglicht ja Menschen aus der Ukraine zu Recht, dass sie automatisch Zugang zum Arbeitsmarkt haben und auch entsprechend versichert sind. Mit dieser Richtlinie haben Schlepper begonnen, in den Herkunftsländern brutales Marketing zu machen, sodass viele aus diesen Ländern gekommen sind – Indien, Tunesien. Sie sind mit dem Flugzeug bis Belgrad, bis Istanbul gekommen und dann mit den Schleppern – 5 000 bis 7 000, 10 000 Euro wurden pro Fahrt bezahlt – letztendlich bis nach Österreich beziehungsweise auf ganz Europa verteilt – erster Grund.
Der zweite Grund: Natürlich spielen auch wirtschaftlich schwierige Situationen in Herkunftsländern mit, in denen sich Menschen aus wirtschaftlichen Gründen auf den Weg machen, um ihr Heil woanders zu suchen, weil ihnen von den Schleppern etwas vorgegaukelt wird. Das hat aber nichts mit dem Thema Asyl zu tun, das sind andere Gründe, warum sich diese Menschen auf den Weg machen.
Das Dritte ist das Thema Visapolitik in manchen Ländern und das Vierte – auch das wurde schon kurz angesprochen – ein aktuell eben nicht funktionierendes Schengensystem. Das muss man so zur Kenntnis nehmen. Leider, sage ich, denn Schengen war oder ist eine der großen Errungenschaften dieser Europäischen Union, nämlich die Reisefreiheit der Menschen innerhalb der europäischen Länder, aber es funktioniert leider – sage ich sehr bewusst
als Innenminister dazu – nicht. Wir haben Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Österreich, zwischen Frankreich und Deutschland, bis vor Kurzem zwischen Tschechien und der Slowakei. Schengen funktioniert nicht, und das ist auch ein wesentlicher Grund, warum letztendlich die Zahlen so gestiegen sind.
Eine ganz wesentliche Zahl, die ich noch nennen möchte und muss, weil das Thema Asylbremse angesprochen wurde – was ich sehr wohl für den richtigen Begriff halte –: Wir haben gesehen, dass 75 000 Menschen, die gekommen sind, nicht registriert waren – das unterstreicht ja, dass da etwas nicht stimmt –, obwohl Österreich ein sogenanntes Binnenland ist, das heißt von Ländern der Europäischen Union umgeben ist. (Zwischenrufe der Bundesrät:innen Reisinger und Schumann.)
Daher haben wir bereits letztes Jahr im Mai begonnen, erste Maßnahmen zu setzen. Es war eine „Aktion scharf als Aktion gerecht“ – ein sehr martialischer Ausdruck, wenn man so will, ich halte ihn aber für notwendig. Warum Aktion scharf als Aktion gerecht? – Weil eben eine klare Überforderung des Systems gedroht hat, weil schon sehr viele Menschen aus der Ukraine – zu Recht – in diesem System untergebracht waren und wir gesehen haben, dass die Zahlen der Anträge aus den Ländern steigen, bei denen es praktisch keine Chance auf Asyl gibt. Wir haben gesagt, wir müssen diesen Missbrauch verhindern, damit wir jenen Menschen helfen können, die unsere Hilfe auch brauchen. Das haben wir im Mai gestartet: Aktion scharf als Aktion gerecht. Ich wurde dann auch kritisiert, ich würde von etwas ablenken. Faktum ist: Das ist die Arbeit, die im Innenministerium von der Polizei, von der Exekutive zu tun ist. Das ist die Aufgabe, für die wir alle bezahlt werden. (Beifall bei der ÖVP.)
Wie haben wir das getan? – Wir haben Grenzkontrollen entsprechend verstärkt, wir haben auch die Strategie in manchen Bereichen geändert und neben Grenzkontrollen auch noch Grenzraumkontrollen eingeführt, sowohl auf österreichischem Staatsgebiet als auch auf ungarischem Staatsgebiet mit der
sogenannten Operation Fox, bei der eben gemeinsam mit den ungarischen Behörden danach getrachtet wird, dass jene, die illegal unterwegs sind, nicht bis an die österreichische Grenze durchkommen. Ja, die Zusammenarbeit mit den Ungarn ist nicht immer einfach, aber sie ist notwendig. Wir müssen mit unseren Nachbarn zusammenarbeiten. Das ist Aufgabe der Polizei. Wir können uns vor dieser Zusammenarbeit nicht drücken. Die Polizei muss da zusammenarbeiten. Das sind Aufgaben, die man gemeinsam mit den Nachbarn auch zu erledigen hat.
Daher haben wir im letzten Jahr – das ist ein Rekordwert – über 700 Schlepper festgenommen, beispielsweise einen rumänischen Schlepper – ich glaube, 30 Jahre, der junge Mann –, verantwortlich für 30 000 Schleppungen, natürlich über mehrere Jahre hinweg. Der hat sich ein Imperium aufgebaut. Das sind die großen Fische, die es Gott sei Dank gelingt, auch manchmal dingfest zu machen. Der Großteil sind natürlich eher die kleineren Fische, aber ganz, ganz entscheidend ist: Da leisten sehr, sehr viele exzellente Arbeit.
Ebenso war der Auftrag klar da – das war für die Polizei und das Bundesheer besonders schwierig, gerade an der burgenländischen Grenze –, dass es kein Durchwinken gab und gibt, denn wir haben in Europa und in Österreich ein Recht darauf, zu wissen, wer sich auf unserem Staatsgebiet aufhält. Daher war klar, wir kontrollieren – Fingerprint und all diese Dinge, die auch dazugehören –, und das war enorm schwierig. In den Bezirken Neusiedl am See und Oberpullendorf – die Burgenländerinnen und Burgenländer hier im Saal wissen das – war das extrem belastend. (Zwischenruf bei der SPÖ.)
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte einen Schlusssatz, Herr Bundesminister!
Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner (fortsetzend): Ich brauche noch ein paar Minuten, Herr Bundesrat.
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Herr Bundesminister, du kannst dich am Ende noch einmal zu Wort melden, jetzt haben wir 10 Minuten Redezeitbeschränkung. – Einen Schlusssatz bitte!
Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner (fortsetzend): Ich darf an dieser Stelle – wenn das mein Schlusssatz sein soll, werde ich mich gern zum Schluss noch einmal zu Wort melden – sagen, dass ich mich bei der Polizei und beim Bundesheer, gerade im Burgenland, ganz besonders bedanke, auch beim Land Burgenland, weil der Herr Landeshauptmann aus dem Burgenland auch gerade da war. Das waren schwierige Gespräche, die wir immer hatten, aber korrekte und ordentliche Gespräche, weil es eine wichtige und schwierige Aufgabe ist, die dort auch entsprechend zu erfüllen ist.
Es wurde vieles auf den Weg gebracht. (Ruf bei der
FPÖ: Schlusssatz!) – Ich werde mich sehr gerne zum Schluss
noch einmal zu Wort melden. Ich freue mich, dass Sie mir bisher
zugehört haben, und darf dann später die restlichen 5 Minuten
meiner Rede fertig ausführen. – Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der ÖVP.)
11.39
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke, Herr Bundesminister.
Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit der weiteren Teilnehmer und Teilnehmerinnen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz auf 5 Minuten beschränkt ist.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Preineder. – Bitte, Herr Kollege.
Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Bundesrätinnen und Bundesräte! Geschätzte Damen und Herren! Das Thema Asyl ist eines, das mit sehr viel Emotion verbunden ist – das merken wir auch heute schon bei dieser Diskussion –, weil es um Menschen geht, die in einer besonderen Notsituation sind,
weil wir 2015 einen Ansturm erlebt haben, der fast nicht zu bewältigen war, und weil wir damals auch schon sehr stark polarisiert haben, nämlich: alles oder nichts, besser gesagt: alle oder keiner. In Wirklichkeit geht es darum, Asylmissbrauch einzudämmen, einzubremsen und nicht zu ermöglichen. Es wurde damals auch etwas getan, um Asylverfahren zu beschleunigen, damit Menschen nicht jahrelang darauf warten müssen.
Im vergangenen Jahr – der Herr Bundesminister hat darauf hingewiesen – haben wir einen sehr, sehr starken Anstieg an Asylzahlen gehabt, nämlich – es wurde darauf hingewiesen – aufgrund des Krieges in der Ukraine, aber auch weil viele diese Möglichkeit nutzten oder nutzen wollten, um im Schlepptau mitzukommen.
Im vergangenen Jahr wurden in Österreich nämlich über 100 000 Asylanträge gestellt, und zwar teilweise von Menschen, die aus Ländern wie Tunesien und Indien kamen – das wurde schon angesprochen. Es wurden Maßnahmen gesetzt – danke, Herr Bundesminister! –: Es gab dann für Menschen aus diesen Ländern keine Visafreiheit mehr. Es gab intensive Kontrollen, nämlich in Österreich, im Gebiet, an der Grenze, und auch bereits in Ungarn, und den Schleppern wurde so gut wie möglich ihre Arbeit verunmöglicht.
Um aber die
Personenverkehrsfreiheit, eine der Grundfreiheiten der EU, zu
gewährleisten, geschätzte Damen und Herren, gilt es, die Außengrenzen
Europas zu schützen. Daher war, das darf ich auch sagen, die Initiative
unseres Bundeskanzlers Karl Nehammer eine wichtige und richtige,
nämlich, bevor wir über eine Erweiterung von Schengen reden,
darüber zu reden, ob dieses System auch entsprechend funktioniert. (Bundesrat
Schennach: Weil die
EU-Kommission ...!)
Das wurde sehr stark kritisiert. Man hat gesagt, und ich höre es jetzt auch wieder, es sei nicht gescheit, da ein Veto einzulegen; aber manchmal muss man nun einmal mit starker Stimme und starker Kraft in Europa auftreten, um gehört zu werden. Auch das gehört zur Politik dazu. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)
Es wurde einiges erreicht und zugesagt, und vieles steht noch auf der Agenda, nämlich die Finanzierung der Polizeieinsätze an der EU-Grenze durch die Europäische Union, nicht durch die Grenzstaaten. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Es ist wichtig, dass da Mittel entsprechend zur Verfügung gestellt werden, um den Schutz der Außengrenze zu verstärken, um auch eine entsprechende Richtlinie auf den Weg zu bringen, damit man Leute, bei denen von vornherein klar ist, dass sie nicht asylberechtigt sind, gleich an der Grenze zurückweisen kann.
Es ist wichtig, dass Asylverfahren in sicheren Drittstaaten stattfinden und dass kein Schutzstatus für straffällige Asylwerber in unserem Land besteht. Dass auch da entsprechend Erfolge erzielt werden können, kann man sehen und hören, wenn man es will. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)
Ich glaube – und das sage ich in Richtung der Freiheitlichen –, das ist nicht unbedingt ein Thema, das sich für den Populismus eignet. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)
Kollege Leinfellner, ein bisschen kennen wir die Geschäftsordnung. Eine Fragestunde oder eine Aktuelle Stunde besteht eben daraus, dass wir als Abgeordnete Fragen stellen oder Beiträge bringen (Ruf bei der FPÖ: Das ist aber keine Fragestunde! – Rufe bei der SPÖ: Das könnten wir ändern! Das kann man ändern!) und der Bundesminister, das Regierungsmitglied antwortet. Bei einer Fragestunde werden wir auch nicht zuerst die Antworten bekommen und dann die Fragen stellen. Da geht es genauso. Also bitte auch entsprechend die Geschäftsordnung akzeptieren. (Bundesrat Schennach: ... wenn die ÖVP ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Um zu zeigen, was in der Zeit zwischen 2017 und 2019 passiert ist: Nachdem Nehammer Anfang 2020 Innenminister wurde, hat er die Anerkennungsquote von Asylanträgen auf 16 Prozent gesenkt. Zwischen 2017 und 2019 – Sie wissen, wer damals Innenminister war – betrug die Anerkennungsquote 40 bis 50 Prozent. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Es ist auch nicht
hilfreich, wenn ein niederösterreichischer Landesrat im Prinzip Menschen mit Migrationshintergrund diskriminiert, denn er könnte auch seinen eigenen Parteiobmann treffen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte zum Schlusssatz kommen!
Bundesrat Martin Preineder (fortsetzend): Meine geschätzten Damen und Herren, wir brauchen eine Entemotionalisierung dieses Themas (Bundesrätin Schumann: Ja, darum habt ihr das heute zum Thema gemacht, vor der Kärntenwahl! Bravo!), eine klare Trennung zwischen Asyl und Migration. Ich lade Sie ein, uns auf diesem Weg zu begleiten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
11.44
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Egger-Kranzinger. – Bitte, Herr Kollege.
Bundesrat David Egger-Kranzinger (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich möchte mich einer Ihrer Danksagungen anschließen, nämlich jener der österreichischen Bevölkerung gegenüber, bei der die Solidarität und die Hilfsbereitschaft den Ukrainerinnen und Ukrainern gegenüber immer noch ungebrochen ist.
Ich möchte aber auch einen Punkt hervorheben. Ich möchte nur in einem Punkt Herrn Leinfellner an dieser Stelle recht geben: Es bedarf keiner Raketenwissenschaft, um zur Erkenntnis zu gelangen, dass im Winter die Migrationsströme und die Asylzahlen automatisch heruntergehen. Das muss man schon sagen. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)
Es ist mutig, dieses Thema heute anzusprechen, das muss man Ihnen zugestehen, Herr Minister. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Es hat aber so geklungen, als ob das Schleppermarketing allmächtig wäre und die EU von diesem Schleppermarketing quasi in die Knie gezwungen wird und
machtlos dagegen ist. Ich glaube, dass die EU schlagkräftiger ist als das Marketing der Schlepper, die sich das irgendwo ausschnapsen. Ich glaube, dass man da an den EU-Außengrenzen klare Kante zeigen muss.
Da ist seit über 20 Jahren – mit einer kleinen Unterbrechung – die ÖVP in der Verantwortung, das darf man nicht vergessen. Wir von der SPÖ haben schon seit langer Zeit gesagt, dass die EU-Außengrenzen geschützt gehören (Bundesrat Steiner – den Kopf schüttelnd –: Ha, ha!) und dass es Verfahrenszentren braucht. Da ist in der Vergangenheit auch nicht alles richtig gemacht worden, dem stimme ich schon zu, aber seit 20 Jahren ist die ÖVP in der Verantwortung (Ruf: Stimmt nicht!), und es gibt noch immer keinen Plan für eine geregelte Zuwanderung.
Was haben Sie den Burgenländerinnen und Burgenländern gesagt, die schon im Sommer mit einem Problem gekämpft haben, als Tausende über die Grenze gekommen sind? Da ist von der ÖVP nichts von einer geregelten Zuwanderung gekommen, da ist keine Hilfe gekommen, da hat man einfach zugeschaut. (Ruf bei der ÖVP: Das stimmt nicht!)
Da hat aber Gott sei Dank Hans Peter Doskozil mit den dortigen Behörden gute Arbeit geleistet. Da hat, das muss man an dieser Stelle sagen, Hans Peter Doskozil in Asyl- und Migrationsfragen eine bessere Kompetenz zugeschrieben bekommen als Sie und Herr Nehammer. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir haben nur wenig über eine schnelle Arbeitsmigration gehört. Da gebe ich Ihnen recht, wir brauchen qualifizierte Arbeitskräfte, nämlich in den Bereichen Tourismus, Handel (Bundesrat Preineder: Pflege!) – aber auch Pflege; die Pflegekräfte, absolut richtig. Dann finde ich es aber irgendwie komisch, dass erst letzte Woche unser Seniorenwohnhausleiter in meiner Heimatgemeinde auf mich zukommt und sagt: Es ist extrem kompliziert und dauert sehr lange, eine Pflegekraft aus einem Drittstaat anzustellen, das geht nicht von heute auf morgen! – Dabei brauchen wir diese Personen aber, wir brauchen dieses ausgebildete Personal. Das wird nicht irgendwie nur mit Floskeln gehen,
sondern da muss man endlich einmal Taten sprechen lassen. Sie sind in der Verantwortung und müssen das umsetzen.
Was aber schaffen Sie? Sie tun sich leicht, und zwar mit Hilfe der Grünen, Lehrlinge abzuschieben – wir können uns alle noch an die Abschiebung der Maturantin erinnern –, die Menschen, die hier etwas leisten wollen; Sie tun sich aber weiterhin schwer, straffällige Asylwerberinnen und Asylwerber aus diesem Land abzuschieben und ihnen die Gastfreundschaft zu entziehen.
Ich muss an dieser Stelle schon festhalten: Die ÖVP fährt gerne zu Orbán und Co, die übrigens auch mit der FPÖ befreundet sind (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ), und dann stellt man sich hin und spielt den Schengenhardliner. Sie wissen genau – Sie wollten ja Fakten –, dass 80 Prozent der Migrationsströme über Ungarn kommen, von Ihren Freunden, von Orbán und Co, 80 Prozent! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Preineder: Es sind EU-Außengrenzen!) Ich weiß, die Wahrheit tut weh: 80 Prozent! (Bundesrat Preineder: ... auch Populist!)
Noch ein Fakt: Reden Sie mit Ihren Freunden vom Wirtschaftsbund, mit Ihren Freunden in der Hotellerie, in der Gastronomie und fragen Sie sie, was sie ohne die Arbeitskräfte aus Bulgarien und Rumänien machen würden – oder ohne diese 24-Stunden-Pflegerinnen und 24-Stunden-Pfleger! (Zwischenruf des Bundesrates Steiner. – Ruf bei der ÖVP: Die sind aber jetzt ... in der Pflege! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ. – Ruf: Du vermischt Asyl und Migration! Das sind zwei grundlegend ...! – Bundesrätin Schumann: Das macht ihr dauernd! – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)
Darüber müssen wir reden. Ich weiß, das tut weh, denn das sind die Fakten. 6 000 Arbeitskräfte aus Bulgarien und Rumänien! Da spielt man den Schengenhardliner, schafft es aber seit über 20 Jahren nicht, die EU-Außengrenzen zu schützen. (Ruf bei der SPÖ: Bravo, David!)
In der SPÖ haben wir eine ganz klare Linie (Bundesrat Buchmann: Ach geh! Welche? – Bundesrat Preineder: Ganz klare Kurve! – Heiterkeit bei der ÖVP – Bundesrat Buchmann: Doskozil- oder Rendi-Wagner-Linie?), und das ist nichts Neues.
Seit 2018 haben wir ein Papier (Zwischenruf bei der FPÖ) von Hans Peter Doskozil und dem Landeshauptmann von Kärnten, Peter Kaiser. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Ofner.)
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte zum Schlusssatz kommen!
Bundesrat David Egger-Kranzinger (fortsetzend): Das sagt: Integration vor Zuwanderung unter Wahrung der Menschenrechte! Daran wird bei uns in Österreich nicht im Mindesten gerüttelt. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
11.50
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. – Bitte, Herr Kollege.
Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kollegen! Geschätzte Besucher und Schülerinnen und Schüler! Wir haben jetzt eine Aktuelle Stunde mit dem Thema „Asylbremse – die Maßnahmen zeigen Wirkung“. Die Frage soll sich jeder stellen: Was haben sie gebracht, welche Auswirkungen haben sie? – Aus meiner Sicht haben sie katastrophale Auswirkungen. (Beifall bei der FPÖ.)
Die illegale Migration in unserem Land geht munter weiter. Gefühlsmäßig vergeht kein Tag ohne Gewaltverbrechen durch Asylwerber. Daher: Die Bundesregierung versagt auch beim Thema Asyl, in der Migrationspolitik. Kollege Steiner hat es schon angesprochen: Migration und Asyl sind grundsätzlich zwei verschiedene Dinge. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)
Daher fordern wir seit Langem einen Asylstopp, die Einführung von Ausreisezentren sowie Sachleistungen für Asylwerber. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Kein Mensch versteht, warum sie 500 Euro Klimabonus ausbezahlt bekommen, obwohl sie keine Energiekosten haben. Das ist aber nicht einfach passiert, sondern die Grünen wollen das so. Sie wollen einen weiteren Magneten, um weiter die Menschen nach Österreich anzuziehen.
Die Einzigen, die noch feiern können – der Herr Bundesminister hat es ja schon angesprochen –, sind die kriminellen Schlepperbanden, deren Geschäft weiterhin blüht. Über 109 000 Asylanträge waren es allein im Jahr 2022, wobei über 75 000 Antragsteller bisher nirgendwo sonst registriert wurden. Das zeigt auch ganz klar das Versagen des Schengensystems sowie des europäischen Asylsystems. Auch Burgenlands Militärkommandant Gernot Gasser hat zum Thema Asyl gesprochen: Auch international gibt es weit und breit keine Lösungsansätze! „Pro Tag wurden im Grenzraum im Burgenland rund 200 illegale Migranten aufgegriffen, im Vergleich zu 2021“ ein gewaltiger Anstieg. Und: Den zu bewältigen ist eine große Herausforderung und bringt die Polizei und auch das Bundesheer an die Leistungsgrenzen! Und: „Es ist“ leider „kein Licht am Ende des Tunnels“ zu sehen!
Geschätzte Damen und Herren, eine aktuelle Umfrage des Österreichischen Integrationsfonds zeigt, dass die überwiegende Mehrheit das Zusammenleben mit Migranten sehr kritisch sieht.
Es ist keine Überraschung, dass die Österreicher in der großen Mehrheit Schwierigkeiten im Zusammenleben mit den Migranten sehen, wenn man sich die schrecklichen Einzelfälle (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann) der vergangenen Tage, Monate und Jahre vor Augen führt. Herr Minister, wie würde es Ihnen persönlich gehen, wenn in Ihrer Familie diese Fälle passierten?
Wir haben es gehört: Ein Buslenker wurde von drei Jugendlichen hinausgeschmissen und draußen zusammengeschlagen. In Kirchdorf wird mitten am
Tag eine Frau mit 63 Jahren überfallen, wird angeschossen. Also jeden Tag kann man das lesen.
Warum ist das so? – Ausländergewalt und -kriminalität und mangelhafte Integrationsbereitschaft belasten das Zusammenleben von Österreichern und Asylwerbern, denn der Anteil – und das ist auch klar – der ausländischen Straftäter an der Gesamtkriminalität ist signifikant höher als der Anteil der österreichischen Straftäter.
Die Gewaltverbrecher werden auch immer jünger. Da verweise ich auf die steigende Zahl der unter 14-jährigen Straftäter. Wir haben das ja zu Halloween auch in Linz gesehen: Da sind sie zwölf, 13 Jahre alt und gehen auf die Bürger los.
Die Menschen wünschen sich Sicherheit und vor allem, dass die Migranten unsere Werte anerkennen und auch danach leben. Es sei deutlich gesagt: Wer unsere Regeln und Werte nicht anerkennen will, Straftaten verübt, muss unser Land verlassen. (Beifall bei der FPÖ.)
Auch die anhaltende Diskussion um Asylquartiere, um Verteilungsquoten können und wollen viele Menschen nicht mehr hören.
Die Bundesregierung hat auf allen Ebenen versagt und gefährdet noch dazu die Sicherheit unserer Österreicher. (Bundesrat Buchmann: Na hallo!)
Herr Minister, führen Sie eine grundlegende Reform der
Asylpolitik im Interesse der Österreicher durch! Mit politischem Mut und
Gestaltungswillen wäre viel möglich. Zurzeit ist die FPÖ
die einzige politische Kraft mit dem Mut, wirklich Grundsätzliches (Ruf
bei der FPÖ: Bravo!) an der katastrophalen Asylpolitik ändern
zu wollen. Unsere Haltung ist klar: Wir stehen auf der Seite der
österreichischen Bevölkerung und werden für ihre Sicherheit
eintreten. (Bundesrätin Hahn: Ihr seid nur populistisch!) Wir
brauchen also von Ihnen keine Versprechen mehr, die Sie ohnedies nicht
einhalten, auch keine
Diskussionen - -
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte den Schlusssatz!
Bundesrat Günter Pröller (fortsetzend): Abschlusssatz: Treten Sie daher mit der gesamten Bundesregierung zurück (Bundesrätin Zwazl: Nein, nicht schon wieder!) und machen Sie im Interesse der österreichischen Bevölkerung den Weg frei für Neuwahlen! (Beifall bei der FPÖ.)
11.55
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Kollege.
Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister, Sie haben heute schon von Marketing gesprochen. Mit dem Begriff Asylbremse betreiben Sie genauso Marketing. Das ist ein Begriff, der nichts bedeutet. Sie haben auch nicht erklärt, was Sie eigentlich damit meinen. (Bundesminister Karner: Asylmissbrauch!) – Ja.
Sie meinen mit Asylbremse sicher kein Insekt, sondern beziehen sich mit dem Wort Bremse auf den Mechanismus, der eine Geschwindigkeit verringern soll. Sie wollen aber wahrscheinlich auch nicht die Geschwindigkeit von etwas verringern, sondern Zahlen verkleinern.
Die Frage ist: Welche Zahlen gibt es im Kontext von Asyl, die man senken könnte? – Es gibt die Zahl der Antragstellungen. Ich nehme nicht an, dass wir nationalstaatlich Einfluss nehmen können, damit die Zahl der Antragstellungen verringert werden kann. Das wäre ja etwas, das im europäischen Kontext zu lösen wäre.
Ich nehme nicht an, dass Sie mit dem Wort Bremse meinen, dass Sie – was von der Zahl der Antragstellungen zu trennen ist – die Zahl der Verfahren verringern werden können, denn nicht jede Antragstellung führt auch in Österreich zu einem Verfahren.
Ich nehme nicht an, dass Sie die Zahl der Personen, die in Grundversorgung sind, verringern möchten, und ich glaube auch nicht, dass Sie die Zahl der Personen, denen Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wird, verringern möchten.
Ihrer Rede vorhin entnehme ich, dass es Ihnen um die Verringerung von Missbrauch im Kontext von Asyl geht. Wo kann es beim Thema Asyl Missbrauch geben? – In Wirklichkeit weiß man erst im Nachhinein (Zwischenbemerkung von Bundesminister Karner), nach Abschluss des rechtsstaatlichen Verfahrens, ob aufgrund eines Antrags Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wird oder nicht, weil in jedem Fall in einem rechtsstaatlichen Verfahren eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist, wenn ein Asylantrag gestellt wird, was wiederum auch der von Ihnen – was wiederum Marketing ist – ins Spiel gebrachten sogenannten Zurückweisungsrichtlinie widerspricht. Eine solche ist nicht möglich.
Nun kann es Fälle geben, in denen sich ziemlich bald herausstellt, dass ein Asylantrag nicht positiv beschieden wird. Ob das Ganze rechtsmissbräuchlich ist: Dafür gibt es ein rechtsstaatliches Verfahren. Es gibt bei jedem Antrag – nicht nur in einem Asylverfahren –, der an eine Behörde gestellt wird, die Möglichkeit, dass er rechtsmissbräuchlich gestellt wird. Um das zu klären, braucht man aber ein rechtsstaatliches Verfahren, und man braucht vor allem auch einen Instanzenzug.
Wo kann es im Asylkontext noch Missbrauch geben? – Sie haben das Problem von Schleppern, von Kriminalität auf diesem Gebiet angesprochen. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass wir die Schlepperkriminalität senken wollen. Wie kann man das am ehesten schaffen? – Indem es legale Fluchtmöglichkeiten für Personen gibt, die es sich leisten können – Personen, die die kriminellen Dienste von Schleppern in Anspruch nehmen, sind ja nicht die, die überhaupt kein Geld haben, sondern jene, die sich diese zumindest vierstelligen Eurobeträge für die Schlepperei leisten können –, indem man den Schleppern das Geschäft nimmt. Man nimmt den Schleppern das Geschäft nicht, indem man höhere Zäune oder mehr Zäune baut, sondern indem man legale Möglichkeiten für Asylanträge schafft.
Im Asylverfahren, da sind wir uns alle auch fraktionsübergreifend einig, gibt es definitiv Verbesserungsmöglichkeiten. Wir haben es heute schon gehört: Eine Möglichkeit wäre, ein einheitliches europäisches Asylverfahren zu machen, nämlich in der Form, dass das Asylverfahren nicht automatisch in den Außengrenzstaaten durchgeführt wird und dass diese nicht ausschließlich für die Grundversorgung zuständig sind. Im Asylverfahren geht es darum: Wo können Anträge eingebracht werden? Wie schaut das Rechtsmittelverfahren aus? Werden rechtsstaatliche Standards eingehalten?
Es geht weiters darum – das haben wir auch schon gehört –, dass die Ausreise von Personen, denen nach einem rechtsstaatlichen Verfahren kein Asyl oder subsidiärer Schutz zukommt – sei es eine freiwillige Ausreise oder eine solche mit Zwangsmaßnahmen –, mit Sanktionen im Verhältnis zu den Staaten, in die die Personen ausreisen müssen, durchgeführt wird. Dafür gibt es Möglichkeiten, entweder was die Visapolitik gegenüber diesen Staaten betrifft oder was finanzielle Möglichkeiten, Förderungen der Europäischen Union betrifft. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätinnen Hauschildt-Buschberger und Kittl.)
12.00
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu einer abschließenden Stellungnahme hat sich noch einmal der Herr Bundesminister für Inneres zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm und bitte ihn, eine Redezeit von 5 Minuten nach Möglichkeit einzuhalten. Zur Erklärung: Das ist ein Wunsch der Präsidiale und nicht Bestandteil der Geschäftsordnung. – Bitte, Herr Minister.
Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner: Herr Präsident, ich halte mich natürlich gerne an den Wunsch der Präsidiale und werde versuchen, die relevanten Punkte, die Maßnahmen, die wir im letzten Jahr gesetzt haben, in 5 Minuten zu erklären.
Ich habe den ersten Bereich, den Bereich der polizeilichen Maßnahmen, besprochen. Der zweite Bereich, auch dieser wurde schon kurz angesprochen, ist das Thema, dass wir die Verfahren ganz wesentlich beschleunigt haben. Bei Menschen, die aufgrund ihrer Herkunft praktisch keine Chance auf Asyl haben – indische Staatsbürger, tunesische Staatsbürger –, ist es möglich, auch rechtlich möglich, sogenannte Schnellverfahren durchzuführen. Innerhalb von wenigen Tagen, Wochen sind diese Verfahren beschieden worden, auch negativ beschieden worden, sodass wir bei diesen mittlerweile bei einer Verfahrensdauer in der ersten Instanz von dreieinhalb Monaten sind. Wie Sie sicherlich genau verfolgt haben, hat zuletzt auch der Rechnungshof positiv erwähnt, dass wir bei der Verfahrensdauer deutlich schneller und besser geworden sind. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Beamtinnen und Beamten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, beim BFA, bedanken: Dort wird exzellente Arbeit geleistet! (Beifall bei der ÖVP.)
Herr Bundesrat Reisinger, es ist unerlässlich: So wie wir mit Ungarn zusammenarbeiten müssen, war es auch notwendig – ich bin dem Bundeskanzler dafür sehr dankbar –, dass wir mit Serbien zusammenarbeiten; und nicht nur zusammenarbeiten, sondern auch dementsprechend Druck machen. (Bundesrätin Schumann: Na, was machen wir jetzt?)
Aufgrund des Drucks von Österreich und mit Unterstützung der Kommission – darüber brauchen wir nicht zu reden – hat Serbien die Visapolitik geändert. Inder und Tunesier können nicht mehr visafrei nach Belgrad einreisen. Daher sind diese Asylanträge praktisch auf eine einstellige Zahl zurückgegangen. Das sind klare Erfolge, das hat nichts mit Umarmen zu tun, Herr Bundesrat. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.)
Herr Bundesrat, es sei mir gestattet, Ihnen zu sagen: Ich umarme meine Frau und nicht meinen ungarischen Kollegen. (Bundesrätin Schumann: Das war im übertragenen Sinn gemeint!) Aber um beim Ernst der Sache zu bleiben: Das sind Maßnahmen, die notwendig sind. Das sind konkrete Aktionen, die gesetzt werden. (Beifall bei der ÖVP.)
Wichtig ist natürlich auch – das wurde zu Recht von mehreren Rednern, ich glaube, von allen Fraktionen, angesprochen –, dass wir da eine breite Allianz brauchen, damit wir Druck auf die Kommission machen können. Daher gibt es viele bilaterale Gespräche: mit dem italienischen Innenminister, mit dem polnischen Innenminister. Diese Allianzen sind notwendig.
Wenn Sie die aktuelle Diskussion in Deutschland ein bisschen verfolgen, dann sehen Sie genau, dass dieses Thema, das es bei uns vor einem halben Jahr gab – weil wir sozusagen die Ersten im Osten sind –, jetzt mitten in der sogenannten Ampelkoalition angekommen ist. Da wird von grünen Landräten von Zäunen und Mauern gesprochen. Nur um das klar anzusprechen: Wir müssen doch realistisch mit diesen Fragen umgehen (Bundesrätin Schumann: Ja!), und darum bitte ich eben.
Österreich, konkret ich, hat daher einen Fünfpunkteplan vorgeschlagen. Sie wissen, das Pilotprojekt an der Außengrenze, jetzt beim Rat besprochen, kommt. Das ist auch etwas, bei dem wir uns einig sind. Die Verstärkung des Außengrenzschutzes, jetzt beim Rat besprochen, kommt. Die deutschen Medien berichten darüber. Österreich hat sich durchgesetzt, mit vielen anderen europäischen Ländern, und Deutschland eben nicht.
Das ist einfach in der „Frankfurter Allgemeinen“ nachzulesen. Oder vorgestern bei „Markus Lanz“ (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn): Man kann sich das in der Mediathek ansehen, damit man konkret sieht, was geschehen ist und was passiert.
Herr Bundesrat Arlamovsky, ich glaube, Sie haben das Thema Zurückweisungsrichtlinie angesprochen. Wir haben aktuell eine Richtlinie, die sogenannte Vertriebenenrichtlinie, wo wir keine Einzelfallprüfung haben. Um diese Richtlinie ist lange gerungen und heftig diskutiert worden. Ich weiß, dass es rechtlich schwierig ist, aber warum denken wir nicht darüber nach, ob wir am anderen Ende der Skala eine Art Zurückweisungsrichtlinie haben?
Dass das rechtlich nicht einfach umzusetzen ist, ist mir völlig bewusst, aber es ist doch notwendig, darüber nachzudenken, wenn man sieht, dass das System von jenen belastet wird, die aus wirtschaftlichen Gründen und nicht aus Asylgründen zu uns kommen. Ich habe es zuvor genau skizziert: Wir brauchen doch Platz für jene, die unsere Hilfe wirklich brauchen, beispielsweise für Menschen aus der Ukraine. Dann muss das Ziel sein, dass wir andere rasch durch das Verfahren bringen. Darum geht es bei dieser sogenannten Zurückweisungsrichtlinie und um nichts anderes.
Also noch einmal: Der Gipfel vor wenigen Tagen war ein klarer Erfolg für Österreich und den Bundeskanzler. Das muss man so auch klar sagen, bitte in den deutschen Medien und auch in manchen Medien in Österreich nachlesen! (Beifall bei der ÖVP.)
Jetzt noch ein paar Bemerkungen: Herr Bundesrat Reisinger und Herr Bundesrat Egger, Ihre Stellungnahmen zum Thema Schengen haben mich etwas ratlos zurückgelassen, wenn ich das so sagen darf. (Bundesrat Kornhäusl: Das ist öfters ...!) Ich weiß, dass die Frau Bundesparteivorsitzende es begrüßt hat, als ich entschieden habe, zum jetzigen Zeitpunkt nicht zuzustimmen. Das wurde mir auch von vielen SPÖ-Vertretern so mitgeteilt. Jetzt gibt es heute wieder eine andere Meinung. Okay, das ist Ihnen überlassen, nur sind diese Meinungen, die Sie in dieser Frage letztendlich haben, nicht besonders kongruent. (Beifall bei der ÖVP.)
Herr Bundesrat Leinfellner – ich glaube, er ist jetzt nicht da –, ich bin froh, dass man wieder den Weg zum christlichen Weltbild zurückgefunden hat. Er hat sehr oft den lieben Gott zitiert. Wenn man sich die Aussagen des Herrn Landbauer angehört hat, der gesagt hat, eine 3-Millionen-Euro-Katastrophenhilfe für Erdbebenopfer ist Geldgeschenke an das Ausland zu verteilen, dann muss man sagen: Das hat mit einem christlichen Weltbild nichts zu tun. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Hahn: Scheinheilig oder was?)
Eine abschließende Bemerkung sei mir noch erlaubt, weil dieses Thema natürlich sehr intensiv debattiert wird – es hört sich jetzt vielleicht etwas seltsam an, aber ich tue es trotzdem –: Ich muss in Wahrheit einen meiner Vorgänger verteidigen, nämlich Herrn Kickl. Nur folgende Zahlen: in einem Jahr unter Innenminister Kickl 26 500 Asylwerber und Asylberechtigte in der Grundversorgung; in einem Jahr unter Innenminister Karner 24 000 Asylwerber und Asylberechtigte in der Grundversorgung. Das heißt, Herr Kickl hat als Innenminister mehr Asylwerber und Asylberechtigte versorgt als ich. Das sind die Fakten. Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. Das ist einfach der Rechtsstaat. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Das ist Wahlwerbung für die FPÖ! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
In einem Punkt muss ich ihn noch in Schutz nehmen, vor manchen Abgeordneten und vor manchen politischen Aussagen und vor manchen Plakaten in Wahlkämpfen oder Ähnlichem: Mir ist nicht bekannt, dass Herr Kickl als Innenminister nur einen einzigen Push-back angeordnet hätte. – Nur damit wir über die Wahrheit und die Fakten reden und diese Diskussion versachlichen und dahin bringen, wo sie hingehört (Beifall bei der ÖVP): Es ist ein herausforderndes Thema, bei dem es nicht von heute auf morgen Lösungen gibt.
Herr Bundesrat, das ist Ihnen bewusst. Wir sind uns in vielen Bereichen mittlerweile – Gott sei Dank, sage ich – auch einig. Bei Schengen, habe ich geglaubt, wären wir uns einig gewesen, heute war es wieder anders. (Bundesrätin Schumann: Schauen Sie auf das niederösterreichische Wahlergebnis! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich bitte wirklich, dass wir Allianzen bilden, dass wir das, so wie wir es auf europäischer Ebene mit anderen Ländern, mit unseren Nachbarländern tun, auch hier in diesem Haus tun.
Wir alle wissen – Sie haben recht und Sie haben recht –, dass uns dieses Thema enorm fordert. Wir haben das doch im letzten Jahr gesehen, als das System über der Grenze der Belastbarkeit war. Ja, die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen musste Zelte aufstellen, damit wir eben Obdachlosigkeit vermeiden und damit wir vermeiden, dass Asylwerber sich
auf unseren Dorf- und Hauptplätzen, vor Schulen, vor Kindergärten aufhalten. Daher war es notwendig, diese Maßnahmen zu setzen. Das war keine einfache Maßnahme, aber als Innenminister hat man Dinge zu entscheiden, und das haben wir getan.
Wenn Maßnahmen notwendig sind, dann werden wir auch in Zukunft Maßnahmen setzen. Das ist unsere Verantwortung, für mich als Innenminister, aber auch für uns alle, die in der Politik tätig sind. Wenn Themen da sind – und das Asylthema, das Thema Asylmissbrauch, das Thema Schlepperkriminalität ist eines, das uns massiv bewegt –, dann haben wir diese sachlich, vernünftig, ruhig und konsequent anzupacken und nicht zu verschweigen. – Vielen Dank dafür. (Beifall bei der ÖVP.)
12.09
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Hinsichtlich der eingelangten und verteilten Anfragebeantwortungen,
eines Schreibens des Herrn Bundespräsidenten betreffend die Abschrift seiner Entschließung vom 19. Jänner 2023 auf Einberufung der Bundesversammlung gemäß Art. 39 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz für den 26. Jänner 2023 um 10 Uhr zur Angelobung des wiedergewählten Bundespräsidenten samt Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler,
jenes Verhandlungsgegenstandes, der gemäß Art. 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt,
der Unterrichtung des Bundeskanzlers gemäß Art. 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz
und der Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Art. 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz
verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.
Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf diese gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.
Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:
A. Eingelangt sind:
1. Anfragebeantwortungen
(Anlage 1) (siehe auch S. 15)
2. Schreiben des Herrn Bundespräsidenten
betreffend die Abschrift seiner Entschließung vom 19. Jänner 2023 auf Einberufung der Bundesversammlung gemäß Artikel 39 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz für den 26. Jänner 2023, um 10.00 Uhr zur Angelobung des wiedergewählten Bundespräsidenten (Anlage 2 und 2a)
3. Eingelangter Verhandlungsgegenstand, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt
Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz geändert wird (3076/A und 1914 d.B.)
4. Unterrichtung des Bundeskanzlers gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG
Nominierung von Herrn Anton Mattle zum ordentlichen Mitglied des Ausschusses der Regionen (Anlage 3)
5. Unterrichtungen gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG
Schreiben des Bundesministers für Finanzen betreffend Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über eine Revision des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (Anlage 4)
Schreiben des Bundesministers für Finanzen betreffend Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über eine Revision des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Anlage 5)
B. Zuweisungen
1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates
(siehe Tagesordnung) und
2. Selbständiger Antrag
Entschließungsantrag der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gratis Drogen-Testarmbänder für Frauen und Jugendliche (362/A(E)-BR/2023)
zugewiesen dem Gesundheitsausschuss
sowie
3. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder
Sonderbericht der Volksanwaltschaft betreffend "Terroranschlag 2. November 2020" (III-800-BR/2023)
zugewiesen dem Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen
Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes für das Jahr 2021, vorgelegt von der Bundesministerin für EU und Verfassung (III-801-BR/2023)
zugewiesen dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus
Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2021, vorgelegt von der Bundesministerin für EU und Verfassung (III-802-BR/2023)
zugewiesen dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus
Bericht der Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Jahresvorschau 2023 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission und des Programmes des Rates (III-803-BR/2023)
zugewiesen dem Landesverteidigungsausschuss
Bericht des Bundesministers
für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend
EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2023 (III-804-BR/2023)
zugewiesen dem Ausschuss für Wissenschaft und Forschung
Bericht des Bundesministers für Inneres betreffend Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2023 sowie dem Achtzehnmonats-Programm des französischen, tschechischen und schwedischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union (III-805-BR/2023)
zugewiesen dem Ausschuss für innere Angelegenheiten
Bericht des Bundesministers
für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend
EU-Jahresvorschau 2023 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm
§ 7 EU-InfoG (III-806-BR/2023)
zugewiesen dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz
Bericht der Bundesministerin
für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend EU-Jahresvorschau
2023 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm § 7 EU-Info-G, auf der
Grundlage des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2023 und des
Achtzehnmonatsprogramms des Rates für 2022/2023
(III-807-BR/2023)
zugewiesen dem Ausschuss für Familie und Jugend
Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend EU-Arbeitsprogramm 2023 (III-808-BR/2023)
zugewiesen dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten
Bericht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend EU-Jahresvorschau 2023 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogrammes des Rates (III-809-BR/2023)
zugewiesen dem Umweltausschuss
Bericht des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend EU-Jahresvorschau 2023 (III-810-BR/2023)
zugewiesen dem Ausschuss für Tourismus, Kunst und Kultur
Bericht des Bundesministers
für Finanzen betreffend EU-Jahresvorschau 2023
(III-811-BR/2023)
zugewiesen dem Finanzausschuss
Bericht des Bundesministers
für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft
betreffend EU-Jahresvorschau 2023 gemäß Artikel 23f Absatz 2
B-VG iVm § 7 EU-Info-G, auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der
Europäischen Kommission für 2023 und des 18-Monatsprogramms des Rates
für 2022/2023
(III-812-BR/2023)
zugewiesen dem Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft
Bericht des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft betreffend EU Vorhaben 2023 (III-813-BR/2023)
zugewiesen dem Wirtschaftsausschuss
Gemeinsamer Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend EU-Jahresvorschau 2023 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG (III-814-BR/2023)
zugewiesen dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus
Bericht der Bundesministerin für Justiz betreffend Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2023 sowie dem Achtzehnmonats-Programm des französischen, tschechischen und schwedischen Ratsvorsitzes (III-815-BR/2023)
zugewiesen dem Justizausschuss
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Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.
Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.
Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.
Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.
Behandlung der Tagesordnung
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 4 und 5 jeweils unter einem zu verhandeln.
Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall.
Ankündigung von Dringlichen Anfragen
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit Warten auf EU-Lösungen, Frau Edtstadler! Endlich handeln oder Rücktritt!“ an die Bundesministerin für EU und Verfassung vorliegt.
Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.
Weiters gebe ich, bevor wir in die Tagesordnung eingehen, bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Ingo Appé,
Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kinderbildung und Kinderbetreuung für alle – wann handeln Sie endlich, Herr Minister?“ an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung vorliegt.
Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung erfolgt die Behandlung im Anschluss an die Dringliche Anfrage der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen.
Wir gehen in die Tagesordnung ein.
Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, die Europawahlordnung, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, das Volksabstimmungsgesetz 1972, das Volksbefragungsgesetz 1989, das Volksbegehrengesetz 2018, das Wählerevidenzgesetz 2018 und das Europa-Wählerevidenzgesetz geändert werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2023) (3002/A und 1911 d.B. sowie 11172/BR d.B. und 11173/BR d.B.)
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu Punkt 1 der Tagesordnung.
Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Heike Eder. – Ich bitte um den Bericht.
Berichterstatterin Heike Eder, BSc MBA: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, die Europawahlordnung, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, das Volksabstimmungsgesetz 1972, das Volksbefragungsgesetz 1989, das Volksbegehrengesetz 2018, das Wählerevidenzgesetz 2018 und das Europa-Wählerevidenzgesetz geändert werden. (Vizepräsidentin Kahofer übernimmt den Vorsitz.)
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antragstellung.
Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Franz Ebner. Ich erteile dieses.
Bundesrat Mag. Franz Ebner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! „Nichts ist beständiger als der Wandel“ – ein Zitat von Charles Darwin, das unsere Zeit wahrscheinlich sehr, sehr treffend beschreibt. Wandel bedeutet ja nichts anderes als Veränderung. Gestaltete Veränderung, wie wir sie hier im Hohen Haus machen, muss immer den Anspruch haben, auch Verbesserung zu schaffen, und das ist auch mein ganz persönlicher Anspruch.
Mit dieser Reform des Wahlrechts schaffen wir mehrfach Verbesserungen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit diesem Gesetz beschließen wir, denke ich, ein modernes, ein zeitgemäßes, den Lebensrealitäten angepasstes Wahlrecht. Wie sehen diese Verbesserungen nun aus?
Die erste Verbesserung betrifft die Briefwahl. Wir alle kennen die Situation bei Bundes- oder Europawahlen: Am Wahlabend gibt es zwar ein Ergebnis, aber viele Briefwahlstimmen – und die Briefwahlstimmen werden ja erfahrungsgemäß auch immer mehr – fehlen in diesem Ergebnis. Das ändert sich nun, denn die meisten Wahlkarten werden in Zukunft am Wahlsonntag in den jeweiligen Gemeinden ausgezählt.
Eine weitere Verbesserung für die Bürgerinnen und Bürger, für die Wählerinnen und Wähler ist, dass sie in Zukunft beim Abholen der Wahlkarte auf der Gemeinde oder bei der Bezirkswahlbehörde sofort wählen können, sofort die Stimme abgeben können, nicht extra die Wahlkarte mit nach Hause nehmen und
dann auf dem Postweg wieder zurücksenden müssen. Ich
denke, das ist eine praxisnahe Verbesserung, die wir da in Zukunft haben. Zudem
kann der Weg der Wahlkarte bis zum Einlangen in der jeweiligen Wahlbehörde
elektronisch nachverfolgt werden. Dadurch kann sich auch jeder Wähler und
jede Wählerin sicher sein, dass die Wahlkarte angekommen ist und dass die
Stimme auch
zählt.
Eine zweite wesentliche Verbesserung betrifft die Barrierefreiheit der Wahllokale. Ab Anfang 2028 müssen alle Wahllokale – derzeit sind das circa 75 Prozent – barrierefrei sein. Dies wird es künftig Menschen mit Behinderung, aber auch vielen älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern – ebenso wie die geplante bessere Lesbarkeit von Drucksorten – erleichtern, wählen zu gehen.
Eine dritte wesentliche Verbesserung betrifft die Beisitzertätigkeit. In ganz Österreich gibt es für die Beisitzertätigkeit zukünftig die gleiche Aufwandsentschädigung. Ich denke, vielen Menschen ist gar nicht bewusst, wie wichtig diese Aufgabe – die Beisitzertätigkeit – für einen korrekten Ablauf von Wahlen ist. Um dies auch in Zukunft gewährleisten zu können, ist es besonders wichtig, dass diese Aufgabe als öffentliches Ehrenamt bestehen bleibt und wertgeschätzt wird.
Da möchte ich an dieser Stelle auch allen Menschen, die immer wieder bereit sind, die Beisitzertätigkeit bei Wahlen, egal auf welcher Ebene, durchzuführen, Danke sagen, denn das ist demokratiepolitisch ganz besonders wichtig. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Grossmann.)
Eine vierte Verbesserung betrifft die Gemeinden. Ich sage dazu: Natürlich stellt die Schaffung barrierefreier Wahllokale viele Gemeinden auch vor Herausforderungen, aber für ein wirklich freies und gleiches Wahlrecht ist dies aus meiner Sicht einfach notwendig. Es wurde da auch ein Zeithorizont gewählt, der ausreichend Zeit für die Umsetzung zulässt.
Gleichzeitig gibt es aber auch wesentliche Erleichterungen für die Gemeinden. So wird die Entschädigung für die anfallenden Kosten der Gemeinden
verdoppelt, zudem muss künftig bei Volksbegehren das Gemeindeamt an Samstagen, wie das bisher verpflichtend der Fall war, nicht mehr für die Eintragung geöffnet werden. Das ist vor allem auch ein Erfahrungswert, weil man gesehen hat, dass an diesen Tagen kaum Bürgerinnen und Bürger auf die Gemeindeämter, auf die Magistrate geströmt sind, um Volksbegehren zu unterstützen. Das bringt auch eine deutliche Entlastung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Berufstätige haben weiterhin die Möglichkeit, ein Volksbegehren an einem Abend während der Woche, an dem auch geöffnet werden muss, zu unterstützen. Nebenbei wird natürlich auch die digitale Unterschrift, die digitale Signatur, mit der auch eine Unterstützung von Volksbegehren möglich ist, immer beliebter.
In Summe ist dies eine effiziente Anpassung der demokratiepolitischen Möglichkeiten, ohne diese – und das sage ich ausdrücklich dazu –einzuschränken. Das ist mir auch persönlich ganz, ganz wichtig.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir beschließen heute ein Wahlrecht, das die Demokratie in unserem Land stärkt, das wir alle gemeinsam erarbeitet haben und das vor allem nicht nur den Anspruch hat, zu verändern, sondern das auch wirklich einige Verbesserungen bringt. Ich ersuche um breite Zustimmung und danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrät:innen Kittl und Schreuder.)
12.20
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Elisabeth Grossmann. Ich erteile dieses.
Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass ich meine erste Rede hier im sanierten Parlament zu einem sehr positiven Thema halten darf, nämlich dem Wahlrechtsänderungsgesetz. Das ist nämlich wirklich eines der seltenen, muss ich sagen, Positivbeispiele eines gelungenen Gesetzwerdungsprozesses in dieser Regierungsperiode.
Es hat zum einen einen gut ausgearbeiteten Entwurf gegeben – von Herrn Sektionschef Robert Stein, der, wie Sie vielleicht wissen, demnächst in Pension geht und dem ich von dieser Stelle alles, alles Gute wünsche und auch herzlich Danke für seine wertvolle Arbeit sagen möchte. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie der Bundesrät:innen Kittl und Schreuder.) Seit Jahrzehnten ist er der „Mister Wahlen“ und sorgt für einen reibungslosen Ablauf der Wahlprozesse. Er hat diesen Entwurf vorgelegt. Es war aber auch in weiterer Folge ein sehr gelungener Prozess, weil eine ordentliche Begutachtung stattgefunden hat.
Die Stellungnahmen wurden nicht nur entgegengenommen, sondern auch gelesen, und es wurden sehr viele Impulse eingearbeitet – das ist auch nicht mehr selbstverständlich, wie wir an anderen Beispielen erkennen mussten –, und es wurden auch die Oppositionsparteien und deren Sichtweisen in die Verhandlungen – es waren diesmal echte Verhandlungen – eingebunden. Das ist auch sehr selten bei der türkis-schwarz-grünen Bundesregierung, es war vorher bei Schwarz-Blau noch seltener, aber diesmal hat es geklappt, und mögen weitere positive Beispiele folgen! So kann es nämlich in vielen Bereichen wirklich gehen.
Es konnten dann auch nach dem Ausschuss noch Verbesserungsvorschläge eingearbeitet werden, sodass wir nun auch mit gutem Gewissen zustimmen können. Inhaltlich hat mir Kollege Ebner sozusagen schon einiges an Arbeit abgenommen und die Inhalte auch sehr gut erläutert. Es geht um die Barrierefreiheit aller Wahllokale bis spätestens 2028. Derzeit sind rund 75 Prozent der Wahllokale barrierefrei. Da auf 100 Prozent zu kommen ist gerade bei finanzschwachen Gemeinden ein durchaus ambitioniertes Ziel – und da brauchen diese Gemeinden natürlich auch die Unterstützung, die in Aussicht gestellt wurde.
Ich hoffe natürlich – und ich habe das auch im Ausschuss zum Ausdruck gebracht –, dass es nicht dort, wo das nicht so gut gelingt, unter Umständen zu einer Schließung oder zu einer Reduzierung von Wahllokalen kommt und
dadurch die Wahlmöglichkeit für viele Bevölkerungsgruppen vielleicht auch eingeschränkt werden könnte. Das werden wir sicherlich weiter beobachten, aber ich bin zuversichtlich, dass das auch gut über die Bühne gehen wird.
Die Drucksorten sollen einfacher lesbar und auch für Sehbehinderte barrierefrei gestaltet werden. Das ist auch ein sehr positiver Zug. Und was bei Postsendungen eigentlich schon eine Selbstverständlichkeit ist, nämlich dass der Weg der Wahlkarten nachvollziehbar ist und dann die Bürgerin, der Bürger auch weiß, wann diese eintreffen, ist auch der Zeit angemessen. Praktisch ist natürlich auch, dass schon beim Abholen der Wahlkarte gewählt werden kann und man sich sozusagen einiges an Aufwand erspart. Dieser Quasivorwahltag, dass die Briefwahlstimmen wirklich schon am Wahlsonntag ausgezählt sein sollen, schafft frühzeitig Klarheit.
Die Aufwertung der Wahlbeisitzerinnen und Wahlbeisitzer ist natürlich auch ganz, ganz wichtig, und da möchte ich auch allen ganz herzlich danken, die sich als Wahlbeisitzer und Wahlbeisitzerinnen, Wahlzeuginnen und Wahlzeugen zur Verfügung stellen, weil das wirklich ein großer Dienst an der Demokratie ist, und dafür gilt es all diesen Persönlichkeiten auch herzlichst zu danken. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
Damit schließe ich schon und hoffe, dass weitere Positivbeispiele eines guten Gesetzwerdungsprozesses folgen mögen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)
12.25
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile dieses.
Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Plenum und vor den Bildschirmen! Vorweg: Wir werden keinen Einspruch gegen diese Wahlrechtsänderung erheben – und ich bedanke mich auch bei meiner Vorrednerin von
der SPÖ, die dieses Gesetz gelobt hat, weil ja dieses Gesetzespaket weitgehend dem entspricht, was wir in unserer Regierungszeit gemeinsam mit der ÖVP ausgearbeitet haben.
Für uns lag damals und liegt noch immer der Fokus auf der Briefwahl. Unser Standpunkt bei der Briefwahl war, dass eben die Grundsätze des Wahlrechts gefährdet sind, nämlich dass geheim und unbeeinflusst gewählt werden können muss, und genau das haben wir auch immer kritisiert und war uns ein Dorn im Auge. Genau diese Möglichkeiten einer Manipulation hat man nun mit diesen Maßnahmengesetzen etwas hintangehalten. Ganz verhindern oder ausschließen wird man das wahrscheinlich nie können.
Jetzt wird nachvollziehbarer, ob eine Wahlkarte, die man per Post schickt, überhaupt angekommen ist und auch berücksichtigt wurde. Ein wichtiger Punkt für uns ist, dass man künftig beim Abholen, am Gemeindeamt zum Beispiel, sofort seine Stimme abgeben kann. Zusätzlich wird es ab der nächsten Bundeswahl eine verpflichtende Samstagsentleerung aller Briefkästen durch die Post geben, was eben den Vorteil bietet, dass Briefwahlstimmen rechtzeitig an die entsprechenden Wahlbehörden weitergeleitet werden und damit auch am Wahltag mit ausgezählt und berücksichtigt werden. Somit haben wir das Ergebnis am Wahlabend schon viel genauer, und so große Verschiebungen, wie es sie in der Vergangenheit gegeben hat, werden dadurch hintangehalten.
All das sind Maßnahmen, die aus unserer Sicht die Briefwahl beziehungsweise das Wählen mit Wahlkarten besser und sicherer machen. Diese Dinge haben wir lange gefordert, und nun haben sie im Gesetz auch Berücksichtigung gefunden.
Positiv an der Reform sehen wir auch, dass es nun bis 2028 eine Übergangsfrist gibt, nach der alle Wahllokale barrierefrei sein müssen. Ich habe extra im Ausschuss nachgefragt, ob das garantiert so ist, da ich ja leider betreffend die Umsetzung der Barrierefreiheit aus der Vergangenheit ein gebranntes Kind bin. Ich weiß, da gab es immer wieder Fristen, zuerst 2015, die dann immer
wieder hinausgeschoben wurden, und natürlich haben sich da alle Zeit gelassen. Der zuständige Abteilungsleiter in Wahlangelegenheiten aus dem BMI hat im Ausschuss versichert: Nein, diese Frist wird fix halten! Ich hoffe, dass es so ist. Das ist zumindest etwas sehr Positives.
In der Umsetzung ist uns auch wichtig, dass der Beisitz bei der Wahl ein Ehrenamt bleibt, dass er eben nicht von Externen durchgeführt wird, sondern dass nach wie vor die politischen Parteien die Möglichkeit haben, sich darum zu kümmern. Beisitzer, wie wir gehört haben, werden künftig eine einheitliche monetäre Mindestentschädigung für ihren Aufwand und für ihre Verantwortung bekommen. Und glauben Sie mir: Der Aufwand und die Verantwortung sind dementsprechend groß und es ist eigentlich das Mindeste, dass man dafür eine Entschädigung bekommt. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Ein Punkt, warum wir ursprünglich gegen diese Wahlrechtsänderung waren, war der ursprüngliche Plan, dass Briefwahlkarten, die zugeklebt sind, ungültig werden sollten. Das wurde inzwischen geändert. Für uns war da eben wichtig, dass das Wahlrecht Priorität hat und Stimmen nicht wegen eines Nichtigkeitsgrundes verloren gehen.
Wie gesagt, wir sind mit diesem Gesetz im Großen und Ganzen zufrieden, weil es dadurch eben insgesamt eine Verbesserung im Wahlrecht gibt.
Lassen Sie mich als Niederösterreicher auch noch persönlich hier in der Länderkammer etwas anmerken: So wie viele von uns, die in der Kommunalpolitik verankert sind, bin ich in den letzten 15 Jahren wirklich bei jeder Wahl in den verschiedenen Gremien als Beisitzer, als Wahlzeuge, als Vertrauensperson und so weiter dabei gewesen und habe dort meine Arbeit verrichtet. Es ist mir klar, dass ich ein bisschen gegen die Eigenständigkeit der Länder oder vielleicht auch ein bisschen gegen die Länderinteressen spreche, aber in den Sprengeln habe ich immer wieder, und zwar von allen Parteien, Kritik dahin gehend gehört, dass es bei jeder Wahl andere Spielregeln und andere Vorgaben gibt und es immer sehr kompliziert ist.
Auch da wäre eine Vereinheitlichung, und zwar in den Bereichen, in denen es eben möglich und sinnvoll ist, auch bei Landtags- und Gemeinderatswahlen, hin zu dieser Wahlrechtsänderung anzustreben, damit es eben nicht bei jeder Wahl immer wieder zu diesen großen Unterschieden und zu großen Unsicherheiten beim Wahlablauf und beim Auswerten der Stimmen kommt. (Bundesminister Karner: Ambitioniert!) – Ja, es stimmt, das Ziel ist ambitioniert, aber irgendwann einmal muss man beginnen, das anzusprechen.
Gerade in Niederösterreich haben wir ja ganz besondere Eigenheiten, wie zum Beispiel jene, dass eine Vorzugsstimme eine Parteistimme schlägt, oder dass es bei der Gemeinderatswahl bei uns in Niederösterreich sogenannte nicht amtliche Stimmzettel gibt. Da können DIN-A5-Zettel in weiß beigelegt werden, man schreibt den Namen darauf, und auch das zählt dann und schlägt die Parteistimme. Das ist beim Auszählen irrsinnig mühsam, denn man muss schauen, dass man gleich alles zusammentackert, und wenn man etwas vergisst, dann passiert es, dass man am Ende nicht 600, sondern 610 Stimmen hat und man nicht weiß, woher die zehn Stimmen kommen – all das hat es schon gegeben. (Bundesrat Preineder: Dann hast 150 Prozent! – Bundesrat Bader: Das machen wir schon genau!) – Na, ich war da selber dabei, Herr Kollege Bader, als das leider passiert ist. Da sind im Tacker die Klammern ausgegangen, und der Kollege hat geklammert und geklammert, und am Ende haben wir eben diese 610 statt der 600 Stimmen gehabt; und dann kann man raten, wo die hingehören – das ist sehr ungut. (Beifall bei der FPÖ.)
Was noch dazukommt: Wir wissen auch, dass oft Stimmen insofern erschwindelt werden, als dann mit folgendem Schmäh hausieren gegangen wird: Ja, wählen kannst eh die SPÖ, wählen kannst eh die FPÖ, aber mir als ÖVP-Bürgermeister gibst halt bitte die Vorzugsstimme! – Den Leuten ist dann oft gar nicht bewusst, dass diese Stimme dann automatisch zu einer Parteistimme für die ÖVP wird. (Die Bundesrätinnen Grimling, Hahn und Schumann: Das stimmt, ja!) Das, meine Damen und Herren, ist meiner Meinung nach nicht mehr
zeitgemäß, das ist unfair und unehrlich. Deshalb gehört das einmal zumindest überdacht oder auch diskutiert. (Beifall bei der FPÖ.)
12.32
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile dieses.
Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sehe den Raum jetzt zum ersten Mal von dieser Perspektive aus und ich muss sagen, es ist jetzt natürlich schon eine ganz besondere Freude, dass wir jetzt in unser Haus – in unser Haus! – zurückgekehrt sind. So schön die Hofburg war, wir waren dort zu Gast, und dieses Haus gehört allen Österreicherinnen und Österreichern und deren Vertreterinnen und Vertreter, die wir in unserem Fall für die Länder sein dürfen. Und ja, ich muss sagen, es bewegt mich schon zu einem gewissen Grad.
Ich möchte natürlich auch der burgenländischen Präsidentschaft – Günter Kovacs ist gerade nicht da, aber er sitzt eh neben mir, ich werde es ihm also dann auch noch persönlich sagen können – alles, alles Gute für die Präsidentschaft wünschen. Das ist ja auch eine schöne Tradition hier im Haus, dass wir immer, egal welche Partei gerade die Präsidentschaft übernimmt, die Präsidentschaft des Bundesrates selbst gemeinsam als etwas Gutes sehen und gemeinsam gestalten wollen – das halte ich für etwas wirklich Wichtiges.
Für genauso wichtig halte ich es, dass man bei einer Wahlrechtsreform tatsächlich auch schaut, dass alle Parteien hier gemeinsam eine Lösung finden – Herr Kollege Spanring hat gerade die Bedenken, die seitens der FPÖ vorhanden waren, genannt –, dass wir trotzdem jetzt zu einer gemeinsamen, einstimmigen Lösung kommen. Das ist gerade bei so etwas wie einer Wahl, an der wir ja gemeinsam arbeiten, extrem wichtig, weil sie das Herzstück, das Wesen der Demokratie darstellt.
Auch ich will mich natürlich – es wurde auch gesagt – bei den vielen, vielen ehrenamtlichen Beisitzerinnen und Beisitzern bedanken. Ich kenne manche, die das wirklich seit Jahrzehnten mit einem Engagement, das unglaublich ist, machen. Genau diese Beisitzerinnen und Beisitzer sind es, die eigentlich die Reife einer Demokratie beweisen, wenn sie gemeinsam auszählen und gemeinsam das Ergebnis sagen und das auch objektivierbar ist. Wir sehen ja manchmal in anderen Ländern, von denen wir glauben, dass sie Vorbilder der Demokratie sind, wie schwierig es dort läuft. Das zeigt auch die Reife der österreichischen Demokratie, und ich finde, auf diese können wir zu Recht stolz sein.
Dass es für die Mitglieder der Wahlbehörden durch eine Entlohnung zukünftig einen Anreiz gibt, sich als Beisitzer und Beisitzerin zu beteiligen, das ist sicherlich der richtige Weg. Wir hören an allen Ecken und Enden, wie schwierig es im Bereich der Ehrenamtlichkeit ist – viele Vereine haben derzeit das Problem. In der Pandemie hat es da tatsächlich eine Verschiebung von Prioritäten gegeben, das muss man ganz offen sagen. Ich kenne viele Vereine, auch ehrenamtliche Vereine, die von ehrenamtlicher Arbeit leben, und es ist tatsächlich schwierig geworden, Menschen zu mobilisieren, zu motivieren, auch tatsächlich ehrenamtlich tätig zu sein. Ich hoffe, dass diese Entschädigung, die sie jetzt bekommen, etwas in diese Richtung bewirkt, denn es ist – ich sage es einmal so – ja wirklich eine mordsdrum Aufgabe, wie Herr Spanring auch richtig gesagt hat, es ist ja wirklich eine verantwortungsvolle Aufgabe, die man da als Beisitzerin oder als Beisitzer übernimmt. Ich kann nur alle, die jetzt zuschauen, dazu einladen: Melden Sie sich gerne bei der nächsten Wahl als Beisitzerin und als Beisitzer!, und ich muss sagen, es ist wirklich eine spannende demokratiepolitische Erfahrung, so etwas zu machen.
Erwähnt wurde auch schon – das ist auch für die Menschen interessant, die einen solchen Wahlabend dann auch im Fernsehen verfolgen –, dass es eine viel genauere Zahl geben wird. Es ist dann auch für den Innenminister einfacher, als wenn es dann später plötzlich andere Zahlen sind. Das macht ja auch Tür und
Tor für irgendwelche Theorien auf, die manche dann vielleicht daraus entwickeln wollen. Wir werden durch diese frühere Wahlkartenauszählung am Wahltag um 17 Uhr dann doch eine viel präzisere Prognose haben, und es wird ein vorläufiges Ergebnis verkündet werden, das dann am Ende natürlich viel deutlicher an die Realität herankommt, als es bisher der Fall war.
Manche dieser Wahlkarten werden dann bekanntermaßen noch nicht am Freitag eingelangt sein, diese werden dann natürlich nach wie vor am Montag dazugezählt werden, aber das wird dann eine viel, viel geringere Anzahl sein als bisher. An der Umsetzung, dass diese Briefe dann auch ankommen, wird in den kommenden Wochen und Monaten intensiv zwischen Innenministerium und der Österreichischen Post weitergearbeitet werden – auch das ist sehr erfreulich.
Wichtig zu erwähnen ist vielleicht auch – das wird auch in diesem Gesetz erarbeitet –, dass es künftig in allen Gemeinden möglich sein wird – das war bisher nur in Statutarstädten möglich –, dass Wahlberechtigte ab drei Wochen vor der Wahl ihre Wahlkarte beantragen und dann direkt vor Ort schon ausfüllen und abgeben können. Es ist wirklich toll, dass das dann nicht mehr nur den Menschen in Statutarstädten offensteht, sondern tatsächlich allen Leuten.
Ganz wichtig ist auch – das wurde schon erwähnt – die Barrierefreiheit. Es ist ja eigentlich eine Kernaufgabe von uns, wirklich allen Menschen etwas so Wichtiges wie die Wahl zu ermöglichen. Wir wissen, wie viele Barrieren es gibt, unter anderem auch für sehbehinderte oder blinde Menschen, und genau für diese gibt es jetzt eine deutliche Verbesserung mit Schablonen in Brailleschrift, auch mit einfacherem, leichterem Design. Das Design ist ja da ganz wichtig, sodass auch die Usability funktioniert; da gibt es sogar eine Abschrägung des Stimmzettels. Ich habe das technisch noch immer nicht ganz verstanden, aber ich weiß von Menschen, die sehbehindert sind, dass sie darüber sehr, sehr glücklich sind. Es gibt jetzt auch eine gesetzliche Verankerung dieser Wahlkartenschablonen, was ich auch für ganz wichtig halte. Es gibt auch
Mindestgrößen bei der Schrift, weil gerade Kleingeschriebenes für Menschen mit Sehbehinderung auch sehr schwer zu lesen ist. Also auch da gibt es Verbesserungen. Und im Beiblatt gibt es eine Einfache Sprache. Auch das halte ich für ganz wichtig.
Was es nicht mehr geben wird – Sie kennen das vielleicht, also ich habe das in Wien immer gesehen –: Ich habe in meinem Wohnhaus in Wien immer genau gewusst, wer eine österreichische Staatsbürgerin, ein österreichischer Staatsbürger ist und wer nicht, weil in jedem Haus auf dem Schwarzen Brett ausgehängt wurde, in welchem Top wie viele Personen wahlberechtigt sind. Da hat man auch gewusst, in Top 12 zum Beispiel ist niemand wahlberechtigt. Aha, so, so, schau, schau. Also das ist tatsächlich zu Recht auch von Datenschutzorganisationen kritisiert worden. Darüber kann man jetzt diskutieren, ob das berechtigt ist oder nicht, aber diese Bedenken sind jetzt sozusagen in diese Novelle hineingearbeitet worden. Diese Hausaushänge wird es nicht mehr geben – aber einen QR-Code, damit man selbst ganz schnell und einfach nachschauen kann, wie es sich mit der Wahlberechtigung verhält.
Alles in allem ist es ein sehr gutes Paket. Ich freue mich wirklich sehr, dass wir das heute einstimmig beschließen. Ich freue mich jetzt nicht unbedingt auf die nächsten Wahlen (Heiterkeit der Bundesrätin Zwazl), das darf noch ein bisschen dauern, aber es ist doch schön, zu wissen, dass diese Wahlen sehr gut organisiert sein werden. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)
12.41
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile es ihm.
Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich auch, dass dieser Gesetzesbeschluss viele Verbesserungen im Wahl-
recht bringen wird. Ich selber bin ja seit zehn Jahren Mitglied der Bundeswahlbehörde, war davor fast 20 Jahre lang Mitglied von Wahlkommissionen in der ÖH, also ich beschäftige mich schon mehr als mein halbes Leben lang mit Wahlrecht.
Ich möchte als Erstes zwei positive Punkte herausgreifen. Der erste Punkt, der besonders vorteilhaft ist, ist, dass es zukünftig möglich sein wird, auch außerhalb von Wien und anderen großen Städten bereits dann, wenn man sich seine Wahlkarte abholt, auch gleich seine Stimmabgabe vornehmen zu dürfen. Dieses System ist um einiges besser als die sogenannten Vorwahltage, die es in manchen Bundesländern bei den Landtagswahlen oder Gemeinderatswahlen gibt.
Der zweite Punkt, der schon seit Jahren einer Umsetzung geharrt hat, ist, dass eine Nachverfolgbarkeit, ein Tracking von Wahlkarten ermöglicht wird, dass man, wenn man eine Wahlkarte beantragt und sie nicht persönlich abholt, nachvollziehen kann, wann sie weggeschickt worden ist beziehungsweise, in der Gegenrichtung, ob sie überhaupt eingelangt ist, ob sie bei der Stimmenauswertung berücksichtigt wird.
Der dritte Punkt, den ich herausgreifen möchte, ist ein Punkt, der in dieser Novelle leider fehlt, die übrigens nicht erst unter der derzeitigen Regierungskonstellation und auch nicht unter der vorherigen Regierungskonstellation, sondern in den wesentlichen Punkten politisch ja mindestens schon seit 2016 vereinbart worden ist.
Ein Punkt, den wir damals schon eingefordert haben – und nicht nur NEOS hat das eingefordert –, der aber leider keinen Konsens erzielt hat beziehungsweise von den Regierungsparteien nicht durchgebracht werden konnte, betrifft die Unterstützungserklärungen. Bei den Volksbegehren ist es, wie wir wissen, möglich, dass man nicht mehr nur wie früher auf seinem eigenen Gemeindeamt, in der Hauptwohnsitzgemeinde, Volksbegehren unterstützen kann, sondern auf jedem beliebigen Gemeindeamt oder auch online, aber was
Unterstützungserklärungen für die Nationalratswahl betrifft, ist es nach wie vor nur möglich – und das betrifft die Parteien, die Newcomer sind –, diese auf dem Gemeindeamt des eigenen Hauptwohnsitzes abzugeben. Das ist eine Hürde für Newcomer. Das ist eine unnötig große Hürde, wir wissen, dass es technisch auch anders möglich wäre. Wenn man schon sagt, man möchte Unterstützungserklärungen für Nationalratswahlen nicht online ermöglichen, dann wäre es zumindest möglich gewesen, dass man die Unterstützungserklärung in persona auch in anderen Gemeindeämtern als demjenigen des Hauptwohnsitzes ermöglicht. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
12.44
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Mag. Gerhard Karner. Ich erteile es ihm.
Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner: Ich möchte mich nur sehr kurz zu Wort melden, aber auch mir als zuständigem Minister ist es ein Anliegen, Danke zu sagen. Ich bedanke mich wirklich bei allen Parteien und Fraktionen für die sehr, sehr guten Beratungen und dafür, dass wir hier solch ein schönes Paket verabschieden können.
Ich bedanke mich auch bei allen Beisitzern, die mit größtem Engagement dabeisitzen – wie Herr Bundesrat Spanring hinter mir –, mit viel Elan, mit viel Freude. Gerade zuletzt in Niederösterreich war ich in unseren Wahllokalen unterwegs, in denen viele den Sonntag damit verbringen, eben für andere da zu sein und letztendlich für unser demokratisches Zusammenleben freiwillige Arbeit zu verrichten.
Auch ich möchte die Gelegenheit nutzen und mich bei Mag. Robert Stein bedanken. Er war 33 Jahre lang in der Abteilung III, Wahlangelegenheiten, im Innenressort tätig. Was heißt war? Er ist es noch wenige Tage. Bis Ende
Februar wird er diese Abteilung noch leiten und er gilt wirklich als Mister Wahlen. Ich möchte mich an dieser Stelle sehr herzlich bei ihm bedanken. Vielen Dank, Mag. Robert Stein. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)
Ich möchte auch noch einen inhaltlichen Punkt ansprechen, weil ich das – wie soll ich das sagen? – meinem Amtsleiter versprochen habe und es mich auch freut, dass das umgesetzt wurde. Sie wissen, ich war bis zu meiner Zeit als Minister auch Bürgermeister meiner Heimatgemeinde, und es freut mich, dass es mit dieser Novelle gelungen ist, dass es jetzt nicht mehr notwendig ist, für das Unterschreiben von Volksbegehren die Gemeindeämter an Samstagen offen halten zu müssen. In den größeren Städten war das kein Thema, aber in vielen kleinen Gemeinden war das für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein großer Aufwand. Gott sei Dank wird die direkte Demokratie mehr und gibt es mehr Volksbegehren, aber das hat auch bedeutet, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf den Gemeinden immer länger sitzen mussten, gerade am Wochenende. Auch die haben Familie, und daher, glaube ich, war das ein wichtiger und guter Schritt, zumal wir wissen, dass ohnehin schon zwei Drittel der Unterschriften digital geleistet werden, dass man darauf verzichtet, kleine Gemeindeämter auch am Samstag offen halten zu müssen.
Ich danke wirklich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, meinem Amtsleiter im Speziellen, aber natürlich allen Amtsleiterinnen und Amtsleitern in den Gemeinden für ihre großartige Arbeit.
Vielen Dank für den Beschluss dieses Wahlrechtsänderungsgesetzes. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)
12.46
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.
Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetz geändert wird (2968/A und 1909 d.B. sowie 11178/BR d.B.)
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatter ist Herr Bundesrat Markus Stotter. – Ich bitte um den Bericht.
Berichterstatter Markus Stotter, BA: Geschätzte Damen und Herren! Ich darf Ihnen den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetz geändert wird, zur Kenntnis bringen.
Der Bericht liegt Ihnen vor.
Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Es liegen keine Wortmeldungen dazu vor.
Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist daher geschlossen.
Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie die Plätze ein.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.
Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2023 betreffend ein
Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Verfahren und den Schutz
bei Hinweisen auf Rechtsverletzungen in bestimmten Rechtsbereichen (HinweisgeberInnenschutzgesetz –
HSchG) erlassen wird und das Gesetz über das Bundesamt zur
Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung, das
Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Vertragsbedienstetengesetz 1948,
das
Richter- und Staatsanwaltsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz,
das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrpersonen-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966,
das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz und
das Rechtspraktikantengesetz geändert werden (3087/A und
1921 d.B. sowie 11174/BR d.B.)
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.
Als Berichterstatter ist Herr Bundesrat Bernhard Hirczy gemeldet. – Ich bitte um den Bericht.
Berichterstatter Bernhard Hirczy: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Verfahren und den Schutz bei Hinweisen auf Rechtsverletzungen in bestimmten Rechtsbereichen (HinweisgeberInnenschutzgesetz – HSchG) erlassen wird und das Gesetz über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das
Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrpersonen-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz und das Rechtspraktikantengesetz geändert werden.
Nach einer Diskussion stellte der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Ich danke für den Bericht.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Mag. Sascha Obrecht. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Julian Assange, Edward Snowden, Chelsea Manning, Thomas Schmid, diese mitunter nicht unumstrittenen Persönlichkeiten haben eines gemeinsam: Sie waren alle Whistleblower, sogenannte Hinweisgeber, Hinweisgeberinnen, und haben auf illegale Machenschaften hingewiesen, auch mitunter von Inkaufnahme persönlicher Nachteile.
Darum geht es heute bei diesem Tagesordnungspunkt: um ein Instrument, um ein Gesetz, das genau solche Whistleblower, solche Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber, schützen soll. Das Interessante dabei ist: Es ist nicht einmal eine österreichische Idee gewesen, sondern das kam von der Europäischen Union. Es war die Whistleblowerrichtlinie, die das veranlasst hat. Ich weiß, eine Exkursion ins Europarecht nimmt nicht immer alle mit, aber ich versuche, es kurz und spannend zu halten. (Bundesrat Tiefnig: ... auf der Uni ...!) 2019 ist diese schon beschlossen worden. Es gab zwei Jahre lang Zeit, diese gescheit umzusetzen. Diese Frist ist 2021 verstrichen, seitdem ist die Republik säumig.
Maßgeblicher Minister, der die
legistische Abteilung dafür hätte, ist Minister Kocher. Seitdem ist
die Republik säumig, weil Minister Kocher das nicht ordentlich
vorangetrieben hat. Wir sind jetzt im Jahr 2023. Vier Jahre
hat es gebraucht, diese Richtlinie umzusetzen, und wir haben sie mit einem
absoluten Minimum umgesetzt, einem absoluten Minimum, wenn man sich das
anschaut.
Der sachliche Geltungsbereich dieses Gesetzes ist ein Witz. Man kann das nicht anders formulieren. Es sind nur Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber geschützt, die quasi einen Hinweis geben, der mit dem EU-Recht zu tun hat oder bestimmte Amtsdelikte umfasst. Was nicht abgedeckt ist, sind Dinge wie Betrug oder Veruntreuung. Oder machen wir es sehr konkret: Wenn ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin von Wirecard einen Hinweis auf diesen Finanzskandal gegeben hätte, dann wäre diese Person nicht dem Schutzbereich unterlegen beziehungsweise hätte vorher 21 EU-Richtlinien studieren dürfen, die potenziell einschlägig wären, und hätte dann vielleicht entscheiden können, ob sie vielleicht geschützt ist oder nicht. Oder eine Bundespartei, sagen wir eine hypothetische Bundespartei, die wissentlich und mit voller Absicht Wahlkampfkosten massiv überschreitet: Wenn da ein Mitarbeiter rausgegangen wäre und ein Dokument geleakt hätte, in dem das drinnen war, wäre es sehr fraglich, ob diese Person dem Schutzbereich dieses Gesetzes unterliegt.
Es kann daher sein, dass hier eine Chance vertan wurde, Menschen Schutz zu bieten, die diesen Schutz wirklich brauchen. Man hätte illegale Machenschaften aufdecken können, aber das war ganz offensichtlich nicht im Interesse. Ich habe im Ausschuss gefragt, ob das nicht diskutiert wurde: Will man den Anwendungsbereich nicht auch auf Delikte wie Betrug erweitern? Oder denken wir an den Fall Teichtmeister. Die Antwort war: Es war eine politische Entscheidung, es gab keinen politischen Konsens, das auszuweiten.
Wer könnte in dieser Republik ein Interesse daran haben, illegale Machenschaften zu verstecken? Wer könnte ein Interesse daran haben, jenen
Personen keinen Schutz zukommen zu lassen, die illegale Machenschaften aufdecken wollen? (Bundesrat Schennach: ÖVP?!) – Das ist die ÖVP, natürlich, ja. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Geh, geh, geh, geh! Ihr habt da irgendwie einen Verfolgungswahn!)
Es ist das verantwortliche Ministerium, man kann es nicht anders sagen. Ich bin jetzt nicht jemand, der die Grünen immer in Schutz nimmt, aber ich glaube, da wären sogar die Grünen weiter gegangen; es liegt an der ÖVP, dass das so passiert ist. Der Minister, der verantwortlich ist, kann im Grunde nämlich nur eines wirklich gut: Er kann Menschen sekkieren, und das ist auch das, was er jetzt wieder gemacht hat. Er ist ein absoluter Profi darin.
Was hat er gemacht? Er hat gesagt, wir müssen Teilzeitbeschäftigung sanktionieren. Dabei wissen wir, jede zweite Frau und etwa jeder zehnte Mann in Österreich arbeiten Teilzeit. Das heißt, Teilzeitbeschäftigung sanktionieren heißt Frauen bestrafen, nichts anderes. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Was hat das jetzt damit zu tun?)
Das absolut Perfide daran ist, dass das von einer Partei kommt, die 2017 einen fertigen Deal für die Ausfinanzierung von Kinderbetreuungsplätzen einfach gekippt hat, weil ein aufstrebender Kanzler das per SMS verhindern wollte. Und dann herzugehen und Frauen dafür zu bestrafen, dass sie nicht Vollzeit arbeiten können, das ist perfide (Bundesrätin Zwazl: Worüber reden wir jetzt?), das ist unwürdig. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der ÖVP: Zur Sache!)
Ich komme damit schon zum Schluss: Dass gerade der Vorschlag von Arbeitsminister Kocher kommt, Teilzeitbeschäftigte zu bestrafen, ist perfide, weil der Arbeitsminister selbst nur ein Teilzeitminister ist. Teilzeitarbeitsminister und Vollzeitminister für die Industriellenvereinigung und Wirtschaftsbonzen, das ist Minister Kocher! (Beifall bei der SPÖ.)
Es ist wirklich an der Zeit, dass dieser Minister einsieht, dass es genug ist. Die Österreicher haben die Nase voll von ihm. Er soll jemanden ranlassen,
der wirklich ein Interesse daran hat, etwas für die Menschen in diesem Land zu tun, und den Weg für eine neue Person im Arbeitsministerium freimachen. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)
12.56
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Mag. Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr dieses.
Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Moment! (Bundesminister Karner hilft der Rednerin, das Redner:innenpult höherzustellen.) Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen hier und vor den Bildschirmen! Ja, hier in Österreich zu leben, hier geboren zu sein und hier heute, auch ich sage das, im wiedereröffneten Parlament stehen zu dürfen, erfüllt mich mit großer Dankbarkeit und mit großer Demut, denn Österreich ist ein demokratisches, ein freies und ein sicheres Land mit einem starken Rechtsstaat mit guten Gesetzen, entsprechenden Sanktionen und demokratischen Kontrollen. Das ist, wie wir schmerzlich gerade in Europa mitbekommen, nicht überall so, und das müssen wir hochhalten, bewahren und auch weiterentwickeln, und das tun wir.
Gerade beim vorigen Tagesordnungspunkt haben wir einstimmig die unabhängige Kontrollkommission Verfassungsschutz bestätigt, ein Kontrollorgan, das das Handeln der Sicherheitspolizei, eines hochsensiblen Bereichs, darauf prüft, ob es gesetzmäßig und grundrechtskonform durchgeführt wurde. Missstände können damit aufgezeigt und Empfehlungen zu ihrer Behebung ausgesprochen werden, und das öffentlich. Das ist ein ähnliches Instrument wie die Volksanwaltschaft im Bereich der Verwaltung. Das sind wichtige und gute Instrumente in einem demokratischen Staat, in dem die Trennung der Gewalten und Institutionen, deren Kontrolle und die Transparenz wesentliche Voraussetzungen für eine funktionierende Demokratie sind.
Mit dem HinweisgeberInnenschutzgesetz verfolgen wir nun einen ähnlichen Mechanismus. Es geht dieses Mal um die redliche Führung von privaten
Unternehmen und solchen, die dem Bund gehören, sowie um den öffentlichen Dienst.
Einzelpersonen – wir haben es schon gehört –, die Gesetzesverstöße, von der öffentlichen Auftragsvergabe über Umweltschutz bis hin zu Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Korruption – also weit mehr eigentlich, als der Kollege vorhin genannt hat –, in privaten Unternehmen oder im öffentlichen Sektor wahrnehmen und aufzeigen, sogenannte Whistleblower:innen eben, müssen geschützt werden. Ja, und warum?
Auch mein Vorredner hat sie erwähnt: Julian Assange, Edward Snowden, wir kennen sie, wir kennen ihre Bedeutung für die Allgemeinheit und wir kennen aber auch ihren Leidensweg. Der Schutz der Hinweisgeber:innen ist deswegen besonders wichtig, da sie sich immer mit Mächtigen anlegen und große persönliche oder finanzielle Risiken eingehen, sei es durch Mobbing, Karrierehindernisse, den Verlust des Jobs oder gar Einschüchterungsklagen.
Den Hinweisgeber:innen soll aber genau diese Angst genommen werden. Eine Meldung soll daher in einfachen Verfahren formlos und anonym eingebracht werden können, die Hinweisgeber:innen sollen weitestmöglich geschützt werden. Es geht hier nicht um einen Anreiz zur Denunziation oder zum Vernadern, denn Hinweise auf unredliche und illegale Geschäftsgebarung haben äußerst selten das Ziel, sich eigene Vorteile zu verschaffen, indem man andere diskreditiert. Untersuchungen zeigen sogar, das sind nur zwischen 2 und 6 Prozent der Meldungen. Und zudem: Wissentlich falsche Meldungen sind natürlich strafbar.
Bei den Whistleblower:innen unserer Zeit ist eher das Gegenteil der Fall. Um Gerechtigkeit zu erreichen, riskieren sie viel, ich habe es schon gesagt: Ruf, Geld, Erfolg, psychische Gesundheit. Und das, weil sie nicht Teil eines Systems sein wollen, das Missstände unter den Tisch kehrt oder Macht missbraucht, sondern ganz im Gegenteil, sie legen sich genau mit diesem System und
den Mächtigen in diesem System an. Genau deshalb brauchen diese Hinweisgeber:innen Schutz. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
Die in diesem Gesetz geschaffene Möglichkeit der Prozesskostenhilfe durch Interessenvertretungen bietet da weit mehr Schutz, als die EU-Richtlinie es verlangt. Sie unterstützt diejenigen, die mit Einschüchterungsklagen bedroht werden. Es ist ja eigentlich verrückt, im wahrsten Sinne des Wortes, dass die, die auf eine rechtmäßige Gebarung pochen, so ein großes Risiko tragen und nicht die, die diese Unrechtmäßigkeit zu vertuschen versuchen. Das darf in einem Rechtsstaat nicht akzeptiert werden.
Zudem ist es für die Unternehmen und den öffentlichen Dienst von Vorteil, wenn Rechtsverletzungen oder korrupte Machenschaften in ihrer Organisation möglichst rasch erkannt werden. Dadurch können Entscheidungsträger:innen zeitgerecht reagieren und einen rechtskonformen Zustand herstellen. Aus diesem Grund sind auch die internen Meldestellen, die geschaffen werden sollen, von Bedeutung. Viele Firmen haben so etwas Ähnliches schon, und die gesetzlichen Regelungen zu den Meldeeinrichtungen sind noch dazu Mindeststandards. Also jedes Unternehmen, jedes integre Unternehmen vor allem, kann diese auch erhöhen.
Wichtig aber zu betonen ist, Hinweisgeber:innen können sich aussuchen, ob sie den Missstand bei einer internen Stelle melden wollen oder extern beim Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung. Bei beiden muss das formlos möglich sein.
Für Mitarbeitende von Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeiter:innen ist es natürlich möglich, ihre Hinweise bei der externen Meldestelle abzugeben. Der Sinn dieser Regelung war die Kostenersparnis für kleinere Unternehmen. Natürlich sind die Hinweisgeber:innen bei der externen Stelle genauso geschützt. Zudem können sie die Meldung dort sogar anonym abgeben. Darüber hinaus – auch das geht weiter als die Richtlinie – haben die externen Stellen einen besonderen Auftrag zur Information und Beratung.
Das und die bereits erwähnten Prozesskostenhilfe gehen eben weit über die Vorgaben der EU hinaus.
Ein weiterer Punkt – und da widerspreche ich meinem Kollegen von vorher – ist, dass nicht nur EU-Rechtsakte, für die der Hinweisgeber:innenschutz gilt, anwendbar sind, sondern sehr wohl auch entsprechende nationale Regelungen. (Zwischenruf des Bundesrates Obrecht.)
Zusätzlich war es uns besonders wichtig, auch die Korruptionsstraftatbestände des Strafgesetzbuchs aufzunehmen. Auch das steht nicht in der EU-Richtlinie. Da ist uns auch ein wenig gelungen, und ich verstehe eigentlich nicht, warum dem nicht zugestimmt werden will.
Weil wir hier in der Länderkammer sind und gerade vor mir auch ein Vertreter von Wien die Umsetzung durch den Bund so immens kritisiert hat: Vielleicht sollte Wien zuerst vor seiner eigenen Türe kehren. Wie verständlich ist denn das erst vor einem halben Jahr veröffentlichte Wiener Hinweisgeberinnen- und Hinweisgeber-Schutzgesetz? Ich hörte, nicht sehr. (Bundesrätin Schumann: Aber es gibt es, oder nicht?) Und: Werden so wie im Bund unionsrechtliche genauso wie nationale Gesetzesverstöße behandelt? Ich hörte auch: Nein. Wir tun das mit dem heutigen Gesetz sehr wohl. Aber trotz der Unzulänglichkeit des Wiener Gesetzes haben die Wiener Grünen und auch die ÖVP dem Vorschlag der rot-pinken Stadtregierung zugestimmt, eben weil es demokratiepolitisch ein wichtiges Instrument ist. (Wow-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Unglaublich!)
Apropos Unverständlichkeit: Potenzielle Hinweisgeber:innen werden sich wohl im Internet erkundigen, wie sie ihre Hinweise am besten geschützt vorbringen können. Dafür müssen wie erwähnt die offiziellen Stellen natürlich auch verständliche Erklärungen bieten.
Ja, wir sind teilweise zu spät dran mit der Umsetzung, so wie fast alle EU-Länder, aber, wie wir im Ausschuss gehört haben, ist die Materie höchst komplex.
Es musste mit den verschiedenen Ministerien und allen Ländern die Frage der Kompetenzverteilung gelöst werden. Auch das ist gelungen.
Darüber hinaus ist die Europäische Kommission über den Fortgang der Gesetzwerdung in allen Schritten informiert, und wir haben im Ausschuss gehört, dass die Kommission voraussichtlich keine weiteren rechtlichen Schritte gegen Österreich unternehmen wird. Auch das ist gut.
Man kann in allem und jedem Fehler finden, darauf herumreiten und sie breittreten. Unrechtmäßigkeiten aufzuzeigen ist wichtig, keine Frage. Darum geht es ja heute. Aber bitte, werte Opposition, vergessen Sie nicht die Verhältnismäßigkeit und reden Sie lieber über das Ziel dieses Gesetzes, nämlich über die Stärkung und den Schutz korrekten Verhaltens, die ein Umfeld der Verantwortlichkeit und des Vertrauens erfordern! Das Gesetz ist zudem ein wichtiger Schritt in Richtung Korruptionsprävention im öffentlichen Bereich, der der Allgemeinheit und dem Allgemeinwohl verpflichtet ist. Daher muss dort besonders sorgfältig gehandelt und genau hingeschaut werden.
Das HinweisgeberInnenschutzgesetz ist also einer von vielen Schritten, die wir setzen, um im Korruptionsindex wieder weiter nach oben zu steigen. Und ja, es bedarf hier weiterer Maßnahmen und weiterer Gesetze, und wir wollen diese Maßnahmen so gut und so rasch wie möglich umsetzen. Daher schaue ich zum Beispiel zu den sozialdemokratischen Kolleg:innen aus Wien, von denen es genauso abhängt, ob wir zum Beispiel endlich das Amtsgeheimnis abschaffen können. Daher: Stimmen Sie hier zu und leisten Sie Ihren Beitrag zur Abschaffung von Korruption und zu mehr Verantwortungsübernahme! (Bundesrätin Schumann: In jeder Rede einmal Wienbashing!)
Um den Bogen zum Anfang zu schließen, ein wenig pathetisch vielleicht: Ich bin dankbar und froh, hier im wunderschön, neu und nachhaltig sanierten Haus der Demokratie stehen und reden zu dürfen, und ich appelliere an Sie: Verstärken wir gemeinsam die tragenden Säulen der Demokratie mit diesem
und mit weiteren Gesetzen! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrätin Schumann: In jeder Rede einmal Wienbashing!)
13.06
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Ich darf den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Dr. Martin Kocher recht herzlich im Bundesrat begrüßen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen.)
Zurück zur Debatte. Die nächste Wortmeldung liegt mir von Bundesrat Dr. Johannes Hübner vor. (Bundesrat Hübner: Ich verzichte darauf! – Ruf bei der ÖVP: Na geh!) – Der Bundesrat verzichtet auf seine Wortmeldung.
Als nächste Rednerin ist mir Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler gemeldet. Ich erteile ihr dieses.
Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, wo immer Sie uns zuhören und zusehen! Willkommen in unserem neuen Bundesratssaal! Meine Vorredner:innen haben schon sehr viel erzählt über das Gesetz an sich. Ich möchte diesen tragischen Fall des Botschafters Amry in Erinnerung rufen, der als Informant im Zusammenhang mit dem SPÖ-Noricum-Skandal aktiv geworden ist und das leider mit seinem Leben bezahlt hat. Ich glaube, wir sind uns hier alle einig, dass so etwas verhindert werden muss und dass wir alles tun müssen, um Informantinnen und Informanten zu schützen. Dahin gehend ist dieses Gesetz ein wichtiges und der richtige Schritt in diese Richtung.
Dieser vorliegende Gesetzentwurf basiert auf einer Whistleblower-Regelung der EU, die wir nun innerstaatlich umsetzen. Lieber Kollege von der SPÖ, wir haben das im Ausschuss gehört, warum es so lange gedauert hat. Du hast es auch dort gefragt. Und der Experte hat uns das sehr klar erklärt, denn es ist und war eine komplexe Materie. Es hat vieler Gespräche zur Umsetzung mit den
Ministerien und auch mit den Ländern bedurft, und es wurden auch Teile anderer Rechtsmaterien eingearbeitet, zum Beispiel – Kollegin Kittl hat das schon erzählt – aus dem Korruptionsstrafrecht. Du hast auch gefragt in Sachen Vertragsverletzung, und auch das wurde verneint.
Also ich sage nur, man kann immer das Glas halb voll oder halb leer sehen, aber der Experte hat aus meiner Sicht sehr schlüssig erklärt, warum das so lange gedauert hat. Also bitte keinen Verfolgungswahn, Kollege Obrecht! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Er hat keinen Verfolgungswahn! Wie kann man das behaupten? Wir wollen ja nicht persönlich werden, Frau Kollegin!)
Uns war wichtig – da können Sie jetzt sagen, ja, eh klar, die Volkspartei –, dass wir private Arbeitgeber, die kleine Unternehmen führen, nicht mit bürokratischen Hindernissen überfordern, daher diese 50-Personen-Grenze. Und es gibt ja auch externe Hinweissysteme, an die sich die Damen und Herren wenden können. Auch das ist wichtig.
Wie soll das in der Praxis nun passieren? Wir haben schon gehört, es sollen diese Meldestellen eingerichtet werden. Wir haben im Ausschuss auch gehört, dass das jedem Unternehmen eigentlich überlassen werden soll, da wird nichts vorgeschrieben. Auch da soll es einfach und unbürokratisch möglich sein, dass sich die Hinweisgeberinnen, die Hinweisgeber an diese wenden können, auch anonym natürlich, das war uns wichtig. (Bundesrätin Schumann: 98 Prozent aller Unternehmen ...!)
Ich habe den Experten auch noch gefragt, was mit schon bestehenden Meldesystemen passiert. Ich habe vor meiner Pensionierung in einem großen Unternehmen gearbeitet, und wir hatten schon längst so ein Meldesystem. Da hat man uns erklärt, diese Systeme werde man sich dann anschauen müssen, wie das Gesetz ausgerichtet ist, gegebenenfalls das entsprechend adaptieren, aber es soll keine Zweigleisigkeit geben. Ich glaube, das ist auch wichtig für die Unternehmen, und das hilft uns dann ja auch, dieses System gut zu implementieren.
Was noch nicht gesagt wurde: dass es in drei Jahren, 2026, eine Evaluierung geben soll. Auch das ist gut, weil wir ja hinschauen müssen, wie sich diese Systeme bewähren. Ich glaube, das ist ganz wichtig: Wo gilt es nachzuschärfen? Und wir müssen schauen: Was ist gut und was ist weniger gut? Ich sehe das als einen weiteren wichtigen Schritt zur Rechtssicherheit und zum Schutz von Informantinnen und Informanten.
Abschließend noch einen kurzen Hinweis oder eine kurze Replik zur Diskussion in Sachen Teilzeit, die Kollege Obrecht ja auch hier hereingebracht hat. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Der Herr Bundesminister war vorhin noch nicht da. Ich möchte es jetzt in aller Klarheit sagen: Für mich als Frau ist – dafür stehe ich auch – eine Kürzung von Leistungen für Menschen, die in Carearbeit sind, sicherlich nicht möglich. (Beifall bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)
Ich glaube, das ist allen ganz klar. Dazu stehen wir auch, aber, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das war nicht die Intention des Ministers. Sie haben das ein bisschen in eine andere Richtung interpretiert. (Bundesrätin Schumann: Na geh! Wir waren es! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Der Herr Minister hat das sehr wohl klargestellt, indem er gesagt hat – Sie kennen dieses Statement (Bundesrat Bader: Lesen! – neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser) –, es geht nicht um Kürzungen von Sozialleistungen, sondern es geht darum, zu überlegen, mit neuen Maßnahmen, Änderungen die Teilzeit stärker zu berücksichtigen (weiterer Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser), gerade auch vor dem Hintergrund der Gießkanne und auch für uns als Frauen in Sachen Altersarmut, sehr geehrte Kolleg:innen von der Sozialdemokratie. (Beifall bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
Wir nehmen niemandem etwas weg, mit uns nicht, Kollegin Schumann (Bundesrätin Schumann: Wir glauben an das Wort ...!), da kannst du dir sicher sein; auch die ÖVP-Frauen stehen dazu. Das war aber nicht die Intention dieser Meldung des Herrn Ministers. (Bundesrätin Schumann: Das war’s! – Bundesrat
Schennach: Das war die
Intention!) Es muss aber möglich sein, in unserem Staat Österreich
darüber zu diskutieren (Bundesrätin Schumann: Reiten
S’ den Minister nicht weiter rein!): Wie schauen wir, dass wir Frauen
in Vollzeit bringen, damit sie dann später auch eine adäquate
Pensionsleistung bekommen, zur Absicherung gegen Altersarmut? (Zwischenruf
der Bundesrätin Steiner-
Wieser.) Ich glaube, es ist gut, wenn wir darüber diskutieren. Wir
werden das auch heute am Nachmittag noch beim Thema Kinderbetreuung
diskutieren. Aber das war sicherlich nicht die Intention des Herrn Ministers,
und damit, glaube ich, können wir das bewenden lassen. –
Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)
13.13
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Es liegt mir eine Wortmeldung von Bundesrat Dr. Karl-Arthur Arlamovsky vor. Ich erteile ihm das Wort.
Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir NEOS haben in den letzten Jahren stets die Umsetzung dieser Richtlinie gefordert, die in Österreich erst verzögert umgesetzt wurde. Wir begrüßen grundsätzlich, dass eine Umsetzung vorgenommen wurde, aber wir sehen noch viele Mängel in dieser Gesetzesvorlage.
Whistleblowing ist ja eigentlich ein enorm wichtiger Baustein für eine konsequente Korruptionsbekämpfung, aber die Unsicherheiten, die in diesem Gesetz drinnen sind, sind offensichtlich einmal mehr darauf zurückzuführen, dass sich die Regierungsparteien gerade noch auf den größten gemeinsamen Nenner, der aber kein großer ist, einigen konnten.
Insbesondere schließen wir uns der Kritik, die es auch schon im Begutachtungsverfahren gegeben hat, an: dass der Anwendungsbereich des Gesetzes zu komplex formuliert ist und für potenzielle Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber nicht ersichtlich ist, ob sie nun durch das Gesetz geschützt sind oder nicht. Kollege Obrecht hat es schon angesprochen: Der Hinweis auf welche Delikte
ist überhaupt
vom Schutzbereich umfasst? – Es sind Verletzungen
des EU-Rechts, es sind auch wenige
innerstaatlich geregelte Straftaten. Von jenen, die im StGB geregelt
sind, sind es nur die Amtsdelikte und die Korruption.
Was bleibt offen? – Andere Delikte, die im Wirtschaftsbereich oder im öffentlichen Bereich durchaus nicht untypisch vorkommen: Mobbing, Diskriminierung, Betrug, Veruntreuung, Menschenhandel und Freiheitsentziehung, Verletzung der sexuellen Integrität und Selbstbestimmung – Hinweise auf all diese Straftaten in den Unternehmen und im öffentlichen Bereich sind vom Hinweisgeberinnen- und Hinweisgeberschutz nicht umfasst.
Eine weitere abschreckende Wirkung auf potenzielle Whistleblower sind die unverhältnismäßig hohen Strafen für die wissentliche Abgabe falscher oder irreführender Hinweise, nämlich bis zu 20 000 Euro im ersten Fall. Auch das kann abschrecken und im Zweifelsfall Hinweise verhindern.
Wir haben auch schon gehört, das Gesetz sieht eine Evaluierung ab 2026 vor, und das ist eine Chance, die auf jeden Fall genutzt werden sollte, um die Mängel in diesem – überhastet kann man nicht sagen, weil es verspätet war – unzulänglichen Gesetz auszubessern. – Vielen Dank. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)
13.16
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm das Wort.
Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Elisabeth Kittl, so wie es Trauerredner gibt, so wie es Büttenredner gibt, gibt es unglaubliche Weißwaschredner, und du machst es immer wieder. – Ich habe schon volles Rot (auf das Licht am Redner:innenpult zeigend), ist meine Redezeit schon aus? (Bundesrat Preineder: Es reicht schon!) – Nein. Gut.
Nun zu dieser Gesetzesvorlage: Da muss ich jetzt meinen geschätzten Kollegen Sascha Obrecht korrigieren. 2013 haben wir damit im Europarat angefangen. 2015 wurde es mit einer überwältigenden Mehrheit im Europarat verabschiedet, mit einer Zweidrittelmehrheit, als Empfehlung an den Ministerrat. Da drinnen war auch eine Empfehlung an die Europäische Kommission, eine entsprechende Richtlinie auszuarbeiten, die dann 2019 fertig wurde. Die bei der ÖVP nicht wahnsinnig beliebte Korruptionsstaatsanwaltschaft in Österreich hat allerdings schon 2013 ein Meldetelefon eingerichtet, und auch das war interessant.
Worum geht es da? – Es geht um die Bekämpfung von Korruption und Misswirtschaft im öffentlichen wie im privaten Sektor, aber auch – was dem Europarat auch wichtig war – in den Bereichen nationale Sicherheit und Nachrichtenwesen. Die Kommission hat dann eine Richtlinie vorgelegt, die sich am europäischen Recht orientiert, und die Bundesregierung hat zwei Jahre gebraucht, um eine Minderleistung vorzulegen, nämlich das, über das wir heute abstimmen, denn das sollte eigentlich 2021 innerstaatlich in Kraft gesetzt werden.
Was haben wir jetzt? – Jetzt liegt vor, liebe
Frau Kittl, dass nicht einmal 50 Prozent der Beschäftigten unter
dieses Gesetz fallen. Die sind gar nicht geschützt – 50 Prozent
der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sind gar nicht geschützt. Dann
kommt dazu, dass ungefähr 98 Prozent der Unternehmen Österreichs rausfallen – das ist
eine tolle Sache. (Zwischenruf der Bundesrätin Kittl.) Gleichzeitig
gehen wir auf die Minimallösung: eine nur auf
EU-Recht bezogene Geschichte.
Das heißt, was fällt uns jetzt auf? – Ich habe hier die Grundlage des Europarates von damals, von 2015, mitgenommen. Jetzt schaue ich mir an, was wir hier haben: Das ist erstens europarechtswidrig – es tut mir leid, wir werden nicht europarechtswidrigen Dingen zustimmen –, aber es ist auch verfassungswidrig und es widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz. Entschuldigung, was sollen wir damit? Wir können – ich glaube, alle Oppositionsparteien sind sich da
einig – angesichts der Einschränkungen und der Minimalgeschichte, die da drinnen ist, da nicht mitgehen.
Zu Korruption und Wirtschaftskriminalität: Liebe Leute, wie stellt ihr euch denn das vor? Wie soll man denn da noch eine Trennung von EU-Recht und österreichischem Recht finden? Wir leben innerhalb der EU in einem Wirtschaftsraum, ein Rädchen greift in das andere. – Das ist eine völlig sinnlose sowie unmögliche Aufgabe. Insofern: Bitte um Verständnis – und nicht wieder sagen: Ja, die Opposition! – Nein, manche Dinge gehen einfach nicht.
Allein dass man die Beweislastumkehr jetzt zur Beweiserleichterung macht: Der Europarat hat ganz klar von einer Beweislastumkehr gesprochen, dem hat auch der Ministerrat, an dem Österreich beteiligt ist, zugestimmt. Und was kommt raus? – Jetzt kommt diese Beweiserleichterung in Form der Glaubhaftmachung raus. Liebe Leute, so haben sich das weder der Europarat noch die Europäische Kommission vorgestellt, deshalb werden wir dem mit Sicherheit nicht zustimmen.
Es ist ja nur ein Puzzlestein in einem Dreigestirn, nämlich auf der einen Seite Schutz der Whistleblower, auf der anderen Seite Schutz des investigativen Journalismus, und das Dritte ist die Bekämpfung von Slapps. Slapp heißt Strategic Lawsuits against Public Participation, das heißt, bestimmte Firmen, bestimmte Kompanien zahlen so hohe Strafen, führen so viele Verfahren, damit die Öffentlichkeit, NGOs, Whistleblower und auch investigativer Journalismus nicht mehr zum Zug kommen und die Öffentlichkeit in ihrer Teilhabe ausgeschlossen ist. Da geht es nicht um Verräter, da geht es nicht um Nestbeschmutzer, da geht es um die Bürger- und Bürgerinnenbeteiligung, und deshalb braucht man diese drei: Whistleblowerschutz, investigativen Journalismus und Slapps.
Zuletzt – Herr Minister, Sie sind ja dafür zuständig – möchte ich mich Frau Eder-Gitschthaler, aber auch Herrn Obrecht anschließen, die gesagt haben: Das, was Sie hier versucht haben – das war, um eine kleine Rakete zu zünden –, ist
angesichts der nach wie vor unglaublichen Einkommensungleichheit zwischen Mann und Frau in Österreich einfach ein unverschämter Vorschlag. Deshalb werden wir – und ich bin froh, dass die ÖVP-Frauen das ähnlich sehen, ich hoffe, Frau Zwazl von der Wirtschaftskammer folgt diesem Wink – alles daransetzen, dass so eine Benachteiligung der Frauen in Österreich, wie Sie das geplant haben, nicht zustande kommt. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
13.23
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile ihr dieses.
Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Herr Bundesminister, was hat Sie da geritten, dass Sie eine Privilegiendebatte über die Teilzeitarbeit beginnen? Wir wissen, dass in Österreich 80 Prozent aller Teilzeitbeschäftigten Frauen sind. Wir wissen auch, was die Frauen verdienen, und wir wissen auch, unter welchen Problemstellungen die Frauen leiden.
Das ist auf der einen Seite die fehlende Kinderbetreuung. Wir weisen bereits seit Jahren darauf hin, dass wir einen Ausbau der Kinderbildungseinrichtungen brauchen, um überhaupt die Möglichkeit oder die Wahlfreiheit für Frauen sicherzustellen, dass sie entscheiden können, wie viele Stunden sie arbeiten. Sie hatten dreimal die Chance, dies umzusetzen: im Resilienzfonds, in der 15a-Vereinbarung, jetzt im Budget. Es ist jedes Mal nicht passiert, der Rechtsanspruch auf einen Kinderbildungsplatz ist noch immer nicht umgesetzt.
Herr Bundesminister, ich darf Ihnen sagen, viele Kolleginnen haben Arbeitsbedingungen, unter denen sie Vollzeitarbeit gar nicht schaffen würden. Eine Kollegin aus der Pflege hat gesagt: Wenn ich Vollzeit arbeiten muss, werde ich krank, und zwar schwer krank, ich schaffe diese Belastung nicht mehr.
Das heißt, man muss erstens einen Blick darauf richten, wie die Rahmenbedingungen für Frauen sind. Man muss zweitens einen Blick darauf richten, wie die Arbeitsbedingungen für die Menschen sind: Heißt das, dass Frauen vielleicht nur Teilzeit arbeiten können, weil die Arbeitsbedingungen zu schwierig sind? Und es braucht Zukunftsprogramme, die helfen, dass die Teilzeit sozusagen nicht zum attraktiven Programm wird, weil es gar nicht anders geht. Man muss überlegen, wie man dazu beitragen kann, dass die Anzahl der Teilzeitbeschäftigten geringer wird, und zwar nicht nur dann, wenn der Wirtschaft einfällt: Ui, jetzt bräuchten wir Arbeitskräfte. In der Zeit, als Arbeitskräfte nicht so dringend nötig waren, hat man nicht darüber gesprochen.
Was für mich schon erstaunlich ist: Jetzt entdeckt die ÖVP die Frauen. Während der gesamten Coronazeit waren die Frauen kein Thema, seit Beginn der Teuerung, unter der die Frauen besonders leiden, waren sie kein Thema. Jetzt auf einmal, da Arbeitskräftemangel herrscht, sind sie ein Thema, aber in der Negativform, ganz einfach mit der Drohung: Wir kürzen euch die Sozialleistungen! (Bundesrat Bader: Das ist doch nicht wahr! – Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.) Also bitte, so kann es doch nicht gehen! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der FPÖ.)
Ja, diese Milch ist vergossen. Und: Was würden Sie denn gerne kürzen? Die Familienleistungen? Die Versicherungsleistungen? Die Leistungen für die Kinder? Wollen Sie noch mehr Kinderarmut? Ist das die Zielrichtung für die Bestrafung dafür, dass jemand gar nicht anders kann, als Teilzeit zu arbeiten? So kann man doch mit den Menschen nicht umgehen! Das ist unmöglich, ganz ehrlich.
Frau Bundesrätin Eder-Gitschthaler, ich schätze sehr, dass Sie den Mut hatten, das hier so klarzustellen, dass Sie sich hinter die Frauen gestellt haben. Es wäre auch gut für die Grünen gewesen, nicht ein reines Wienbashing zu machen, Frau Bundesrätin Kittl – sie ist jetzt gerade nicht da –, sondern herauszuge-
hen und auch klarzustellen, dass es da einen Stopp gibt. Bei einer Privilegiendebatte über die Frage der Teilzeitbeschäftigung spielen wir nicht mit, das ist wahrlich unanständig.
Herr Bundesminister, Sie sind bereits zurückgerudert, rudern Sie weiter zurück und beenden Sie diese Art der Debatte, und zwar ganz dringend! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Schartel. – Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)
13.27
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Ich darf Herrn Bundesminister Martin Kocher das Wort erteilen. – Bitte.
Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Wertes Hohes Haus! Ich starte vielleicht mit dem HinweisgeberInnenschutzgesetz, nutze aber auch die Gelegenheit, kurz auf die aktuelle Debatte einzugehen, auch wenn sie nicht Teil der Tagesordnung ist.
Zum HinweisgeberInnenschutzgesetz: Es hat natürlich etwas länger gedauert, mir wäre es auch sehr recht gewesen, wenn wir das schneller geschafft hätten. Es waren vier Staaten in der EU, die es fristgerecht umgesetzt haben, Österreich ist unter denen, die es nicht geschafft haben. Es ist eine komplexe Materie, möchte ich noch einmal für alle hervorheben: weil natürlich schon zuvor in gewissen Bereichen gewisse Hinweisgeber:innenschutzbestimmungen bestanden haben, zum Beispiel im Finanzdienstleistungsbereich; weil der öffentliche und der private Sektor umfasst sind; weil größere Unternehmen – das wurde auch schon angesprochen –, die zum Beispiel europaweit oder weltweit agieren, bestehende Systeme haben und diese Systeme natürlich auch weitergeführt werden sollten und weil es um – interne und externe – Meldestellen geht und es eine gute Auswahl gebraucht hat.
Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit explizit bei allen Beamtinnen und Beamten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium bedanken, weil das
Arbeits- und Wirtschaftsressort da federführend war. Die Bestimmungen in diesem Gesetz gehen aber natürlich weit über das hinaus, was normaler Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutz ist. Viele andere Dinge sind – das ist ja schon angesprochen worden – berührt: europarechtliche Vorgaben, rechtliche Vorgaben im Justizbereich, und so weiter, und so weiter. Also es ist viel komplexer als die normale gesetzliche Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei uns im Haus.
Was macht das Gesetz? – Für mich ist entscheidend, dass das Gesetz eben Schutz für Whistleblower, Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber, bietet und idealerweise alles tut, damit Repressalien oder Belastungen verhindert werden.
Da es offensichtlich noch einige Missverständnisse gibt, glaube ich, dass es wichtig ist, noch einmal hervorzuheben, dass erstens ganz klar ist, dass alle Rechtsakte, die im Gesetz genannt werden, umfasst sind, nämlich sowohl was EU-Recht als auch nationales Recht in diesen Anwendungsbereichen betrifft, das heißt nicht nur EU-Recht, sondern auch nationales Recht in den genannten Anwendungsbereichen. Es ist, glaube ich, sehr wichtig, das klar hervorzuheben. Damit muss der Rechtsanwender, der mögliche Whistleblower, die Whistleblowerin, nicht unterscheiden: Ist das EU-Recht oder ist das nationales Recht? (Präsident Kovacs übernimmt den Vorsitz.)
Ganz bewusst haben wir auch Teile des Korruptionsstrafrechts ergänzt und gehen damit bewusst ganz klar über die Richtlinie hinaus. Die europäische Richtlinie hätte eine weniger weit gehende Umsetzung erlaubt. Das haben wir nicht gemacht. Wir haben gesagt, wir wollen das erstens einfacher machen und zweitens auch bewusst gewisse Rechtsbereiche ergänzen.
Wichtig ist auch – ich habe es auch schon im Ausschuss für Arbeit und Soziales im Nationalrat gesagt –: Natürlich, das Gesetz ist komplex, und wir als zuständiges Ministerium werden den Betroffenen, den Unternehmen, aber auch den möglichen Whistleblowern, natürlich eine Handreichung geben, mit
Information, was umfasst ist, wie das funktioniert. Niemand wird das Gesetz lesen, oder wenige Leute werden das Gesetz lesen, wenn sie sich überlegen, dass sie einen Missstand melden. Ich glaube, das ist wichtig, dazu stehe ich auch und das sage ich auf jeden Fall auch zu.
Es geht auch darum, dass wir jetzt mit diesem Gesetz Erfahrung sammeln. Die Evaluierung 2026 wurde ja schon angesprochen. Es gibt auf beiden Seiten Befürchtungen. Es gibt hinsichtlich möglicher Whistleblower Befürchtungen, dass es nicht genug Meldungen gibt. Es gibt aber auch Befürchtungen, dass es viel zu viele Meldungen gibt. In Österreich gibt es ein funktionierendes Rechtssystem, in dem Whistleblowing eben nur in gewissen Bereichen notwendig ist. Wir werden das gut evaluieren, und danach, auf Basis dieser Erfahrung, kann man natürlich auch Anpassungen vornehmen. Ich glaube, das ist die richtige Vorgangsweise. Wir werden natürlich auch von anderen Staaten in der EU lernen, die das ähnlich wie oder anders als Österreich umgesetzt haben.
Jetzt möchte ich noch die Gelegenheit nutzen, zum aktuellen Thema etwas zu sagen. Ich starte mit der Feststellung, dass Österreich ein sehr gut funktionierender Sozialstaat ist, mit einer hohen Sozialquote und auch mit einer Ausweitung dieses Sozialstaates in den letzten Jahren.
Diese Regierung hat im Sozialbereich sehr vieles gemacht, ich traue mich fast zu sagen: mehr als jede andere Regierung. Ich sage gleich, was ich damit meine. (Bundesrat Schennach: Soziale Kälte nennen wir das! – Bundesrat Schreuder: Nein, das stimmt nicht, wir haben sehr viel gemacht!) Wir haben bei den Antiteuerungspaketen immer sehr stark auf niedrige Einkommen geschaut: Einmalzahlungen, Antiteuerungsbonus und so weiter.
Wir haben als erste Regierung die Sozialleistungen indexiert. Das ist ein Meilenstein, was die Sozialleistungen betrifft. (Bundesrätin Schumann: Das wäre doch gar nicht anders gegangen bei der Teuerungsquote! Entschuldigung!) Der Aus-
gleichszulagenrichtsatz wurde immer um mehr als die Inflationsrate erhöht. Auch die niedrigen Pensionen wurden um mehr als die Inflationsrate erhöht.
Abschaffung der kalten Progression: Um zwei Drittel werden die Steuerstufen automatisch angepasst, das letzte Drittel wurde für dieses Jahr (Bundesrätin Schumann: ... Pensionserhöhungen ...!) in die untersten Einkommensschichten gegeben – auch da wieder eine Stärkung des Sozialstaates.
Natürlich haben wir mit allen Ausgaben am Arbeitsmarkt versucht, Menschen in Beschäftigung zu bringen, gerade aus der Langzeitarbeitslosigkeit – auch ein Beitrag.
Der Sozialstaat funktioniert also, und das ist gut so – ich sage das ganz explizit: das ist gut so! –, aber es ist entscheidend, dass wir es schaffen, diesen funktionierenden Sozialstaat in Österreich auch in der Zukunft aufrechtzuerhalten, und dafür ist es notwendig, dass es Beiträge gibt – von arbeitenden Menschen in Österreich. (Bundesrätin Schumann: Genau! – Zwischenruf der Bundesrätin Kahofer.) Es geht also darum, dass wir es möglich machen – möglich machen, so habe ich es auch im Interview gesagt; es ist immer etwas einfach, einen Halbsatz aus einem Interview herauszunehmen – und attraktiv machen, dass Menschen Vollzeit beschäftigt sind. Möglich und attraktiv – das ist der entscheidende Punkt. (Bundesrätin Schumann: Das haben Sie nicht getan!)
Natürlich will ich niemandem etwas wegnehmen und vor allem will ich Frauen und Müttern nichts wegnehmen. (Bundesrätin Gerdenitsch: ... Ganztagesbetreuung ...! – Bundesrätin Kittl: Das könnte ... umsetzen!) Das sage ich jetzt ganz persönlich, weil es mich auch ein bisschen betrifft: Ich habe bei all den Entscheidungen, die ich getroffen habe, und das kann man auch nachvollziehen, immer ein Hauptaugenmerk auf die Frauen gelegt. (Beifall bei der ÖVP.)
Es gibt zum Beispiel beim AMS eine Regelung, eine positive Diskriminierung, die sagt, dass in den AMS-Budgets 4 Prozentpunkte mehr für Frauen ausgege-
ben werden, als deren Anteil an der Arbeitslosigkeit beträgt. Das waren vor meiner Zeit 3,5 Prozent, ich habe es erhöht. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Es gibt eine Reihe von anderen Maßnahmen, ich gehe da jetzt nicht ins Detail.
Es ist, glaube ich, aber trotzdem wichtig, unabhängig von dieser Debatte, dass wir es schaffen, dass wir es attraktiv machen, gerade bei denen, die es können, dass sie Vollzeit arbeiten können und auch wollen. (Bundesrätin Schumann: Wo tun wir die Kinder hin?!) Es gibt einen Trend bei jüngeren Menschen, die eben teilweise nicht Vollzeit arbeiten. Das liegt an mehreren Faktoren, und ich hoffe sehr, dass wir diese Debatte weiterführen können, nämlich in diese Richtung, und dass wir diese Debatte auf einer faktenbasierten, unemotionalen Ebene führen (Bundesrätin Schumann: Arbeitszeitverkürzung ist eine Idee! – Bundesrätin Grimling: Genau!), um unseren Sozialstaat, um unseren Wohlstand zu erhalten.
Warum ist das so wichtig? – In den letzten zehn, 15 Jahren ist am Arbeitsmarkt jedes Jahr eine zusätzliche Anzahl von 50 000 bis teilweise 100 000 Menschen tätig gewesen. Das erhöht die Beitragseinnahmen im Sozialsystem jedes Jahr. Durch die demographische Entwicklung wird das in den nächsten zehn Jahren nicht mehr der Fall sein. (Bundesrätin Schumann: Genau! Jetzt fangen wir zu pressen an!) Wir müssen es schaffen, den Sozialstaat abzusichern, und ich hoffe sehr auf die Zusammenarbeit bei diesem großen Projekt. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)
13.35
Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Minister.
Noch eine Wortmeldung: Herr Bundesrat Sascha Obrecht. – Bitte sehr.
Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ein paar Sachen kann man nicht so stehenlassen, weil sie schlicht falsch waren.
Ich werde beginnen bei Kollegin Eder-Gitschstadler (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Gitschthaler!) –Gitschthaler, damit ich es richtig sage, das tut mir leid! –: Sie haben im Ausschuss natürlich richtigerweise gehört, dass es längere Zeit gedauert hat, weil es Gespräche gegeben hat. Ich will nur noch einmal darauf hinwiesen: Es waren vier Jahre seit Beschluss der Richtlinie. Ich will dazu auch ergänzen, da mich das Thema ja schon länger beschäftigt: Die Frist ist vor zwei Jahren abgelaufen. Deswegen habe ich im April letzten Jahres eine Anfrage an den Herrn Minister geschrieben. Der Minister hat auch auf diese Anfrage geantwortet. Er hat geschrieben, es werde jetzt im Juli – das war einen Tag bevor die Frist, meine Anfrage zu beantworten, abgelaufen war – in Begutachtung gehen. Es war dann auch im Juli in Begutachtung. Und dann hat es noch einmal neun Monate gedauert.
Verstehen Sie mich nicht falsch! Ich finde es auch gut, dass Gespräche geführt werden, aber vier Jahre lang zu brauchen, bis man so etwas umsetzt, ist einfach zu lange. Das ist zu lange. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Bundesrät:innen Eder-Gitschthaler und Preineder.)
Und weil es auch wirklich direkt vom Minister kam: Der Minister hat gesagt, es sei ihm wichtig, dass kein Arbeitnehmer und keine Arbeitnehmerin sich überlegen muss, ob er oder sie jetzt wirklich in den Schutzbereich dieses Gesetzes fällt oder nicht. – Das ist deutlich misslungen. Kollege Schennach hat es schon gesagt: 50 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fallen überhaupt aus dem Gesetz heraus. Er hat nicht ganz erklärt, warum, ich kann es Ihnen sagen: weil es erst ab 50 Arbeitnehmern gilt, und damit fallen 50 Prozent der Arbeitnehmer:innen raus, weil die in Unternehmen arbeiten, die weniger als 50 Arbeitnehmer haben. Da muss man also auch bei den Fakten bleiben. Das heißt, die müssen es sich schon einmal überlegen.
Dann bin ich gespannt, ob der Minister sich traut, sich hier herauszustellen und zu sagen, dass zum Beispiel ein Mitarbeiter einer Tankstelle, wenn er beobachtet, dass sein Chef in die Kasse greift und das Geld mitnimmt, wenn da Veruntreuung passiert, dann durch dieses Gesetz geschützt wäre. – Er
ist es nämlich nicht! Er müsste schauen, ob er einen EU-rechtlichen Anker findet. Den gibt es nicht. Ja, also diese Personen müssen sich sehr wohl konkret überlegen, ob sie in diesen Schutzbereich fallen.
Wie schaut es aus mit illegaler Beschäftigung, mit Sozialbetrug, mit Steuerbetrug? – Bei all diesen Sachen, wenn sie in Unternehmen auffallen, ist völlig fraglich, ob es passt. (Bundesrätin Zwazl: Es gibt ja Kontrollen!) Es braucht einen Juristen, der sich anschaut, ob EU-Recht davon betroffen ist.
Ich will Kollegin Kittl noch korrigieren. Ich habe gesagt: EU-Recht und Amtsdelikte, ja, §§ 302 bis 309, das stimmt. Da betrifft es aber Sachverhalte mit Beamten und Amtsträgern, nicht die freie Wirtschaft, nicht die Privatwirtschaft. (Bundesrätin Zwazl: Aber es gibt ein Lohn- und Sozialdumping-Gesetz und es gibt ...!) In diesem Bereich haben wir ein massives Manko, da haben wir ein massives Schutzdefizit. Die Leute müssen sich im Vorhinein einen Juristen holen, damit sie überhaupt wissen, ob sie in den Schutzbereich hineinfallen. (Zwischenruf der Bundesrätin Kittl.)
Dieses Gesetz ist wirklich eine Minimalvariante – nach vier Jahren absolut peinlich. (Beifall bei der SPÖ.)
13.38
Präsident Günter Kovacs: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.
Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.
4. Punkt
Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft genehmigt wird, und das Bundesgesetz über einen Energiekostenzuschuss für energieintensive Unternehmen (Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz – UEZG) geändert werden (3085/A und 1916 d.B. sowie 11168/BR d.B. und 11179/BR d.B.)
5. Punkt
Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Errichtung der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft mit beschränkter Haftung (Forschungsförderungsgesellschaftsgesetz – FFGG) geändert wird (1918 d.B. sowie 11169/BR d.B. und 11180/BR d.B.)
Präsident Günter Kovacs: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 4 und 5, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.
Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. – Ich bitte um die Berichte.
Berichterstatter Ing. Eduard Köck: Sehr geehrter Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft genehmigt wird, und das Bundesgesetz über einen Energiekostenzuschuss für energieintensive Unternehmen geändert werden.
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.
Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Weiters bringe ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Errichtung der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft mit beschränkter Haftung geändert wird.
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.
Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Berichterstatter.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile ihm dieses. – Bitte sehr.
Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Energiekostenzuschussgesetz: Wir werden diesem Gesetzesentwurf nicht zustimmen, weil wir alle wissen, dass die unentwegten Steigerungen der Energiepreise eine enorme Belastung für jeden einzelnen Verbraucher und für jeden Unternehmer bedeuten.
Diese Vervielfachung der Kosten, der dafür aufzuwendenden Mittel hat zum Beispiel Haushalte an die Grenzen ihrer Existenz gebracht. Für Unternehmen geht es um Planungssicherheit, Konkurrenzfähigkeit, Liquidität und letztlich auch um den Erhalt und den Weiterbestand von Arbeitsplätzen. Die Situation ist mehr als dramatisch. Ein koordiniertes, sinnvolles Vorgehen der Regierung in Sachen Energieschutzschirm – ich betone: Energieschutzschirm – wäre angesichts des Ernstes der Lage im Grunde genommen angebracht.
Leider ist der viel beschworene neue Geist der Zusammenarbeit im neu renovierten Parlament offensichtlich schon wieder verflogen. Wie sonst ist die Vorgangsweise der Regierung in dieser hochsensiblen Thematik zu verstehen: Anträge, die mehr als kurzfristig eingebracht werden, Ausschüsse, die bemüht werden, die eigentlich gar nicht für diese Aufgaben zuständig sind. Diese Gesetze hätten eigentlich im Energieausschuss behandelt werden müssen, wurden aber im Budgetausschuss behandelt – kurzfristig behandelt. Das kennen wir noch von diesen Initiativanträgen der ehemaligen Frau Bundesminister Köstinger, die auch in dieser Art und Weise agiert hat. Ich denke, es besteht kein Zweifel daran, dass eine Verlängerung der Energiehilfen für Unternehmen, im Speziellen für die Klein- und Mittelbetriebe, notwendig ist.
Ich weiß natürlich auch, warum das in den Budgetausschuss gekommen ist: weil man eine Verordnung der EU, die im Dezember gekommen ist, noch hat miteinfließen lassen müssen. Das entschuldigt aber das Ganze nicht. Es bedarf eines Energiekostenzuschusses zwei für 2023, dies vor allem, um unsere Betriebe angesichts der deutschen Strom- und Gaspreisbremsen konkurrenzfähig zu erhalten. Das ist ein Umstand, auf den wir bereits im letzten Jahr immer wieder hingewiesen haben und dem selbstverständlich Rechnung zu tragen ist.
Es ist bis heute nicht möglich gewesen, auf EU-Ebene die Abschaffung des Meritorderprinzips – also eine Regelung, mit der der Strompreis vom Gaspreis getrennt wird – umzusetzen. Wir wissen alle, die Strompreise haben sich teilweise verfünffacht, verzehnfacht, und die Bezahlung der Rechnungen muss schlussendlich der Betrieb oder der Haushalt bewerkstelligen.
Es besteht aber die berechtigte Befürchtung, dass die auf 7 Milliarden Euro angehobenen insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel ebenso wenig zielgerichtet eingesetzt werden, wie wir es bereits bei der Covid-Pandemie erlebt haben. Es ist absehbar, dass die Regierungsparteien eine zielgerichtete, den Bedürfnissen angepasste Förderung in Aussicht stellen. Wir wissen, dass es
nicht so sein wird. Wir wissen, dass diese Förderungen 30 beziehungsweise 60 Prozent der Mehrkosten betragen werden, wir glauben aber nicht, dass sie dann so dort ankommen, wie das prophezeit wird.
Nicht alle Betriebe produzieren gleichermaßen energieintensiv und sind daher im selben Ausmaß von der Teuerung belastet. Andere Betriebe weisen sogar Rekordgewinne auf – wir wissen das – und bedürfen überhaupt keiner Förderung. Die Regierung scheint die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Anstelle von zielgerichteter Hilfe wird eine Pauschalförderung gewährt – alles auf Kosten der Allgemeinheit. Die Treffsicherheit der Förderung spielt offensichtlich ebenso keine Rolle wie die Transparenz der geplanten Abwicklung. Wir kennen das von der Überförderung durch die Cofag. (Beifall des Bundesrates Schmid.)
Mit der FFG, der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft, ist eine Abwicklungsstelle vorgesehen, die ganz einfach für solche Aufgaben nicht geschaffen oder geeignet ist. Die FFG ist dafür da, österreichische Forschung bestmöglich zu unterstützen, einige Tausend Förderungen, aber nicht dafür, 200 000 Pauschalanträge von Kleinbetrieben abzuwickeln. Das ist völlig unvorstellbar! Das ist ihre ureigenste Funktion, der sie in weiterer Folge wahrscheinlich nicht nachkommen kann. Dies wäre eigentlich für die österreichische Forschungslandschaft ein immenser Schaden, mit fatalen Folgen für die Zukunft.
Intransparenz, Fehl- und Überförderung, all das, was wir schon in Covid-Zeiten und bei der Cofag erlebt haben, ist da wieder zu befürchten. Die eigentlichen Probleme, die hohen Preise oder die steigende Inflation, der Einbruch im privaten Konsum, die Teuerung, das Meritorderprinzip, bleiben leider Gottes ungelöst. Die Menschen spüren es jeden Tag beim Einkaufen in ihren Geldbörsen.
Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Teuerung weiter auf Rekordniveau, Insolvenzen steigen: Bekämpfen wir die Inflation und senken die Preise. Tun wir es für die Menschen und die Unternehmen in Österreich, Herr Bundeskanzler!“
Zahlen und Fakten lügen nicht. Andere Länder zeigen, wie es geht!
Die SPÖ hat vor dieser Inflationsentwicklung schon vor mehr als einem Jahr gewarnt und immer wieder inflationsdämpfende Maßnahmen vorgeschlagen. (Bundesrat Preineder – erheitert –: Keine Lohnerhöhung!) ÖVP und Grüne haben diese Warnungen ignoriert, die Anträge der SPÖ in Nationalrat und Bundesrat wurden vertagt oder abgelehnt.
Wir haben – und das muss man bei dieser Gelegenheit feststellen – eine Regierung mit Rekordausgaben, die keinen einzigen Preis senken.
Wie schon zu Zeiten von Corona rühmt sich die Regierung damit, im internationalen Vergleich Rekordausgaben gegen die Teuerung zu tätigen. Angesichts der Coronabilanz eine etwas kühne Herangehensweise, denn tatsächlich gab es während der Coronapandemie Rekordausgaben, die zu Überförderungen von Hunderten Millionen Euro geführt haben, wie sogar der Rechnungshof und die OeNB, die Oesterreichische Nationalbank, festgestellt haben.
Ja, wir wissen alle, die Menschen leiden unter dieser Teuerung. Wir brauchen eine neue Strategie – eine Politik, die Preise senkt! Die SPÖ fordert daher von der Bundesregierung die sofortige Vorlage eines umfassenden Inflationsdämpfungsgesetzes ein. Dieses Gesetz sollte das Ziel verfolgen, die Inflationsrate in Österreich mindestens um 2 bis 3 Prozentpunkte zu drücken.
Die unterfertigten Bundesräte stellen daher nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat sowie dem Bundesrat ein umfassendes Inflationsdämpfungsgesetz vorzulegen, das folgende Inhalte umfasst:
1. Einfrieren der Richtwert- und Kategoriemieten bis Ende 2025. Danach Begrenzung des Mietanstiegs mit dem EZB-Leitzinssatz, maximal aber 2% pro Jahr.
2. Temporäres Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs.
3. Einführung eines nationalen Gaspreisdeckels für Haushalte, Wirtschaft und Unternehmen – ähnlich wie in Deutschland.
4. Temporäres Aussetzen der CO2-Steuer, bis die Energiepreise auf ein vernünftiges Niveau zurückgeführt werden können.
5. Einsetzung einer schlagkräftigen Anti-Teuerungskommission, die u.a. sicherstellt, dass milliardenschwere Hilfszahlungen an Unternehmen in Form von sinkenden Preisen an die Menschen weitergegeben werden.“
*****
Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
13.49
Präsident Günter Kovacs: Danke, Herr Bundesrat.
Der von den Bundesräten Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Teuerung weiter auf Rekordniveau, Insolvenzen steigen: Bekämpfen wir die Inflation und senken die Preise. Tun wir
es für die Menschen und die Unternehmen in Österreich, Herr Bundeskanzler!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Mag. Christian Buchmann. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Energiekostenzuschuss für Unternehmungen ist das Thema der Stunde.
Ich erinnere mich noch gut daran, dass wir uns bereits im Oktober des Vorjahres im Rahmen der Plenarsitzung mit diesem Thema auseinandergesetzt haben, damals mit dem Energiekostenzuschuss eins. Ich habe damals in meiner Rede auch darauf hingewiesen, dass ein solcher Energiekostenzuschuss notwendig ist. Ob er hinreichend sein würde, wussten wir alle noch nicht.
Wir, die wir auch im ständigen Austausch mit Expertinnen und Experten, mit der Wirtschaft und auch mit den Wirtschaftsforschungsinstituten sind, waren der Meinung, dass man da würde nachlegen müssen, aber auch der Meinung, dass es gut ist, wenn man frühzeitig einen ersten Maßnahmenkatalog setzt, um betroffenen Wirtschaftskreisen entsprechend unter die Arme zu greifen. Und das ist geschehen: Dieser Energiekostenzuschuss, vom 1. Februar vergangenen Jahres bis zum 30. September 2022, ist damals beschlossen worden, und zwischenzeitlich ist auch die erforderliche Notifikation seitens der Europäischen Union vorhanden.
Jetzt stellt sich die Frage: Warum brauchen wir nach wie vor einen solchen Energiekostenzuschuss? – Na, die Ausgangslage beim Energiekostenzuschuss zwei ist gleich wie beim Energiekostenzuschuss eins. Durch den Angriffskrieg Putins auf die Ukraine hat es nicht nur viel menschliches Leid auf der einen und auf der anderen Seite gegeben – das sollten wir nie vergessen –, er
hat auch zu Verwerfungen auf den Energiemärkten geführt, und damit haben sich die Energiepreise um ein Vielfaches erhöht.
Damit ist für Unternehmen, aber auch für die privaten Haushalte sowie letztendlich auch für die öffentlichen Haushalte – denken Sie an die Gemeinden, denken Sie an die Bundesländer, natürlich auch den Etat der Republik! – eine besondere Herausforderung sichtbar geworden. Insbesondere für die Unternehmungen soll jetzt mit einer Verlängerung des Energiekostenzuschusses eins bis zum 31.12. des vergangenen Jahres und dann einem neuen, mit 1. Jänner bis zum 31. Dezember des heurigen Jahres, ein Schutzschirm aufgespannt werden, um für diese Unternehmungen eine gewisse – sofern man das heute so nennen kann – Planungssicherheit zu gewährleisten und damit im internationalen Kontext auch eine Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
Vom Vorredner wurden die Situation und der Maßnahmenkatalog in Deutschland angesprochen. Ich sage schon: Wir waren in Österreich sehr früh mit unseren Maßnahmen und reagieren mit dem Energiekostenzuschuss zwei jetzt auch betreffend internationale Vergleiche.
Damit wird den Unternehmungen geholfen, was die Liquidität betrifft; und was wir nie vergessen sollten, wenn wir über Unternehmungen reden, ist, dass die Wirtschaft aus Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern besteht, aber auch aus Unternehmerinnen und Unternehmern. Gemeinsam wollen wir die Wirtschaft stärken. (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)
Was fördern wir? – Es wird als Rahmen ein Schutzschirm im Ausmaß von rund 7 Milliarden Euro aufgespannt. Damit wird ein Teil der Mehrkosten aufgrund der Energiepreisanstiege abgefedert. Es wird durch die beiden Maßnahmenpakete – Energiekostenzuschuss eins und insbesondere Energiekostenzuschuss zwei – ein Pauschalmodell für ganz kleine Unternehmungen eingerichtet. Es wird die Förderintensität für Kleine von 30 Prozent auf 60 Prozent erhöht, und es gibt für die Kleinen keine Voraussetzungen betreffend bestimmte Energiekapazitäten.
Ich hörte im Ausschuss, in dem wir das vorberaten haben, aber auch heute im Redebeitrag des Vorredners Kritik, manches sei zu bürokratisch. – Ich glaube, entscheidend ist, dass man rasch hilft und dass diese Hilfe auch bei den Betroffenen ankommt.
Es wird hin und wieder der Vorwurf geäußert, das sei reine Symptombekämpfung. – Ja, natürlich ist es eine Reaktion auf veränderte Marktgegebenheiten. Wir wollen nicht nur Symptome bekämpfen. Der Herr Bundesminister hat auch in der Nationalratsdebatte richtigerweise schon darauf hingewiesen, dass man den Ausbau der erneuerbaren Energien natürlich entsprechend vorantreiben muss und auch eine Änderung im Marktdesign, was die Energiepreise und die Energiewirtschaft betrifft, andenken muss.
Dieser Marktdesignmechanismus ist einer, der schwer in der Kritik ist, der zu einer Zeit eingerichtet wurde, als die Rahmenbedingungen andere waren, und der heute überarbeitet gehört. Das können wir in Österreich nicht allein tun, dafür brauchen wir Partner, und die Partner dafür müssen wir zumindest in der Europäischen Union einmal finden.
Was die abwickelnden Stellen betrifft, wurde gesagt: Ja, jetzt gibt es nicht nur das Austria Wirtschaftsservice, das Teile dieser Pakete abwickelt, sondern es soll auch die FFG zum Zug kommen. – Ich bin auch viel mit Unternehmerinnen und Unternehmern in Kontakt, und ich sage Ihnen, diesen ist es relativ egal, wer abwickelt. Entscheidend ist, dass es unbürokratisch geschieht, entscheidend ist, dass es rasch geschieht, und entscheidend ist, dass diese Mittel auch bei den Betrieben ankommen, und ich habe großes Vertrauen, sowohl in das AWS wie auch in die FFG, dass das so geschieht.
Was tun wir mit diesem Gesetz? – Wir sichern ein Level-Playing-Field, insbesondere zu Deutschland, für Unternehmungen, die im europäischen Raum oder auch weit darüber hinaus tätig sind. Wir sichern damit die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und unterstützen unsere Unternehmungen dabei, Arbeitsplätze abzusichern und, wie ich hoffe, auch den einen oder anderen Voll-
oder Teilzeiterwerbsplatz neu zu schaffen. Wir kommen damit zu einer gewissen Planungssicherheit für die Unternehmungen und wir trotzen auch – und das halte ich für durchaus wichtig – einer Abwanderung.
Es ist immer viel vom ländlichen Raum die Rede. Wenn Unternehmungen, die im ländlichen Raum angesiedelt sind – und das sind sehr viele der kleinen und mittelständischen Unternehmungen –, aufgrund der Energiepreise weichen müssen, nämlich vom Markt verschwinden, dann nutzt das dem ländlichen Raum und den Menschen, die dort leben, nicht, sondern dann ist das genau ein Widerspruch zu dem, was wir als Länderkammer auch wollen, nämlich eine lebenswerte Umwelt in den Städten und Gemeinden, insbesondere aber auch im ländlichen Raum, zu haben.
Aus all diesen Erwägungen und aus all diesen Überlegungen ist dieser Vorlage zuzustimmen, und aus Verantwortung gegenüber Österreich, seinen Betrieben, insbesondere aber gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Betrieben darf ich um größtmögliche Unterstützung ersuchen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)
13.57
Präsident Günter Kovacs: Danke, Herr Bundesrat.
Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! – Galerie gibt es keine. (Heiterkeit des Redners.)
Die Energiepreise in Europa, besonders aber in Österreich, sind durch die gesetzten Maßnahmen der türkis/schwarz-grünen Bundesregierung der letzten drei Jahre signifikant gestiegen. Die sich daraus ergebende besondere Belastung ist für die Unternehmen nicht tragbar:
„Davon besonders betroffen sind energieintensive Unternehmen, die einen sehr hohen Energieverbrauch haben. Vor diesem Hintergrund sollen Anteile der Mehraufwendungen für die Energiepreise (Treibstoff, Strom und Gas) teilweise mit einem nicht rückzahlbaren Zuschuss durch das Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz gefördert werden, damit die Liquidität der Unternehmen aufrechterhalten werden kann.“
Dies war bereits in der Dezembersitzung die Einleitung zu genau diesem Thema, in der der Energiekostenzuschuss für die Unternehmen für den Zeitraum vom 1.2.2022 bis 30.9., abgewickelt durch das AWS, auf der Tagesordnung stand. Heute geht es darum, den Energiekostenzuschuss für Unternehmen, nunmehr Energiekostenzuschuss eins genannt, um das vierte Quartal bis Ende 2022 zu verlängern und als Energiekostenzuschuss zwei für 2023 neu aufzulegen.
Darüber hinaus gefährden die zum Teil außergewöhnlich stark gestiegenen Energiepreise die Geschäftsmodelle, speziell von Kleinst- und Kleinunternehmen, die nicht im internationalen Wettbewerb stehen und die Preisanstiege nicht oder nur eingeschränkt in den Preisen weitergeben können.
Die Kostenbelastungen aufgrund steigender Energiepreise müssen bereits seit Februar 2022 auch von den vielen KMUs vorfinanziert werden, die diese massiv in Schwierigkeiten bringen, gerade auch in ländlichen Regionen, wodurch die große Gefahr besteht, dass Unternehmerexistenzen gefährdet werden und auch viele Arbeitsplätze verloren gehen könnten.
Im Ausschuss wurde von den Experten des Ministeriums berichtet, dass von den 322 Millionen Euro beantragten Förderungen für den Zeitraum von 1. Februar bis 30. September erst 50 Millionen ausbezahlt wurden. Die Bundesregierung verkennt die Lage bezüglich Ursache und Wirkung. Die Probleme werden nicht an der Wurzel gepackt. Diese Bundesregierung schädigt durch ihr Verhalten massiv die Wirtschaft. Das gilt auch beim Festhalten am Meritorderprinzip und den Sanktionen.
Viele Einzelgespräche mit Unternehmen bestätigen unsere Forderung, die Unternehmer brauchen dringend diese Entlastung. Aufgrund dessen haben wir uns bereits seit Langem für den Strom-, Gas- und Treibstoffpreisdeckel ausgesprochen, um wieder Sicherheit, Planbarkeit und Wirtschaftlichkeit für die Unternehmen zur Absicherung der vielen damit verbundenen Arbeitsplätze anstatt Förderabhängigkeit zu gewährleisten.
Ich kann nur wiederholen, was ich in der Dezembersitzung bereits gesagt habe: Für uns Freiheitliche kommt der Energiekostenzuschuss für Unternehmen viel zu spät und ist wieder einmal zu kompliziert gestaltet. Aber es wäre ja sonst nicht die schlechteste Bundesregierung aller Zeiten namens türkis/schwarz-grüne Unternehmensvernichter, außer natürlich gewisser Freunderlunternehmer, die in der Nacht noch einen Schatten werfen, unterstützt durch Ideologiebetreibende, die sich mit Machtgier auf die Regierungssessel kleben und sich von denen, die sich auf die Straße kleben, nur im Anklebestandort unterscheiden. (Beifall bei der FPÖ.)
Ja, man glaubt es kaum, aber diese Bundesregierung lernt nichts dazu und ist beratungsresistent. Vor längerer Zeit, als es darum ging, den Unternehmen die in den Coronajahren durch die ungerechtfertigten Schließungsmaßnahmen erlittenen Einnahmeausfälle und Unkosten zu ersetzen, waren wir Freiheitliche der Meinung, dass die Auszahlung schnell – und in diesem Fall hilft schnell doppelt – über das Finanzamt abgewickelt werden sollte. Natürlich musste diese Versagerbundesregierung (Bundesrat Buchmann: Hallo!), die den österreichischen Mittelstand als Pöbel bezeichnet, abgehoben wie sie hantiert, dies über die sogenannte Cofag abwickeln (Zwischenruf des Bundesrates Preineder), und ich glaube, allen hier im Saal, aber auch zu Hause vor den Bildschirmen ist der Rechnungshofbericht noch in Erinnerung, in dem all die Fehlverhalten, nobel ausgedrückt – ich würde auch niemals das Wort Korruption und Freunderlwirtschaft in diesem Zusammenhang in den Mund nehmen –, aufgelistet waren.
Jetzt steht auf der Tagesordnung, da ja anscheinend das AWS zur Abwicklung des Pauschalfördermodells für diese Bundesregierung nicht gut genug ist, dass extra das Bundesgesetz zur Errichtung der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft, Kurzbezeichnung FFGG, geändert werden muss, da diese die Anträge für den Energiekostenzuschuss zwei und deren Auszahlung übernehmen soll, dies aber mit den derzeitig definierten gesetzlichen Rahmenbedingungen der FFG nicht in Einklang steht.
Weiters stellt sich für mich die Frage, obwohl das der von mir befragte Experte im Ausschuss dementierte, woher die FFG, die normalerweise 2 000 Anträge pro Jahr bearbeitet, auf einmal die zusätzlichen Mitarbeiter, das Fachpersonal zur Verfügung hat, um mindestens 7 000 bis vielleicht 10 000 oder mehr Anträge zeitnah verarbeiten zu können.
Wie vorher bereits erwähnt, benötigen die Unternehmer schnell – und schnell hilft in diesem Fall doppelt – die Auszahlung. Aufgrund dessen werden wir Freiheitliche diesen unternehmensgefährdenden Beschlüssen nicht zustimmen. Eine wesentliche Erleichterung für die Betriebe wäre, wenn es mit sofortiger Wirkung eine Haftungsübernahme seitens des Bundes gäbe, die zur Abdeckung der längst vorfinanzierten Energiekosten bis zur Auszahlung der Zuschüsse dienen würde, und, wie bereits erwähnt, die sofortige Einführung eines Strom-, Gas und Treibstoffpreisdeckels. (Beifall bei der FPÖ.)
14.04
Präsident Günter Kovacs: Zu Wort gelangt nun Dipl.-Ing.in Dr.in Maria Huber. Ich erteile es ihr.
Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher, die unsere Debatte hier verfolgen, sei es im Haus oder auch via Livestream! Die hohen Energiekosten – wir haben es schon gehört – gefährden die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und
dadurch stehen Produktionsstätten, Standorte und Tausende Arbeitsplätze in Österreich nach wie vor auf dem Spiel.
Es ist daher zwingend erforderlich, rasch und schnell Maßnahmen zu setzen. Mein Heimatsbundesland, die Steiermark, ist überdurchschnittlich von energieintensiven Industriezweigen geprägt und gerade die Symbiose aus energieintensiver Industrie und innovativem starken Umwelttechniksektor macht die Steiermark hier sicher einzigartig.
Gerade die Umwelttechnik ist eine Schlüsseltechnologie im Kampf gegen die Klimakrise. Die Nachfrage nach Klimaschutz- und Kreislaufwirtschaftslösungen wird mit dem europäischen Green Deal auch weiter massiv steigen. Für die Steiermark und auch für Österreich ist das eine klare Chance, denn eines muss uns bewusst sein: Unser gemeinsames Ziel muss es sein, die Transformation der österreichischen Industrie hin zur Klimaneutralität so schnell wie möglich voranzutreiben. Die Weichen dafür haben wir bereits gestellt. Die österreichische Bundesregierung nimmt 5,7 Milliarden Euro in die Hand, um den Unternehmen Planungssicherheit zu geben und Investitionen in die Zukunft zu ermöglichen.
Der Umstieg auf erneuerbare Energieträger ist alternativlos. Dieser Energiekostenzuschuss zwei, den wir heute beschließen, kann daher nur eine kurzfristige Notmaßnahme sein, ist aber auch eine sehr wesentliche Maßnahme zum jetzigen Zeitpunkt. Gleichzeitig – und das ist mir auch sehr wichtig zu betonen – ist das Ganze auch keine Einbahnstraße, sondern geförderte Unternehmen sind selbstverständlich auch in der Pflicht, Energie einzusparen und ihre Energieeffizienz zu steigern, denn das ist ja auch ein wesentlicher Schritt, um die Klimaziele erreichen zu können.
Analog zur deutschen Regelung gibt es für den Energiekostenzuschuss zwei auch eine Beschäftigungsgarantie als Förderbedingung. Und was für uns Grüne auch sehr wichtig war, ist, auch kleine Unternehmen, die mit hohen Energiekosten kämpfen, nicht im Regen stehen zu lassen. Das heißt, auch der Bäcker
ums Eck und der kleine Greißler im Ort als wichtiger Nahversorger in den ländlichen Gebieten können einen Teil der Erhöhungen geltend machen.
Ich darf Sie daran erinnern, die kleinen und mittleren Unternehmen – wir haben das auch schon gehört – sind das Rückgrat unserer Wirtschaft. Was wir dabei nicht vergessen dürfen, ist, dass diese Unternehmen, häufig Familienbetriebe, vor allem in der ländlichen Region wesentliche Arbeitgeber sind. Diese Betriebe beschäftigen zwei Millionen Menschen in unserem Land. Daher kann ich es auch nicht verstehen, wie man sich hier in diesem Saal zwar darüber einig sein kann, dass österreichische Unternehmen Schwierigkeiten haben, dass es um Arbeitsplätze geht, sich dann aber nicht dazu durchringen kann, diesem Antrag auch zuzustimmen. (Bundesrätin Schumann: Na, das werden wir euch dann gleich erklären!)
Ich bitte Sie daher eindringlich, dieser Novelle Ihre Zustimmung zu erteilen, denn Sie gefährden ansonsten Arbeitsplätze. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
14.07
Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Bundesrätin.
Ich darf in unserer Mitte Herrn Bundesminister Johannes Rauch begrüßen. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)
Zu Wort gelangt nunmehr Frau Fraktionsvorsitzende Korinna Schumann. Ich erteile es ihr.
Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Bundesminister! Liebe Zuseher:innen und Zuhörer:innen! Zuallererst möchte ich ganz herzlich unserem Bundesratspräsidenten für seine wertschätzenden Worte gegenüber dem Bundesrat danken. Ich glaube, es ist besonders in Zeiten wie diesen wichtig, das zu sagen. Nochmals herzlichen Dank, Günter Kovacs. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
11,1 Prozent Inflation in diesem Land, das ist eine Zahl, die unglaublich hoch ist. Und es ist eine Zahl, die beweist, dass die Maßnahmen der Regierung nicht zur Dämpfung der Inflation beigetragen haben, sondern eben, wie wir immer gesagt haben, reine Einmalzahlungen waren, die verpufft sind. 11,1 Prozent Inflation, das ist eine unglaubliche Zahl. Es ist eine Zahl, aber im Leben der Menschen bedeutet das ganz, ganz starke Belastungen durch diese Teuerung, Belastungen, die in Sorgen und in Angst münden und die besonders beim Mittelstand in die Befürchtung münden, dass er sozial abrutschen wird. Das ist einfach Tatsache.
Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie viele Heldinnen und Helden mit niedrigem Einkommen es jetzt gibt, mit Teilzeiteinkommen, die bei dieser extrem hohen Teuerung irgendwie ihr Leben fristen, mit all den Schwierigkeiten. Die gehen bis an ihr Limit. Viele, viele Menschen wissen nicht mehr, wie sie am Ende des Monats alles noch finanzieren sollen, und haben Angst vor den Rechnungen, die im nächsten Monat bei ihnen hereinflattern werden. Das ist die Realität.
Und es sind oft jene Menschen, die während der Pandemie als Systemerhalterinnen und Systemerhalter beklatscht wurden, die man so bewundert hat. Das sind genau jene, die jetzt besonders unter der Teuerung leiden und darunter sind sehr, sehr viele Frauen. Das ist wirklich beschämend (Beifall bei der SPÖ) und es zeigt, dass die Bundesregierung an der Teuerungsbekämpfung absolut gescheitert ist.
Es gibt bei den Lebensmittelpreisen Erhöhungen, die durch die Decke gehen. Der Preis für das billigste Olivenöl bei einem Diskonter in Österreich ist innerhalb eines Jahres um 132 Prozent gestiegen. (Bundesrat Preineder: Nimm Rapsöl oder Sonnenblumenöl aus Österreich!) Es sind unglaublich hohe Preise. Und nicht umsonst kleben auf den Butterstücken die Sicherheitschips drauf, um sie vor Diebstahl zu sichern. Was heißt denn das? Was ist das für ein Symbol? – Es ist ein Bild für die unglaubliche Teuerung, die die Menschen so stark trifft.
Wir haben von Anfang an gesagt: Machen Sie bitte eine Antiteuerungskommission, die wirklich Zähne hat, damit jene, die sich mit dieser Not jetzt auch noch ein Körberlgeld verdienen – oder sogar ein Körbegeld, denn da geht es um sehr, sehr viel Cash –, nicht durchrutschen! Bis jetzt ist nichts passiert.
Wir haben auch gesagt: Machen Sie eine Gaspreisbremse, wie Deutschland es gemacht hat! Es wäre wichtig gewesen, den Gaspreis zu dämpfen, weil es wichtig ist, die Inflation mit all ihren Auswirkungen zu dämpfen, aber Sie haben nichts getan. Und es geht da nicht nur um den Gaspreis, sondern auch um den Preis für Pelletheizungen oder um den hohen Preis für Wärmepumpen.
Ja, Sie haben – sehr spät – eine Strompreisbremse gemacht, auch diese haben wir gefordert. Aber bei der Strompreisbremse gibt es halt wieder einen kleinen Haken, nicht? Die Menschen finanzieren diese Strompreisbremse gleich wieder ein bisserl mit, weil sie die Mehrwertsteuer nicht für den gedeckelten Strompreis, sondern für den hohen Strompreis zahlen. Das ist ja wohl keine Sache, die man nicht richtig machen könnte. Das ist eindeutig falsch und schlecht gemacht. Die Menschen zahlen sich ihre Erleichterung selber: wenn das nicht zynisch ist, dann weiß ich auch nicht. (Beifall bei der SPÖ.)
Was der Regierung – der ÖVP genauso wie den Grünen – aber ganz wichtig ist, ist: Kein Eingriff in den Markt! Es darf nicht passieren, dass man den Markt angreift. Dabei wäre das jetzt so wichtig. Natürlich ist es wichtig, Unternehmen zu unterstützen, damit sie bei den hohen Energiepreisen noch wirtschaften können, das ist keine Frage. Man muss aber sehr gut aufpassen, dass es nicht zu Überförderungen kommt. Wir wissen von den Covid-Zahlungen – und das sind sehr seriöse Schätzungen –, dass der untere Wert der Überförderungen mit unglaublichen 598 Millionen Euro beziffert ist. Das sind Überförderungen. Und man muss aufpassen, dass es durch die jetzigen Unterstützungen in Form der Energiekostenzuschüsse nicht wieder zu solchen Überförderungen kommt, weil im Nachhinein bezahlt wird. Wir in Österreich zahlen mehr und fördern stärker als Deutschland.
Ganz ehrlich, Herr Bundesminister, ich habe Ihrer Replik auf die Frage in der Privilegiendebatte für Teilzeitkräfte genau zugehört: Sie haben davon gesprochen, dass wir den Sozialstaat finanzieren müssen. Das war von Ihnen also die erste Ankündigung, dass das Geld ausgeht und wir jetzt schauen müssen, woher wir uns das Geld holen. Das holen wir uns jetzt von den Sozialleistungen, damit wir sie weiterhin zahlen können. Diese Botschaft haben Sie uns mit Ihrer Rede gegeben. (Bundesrätin Kittl: Nein, das wollen Sie nur hören, damit Sie populistisch reden können!) Das erzeugt aber große Befürchtungen. Ja, so ist es. (Beifall bei der SPÖ.)
Heute findet der Opernball statt, möge er ein schönes Ereignis werden, keine Frage. Wir wissen aber auch, dass eine Loge 26 300 Euro kostet. (Bundesrat Krumböck: Der Michi Ludwig ...!) Es wäre in diesen schweren Krisenzeiten schon einmal an der Zeit, die Superreichen zur Kasse zu bitten und sie zu besteuern. Dort kann man sich das Geld holen! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Hahn: ... ÖVP-Spenden! – Bundesrat Preineder: ... mehr als 60 Prozent Steuern zahlt, dann bist du im Ausland! Grüß Gott in Monaco! Das ist ja alles so einfach gesagt!) Von ihnen ist das Geld zu holen und nicht von den kleinen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die gerade eh nicht wissen, wie sie durch diese Zeit kommen sollen.
Weil es so dringend ist und ganz, ganz schnell gehen muss: Bitte stoppen Sie die Mietpreisspirale! Stoppen Sie die weitere Erhöhung der Mietpreise um 8,6 Prozent, die jetzt ansteht und im April durchgeführt werden soll! (Bundesrätin Steiner-Wieser: Macht Wien das vor?) Wir können ganz sicher sein: Wenn Sie in der nächsten Nationalratssitzung nichts tun und wenn wir das nicht in der nächsten Bundesratssitzung beschließen (neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser), dann geht das durch. Es gab letztes Jahr bei den Richtwertmieten teils dreimal eine Erhöhung, damit heizen Sie die Inflation noch weiter an. (Bundesrätin Kittl: Setzt ihr das auch um!) Machen Sie also einen Mietpreisstopp, setzen Sie den jetzt endlich durch! (Beifall bei der SPÖ. –Zwischenruf der Bundesrätin Steiner Wieser.) – Von Wien? Nein, nein!
Grundsätzlich geht es jetzt um das Aussetzen der Mietpreiserhöhung bis 2025, um die Entkoppelung der Mieten vom Verbraucherpreisindex und um eine Deckelung mit 2 Prozent – das wäre es jetzt. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Unterstützen Sie nicht die Spekulantinnen und Spekulanten im Mietbereich, sondern unterstützen Sie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Pensionistinnen und Pensionisten! (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)
Zu den Mieten sei noch etwas gesagt: Die Menschen leiden wirklich und haben große Ängste. Deshalb ist es dringend notwendig, auch eine Leerstandsabgabe umzusetzen, die ihren Namen wirklich verdient. Die Länder können das nicht allein, das kann man nur per Bund machen, und das ist jetzt dringend notwendig.
Und wenn man Wirtschaftsforscher beauftragt, zu sagen: Die Menschen brauchen sich nicht so viele Sorgen zu machen, die Preise werden jetzt eh nicht weiter steigen!, dann ist das reiner Zynismus. Die Preise sind schon extrem hoch und müssen gedämpft werden. Es gilt jetzt, die Inflation zu dämpfen, und zwar ganz, ganz dringend, weil die Leute wirklich nicht mehr wissen, wie sie ihr Leben finanzieren sollen.
Ganz ehrlich: Sie haben viel Geld ausgegeben und wenig Wirkung erzielt. Für 11,1 Prozent Inflation tragen Sie, ÖVP und Grüne, die Verantwortung. (Bundesrätin Kittl: Natürlich!) Das ist nicht richtig. (Beifall bei der SPÖ.)
14.16
Präsident Günter Kovacs: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs. – Bitte, Frau Bundesrätin.
Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher hier bei uns im Plenarsaal und geschätzte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Worum es bei den beiden Gesetzesvorlagen inhaltlich geht, haben Sie von
den Vorrednern und Vorrednerinnen bereits im Detail ausgeführt bekommen. Mir ist es aber wichtig, noch ein paar Punkte anzusprechen.
Ich muss hier jetzt, nach meinen Vorrednern, schon eine Lanze für unsere Bundesregierung brechen. (Bundesrätin Schumann: Na, das glaub ich!) Als Unternehmerin war ich während der Coronakrise von den Schwierigkeiten durch die Pandemie direkt betroffen. Viele Betriebe machten bekanntlich wenig Umsatz, der aber notwendig ist, um ein Unternehmen zu erhalten und auch um Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern monatlich die Gehälter und die Löhne überweisen zu können. Der österreichische Staat und unsere Regierung waren während der Zeit der Pandemie jedoch ein zuverlässiger Partner für die vielen Unternehmen in Österreich. (Bundesrätin Hahn: Für manche mehr als für andere!)
Die unterschiedlichen Coronahilfen waren mit Sicherheit von hoher Bedeutung für unseren Wirtschaftsstandort. (Bundesrätin Hahn: Für manche mehr, für andere weniger!) Die Maßnahmen, darunter zum Beispiel auch die Kurzarbeit, gaben beiden Seiten – den Arbeitgebern und auch den Arbeitnehmern – vorübergehend Sicherheit. Die Maßnahmen sorgten für strukturelle Sicherheit und schützten ganze Branchen wie etwa den Tourismus. Ein nachhaltiger Schaden in den unterschiedlichen Branchen wäre langfristig betrachtet eine Katastrophe für unseren Wirtschaftsstandort gewesen.
Nun, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich bin mir sicher, dass Sie von diesen Diskussionen und nachhaltigen Reflexionen über die Pandemie schon genug gehört haben. Ich persönlich denke aber, dass sich während der Pandemie gezeigt hat, dass wir in Österreich in der Lage sind, Krisen zu managen (Bundesrat Steiner: Nein, entschuldigen ...! Entschuldigung!), und so werden wir nun auch diese Energiekrise managen können. – Herr Kollege Steiner, du kannst dich gerne nachher zu Wort melden, wenn du willst. (Bundesrat Steiner: Nein, du brauchst dich nur zu entschuldigen!)
Wir haben aktuell in Europa extrem volatile Energiepreise, die den privaten Haushalten, aber vor allem auch den Unternehmen schwer zu schaffen machen.
Im Laufe des Sommers und des Herbstes haben wir, was die Energiepreise angeht, teilweise dramatische Situationen erlebt: Sie hatten sich vervielfacht, teilweise verfünf- bis verzehnfacht. Aktuell sind die Preise wieder etwas niedriger. Das hat uns aber gezeigt, wie wichtig es ist, einen Energieschutzschirm aufzuspannen, um den österreichischen Unternehmen Planungssicherheit zu geben.
Die österreichische Wirtschaft ist sonst in Gefahr, nachhaltig strukturell beschädigt zu werden. Das dürfen wir als Gesetzgeber nicht zulassen, weshalb wir auch für gesetzliche Rahmenbedingungen sorgen müssen, wenn wir bestimmte energieintensive Unternehmen auffangen. Ganze Branchen müssen abgesichert werden, vor allem auch jene, die international tätig sind.
Wir müssen als Wirtschaftsstandort attraktiv bleiben und dafür sorgen, dass unsere Unternehmen in Österreich überleben und nicht in andere Länder abwandern, in denen die Energiepreise günstiger sind.
In dieser Situation nicht zu handeln und die Unternehmen in Österreich nicht zu unterstützen wäre unverantwortlich. Daher sind die Verlängerung dieses Energiekostenzuschusses eins bis zum Jahresende 2022, dann ein neuerlicher, sogar noch großzügiger gestalteter Energiekostenzuschuss zwei vom 1.1.2023 bis 31.12.2023 sowie ein Pauschalmodell für die ganz kleinen Unternehmen von extrem hoher Wichtigkeit, um den Wohlstand und die Arbeitsplätze in unserem Land zu erhalten.
Die vielen Jobs, die durch hohe Energiekosten gefährdet wären, sind wiederum die Grundlage für den Wohlstand der Menschen in Österreich. Es geht nicht nur um Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, sondern es geht – wie wir vorhin schon gehört haben (Bundesrat Obrecht: Um die Menschen!) –auch um die vielen Klein- und Mittelbetriebe in Österreich, die von den gestiegenen Energiekosten betroffen sind und die vor allem in den ländlichen Regionen Arbeitgeber für viele Menschen in Österreich sind.
Das Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz ist wirksam und so ausgestaltet, dass es genau jene Unternehmen trifft, die den Anspruch auch benötigen. Jeder einzelne Unternehmer hat diese Zuschüsse zu beantragen, die individuell konkret bearbeitet werden. Die Ausgestaltung der Höhe wird nach ganz klaren Richtlinien abgestimmt.
Lieber Kollege Günther Novak von der SPÖ, ich muss dir daher widersprechen, denn die Treffsicherheit ist sehr wohl gegeben. (Bundesrätin Hahn: Ja, aber für wen ist die Frage! Es geht um die Menschen da draußen! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Das heißt, nur jene, die es wirklich brauchen, weil sie von massiven Mehrkosten betroffen sind, und die Förderkriterien erfüllen, bekommen eine Förderung.
Noch ganz kurz zum Forschungsförderungsgesellschaftsgesetz: Dabei handelt es sich ja um keine große Änderung, sondern lediglich um eine formelle Anpassung des Gesetzes, die unserer Zustimmung bedarf, damit die FFG die Pauschalförderungen für die kleinen Unternehmen abwickeln kann. (Bundesrat Schennach: Ob das tatsächlich günstig kommt?)
Das AWS wird ja bekanntermaßen weiterhin die Förderung des Energiekostenzuschusses eins und des Energiekostenzuschusses zwei abwickeln. Das Pauschalmodell für die ganz kleinen Unternehmen kann vom AWS aus Kapazitätsgründen nicht abgewickelt werden. Deshalb soll da die FFG, die Forschungsförderungsgesellschaft, einspringen und diesen Zuschuss abwickeln. Auch dabei handelt es sich um eine Agentur des Bundes, und es gelten die gleichen Transparenzrichtlinien.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie um Zustimmung zu diesen beiden Tagesordnungspunkten im Sinne der österreichischen Unternehmen, die unseren Wohlstand und viele Arbeitsplätze hier in Österreich absichern. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)
14.23
Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Bundesrätin.
Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher. – Bitte, Herr Minister.
Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher: Herr Präsident! Werte Bundesrätinnen und Bundesräte! Blicken wir am Anfang vielleicht kurz auf Juni und Juli des letzten Jahres zurück! Es gab Befürchtungen, dass uns im Winter die Energie ausgeht, dass das Wachstum extrem einbricht und dass die Arbeitslosigkeit massiv steigt. Glücklicherweise sind diese Befürchtungen nicht eingetreten.
Zum Teil hat das mit einer Beruhigung der wirtschaftlichen Situation zu tun, zum Teil aber auch mit den Maßnahmen, die gerade bei der Energieversorgung und natürlich gerade auch bei der Unterstützung von Haushalten und Unternehmen gesetzt wurden. (Bundesrat Steiner: Vielleicht auch mit dem warmen Wetter?)
Österreich war das erste oder eines der ersten Länder, die beim Energiekostenzuschuss eins bei den Unternehmen einen gewissen Teil – einen kleinen Teil – des Kostenanstieges abgefedert haben. Bei uns ist das rückwirkend bis Februar 2022 passiert. Deutschland hat zum Beispiel neben kleineren Steuersenkungen – die haben wir im Energiekostenbereich ja auch gemacht – die erste Maßnahme für Unternehmen erst im Dezember 2022 gesetzt.
Jetzt haben wir bei den Förderungen ein kompliziertes Modell. Ja, das stimmt so. Dafür ist es aber treffsicherer. Darauf komme ich gleich zu sprechen.
Wir hatten den Energiekostenzuschuss eins bis Ende September 2022. Die Europäische Kommission hat erst im Oktober 2022 – so viel zum Vorwurf, dass wir langsam wären – den Beihilferahmen verlängert. Es war also gar nicht möglich, früher etwas zu machen.
Die Bundesrepublik Deutschland hat Ende November die Gas- und Strompreisbremse vorgelegt – natürlich eine ganz wichtige Grundlage für
die Verlängerung von Energiehilfen, um eben zu schauen, dass wir zwischen Österreich und Deutschland Wettbewerbsfähigkeit herstellen.
Wir haben dann erstens sehr rasch eine Verlängerung des Energiekostenzuschusses eins mit praktisch gleichen Regeln bis Ende des Jahres 2022 vorgelegt, und den neuen Energiekostenzuschuss zwei, der dann ab 1. Jänner 2023 bis Ende 2023 laufen sollte, ausgeweitet, orientiert an den Regelungen, die es bei der deutschen Strom- und Gaspreisbremse gibt.
Zusätzlich – das betrifft tatsächlich nur die Kleinstunternehmen – gibt es für Unternehmen, die weniger als 2 000 Euro Förderanspruch hätten, ein Pauschalfördermodell, damit eben auch Kleinstunternehmen unterstützt werden. Ich halte das grundsätzlich auch für richtig. (Beifall bei der ÖVP.)
Wenn wir jetzt davon sprechen, dass die Maßnahmen Unternehmen zugutekommen, dann ist es, glaube ich, wichtig, noch einmal hervorzuheben – das haben einige der Vorrednerinnen und Vorredner gesagt –, dass diese Maßnahmen natürlich dazu führen, dass Arbeitsplätze gesichert werden.
Es geht nicht um die Förderung von Unternehmen an sich. Es geht darum, dass Arbeitsplätze in Österreich gesichert werden: beim kleinen Bäcker, bei der kleinen Fleischerei im Ort, die ja sonst die hohen Energiekosten möglicherweise eben nicht zahlen könnten und zusperren müssten, aber auch bei größeren Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen und die durch hohe Energiekosten gegenüber Deutschland oder gegenüber dem Rest der Welt, wo die Energiekosten geringer sind, natürlich verlieren würden.
Es geht um die Sicherung von Arbeitsplätzen. Deshalb brauchen wir diesen Energiekostenzuschuss zwei und die Erhöhung des Budgets auf 7 Milliarden Euro. (Beifall bei der ÖVP.)
Wir haben auch schon einige Erfahrungen aus dem Energiekostenzuschuss eins. Das Antragsfenster hat sich ja gestern geschlossen. Wir werden dem-
nächst – wahrscheinlich nächste oder spätestens übernächste Woche – berichten können, wie viele Anträge es für die Phase von Februar 2022 bis September 2022 gab.
Die ersten Zahlen, die ich gesehen habe, zeigen, dass das Antragsvolumen unter den damals dafür budgetierten 1,3 Milliarden Euro liegt. Warum? – Weil erstens viele Unternehmen glücklicherweise selbst vorgesorgt haben und der Anstieg der Energiekosten nicht so hoch war und wir zweitens im Herbst bei einigen Energiekosten schon eine gewisse Entspannung gesehen haben. Das ist, glaube ich, auch ein gutes Zeichen.
Umso wichtiger ist aber jetzt der Energiekostenzuschuss zwei als Energieschutzschirm, der Planungssicherheit gibt, falls die Preise wieder steigen. Ich glaube, das ist entscheidend, dass die Unternehmen Planungssicherheit haben.
Die Maßnahmen sind auch deshalb zielgerichtet, weil sie sich am europäischen Beihilferahmen orientieren. Genauso wie die deutsche Gas- und Strompreisbremse und Maßnahmen, die in anderen Ländern der Europäischen Union getroffen werden, müssen alle die Regeln des Beihilferahmens einhalten – des Befristeten Krisenrahmens für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft infolge der Aggression Russlands gegen die Ukraine, so heißt es ganz genau.
Da gibt es Obergrenzen, da gibt es Regeln, was Gewinne bei höheren Förderungen betrifft, und es gibt zusätzlich – das wurde auch erwähnt – natürlich Einschränkungen, wie zum Beispiel eben eine Beschäftigungssicherung, wieder mit dem Ziel, mit der Maßnahme, die wir hier treffen, Arbeitsplätze zu sichern.
Ich möchte noch auf einen Punkt eingehen, der mir besonders wichtig ist, weil ich glaube, da besteht ein Missverständnis: Die Tatsache, dass wir die FFG, die Forschungsförderungsgesellschaft, mit der Abwicklung des Pauschalfördermodells betrauen, beruht auf der Überlegung, dass wir das AWS, das die
umfangreicheren Prüfungen bei den Energiekostenzuschüssen machen muss, nicht mit einer weiteren Förderung betrauen können, weil es dafür einfach keine Kapazitäten gibt.
Da gab es also zwei Möglichkeiten: erstens die Möglichkeit, das gar nicht zu machen, oder die zweite Möglichkeit, das auszulagern, so wie es damals mit der Cofag passiert ist. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, eine Agentur des Bundes unter der Aufsicht des BMK und des BMAW zu betrauen und damit die Kompetenzen etwas auszuweiten.
Das wird aber eine automationsunterstützte Auszahlung sein, und deshalb wird die Belastung der FFG natürlich nur in der Vorbereitung groß sein. Die wird aber nicht jeden einzelnen Antrag prüfen, das macht ja auch keinen Sinn, weil es um Kleinstunternehmen mit einer Förderhöhe von maximal 2 000 Euro geht. Das heißt, wir werden da ein System haben, das weitgehend automatisch funktioniert. Das wird jetzt vorbereitet, wird aber die tägliche Arbeit der FFG in der Förderung von angewandter Forschung in Österreich natürlich nicht beeinträchtigen. Das sind ganz andere Anträge als die Anträge, die die FFG zur Forschungsförderung bekommt, die auch extern begutachtet werden müssen und so weiter.
Und zur Transparenz noch: Natürlich werden alle Förderungen, die über 10 000 Euro gehen, nach Abschluss der Förderung auch veröffentlicht, so wie das auch in anderen Fällen der Fall war. Damit gibt es volle Transparenz über den Energiekostenzuschuss. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
14.30
Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Minister.
Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.
Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft genehmigt wird, und das Bundesgesetz über einen Energiekostenzuschuss für energieintensive Unternehmen geändert werden.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.
Es liegt zu diesem Tagesordnungspunkt ein Antrag der Bundesräte Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Teuerung weiter auf Rekordniveau, Insolvenzen steigen: Bekämpfen wir die Inflation und senken die Preise. Tun wir es für die Menschen und die Unternehmen in Österreich, Herr Bundeskanzler!“. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.
Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Forschungsförderungsgesellschaftsgesetz geändert wird.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.
6. Punkt
Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (3073/A und 1922 d.B. sowie 11175/BR d.B.)
Präsident Günter Kovacs: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den Bericht.
Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Herr Präsident! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden.
Der schriftliche Bericht liegt Ihnen allen vor.
Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Berichterstatterin.
Zu Wort gemeldet ist jetzt Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. Ich erteile ihr dieses.
Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Liebe Kollegen! Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es darum, das Gesetz, das an und für sich schon 1992 beschlossen worden ist, zu adaptieren, wobei es um
die kontinuierliche Anhebung des Frauenpensionsalters geht. Ich sage gleich vorweg für meine Fraktion, dass wir natürlich nicht zustimmen werden, dass es da keinen Einspruch gibt, weil wir nach wie vor noch davon überzeugt sind, dass gerade die Frauen dieser Geburtenjahrgänge, die es jetzt betrifft, jene sind, die so viel unbezahlte Arbeit für die Gesellschaft leisten. Diese haben es verdient, dass sie früher in Pension gehen dürfen. (Beifall bei der FPÖ.)
Deshalb bin ich ehrlich gesagt auch sehr verwundert, dass die SPÖ diesem Gesetzentwurf zustimmt. Das kann ich nicht verstehen. Gerade vorhin hat Frau Kollegin Schumann gesagt, wie wichtig die Frauen sind, die Pensionisten und die armen Frauen und, und, und. Und dazu sagt ihr dann Ja? Das kann ich überhaupt nicht verstehen. (Bundesrätin Schumann: Ich rede dann noch!) Ich meine, man hätte gerade bei diesem Gesetzentwurf jetzt endlich einmal ein Zeichen für die so viel beschworene Anerkennung der pflegenden Angehörigen setzen können. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Ist schon gut!)
Wenn jemand nachweist, dass er zu Hause Betreuungspflichten übernimmt, sei es jetzt für ein Kind oder sei es für ältere Menschen, leistet er einen so wertvollen Dienst an der Gesellschaft, dass man dann doch hergehen und sagen kann, dass er als Dankeschön dafür früher in Pension gehen darf. (Beifall bei der FPÖ.)
So, weil wir jetzt gerade bei den Pensionen sind: Es ist auch eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass wir es mehr oder minder von Gesetzes wegen gestatten, Pensionisten Inflationsanpassungen nicht zu gewähren, nur weil sie aufgrund ihres Geburtsjahrganges oder ihres Geburtstages nicht mit 1.1. in Pension gehen können. Jeder Unternehmer, der einen Dienstnehmer mit 1.12. einstellt und die KV-Erhöhung zum 1.1. nicht durchführt, kriegt Geldstrafen. Das ist im Sozialdumpinggesetz drinnen, und das geht Gott sei Dank nicht. Wir als Regierung, als Gesetzgeber aber dürfen solche Dinge machen. Bitte, das gehört auch schleunigst abgestellt! (Beifall bei der FPÖ.)
Leider ist Herr Kocher – heute war er mehr Wirtschaftsminister als Arbeitsminister – nicht mehr anwesend. Er hat uns gerade vorhin mit Herzblut erklärt, dass es eine solch wichtige Aufgabe sei, dass der Sozialstaat in Österreich nicht vor die Hunde gehe, wir müssten sparen und überlegen, wer Sozialleistungen kriege. – Ja bitte, habt ihr alle in der Regierung vergessen, dass ihr Milliarden Euro für Menschen hinauspfeffert, die nur hereinkommen und Asyl schreien? Da sollte man einmal nachdenken! Ich meine, das findet ihr immer alle in Ordnung und gerechtfertigt. (Beifall bei der FPÖ.) Sie regen sich darüber auf und sagen: Meine Güte, die armen Teilzeitbeschäftigten!, aber dass man da schon seit Jahren Milliarden Euro, wirklich Milliarden hinauswirft, stört Sie nicht. Oder die 500 Euro Klimabonus für Asylwerber und für strafrechtlich verurteilte Häftlinge: Da könnte man zum Beispiel unter Umständen auch sparen.
Diesem Gesetzentwurf werden wir also wie gesagt sicherlich nicht unsere Zustimmung geben. Wenn schon gespart werden muss, dann bitte nicht immer bei den Österreichern! (Beifall bei der FPÖ.)
14.37
Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Bundesrätin.
Wir haben ein kleines technisches Problem. Zu Wort gemeldet ist dann Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger – einige Sekunden noch und dann. (Ein Mitarbeiter der Parlamentsdirektion wechselt Mikrofone am Redner:innenpult aus.) – Bitte, Frau Bundesrätin.
Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Schülerinnen und Schüler! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Sehr geehrte Zuseher:innen zu Hause! (Die Schüler:innen verlassen den Sitzungssaal.) Ja, jetzt wollte ich gerne auch für die Schüler:innen erklären, was wir heute beschließen, bevor es nach der Rede von Kollegin Schartel zu großen Verwirrungen kommt. Ich erkläre es aber trotzdem.
Wir müssen de facto zwei widersprüchliche Gesetzesformulierungen in Zusammenhang mit dem Anstieg des Frauenpensionsalters reparieren. Es gibt nämlich zwei Gesetze, eines aus dem Jahr 1992 und ein weiteres aus dem Jahr 2004. Diese sind in Wirklichkeit unterschiedlich interpretierbar. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit würde uns das zu einem Gang vor den Verfassungsgerichtshof führen, und dann hätte es entsprechende Erkenntnisse gegeben. Darum gibt es hier heute eine gesetzliche Richtigstellung, die klar und eindeutig festlegt, welches Pensionsantrittsalter genau für welches Geburtsdatum infrage kommt.
Bei der Reparatur wurde – das möchte ich schon einmal sagen, Kollegin Schartl – die günstigere Variante gewählt, weil es nämlich den Vertrauensgrundsatz gibt. Dieser Vertrauensgrundsatz gilt selbstverständlich auch für diejenigen, die demnächst in Pension gehen. Wenn man eine Pensionsreform macht, muss man sie in der Regel deutlich früher machen, wenn sie so tiefgreifend ist. Genau deswegen wurde jetzt für die Betroffenen die günstigere Variante gewählt, weil diese vor dem Verfassungsgerichtshof eher halten wird. Außerdem sage ich auch ganz ehrlich: Warum sollen die Menschen, die jetzt in Pension gehen, aufgrund dessen, dass die Regierung davor keine entsprechenden klaren Formulierungen gefunden hat, auch noch bestraft werden?
Zum zweiten Teil des Gesetzes möchte ich mich auch noch kurz äußern: Es betrifft die Altersteilzeitregelung, weil Frauen natürlich jetzt schon in geblockter Altersteilzeit sind. Deshalb ist diese Klarstellung jetzt auch wichtig, weil es ja schon sein kann, dass der Pensionsanspruch während der Altersteilzeit entstanden ist. An sich ist es nämlich nicht möglich, dass Menschen, die einen Pensionsanspruch haben, die Altersteilzeit in Anspruch nehmen. Das wird mit dieser Ausnahmeregelung nun ermöglicht, weil diese Klarstellung die Ausnahmeregelung auch notwendig macht.
Zuletzt möchte ich auf einen Punkt eingehen, bei dem ich mich sehr freue, dass er heute beschlossen und noch ein weiteres Jahr verlängert wird, bevor er dann endgültig in Dauerrecht übergeht, nämlich der Bildungsbonus. Noch einmal
ganz kurz zur Erinnerung: Der Bildungsbonus ist ein Zuschlag von 120 Euro pro Monat für Menschen in Ausbildung, für Menschen in Arbeitslosigkeit, die in AMS-Schulungen sind, in Qualifizierungsmaßnahmen, in Bildungsmaßnahmen, die länger als vier Monate dauern. Das ist eine ganz wesentliche Maßnahme, um Menschen in Ausbildung, in Qualifizierung sozial und finanziell besser abzusichern, und inzwischen auch ein sehr erfolgreiches Modell, was durch Zahlen belegbar ist. Über 70 000 Menschen haben bis jetzt von diesem Bildungsbonus profitiert. Er wird im nächsten Jahr noch einmal erhöht und ausgeweitet, und es freut mich ganz besonders: mehr soziale Absicherung, bessere soziale Absicherung für Menschen in Arbeitslosigkeit und Ausbildung. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
14.42
Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Bundesrätin.
Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. Ich erteile ihr dieses. – Bitte, Frau Bundesrätin.
Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir über Pensionen reden, dann reden wir natürlich auch über den Vertrauensgrundsatz, aber wir reden auch über Generationengerechtigkeit. Es ist ganz einfach wichtig, dass unsere jungen Leute auch Vertrauen haben können, dass sie genauso wie wir in den Genuss kommen, dass es eine Altersversorgung gibt. Das ist ganz wichtig. Wenn ich oft mit jungen Leuten rede und sage: Du muss aber schon schauen, dass du deine vollen Stunden arbeitest, damit du dann auch eine Pension bekommst!, dann sagen sie immer: Wer weiß, ob ich das noch kriege! – Sie können darauf vertrauen, weil es ganz einfach unsere Aufgabe ist, auch darauf zu schauen. (Bundesrat Spanring: Nein, nein, auf gar nichts kann man vertrauen!)
Ich habe mir das einmal angeschaut: Wie ist denn überhaupt die Entwicklung bei den Pensionen? Wie schaut das aus? – 1970 waren es noch 13,7 Jahre, die Männer in Pension waren, wir Frauen 18,5 Jahre; 2016: 21,5 Jahre die Männer, die Frauen 26,7 Jahre. Wir dürfen auch Folgendes nicht vergessen, wenn man sich das anschaut – und darum ist es wichtig, dass wir sehr viele Erwerbstätige in der Wirtschaft haben –, denn laut Statistik Austria ist das jetzt so: Die Personengruppe 65 plus wächst bis 2040 um 45,5 Prozent. Das sind 790 000 - - (Ruf bei der SPÖ: Dann geht es wieder abwärts!) – Ja, es ist ja egal, aber die Zahl wächst (Bundesrätin Schumann: Nein, das ist nicht egal!), und das heißt aber auch: Wir brauchen ganz einfach Erwerbstätige, die in das System einzahlen. (Ruf bei der FPÖ: ... Asylanten!) Wir sehen, dass die Altersgruppe der 20- bis 24-Jährigen eher ein Minus schreibt. Heute kommen auf zehn Erwerbstätige 3,2 Pensionisten, und wenn sich das so fortschreibt, sind es 2040 4,8 Pensionisten.
Ein wesentlicher und wichtiger Punkt ist für mich aber ganz einfach die Pension für Frauen. Da ist mir schon wichtig, dass Frauen auch eine Pension bekommen, von der sie leben können, dass sie nicht abhängig sind. Das muss schon auch einmal wichtig sein. Wenn man sich das anschaut: Frauen gehen früher und haben auch einen längeren Anspruch auf die Pension – den Vorsprung, dass wir länger leben, möchte ich uns nicht nehmen lassen –, aber für mich ist das selbstverständlich und das habe ich auch als junge Frau immer schon gesagt: Ich hätte ganz gerne, dass wir auch die Chance haben, dass Frauen länger arbeiten und dadurch mehr Pension bekommen, denn wir dürfen nicht vergessen, dass Frauen um 20 Prozent weniger Beitragsmonate haben. Das wirkt sich ganz einfach dann auch auf die Höhe der Pension aus.
Eines muss ich schon auch sagen, und das drängt sich bei der ganzen Debatte schon auf: Warum nehmen wir alle hin, dass es heißt, die Doppelbelastung der Frauen? – Also meine Kinder haben einen Vater. Ich verstehe überhaupt nicht, dass das nicht auch aufgeteilt wird. Wo ist der Ruf nach halbe-halbe? – Das ist irgendwo verloren gegangen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Rufe bei der SPÖ: ÖVP-Länder! Bravo! Bravo!)
Ich muss auch ehrlich sagen, ich sehe - - (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) – Ich weiß schon, dass du nicht halbe-halbe machen willst, aber es täte dir ganz gut. Wenn ich mir jetzt einmal die jungen - - (Bundesrat Spanring: ... Macht euch das mit euren Männern aus! Das ist ja kein Thema, bitte!) – Junger Mann, bitte schön, du kannst dich dann zu Wort melden.
Wenn ich mir aber die jungen Frauen anschaue – die sind gut ausgebildet, ich brauche nur meine Tochter, meine Schwiegertochter anzuschauen –, dann ist es für mich eine Selbstverständlichkeit, dass man diesen jungen Frauen auch die Chance gibt, Karriere zu machen, dass man das in der Familie aufteilt, dass man da auch Einrichtungen schafft.
Ich weiß, wovon ich rede, und ich weiß, es ist nicht einfach. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Als Selbstständige, als Unternehmerin bin ich eine Kängurumutter, ich habe meine Kinder in die Firma mitgenommen. Ich weiß aber, dass ich da privilegiert bin und war, denn das kann eine Mitarbeiterin, ein Mitarbeiter nicht machen. Deshalb bin ich auch dafür – und ich werde immer dafür eintreten -, dass wir gute Kinderbetreuungseinrichtungen haben, dass wir gute Kindergärten haben (Bundesrätin Hahn: Sehr gut!), weil ich will, dass unsere Kinder nicht nur verwahrt sind, sondern dass sie betreut und gefördert werden. Das ist ein wesentlicher und wichtiger Punkt. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)
Ich unterstütze diese Einrichtungen, denn man sieht, wie schwierig es für Kinder ist, die nicht die nötige Unterstützung bekommen haben, ihre Ausbildung zu machen, in unserer Gesellschaft einen Platz zu finden. Da werdet ihr mich immer haben. Auf der anderen Seite ist mir aber schon wichtig, dass wir Frauen auch unser Antrittsalter in Anspruch nehmen, damit es dann auch die dementsprechenden Pensionen gibt.
Wir müssen uns schon auch die Auswirkungen auf die Wirtschaft anschauen. Natürlich ist es wichtig, wir brauchen Fachkräfte. Was macht denn die niederösterreichische Wirtschaft und die österreichische Wirtschaft so stark? –
Der Mix, den wir haben, der Mix von Kleinst- und Kleinbetrieben und Großbetrieben. Das macht uns krisenfest. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Genauso wichtig ist aber auch der Mix in den Betrieben. Wir haben Männer, Frauen, wir haben Junge und Alte, das ist ganz einfach wichtig. (Bundesrätin Hahn: Aber zur Halbtagsbetreuung ..., ja, ja!) Ich bin sehr froh, wenn wir ältere Mitarbeiter haben, weil ältere Mitarbeiter etwas Wesentliches sind. Man muss einem älteren Menschen aber auch Vertrauen geben, man kann nicht sagen: Na, du gehst eh schon in Pension! – Ich habe mir das angeschaut: Ab 45 will keiner mehr Weiterbildungen machen – da hängt es schon ein bissel –, und mit 50 traut sich niemand einen Karrieresprung zu. (Bundesrätin Gerdenitsch: Na geh, bitte!) Na, nicht böse sein, das kann es ja nicht sein! Da sage ich: Okay, da muss man unterstützen. Lebensbegleitendes Lernen ist ganz einfach etwas Wesentliches.
Angesprochen wurde der Bildungsbonus, den ich recht gut finde. Etwas möchte ich schon auch sagen, weil mich das heute ein bissel irritiert hat: Wir wissen, dass 80 Prozent unserer Unternehmen nur bis zu zehn Mitarbeiter haben. Da gibt es keinen Griff in die Kasse, denn wir wissen alle – und wir reden ja so oft darüber –, dass wir schwierige Zeiten haben, dass man schauen muss, dass man die Betriebe am Leben erhält, dass man die Rechnungen zahlt. Da greift keiner in die Kassa hinein, das kommt nicht vor. Wir haben – noch, muss ich sagen – eine funktionierende Sozialpartnerschaft im Land. (Beifall bei der ÖVP.)
Wir haben ein Lohn- und Sozialdumpinggesetz, und keiner von uns als Unternehmerin, als Unternehmer, als Selbstständige ist dafür, dass einer seine Leute nicht anmeldet und schlecht zahlt, weil das eine Wettbewerbsverzerrung ist. (Bundesrat Schennach: ... naiv!) – Nein, ich bin nicht naiv, sondern ich komme aus der Praxis und stehe noch immer in Steno. (Bundesrat Schennach: Nein, wir sind naiv!)
Dann sage ich euch noch etwas: Es geht ganz einfach wirklich um Wertschätzung, die wir in der Wirtschaft leben. Noch einmal: Es ist der Mix, es sind die Jungen, die Alten, die Frauen und die Männer.
Und ich sage euch etwas: Wenn immer wieder davon gesprochen wird, fällt mir ein alter Spruch ein, den ihr alle kennt: Die Jungen sind schneller, aber die Alten kennen die Abkürzung. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
14.50
Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.
Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin und Fraktionsvorsitzende Korinna Schumann. – Bitte, Frau Bundesrätin.
Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Frau Bundesrätin Zwazl, welche Schalmeienklänge! (Allgemeine Heiterkeit.) Puh, unglaublich! (Bundesrätin Zwazl: Korinna, du hast nie etwas anderes von mir gehört!) – Ich habe nichts gehört, und das fünf Jahre lang (Bundesrätin Zwazl: Nein, nein!), aber jetzt ist natürlich der Arbeitskräftebedarf da, das ist klar. Jetzt entdeckt man die Frauen wieder. (Bundesrätin Zwazl: Nein, das ist eine ...!) – Ist eh gut, Hauptsache, es geht etwas weiter. Ich kann mich ja nur freuen, wenn etwas weitergeht. (Beifall bei der SPÖ.)
Wenn jetzt aber so getan wird, als ob man schon früher so gedacht hätte, muss ich entgegnen: Nein, das ist nicht der Fall. Es wäre die Chance gewesen, die Kinderbildungseinrichtungen auszubauen – das hat diese Regierung nicht gemacht. Es wäre die Chance gewesen, dass wir jetzt bereits eine kostenlose Nachmittagsbetreuung hätten, aber das hat Herr Superkanzler Kurz torpediert, damit er an die Macht kommt. Ja ganz ehrlich, die Schalmeienklänge jetzt sind ein bisschen zu viel. Ich freue mich, wenn etwas weitergeht, aber das ist ein bisschen zu viel. (Bundesrat Bader: Die Märchen, die du erzählt hast, auch!) – Aber geh, wir wissen doch, was wirklich ist und was real ist. (Ruf: Ja, ja!)
Wir haben einen Pensionsunterschied zwischen Frauen und Männern von 41,1 Prozent; wir haben die Problematik der Rahmenbedingungen, was die Kinderbetreuung angeht, was die Pflege angeht; und wir haben die Problematik der Anhebung des Pensionsantrittsalters ab 2024.
Das ist ein Problem. Ich habe das schon vor etwa drei Jahren hier im Bundesrat gesagt, da hat niemand von der Regierungsseite das Ohrwaschl aufgestellt – natürlich nicht, da war es nicht interessant. Jetzt brauchen wir die Arbeitskräfte, jetzt ist es interessant. Na gut, schauen wir, was da weitergeht.
Ich gehe davon aus, dass sehr viele Betriebe noch nicht auf die Anhebung des Pensionsantrittsalters von Frauen vorbereitet sind. Wir wissen aus einer ganz tollen Wifo-Studie, dass die Hälfte aller Frauen derzeit nicht aus der Beschäftigung, sondern aus der Arbeitslosigkeit oder aus dem Krankenstand in Pension geht. Das heißt, da muss an vielen Schrauben gedreht werden. Es geht um bessere Arbeitsbedingungen, es geht um bessere Rahmenbedingungen, wenn man das Pensionsantrittsalter der Frauen hinaufsetzen und wirklich ein gesundes Arbeiten bis zum Regelpensionsantrittsalter ermöglichen möchte. (Beifall bei der SPÖ.)
Ganz ehrlich, was Sie den Frauen jetzt zumuten, ist schon gewaltig, vor allen Dingen mit Ihrer Regelung der Aliquotierung der Pensionsanpassung. Das ist im Zusammenhang mit der Anhebung des Pensionsantrittsalters von Frauen eine echte Ohrfeige für die Frauen: Das wird halbjährlich angehoben, die Pensionsaliquotierung greift am Anfang höher; je mehr man in das Jahr hineinkommt, desto weniger kriegt man an Anpassung. Das bedeutet für die Frauen, die jetzt später antreten, weil sie einfach mit der Regelung so antreten, einen Pensionsverlust. Das ist Pensionsraub und nichts anderes! Das müssen Sie wirklich ganz schnell reparieren, das ist notwendig! (Beifall bei der SPÖ.)
Der Frühstarterbonus ist ein Schritt gewesen, keine Frage, aber es ist zu wenig. Wir Gewerkschaftsfrauen haben schon sehr früh die bessere Anrechnung der Kindererziehungszeiten gefordert. Ich darf dieses Modell kurz erklären, um
nicht wieder einmal den Vorwurf zu bekommen: Ihr seid immer dagegen, aber ihr bringt kein Modell!
Die bessere Anrechnung der Kindererziehungszeiten wäre ideal. Wir haben bis zum vierten Lebensjahr der Kinder die Anrechnung einer Bemessungsgrundlage von 2 090 Euro für das Kind. Das ist sehr gut, es wird angenommen, die Frau würde in dieser Zeit 2 090 Euro verdienen, und davon erfolgt die Gutschrift auf das Pensionskonto. Das sollte man ausweiten, bis zum achten Lebensjahr des Kindes, und zwar vom vierten bis zum sechsten Lebensjahr des Kindes einmal 66 Prozent dieser Bemessungsgrundlage am Konto gutschreiben und vom sechsten bis zum achten Lebensjahr 33 Prozent dieser Bemessungsgrundlage gutschreiben. Damit hätten die Frauen einfach eine höhere Pension, das wäre eindeutig. Es würde nicht die Teilzeit fördern, weil es für jene Frauen, die Vollzeit arbeiten, genauso gilt wie für jene, die Teilzeit arbeiten. Das wäre ein kluges Modell gewesen.
Wir haben es vorgestellt, aber, ganz ehrlich, niemand von dieser Bundesregierung hat jemals mit uns darüber geredet. Die Frau Frauenministerin redet überhaupt nicht mit der Arbeitnehmer:innenvertretung – gut, die interessiert das nicht (Ruf bei der SPÖ: Die hat ja nicht einmal ...! – Bundesrätin Grimling: Wer ist das?) –, und auch seitens des Sozialministeriums wurde nicht geredet.
Ich stelle dieses Projekt aber jetzt in den Raum, weil es klug und eine gescheite Handlung wäre. Das kann man nur stichtagsweise machen, und all jene Frauen, die bereits davor in Pension gehen, müssten halt eine Gutschrift auf das Konto bekommen. Es geht um den Kampf gegen Altersarmut, und ich glaube, wir sind uns alle einig, dass das ganz, ganz wichtig ist.
Schön, dass Sie alle jetzt die Frauen entdecken, aber es gibt noch einen Punkt, der uns große Sorgen macht: Die Regierungsklausur hat stattgefunden, da wurde gebrütet, und dann wurde als große Errungenschaft bekannt gegeben, dass diese Regierung die geblockte Altersteilzeit abschaffen möchte. Das
ist wirklich ein Anschlag auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer! Die geblockte Altersteilzeit muss zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart werden. Sie ist gerade für Frauen in anstrengendsten Berufen eine Möglichkeit, aus dieser schweren Belastung herauszukommen. Greifen Sie da bitte nicht ein! Es ist unmöglich, wenn Sie jetzt die geblockte Altersteilzeit abschaffen.
Wenn der Herr Vizekanzler sagt, damit streicht man ein Frühpensionsmodell, muss ich entgegnen: Nein, Sie nehmen damit schwer belasteten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Möglichkeit, aus ihrer schwierigen Arbeitssituation herauszukommen. Wir werden jeden Widerstand leisten, der irgendwie möglich ist, wenn Sie dieses Projekt durchziehen!
Daher stelle ich folgenden Antrag:
Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Abschaffung der geblockten Altersteilzeit“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, wird aufgefordert, die Inanspruchnahme der geblockten Altersteilzeit weiterhin zu ermöglichen und nicht abzuschaffen.“
*****
Schaffen Sie das nicht ab! Es ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, und es ist die Variante, die viel weniger kostet und jenen Menschen, die schwer hackeln, die Möglichkeit gibt, aus dem Arbeitsleben gut auszusteigen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
14.57
Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Bundesrätin.
Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „keine Abschaffung der geblockten Altersteilzeit“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Bundesminister Johannes Rauch. – Bitte, Herr Minister.
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Werter Herr Vorsitzender! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Zunächst zum vorliegenden Antrag: Mit dem vorgeschlagenen Antrag wird gesetzlich klargestellt, welche Frauen von der Anhebung des Pensionsantrittsalters betroffen sind. Ich möchte da auch auf die Anmerkungen eingehen, die gemacht worden sind.
Das ist bei einer strittigen Bestimmung – und die gibt es in diesem Fall – die für die Frauen deutlich bessere Auslegung. Das haben wir bewusst gemacht. Es hat dazu im zuständigen Nationalratsausschuss Kritik gegeben. Es wurde gefragt, warum wir das machen, denn das sei doch nicht notwendig. Wir haben folgende Haltung vertreten: Frauen sind im Laufe ihrer Erwerbslaufbahn ohnehin genug Benachteiligungen ausgesetzt, also werden wir da die für die Frauen bessere Regelung treffen, und dazu stehen wir. Es ist auch die Regelung, die verfassungsrechtlich – jedenfalls glauben wir das – hält, die konform ist, und damit, meine ich, ist dem Genüge getan.
Insgesamt zur Frage des Pensionssystems, des Antrittsalters und der Debatte, die da entstanden ist: Wir haben in Österreich eine Situation des Arbeitskräftemangels insgesamt. Mittlerweile reden wir nicht nur vom Fachkräftemangel, sondern vom Arbeitskräftemangel. Da ist die Debatte entstanden: Wie kann es gelingen, mehr Menschen länger im Erwerbsleben zu halten?
Dafür bin ich gut und gerne zu haben, nämlich dafür, sich anzuschauen, wie Arbeitsbedingungen so gestaltet werden können, dass es Menschen möglich ist,
bis zum regulären Pensionsantrittsalter in Beschäftigung zu bleiben. Das sollte das Ziel sein. Das hat etwas mit Arbeitsbedingungen zu tun, das hat dann etwas mit Übergängen in die Pension zu tun, und das hat auch etwas damit zu tun, möglicherweise ein Erwerbsleben über das Pensionsantrittsalter hinaus zu ermöglichen und dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen.
Da die Situation der Frauen angesprochen worden ist: Wir haben heute den Frauengesundheitsbericht 2022 vorgestellt, durch den einmal mehr aufgezeigt wird, dass Frauen besonderen Belastungen ausgesetzt sind, auch im Laufe ihres Erwerbslebens, dass sie Doppel- oder gar Dreifachbelastungen haben.
Es hat sich auch gezeigt, dass die Anzahl der gesunden Lebensjahre – nicht die Lebenserwartung, sondern die Anzahl der gesunden Lebensjahre – bei Frauen deutlich geringer ist als bei Männern und dass insbesondere auch die Frage der Altersarmut ein Thema ist, das vor allem die Frauen betrifft.
Ich würde mich da gerne (in Richtung Bundesrätin Zwazl) Ihren Ausführungen oder auch den Zwischenrufen oder der Haltung, die von der Sozialdemokratie ohnehin vertreten wird, anschließen: Der beste Schutz der Frauen vor Altersarmut ist der Ausbau der Kinderbetreuung. Wenn es nicht gelingt, flächendeckend die Kinderbetreuung auszubauen, auch in Flächenbundesländern, auch dort, wo es nicht in diesem Ausmaß geschehen ist, dann wird das nicht zum Erfolg führen.
Ich kenne Unternehmen, auch in Vorarlberg, die angefangen haben, Betriebskindergärten einzurichten, weil sie nicht darauf warten wollten, bis die Kinderbetreuung durch die öffentlichen Stellen ausgebaut wird. Das ist schlicht und einfach eine Tatsache, und es ist letztlich gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern, dafür die Vorsorge zu treffen. (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)
Letzter Punkt: Was die Anrechnung der Kindererziehungszeiten angeht, bekomme ich mehrfach die Forderung, das noch weiter zu verbessern. Ich darf
Ihnen sagen, wir haben uns das auch im europäischen Vergleich angeschaut. Wo stehen wir da? – Was die Anrechnung von Kindererziehungszeiten angeht, ist Österreich im ersten Drittel beheimatet. Da sind wir nicht schlecht. Jetzt kann man immer über Verbesserungen reden, natürlich auch, was die Durchrechnungszeiträume und Horizonte angeht, aber insgesamt sind wir da nicht so schlecht. Über Verbesserungen kann immer geredet werden – das wird auch so sein. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
15.01
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir gelangen zur Abstimmung.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmenmehrheit fest. Der Antrag ist somit angenommen.
Es liegt ein Antrag der Bundesräte Korinna Kuh- - – ah! –, Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „keine Abschaffung der geblockten Altersteilzeit“ vor. (Bundesrätin Schumann: Muh! – Allgemeine Heiterkeit.) Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen
und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um
ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der
Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit
abgelehnt.
7. Punkt
Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heimopferrentengesetz geändert wird (3069/A und 1925 d.B. sowie 11176/BR d.B.)
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den Bericht.
Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heimopferrentengesetz geändert wird.
Der schriftliche Bericht liegt Ihnen allen vor.
Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Frau Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Kollegin.
Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Kinder und Jugendliche, die in der Nachkriegszeit in Heimen oder bei Pflegeeltern der Jugendfürsorge beziehungsweise in Kranken-, Psychiatrie- und Heilanstalten untergebracht waren, waren häufig starker Gewalt und Missbrauch ausgesetzt. Die Rede
ist von Einsperren, körperlicher Züchtigung, erzwungenem Wiederessen von Erbrochenem, Erniedrigung als Erziehungsmethoden, Bädern in eiskaltem Wasser, stundenlangem Stehen in der Kälte und Dingen, die ich überhaupt nicht aussprechen will.
Personen mit oder ohne Behinderung, denen solch massive Gewalt zwischen dem 9. Mai 1945 und dem 31.12.1999 in den oben genannten Einrichtungen widerfahren ist, können einen Antrag auf Heimopferrente stellen. Die Heimopferrente ist eine monatliche Geldleistung von 367,50 Euro ab dem Jahr 2023.
Mit den Neuerungen, die wir heute beschließen, können künftig auch dauerhaft arbeitsunfähige Personen, die keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben, weil ihr Partner oder ihre Partnerin zu viel verdient, dennoch eine Heimopferrente erhalten, sofern sie die weiteren Voraussetzungen für diese staatliche Leistung erfüllen. Sie mussten bisher bis zum Regelpensionsalter warten, um die Rente zu erhalten. Nun soll die Rente rückwirkend mit Inkrafttreten der Gesetzesnovelle an sie ausbezahlt werden, sofern ein Antrag innerhalb eines Jahres ab Kundmachung gestellt wird.
Weiters wird nun ein Urteil des Obersten Gerichtshofes berücksichtigt. Der OGH hat festgestellt, dass eine individuell vereinbarte beziehungsweise gerichtlich zuerkannte individuelle Entschädigungsleistung dem Bezug der Heimopferrente nun nicht mehr entgegensteht. Mit der Gesetzesänderung wird nun klargestellt, dass für Heimopfer, die schon eine individuelle Entschädigungsleistung erhalten haben, künftig bei der Anspruchsprüfung die gleichen Regeln gelten wie für Heimopfer, die eine pauschalierte Leistung bekommen haben.
Wie wir vorgestern im Ausschuss gehört haben, wird diese Gesetzesänderung wahrscheinlich nicht viele Menschen betreffen, aber diese Reparatur ist dringend, dringend notwendig und insbesondere für die Betroffenen wirklich
wichtig. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)
15.06
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Heike Eder. – Bitte, Frau Kollegin.
Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Lieber Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher daheim! Vor der Hölle habe ich keine Angst, ich habe sie nämlich schon erlebt! Nacht für Nacht kamen Erzieher in die Mädchenschlafsäle, und sie haben uns vergewaltigt! Einmal hat eine Erzieherin meine Arme in siedend heißes Wasser getaucht, das waren unvorstellbare Schmerzen! Bettnässer mussten in nassen Laken als Strafe stundenlang in der Kälte stehen, und wir mussten Erbrochenes essen! – Das sind nur einige Aussagen von Opfern in Heimen und Pflegeanstalten, Aussagen, die uns wahrscheinlich alle erschaudern lassen, und Aussagen, von denen wir uns gar nicht vorstellen können, wie es einem gehen mag, der so etwas erlebt hat.
Nichts kann solche Erlebnisse ungeschehen machen oder wiedergutmachen. Dennoch gibt es in Österreich seit 2017 die Heimopferrente und mit dieser Rente eine finanzielle Anerkennung des Unrechts für diese Betroffenen, die zwischen 1945 und 1999 Opfer von Gewalt und Missbrauch in Heimen geworden sind. Die Opferrente – wir haben es schon gehört – beträgt 367,50 Euro, und sie wird jährlich wertangepasst.
Dank der wertvollen Arbeit der Volksanwaltschaft schließen wir heute eine Lücke beim Thema Heimopferrente. Bisher haben nämlich Betroffene vor Erreichen des gesetzlichen Pensionsantrittsalters, wenn sie schon arbeitsunfähig und gleichzeitig nicht beim AMS als arbeitssuchend gemeldet waren, aber trotzdem alle sonstigen Voraussetzungen für die Heimopferrente erfüllt haben,
keine Rente bekommen, und zwar nur aus dem Grund, weil das Partnereinkommen so hoch war, dass sie keine Sozialhilfe erhalten haben. Diese Lücke schließen wir auf Anregung der Volksanwaltschaft heute und allem Vernehmen nach auch einstimmig, und darüber bin ich sehr froh.
Meine Damen und Herren, Prävention und Opferschutz können wir nicht hoch genug schätzen. Ich begrüße daher auch die Maßnahmen der Bundesregierung für den Schutz von Kindern und Jugendlichen, zum Beispiel die Erhöhung des Strafausmaßes beim Besitz von Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs und sexueller Gewalt an Kindern oder auch die Aufstockung der Mittel für die Opferschutzarbeit, genauso wie Verbesserungen bei der Bekämpfung von Kindesmissbrauch auch im Cyberraum. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätinnen Huber und Kittl.)
15.09
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner. – Bitte.
Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, dass wir heute, alle Parteien miteinander, diese Lücke in einem Gesetz schließen, das einen wirklich dunklen Teil unserer Geschichte und unserer Gesellschaft betrifft. Meine Vorrednerinnen haben schon ganz drastische Beispiele erwähnt.
Es geht um Gewalt, die Menschen in staatlichen Einrichtungen erfahren mussten, wo sie eigentlich hätten Schutz bekommen sollen, und das nicht in Zeiten eines Krieges, in einer Zeit der Ungesetzlichkeit, sondern in eigentlich friedlichen Zeiten.
Dennoch waren diese verschiedensten Formen von Gewalt individuell und strukturell in erschreckendem Ausmaß möglich. Die Volksanwaltschaft hat, gemeinsam mit meiner Kollegin aus dem Nationalrat, Genossin Sabine
Schatz, dankenswerterweise eben diese Lücken herausgearbeitet, um eine Form von Wiedergutmachung zu finden, eben die Auszahlung einer Rente für diese Opfer von Gewalt in Heimen. Mit dieser Vorlage schließen wir jetzt endlich diese Lücken, und das ist gut so.
Was uns alle extrem alarmieren muss und was wir im Idealfall aus diesen Heimskandalen jetzt lernen müssen: Kinder und Jugendliche sind nach wie vor Gewalt ausgesetzt, in öffentlichen Einrichtungen, in Vereinen, in Kultureinrichtungen und auch in der Familie, jeden Tag, wahrscheinlich jede Stunde. Das ist extrem schwer auszuhalten.
Wir haben allen jungen Menschen in dem Moment, als wir – unsere Vorgänger:innen in den meisten Fällen – vor rund 34 Jahren hier im Parlament die Kinderrechtskonvention ratifiziert haben, Schutz vor Gewalt versprochen. Dieses Versprechen können wir bis heute noch nicht halten. Wir halten dieses Versprechen von Schutz vor Gewalt leider nicht ein.
Wir hören regelmäßig von Einzelfällen, die uns zu Recht empören. Wir alle wissen auch, Hand aufs Herz, dass diese Einzelfälle nur die Spitze des Eisberges sind. Jeder einzelne Fall bedeutet extreme Angst, bedeutet Verletzungen an Körper oder Seele oder beidem und jedenfalls ein Trauma, das ein ganzes Leben beeinflussen kann. Oft führt es in der Folge zu chronischer Krankheit, Arbeitsunfähigkeit und jedenfalls zu quälendem Leid, wahrscheinlich jeden Tag.
Darum müssen wir gleichzeitig mit dem Versuch der Wiedergutmachung dieser begangenen Gewalt alles tun, um den Schutz von Kindern und Jugendlichen heute und in Zukunft zu gewährleisten. Dafür müssen aus meiner Sicht folgende Dinge getan werden, und das betrifft nicht nur Ihr Ressort, Herr Minister, sondern einige andere Ressorts auch.
Erstens: Kinder müssen über ihre Rechte informiert sein, und sie müssen auch wissen, was Unrecht ist.
Zweitens: Es muss flächendeckend Präventionsworkshops für Kinder und Jugendliche und für alle, die mit diesen Kindern arbeiten, geben, und zwar vom Kindergarten an über die Schule und auch in außerschulischen Einrichtungen. (Beifall bei der SPÖ.)
Es muss drittens verpflichtende Schulungen für alle Personen geben, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, um sie zu sensibilisieren, damit sie auch schon ganz leichte Signale von Anfang an wahrnehmen und erkennen.
Viertens braucht es aus meiner Sicht – und da unterscheide ich mich von der Idee der Bundesregierung – verpflichtende Kinderschutzkonzepte und Kinderschutzmaßnahmen bei allen Institutionen und Organisationen und Vereinen, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, nicht nur Anreize. Das wäre mir ganz wichtig, das muss verpflichtend sein.
Wir brauchen fünftens aus meiner Sicht kostenlose Zugänge zu Strafregisterauszügen, speziell im Ehrenamt. Das sollte über die Bürgerkarte abrufbar sein. Das würde Organisationen und Vereine enorm entlasten.
Es braucht sechstens, wenn tatsächlich trotzdem noch etwas passiert – was man nicht hoffen will, aber es passiert leider –, ganz rasche und unbürokratische Hilfe für die Betroffenen, damit gewährleistet ist, dass diese Kinder und Jugendlichen gut begleitet werden.
Siebtens braucht es Gewaltschutzambulanzen in ganz Österreich, weil diese eine ganz wesentliche Rolle in der ersten Phase von Gewaltanwendungen einnehmen können.
Es braucht achtens Kinderschutzzentren, die mit allen Ressourcen ausgestattet sind, die sie brauchen, aber auch die Abteilungen in den Ministerien und in den verschiedenen Einrichtungen, die sich beispielsweise mit Onlinemissbrauch beschäftigen und dahin gehend fahnden, müssen personell so ausgestattet sein, dass sie diese Arbeit gut machen können.
Und neuntens braucht es Ressourcen für diesen Kinderschutz für all jene, die ihn machen sollen, denn das macht sich nicht nebenbei, da muss man fokussiert darauf schauen. Auch wenn Staatssekretärin Plakolm wohl ein offenes Ohr hat, aber wenn sie Organisationen dafür 2 500 Euro anbietet, merkt man: Das kann es noch nicht gewesen sein, mit dieser Summe kann man Kinderschutz in Organisationen und Strukturen nicht etablieren. Das reicht nicht.
Das Ziel muss sein – gestern hat es auch Landesrat Michael Lindner in Oberösterreich betont –: Überall dort, wo Kinder sind, überall dort, wo Kinder sich aufhalten, muss ein sicherer Ort sein. Er muss sicher sein, bei gleichzeitig maximaler Freiheit. Das ist die pädagogische Spange, die es zu schließen gilt, aber das kann möglich sein. Das ist ein gemeinsamer, öffentlicher und privater Auftrag.
Mit der heutigen Beschlussfassung dieser Novelle bearbeiten wir also, was vor vielen Jahren an jungen Menschen, die mittlerweile alle erwachsen sind, verbrochen wurde. Wir versuchen ein wenig Wiedergutmachung für dieses erfahrene Leid. Gleichzeitig plädiere ich dafür, dass wir alles daran setzen, dass kein Kind so etwas je wieder erleiden muss. Daher brauchen wir jetzt ganz konsequenten Kinderschutz. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)
15.16
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Kollegin.
Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Vizepräsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die vorliegende Novellierung des Heimopferrentengesetzes dient dazu, eine Gesetzeslücke zu schließen. Demnach sollen in Zukunft auch jene, die bisher keinen Anspruch hatten, weil das Partnereinkommen zu hoch war, eine Heimopferrente bekommen. Mit dieser Novelle wurde auch auf eine OGH-Entscheidung reagiert.
Dieser hat festgestellt, dass eine individuell vereinbarte beziehungsweise gerichtlich zuerkannte individuelle Entschädigungsleistung dem Bezug einer Heimopferrente nicht entgegensteht. Anspruch auf eine Heimopferrente haben ja nur jene Menschen, die als Kind in einem Heim, in einer öffentlichen Einrichtung misshandelt oder missbraucht wurden.
Das Heimopferrentengesetz, welches unter freiheitlicher Regierungsbeteiligung entstanden ist, war ein längst fälliger Schritt. Es war mehr als an der Zeit, dass man diesen, wenn auch bescheidenen, finanziellen Ausgleich in die Wege leitet.
Wenn man die Geschichten jener Leute hört – wir haben es ja von den Vorrednerinnen gehört –, die misshandelt und missbraucht wurden, welche Martyrien sie durchleben mussten, also da schaudert es einen. Wenn man hört, dass Opfer bis heute unter posttraumatischen Belastungsstörungen leiden und bis heute oftmals keinen Schlaf finden, viele Opfer durch ihre Traumatisierung auch im Berufsleben ein Leben lang Schwierigkeiten hatten, dann schaudert es einen noch weiter.
Deshalb muss der Kinderschutz vor Gewalt und sexuellem Missbrauch eine gemeinsame Staatsaufgabe werden, bei der man auch darüber nachdenken soll und kann und muss, ob nicht auch bei den straf- und zivilrechtlichen Verjährungsfristen Handlungsbedarf besteht, um auch potenziellen zukünftigen Tätern zu signalisieren, dass sie lebenslang verfolgt werden können.
Ich würde mir aber auch wünschen, dass auch jene Kinder, welche vor laufender Kamera missbraucht werden, eine Entschädigung bekommen. Allein wenn ich an die 58 000 Videos denke, welche jener perverse, pädophile Mann – ich glaube, er ist Schauspieler – zu Hause hatte, wird mir nur mehr schlecht. Wie viele zerbrochene Kinderseelen bedeutet das, wie viele gebrochene Kinderseelen stecken dahinter? Da schaudert es einen wirklich, es wird einem absolut schlecht.
Genauso schlecht wird mir aber auch, wenn ich daran denke, dass dieser Fall eigentlich schon seit August 2021 bekannt war und viele darüber Bescheid wussten. Da muss ich schon fragen: Wollte man den Fall vertuschen, wollte man ihn einfach unter den Tisch kehren? – Ich weiß es nicht, keine Ahnung, ich kann nur sagen, dass sich alle, die bei Kindesmissbrauch wegschauen, selbst schuldig machen. Alle Täter sollten zu lebenslangen Zahlungen verdonnert werden, weil auch die Opfer ein Leben lang leiden müssen. (Beifall bei der FPÖ.)
Von Wiedergutmachungen kann man bei all diesen Zahlungen eigentlich gar nicht reden, denn was diese Perverslinge Kindern antun, ist mit nichts, aber auch mit gar nichts entschuldbar und kann auch nicht mehr gutgemacht werden.
Der heutigen Novellierung des Heimopferrentengesetzes werden wir selbstverständlich unsere Zustimmung erteilen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)
15.20
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger zu einem zweiten Redebeitrag. – Bitte, Frau Kollegin.
Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Keine zweite Wortmeldung: Ich habe bei der Antragstellung vergessen, zweitens den Antrag zu stellen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen – Entschuldigung, damit wir da jetzt, bei diesem Gesetzesbeschluss, keinen Fehler machen!
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt der Herr Bundesminister. – Bitte, Herr Minister.
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Geschätzter Herr Vorsitzender! Geschätzte Damen und Herren
Bundesräte! Vielen Dank für die sehr ernsthafte und engagierte Debatte jenseits des Heimopferrentengesetzes zum Thema Kinderschutz. Das gibt mir Gelegenheit, doch noch auf das einzugehen, was da geplant ist. Ja, wir sind uns über die Dimension schon im Klaren und haben jetzt im Ministerrat – das war schon länger, im Grunde seit letztem Sommer, vorbereitet – einen Schritt im Kinderschutz gemacht, den ich schon für einen großen halte.
An allen österreichischen Schulen sollen jetzt verpflichtend Kinderschutzkonzepte erarbeitet werden und verfügbar sein. Dazu soll noch im ersten Halbjahr 2023 ein Gesetzentwurf in Begutachtung gehen. Im Dienstrecht soll die vollständige Übergabe der Personalakten bei Ressortwechsel forciert werden, Hinweisen soll aufmerksam nachgegangen werden et cetera. Die elementaren Bildungseinrichtungen im Kompetenzbereich der Bundesländer werden miteingebunden. Auch das ist klargestellt – das war zunächst infrage gestellt worden.
Vereine und andere Institutionen sollen – ja, ich weiß, jetzt noch nicht verpflichtend – jedenfalls dazu angehalten werden, Kinderschutzkonzepte zu erarbeiten. Es ist völlig richtig festgestellt worden: Es kann einfach überall sein, dass derartige Fälle auftreten, und die große Verwunderung – kann das bei uns sein?, oder: wie konnte das bei uns sein? – kommt immer hintennach und dann zu spät. Die Kinderschutzkonzepte müssen bestimmten Qualitätskriterien entsprechen. Da reicht es nicht, einen Zettel zu formulieren und irgendwo aufzuhängen. Das ist nicht ausreichend. Darauf wird auch geachtet. Wir werden da in Vorlage treten und auch Muster, Kinderschutzkonzepte, ausarbeiten und vorlegen.
Es wird die Verständigungspflicht geben. Vereine sowie Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, bei denen Kinder und Jugendliche betreut werden, sollen Bescheid wissen, wenn von ihren ehrenamtlich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wegen sexueller Gewalt gegen Minderjährige eine akute Gefahr ausgeht. Es wird eine österreichweite Kinderschutzkampagne geben. Ich kann
das jetzt nicht alles anführen, das würde zu weit führen. Die Strafverfolgung wird verschärft; auch das ist geklärt.
Es ist auch mit Geld hinterlegt, und darauf wollte ich eigentlich hinaus. Es wird in Summe 9 Millionen Euro jährlich geben, und das ist ein Meilenstein im Kinderschutz in Österreich. Es wird auch die raschen Hilfen geben, weil wir da an ein Programm andocken, das wir schon haben. Das ist Gesund aus der Krise, ein Beratungsangebot von Psycholog:innen und Psychotherapeut:innen – sehr, sehr niederschwellig –, für das es 3,5 Millionen Euro zusätzliches Geld geben wird und in dem genau diese rasche Hilfe in Anspruch genommen werden kann. Es wird bei der psychosozialen Nachbetreuung und auch bei den Familienberatungsstellen mehr Geld geben. Es wird sehr wohl darauf geachtet werden – da ist Alma Zadić dran –, die Gewaltschutzambulanzen zustande zu bekommen, weil auch das ein zentraler Punkt ist.
Dieser Beschluss – so meine ich bei aller notwendigen Bescheidenheit, um nicht in Selbstlob zu verfallen – ist, und das sagen auch Kinderschutzeinrichtungen, ein Meilenstein im Kinderschutz in Österreich. Ich bedanke mich für die Einhelligkeit und die Ernsthaftigkeit, mit der das Thema hier behandelt wird. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
15.24
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir gelangen zur Abstimmung.
Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.
Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.
Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist angenommen.
Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.
Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle abermals Stimmeneinhelligkeit fest. Der gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.
Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.
Beschluss des
Nationalrates vom 1. Februar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das
Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz geändert wird
(3072/A und 1926 d.B. sowie 11177/BR d.B.)
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatterin ist abermals Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um die Berichterstattung.
Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz geändert wird.
Der schriftliche Bericht liegt Ihnen allen vor.
Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Frau Vizepräsidentin Andrea Kahofer. – Bitte, Frau Kollegin.
Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Hohes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Momentan haben wir keine Gäste. (Bundesrätin Zwazl – erheitert –: Galerie gibt’s keine! – Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) – Nein, haben wir nicht, aber: Liebe Zuseher im Livestream!, und vor allem: Werter Herr Minister! Jetzt geht es wieder einmal um das Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz. Ich habe ja schon über dieses Gesetz gesprochen und habe schon mehrmals einige Punkte angesprochen, die für mich und für viele, vor allem für die Betroffenen, nicht in Ordnung sind. Heute geht es in Wahrheit um eine Abänderung, und es geht wieder darum, dass eine ganze Gruppe vergessen wurde – so wie beim letzten Mal schon, als es sehr viele waren –: Jetzt geht es um die Leiharbeitskräfte.
Ich möchte in diesem Zusammenhang aber, bevor ich auf das Thema eingehe, auch in den Raum stellen, dass wir uns darüber Gedanken machen müssen – beziehungsweise dass Sie sich und wir alle uns Gedanken darüber machen
müssen –, warum es im Bereich des Gesundheits- und Pflegewesens immer mehr Leiharbeitskräftebedarf gibt (Zwischenruf des Bundesrates Preineder), warum immer mehr Menschen, die diese Berufe gelernt haben, die diese Berufe ausgeübt haben, sich jetzt Leiharbeitsfirmen zuwenden.
Ich habe gerade einen Bericht von einer diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegerin gelesen, warum sie diesen Weg gewählt hat. Sie hat diesen Weg deshalb gewählt, weil sie als Leiharbeitskraft in ihrem Beruf wesentlich mehr Rechte hat. Sie sagt ganz klar, sie kann sich aussuchen, ob sie Wochenenddienste macht, sie kann sich aussuchen, ob sie Überstunden macht, sie kann sich auch aussuchen, ob sie bereit ist, sich auf andere Stationen versetzen zu lassen.
Damit kommen wir zu einem Punkt, der nicht unwesentlich ist, wenn wir darüber reden, dass das Gesundheits- und Pflegesystem verbessert werden muss, dass wir Menschen in den Beruf bringen müssen, dass wir Menschen in diesem Beruf halten müssen: Die Rahmenbedingungen passen nicht. Sie passen einfach nicht.
Glauben Sie mir, ich selbst habe in der Familie, im Freundeskreis diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerinnen, die mir erzählen, dass sie knapp vor Dienstbeginn einfach auf Stationen eingeteilt werden, auf denen sie noch nicht einmal in ihrer Ausbildung gearbeitet haben, und dass das unverantwortlich und gefährlich ist und dann nicht geklärt ist, wie es mit Haftungen und Verantwortungen ausschaut – abgesehen davon, was das mit einem Menschen macht, der weiß, dass er jetzt unvorbereitet an einen Arbeitsplatz muss, an dem er durchaus auch Menschenleben gefährdet.
Wenn wir wollen, dass wir dieses System in Österreich wieder auf eine gesunde Basis stellen, dass wir Rahmenbedingungen schaffen, damit wir sagen können, jede Österreicherin und jeder Österreicher geht ruhigen Gewissens in Behandlung, weiß, dass er im Notfall gut versorgt ist, dass genug Personal,
genug ausgebildetes Personal da ist, dann müssen wir politisch einfach wirklich in die Tiefe gehen. Eine Pflegereform ist nicht mit Zahlungen erledigt.
Damit sind wir jetzt beim Thema der Zahlungen: Es ist richtig, dass auch die Leiharbeitskräfte in diese Pflegeprämie aufgenommen werden, aber es gibt noch immer ganz, ganz viele Gruppen, die nicht drinnen sind – noch immer sind es die OP-Assistentinnen und -Assistenten, noch immer sind es alle Beschäftigten im internen Transport der Krankenhäuser, die nicht aufgenommen worden sind. Diese sind genauso wichtig zur Aufrechterhaltung des gesamten Systems, zur Versorgung der Menschen, und sie sollen den gleichen Anspruch haben. Ich frage mich, warum sie nicht auch gleich in diese Änderung mitaufgenommen werden, warum diese Gruppen nicht auch berücksichtigt werden.
Herr Minister, ich habe Ihnen beim letzten Mal einen Brief aus einem niederösterreichischen Krankenhaus vorgelesen (Ruf bei der SPÖ: Lies ihn noch einmal vor!), den ich jetzt nicht mithabe (Heiterkeit bei der SPÖ), aber ich denke und hoffe doch, dass Sie sich daran erinnern. Es geht darum, was Menschen, die in diesen Berufen, die wir angeblich politisch so hoch schätzen, arbeiten, von dieser Regelung halten, wie sie es empfinden, und darum, welche Gräben aufgerissen werden, welche Differenzen es jetzt in den Krankenhäusern gibt, wenn die OP-Schwester die Prämie bekommt und die OP-Assistentin, die die gleiche Arbeit, die gleiche Tätigkeit verrichtet, diese nicht bekommt. Das hat Gräben aufgemacht, die noch immer nicht geschlossen sind.
Es sind Mittel in der Höhe von 570 Millionen Euro seitens des Bundes zugesichert: Was ist, wenn es mehr wird? Ich kann da nichts darüber lesen, wie die Finanzierung sichergestellt sein wird, wenn es darüber hinausgeht. Gibt es dazu klare Vorgaben? Gibt es da einen genauen Finanzplan? Hat man sich überlegt, wie das dann gestaltet wird?
Für mich ist auch noch ein kritischer Punkt, dass sich die Mittelausschüttung des Bundes an die Länder noch immer an der Bevölkerungszahl orientiert. (Bundesminister Rauch: Das stimmt nicht mehr!) – In diesem Gesetzesbeschluss steht es aber noch so. (Bundesminister Rauch: Nein, stimmt nicht!)
Was noch ganz besonders bedenklich stimmt, ist, dass wir hinsichtlich der Höhe dieser Prämie noch immer von einer Kann- und von keiner Mussregelung sprechen, denn es steht wieder drinnen: Es können bis zu 2 460 Euro inklusive Dienstgeberbeiträgen ausbezahlt werden. – Das kann nicht sein, dass in Eisenstadt andere Prämien ausbezahlt werden als in Bregenz. Es kann nicht sein, dass in ganz Österreich Menschen, die das Gleiche tun, die den gleichen Beruf haben, die die gleiche Arbeit ausführen, unterschiedliche Prämien dafür bekommen. Das kann nicht sein! Da muss es zu einer Gleichstellung kommen, denn auch das ist Diskriminierung, genauso wie das Ausschließen von einzelnen Berufsgruppen in diesem Bereich.
Diese Ungleichstellungen müssen weg! Wenn wir die Zukunft des Gesundheitswesens und des Pflegewesens absichern wollen, und das ist die Zukunft von uns allen, von jedem in Österreich, dann müssen wir endlich eine echte Pflegereform angehen.
Auch das habe ich beim letzten Mal gesagt: Es war für mich durchaus zu erklären, warum Sie gerade in der Zeit, als alles hochgekocht ist, als das gesamte Personal im Gesundheits- und Pflegebereich wirklich schon an den Grenzen war, als die großen Demos ausgerufen waren, mit Ihrer Pflegereform gekommen sind. Seither ist aber nichts weitergegangen, es ist noch immer das Reförmchen, es sind noch immer die Ansätze. Es sind nach wie vor keine nachhaltigen, zukunftsorientierten Ansätze. (Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl.) Wir müssen endlich ins Tun kommen, denn es ist nicht mehr viel Zeit!
Jetzt aber noch einmal zurück zum Thema, zu diesem stückchenweise Reparieren dieser Pflegeprämie, dem Zweckzuschussgesetz: Da gilt es noch, dazuzusagen, dass diese Boni nicht die Lösung sein können. Es ist notwendig, dass
diese Menschen die finanzielle Wertschätzung wirklich als Gehaltsbestandteil und nicht als Bonus bekommen. Deshalb bringe ich einen Entschließungsantrag ein:
Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Echte Wertschätzung beim Gehalt statt einmalige Boni für die Pflege!“
(Bundesrat Kornhäusl: Das ist eine Themenverfehlung!)
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, den Entgelt-Erhöhungszuschuss als echten Gehaltsbestandteil ab dem Jahr 2023 umzusetzen, diesen dauerhaft zu verankern und entsprechende Vorlagen zur Umsetzung des Vorhabens dem Nationalrat und dem Bundesrat zur Beschlussfassung vorzulegen.“
*****
Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesminister Rauch: Das haben wir eh schon gemacht! Das ist alles erledigt!)
15.36
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Der von den Bundesräten Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Echte Wertschätzung beim Gehalt statt einmalige Boni für die Pflege!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Kollegin.
Bundesrätin Claudia
Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich):
Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr
Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! 570 Millionen Euro stellt der Bund den Ländern in den Jahren 2022 und 2023 in Form von Zweckzuschüssen zur Verfügung. Damit soll die längst überfällige finanzielle Aufwertung des Pflegeberufes angestoßen werden. Ich sage deshalb „angestoßen“, weil diese heuer monatlich ausbezahlten Gehaltszuschüsse auch über das Jahr 2023 hinaus, wie wir auch schon gehört haben, verankert werden sollen. Das ist das Ziel des Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetzes, das ist Teil der Pflegereform der Bundesregierung.
Die Pflegereform ist ein Prozess, der noch länger nicht abgeschlossen sein wird. Um es sinngemäß mit den Worten unseres Gesundheitsministers zu sagen: Was „die Reform der Pflege angeht“, sind wir „sicher nicht am Ende angelangt. [...] Das war ein erster Schritt. Wir werden da dranbleiben“.
Das sollten wir uns in diesem Gremium auch vor Augen halten: Die Pflegereform ist kein Wundermittel, das die über Jahrzehnte aufgestauten Probleme im Bereich der Pflege über Nacht in Luft auflöst. Im Gegenteil, die Maßnahmen, die wir jüngst beschlossen haben, wie beispielsweise der Anspruch auf die sechste Urlaubswoche ab dem 43. Lebensjahr, der Angehörigenbonus oder die Kompetenzerweiterungen für Pflegeassistent:innen und Fachpflegeassistent:innen, müssen erst einmal in der Realität vieler Pflegekräfte ankommen. Unsere Aufgabe ist es dabei, an diesem Reformprozess dranzubleiben und ihn weiterzuführen.
Eine wichtige Komponente dabei ist die Evaluierung der beschlossenen Maßnahmen, und das führt mich wieder zum Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz und der heute zu beschließenden Novellierung: Diese sieht eben vor, den Kreis der Bezugsberechtigten um jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die als Leiharbeiter:innen in Pflege und Betreuung tätig sind, zu erweitern. Gleichzeitig wird festgelegt, dass ein monatlicher Betrag in einer Höhe von bis zu 2 460 Euro inklusive Dienstgeberbeiträgen pro Vollzeitäquivalent von den Ländern ausgezahlt werden kann.
Damit nehmen wir die Anpassungen vor, deren Notwendigkeit sich bei der Auszahlung des Pflegebonus im Jahr 2022 gezeigt hat, und konkretisieren so einen weiteren Schritt der Pflegereform, um für diesen wichtigen gesellschaftlichen Bereich eine dringend notwendige Entlastung und Linderung der mittlerweile vielerorts prekären Situation sowie eine Wertschätzung zu schaffen. Bleiben wir also dran, den Prozess der Pflegereform zu gestalten! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
15.39
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.
Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! „Der gesellschaftliche Auftrag der Pflege ist es, einzelnen Menschen, Familien und ganzen Gruppen dabei zu helfen, ihr physisches, psychisches und soziales Potenzial zu bestimmen und zu verwirklichen, und zwar in dem für die Arbeit anspruchsvollen Kontext ihrer Lebens- und Arbeitsumwelt.“ – So die Definition von Pflege laut WHO, nur damit wir auch wissen, worüber wir hier genau sprechen.
Wir sind im ersten Jahr der größten Pflegereform. Frau Kollegin Kahofer, Sie sind da nicht ganz am Laufenden. Nachlesen beziehungsweise zuhören (Bundesrätin Kahofer: ... Beschäftigten sprechen!), und Sie werden genau wissen, worum es sich jetzt handelt! Es ist das erste Jahr der größten Pflegereform der letzten 30 Jahre. Stets hörte man von den damals verantwortlichen sozialdemokratischen Sozialministern und auch von der kurzzeitigen freiheitlichen Sozialministerin: Die Pflege braucht dringend eine Reform, es braucht Verbesserungen! (Bundesrätin Kahofer: Ja, genau!) Wir arbeiten daran! – Ja woran wurde denn gearbeitet? Worthülsen, die bei Sonntagsreden auf- und abgespielt wurden, Vertröstungen auf Kosten einer immer größer werdenden vulnerablen Gruppe!
Die Bundesregierung hat in ihrem umfangreichen Arbeitsprogramm den Bereich Pflege in den Fokus genommen. Man kann sagen, dass diese drei gesetzten Eckpfeiler als Meilensteine der Pflegereform bezeichnet werden können:
Erstens die Unterstützung der pflegenden Angehörigen: drei Monate Anspruch auf Pflegekarenz; der Stundenzuschlag für die Betreuung von Personen mit Demenz wurde von 25 auf 40 Euro erhöht.
Pflegeausbildung: Der Ausbildungsbeitrag in der Höhe von 600 Euro pro Monat für jene, die in der Erstausbildung sind, wurde eingeführt, um den Beruf attraktiv zu machen. In Summe macht das für den Bund 225 Millionen Euro aus. Das ist die höchste Summe, die direkt in die Pflegeausbildung investiert wird.
Dritter Punkt: Mit 1. Jänner dieses Jahres startete das Pflegestipendium in der Höhe von 1 400 Euro für jeden, für jede, der oder die in den Pflegeberuf umsteigen möchte.
Die Pflegelehre ist ebenfalls in Vorbereitung und wird als neue Ausbildungsschiene im Herbst starten.
Alle Pflegerinnen und Pfleger, die mit viel Herzblut tagtäglich ihrer nicht einfachen und verantwortungsvollen Arbeit nachgehen, bekommen zu den fünf Urlaubswochen, sofern sie älter als 43 Jahre sind, eine Entlastungswoche dazu.
Jetzt zum monetären Bereich: Es wird eine dauerhafte Gehaltserhöhung für Pflegerinnen und Pfleger geben. Das Entgelterhöhungszweckzuschussgerät - - (Heiterkeit bei der SPÖ.) Das Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz – ein sperriger Titel – ermöglicht den Zuschuss an die Länder, damit die Länder das Geld auch an die betroffenen Berufsgruppen weitergeben können. Wir reden von 570 Millionen Euro, die in die Gehälter fließen, 570 Millionen Euro, die den Ländern als Vorschuss für die Jahre 2022 und 2023 vom Bund zur Verfügung gestellt werden. Das wird also vom Bund mitfinanziert, obwohl die Dienstverhältnisse ja im Aufgabenbereich der Länder liegen.
Wir, die Ländervertreter freuen uns darüber und bedanken uns sehr, sehr herzlich. Das ist gelebter Föderalismus – herzlichen Dank, Herr Bundesminister. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Danke! Danke!)
Mit dieser Änderung des Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetzes wird klargestellt, dass der Pflegebonus für unselbstständig tätiges Pflegepersonal, also auch für Leiharbeitskräfte, wirksam wird. Damit können die Länder auch an Leiharbeitskräfte ausbezahlte Entgelterhöhungen abrechnen und vom Bund bis 2 460 Euro pro Person, inklusive Dienstgeberbeiträge, refundiert bekommen. Erfreulich ist auch, dass es den gleichen Auszahlungsmodus in allen Bundesländern geben wird.
Das sind ganz klar Maßnahmen der Bundesregierung, um den Pflegeberuf sehr, sehr attraktiv zu gestalten und Personal zu bekommen, was sehr, sehr wichtig ist. Erfreulich ist wie gesagt, dass es die gleichen Auszahlungsmodalitäten geben wird. Das sind klare Maßnahmen von der Bundesregierung, um den Beruf attraktiver zu machen.
Pflegerinnen und Pfleger bekommen also in Zukunft mehr Geld, dauerhafte und pensionswirksame Gehaltserhöhungen statt Einmalzahlungen. Wie kann man da eigentlich dagegen sein? – Es gibt aber anscheinend doch immer wieder andere Sichtweisen.
Wir lassen uns diese weitreichende, zukunftsorientierte Pflegereform nicht madig machen und nicht schlechtreden, vor allem nicht von jenen, deren Verantwortungsträger bei dieser wichtigen Reform jahrzehntelang ihre Zeit anscheinend schlafend in der Pendeluhr verbracht haben.
Es wird noch weiterer Reformschritte bedürfen, aber der erste große Wurf ist gelungen. Danke an all jene, die konstruktiv, gesellschaftspolitisch denkend und auch parteiübergreifend zu diesem wichtigen Bereich der Pflege, die jeder von uns möglicherweise auch einmal in Anspruch wird nehmen müssen, etwas beigetragen haben. – Ein herzliches steirisches Glückauf. (Beifall bei der ÖVP.)
15.46
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. – Bitte, Herr Bundesrat.
Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren hier im Saal und vor den Bildschirmen! Wenn es eine Berufsgruppe gibt, die in den vergangenen Jahren besonders belastet war, dann ist das unter anderem sicher jene der Pflegekräfte in diesem Land, die bereits vor Corona schon schwere Arbeitsbedingungen gehabt haben, die durch die Situation im Gesundheitswesen, aber auch noch durch die Covid-Maßnahmen der Bundesregierung besonders belastet wurden und bis heute noch immer belastet sind.
Arbeitsminister Martin Kocher hat sogar angekündigt, Familien- und Sozialleistungen für Teilzeitbeschäftigte zu kürzen: Auch wenn er jetzt wieder zurückrudert, ist das der nächste Anschlag, vor allem auf die Frauen, die den Großteil der Pflegekräfte ausmachen. Teilzeitarbeit ist für den Herrn Arbeitsminister wohl ein Privileg, und das zeigt eine grundsätzliche Haltung dieser Regierung gegenüber den Österreichern. (Beifall bei der FPÖ.)
Zurück zum Zweckzuschuss, geschätzte Damen und Herren: Ja, das Ziel des Bundeszuschusses – unter anderem den Bundesländern eine einheitliche Anhebung der Gehälter im Pflegebereich zu ermöglichen – ist von unserer Seite zu befürworten. Der finanzielle Aspekt ist aber nur ein Teil der Problematik.
Ein weiterer Aspekt ist: Wie geht man mit dem Personal um? – Die Menschen vergessen nicht, was diese Regierung in den letzten drei Jahren vor allem mit den Ungeimpften, und darunter sind auch sehr viele aus dem Bereich des Gesundheits- und Pflegepersonals, gemacht hat. Wenn Sie glauben, dass die Menschen vergessen, was ihnen angetan wurde, dann irren Sie sich. Diejenigen, die das alles vorangetrieben haben, müssen endlich zur Verantwortung gezogen werden und sich endlich bei der Bevölkerung entschuldigen: für
die Maskenpflicht, für die Isolation, vor allem aber für die Impfpflicht und für vieles mehr. (Beifall bei der FPÖ.)
Die Konsequenzen liegen immer deutlicher auf dem Tisch: Nebenwirkungen sind nicht mehr zu leugnen, unzählige Kinder und Jugendliche leiden noch immer unter den Folgen der Maßnahmen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen begleiten uns noch Jahre, durch eine ausufernde Inflation. (Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl.)
Wer, Herr Kollege, übernimmt jetzt die Verantwortung dafür, dass unseren Kindern mehr als zwei Lebensjahre geraubt wurden, Kranke alleingelassen wurden, Alte in Einsamkeit sterben mussten, Freunde und Familienmitglieder gegeneinander ausgespielt und Ungeimpfte wie Aussätzige behandelt wurden? – Wir werden das nicht vergessen. Das hat eine Haltung gezeigt, die sich auch bei anderen Themen zeigt, und diese Haltung ist und bleibt unverzeihlich, untragbar und unfassbar!
Es ist eigenartig, dass derjenige, der diese Traumatisierung verursacht hat, jetzt zu einem Versöhnungsprozess einlädt und die Opfer dann um Versöhnung ersucht oder diese erbittet. Sofortige Neuwahlen wären das Richtige, volle Aufklärung und Konsequenzen für die Verantwortlichen – alles andere ist unakzeptabel! (Beifall bei der FPÖ.)
Viele Menschen fordern volle Aufarbeitung und Aufklärung. Daher bleiben wir der Anwalt derjenigen, die Aufklärung fordern, und wir werden alle Fakten ans Tageslicht bringen.
Geschätzte Damen und Herren, durch die Coronakrise wurde deutlich sichtbar, wie wichtig die Pflegekräfte für das Funktionieren unseres Gesundheitssystems sind. Natürlich war wie bereits gesagt die Situation im Gesundheitsbereich schon vor der Coronakrise angespannt, doch anstatt diese als Chance zu sehen und die Zeit zu nutzen, wurde die ohnehin schlechte Situation durch die Coronaregeln und den Druck in Richtung Coronaimpfung noch einmal erschwert und es wurden viele Beschäftigte im Gesundheitsbereich endgültig zur Aufgabe gezwungen.
Geschätzte Damen! (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: „Geschätzte Damen“?!) Klatschen ist zu wenig. Der Lohn der Regierung ist der versprochene Pflegebonus, allerdings brutto. Somit enteignet die schwarz-grüne Regierung diejenigen, denen sie Wertschätzung zuteilwerden lässt, sofort wieder durch Steuern und Abgaben.
Daher stellen die unterfertigten Bundesräte folgenden Entschließungsantrag:
Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Pflegeprämie muss auch in Kärnten und allen anderen Bundesländern 2.000 Euro netto betragen!“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert eine Regierungsvorlage dem Nationalrat zuzuleiten, die folgende arbeits-und sozialpolitische Forderungen im Bereich der Pflege unmittelbar umsetzt:
- Eine Novelle des Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz – EEZG, damit eine steuer- und abgabenfreie Auszahlung der 2.000 Euro an Pflegeprämie für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege rückwirkend für das Jahr 2022 erfolgen kann.
- Die gesetzliche Verankerung der Abgaben- und Steuerfreiheit für Pflegeprämien für 2023 und die Folgejahre
- Diese Abgaben- und Steuerfreiheit hat für alle Bundesländer zu gelten, und sich auch auf Zusatzprämien der Länder bzw. Gemeinden und Pflegeheimträger zu erstrecken“
*****
Zum Schluss möchte ich mich noch recht herzlich bei allen Pflegern und Betreuern bedanken, ob zu Hause, in Einrichtungen oder in der mobilen Betreuung. Danke für eure tagtägliche Rund-um-die-Uhr-Betreuung und -Pflege unserer Kranken und behinderten Menschen! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)
15.51
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Der von den Bundesräten Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Pflegeprämie muss auch in Kärnten und allen anderen Bundesländern 2.000 Euro netto betragen!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Ich darf jetzt den zwischenzeitlich angekommenen Staatssekretär Florian Tursky begrüßen: Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)
Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmenmehrheit fest. Der Antrag ist somit angenommen.
Es liegt ein Antrag der Bundesräte Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Echte Wertschätzung beim Gehalt statt einmalige Boni für die Pflege!“ vor.
Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)
Es liegt ein Antrag der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Pflegeprämie muss auch in Kärnten und allen anderen Bundesländern 2.000 Euro netto betragen!“ vor.
Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt. (Rufe bei der FPÖ: Sehr sozial!)
Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Zuschuss an die Länder für Wohn- und Heizkostenzuschüsse (Wohn- und Heizkostenzuschussgesetz) erlassen und das Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz – LWA-G geändert wird (3078/A und 1915 d.B. sowie 11171/BR d.B. und 11181/BR d.B.)
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl. – Bitte, Frau Kollegin.
Berichterstatterin MMag. Elisabeth Kittl, BA: Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 31.1.2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Zuschuss an die Länder für Wohn- und Heizkostenzuschüsse erlassen und das Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz geändert wird.
Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.
Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Otto Auer. – Bitte, Herr Kollege.
Bundesrat Otto Auer (ÖVP, Niederösterreich): Herr Staatssekretär! Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste hier und zu Hause! Besondere Zeiten verlangen besondere Maßnahmen. Die Unterstützung derer, die es brauchen, ist in einer Zeit, in der Krieg in Europa herrscht, umso wichtiger und notwendig. Ich denke zwar, dass das viele Leid und Elend, das der Krieg verursacht, dramatisch ist, aber doch sind die wirtschaftlichen Turbulenzen, die er hervorruft, auch bis in unsere Gesellschaft zu spüren.
Deshalb ist es ganz, ganz wichtig, dass all jene, die es brauchen, eine entsprechende Unterstützung bekommen, damit in einkommensschwachen Situationen und in sozialen Härtefällen, in denen man natürlich das Familieneinkommen anschauen muss, geholfen wird. Es darf niemand im Stich gelassen werden, es darf niemand zurückgelassen werden. Die Hilfe muss dort ankommen, wo sie erforderlich ist: bei Alleinerzieher:innen, bei Mindestpensionisten und bei einkommensschwachen Familien.
Unsere Regierung hat viele Maßnahmen auf den Weg gebracht, die den Menschen helfen, die bereits umgesetzt sind: zum einen der Energiekostenzuschuss, die Stromkostenbremse, der Teuerungsausgleich und viele steuerliche Maßnahmen, die erst in diesem Jahr bei den Menschen wirksam werden. Und da gibt es doch große Einsparungen, die den Familien helfen und mehr Netto vom Brutto übrig lassen.
Doch jetzt zum Thema: Wir haben hier den Wohn- und Heizkostenzuschuss, der treffsicher – und das freut mich besonders als Bürgermeister – über die Bundesländer und dort über die Gemeinden verteilt wird. Das Wichtigste ist, dass die Ansprechpersonen direkt vor Ort sind. Das heißt, auch für ältere
Menschen ist es kein Problem, die Anträge zeitgerecht zu stellen und eben das Geld einzufordern. Im Gesamten werden 500 Millionen Euro zur Auszahlung gebracht.
Natürlich sind soziale Vorgaben und Notsituationen zu berücksichtigen, damit die Verteilung treffsicher und bedarfsorientiert erfolgen kann. Die Gemeinden sind ein Garant dafür, dass die Treffsicherheit gewährleistet ist und auch die Antragstellung unbürokratisch und einfach erfolgen kann. Die Hilfe, die hier ausbezahlt wird, kommt punktgenau an und kommt zu den Menschen, die sie unbedingt brauchen.
Ich darf Sie daher ersuchen, diesem Gesetzentwurf mit uns gemeinsam zuzustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)
15.58
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Daniel Schmid. – Bitte, Herr Kollege.
Bundesrat Daniel Schmid (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher:innen hier im Saal und via Livestream! Wie die Genossin Schumann schon zuvor erwähnte: Wir befinden uns gegenwärtig inmitten der schlimmsten Inflation der letzten 70 Jahre. Und diese Teuerung trifft viele Menschen bis ins Mark.
Anstatt dass die Inflation in Österreich allmählich sinkt, halten wir mit dem Jänner 2023 bei einer Rekordinflation von 11,1 Prozent. Das ist über dem europäischen Durchschnitt – und das trotz der zu spät eingeführten Strompreisbremse.
Viele Menschen sind verzweifelt und wissen nicht mehr, wie sie über die Runden kommen. Das trifft nicht nur jene Menschen mit geringen Einkommen, das trifft auch Menschen, die noch vor Kurzem keine finanziellen Probleme hatten.
Bisherige Einmalzahlungen oder, wie ich sie nenne, Almosen verpuffen, so schnell kann man gar nicht schauen. Und was macht die Regierung? – Anstatt endlich effektive Maßnahmen zu setzen, welche die Inflation nach unten drücken, werden wieder 450 Millionen Euro an Steuergeld als Zweckzuschuss an die Bundesländer, diesmal für Wohn- und Heizkostenzuschüsse, verteilt. Es ist wieder nichts anderes als eine weitere Einmalzahlung, welche letztendlich von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern selber bezahlt wird und genauso wie die vorherigen verpufft.
Aufgrund der schlechten Regierungspolitik der letzten Monate ist diese Einmalzahlung jedoch dringend notwendig, um den Menschen in Zeiten der Kostenlawinen zu helfen. Daher stimmen wir auch dieser Gesetzesänderung zu.
Was wir aber ganz dringend brauchen, sind effektive Maßnahmen, welche die Inflation endlich senken. Es droht ja die nächste Belastung, denn mit April steigen die Richtwertmieten um 8,6 Prozent, somit rollt eine weitere Teuerungswelle auf uns zu, die für viele Menschen in diesem Land unerträglich ist und manche an den Rand ihrer Existenz bringen wird.
Bereits 2022 gab es eine Anpassung um knapp 6 Prozent, nachdem die Erhöhung für 2021 ausgesetzt wurde. Gerade die Aussetzung der Preisbindung 2021 zeigt uns, dass die Erhöhung kein Naturgesetz ist. Wir haben es in der Hand, die auf uns zukommende Teuerungslawine namens Mietpreisanpassung zu stoppen, indem wir die Mieten vorerst einmal einfrieren. (Bundesrat Kornhäusl: Wie in der Löwelstraße! – Bundesrätin Schumann: Na geh, bitte! Jetzt gibt es ein Urteil dazu! Jetzt gebt eine Ruhe!)
Auch sollen demnächst, Kollege, die Kategoriemieten um 5 Prozent steigen. Das wäre die vierte Erhöhung innerhalb von 15 Monaten und in Summe eine Erhöhung von 23 Prozent. Diese bevorstehende Erhöhung ist gegenüber den bereits unter der Teuerung leidenden Mieter:innen nichts anderes als eine verantwortungslose, ignorante Politik seitens der türkis-grünen Regierung. (Beifall bei der SPÖ.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der internationale Vergleich zeigt, dass Mieter:innen in Zeiten der enormen Teuerungswelle sehr wohl entlastet werden können. Ich nenne Ihnen Beispiele: Spanien, Portugal, Frankreich, Dänemark, ja sogar die Schweiz und Schottland haben überhaupt vorübergehend die Mieterhöhungen gesetzlich verboten.
Ich halte für Sie noch einmal fest: Mit dem Monat Jänner 2023 hatten wir eine Rekordinflation von 11,1 Prozent. Ein Aussetzen der gesetzlich vorgesehenen Mietindexierungen würde zu einer Abflachung der Gesamtinflation führen. Geschätzte, wenn man so will, schwarze Kolleg:innen der ÖVP, emanzipieren Sie sich endlich von den Türkisen in Ihren Reihen, stoppen Sie den Preiswahnsinn und arbeiten Sie wieder für alle Menschen in diesem Land, anstatt lediglich für die reichsten 10 Prozent! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Buchmann: Na geh!)
Und an die grünen Kolleg:innen gerichtet: Werte Kolleg:innen, wie wollen Sie jemals die Menschen im Land bei der so dringend notwendigen ökologischen Wende mitnehmen, wenn Sie nicht bereit sind, die so brennende soziale Frage zu lösen, sondern wenn Sie stattdessen die derzeitige soziale Situation durch halbherzige, zögerliche Maßnahmen noch verschärfen und mitverantworten? (Beifall bei der SPÖ.)
Sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsparteien! Wenn Sie nur annähernd ein Gespür für die Menschen im Land haben, dann gehen Sie mit uns gemeinsam gegen die drohende Mietpreiserhöhungslawine vor und stoppen diesen Preiswahnsinn! Wir müssen ein vorübergehendes Einfrieren der Mieten jetzt beschließen, jetzt auf den Weg bringen, um die drohende Erhöhung im April zu verhindern.
Aus diesen Gründen bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:
Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Daniel Schmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mieterhöhungen in Zeiten der extremen Teuerung aussetzen – Es braucht langfristige Konzepte für die Regulierung von Mietkosten!“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert umgehend ein mietrechtliches Inflationslinderungspaket zum Beschluss an den Nationalrat sowie den Bundesrat vorzulegen, das unter anderem folgende Punkte enthalten soll:
- Aussetzung der Erhöhung der Richtwertmieten bis Ende 2025
- Aussetzung der Erhöhung der Kategoriemieten bis Ende 2025
- Ab 2026 Entkoppelung von Mieterhöhungen von der Inflation und eine maximale Erhöhungsrate von 2% per anno.“
*****
Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
16.07
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr - - (Rufe bei der SPÖ: Dringliche! Dringliche! – Bundesrätin Schumann: Jetzt haben wir eh so lange gewartet!)
Der von den Bundesräten Daniel Schmid, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Mieterhöhungen in Zeiten der extremen Teuerung aussetzen – Es braucht langfristige Konzepte für die Regulierung von Mietkosten!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Ich unterbreche nun die Verhandlungen zur Tagesordnung.
Dringliche Anfrage
der Bundesrät:innen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend „Schluss mit Warten auf EU-Lösungen, Frau Edtstadler! Endlich handeln oder Rücktritt!“ (4073/J-BR/2023)
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen an die Frau Bundesminister für EU und Verfassung, die ich sehr herzlich bei uns im Bundesrat begrüßen darf. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen.)
Da die Dringliche Anfrage allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.
Ich erteile Herrn Bundesrat Josef Ofner als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte, Herr Kollege.
Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kollegen! Vor allem werte Zuschauer vor den Bildschirmen und hier im Saal! Ich würde sagen, dass der Rücktritt der Frau Minister eigentlich nicht ausreicht, sondern es notwendig ist, dass die gesamte Asyl- und Migrationschaosregierung zurücktritt, denn das wäre der einzig sinnvolle Schritt, damit die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung endlich wieder an erster Stelle steht. (Beifall bei der FPÖ.)
Frau Minister, wir haben heute diese Dringliche Anfrage natürlich mit einem Hintergrund an Sie gestellt. Der Hintergrund ist nicht jener, dass wir Ihren Besuch beim Opernball verzögern wollen oder dass wir uns dringend notwendige Lösungsansätze von Ihnen erwarten, denn wir wissen, dass da sowohl Unwillen als auch Unfähigkeit (Bundesrat Preineder: Die Kärntner Landtagswahlen!) und Untätigkeit gegeben sind und dass Sie auf dieser Ebene zumindest auf der gleichen Stufe angesiedelt sind wie die Herren Karner
oder Nehammer. Nein, Ihr Kommen haben wir aus einem ganz anderen Grund gefordert, und zwar nicht deswegen, weil Sie im Oktober des Vorjahres hier von der Regierungsbank nicht nur unsere Fraktion abschätzig betitelt haben – das halten wir erstens aus und zweitens haben wir keine besondere Erwartungshaltung an Sie gehabt –, sondern vor allem deshalb, weil es um die Sicherheitsbedürfnisse der österreichischen Bevölkerung und damit verbunden um die Verantwortungslosigkeit (Bundesrat Preineder: Abschätzig seid ihr nie, gell?) der derzeitigen österreichischen Sicherheitspolitik geht, die Sie arrogant negiert haben und wo Sie die Verantwortung nach Brüssel abgeschoben haben. (Beifall bei der FPÖ.)
Sie haben als glühende Brüsseljüngerin in dieser Sitzung vom Oktober 2022 vor allem eines mehrfach bekräftigt: Sie haben immer gesagt – und das ist der Zugang, der eigentlich seit Jahrzehnten nicht funktioniert –: Es braucht europäische Lösungen. Das waren Ihre Worte, aber da seid ihr euch in der ÖVP anscheinend nicht ganz einig, denn nur einen Monat später, im November, hat Herr Nehammer festgestellt: „Das europäische Asylsystem ist gescheitert“, und hätten Sie damals ein bissel besser recherchiert, dann hätten Sie vielleicht bemerkt, dass er auch im Jahr 2021, als er noch Innenminister war, bereits bekundet hat: „Das europäische Asylsystem ist gescheitert.“
Na was können wir von dieser ÖVP eigentlich noch ernst nehmen? Diese ÖVP ist nicht nur unfähig, sondern auch in höchstem Maße unglaubwürdig, und Kollege Himmer hat zu Recht heute wieder einmal bestätigt, dass Sie sich da eben auch nicht einig sind. Er hat in der Aktuellen Stunde zu Recht gefordert und gesagt, es braucht nationale Lösungen. Das haben Sie das vergangene Mal völlig in Abrede gestellt. (Beifall bei der FPÖ.)
Dass die Sicherheitspolitik in Österreich wegen geballter Inkompetenz dieser Chaosregierung vollkommen außer Kontrolle geraten ist (Bundesrat Preineder: Das ist sehr wertschätzend, was du gerade gesagt hast!), beweist ja vor allem Herr Nehammer eindrucksvoll. Der ist ja mit gecoachtem Selbstbewusstsein vor die Kameras getreten und hat Brüssel mit einem Veto gedroht. Ja,
was ist passiert? – Er ist als Tiger nach Brüssel gefahren und als Bettvorleger zurückgekommen. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Preineder: Hahaha!)
Da wundern wir uns eigentlich, dass in
dieser Koalition von ÖVP und Grün:innen die Grün:innen die
ÖVP noch immer nicht als klimaschädlich eingestuft haben. Das
müsste eigentlich schon lang passiert sein, denn wenn es um Migration und
Asyl geht, wird von der ÖVP so viel heiße Luft produziert, dass das
kein unwesentlicher Beitrag zur Erderwärmung ist. (Beifall
bei der FPÖ. – Bundesrat Preineder: Villacher
Fasching lässt grüßen! Lei-lei! – Bundesrat Schreuder:
Lei-lei! – Weitere Lei-lei-Rufe bei der ÖVP.) Da müssen Sie also aufpassen, Frau Minister, dass nicht ein paar
Klimakleber irgendwann auch zu Ihnen kommen und sich an Ihnen
festkleben, weil es dann im wahrsten Sinne des Wortes eng wird, und ich frage
Sie jetzt wirklich einmal: Wo sind denn Ihre Brüsseler Seilschaften
in den letzten vier Monaten gewesen? Was haben denn Sie in den letzten vier
Monaten gemacht, seit Sie Ihren Auftritt hier bei uns gehabt haben?
Was haben denn Herr Nehammer oder Herr Karner, die am besten bezahlten
Politiker unseres Landes, gemacht? – Genau nichts.
Es hat sich genau nichts gebessert, es gibt keine Lösungen. Das Einzige, was Sie zusammengebracht haben, ist, dass Sie vier Monate durch Europa getingelt sind und sich mittlerweile lächerlich gemacht haben, weil Sie kein Staat mehr ernst nimmt. Daher sind Sie alle nicht Teil der Lösung für eine starke nationale Sicherheitspolitik, sondern maximal der größte Teil des Problems in Österreich. (Beifall bei der FPÖ.)
Wenn ich mir heute die Aussagen von Frau Hauschildt-Buschberger vergegenwärtige, als sie gesagt hat: Ja, Gott sei Dank, es kommt zu einer Umverteilung der Migranten, und das ist in Brüssel beschlossen worden!, dann zeigt das eines: dass Sie von der ÖVP mit Ihrer restriktiven Sicherheitspolitik umgefallen und gescheitert sind. Wenn den Grün:innen irgendetwas in Fragen Asyl und Migration taugt, dann ist das schließlich brandgefährlich für die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung. (Beifall bei der FPÖ.)
So geht es allerdings nicht nur der ÖVP und den Grün:innen, von der SPÖ und den NEOS rede ich gar nicht. Die SPÖ hat zwar heute ganz neue Töne angeschlagen, aber das dürfte wohl den bevorstehenden Kärntner und Salzburger Landtagswahlen geschuldet sein (Bundesrat Bader: So wie die Dringliche!), weil man halt Angst hat, dass man einen weiteren politischen Rohrkrepierer wie in Niederösterreich erleidet. Es ist aber so: In Wahrheit ist die SPÖ wie immer in Fragen Asyl und Migration ebenso auf dem falschen Dampfer unterwegs, und das auch seit Jahrzehnten. Wir werden ja heute sehen, wie die SPÖ sich bei unserem Antrag verhalten wird.
Wir werden einen Antrag stellen, in dem wir die Lösungsansätze entsprechend präsentieren werden, in dem es eben nicht um eine Umverteilung in Europa geht, sondern darum, einen effektiven Schutz unserer nationalen Grenzen und die Abschaffung sämtlicher Anreize sicherzustellen und einen sofortigen Asylstopp in Österreich zu schaffen – und dann werden wir sehen, wer wieder im Liegen umfallen wird, liebe Sozialisten! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Hahn: Diese Platte hängt ...!)
Und das ist ja auch der Grund, warum wir in Österreich mittlerweile ein Zweiparteiensystem haben, mehr haben wir ja nimmer. Da gibt es die FPÖ, die sich für die Sicherheitsinteressen der Österreicher einsetzt, und dann gibt es den ganzen Rest, dem einfach alles wurscht ist, der brüsselhörig und gleichzeitig unfähig ist, die österreichische Bevölkerung entsprechend zu schützen. (Bundesrat Preineder: Wir haben in Niederösterreich einen Sicherheitslandesrat ... gehabt, der hat das ganz gut gemacht!) Ihr seid lieber dabei, EU-weit die illegale Migration zu legalisieren, damit das böse Wort illegal nicht mehr vorhanden ist. Ja, Herr Kollege Preineder, da kannst du schon herauskommen, die Niederösterreichwahl hat anscheinend zu wenig geschadet, die Überheblichkeit ist noch immer grenzenlos. (Beifall bei der FPÖ.)
Es ist jedoch so, dass die finanziellen Auswirkungen und auch die schrecklichen Straftaten und das gesamte Chaos nicht bedacht werden, das ist alles voll-
kommen egal. Da bin ich schon gespannt – und nun komme ich wirklich zu einem Thema, das heute bereits angesprochen wurde: Am 8. März, wissen wir, findet bekannterweise wieder der Weltfrauentag statt. Da bin ich gespannt - - (Bundesministerin Edtstadler: Was Sie alles wissen!) – Ja, Frau Minister, schön, dass Sie überrascht sind, aber ich weiß, Sie werden wieder scheinheilig heucheln, genauso, wie Sie es immer tun (Bundesrat Buchmann: Hallo!), das ganze Konglomerat der Heißluftproduzierer dieser Einheitspartei wird inhaltsleer herumsülzen. Da wird es heißen: Frauenrechte sind uns wichtig, Stopp der Gewalt an Frauen, und so weiter.
Ja, das wäre richtig und wichtig. Frauen gehören geschützt, aber genau mit eurer Politik macht ihr das nicht! Wo seid ihr denn, wenn es gilt, unsere Frauen tatsächlich zu schützen? Wo seid ihr denn? Die Ministerinnen sind alle abgetaucht, wenn es darum geht. Ihr seid nicht die Beschützer unserer Frauen, ihr seid die Lebensgefährder unserer Frauen mit eurer Politik! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schartel: Bravo!) Wo sind denn da die Aufschreie? (Bundesrat Buchmann: Das ist eine Grenzüberschreitung, was du sagst!) – Ja, Herr Kollege, du brauchst dich nicht aufzuregen, ich weiß, es tut weh, wenn man euch die Wahrheit ins Gesicht sagt und euch den Spiegel vorhält. (Bundesrat Buchmann: Das hat nichts mit weh zu tun! Es ist ungeheuerlich, wie du gegenüber den Damen in der Regierung umgehst!) Wichtiger wären die Aufschreie vom Hofburgschläfer angefangen bis zu den Frauensprecherinnen aller Parteien.
Wo sind die Aufschreie, wenn Frauen von Migranten vergewaltigt werden, wenn sich eine Wahnsinnstat ereignet wie im Fall Leonie oder wie kürzlich in Kärnten? In Kärnten gab es die Situation, dass in einer Schule ein Mädchen von Mitschülern, die auch illegale Zuwanderer sind, vergewaltigt worden ist. (Bundesrat Steiner: In der Schule! – Bundesrätin Schumann: Dann waren es aber keine Mitschüler!) Ja, da kommt nichts. Da ist es dann plötzlich ganz ruhig, oder es wird sogar, wie in Kärnten, versucht, die schreckliche Tat aufgrund der bevorstehenden Landtagswahlen unter den Teppich zu kehren und zu vertuschen. (Bundesrätin Schartel: Pfui!) Ja, da hören wir von der SPÖ keinen
Pieps, da ist es eigentlich unfassbar und eine einzige Schande, dass ein Landeshauptmann und Bildungsreferent mit seiner Bildungsdirektion hergeht, und da zählt dann die Wahltaktik mehr als das Leid dieses Mädchens. Wir sind natürlich in Gedanken bei ihr wie auch bei ihrer Familie und möchten auch das tiefste Mitgefühl aussprechen.
Da wird geschwiegen! Da schweigen die Medien. Da gibt es nichts, da wird nicht großartig darüber berichtet, und es wird auch nicht berichtet, dass sich das Ganze in der Schule während einer Religionsstunde zugetragen hat und jene Mitschüler nicht in dieser Religionsstunde waren, weil sie aufgrund ihres Glaubens davon befreit waren. (Bundesrätin Schartel: Katastrophal!) Das wird nicht berichtet. Es wird auch nicht berichtet, dass es anscheinend in dieser Zeit dort keine Beaufsichtigung gegeben hat.
Wo bleiben jetzt die Aufschreie, liebe SPÖ, von den Frauenrechtlerinnen, von den Kinderrechtlerinnen? (Bundesrätin Schumann: Die kommen schon!) Nichts hört man, keinen Pieps, weder in Kärnten noch von der Bundes-SPÖ. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: ..., so schaut’s aus!)
Gleich wenig hört man, wenn in Salzburg eine Polizistin von einem Afghanen schwer verletzt wird. Na, da wird maximal geschaut, dass die Nationalität des Afghanen nicht ans Tageslicht kommt. Gott sei Dank gibt es aber auch Medien, die dieses Spiel mit euch nicht mitmachen und entsprechend darüber berichten.
Oder: Frauen in Schwechat haben Angst, nach der Arbeit auf den Parkplatz zu gehen, weil sich in unmittelbarer Nähe ein Containerdorf mit über 400 ausschließlich jungen Männern befindet. Übrigens habe ich noch nie wahrgenommen, dass man bei uns in Österreich Container für unsere Obdachlosen aufgestellt hat, damit sie ihr Leben im Winter nicht im Freien fristen müssen.
Wisst ihr eigentlich, was ihr alle aus unserem Land gemacht habt? – Wir sind mittlerweile in einem Land angekommen, in dem es einer berufstätigen
Frau heute passieren kann, dass sie in der Früh mit dem Auto zur Arbeit fährt, um für ihr Einkommen zu sorgen (Bundesrätin Kahofer: Wenn sie nach Hause kommt, dass dort Gewalt auf sie wartet!), und dorthin zu spät kommt, weil irgendwelche narrischen Klimakleber auf der Straße picken und sie blockieren. (Bundesrätin Schumann: ... der eigene Partner, gerade wieder ein Beziehungsmord!) Während der Arbeit schaut sie sich vielleicht ihren Lohnzettel einmal an. Dann kommt sie drauf, dass sie mit ihrem Einkommen nicht mehr auskommt, um für ihre Kinder sorgen zu können, aber das ist der Regierung wurscht, das ist euch von der Scheinopposition wurscht, weil wichtig ist, dass wir das Geld nicht für die eigenen Leute haben, sondern für alles, was von außen hereinkommt. (Beifall bei der FPÖ.)
Dann, wenn sie am Abend nach Hause kommt und sich entscheiden muss, ob sie einkaufen geht oder heizt, und sich dann für das Einkaufen entscheidet, muss sie auf dem Rückweg vom Einkauf vielleicht noch Angst haben, dass sie von einem eurer afghanischen Atomphysiker vergewaltigt wird. Das ist mittlerweile die traurige Realität in Österreich.
Diese Gefahr zeigen wir Freiheitliche seit Monaten und Jahren auf, aber ihr habt sie bis heute nicht erkannt, und ihr wollt sie auch nicht erkennen. Das ist dann eben dieser Asylkurs, der bei euch herauskommt und der unserer Meinung nach – und auch der Meinung der Österreicher nach – um 180 Grad gedreht gehört. (Beifall bei der FPÖ.)
Denn wie lange werdet ihr denn das weitermachen – bis wir Fremde im eigenen Land sind, oder? Aber anscheinend will das diese Multikultiphalanx, die wir hier haben (Bundesrat Steiner: Die SPÖ braucht Wähler!), denn sonst gäbe es entsprechende Maßnahmen und einen beinharten Kurs.
Aber im Gegenteil, und da ist die ÖVP jetzt immer mit dabei: Da geht man her und verlängert den Klimabonus für Asylwerber. Das ist ja ein Wahnsinn: Man erhöht die Anreize. Da gibt es in Österreich keinen funktionierenden Grenzschutz, und die Polizei und das Bundesheer werden zu einem
Welcomeshuttleservice degradiert. Der Wahnsinn von 2022 wird ungebremst fortgeführt. Damals haben wir halt 109 000 Illegale gehabt, na vielleicht bringen wir heuer mehr zusammen. Vielleicht ist auch das euer Ziel, man weiß es ja nicht, und wir fahren migrationspolitisch unser Land mit Vollgas gegen die Wand. (Beifall bei der FPÖ.)
Abschiebungen werden nicht durchgeführt, und wir können uns noch daran erinnern: Während uns bei Corona völlig egal war, dass man unsere Kinder in den Schulen und Kindergärten zwangsgetestet hat, hat man straffällige Asylwerber nicht mit dem Flugzeug abschieben können, weil man auf die Menschenrechte verwiesen hat, wenn es um die Tests gegangen ist.
Die Kosten für die Grundversorgung, für die Gesundheitsversorgung, für die Absicherung und die Geldleistungen fliegen uns um die Ohren – alles vollkommen egal! Der brave österreichische Steuerzahler muss diesen Unsinn und Irrsinn finanzieren und aushalten und wird tagtäglich regelrecht verarscht.
Das sagen nicht nur wir Freiheitliche, nein, das bestätigen mittlerweile ehemalige hochrangige Beamte wie beispielsweise der ehemalige Leiter des Flüchtlingslagers Traiskirchen, Franz Schabhüttl, der sagt: „Alle haben gelogen“ und die Probleme werden nicht angesprochen. Er hat aufgezeigt, mit welchen Tricks von Schleppern und den NGOs, die ja vielfach auch ein bisschen Ihren Parteien zuzurechnen sind, unter dem Titel Asyl ein Aufenthaltstitel erreicht wird, und dann sind die Leute bei uns im Land, obwohl sie vor der Polizei im eigenen Heimatland geflohen sind. Dann sind sie bei uns. Wie er gesagt hat: 90 Prozent sind junge Männer der untersten sozialen Schicht, Analphabeten, und die soziale Hängematte ist aufgrund Ihrer fehlgeleiteten österreichischen Sozialleistungen bei uns in Österreich ausgebreitet. In diese Hängematte werden alle von euch getrieben.
Dafür haben sich dann die Österreicher kulturell anzupassen und zu unterwerfen, statt dass man diesen Herrschaften erklärt, was ein Gastrecht bedeutet. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Gruber-Pruner: Pfui Teufel!)
Heute ist bereits gekommen, wie das mit dem Pflegebonus ausschaut. (Bundesrätin Gruber-Pruner: Pfui Teufel, was du redest!) Das haben wir gesehen, eine Kärntnerin hat es mir vor Kurzem gezeigt – die Heldinnen von Corona, hat es von allen geheißen –: 371 Euro netto hat sie erhalten, 371 Euro netto. Und jeder Asylwerber, der nach Österreich kommt, kriegt 500 Euro Klimabonus. Also da muss man ja wirklich sagen, wir sind völlig falsch unterwegs. Allen wird das Geld auf dem Silbertablett serviert.
So, und dann sind 67 Prozent aller Österreicher mit dieser Vorgehensweise nicht mehr einverstanden – alles vollkommen egal, interessiert gar keinen.
Da gibt es auch gar keinen Unterschied, das haben wir heute wieder bei Herrn Karner gemerkt: Es gibt keinen Unterschied zwischen Asyl auf Zeit, Migration und Vertriebenenstatus. Nein, er hat heute wieder alles in einen Topf geworfen, redet 7 Minuten von seinen 10 Minuten von den Vertriebenen aus der Ukraine. Das hat mit der Asylproblematik genau gar nichts zu tun. Die Migranten werden eingeladen, unser Land, unser Sozialsystem und unsere Kultur zu fluten, bis wir untergehen.
Und was macht die Frau Minister? Was machen Sie? (Bundesrätin Gruber-Pruner: Schäm dich für deine Wortmeldung, schäm dich für deine Haltung!) – Frau Kollegin, hör einmal zu! – Sie haben vor Kurzem erklärt – vielleicht, Frau Kollegin, kannst du dich auch noch erinnern –, dass Ungeimpfte sich vielleicht illegal in unserem Land aufhalten. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Edtstadler.) Ja, das haben wir vor Kurzem gehört. Und was ist jetzt? Was ist jetzt? (Zwischenruf bei der FPÖ.) Alle Illegalen, die wir da haben, halten sich die vielleicht rechtmäßig in unserem Land auf? (Anhaltender Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)
Aber das ist es halt. (Bundesrätin Schumann: ... Menschenverachtung!) Sie bauen auf die EU, auf jene EU, die die Coronakrise, die Inflationskrise, die Energiekrise, auch den Russland-Ukraine-Konflikt ebenso wie die Asyl- und die Teuerungskrise genauso wie diese Chaosregierung mit zu verantworten hat –
alle Willkommensklatscher aus dem Jahr 2015 sind dort dabei –, jene EU, die wie unsere Bundesregierung eine Kriegspartei im Osten entsprechend finanziell unterstützt. Da gibt es dann vom Hofburg-Sascha 5 Millionen Euro für Kiew. (Vizepräsidentin Kahofer übernimmt den Vorsitz.)
Leider Gottes haben wir in Kärnten voriges Jahr eine Situation mit einem schweren Unwetter in Arriach gehabt, die warten heute noch auf 2,4 Millionen Euro. Die eigenen Leute sind also wieder einmal nichts wert. Nebenher wird die Neutralität mit Füßen getreten, also eigentlich ist es eine einzige Schande für Österreich. (Beifall bei der FPÖ.)
Und ja, es wird eben nicht die Migration gestoppt (Bundesrätin Schumann: Ich habe gedacht, man soll Migration mit Asyl nicht verwechseln, hat uns der Herr Steiner gesagt!), es wird auch nicht die Schlepperei gestoppt, sondern da feiert man dann gemeinsam das Verteilersystem ab.
Alles ist völlig außer Kontrolle. Dass der Bundespräsident in letzter Konsequenz überhaupt noch hergeht und sagt: Auch wenn eine Partei die stärkste in diesem Land wird, erteile ich ihr keinen Regierungsauftrag!, ist ja eigentlich fast eine Begleiterscheinung des vollkommenen Irrsinns.
Da kann ich Ihnen abschließend nur noch eines sagen: Sie können es nicht, Ihre ÖVP kann es nicht. Am Anfang, im Jahr 2020, hatten wir mit dieser Regierung eine Situation, dass die ÖVP diese Regierung angeführt hat und die Grünen eher das Beiwagerl waren. Heute sind die Grünen dazu aufgestiegen, dass sie in dieser Regierung eigentlich die türkis-schwarzen Fäden der schwarzen Marionetten ziehen und die ÖVP immer mehr zu einer asyl- und migrationspolitischen Blindschleiche verkommt. Jeden Tag wird ein Stück des restriktiven Kurses, ein Stück des konservativen Kurses abgeworfen, und eigentlich stehen das V und das P nicht mehr für Volkspartei, sondern es ist die Verräterpartei in Österreich. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Preineder: Frau Präsidentin, einen Ordnungsruf!)
Wir brauchen eine Festung in Österreich. Wir Freiheitliche werden uns auch gerne schützend vor die österreichische Bevölkerung, vor allem auch vor unsere Frauen, stellen (Ruf bei der SPÖ: Die müssen wir vor euch schützen!), und dann ist endlich Schluss mit diesem Irrsinn. (Bundesrätin Schumann: Die Frauen an den Herd! Danke fürs Schützen!)
Ich sage Ihnen eines: Österreich muss endlich wieder an erster Stelle stehen. (Bundesrätin Schumann: Danke! Super!) Wir werden heute zum wiederholten Male unsere entsprechenden Lösungsansätze präsentieren. Sie haben ja die Möglichkeit, auch mitzugehen (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), dann wird man ja sehen, wer für Österreich und die Österreicher zuerst steht. Das wird wahrscheinlich wieder nicht passieren. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)
Daher: Machen Sie alle mit Ihren Beitragstätern endlich den Weg für die Freiheit in Österreich frei! Lassen Sie die Österreicher aus Ihrer Geiselhaft! Dann wird es in Österreich wieder heißen: Österreich zuerst! (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Genau! Und dann vielleicht zusätzlich ...! – Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)
16.30
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Zur Beantwortung hat sich die Frau Bundesministerin für EU und Verfassung zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Hohes Haus! Ich möchte zunächst einmal sagen, dass ich das erste Mal hier in diesem neuen Bundesratssaal bin und dass es mir tatsächlich eine große Ehre ist, hier in diesem neu renovierten Haus und auch in diesem neuen Saal der Demokratie dienen zu dürfen (Bundesrätin Steiner-Wieser: Dem Volk! – weiterer Zwischenruf bei der FPÖ), das heißt, auch Meinungen anderer auszuhalten – vielleicht auch
ohne Zwischenrufe oder auch mit Zwischenrufen. Wie auch immer: Ich empfinde es als tatsächliches Privileg.
Herr Bundesrat Ofner, ich möchte mich ganz speziell bei Ihnen für die – unter Anführungszeichen – „charmante“ Einleitung bedanken (Bundesrat Ofner: Gerne!), auch für die Bewertung meiner Arbeit mit unterschiedlichen Eigenschaftswörtern, die ich nicht wiederhole. Ich habe in mehr als fünf Jahren Politik gelernt, das auch irgendwie über mich ergehen zu lassen.
Eines, Herr Bundesrat, lasse ich mir aber nicht unterstellen: Scheinheiligkeit, wenn es darum geht, Frauen zu fördern, Frauen zu unterstützen und vor Gewalt zu bewahren. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesrät:innen der Grünen sowie des Bundesrates Novak. – Bundesrat Steiner: Ach so?! Was war mit der Leonie?! – Bundesrätin Steiner-Wiesner: Was ist mit der Leonie?!)
Zu Ihrer Dringlichen Anfrage möchte ich Ihnen sagen (Zwischenruf bei der FPÖ), dass der Zeitpunkt eigentlich nicht besser sein könnte – nicht weil, wie Sie es beschreiben, das eh immer schon ein Thema ist, das nicht gelöst wird, sondern weil jetzt entscheidende Schritte nach vorne gemacht worden sind (Bundesrat Spanring: Von wem?), um dieses Thema tatsächlich zu lösen.
Ich sage Ihnen auch: Ich bleibe dabei, was ich schon gesagt habe, was Sie ja wiederholt haben, dass das europäische Asylsystem gescheitert ist. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Wir sehen es anhand der Zahlen, wir sehen es anhand der über 100 000 Asylanträge, die im Jahr 2022 in Österreich gestellt worden sind: eine Steigerung von rund 200 Prozent, eine Pro-Kopf-Belastung, die in der Europäischen Union an der zweiten Stelle steht. Und: 75 Prozent derer, die nach Österreich gekommen sind, wurden vorher noch in keinem EU-Land registriert. Dieser Zustand ist eigentlich nur möglich, wenn Migrantinnen und Migranten mit dem Fallschirm über Österreich abspringen. (Bundesrat Steiner: Das sagen wir seit zehn Jahren!) Wir wissen, dass das nicht der Fall ist, und deshalb bleibe ich dabei, genauso wie der Bundeskanzler und auch der Innenminister (Bundesrätin Steiner-Wiesner: Das ist ja scheinheilig!), dass dieses System gescheitert ist, dass Dublin III tot ist
(Ruf bei der FPÖ: Unglaubwürdig!) und dass – und da sind wir uns in der Problemanalyse ja sogar einig; es tut mir fast weh, Ihnen da recht geben zu müssen, aber da sind wir uns einig – die Problemanalyse heißt: Wir brauchen da Antworten, und es geht um die Sicherheit für Österreich und es geht um die Sicherheit für die Europäische Union.
Was ist denn der Schlüssel dazu? – Der Schlüssel dazu ist ein funktionierender Außengrenzschutz. Das ist unsere gemeinsame Grenze, und da brauchen die Staaten an der Außengrenze, wie zum Beispiel Bulgarien, auch unsere Unterstützung: in personeller Hinsicht, in technischer Hinsicht, mit Infrastruktur wie Drohnen. Das ist etwas, das ich zum Beispiel – das ist jetzt ein kleiner Vorgriff auf Ihre Fragen – auch heute mit der stellvertretenden Außenministerin aus Bulgarien besprochen habe.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Worauf ich aber auch Wert lege, ist, dass wir all diese Maßnahmen immer unter der Berücksichtigung von Humanität und von Menschlichkeit setzen und dass wir dabei selbstverständlich auf unsere Sicherheit, auf die Menschen und die Sicherheit der Menschen in diesem Land Bedacht nehmen. Das müssen wir tun und das tun wir.
Ich glaube, viele von Ihnen – vielleicht nicht von der FPÖ, aber die anderen, glaube ich – teilen meine Vision, die ich für ein gemeinsames Europa habe. (Bundesrat Steiner: Das ist ja das Traurige!) Das ist die Vision eines Europas ohne Grenzen, das ist die Vision eines Europas ohne Grenzen nach innen, mit festen Grenzen nach außen, mit einem entsprechenden Außengrenzschutz. (Bundesrat Steiner: Diese Vision ist gescheitert!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es kann nicht sein, dass die Schlepper bestimmen, wer nach Österreich kommt. (Bundesrat Steiner: Das tun sie aber!) Das Heft des Handelns muss in unserer Hand bleiben, und dafür setzen wir uns ein. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Mir wäre das so zu peinlich! Ich täte mich schämen!)
Ja, liebe Bundesräte der FPÖ, ich billige Ihnen zu: Sie sprechen hier ein Problem an, Sie sprechen es sehr scharf an (Bundesrat Spanring: ... weil es sonst keiner
tut!), Sie sprechen es teilweise in einer Art und Weise an, die ich persönlich massiv ablehne, aber Sie sprechen ein Problem an, das viele Menschen in diesem Land bewegt und das auch uns als Bundesregierung massiv bewegt. (Bundesrat Steiner: Ja, speziell den grünen Teil der Regierung!) Deshalb sind wir da auch dran, etwas zu tun.
Liebe FPÖ, ich darf Ihnen aber auch etwas sagen: Die Lösungen, die Sie den Menschen vor Augen halten, das sind Träumereien (Rufe bei der FPÖ: Na, na, na!), die funktionieren schlicht und einfach gar nicht. (Beifall bei der ÖVP.) Ihre geforderte Festung Österreich widerspricht der Europäischen Menschenrechtskonvention (Bundesrätin Schartel: Na geh!), widerspricht dem europäischen Recht (Ruf bei der FPÖ: Und was passiert?!), widerspricht der Genfer Flüchtlingskonvention. (Bundesrat Steiner: Wo ist das Problem?! – Bundesrätin Schartel: ... bei den Frauen?! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Wo ist das Problem?!) – Liebe Bundesräte und Bundesrätinnen, ich verstehe gar nicht, wieso Sie sich so aufregen. (Bundesrat Steiner: Na, wo ist das Problem ...?!) Sie brauchen ja nur Ihren Klubobmann zu fragen, Herbert Kickl, der Bundesminister der Republik Österreich war (Bundesrat Steiner: Ja, da waren Sie Sekretärin! Da waren Sie seine Sekretärin! – Ruf bei der ÖVP: Hallo!) und der sich als der beste Bundesminister aller Zeiten abfeiern lässt. Was hat er denn gemacht? (Beifall bei der ÖVP. –Zwischenrufe bei der FPÖ.) Er hat genau nichts geändert, nichts hat er geändert am bestehenden System. Und warum? (Bundesrat Steiner: Er hatte eine schlechte Sekretärin! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Darf ich bitte um Ruhe im Saal bitten?! (Bundesrat Steiner: Er hatte eine schlechte Sekretärin! – Bundesrat Bader: Halt einmal deine Pappen, hearst! Das ist ja doch ein Witz! Respektlosigkeit!)
Ich ersuche um etwas mehr Disziplin und Ruhe. Man kann nichts mehr verstehen. (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)
Die Frau Bundesminister ist am Wort.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler (fortsetzend): Das, was Sie fordern, hätte der gewesene Bundesminister Herbert Kickl ja machen können. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Er hat rein gar nichts am System geändert, weil es eben nicht geht, weil es nicht alleine geht, sondern weil es nur im europäischen Kontext geht.
Der entscheidende Unterschied ist aber jetzt: Unser Bundeskanzler Karl Nehammer hat sich dafür eingesetzt, dass das Thema auf der Agenda des Europäischen Rates war (Ruf bei der FPÖ: Geh bitte! – Bundesrat Spanring: Der war selber Innenminister und hat nix getan! ...! – Ruf bei der ÖVP: Jetzt ist eine Ruhe!), gemeinsam mit dem Innenminister, mit dem Außenminister und auch mit meiner Wenigkeit, die Sie ja mit so netten Eigenschaften auch schon tituliert haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir stehen für eine Lösung, wir stehen für Lösungen, die faktenbasiert sind und die seriös sind. (Bundesrat Ofner: Und nicht funktionieren!) Es ist unsere Aufgabe, im Übrigen unsere gemeinsame Aufgabe, Antworten auf die Fragen der Gegenwart zu geben und Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft zu finden, damit sich die Menschen eben keine Sorgen über diese Dinge machen, und da sind wir dran.
Durch Österreich ist es gelungen, dass beim letzten außerordentlichen Europäischen Rat – womöglich ist Ihnen das entgangen – das Thema Migration und Asylpolitik auf der Agenda war. (Zwischenrufe der Bundesräte Ofner und Steiner.) Das war ein außerordentlicher Europäischer Rat zu diesem Thema. (Bundesrat Ofner: Das Veto ...!) Unter anderem deshalb, liebe Bundesrät:innen von der FPÖ, bin ich ja so dankbar, dass ich Ihnen das heute direkt sagen kann, weil es offensichtlich nicht gelingt, das aus den Medien zu resorbieren. Ich gebe zu, man müsste auch manchmal über die Grenzen Österreichs hinausschauen, um zu sehen, wie das auch anderswo bewertet wird. (Bundesrat Ofner: Aber die Medien haben das so nicht gebracht!) Wir geben die entscheidenden Impulse aus Österreich (Beifall bei der ÖVP – Zwischenrufe bei der FPÖ), und wir setzen uns dafür ein, dass es eine nachhaltige Migrations- und Asylpolitik gibt. (Bundesrat Ofner: ... „Oe24“, oder?)
Wenn Sie mir 2 Minuten zuhören, dann sage ich Ihnen kurz zusammengefasst, was diese Ergebnisse des Europäischen Rates mit Fokus auf Asyl und Migration sind.
Erster Punkt: eine Stärkung des EU-Außengrenzschutzes durch substanzielle EU-Mittel. Die Europäische Kommission selbst hat diese Mittel jetzt auch tatsächlich proklamiert und wird sie in die Hand nehmen. (Ruf bei der FPÖ: Ja, nach zehn Jahren! – Bundesrat Buchmann: Mein Gott na!) Da geht es um die Sicherung der Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei – wir wissen, dass das eine sensible Grenze ist –, aber auch um die Unterstützung anderer Grenzen mit verschiedenster Infrastruktur.
Zweiter Punkt: Die Registrierung von Migranten und ein schnelles Asylverfahren sowie Rückführungen an der Außengrenze sind ein weiteres Ergebnis dieses außerordentlichen Rates.
Der dritte Punkt: schnellere Abschiebungen (Ruf bei der FPÖ: Da hat man 20 Jahre gebraucht dafür!) für diejenigen, die keine Chance auf Asyl haben.
Der vierte Punkt – und das wird Sie vielleicht auch interessieren, weil ich Ihnen recht gebe: jedes Strafverfahren, das hier geführt werden muss, und jede Verletzung einer Frau ist eines beziehungsweise eine zu viel – ist der verstärkte Kampf gegen Schlepper durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit (Zwischenruf des Bundesrates Ofner) – etwas, wo sich damals auch Ihr Innenminister eingesetzt hat und was wir jetzt aber europäisch auf den Weg gebracht haben.
Der Weg geht in die richtige Richtung (Bundesrat Hübner: Ja wo?), und es ist wichtig, die Dinge jetzt auch zu implementieren, die am 9. Februar beschlossen worden sind. Wir werden da weiter dranbleiben und auch Taktgeber bleiben, wenn es um diese Themen geht. (Ruf bei der FPÖ: Oje! Oje!)
Ich möchte Ihnen jetzt auch noch einmal sagen, wie das beschrieben worden ist. Es ist immer schwierig – der Prophet im eigenen Land zählt nicht, lautet ein
Spruch –, offensichtlich ist das, was Bundeskanzler Karl Nehammer da erreicht hat, in Österreich bei manchen nicht angekommen (Ruf bei der FPÖ: Ja, weil es ...!); in Brüssel ist es angekommen. (Bundesrat Steiner: Es ist angekommen, es ist sogar richtig angekommen!) Das Nachrichtenportal „Politico“ hat den Europäischen Rat - - (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Hören Sie zu! Hören Sie sich das einfach an, geschätzte Bundesräte, ich habe Ihnen auch zugehört! (Bundesrat Steiner: Es ist schon angekommen, dass nichts übrig geblieben ist! Also alles gut!) – Ganz im Gegenteil: Ich möchte Ihnen nur sagen, „Politico“ hat diesen außerordentlichen Europäischen Rat als „Vienna victory“ – übersetzt: Wiener Sieg – bezeichnet. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)
Es sei ein Erfolg unseres Bundeskanzlers gewesen, dass es auf der Tagesordnung war und dass diese Themen behandelt worden sind. Ich möchte auch sagen, dass der Bundeskanzler bis spät in die Nacht, bis in die frühen Morgenstunden hinein verhandelt hat (Zwischenruf des Bundesrates Spanring), um das zu erreichen – für die Sicherheit in Europa (Zwischenruf des Bundesrates Steiner – Bundesrätin Steiner-Wieser: ... der Kogler hat auf die ... aufgepasst!), für ein System, das man auslöschen muss, nämlich ein menschenverachtendes Schleppersystem, und für Humanität auf unserem Kontinent. Im Übrigen sind wir uns da – denn das kommt sicher als nächste Frage – mit unserem Koalitionspartner sehr einig. (Ruf: ... sind völlig schmerzbefreit!) Es braucht Humanität und es braucht Ordnung, damit wir da weiterkommen.
Dieser Erfolg ist historisch, auch wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen wollen, denn erstmals gibt es einen Konsens zwischen den Ländern an der Außengrenze und den Binnenländern; das war bisher noch nicht der Fall. Das ist ein großer Schritt in Richtung einer europäischen Lösung. Auch da nehme ich kein Wort von dem zurück, was ich gesagt habe, Sie haben mich ja zitiert. Es ist auch ein Paradigmenwechsel, dass die Europäische Kommission da Geld in die Hand nimmt, und es ist ein Erfolg unseres Bundeskanzlers. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine sehr geehrten Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich komme damit zur Beantwortung der Fragen, nicht ohne mich noch einmal dafür zu bedanken, das hier durchaus in einer Breite darlegen zu können, was schon alles passiert ist.
Zur Frage 1:
Grundsätzlich darf ich da auf die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Klimaschutz verweisen. Aufgrund der gesetzlichen Voraussetzungen – nämlich rechtmäßiger Aufenthalt, Hauptwohnsitz für mindestens 183 Tage zu einem bestimmten Stichtag und unabhängig von Alter und Staatsbürgerschaft – sind auch Fremde, die diese Voraussetzungen erfüllen, grundsätzlich anspruchsberechtigt.
De facto können Asylwerber, die erst im Jahr 2022 in Österreich einen Asylantrag gestellt haben, jedenfalls nur zum Teil unter den Kreis der Anspruchsberechtigten, insbesondere aufgrund der Voraussetzungen des Mindestaufenthalts, fallen. Mit Blick auf die Voraussetzungen ist der Klimabonus nicht als geeignet anzusehen, Fluchtentscheidungen grundsätzlich zu beeinflussen.
Zu den Fragen 2, 3 und 4:
Es braucht klare europäische Antworten auf die aktuellen Herausforderungen. Nachhaltige Maßnahmen gegen irreguläre Migration sind entlang aller Migrationsrouten notwendig. Die Bundesregierung hat diesbezüglich schon im November einen Fünfpunkteplan erarbeitet und an die europäischen Partner gerichtet. Es ist ein wichtiges Zeichen, dass bereits einige Punkte im Aktionsplan der Europäischen Kommission für die Westbalkanroute oder auch die Mittelmeerroute aufgenommen wurden, wie zum Beispiel finanzielle Unterstützung derjenigen Mitgliedstaaten, die wie Österreich die Westbalkanländer mit Grenzschutzmaßnahmen unterstützen, sowie das Pilotprojekt Außengrenzschutz.
Migration kam auf Wunsch Österreichs auf die Tagesordnung des Rates Allgemeine Angelegenheiten, in dem wir Europaminister:innen den Europäischen
Rat vorbereiten. Ich habe zahlreiche Gespräche geführt, unter anderen mit und in Schweden, aber auch mit der ungarischen Kollegin, heute mit der bulgarischen Kollegin, mit dem italienischen Kollegen in Rom, mit der Rumänin, mit der Französin und mit der deutschen Kollegin bin ich in regelmäßiger Abstimmung. Wir werden diese Gespräche auch fortsetzen, um die Ergebnisse des Europäischen Rates auch tatsächlich umzusetzen.
Zur Frage 5:
Seit Jahren vertreten wir im Ausschuss der Ständigen Vertreter in Brüssel, das ist der sogenannte Coreper, die Position, dass irreguläre Migration bekämpft werden muss und dass die EU-Außengrenzen wirksam geschützt werden müssen. Wie den zahlreichen diesbezüglichen Coreper-Berichten, die dem Parlament vorliegen, zu entnehmen ist, hat Österreich da immer eine sehr prononcierte Haltung vertreten, sei es bei der Vorbereitung des Rates für innere Angelegenheiten, das sind die Innenminister, bei der Vorbereitung des Rates Allgemeine Angelegenheiten, das sind die Europaminister oder die den Europäischen Rat vorbereitenden Europaminister, oder auch bei sonstigen Aussprachen zu Asyl- und Migrationspolitik.
Bei der Vorbereitung des Sondergipfels, der ja – wie Sie sicher wissen – am 9. Februar 2023 stattgefunden hat, haben wir uns im Ausschuss der Ständigen Vertreter sehr deutlich unter anderem dafür ausgesprochen, dass erstens der Außengrenzschutz auch durch EU-Mittel verstärkt werden muss und dass insbesondere Bulgarien da zu unterstützen ist, es zweitens eine Zurückweisungsrichtlinie braucht, die es den Mitgliedstaaten ermöglicht, offensichtlich unbegründete Asylanträge von Staatsangehörigen aus sicheren Herkunftsländern beschleunigt abzulehnen, drittens Rückführungen von nicht asylberechtigten Personen in ihre Herkunftsländer besser umgesetzt werden müssen und dass die EU dafür auch die ihr zur Verfügung stehenden Hebel anwenden soll, zum Beispiel das Visaregime.
Wie das Ergebnis dieses Sondergipfels zeigt, konnte Österreich gemeinsam mit den Niederlanden sehr viel erreichen, zum Beispiel die Forderung an die
Kommission, substanzielle EU-Mittel zur Stärkung des Außengrenzschutzes und der Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.
Zur Frage 6:
Ich habe in meiner Funktion als Europaministerin im Rat Allgemeine Angelegenheiten sowie gegenüber der Kommission und den Parlamentsvertretern meine Vorschläge mehrfach vorgebracht.
Zu den Fragen 7, 9, 18 und 19:
Zuletzt habe ich in Gesprächen mit Vertretern von folgenden EU-Mitgliedstaaten über das Thema Migration gesprochen und die österreichische Position dargelegt: mit dem griechischen Krisen- und Klimaschutzminister Christos Stylianides und dem slowenischen EU-Staatssekretär Marko Štucin – beide waren am 16. November 2022 in Wien; mit der schwedischen Europaministerin Jessika Roswall in Stockholm am 6. Dezember 2022; mit dem italienischen Europaminister Raffaele Fitto und dem italienischen Vizepremierminister und Außenminister Antonio Tajani in Rom am 17. Jänner 2023; mit dem irischen Europaminister Peter Burke in einem Videotelefonat am 26. Jänner 2023; mit der ungarischen Europaministerin Judit Varga in Wien am 30. Jänner dieses Jahres und mit der bulgarischen Vizeaußenministerin Velislava Petrova – wie schon erwähnt – heute in Wien, wenige Minuten bevor ich zu Ihnen gekommen bin.
Auch bei Reisen nach Brüssel und bei Gesprächen mit Vertretern der Europäischen Kommission lege ich stets den österreichischen Standpunkt dar – so zuletzt auch bei einem Gespräch mit dem Vizepräsidenten der Europäischen Kommission Margaritis Schinas in Brüssel am 25. Oktober 2022.
Auch bei Treffen mit politischen Vertretern von Westbalkanländern wird die Problematik von irregulärer Migration besprochen, unter anderem im Rahmen meiner Arbeitsreise nach Bosnien und Herzegowina am 3. und 4. November 2022, bei einem Treffen mit dem nordmazedonischen Premierminister Dimitar Kovacevski in Wien am 7. Dezember und zuletzt mit dem
Vizeaußenminister von Bosnien und Herzegowina Josip Brkić in Wien am 18. Jänner dieses Jahres.
Zur Frage 8:
Erstens: Verstärkte Maßnahmen im externen Bereich, unter anderem stärkere Kooperation mit Herkunfts- und Transitstaaten; Abdeckung aller Migrationsrouten auch mit angemessenen Mitteln; Umsetzung der beiden Aktionspläne für den Westbalkan und das zentrale Mittelmeer; Kampf gegen irreguläre Migration und Schlepper; Gewährleistung von regulärer und geordneter Migration; Visa Policy Alignment durch Nachbarstaaten.
Zweitens: Stärkung der Zusammenarbeit bei Rückführungen und Rückübernahmen; Whole-of-Government-Ansatz; Gewährleistung wirksamer Rückführungen in Herkunfts- und Transitstaaten, in diesem Zusammenhang Nutzung aller zur Verfügung stehender Instrumente, unter anderen auch der Diplomatie und der Entwicklungszusammenarbeit sowie Visa.
Die Europäische Asylagentur ist aufgerufen, Leitlinien für eine verstärkte Anwendung des Konzepts über sichere Drittstaaten und sichere Herkunftsstaaten zur Verfügung zu stellen.
Drittens: verstärktes EU-Außengrenzmanagement und Mittel, darunter fällt Mobilisierung von EU-Mitteln zur Finanzierung von Maßnahmen der Mitgliedstaaten, die unmittelbar zur Kontrolle der EU-Außengrenzen beitragen, wie zum Beispiel Pilotprojekte zur Grenzverwaltung sowie zur Verbesserung der Grenzkontrollen in wichtigen Ländern auf den Transitrouten in die EU; oder auch EU-Mittel, um Mitgliedstaaten bei der Verstärkung der Grenzschutzkapazitäten und Infrastrukturen der Überwachungsmittel einschließlich Luftraumüberwachung und der Ausrüstung zu unterstützen; weiters Unterstützung für Frontex Einreise-/Ausreisesystem und Etias; Statusvereinbarungen Frontex-Drittstaaten, verstärkte Kooperation bei Search und Rescue.
Viertens: Kampf gegen Instrumentalisierung, Menschenhandel, Schleusung von Migrant:innen. Die Europäische Kommission und der Rat sind aufgerufen, die Arbeiten an den einschlägigen Rechtsakten voranzutreiben und verstärkte Zusammenarbeit im Kampf gegen Menschenhandel und Schleusung von Migrant:innen hervorzubringen.
Fünftens: Erhöhung von Verfügbarkeit von Daten zu Migrationsbewegungen und Situationsanalyse.
Sechstens: Fortsetzung der Arbeiten zum Asyl- und Migrationspaket auf Basis des gemeinsamen Fahrplans des Rates und des Europäischen Parlaments vom September 2022 sowie an den Überarbeitungen des Schengener Grenzkodexes und der Rückkehrrichtlinie. Umsetzung der Dublin-Roadmap und wirksames Engagement an den Außengrenzen wird beim nächsten JI-Rat – also das sind die Justiz- und Innenminister – ebenfalls besprochen werden.
Positiv im Hinblick auf die Hauptforderungen Österreichs ist insbesondere, dass es da jetzt eine finanzielle Unterstützung der Europäischen Kommission für die Außengrenze gibt, auch für physische Barrieren – auch wenn die in dieser Diktion nicht gleich genannt werden –, dafür wird sehr viel mehr Geld zur Verfügung gestellt.
Zur Frage 10:
Oberste Priorität haben Rückführungen von unrechtmäßig in Österreich befindlichen Migrantinnen und Migranten in Herkunftsländer. Maßnahmen zur Verbesserung der Drittstaatskooperation sind eine der wesentlichsten Positionen Österreichs auf EU-Ebene, und davon zeugt auch der laufende Einsatz des Bundeskanzlers, des Bundesministers für Inneres, aber auch in sämtlichen Gremien sowie bei den Außenministern und auch bei mir, für eine Stärkung des Rückübernahmebereichs. Experten der Ressorts leisten aktive Beiträge und Unterstützungen in den relevanten Formen. Im Übrigen darf ich auch
sagen, dass bei der Beantwortung der heutigen Dringlichen auch das Innenministerium unterstützend zur Seite stand, und ich möchte mich an dieser Stelle bei allen, die da mitgewirkt haben, ganz herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP.)
Wir wollen eine Verbesserung
der Kooperation durch ein umfassendes Maßnahmenbündel erreichen.
Darunter fallen auch der Abschluss entsprechender Abkommen,
Vereinbarungen oder Partnerschaften. Wir begrüßen in diesem
Zusammenhang besonders Schwerpunkte des schwedischen
EU-Vorsitzes hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Drittstaaten sowie einen
umfassenden Ansatz bei der Bekämpfung illegaler Migration, des Menschenhandels
und der Schlepperei.
Österreich verstärkt
bilaterale Beziehungen mit Staaten, bei denen die
EU-Kommission dies noch nicht geschafft hat. Der österreichische
Außenminister hat Anfang 2023 ein Abkommen mit Indien auf den Weg
gebracht, und Sie wissen, dass der Bundeskanzler auch in Serbien war und
einiges dazu beigetragen hat, dass die Zahlen insbesondere von Migranten
aus Indien und anderen Ländern zurückgegangen sind.
Zur Frage 11:
Österreich fordert auch schon bisher auf europäischer Ebene, dass alle der EU zur Verfügung stehenden Hebel genutzt werden, um die Kooperation mit Drittstaaten im Bereich der Rückkehr zu stärken. Das betrifft sowohl den sogenannten Visahebel, also den Artikel 25a des Visakodex, als auch Hebel im Bereich der Wirtschaft, der Investitionen oder der EU-Finanzierungsinstrumente. Auch beim Europäischen Rat am 9. Februar 2023 wurde geschlussfolgert, alle einschlägigen Strategien, Instrumente und Werkzeuge der EU – darunter Diplomatie, Entwicklung, Handel und Visa – als Hebel einzusetzen. Österreich begrüßt ausdrücklich diesen EK-Vorstoß, die mangelnde Rückkehrkooperation als einen Grund für die vorübergehende Rücknahme der Zollpräferenzen zu verankern.
Zur Frage 12:
Österreich setzt sich für einen funktionierenden Schengenraum ohne Binnengrenzkontrollen ein. Die Zahl der Aufgriffe, die Österreich im letzten Jahr an seinen Binnengrenzen verzeichnete, zeigt aber, dass das Schengensystem nicht funktioniert. Es braucht daher einen Systemwandel im Kampf gegen illegale Migration, eine gesamteuropäische Lösung und dafür eine einheitliche Vorgehensweise. Österreich hat daher den Fünfpunkteplan vorgeschlagen. Dafür macht Österreich seit Monaten Druck auf die EU und hat sich gemeinsam mit den Niederlanden dafür eingesetzt, dass der Sondergipfel der EU-Staats- und -Regierungschefs zur Migration stattfindet.
Im Rahmen des Sondergipfels wurden die Voraussetzungen für einen konsequenten und lückenlosen Außengrenzschutz geschaffen. Der Kampf gegen illegale Migration beginnt für Österreich bereits vor der österreichischen Staatsgrenze. Wir unterstützen intensiv unsere Nachbarn am Balkan durch den Einsatz österreichischer Polizistinnen und Polizisten an der ungarisch-serbischen Grenze, der serbisch-nordmazedonischen Grenze, der nordmazedonisch-griechischen Grenze sowie an der Grenze von Montenegro zu Albanien und Kosovo. Dadurch wird ein massiver Beitrag geleistet, bevor illegale Migration überhaupt unsere Staatsgrenze erreicht.
Zu den Fragen 13 und 14:
Österreich setzt sich
für effektive Maßnahmen gegen irreguläre Migration und illegale
Schlepperei ein. Diese müssen dabei helfen, den Druck auf
EU-Außengrenzen zu reduzieren und die Sekundärmigration innerhalb
Europas zu verhindern. Eine verpflichtende Verteilung von Migrantinnen und
Migranten würde gegenteilige Effekte schaffen, diese lehnen wir
daher ab. Die aktuellen Vorschläge der Kommission für einen
Solidaritätsmechanismus haben aus österreichischer Sicht einen zu
starken Fokus auf Relocation. Im Rahmen der Verhandlungen zu den
entsprechenden Rechtsakten setzt sich Österreich daher für eine
verpflichtende, aber flexible Solidarität ein, die die
Möglichkeiten alternativer Solidaritätsleistungen – zum Beispiel Kapazitätsaufbau, Experteneinsätze, Grenzschutz, Schaffung von Perspektiven vor Ort – oder anderer Maßnahmen, die den Migrationsdruck reduzieren, einschließt. Dies passiert sowohl in Gesprächen und in Gremien mit meinen Amtskolleginnen und -kollegen in den entsprechenden Arbeitsgruppen, aber auch im Ausschuss der Ständigen Vertreter.
Zu den Fragen 15 und 16:
Das Bundesministerium für Inneres hat sich, wie bereits erwähnt, in den letzten Jahren immer gegen eine verpflichtende Verteilung von Asylwerbern auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausgesprochen. An dieser Position hat sich auch bei den aktuellen Verhandlungen nichts geändert.
Zur Frage 17:
Das Paket für Asyl und Migration beziehungsweise dessen einzelne Elemente sind derzeit in laufenden Verhandlungen. Daher stellt sich derzeit die Frage der Zustimmung oder Ablehnung nicht und es wird alles darangesetzt werden, die österreichischen Interessen da bestmöglich in den Rechtsakten zu verwirklichen.
Zur Frage 20:
Die Gespräche haben dazu geführt, dass neue Allianzen geschmiedet wurden. Österreich hat gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Estland, Griechenland, Litauen, Lettland, Malta, der Slowakei und Dänemark im Vorfeld des von Österreich und den Niederlanden initiierten Sondergipfels vom 9.2.2023 einen Brief an Charles Michel und die Präsidentin der Europäischen Kommission von der Leyen geschrieben und erneuert darin die Forderung nach einer effektiven Migrationspolitik.
Ich möchte betonen, das ist Ausfluss dieser Arbeit, dass so viele Staaten gemeinsam mit uns diesen Brief geschrieben haben. Wir haben darauf hingewiesen, dass das derzeitige Asylsystem kaputt ist und wir umfassende und
innovative Lösungen brauchen, um irreguläre Migration in die EU effektiv zu verhindern und Pullfaktoren zu reduzieren.
Zur Frage 21:
Die Diskussion rund um die Grenzzäune sehe ich nicht als beendet, geschweige denn als gescheitert an. Es ist von größter Bedeutung, die Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen nicht alleine zu lassen. Deshalb plädiert Österreich zum Beispiel dafür, Bulgarien mit einer Summe von rund 2 Milliarden Euro zu unterstützen, um damit in die Verbesserung des Grenzzauns zu investieren und die Überwachungsinstrumente stabiler zu machen.
Meiner Meinung nach kann die Möglichkeit der direkten Finanzierung zusätzlicher Grenzverwaltungsmaßnahmen – wie Grenzzäune oder andere Formen der unmittelbaren Grenzüberwachung und Grenzsicherung – den Mitgliedstaaten an der Außengrenze helfen, besser auf unvorhergesehene Ereignisse zu reagieren. Ob letztlich die Finanzierung dieser Maßnahmen direkt oder indirekt – durch das Freiwerden anderer Mittel der Mitgliedstaaten – erreicht wird, ist aus österreichischer Sicht zweitrangig, sofern die damit verbundenen Ziele erreicht werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte, insbesondere der FPÖ, Sie haben eingangs mit Ausrufezeichen gesagt: Endlich handeln! – Ich hoffe, Ihnen mit der Beantwortung dieser Fragen vor Augen geführt zu haben, dass wir bereits gehandelt haben (Bundesrat Ofner: Leider nicht!), und ich möchte Ihnen noch einmal sagen: Danke, dass Sie diese Dringliche gestellt haben, danke, dass Sie mir damit die Möglichkeit gegeben haben, Ihnen noch einmal strukturiert vor Augen zu führen, was da bereits alles passiert ist und was natürlich auch weiterhin mit Nachdruck vonseiten Österreichs passieren wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)
16.57
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.
Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.
Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dr. Johannes Hübner. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Vielen Dank, Frau Präsidentin, für die Worterteilung! Vielen, vielen Dank auch an Sie, Frau Ministerin, für die Beantwortungen und für Ihre einführenden Worte, die mir die Möglichkeit geben, replizierend die wichtigsten Themen einmal zu behandeln! Vielen Dank auch für Ihre Aufregung – ob echt oder gespielt – über den Vorwurf der Scheinheiligkeit seitens des Kollegen.
Das gibt mir auch die Möglichkeit, diesen schönen Begriff Scheinheiligkeit ein bisschen zu analysieren, zu aktualisieren und anhand der heutigen Vorkommnisse zu erläutern. (Bundesrat Buchmann: Zu relevieren! – Die Bundesrät:innen Preineder und Zwazl: Zu relativieren!) Ich verwende das schöne deutsche Wort erläutern.
Frau Minister, Sie haben durchaus richtig gesagt: Das System ist gescheitert, es kann nicht sein, dass die Schlepper da herrschen! – Auf die naheliegende Frage: Okay, welches System ist denn gescheitert, was machen wir denn dann?, fällt Ihnen nichts anderes ein, als zu sagen: Ja, die Vorschläge, die von den anderen kommen, sind ja Träumereien, denn das geht alles nur im europäischen Kontext. (Bundesministerin Edtstadler: Ja, genau!)
Liebe Frau Ministerin, was ist es denn anderes als Scheinheiligkeit, zu sagen: Das System ist gescheitert, wir stehen vor einem Trümmerhaufen, es herrschen die Schlepper, aber wenn gesagt wird, dass man etwas tun muss, dann ist das alles eine Träumerei, weil das alles nicht geht, denn das geht alles nur im europäischen Konzert oder im europäischen Konzept oder im europäischen Verbund oder wie immer. Dann beantworten Sie 21 Fragen, und dabei kommt heraus: Das, was geschehen ist, ist, dass Sie eine Allianz mit einigen Ländern ge-
schmiedet haben, die einen Brief an den Kommissionspräsidenten geschrieben haben, und dass es Ihnen gelungen ist, nach über eineinhalb Jahren verschärfter Asylkrise das Thema auf eine Ratssitzung zu bringen, in der es eine vage und substanzlose Zusage der Kommission gegeben hat, mehr Geld für den Außengrenzschutz zu verwenden. – So ist es, ja. Das haben Sie selbst in Ihren Fragebeantwortungen in etwa so gesagt.
Jetzt, um zur Scheinheiligkeit zurückzukehren, schauen wir einmal, wo das Problem seine Wurzeln hat. Hat das in den anderen Mitgliedsländern seine Wurzeln? – Vielleicht auch.
Wir sind es schon im letzten Jahr einmal durchgegangen: 2022 hat es in der gesamten EU 923 000 Asylanträge gegeben, in Österreich ungefähr 110 000 – das sind über 12 Prozent aller in der EU gestellten Anträge bei einem Anteil der österreichischen Bevölkerung von 2 Prozent. Sie haben es richtig gesagt, wir haben damit pro Kopf die zweithöchste Asylwerberquote in der ganzen Union, die höchste hat aus naheliegenden Gründen der Kleinstaat Malta, aber kein Flächenstaat am europäischen Kontinent hat annähernd solche Zahlen wie Österreich.
Frankreich hat 153 000, ein bisschen mehr als wir. Spanien, umgeben von – wie soll man sagen? – Asylquellländern, umgeben von Meeren, Spanien hatte 116 000, gerade um 5 730 mehr als das Binnenland Österreich. Wer ist denn da gescheitert, welches anonyme System, das Sie herangezogen haben? (Bundesrätin Steiner-Wieser: Die Schwarzen! Die ÖVP!) – Gescheitert ist die Verwaltung der Republik Österreich. (Beifall bei der FPÖ.)
Wer, wenn nicht die Bundesregierung, personifiziert durch die Bundesminister, ist dann gescheitert? Wie anders soll man es bewerten, wenn man vom Scheitern spricht, aber sich selbst als erfolgreich, super innovativ und dynamisch darstellt, wie anders soll ich das bezeichnen als mit dem schönen Wort Scheinheiligkeit? (Beifall bei der FPÖ.)
Das Mindeste, was ich erwartet hätte, ist, zu sagen: Schengen ist gescheitert, die EU ist gescheitert, aber insbesondere sind wir gescheitert. Insbesondere ist die österreichische Bundesregierung gescheitert, denn wir haben ein System installiert, das Österreich zu dem Pullfaktor für illegale Einwanderung in die Europäische Union oder auf den europäischen Kontinent gemacht hat.
Für kein Land gibt es mehr Interesse, gibt es mehr Schlepperwerbung für die Einwanderung als für Österreich. Wenn Sie abgefangene Unterhaltungen von Schleppern, abgefangene – unter Anführungszeichen –„Webseiten“ von Schleppern – egal ob in Indien, Pakistan, Somalia oder Mali – lesen, dann ist als erstes Zielland immer Österreich genannt. Das ist ja kein Zufall, dass die nach Europa kommen und hier in so großer Zahl landen.
Das schöne Ungarn, wie Sie immer sagen, ist natürlich ein klassisches Transitland. Das grenzt ja an Länder wie die Ukraine, Rumänien, Serbien und Kroatien, in denen die Schlepper ihre Ströme durchbringen. Dort hat es aber, obwohl es wahrscheinlich über 150 000 illegale Einreisen gegeben hat, heiße 43 Anträge gegeben, weil genau die Schlepper sagen: Überallhin, aber nicht nach Ungarn, dort ist es so ungünstig, dort gibt es so wenig Unterstützung, dort sind die Chancen, Asyl zu bekommen, sehr gering.
In Österreich haben wir bis 2021, vom letzten Jahr habe ich noch keine Statistiken, eine Asylanerkennungsquote von fast 50 Prozent gehabt. Das heißt, der Schlepper konnte das mit einer 50-prozentigen Aussicht, dass man auf Dauer in der Europäischen Union bleiben kann, verkaufen (Zwischenruf des Bundesrates Preineder): Geh nach Österreich! 50 Prozent Wahrscheinlichkeit! – Na ja, da kann man schon einmal 8 000 Euro, 10 000 Euro in den Schlepper investieren, wenn er eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit versprechen kann, mit seiner Geschichte, wie immer sie gedreht ist, durchzukommen.
Daher noch einmal: Wer ist gescheitert? – Die Bundesregierung, aber vor allem der österreichische Steuerzahler und die Österreicher, die das alles bezahlen müssen. Bezeichnenderweise gibt es ja keine – zumindest keine öffentlich zugänglichen – Aufstellungen, was dieser Asylwahnsinn, was diese illegale
Einwanderung, ihre Bekämpfung und Bearbeitung Österreich im Jahr kostet. Das sind ja nicht nur Bundeskosten, das sind Kosten, die der Bund aus verschiedensten Töpfen hat, das sind Kosten, die die Gemeinden haben, die die Länder haben.
Bei den Ländern waren es 2021 750 Millionen Euro, da gibt es noch Zahlen. Die letzte einigermaßen nachvollziehbare Schätzung, die ich gefunden habe, war die vom Fiskalrat für das Jahr 2017. Da wurden die Kosten auf 2,7 Milliarden Euro geschätzt. Andere Berechnungen – das sind aber ganz konservative Zahlen (Zwischenruf des Bundesrates Spanring), in denen viele Dinge, wie die Kosten von Abschiebungen, gar nicht einberechnet sind –, andere konservative Schätzungen, die auch nur für 2017 vorliegen, gehen von einem Rahmen von 2,5 bis 3,3 Milliarden Euro im Jahr aus.
Das betrifft aber Jahre, in denen wir 35 000, 40 000 Asylwerber hatten. Im letzten Jahr hatten wir jedoch 110 000. Ich sehe mich nicht in der Lage, diese Zahlen hochzurechnen, aber ich überlasse es der Fantasie aller Zuhörer, was diese Kosten ausmachen. Das ist deutlich mehr, als die Gesamtkosten des österreichischen Hochschulwesens ausmachen – Richtung SPÖ interessant –, das ist deutlich mehr, als zum Beispiel für die Pflege aufgewendet wird. Das sind Zahlen, bei denen man – wenn man sich nicht dem bösen Wort scheinheilig aussetzen will – sagen muss: Da sind wir gescheitert. Wir haben die Interessen unserer Bevölkerung, die Interessen der Ärmsten der Armen, die das tragen müssen, die Interessen der Sicherheit, die Interessen der Rechtsstaatlichkeit auf dem Altar einer Hörigkeit gegenüber gewissen europäischen Kreisen geopfert.
Jetzt zur Frage: Was tut die EU? Sie haben uns ein bisschen isoliert dargelegt: genau gar nichts – denn mit einem Brief und einer Tagesordnung und einem Wunsch passiert überhaupt nichts. (Bundesministerin Edtstadler: ... zuhören!) Was Europa bräuchte, Frau Ministerin, haben Sie alles erwähnt, nur kommt das ja nicht. Das wäre natürlich ein entschlossenes Auftreten gegenüber allen Migrantenquellländern, das heißt: Wer nicht ohne Wenn und Aber
seine Staatsbürger zurücknimmt (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Edtstadler), ohne Wenn und Aber, der wird alle Handelsprivilegien, alle Zuschüsse und allen Goodwill der Europäischen Union verlieren.
Etwas Ähnliches ist im österreichischen Parlament seit Jahren nicht einmal mehrheitsfähig gewesen, geschweige denn in der Europäischen Union. Ich habe selbst noch im Nationalrat solche Anträge eingebracht, aber da hieß es: Nein, das darf nicht verbunden werden, das ist Handel, das sind die Ärmsten der Armen! Wenn man dann betreffend die Frage: Was soll passieren?, auf der linken Seite hört: Ja man muss die Gründe der Migration bekämpfen und man muss dafür sorgen, dass niemand sein Quellland verlässt!, dann sage ich: Viel Vergnügen, liebe Leute von der SPÖ! Ich rate euch, saniert einmal Pakistan, saniert einmal Äthiopien, die Sahelzone, Bangladesch – ich rede jetzt, weil ich nicht böse bin, gar nicht von Syrien oder Afghanistan, aber saniert einmal diese Länder! Bringt sie einmal auf 40 Prozent des Lebensstandards von Europa oder auf 20 Prozent, dann werden die Gründe für die Massenmigration wegfallen.
Ich will Ihnen jetzt weiter keine Zahlen servieren, aber schauen Sie sich einmal an, wie weit der Weg ist, Afghanistan oder Syrien oder andere Staaten, die ich genannt habe, auf 20 Prozent des durchschnittlichen europäischen Lebensstandards zu bringen. Ich kann Ihnen nur eines sagen: In den nächsten hundert Jahren wird das nicht möglich sein. Programme und Fantasien, bei denen man über hundert Jahre denken muss, um ein Problem, das heute angegangen werden muss, zu lösen, die sollten wir hier sozusagen nicht ernsthaft in den Mund nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)
Frau Minister! Jetzt kehren wir zurück zu den möglichen Lösungen, zu den Träumereien, wie Sie das so erfolgsorientiert sagen. Was muss man tun? – Na ja, das sind natürlich Änderungen der EU-Asylverfahrensrichtlinie, die es uns ermöglichen, eine vernünftige Asylpolitik zu machen. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) Das Erste ist: Asyl ist ein Recht auf Zeit. Obligatorisch muss festgelegt werden, dass Asyl maximal für eineinhalb, zwei oder zweieinhalb
Jahre gewährt werden darf, dann verfällt dieser Titel und damit das Recht, sich im Land aufzuhalten. Dann ist allenfalls ein neues Verfahren anzustrengen. – Erste Voraussetzung.
Zweite Voraussetzung: Wer über sichere Drittländer in ein Land einreist, hat hier kein Recht auf ein Asylverfahren. (Beifall bei der FPÖ.) Wenn man über zwei oder zwanzig sichere Länder kommt, dann darf es hier kein Recht auf ein Asylverfahren geben. Dann ist dieser Antrag zurückzuweisen und der Antragsteller an der Grenze in Gewahrsam zu nehmen und abzuschieben.
Drittens muss erste Priorität sein, alle Leute, die sich illegal im Inland aufhalten, unverzüglich außer Landes zu schaffen.
Die Kosten dafür sind gewaltig, das weiß ich, denn das System (Zwischenruf des Bundesrates Preineder), das wir hier mit massiver Hilfe der Europäischen Kommission und der europäischen Institutionen, aber auch aus eigenem Verschulden und aus permanentem Verschulden der österreichischen Regierungen seit Jahrzehnten etabliert haben, hat dazu geführt, dass Abschiebungen sehr, sehr, sehr teuer sind und dass die rechtlichen Schritte, die erforderlich sind, um das zu machen, sehr, sehr aufwendig, sehr, sehr bürokratisch und sehr, sehr kostspielig sind.
Ja, wenn man daher heilig sein will – verwenden wir das schöne Wort noch einmal – und das, was man fordert, was man kritisiert, was man als falsch erkennt, auch mit Lösungsvorschlägen besetzen will, dann darf man nicht davon reden, dass alles, was einem jetzt gerade nicht in den strategischen Kram passt, Träumereien sind, sondern dann muss man diese sogenannten Träumereien auf ihre Machbarkeit prüfen und muss zumindest dafür sorgen, dass bei den europäischen Institutionen nicht Brieferl geschrieben werden, dass über Tagesordnungspunkte nicht nur geplaudert und gemeinsam mit befreundeten Ländern gespeist wird, sondern dass diese Forderungen auf dem Tisch liegen und dass man auch sagt: Solange diese Grundforderungen nicht erfüllt sind, wird Österreich alle Entscheidungen auf europäischer Ebene, die es blockieren kann, blockieren. (Beifall bei der FPÖ.)
Das haben schon einige Länder gemacht, und glauben Sie mir, das – das! – wäre eine europäische Vorgangsweise, das hätte Gewicht, und das wäre etwas, bei dem ich das Wort scheinheilig sofort zurücknehmen würde. Derzeit, aus naheliegenden Gründen, kann ich das nicht. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)
17.11
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Preineder zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.
Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Jetzt darf ich mich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort melden.
Herr Kollege Hübner hat in seinem Redebeitrag zum Thema scheinheilig gemeint, Grund und Ursache, dass wir einen so hohen Anflug an Asylanten haben, sei, dass wir eine 50-prozentige Anerkennungsquote (Bundesrat Hübner: Gehabt haben!) – das heißt, 50 Prozent der Ansuchen werden auch bewilligt – haben.
Ich berichtige tatsächlich: Wir hatten 2022 unter Innenminister Karner eine tatsächliche Anerkennungsquote von 16 Prozent und 2017 bis 2019 – Innenminister Kickl – eine Anerkennungsquote von 40 bis 50 Prozent. (Beifall bei der ÖVP.)
17.12
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Köck. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher! Nun, nach den Mitteilungen von Radio Hau drauf! zur Kärntner Landtagswahl (Heiterkeit bei der ÖVP), vorgetragen von Kollegen Ofner, und nach den Ausführungen von Kollegen Hübner, der zwar sagt, er habe keine Zah-
len, dann aber mit Zahlen um sich schmeißt: Wir haben die Zahlen (Zwischenruf des Bundesrates Ofner), ich werde sie dann auch noch bringen und komme dann auch noch zum Thema Scheinheiligkeit.
Zu der vorliegenden Dringlichen Anfrage, zu einigen Maßnahmen, die darin gefordert werden: Ich möchte zuerst auf die „Festung Österreich“ eingehen.
Was ist eine Festung? – Eine Festung hat Mauern, und dann gibt es vier oder fünf Öffnungen, wo man aus- und einfahren kann. Wenn wir das für Österreich machen wollen, dann müssen wir schon wissen, dass Österreich eine Exportquote von 56 Prozent hat, dass wir uns den Lebensstandard, den wir jetzt haben, nur erarbeiten konnten, weil wir mit unserer Wirtschaft international so gut aufgestellt sind, und dass das dann alles wegfällt. Das sehen doch gerade jetzt die Engländer, dass ein Abnabeln vom großen Markt ganz einfach keine gute Auswirkung auf das eigene Land hat.
Wir können uns auch ansehen: Was würde es denn bringen? – Unser Nachbarland, die Schweiz, hat nämlich noch Grenzkontrollen, und wir wissen ja alle, wie gut die Schweizer, genau die Schweizer, sind und dass sie das ganz sicher und gut machen. Und wo führt es hin? Sehen Sie sich die Medien in der Schweiz an! – Da ist die Rede von der größten Flüchtlingswelle in der Schweiz seit dem Zweiten Weltkrieg. Was ist da anders als in Österreich? Sehen Sie sich die Zahlen an, wo sie hingekommen sind! – 36 Prozent der Bevölkerung in der Schweiz haben Migrationshintergrund! In Österreich: 24. (Ruf bei der FPÖ: Stimmt ja nicht!) Wollt ihr mit dieser Festung Österreich auf die Quote der Schweiz kommen oder was ist das Ansinnen?
Man sieht also ganz deutlich, diese Forderung (Beifall bei der ÖVP – Bundesrat Steiner: So ein Schwachsinn!) nach einer Festung Österreich ist komplett widersinnig, und es ist ja nicht so, dass wir unsere Grenzen nicht auch überwachen und schon ganz gut aufpassen, dass nicht alles reinkommt, was reinwill. (Bundesrat Spanring: Genau, wenn ... Türken ...!)
Dann zur Forderung „Asylstopp“. – Das ist rechtswidrig. Auch eine Regierung muss sich an die Rechte halten, auch das hat Kollege Kickl schon erkennen müssen. (Bundesrat Spanring: Und wer macht die Gesetze, Herr Kollege? – Ruf bei der ÖVP: ... gibt’s ja ... Europarat! – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) – Das ist ganz einfach eine Zweidrittelmaterie in Österreich, und wir wissen alle, dass wir sie nicht werden ändern können. (Bundesrat Spanring: Wer macht die Gesetze, Herr Kollege? Kann man die ändern oder sind die in Stein gemeißelt? – Bundesrat Steiner: So ein Schwachsinn!)
„[...] keine Annahme von Asylanträgen“: gesetzwidrig; „echten Grenzschutz“, „Zurückweisungen“ – wir haben heute schon gehört, auch Kickl hat keine Zurückweisung angeordnet –: gesetzwidrig! (Bundesrat Spanring: War ja nicht notwendig! Bei 5 000 Anträgen war es nicht notwendig! – Zwischenrufe der Bundesrät:innen Steiner-Wieser und Steiner.)
Geldleistungen nicht mehr an Asylanten – das kann man umsetzen, aber dann muss man es auch für die eigene Bevölkerung machen, sonst wäre es nämlich auch wieder gesetzwidrig; und ich muss Ihnen ehrlich sagen, wenn Sie hier mit Anträgen daherkommen, dann sollten diese Anträge auch eine gewisse Qualität haben und nicht durch und durch gesetzwidrig sein! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)
Und dann immer wieder die Forderung nach weniger Geld: Schaut euch eure Leute in der FPÖ an! (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Ich zitiere einen Antrag des ehemaligen Klubobmanns Waldhäusl, Antrag im Landtag von Niederösterreich, 764/A-3/87-2015: mehr Geld sofort für unbegleitete Jugendliche, 95 statt 77 Euro. – Nachlesen! (Bundesrat Preineder: Waldhäusl!) Ihr seid ein bisschen nicht ganz klar in eurer Linie, gell? (Widerspruch bei der FPÖ.)
Und dann, noch einmal: Wie arbeitet man international? Im großen Europarat, wo diese Migrationslinie eben ganz einfach auch festgelegt wird, ist Frau Krisper Hauptmitglied. Sie ist nicht oft anwesend – und dann könnte das Ersatzmitglied einspringen, Dr. Kassegger von der FPÖ! – Leider nie da. Er ergreift
keine Möglichkeit, er nimmt die Verantwortung nicht wahr (Bundesrätin Steiner-Wieser: Stimmt ja gar nicht!), die ihm das österreichische Volk übertragen hat. Er nimmt nicht Stellung im Migrationsausschuss und sagt dort ganz einfach gar nichts! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Stimmt ja nicht!)
So geht es nicht! – Wir arbeiten anders, das haben wir gezeigt (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), unsere Ministerin, unser Innenminister. Unser Kanzler Nehammer hat das Thema Migration überhaupt in den EU-Gipfel gebracht. Sogar deutsche Medien zitieren, dass Österreich da die EU bewegt hat, dass es ganz konkrete Maßnahmen gibt. (Bundesrat Spanring: Ist das der deutsche „Falter“ gewesen, die „Süddeutsche“?) Eine ist ein Projekt, ein Pilotprojekt, zu Außengrenzverfahren; mehr Geld für Grenzschutz, für Kameras, für Fahrzeuge, für Türme; und eine EU-einheitliche Rückführungspolitik.
Da Kollege Ofner hier auf ein Interview mit dem ehemaligen Leiter des Zentrums in Traiskirchen eingegangen ist, so hat er nicht alles gesagt, denn dieser Franz Schabhüttl hat in seinem Abschlussstatement gesagt: „Was Nehammer beim EU-Gipfel geschafft hat – das muss man ihm lassen – ist ein positiver Ansatz. Nicht ein populistischer, sondern da ist sachlich griffiges dabei“, einmalig. (Beifall bei der ÖVP sowie Heiterkeit und Beifall bei den Bundesräten Ofner und Steiner.) – Das hast du vergessen, Kollege Ofner, das hast du vergessen! Und so ist eure Argumentationspolitik: immer was rauszupfen, was gerade passt, ein bissl verdrehen (Bundesrat Ofner: Also weißt du was, ...!), mit Zahlen jonglieren, die man gar nicht hat, und dann sich hierherstellen und immer nur Kritik üben.
Wir haben auch schon gehört, welche Maßnahmen die Regierung außerdem noch ergriffen hat, mit dem Veto bei der Schengenerweiterung, das ganz einfach richtig und wichtig war; die Abkommen mit Serbien, mit Indien, das Treffen mit Frontex, mit Bulgarien, mit Griechenland, die Grenzschutzkonferenz in Athen. Da hat man ja gesehen, wie die Zahlen zurückgehen. Wir haben 2022
letzten Endes 11 000 Abschiebungen gehabt, und das ist die höchste Quote laut UNHCR.
Nun zum Vergleich der Innenminister:
Rasche Verfahren, damit rasch klar ist, wer Asyl bekommt und wer nicht: Innenminister Karner 23 500 Schnellverfahren, Innenminister Kickl 740. (Bundesrat Preineder – erheitert –: Peinlich!)
Anerkennungsquote: Innenminister Karner, wie schon gehört, 15,6 Prozent; Innenminister Kickl 50 Prozent.
Geld für Asylwerber: Innenminister Karner 74 Euro pro Tag, Innenminister Kickl 142 Euro pro Tag.
Festgenommene Schlepper: Innenminister Karner 700, Innenminister Kickl 223. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Kabinettsmitarbeiter: Innenminister Karner 28, Innenminister Kickl 56, zwölf davon mit Chauffeuren. (Bundesrat Spanring: Du bist ein Träumer! – Bundesrat Ofner macht die sogenannte Scheibenwischerbewegung.)
Da kann ich nur sagen: Ein Freiheitlicher hat einmal gesagt: „Wo woa mei Leistung?“ – Das kann Kickl auch sagen! War die einzige Leistung die Erfüllung eines Jugendtraumes, einmal auf einem Pferd zu sitzen, obwohl man nicht reiten kann, um herunterzulachen? (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.) Das war die ganze Leistung! Wo woa mei Leistung? – Ja, ja.
Diese Regierung packt an, der Innenministervergleich zeigt das ganz deutlich. Diese Regierung bewegt die EU – das sagt auch der ehemalige Leiter von Traiskirchen, Kollege Ofner. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Diese Regierung achtet die Gesetze und die Menschenrechte, denn Menschenrechte müssen geachtet werden. Aber es geht nicht an, dass sich einige Länder an anderen abputzen, es geht nicht an, dass sich Migranten in ein Asylverfahren schwindeln
und dass sie Asyl à la Carte ausüben. Und Österreich gibt hier die Linie vor, das zu stoppen. Diese Regierung schützt Österreich. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)
17.20
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Als Nächster ist Bundesrat Stefan Schennach zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sage es gleich am Anfang, lieber Kollege Ofner: Ich werde bezahlt, damit ich mir eine rassistische Rede von Ihnen anhöre. Normalerweise verlangt nämlich die Psychohygiene, dass man sich solchen Rassismus nicht anhört und Sie alleine im Haus lässt. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Bundesrat Spanring: Das meiste hat er eh verschlafen!)
Zweitens: Herr Kollege Steiner, die Frau Bundesminister ist weit davon entfernt, dass sie mich als Verteidiger braucht, aber Sie sollten sich für die flapsige Bemerkung „die Sekretärin“ entschuldigen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Bundesrat Preineder: Wertschätzung!) – Ja, das fehlt halt. Normalerweise sind Menschen aus Tirol mehr zur Wertschätzung erzogen worden, aber beim Steiner ist da ein bisschen was passiert. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.) Da ich aus diesem Bundesland bin, kann ich durchaus sagen, dass die Wertschätzung bei uns immer ganz oben steht. (Bundesrat Ofner: Frauen und Vergewaltigung!) – Ja, bitte, der Missbrauch mit Einzelfällen, Kollege Ofner, den ihr immer wieder macht, der ist unanständig und schäbig. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)
Aber ich gebe Ihnen eine Antwort auf eine Frage, die Sie gestellt haben, bei der Ihnen fast ein bisschen das Speiben herausgekommen ist: Die Sozialisten, warum? – Darauf sage ich Ihnen, für uns gibt es da drei Prinzipien. Das oberste Prinzip heißt Solidarität mit Menschen in Not, mit Menschen, denen es
nicht gut geht. Das zweite Prinzip heißt Menschlichkeit, das ist all das, was man an Menschlichkeit lernt, vom Kindergarten bis ins höhere Alter. Und das dritte Prinzip ist: Da wir hier in einem christlichen Land leben, kommen natürlich auch die Gedanken der Nächstenliebe dazu.
Wir haben im Gegensatz zu Ihnen ein paar Dinge nicht vergessen. Wir haben nicht vergessen, dass ein Bruno Kreisky hier nur Kanzler werden konnte, weil er flüchten konnte und ihn ein Land, nämlich Schweden, aufgenommen hat. Wir haben nicht vergessen, dass Kindertransporte Wien verlassen haben und die Kinder nur überlebt haben, weil Großbritannien diese Kinder aufgenommen hat. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)
Wir haben nicht vergessen, liebe Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher, dass viele von euch sagen, ich habe eine zweite Mama, nämlich eine portugiesische Mama. Tausende Kinder aus Oberösterreich wurden nach dem Zweiten Weltkrieg in das bitterarme Portugal geschickt, wo diese Kinder ein Überleben und eine Ausbildung bekommen haben und bis heute ihren Eltern in Portugal dankbar sind. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)
Wir haben nicht vergessen, und das ist etwas ganz Großartiges, dass Shanghai eine offene Stadt für österreichische Juden ohne Papiere war. Sie haben alle aus Österreich ohne Papiere aufgenommen. Das ist eine großartige Leistung. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)
So, und nun zu dem Theater der FPÖ: Ja, wir haben viele Asylanträge, aber hey, lasst das Kalb im Stall! 1956 – einige von Ihnen waren da schon geboren – hatten wir 180 000, aber wir hatten eine zerknetschte FPÖ und deshalb gab es keinen Neid und keine Verbitterung im Land. 1968: 162 000, ohne Diskussion, ohne Neiddebatte. (Bundesrat Spanring: Das war einmalig und unsere Kultur!) – Ist ja okay. – Beim Zerfall Jugoslawiens waren es bis zu 120 000. Und was brauchten wir damals nicht? – Wir brauchten keine Camps und keine Zelte, weil die Menschen alle untergekommen sind.
So schaut es aus, und man kann Zahlen natürlich hochschwemmen, aber die Tatsache ist, dass wir ganz andere Flüchtlingsfragen in diesem Land bereits gut und tapfer bewältigt haben. (Bundesrat Spanring: Du vergleichst Äpfel mit Birnen! – Bundesrat Ofner: Das waren keine Wirtschaftsmigranten!) – Ja, ist okay, ist okay. – Wir müssen ein bisschen unterscheiden, was Migration und was Flucht ist. Es sind ungefähr zwischen 70 und 80 Millionen Menschen auf der Flucht. Da müssen wir wieder unterscheiden, ob sie ins Ausland oder intern flüchten. Bei den Menschen, die flüchten, haben wir in erster Linie die Nachbarländer. (Bundesrat Spanring: Afghanistan grenzt an Österreich?! – Bundesrätin Steiner-Wieser: Afghanistan und Indien, alles Nachbarländer!) – Ja, das ist ja okay. Alle Experten und selbst der indische Außenminister haben gesagt, diese Inder sind nicht auf der Flucht, auf Asylsuche, sondern sie sind auf Migration. Und das Ziel ihrer Migration ist nicht Österreich, es liegt nur zufällig dazwischen, sodass man hier den Antrag stellt, aber das Ziel ihrer Migration ist die Schweiz und ist Italien. Also bitte Vorsicht, wenn man solche Dinge behauptet. (Bundesrat Spanring: Österreich liegt zwischen Italien und Indien!) – Na klar, von Serbien kommt man über Österreich nach Italien. (Ruf bei der FPÖ: Der Europaexperte, der Europarechtsexperte!) – Ja, ich glaube, etwas mehr als du.
Also wenn man die größten Herkunftsländer sieht, ist weit und breit kein Indien dabei: Syrien, Venezuela, die Ukraine, Afghanistan und der Südsudan. Und wenn wir dann schauen, welche Länder am meisten aufnehmen, so sind es die Türkei, Kolumbien, Deutschland, Pakistan und Uganda. Wenn wir dann noch schauen, wo die meisten Binnenvertriebenen sind, dann haben wir wieder Syrien – gerade jetzt durch das Erdbeben wurde uns in Erinnerung gerufen, wo im Norden Syriens so viele Binnenvertriebene sind –, Kolumbien, die Ukraine, den Kongo und Äthiopien. So schaut das ungefähr aus.
Jetzt, Kollege Hübner, mit den interessanten Zahlen, die Asylanträge in Spanien, das war ja irgendwie eine Dekagrammrechnung. Ich sage dir das gerne und ich habe die offiziellen Zahlen betreffend Asylanträge 2021 im EU-Raum. An erster Stelle steht kein - - (Ruf bei der FPÖ: 2022!) – Ich rede jetzt einmal von
2021, denn da sind die Zahlen da: Deutschland 120 685, Spanien 65 295, Italien 53 610, und dann kommt Österreich mit 39 900, gefolgt von Griechenland mit 28 355 und den Niederlanden mit 26 520.
Aber ich will dem Kollegen Hübner ja ein bisschen helfen. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Nein, ich helfe jetzt einmal dem Kollegen Hübner. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Er will Österreich ja weiter nach oben bringen, also können wir das umgekehrt machen.
Schauen wir uns einmal die Flüchtlingszahlen pro 1 000 Einwohner an: Da steht an erster Stelle das kleine Zypern mit 11,3, und an zweiter Stelle steht Österreich mit 4,3, danach kommt Malta mit drei, wir befinden uns da also bei den sehr kleinen Inselstaaten. Nach Malta kommen dann Griechenland und Luxemburg. Das sind die Zahlen, die heute zur Verfügung stehen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Moment, wartet ein bissl, seid nicht so nervös! Eure Dringliche Anfrage an die Frau Bundesministerin ist ein Rohrkrepierer, das müsst ihr zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)
Obwohl: Ich teile nicht unbedingt die Meinung der Frau Bundesministerin, dass der Auftritt von Herrn Nehammer beim Gipfel so großartig war, er hat eher ein bissl Verwunderung ausgelöst. Man hört ja auch andere Regierungschefs in Interviews, und wenn man Xavier Bettel oder Olaf Scholz und andere hört, dann war es im Vergleich dazu eher verwunderlich.
Aber kommen wir zur Festung: Die letzte Festung, von der ich etwas gehört habe – und ich komme, wie ich am Anfang gesagt habe, aus dem Alpenraum –, war die Alpenfestung, und die war als Nazifestung gedacht. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Das war der letzte Versuch einer Festung – Klara nickt mir zu –, und wir haben in den Bergen noch die letzten Trümmer dieser Festung. (Bundesrat Spanring: Kommt ihr jetzt mit dem Nazivergleich daher? Das ist alles, was ihr könnt! Alles immer mit den Nationalsozialisten vergleichen: das ist mies und das ist eine Verharmlosung!) Rassismus ist immer mies, Herr Kollege! Euer Rassismus ist erbärmlich, das ist es. (Bundesrat Spanring: Erbärmlich sind deine Vergleiche! – Bundesrat Steiner: Du bist erbärmlich!) Und euer Rassismus ist ein
Rassismus, der als solcher zu titulieren ist. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Bundesrat Spanring: Ja, du kannst eh Rassisten sagen, aber hört auf mit dem Nazivergleich!)
Aber ich helfe euch. Ich verwende die Worte des eleganten Edi Köck und sage: Der Begriff Festung für ein Land des Tourismus, das dann zumachen würde und nur zwei, drei Eingänge hat, ist ein Irrsinn. Erstens ist es wirtschaftlich ein Irrsinn und zweitens: Wir leben vom Tourismus. Gott sei Dank kommen Millionen Menschen und nächtigen in Österreich. (Bundesrat Steiner: Die lassen wir ja eh rein!) Da eine Festung zu bauen: Nein, danke! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Bundesrat Spanring: Genau, weil die wollen wir ja ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)
So manche Dringlichen Anfragen sind ja verräterisch. Ein Wort wird hier ja nie ausgeschrieben. Schauen wir uns das einmal bei unserem glorreichen Viktor Orbán an, der ja einer eurer Säulenheiligen ist. Ich nehme einmal den Zeitraum zwischen 2018 und 2021 her, da wurden in Ungarn ganze 402 Flüchtlinge anerkannt. 402! (Bundesrat Spanring: Ja, weil er EU-Gesetze einhält! Er macht es ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)
In demselben Zeitraum wurden in Österreich - - Beruhig dich, beruhig dich! (Heiterkeit bei SPÖ, ÖVP und Grünen.) Wir sind hier nicht im Häfn, wo du herumbrüllen kannst. (Beifall bei der SPÖ.) Wir sind hier zivilisierte Menschen. (Ruf bei der ÖVP: Chillax!) Das heißt also - - (Bundesrat Steiner: Ja, schau dir mal dich an! Ausgerechnet du! – Bundesrätin Schumann: Contenance, Steiner!)
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Darf ich kurz unterbrechen: Können sich bitte alle in ihrer Ausdrucksweise mäßigen (Bundesrat Gross: Es müssen sich nicht alle mäßigen, nur einige!), und können wir in diesem Plenum zu einer Form von Disziplin zurückkommen! (Bundesrat Spanring: Nein, wenn man immer mit Nazis verglichen wird! – Bundesrat Steiner: Für „Nazis“ einen Ordnungsruf! Ich beruhige mich nimmer!) Ich ersuche alle, sich in ihrer Ausdrucksweise etwas zu
mäßigen und sich ihre Ausdrücke gut zu überlegen. (Ruf bei der FPÖ: Ordnungsruf! – Bundesrätin Steiner-Wieser: Einen Ordnungsruf für Herrn Schennach für das, als was er uns tituliert hat! – Ruf bei der SPÖ: Und wie viele für Herrn Steiner?)
Bundesrat Stefan Schennach (fortsetzend): Ich habe von der Alpenfestung gesprochen, und die Alpenfestung ist nicht von der FPÖ erfunden worden, sondern von den Nazis. Das hat also nichts mit euch zu tun. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ja, ja, genau!)
Nun kommen wir noch einmal zurück zu dem Thema, das vorhin diskutiert wurde: junge Männer. Ich nehme jetzt einmal die Zahlen der UNO her. Die UNO sagt: Drei von zehn Asylsuchenden sind weiblich, wiederum 42 Prozent der Asylsuchenden sind Kinder, und 70 Prozent der Asylsuchenden gehen ins Nachbarland. Also bitte, noch einmal: Führen wir das alles dorthin zurück, wo es hingehört!
Und jetzt noch einmal etwas zu eurem Säulenheiligen: Wenn Viktor Orbán seinen Job richtig machen würde, so müsste er die Menschen registrieren. Tut er aber nicht, also werden sie in Österreich registriert, und so kommen wir auf 108 000. Diese 108 000 sind aber nicht hier, es sind nur ungefähr 30 000 bis 35 000, denn die anderen wollen weiter, so wie die Inder nach Italien oder in die Schweiz weiter wollen. (Bundesrat Steiner: Die dürfen gar nicht ausreisen, wenn sie bei uns registriert sind! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Da werden sie dann vielleicht im Zug durch Tirol fahren, aber auch das soll nicht sein.
Gut, kommen wir zum Schluss. Diese Dringliche Anfrage steht unter dem Titel: Viel Wirbel, viele Vorurteile, viel Rassismus, aber keine Lösungen. Das ist etwas, mit dem man ein böses Geschäft macht. Ich kann alle Menschen, die irgendetwas von dieser Dringlichen hier heute mitbekommen haben, nur bitten, nachzudenken: Wer bemüht sich hier wirklich darum, Fragen und Probleme in den Griff zu bekommen? Wo sind Humanität, Menschlichkeit und Hilfe angesagt und wo versucht man nur, Öl ins Feuer zu gießen?
Es wird keine Schließungen von Routen geben, weil Menschen immer in Bewegung sein werden. (Zwischenruf des Bundesrates Ofner.) Die Integration ist eine andere Frage, und deshalb hat zum Beispiel die SPÖ zwei Dinge gemacht: Sie hat zwei erfolgreiche Landeshauptleute – den burgenländischen Landeshauptmann und den Kärntner Landeshauptmann – gebeten, ein Konzept zu machen, und sie haben ein Konzept gemacht. Es heißt: Integration jener, die hier leben, geht vor Zuzug. (Bundesrat Ofner: Ja, 30 Jahre nach ...! Schlaft 30 Jahre weiter!) Die Integration ist wichtig.
Wir haben außerdem in Wien eine Demokratiecharta erarbeitet, denn es geht nicht an – ich nehme an, dass mein Kollege aus Wien, Marco Schreuder, das möglicherweise auch so sehen wird –, dass ein Drittel der Menschen, die in dieser Stadt schlafen, arbeiten, Steuern zahlen, träumen, nicht wählen darf. Das geht nicht an, denn wählen zu dürfen ist eine der ganz wichtigen und drängenden Fragen der Integration.
Und jene – wie etwa dieses Mädchen –, die sich bemühen, Deutsch zu sprechen und eine gute Schulausbildung zu machen, die nichts anderes tun, als in die Schule zu gehen und sich darum zu bemühen (Bundesrat Spanring: Bla, bla, bla!), sich hier zu integrieren, rassistisch anzupöbeln, das ist eine unglaubliche Schweinerei. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)
Vielleicht eines noch zum Säulenheiligen (Bundesrat Steiner:
Jetzt hast du es
20-mal gesagt!): Ich glaube, die ÖVP glaubt bis heute, dass es
Sebastian Kurz war, der die
Balkanroutenschließung erfunden hat. Das stimmt nicht ganz. Genau
ein Jahr davor hat Viktor Orbán in einem Interview gesagt: Wir
müssen die Balkanroute schließen! Ein Jahr später hat
Sebastian Kurz, der das offensichtlich gehört oder gelesen hat,
das übernommen. Die Balkanroute wird auch nie geschlossen werden. (Bundesrat
Steiner: Doch, wir haben sie geschlossen!) Eines der
allerwichtigsten Dinge ist, dass wir Schengen wiederbekommen, dass wir die
dummen Grenzen zwischen den EU-Mitgliedstaaten wieder zum Verschwinden bringen.
Deshalb brauchen wir einen Außengrenzschutz (Zwischenruf des
Bundesrates Spanring), und zwar in einer menschlichen, ordentlichen
und korrekten Art und Weise, nicht in Form von Mauern, nicht in Form von Zäunen. Die einzige Mauer, die existiert, ist jene zwischen Mexiko und den USA, und die ist alles andere als wirksam.
Deshalb: Wir brauchen kein von Mauern und Stacheldrähten umzingeltes Europa. In so einem Europa wollen wir alle nicht leben, sondern wir werden gesicherte Routen für die Migration machen und gesicherte Routen für jene, die auf der Flucht sind, damit sie das Mittelmeer nicht zu einem Massengrab machen müssen. Das sind die wichtigen Dinge. (Bundesrat Spanring: Da seid ihr dabei! Ihr macht das!)
Statt Menschen etwas von Routenschließungen vorzumachen, gar der Mittelmeerroute, müssen wir uns eher dafür bedanken, dass NGOs dort Menschen vor dem Ertrinken retten. Wir sollten alles, was dort an Seenotrettung gemacht wird, hochhalten. (Zwischenruf des Bundesrates Ofner.)
Über eines muss sich die EU klar sein: Die illegalen Pushbacks – das heißt, kein Asylverfahren an der Grenze durchzuführen –, wie sie in Griechenland, Ungarn, Kroatien, Polen, Lettland und Litauen passieren, sind verfassungswidrig, verstoßen gegen das Menschenrecht und sind abzuschaffen und wieder zurückzunehmen. Ich hoffe, dass die Untersuchung gegenüber Frontex entsprechende Erfolge zeigt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätinnen Neurauter und Zwazl.)
17.41
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.
Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Jetzt stehe ich heute zum zweiten Mal hier vorne, um eigentlich zu einem identen Themenbereich wie in der Aktuellen Stunde zu reden. Ich habe in der Aktuellen Stunde schon sehr viel
gesagt. In Wirklichkeit wiederholen sich die Kolleg:innen von der FPÖ schon wieder in ihren Inhalten, die ich bekanntlich nicht teile.
Natürlich könnte ich auch auf ganz rationale und faktenbasierte Art jeden Satz der FPÖ-Dringlichen beziehungsweise die sich daraus ableitenden Forderungen widerlegen, aber ich denke, das ist wahrscheinlich zumindest auf dieser Seite eine Rede ins Leere. Mir fällt da ganz spontan Kollege Hübner ein, der hier vorne steht und sagt: Wir brauchen beschränkte Asylgewährung, ein Jahr, 1,5 Jahre. – Ich frage mich, ob jemand von der FPÖ schon einmal einen Asylbescheid in der Hand gehabt hat. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Die sind auf drei Jahre beschränkt, und nach drei Jahren wird das übrigens erst überprüft, bevor es dann von Amts wegen in die Verlängerung geht. Es gibt den subsidiären Schutz. Der ist sowieso nur auf ein Jahr und wird dann überprüft.
Dann frage ich mich natürlich ganz besonders: Wenn jemand Asyl bekommt, bekommt er es zum Beispiel aufgrund seiner politischen Gesinnung. Wie soll sich denn die in anderthalb Jahren derartig verändern, dass er in seinem Heimatland plötzlich nicht mehr verfolgt ist?– Es tut mir leid, da fehlt mir persönlich die Fantasie. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Hübner: Das soll sich im Heimatland ändern! – Bundesrat Steiner: Vielleicht hat sich im Heimatland etwas geändert!)
Jemand, der das Prinzip der Asylgewährung verstanden hätte, würde nicht in jedem zweiten Satz stattdessen von illegaler Migration reden, denn – das muss man schon ganz vorne hinstellen – wie lässt sich denn unterscheiden, ob jemand Asylschutz bekommen muss? – Man muss den Menschen als Erstes einmal befragen. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Dann brauchen Sie einen guten ...!)
Äußerlich sichtbar gepeinigte Folteropfer schaffen es wirklich selten bis in ein Land, das ihnen Schutz gewährt. Botschaftsasyl, wie es das früher einmal gegeben hat – die Frauen in Afghanistan würden das zum Beispiel bitter notwendig haben –, gibt es nicht mehr.
Da ist übrigens auch das Thema sichere Fluchtrouten und so weiter mitabgehandelt. Also ich habe in meiner 30-jährigen Praxis Frauen mit Kindern gesehen, die den Tod hinter sich gelassen haben, um dann über das Mittelmeer – Kollege Schennach hat es gesagt – in den Tod zu gehen, die teilweise ihre Kinder verloren haben, die im Mittelmeer ertrunken sind. Keine Mutter – ich habe selber drei Kinder – würde ihr Kind einer höheren Gefahr aussetzen, als unbedingt notwendig ist. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrät:innen Neurauter, Eder und Schwindsackl.)
Warum weise ich jetzt noch einmal darauf hin? – Um die Absurdität klarzumachen. Wenn ich äußerlich unbeschadet, gesund aussehend zu meinem Arzt gehe, werde ich nicht an der Türe der Arztordination abgewiesen, sondern mir wird die Türe geöffnet, und der Arzt oder die Ärztin fragt mich, warum ich zu ihm oder ihr komme. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Dann erst entscheidet der Arzt oder die Ärztin, ob ich einer Behandlung bedarf, welches Medikament ich bekomme oder ob ich aus seiner oder ihrer Perspektive vielleicht gesund bin. (Bundesrat Steiner: Sie brauchen viele Medikamente!)
Deshalb müssen die Menschen auch zuerst zu ihren Asylgründen befragt werden und dann muss eine Entscheidung getroffen werden. Jemanden wegzuschicken, dem in seinem Heimatland der Tod droht, wäre, wie wenn ich einer Krebspatientin sage: Na ja, von außen sehen Sie eh ganz gesund aus. Sie bedürfen keiner ärztlichen Versorgung. – Das geht sich nicht aus. Es tut mir wirklich leid, das geht sich nicht aus. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätinnen Zwazl und Neurauter.)
Ein weiterer Punkt, der immer ganz gerne genannt wird, ist der viel zitierte Pullfaktor. Also wir haben ja die Push- und Pullfaktoren und so weiter. Wir haben ja viele Fachbegriffe, aber das möchte ich jetzt auch noch einmal ganz kurz an einem kleinen Beispiel deutlich machen.
Kennen die Kollegen von der FPÖ eigentlich den derzeitigen Auszahlungsbetrag des Verpflegungsgeldes an Kinder in der Grundversorgung? Ideen? (Bundesrat Steiner: Was willst du wissen?) – 3,30 Euro. Das sind 100 Euro pro Monat bei
privater Grundversorgung. Mit 3,30 Euro pro Tag kann man eine Semmel, einen Apfel, einen Liter Milch kaufen und vielleicht noch ein günstiges Nudelgericht kochen. Ob man damit satt wird oder ob das den Anreiz zum Verlassen seiner Heimat darstellt, diese Überlegung überlasse ich gerne Ihnen. (Bundesrat Ofner: Nein, aber euer Klimabonus! Der ist super!)
Abschließend möchte ich noch einmal betonen, dass wir uns – Kollege Schennach und auch Kollege Köck haben es ausführlich ausgeführt – völkerrechtlich dazu verpflichtet haben, Menschen gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention Schutz zu gewähren. Das ist gut und richtig. Ich wünsche niemandem, der in Not gerät, Asyl in Anspruch nehmen zu müssen, denn – jetzt bringe ich noch ein ganz profanes Zitat – wie schon Georg Danzer sagte: Niemand verlässt seine Heimat ohne Grund. (Bundesrat Spanring: Und was ist mit den 85 Prozent, die abgelehnt werden?)
Hören wir endlich mit Populismus und Polemik auf, wenn es um die Wahrung und die Einhaltung von Menschenrechten geht! Suchen wir gemeinsam nach Möglichkeiten und Lösungen auf europäischer und nationaler Ebene, damit Menschen nicht fliehen müssen! Dazu zählen natürlich das Verhindern von Kriegen, das Beenden von Kriegen, die Friedenssicherung (Bundesrat Spanring: Ihr tut aufschaukeln!) und – damit sich in Zukunft nicht ganz viele Menschen auf die Reise machen müssen – der Klimaschutz. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Hirczy.)
17.47
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Frau Vizepräsidentin! Frau Ministerin, ich wollte eigentlich gleich zu Ihnen kommen, aber da vorhin drei, vier andere Redner vor mir gesprochen haben, muss ich zuerst auf diese replizieren. Verzeihen Sie mir!
Herr Kollege Schennach, ich bin
jetzt bei Ihrer Rede mit dem Mitschreiben fast nicht mitgekommen. Wenn Sie sich
hier herausstellen und andere Mitglieder des Bundesrates
korrigieren wollen – und zwar wollten Sie die Ausführungen von
Herrn Kollegen Hübner mit Zahlen korrigieren – und Sie dann mit
EU-Zahlen von 2021 kommen, Herr Kollege Schennach, um damit die Zahlen von
2022, von denen Kollege Hübner gesprochen hat, zu korrigieren, dann geht
sich Ihre Besserwisserei nicht aus. (Beifall bei der FPÖ.)
Dann stellen Sie sich hierher und sagen, Sie müssen sich - -, also: Sie werden Gott sei Dank dafür bezahlt, dass Sie sich diese rechtsradikalen Reden von Herrn Ofner (Bundesrat Ofner: Rassistischen!) oder rassistischen Reden von Herrn Ofner anhören müssen. Herr Kollege Schennach, ich beobachte Sie oft. So oft, wie Sie schlafen, müssen Sie sich hier herinnen nicht viel anhören. (Beifall bei der FPÖ. – Widerspruch bei der SPÖ.) Für Ihre Schlafstunden hier im Sesserle kriegen Sie so viel Geld. Für das Verschlafen der halben Bundesratssitzung sind Sie, Herr Kollege Schennach, überbezahlt, seien wir einmal ehrlich. Und dann jedes Mal - -
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Ich muss noch einmal unterbrechen. Bitte keine persönlichen Angriffe! Kehren wir wieder zu einer Disziplin zurück! Das ist furchtbar.
Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Furchtbar ist Ihre Vorsitzführung! Wenn ich über das Schlafen rede, wenn uns jemand andauernd die Nazikeule draufhaut und von Rechtsradikalen und Nazis spricht und ich vom Schlafen rede und es dazu einen Zwischenruf von Ihnen gibt, dann muss ich sagen, das ist schlimm, Frau Präsidentin, aber sonst nichts hier herinnen. (Beifall bei der FPÖ.) Das ist halt Ihre parteiische Vorsitzführung, aber lange, habe ich gehört, müssen wir Sie eh nicht mehr erdulden. (Zwischenruf der Bundesrätin Kittl.)
Dann, Herr Kollege Schennach, stellen Sie sich in Ihrer Unverfrorenheit hierher und reden über meine Erziehung. Ich lasse mir von Ihnen nicht auf das Grab meines verstorbenen Vaters nachspucken – nicht von so einem Sozialisten,
wie Sie es sind. Merken Sie sich das! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)
Und dann reden Sie hier herinnen von Menschlichkeit. Ausgerechnet Sie reden von Menschlichkeit, wenn es um alle auf dieser Welt geht. Wenn es aber um unsere Jugendlichen und Kinder geht, um unsere Frauen geht, wie Leonie, wie andere, die vergewaltigt worden sind, wie andere, die umgebracht werden von denen, die Sie ins Land lassen, die Sie herinnen haben wollen, für die Sie gerade ein Plädoyer gehalten haben, für all die Messerstecher und Vergewaltiger, da hört man von der sozialistisch-heuchlerischen Menschlichkeit kein Wort. Traurig, traurig! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Das geht nicht! Dafür sind nicht ganze Bevölkerungsgruppen kollektiv verantwortlich! Was soll das? – Bundesrätin Schumann: ... Das geht gar nicht!)
Dann zu dem, was Herr Kollege Köck gesagt hat – ich weiß ja gar nicht, jetzt sitzt er nicht mehr da. Zu dem passt ein bisschen der Spruch: Ich mach’ mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt. Er stellt sich hierher und sagt beinhart: Bei Herbert Kickl hat es keine Zurückweisungen gegeben. Das kann jeder Österreicher in der Statistik nachgoogeln: über 5 000! Und bei Herrn Karner: zero, null in einem Jahr. Ganz einfach! Das kann jeder nachgoogeln. Er stellt sich da heraus und redet einen Blödsinn, nachweislich einen Blödsinn. 1 300 Anträge haben wir bei Herbert Kickl gehabt und 110 000 bei Karner, und dann kann man die Zahlen halt in Prozent nicht so vergleichen. Das funktioniert nicht!
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Herr Bundesrat Steiner, ich unterbreche doch noch einmal; ich habe auch Kollegen Schennach unterbrochen. Ich weiß, ein Ordnungsruf würde für Sie jetzt wohl ein Orden sein (Bundesrat Steiner: Für was?), aber ich ersuche noch einmal: Bitte um einen Umgangston, der diesem Haus entspricht. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrätin Zwazl.)
Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Was war jetzt falsch? (Rufe bei der FPÖ: Was war da falsch?) Sagen Sie, was habe ich jetzt Falsches gesagt;
das müssen Sie mir ja sagen. Was ist das Problem? (Ruf bei der FPÖ: Weiß sie nicht!)
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Blödheiten.
Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Blödheiten sind Blödheiten, die muss man halt einmal benennen; es tut mir leid. (Beifall bei der FPÖ.)
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Niemand hat auf ein Grab hinabgespuckt. Und jetzt beginnen Sie, Ihre Worte so zu wählen, dass sie Sinn machen!
Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Sie müssen mir die Zeit abschalten, wenn Sie reden, Frau Kollegin. (Bundesrätin Schumann: Na geh!) Ja natürlich, wenn sie mir dauernd dazwischenredet, wird sie mir die Zeit stoppen müssen. Ja, ist doch logisch! (Bundesrätin Grimling: Geh bitte, rede weiter!)
Dann noch zu dem, was Frau Kollegin Hauschildt-Buschberger gesagt hat. Bei Ihnen hat nicht einmal mehr der eigene Koalitionspartner geklatscht, und das haben sie früher schon gemacht. Also einmal Bader, als er kurz aufgeschaut hat, und das war es dann. Mehr hat es jetzt da bei Ihrer Rede nicht mehr gegeben. Deshalb erübrigt sich auch von meiner Seite jeglicher Kommentar zu Ihrer Rede. (Beifall bei der FPÖ.)
So, jetzt komme ich eigentlich zu dem Thema, über das wir reden müssen. Es tut mir leid, Frau Ministerin, ich habe ja gehört, Sie oder Herr Polaschek – jetzt weiß ich nicht, wer – müsste zum Opernball. Sie nicht? Herr Polaschek? Ich weiß es jetzt wirklich nicht. (Bundesrätin Schumann: Das ist ja völlig wurscht! – Bundesrätin Grimling: Das ist ja wurscht! – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich entschuldige mich jetzt schon im Vorhinein: Es tut mir leid, dass in diesem Haus Demokratie stattfindet. Und ich halte es für einen Skandal, dass hintenrum telefoniert worden ist. (Zwischenruf bei der SPÖ.)
Hört einmal zu, es geht auch um die SPÖ, um eure demokratisch eingebrachte Dringliche Anfrage (Bundesrätin Schumann: Geh, geh, geh!) – die schreien da
immer herein, die erste Reihe da vorn, das ist immer ganz interessant –: Ist doch wirklich hintenrum von Ministerseite telefoniert worden, ob wir unsere Reden nicht kürzen könnten, eine Redezeitbeschränkung machen könnten, weil Herr Minister Polaschek sonst zu spät zum Opernball kommt! Ausgerechnet diese Regierung traut sich das mit einer Unverfrorenheit zu fragen, die mit dem Bundesrat ansonsten so umgeht wie mit einer Fußmatte vor irgendeiner Wohnungstür. So nicht, Frau Ministerin, das kann ich Ihnen sagen! (Beifall bei der FPÖ.)
Der Opernball wird auch ohne Herrn Polaschek und ohne Frau Edtstadler stattfinden können, und wer weiß, vielleicht ist es bei uns ja gar nicht so viel fader als am Opernball. Dort ist es relativ eng, dort ist es heiß, bei uns haben Sie viel Platz zum Sitzen, da ist es nicht so heiß. Und das kostet den Steuerzahler dann auch nicht so viel, als wenn Sie dort drinnen sitzen, nicht? – So.
Dann geht es weiter, weil Sie alle sagen – Herr Schennach war wieder so belehrend –: Man kommt ja nicht nach Österreich, weil es einem da dann so gut geht. – 500 Euro Klimabonus fürs In-die-Luft-Schauen, wobei man keinen einzigen Cent für eine Waschmaschine, für einen Kühlschrank, für Strom, für Gas zahlen muss, 500 Euro nachgeschmissen zu kriegen – zeigen Sie mir das Land, das mehr Anreiz bietet als Österreich mit seinem Klimabonus für Asylanten! Dieses Land gibt es nicht, das findet man auf der ganzen Welt nicht. (Zwischenrufe bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)
Und jetzt stellt sich die Frau Ministerin heute her und redet davon, dass wir jetzt einen Zaun bauen. Brüssel baut jetzt dann einen Zaun um Europa. Genau den Zaun, den Sie nie wollten, Frau Ministerin, den Sie immer verhindert haben. Ich kann mich noch gut daran erinnern, Innenministerin Hanni Mikl-Leitner wollte mit Werner Faymann einen Zaun, ein Türl mit Seitenteilen bauen. (Bundesrat Schreuder: Bitte nicht schreien!) So ist Ihr Zaun, Frau Ministerin! So schaut es aus! (Bundesrat Schreuder: Warum muss man immer brüllen?)
Es war heute, und das muss man dazusagen, leider Gottes wirklich peinlich, denn die ÖVP macht immer dasselbe Spiel. In Niederösterreich haben es die Wähler aber jetzt durchschaut. Und, glaubt mir das, Niederösterreich ist kein Einzelphänomen, denn die ÖVP wurde jetzt durchschaut, denn ihr habt immer dasselbe Spiel betrieben. (Beifall bei der FPÖ.)
Ob das in sozialen Fragen war, ob das in sicherheitspolitischen Fragen war, ob das in bildungspolitischen Fragen war, ihr betreibt immer dasselbe Spiel und ihr habt nicht einmal daraus gelernt, denn Sie machen es ja jetzt wieder, Frau Ministerin. Sie stellen sich hin und reden in der Öffentlichkeit von Grenzen schließen, von Zurückweisungen, von geschlossenen Balkanrouten und machen in Brüssel genau das Gegenteil. Sie stellen sich in irgendeinem Bundesland in Österreich hin, in dem Sie regieren, und sagen: Wegen der bösen Bundesregierung können wir das nicht machen, wobei aber die eigenen Leute in der Bundesregierung sitzen. Und in der Bundesregierung setzt man sich hin und sagt: Aber die Bösen in Europa!, wobei aber Ihre Partei mit Ihrer von der Leyen, die von niemandem gewählt worden ist, in Europa an der Macht ist. Das ist Ihre Parteienfamilie, Frau Ministerin, und das haben die Leute mittlerweile durchschaut, das haben sie durchblickt. Man kann nicht erwarten, dass, wenn man ihnen - - (Bundesrätin Zwazl: Das haben sie nicht durchschaut, das haben sie durchblickt?) Das haben sie nicht durchschaut? (Bundesrätin Zwazl: Du hast gesagt, das haben sie nicht durchschaut, das haben sie durchblickt! Was ist da der Unterschied?) Das haben die Wähler nicht durchschaut? Ja, darf ich dich, Frau Kollegin aus Niederösterreich, noch einmal an das Wahlergebnis in Niederösterreich erinnern. Ich glaube, es ist sehr wohl vom Wähler durchschaut worden, was diese ÖVP in den letzten Jahren immer mit den Wählern aufgeführt hat. (Beifall bei der FPÖ.)
Und dann redet Minister Karner von seiner tollen Offensive in Marokko, dieser Medienoffensive.
(In Richtung Bundesministerin Edtstadler:) Müssen Sie jetzt am Handy schreiben, dass Sie zu spät zum Opernball kommen, oder was? (Zwischenrufe bei der
ÖVP.) Es wäre schön, wenn Sie das Handy weglegen würden. Das wäre wunderschön, wenn Sie zuhören würden. (Bundesrat Buchmann: Jetzt ist es aber dann einmal genug! –Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Der Opernball wird zwar nicht auf Sie warten, aber er wird auch noch stattfinden, wenn Sie ein bissel später dort sind. Das ist doch unglaublich. Andauernd am Telefon, diese gute Dame, völlig ignorant, alles egal! Aber diese Ignoranz, Frau Edtstadler, wird Ihnen noch massivst auf den Kopf fallen, das kann ich Ihnen versprechen. Ob Sie mir da zuhören oder nicht, ist mir völlig wurscht, das ist mir völlig egal, aber der Respekt gegenüber dem Bundesrat würde es halt gebieten; nicht gegenüber mir, denn mir ist das egal. (Präsident Kovacs übernimmt den Vorsitz.)
Zur Onlineoffensive von Herrn Karner: Die hat in Marokko sage und schreibe 260 000 Euro gekostet. Und uns wurde von Herrn Karner bei der Präsentation versprochen: Ihr werdet sehen, das hilft jetzt, das ist jetzt die Wunderwaffe. Jetzt kommt niemand mehr aus Marokko. – Jetzt schauen wir uns die Zahlen an: Es sind doppelt so viele wie im Vorjahr. Es ist also schon interessant, wie diese Onlinekampagne von Herrn Karner wirkt. Das wäre einmal interessant, welche Agentur das gemacht hat, denn diese Agentur würde ich gerne einmal kennenlernen.
Und, Frau Edtstadler, ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Es tut mir leid – nein, Sie tun mir eigentlich nicht leid, denn Sie bleiben ja selbst in der Regierung sitzen; nein, Sie tun mir nicht leid –, aber diese Regierung ist gescheitert, ist in allen Belangen überfordert, für die sie zuständig ist. Sie sind überfordert, unfähig und leider Gottes – leider, denn es wäre ja wunderschön, wenn wir eine ordentliche Regierung hätten – auch nicht ansatzweise in der Lage, für die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung zu sorgen, und das ist ja das Traurige. (Beifall bei der FPÖ.)
Wenn wir keine Probleme in diesem Land hätten, dann bräuchten wir darüber ja nicht zu diskutieren. Wenn alles gut wäre, wenn wir keine Scheinasylanten hätten, wenn wir keine Messerstecher hätten, wenn wir keine Vergewaltiger
hätten, wenn freundliche junge Damen kommen würden, Mütter kommen würden, wäre das tadellos. Dann bräuchten wir nicht darüber zu diskutieren, aber zu uns kommen junge, starke, potente Männer, die nicht wissen, wohin mit ihrer Potenz. Und das ist das Problem, in dem wir uns befinden, Frau Edtstadler! (Beifall bei der FPÖ.)
Dann ist das natürlich scheinheilig. Dann brauchen Sie nicht aufzudrehen, wenn der Herr Kollege sagt: Das ist scheinheilig, wie Sie Politik betreiben, und es ist scheinheilig, wenn man so über Frauen spricht.
Das stimmt schon. Wenn man in Österreich wirklich eine sichere Politik für Frauen haben will, dann braucht man endlich einmal Taten, Frau Ministerin, nicht immer nur schöne Worte am Weltfrauentag. Die Frauen haben von diesem Weltfrauentag nichts, wenn sie dann Angst haben müssen, in einer Schule in Kärnten vergewaltigt zu werden. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) – Frau Kollegin von den Sozialisten, ist das lustig? Ist das lustig? (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) – Dann lachen Sie nicht, Frau Kollegin, dann lachen Sie nicht! (Beifall bei der FPÖ.)
Das ist ein junges Mädchen, dessen Leben jetzt zerstört wurde. (Bundesrätin Schumann: ... Frauen am Herd fest, und das wollen Sie!) Dieses Leben wurde zerstört. Sie wurde von Ihren Migranten vergewaltigt. So schaut es aus! Und dann noch blöd lachen! Wo sind wir denn überhaupt? (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)
Aber diese ÖVP betreibt das immer gleich (Bundesrat Bader: Herr Präsident!), immer gleich, frei nach dem Motto der Tiroler Volkspartei: Alles richtig gemacht. (Zwischenruf des Bundesrates Novak.)
Aber die Menschen durchschauen Sie gottlob endlich. Das hat früher funktioniert. Da hat es ja den Basti – Wunderbasti! – gegeben, der die Balkanroute geschlossen hat und dann vergessen hat, den Schlüssel beim Türl abzuziehen. Das hat früher funktioniert, als er angeblich gesagt hat, er hätte das
Asylproblem im Griff. Das hat früher beim Basti funktioniert, als er behauptet hat, er sei eh nicht korrupt. – Das ist übrigens der Basti, der Sie (in Richtung Bundesministerin Edtstadler) in die Regierung geholt hat, also Ihr guter Freund.
Seit dem Fall des großen Basti gibt es aber ein Umdenken im Land, und der Bürger hat es jetzt gecheckt. Wenn Sie über europäische Lösungen sprechen, Frau Ministerin, dann sprechen wir darüber nicht seit gestern, sondern seit über 20 Jahren. Und gibt es schon eine europäische Lösung? – Nein, es gibt keine. Das heißt, mit diesem schwerfälligen Apparat in Brüssel, mit diesen Bürokraten, die dort sitzen, die ja keine Ahnung vom Volk haben, die so weit weg von der Realität sind, werden Sie in dieser Frage die nächsten 20 Jahre auch keine Lösung finden.
Dann muss man, wenn man das nicht selber machen will, in Kauf nehmen, dass solche Fälle wie in Kärnten, wie der Fall Leonie weiterhin in Österreich passieren. Das kann aber nicht unser Anspruch sein, Frau Ministerin! Unser Anspruch muss ja sein, dass solche Fälle genau nicht mehr in Österreich passieren. Das heißt: Handeln wir hier in Österreich endlich national! (Beifall bei der FPÖ.)
Man hat es einfach schon einmal bewiesen: Sie, Frau Minister, waren ja diejenige, die den eigenen Österreicher, der nicht geimpft war, ausweisen wollte. (Heiterkeit der Bundesministerin Edtstadler.) Also sprich: Sie haben gesagt - - Ja, jetzt lachen Sie darüber, ich glaube, es war nicht so lustig. (Bundesministerin Edtstadler: Nein, das stimmt einfach nicht!) Das Zitat ist auch belegt. Da haben Sie gesagt: Jeder, der nicht geimpft ist, hält sich dann, wenn die Impfpflicht in Kraft ist, widerrechtlich in Österreich auf. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Edtstadler.) – Natürlich! So, jetzt haben Sie bewiesen, dass Sie die nicht geimpften österreichischen Staatsbürger abschieben wollen, das funktioniert aber anscheinend bei Asylwerbern nicht. Da gibt es aber einen Fehler in Ihrem System, muss ich ganz ehrlich sagen. Einen nicht geimpften Österreicher schieben wir ab, ein nicht geimpfter Asylant darf bleiben. Also das
glaubt Ihnen ja kein Mensch mehr, Frau Ministerin. Wenn Sie österreichische Bürger als nicht rechtens in Österreich lebend betiteln wollen, dann ist aber jeder Asylwerber erst recht nicht rechtens in unserem Land. (Beifall bei der FPÖ.)
Wenn man natürlich dann auch noch jedem Dahergelaufenen – und das sage ich jetzt so, wie es ist – 500 Euro in die Tasche steckt, dann wird es halt nicht besser. Wenn man auch da das Motto verfolgt: Koste es, was es wolle!, dann gibt es halt irgendwann ein Problem. Es ist nicht fünf vor zwölf, es ist schon fünf nach zwölf. Wenn es die ÖVP verstanden hat, dann sei es mir gerade recht. Nur: Ich glaube nicht, dass Sie mit Ihrem Koalitionspartner, mit diesen linkslinken Träumern, ehrliche Asylpolitik für die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung machen wollen. Das kann ich mir nicht vorstellen. Da werden Sie andere Partner brauchen.
Die Freiheitliche Partei ist bereit, bei ordentlichen Vorschlägen mit Ihnen für die österreichische Sicherheit zu sorgen, aber dann müssen Sie hier ordentliche Gesetzesanträge einbringen und vom koalitionsfreien Raum - - (Ruf bei der SPÖ: Ah, ein Hochzeitsangebot! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ja hört einmal zu! Die schreien da die ganze Zeit herein wie die fünf Hennen auf der Leiter.
Ihr müsst vom koalitionsfreien Raum Gebrauch machen, Frau Ministerin. Den haben Sie in Ihren Koalitionspakt hineinverhandelt, oder? Machen Sie davon Gebrauch! Reden Sie mit uns! Sie können in einer Regierung mit den Grünen bleiben – das ist Ihnen unbenommen, Sie picken eh fest –, aber zumindest in dieser Frage, bei der man sich sicher ist, dass man für die österreichische Sicherheit, für die Bevölkerung etwas machen muss, sind die Grünen nicht Ihr Partner. Das werden Sie ja wohl selber wissen, Frau Ministerin. (Bundesrätin Schumann: Ein Geschenk an die ÖVP!) Da müssen Sie vom koalitionsfreien Raum Gebrauch machen.
Ich lege jedem Sozialromantiker, Willkommensklatscher dieses Buch ans Herz, denn da drinnen, liebe Sozialisten, steht: „Das Migrationsproblem. Über
die Unvereinbarkeit von Sozialstaat und Masseneinwanderung“. (Der Redner hält das genannte Buch in die Höhe. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Herr Rolf Peter Sieferle schreibt da Folgendes, und das passt sehr gut. Ich darf kurz zitieren: „Es wird irgendwann deutlich werden, dass eine Welt von no borders, no nations zugleich auch eine Welt von no welfare sein muss.“ Was heißt das jetzt auf Deutsch? (Bundesrat Bader: So viel können wir schon!) Wenn man die Nationen abschafft, wenn man die Grenzen abschafft, schafft man somit auch den Sozialstaat ab, weil er natürlich nicht mehr finanzierbar ist, liebe Kollegen von den Sozialisten. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Der Sozialstaat wird Ihnen doch wohl noch ein Anliegen sein – hoffentlich ist er Ihnen ein Anliegen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Wenn man schon - - (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ihr müsst koordiniert zwischenrufen, damit ich auch reagieren kann. Wenn einer hereinruft, dann kann ich darauf reagieren, aber wenn sechs zugleich wie auf einer Hennenleiter hereinschreien, dann – (mit hoher Stimme ein Hühnergackern imitierend) bo, bo, bo, bak! (Ruf bei der SPÖ: Ja, so wie du!) – verstehe ich das nicht. Keine Chance, dann kann ich nicht darauf reagieren. (Bundesrätin Schumann: Oh, tun wir Frauen diskriminieren aufgrund ihrer Stimme? Sehr gut! Bravo!) Tut mir leid, liebe Kollegen von den Sozialisten, das ist nicht möglich.
Herr Kollege Köck ist immer noch nicht da, ich hätte noch etwas zu sagen gehabt. Es ist ein bisschen schade, dass er kurz vor seiner Politpension noch so eine Lachnummer hier heraußen abgeliefert hat. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Das sehen wir nicht so! – Bundesrat Bader: Was ist das für ein ...! – Bundesrätin Schumann: Na, was sagt jetzt die ÖVP? Danke für das Angebot?)
18.07
Präsident Günter Kovacs: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Bundesrätin.
18.07
Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auch kurz auf manche Vorredner replizieren, zuerst noch in Bezug auf die Vorsitzführung: Wir haben ja heute schon des Öfteren von der Würde des Hohen Hauses gehört. (Heiterkeit des Bundesrates Bader.) Na ja, in einem Parlament, im Parlamentarismus geht es nun einmal ein bissel lebendiger zu, wir sind ja hier kein Mädchenpensionat, aber ich erwarte mir hinsichtlich der Würde eines Hauses auch eine objektive Vorsitzführung. (Beifall bei der FPÖ.)
Diese objektive Vorsitzführung hat mir einfach bei Kollegin Kahofer gefehlt. Kollege Schennach, der tatsächlich schläft, viele Sitzungen schläft, dasitzt und schläft (Bundesrätin Schumann: Jetzt ist es aber genug!) – ob er schnarcht, weiß ich nicht, da bin ich Gott sei Dank weit genug weg, aber er schläft in den Sitzungen; so sitzt er dann da (die Arme überkreuzt an den Oberkörper und den Kopf seitlich legend) und schläft –, beschimpft uns Freiheitliche aufs Übelste und bekommt keinen Ordnungsruf. Beim Kollegen Steiner, bei meinem Fraktionsobmann, sagt man: Nein, er kriegt keinen Ordnungsruf, man möchte ihm keinen Orden umhängen. Na, was ist denn das für eine objektive Vorsitzführung? – Nein danke, auch da ist es so: Es darf keine Einbahnstraße sein. Ich ersuche um eine objektive Vorsitzführung. (Ruf bei der SPÖ: Was heißt das jetzt?) – Dass die Vorsitzführung nicht gerade der Würde des Hauses entsprochen hat. (Beifall bei der FPÖ.)
Das Thema der heutigen Aktuellen Stunde hat ja gelautet: „Asylbremse – die Maßnahmen zeigen Wirkung“. Na ja, wir Österreicher spüren nicht viel von einer positiven Wirkung, wir kriegen eher eine negative Wirkung mit. Also wo da diese Wirkung sein sollte, wissen wir nicht. Da der letzte EU-Gipfel zur Migration eigentlich eh nur heiße Luft war und diese produziert worden ist und in der Conclusio zu diesem EU-Gipfel eigentlich nur herausgekommen ist: Na, tun wir so weiter wie bisher!, kann ich dem Ganzen also nicht viel Ernsthaftigkeit entnehmen.
Wir Freiheitliche geben Ihnen aber eine Antwort darauf, nämlich: Schluss mit Warten auf EU-Lösungen! Darum gibt es die heutige Dringliche Anfrage an Sie, Frau Minister.
Sie als Europaministerin sollten ja wirklich eigentlich alles tun, um Österreich und die österreichische Bevölkerung vor diesem Massenansturm von Asylanten zu schützen. Ich habe Ihren Antworten und Ausführungen ja sehr genau gelauscht, aber so hundertprozentig viel ist da nicht dahergekommen. (Bundesrat Buchmann: Da hast du aber nicht richtig zugehört!) Ich muss sagen, es war eher enttäuschend, hinter Ihren Antworten ist eher viel Fantasie gesteckt. Ich weiß nicht, von welchem Planeten Sie gesprochen haben. Auf jeden Fall ist es mir nicht so vorgekommen, als hätten Sie vom Planeten Erde gesprochen.
Genau in diesem Moment, während wir hier debattieren, übertreten wieder unzählig viele Menschen illegal die Grenzen, Menschen, die kein Recht auf Asyl haben, Menschen, die die österreichischen Steuerzahler Millionen Euro an Steuergeldern kosten und sich dann auf ihre ganz besondere Art und Weise bedanken, auch wenn es Kollege Schennach lapidar und für mich eigentlich wirklich widerwärtig als bedauerliche Einzelfälle abtut (Beifall bei der FPÖ), wie am Montag beim AMS in Salzburg, wo sich ein 33-jähriger Afghane besonders bedankt hat, die Mitarbeiter mit einem Messer bedroht und eine Polizistin dabei schwer verletzt hat. Das ist aber kein Einzelfall, das ist schon der Regelfall geworden.
Weiters wurde beim AMS Salzburg einer Mitarbeiterin von einem Afghanen ein Sessel nachgeschmissen. Gott sei Dank ist die Mitarbeiterin nicht verletzt worden; der Sessel war kaputt, es kam zu einer Gerichtsverhandlung.
Es brauchte vier Polizisten, um einen renitenten Syrer unter Kontrolle zu bringen. Ein Polizist wurde dabei so schwer am Knie verletzt, dass er monatelang seinen Dienst nicht versehen konnte. Laut Kollegen Schennach ist das aber wahrscheinlich ein bedauerlicher Einzelfall.
Letztes Jahr wollte ein Syrer sich selbst und das gesamte Gebäude des AMS anzünden. Es war wirklich nur einem Zufall zu verdanken, dass es zu keiner Katastrophe gekommen ist und dass nicht so etwas Schlimmes passiert ist wie zum Beispiel vor ein paar Jahren, als ein durchgeknallter Asylwerber den Leiter eines Sozialamtes brutal ermordet hat.
Der aktuelle Fall in Salzburg versinnbildlicht abermals die Gefahren von fehlgeleiteter Migration und vom pathologischen Verlangen, dass man Menschen aus aller Herren Länder in Österreich ansiedeln will.
Mit dem Verweis auf Art. 33 Abs. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention sollte im Grunde genommen ja eigentlich schon alles gesagt sein: Wer eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, verwirkt sein Recht auf temporären Schutz in Österreich. Von Ukrainern einmal abgesehen gibt es laut dieser Konvention auch so gut wie keine tatsächlichen Flüchtlinge in Mitteleuropa, sondern lediglich Menschen, die aufgrund wirtschaftlicher Interessen in unser Sozialsystem einwandern wollen.
Was macht aber diese Bundesregierung, natürlich fleißig unterstützt von den diversen Landesregierungen? – Man hofiert die Leute.
Ich denke da an Salzburg, daran, was sich in Bergheim abgespielt hat: 400 junge, kräftige Männer haben in einem kleinen Ort, der 400 Einwohner hat, Diphtherie eingeschleppt.
In Hallein etwa plant die grüne Landesrätin Berthold ein Asylheim – eh klar! – nur für Männer aus dem arabischen oder nordafrikanischen Bereich, und das zwischen zwei Schulen und einem Kindergarten. Unerträglich!
Frau Minister Edtstadler, Sie als Salzburgerin kennen sich ja hoffentlich noch ein bisschen daheim aus. Ich hoffe, Sie wissen ganz genau, dass dieser Zustand unerträglich ist. Haben Sie schon einmal mit den Anrainern dort gesprochen? Haben Sie dort mit den Menschen gesprochen? Ich habe mit den Menschen gesprochen. Glauben Sie mir: Was diese Menschen über Sie, über
Landesrätin Berthold, über den Landeshauptmann und über die schwarz-grüne Landes- und Bundesregierung erzählt haben, möchte ich wirklich nicht wiedergeben, weil diese Worte der Würde des Hohen Hauses schaden würden. (Beifall bei der FPÖ.)
Das ist aber einzig und allein die Schuld dieser schwarz-grünen Bundesregierung – oder wollen Sie uns wirklich allen Ernstes glauben machen, dass Sie dem Asylwahnsinn entgegentreten oder ihn im Griff haben? Das glaubt Ihnen doch kein Mensch, das nimmt Ihnen ja kein Mensch mehr ab. Das ist eine Dampfblase, eine Luftblase, die ihr da von euch gebt.
Sie stellen die Bürger einfach vor vollendete Tatsachen und setzen sich über die Interessen der Bevölkerung eiskalt hinweg. Das ist eine Politik des Drüberfahrens, die gefährlich ist – wir haben es ja beim Attentat gesehen – und den sozialen Frieden in Bedrängnis bringt.
Es hat aber in Tirol begonnen, hat sich in Niederösterreich fortgesetzt, wird sich in Kärnten am 5. März durchsetzen, dass diese Art von Politik abgeschafft wird, und den Abschluss machen wir in Salzburg am 23. April mit unserer Marlene Svazek. Diese Art von Politik muss abgeschafft werden! (Beifall bei der FPÖ.)
Dass sich die Grünen über ihre Verantwortung nicht im Klaren sind, ist eh bekannt, aber die Rückendeckung durch diese inzwischen linkslastige ÖVP-Führung nenne ich nur noch Fahrlässigkeit, ja wenn nicht sogar Vorsatz. Es schockiert mich doch immer wieder aufs Neue (Zwischenruf bei der SPÖ), was ihr alles durchgehen lasst.
Da gibt es einen Gratistaxi- und Limousinenservice für Asylwerber. Das ist ja ein Wahnsinn, das geht gar nicht. Laut Ausschreibungsbedingungen hat das Taxiunternehmen Überstellungen, Familienzusammenführungen, Fahrten zu Ladungen, zu Arztbesuchen oder zu Behördenterminen im Auftragsvolumen von 1,25 Millionen Euro durchzuführen. Wenn ein Österreicher, ein Salzburger aus dem ländlichen Raum von Rußbach nach Hallein fahren muss, dann ist das
öffentliche Verkehrsmittel, mit dem man stundenlang unterwegs ist, normal. Für einen Asylwerber, für einen Asylanten, für einen subsidiär Schutzberechtigten ist das aber nicht normal, sondern der wird mit dem Taxi hin- und herchauffiert.
Na ja, wenn man die Hintergrundgeschichte dazu kennt, dann klingt das vielleicht logisch, denn der Taxiunternehmer ist ja ÖVP-Mitglied und hat den Millionenzuschlag gekriegt – welch Zufall. Also ein Schelm, wer in diesem Fall Schlechtes dabei denkt. (Beifall bei der FPÖ.) Das heißt, die ÖVP profitiert sogar indirekt über ihre Funktionäre vom Asyltourismus.
Es ist unehrlich. Sie haben sich heute schon so über ein Wort, das Sie hier gehört haben, aufgeregt, aber es ist wirklich unehrlich, Frau Edtstadler. Es ist wirklich nicht aufrichtig von Ihnen, was Sie da aufführen. Permanent streuen Sie den Leuten Sand in die Augen und wollen ihnen weismachen, dass Sie eh alles im Griff haben und alles in Ordnung ist. Das stimmt aber nicht! Kaum sind Sie in Brüssel, wo man sich als EU-Ministerin vielleicht doch ab und zu blicken lassen sollte, agieren Sie ganz anders. (Bundesrätin Zwazl: Marlies, bitte!)
Apropos Brüssel: Beim vorbereitenden Ratstreffen für den EU-Gipfel zum Migrationsthema haben Sie gefehlt, da waren Sie im Urlaub. Sie haben sich wegen Urlaubs entschuldigt. Ja, Frau Minister, da muss man sich schon hinterfragen. Wenn Ihnen der Urlaub wichtiger ist als ein so wichtiges Thema, wäre es dann nicht gescheiter, wenn Sie gleich ganz aufhören und zurücktreten? (Beifall bei der FPÖ.) Wäre das nicht gescheiter und ehrlicher? Dann können Sie reisen, dann können Sie auf zig Opernbälle gehen, ohne permanent auf die Uhr zu schauen und am Handy zu spielen. (Bundesrätin Zwazl: Marlies, muss das jetzt sein?) Sie können das dann alles machen. Das wäre doch viel gescheiter, und der österreichischen Bevölkerung würde viel erspart bleiben. (Beifall bei der FPÖ.)
Nicht nur, dass der ganze ÖVP-Sicherheitsapparat mit der Asylsituation vollkommen überfordert ist, er hat auch die jährlich wiederkehrenden urbanen
Krawallnächte nicht im Griff. Es ist noch nicht lange her, da haben in Salzburg – in unserem gemeinsamen Heimatbundesland –, in Wien und in Linz Straßenschlachten stattgefunden. Es war Chaos pur. Es waren überwiegend jugendliche Burschen mit Migrationshintergrund oder Asylanten oder Asylwerber, die in den Nächten die Bürger tyrannisiert haben.
Oder auch die Zustände an den Grenzen: Das ist ja nur das Horsd’œuvre von dem, was uns in weiterer Folge, wenn ihr so weitertut, noch alles blühen und auf uns zukommen wird, wenn wir nicht endlich die Grenzen schützen, schließen und dichtmachen. Während unsere tapferen Polizisten und unsere tapferen Soldaten ihr Bestes geben, damit sie Land und Leute schützen, sind sie durch Befehl von oben – welche Partei hat das Innenministerium und das Verteidigungsministerium? – ÖVP, glaube ich, ah ja, gut –, durch schwarzen ÖVP-Befehl von oben zum Zuschauen verurteilt und eingeschränkt. Ein Asylstopp ist aber unausweichlich für den sozialen Frieden in Österreich, ihr gefährdet ihn! (Beifall bei der FPÖ.)
Mir fällt da schon noch einiges ein, ich merke mir gewisse Dinge sehr lang, genauso eure Coronapolitik. Ich erinnere mich an die Aussagen der damaligen Innenministerin Mikl-Leitner, als sie gesagt hat: Einen Asylstrom wie 2015 halten unsere Systeme nicht noch einmal aus. Auch ihre Aussage, dass bei 37 500 Asylanträgen gestoppt wird, klingt noch in meinen Ohren.
Jetzt sind wir so weit, dass die Unverträglichkeitsgrenze weit überschritten ist, aber anscheinend will die ÖVP von all dem heute nichts mehr wissen und verfolgt eine Politik der offenen Grenzen. Wir haben heute schon Zahlen gehört, ich nenne sie jetzt nur, damit es nicht wieder eine Verwechslung gibt, damit ihr sie euch brav merkt: Es gab 2022 in Österreich 108 781 Asylanträge, das ist eine Steigerung von 172 Prozent gegenüber dem Vorjahr, gegenüber 2021. Das geht gar nicht!
Zum Vergleich: In Ungarn gab es 2022, das haben wir heute auch schon gehört, 46 Asylanträge. Das ist ja ein Wahnsinn, was die ÖVP und die Grünen mit unserem Land aufführen. Stoppt das bitte, stoppt es! (Beifall bei der FPÖ.)
Unterstützt aber wird dieser ganze Wahnsinn – sonst wäre ja Kollege Schennach heute nicht so ausgezuckt – von den Sozialisten und von den NEOS. Die unterstützen das ja auch noch. Anscheinend sind wir Freiheitliche die Einzigen, die zur Heimat und zur österreichischen Bevölkerung stehen. (Beifall bei der FPÖ.)
Das, was ihr betreibt, ist alles
nur Symptombekämpfung. Ihr solltet das Problem an der Wurzel packen und
echte Lösungsansätze finden, denn mittlerweile –jetzt haben
wir 2023 – haben wir wöchentlich 4 000 Menschen, die
die Grenzen überqueren. Wöchentlich 4 000 Leute mal
52 Wochen – da ist man
bei 208 000, es steigert sich noch einmal um fast 100 Prozent.
Wer dabei glaubt, dass Frauen, Kinder und Familien dabei sind, die geschützt werden, der irrt aber gewaltig – das wären normalerweise diejenigen, die man zuerst schützen muss –, es kommen junge, kräftige Männer, die dann unsere jungen Mädchen belästigen. Die Willkommenspolitik von Schwarz und Grün ist mittlerweile zu einem echten Sicherheitsrisiko in Österreich geworden.
Die illegale Zuwanderung nach Österreich muss so unattraktiv wie möglich gemacht werden. Wenn man aber Klimaboni im Wert von 500 Euro verschenkt, an Leute, die den Strom nicht einmal selber zahlen müssen, ist das ja grotesk. Das ist ja ein Treppenwitz, dass Boni in einer Höhe von 500 Euro an Menschen verschenkt werden, die das nicht einmal bezahlen müssen.
Andere Familien können sich nicht einmal den Zug zum Opernball nach Wien leisten. Die haben keine Loge um 26 000 Euro, die können sich nicht einmal den Zug leisten. Sagt einmal, schämt ihr euch nicht? Schämt man sich da nicht? (Beifall bei der FPÖ.) Solange aber diese jungen, kräftigen Männer in Österreich alles bekommen – natürlich alles auf Kosten der Steuerzahler – und unser Land für Einreisende nicht endlich wieder unattraktiv gemacht wird, so lange wird sich nichts ändern.
Zusätzlich heißt die Devise aber noch: sofortiger Asylstopp, Schutz der Grenzen, Ausreisezentren installieren, Abschiebungen durchführen und null Zuwanderung! Österreich muss den Notfallknopf drücken, wenn wir die staatliche Souveränität aufrechterhalten wollen. Österreich ist ein Sozialstaat und kein Einwanderungsland, und es muss endlich wieder die Devise gelten: Österreich zuerst! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)
18.24
Präsident Günter Kovacs: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. – Bitte sehr, Herr Bundesrat.
Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vorsitzender! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Plenum und vor den Bildschirmen! Es sind heute viele interessante Zahlen genannt worden, besonders auch von Herrn Bundesrat Köck. Ich möchte da einiges richtigstellen, denn ich muss sagen, das war tatsächlich ein bisschen eine Pippi-Langstrumpf-Politik, nach dem Motto: Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt. Es wurde mit irgendwelchen Zahlen, die in Wahrheit nicht vergleichbar sind, herumgeworfen, die man korrigieren muss.
Da immer wieder der Schmäh von der Anerkennungsquote kommt, dass die jetzt so richtig ist – na klar, bei 110 000! –, aber wir können die Zahlen schon vergleichen: In den beiden Jahren, als Herr Kickl Innenminister war, gab es im schlechteren – im schlechteren! – seiner beiden Jahre 13 746 Anträge. Dazu muss man wissen: Von den 13 700 hat es nur 4 500 Neuanträge gegeben, der Rest waren in Wahrheit Altlasten aus der Vorregierung, Familiennachzug, Rückweisungen aus anderen Ländern und dergleichen.
Sogar wenn man einmal die Gesamtzahl von 13 700 nimmt – auch die 50 Prozent Anerkennungsquote stimmen nicht, es waren weit weniger, es waren an die 36 oder 37 Prozent; also war auch die tatsächliche Berichtigung von Kollegen Preineder in Wahrheit falsch –, und, weil es leichter zu rechnen ist,
von 50 Prozent Anerkennungsquote ausgeht: 50 Prozent von 14 000 sind 7 000. Wenn man jetzt die Anerkennungsquote von Herrn Karner mit 15,6 Prozent nimmt – 15,6 Prozent von 110 000 sind 16 500 –, dann hat er mehr anerkannt, als wir überhaupt gesamt in diesem einen Jahr im Asylsystem gehabt haben (Bundesrätin Schartel: Da schau her, interessant!) – so viel zum Thema Zahlen, Daten und Fakten! (Beifall bei der FPÖ.)
Zu einer zweiten Geschichte: Ich habe mich ein bisschen an das Jahr 2015 zurückerinnert gefühlt. Auf einmal höre ich Worte von Frau Minister Edtstadler oder heute in der Aktuellen Stunde von Herrn Minister Karner, bei denen ich mir gedacht habe: Jessas, die ÖVP findet wieder zurück zu alten Werten. Das Problem ist aber, dass es nicht alte Werte der ÖVP sind, sondern in Wahrheit sind das Werte, die sie 2015 gefunden hat, als sie draufgekommen ist: Die Wähler stehen jetzt auf eine harte Zuwanderungspolitik, weil einfach zu viele Leute in unser Land gekommen sind, und darum muss man jetzt den harten Asylpolitiker spielen.
Genau denselben Schmäh machen Sie jetzt wieder – wir haben Ihnen vorvoriges Jahr schon gesagt, dass die Zahlen so sein werden –, und wissen Sie, was das Schöne ist, und das hat man bei der letzten Wahl in Niederösterreich gemerkt? – Die Leute glauben es Ihnen Gott sei Dank nicht mehr. (Beifall bei der FPÖ.) Die Menschen in Österreich sind Ihnen einmal mit Sebastian Kurz darauf hereingefallen, ein zweites Mal wird das einfach nicht mehr passieren. Da können Sie jetzt machen, was Sie wollen, da können Sie jetzt auch bei Corona zurückrudern, wie Sie wollen, Sie sind einfach unglaubwürdig.
Im Grunde genommen, Frau Minister, könnte ich meine Rede ganz kurz halten (Ruf bei der ÖVP: Anscheinend nicht!), denn zusammengefasst gibt es nur drei Punkte, die ich besonders Ihnen, Frau Minister, nach Ihrer heutigen Performance hier mit auf den Weg geben will. Keiner dieser drei Punkte hat einen Neuigkeitswert, das ist ja das Traurige. All das, was ich Ihnen jetzt sagen werde, habe ich schon mehrmals gesagt, haben wir schon mehrmals gesagt, nicht nur heute, nicht nur im Bundesrat, aber leider ist es so, dass
man es immer wieder wiederholen muss, in der Hoffnung, dass irgendwann einmal ein bisschen etwas hängenbleibt.
Das war in Wahrheit auch bei Corona so, das ist bei den Sanktionen so der Fall, und dasselbe perfide Spiel spielen Sie jetzt wieder in der Migrationspolitik. Was Sie machen: Sie gehen her und ignorieren absichtlich alle unsere Vorschläge, Sie ignorieren alle unsere Anträge, Sie lehnen sie ab. Und was machen Sie danach? –Sie stellen sich hin, heute übrigens schon wieder mehrmals, und sagen: Die Freiheitlichen haben keine Vorschläge, die Freiheitlichen haben keine Lösungen.
Diese Politik, die Sie hier betreiben, meine Damen und Herren – besonders von der ÖVP, aber leider sind die anderen Parteien auch dabei –, ist unehrlich, und „unehrlich“ sage ich nur deshalb, weil das Wort „verlogen“ einen Ordnungsruf nach sich ziehen würde, und darum sage ich es nicht. (Beifall bei der FPÖ.)
Wissen Sie, die Bürger durchschauen das Spiel, und wenn Sie mir das nicht glauben, dann schauen Sie halt auf die aktuellen Umfragen und auf die Wahlergebnisse. Die Landsleute lassen sich von dieser Regierung, aber auch von der SPÖ und auch von den NEOS nicht länger täuschen und hinters Licht führen. Bitte, ich war ja komplett perplex, ich habe Beate Meinl-Reisinger heute gehört: Die ist auch auf einmal wie eine stramme Rechte dagestanden und hat jetzt auf einmal gegen die Ausländerpolitik von der ÖVP, die zu weich war, gewettert. Jetzt auf einmal kommen die NEOS darauf. Na was ist denn jetzt los? – Leute, ihr seid alle unglaubwürdig! Das ist das Problem. (Beifall bei der FPÖ.)
Zu den von mir angesprochenen drei Punkten: Der erste Punkt ist die europäische Lösung in Sachen Asyl. Das Problem ist, das ist keine Lösung, sondern diese europäische Lösung ist leider Gottes Teil des Problems. Wir warten schon viele, viele Jahre auf diese europäische Lösung, und immer wieder wird uns diese europäische Lösung versprochen. Sie kommt nur ganz einfach nicht! Jetzt können wir eines machen, wir können noch zehn Jahre so weiterwurschteln und
auf eine Erlösung aus dieser Europäischen Union warten und hoffen, oder – und das ist jetzt unser Vorschlag – wir müssen endlich selbst in Österreich tätig werden und etwas tun, und das muss auch passieren. Am Ende meiner Rede werde ich auch noch einen Antrag einbringen, damit Sie auch wissen, was zu tun wäre. (Beifall bei der FPÖ.)
Der zweite Punkt ist genauso wichtig wie der erste und geht direkt an Sie, Frau Minister Edtstadler. Sie sind – auch das habe ich Ihnen schon in einer Rede gesagt – die österreichische Ministerin für EU und Verfassung. Ja, dann benehmen Sie sich auch so wie eine österreichische Ministerin! Das heißt, vertreten Sie die österreichischen Interessen in Brüssel und nicht die Interessen von Brüssel hier in Österreich! (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.)
Das Problem ist, Sie verraten in Wahrheit die Interessen der Österreicher in Brüssel und biedern sich dieser EU-Elite an. Sie sind ja nicht die einzige Ministerin, das machen alle österreichischen Minister so, und nicht nur die Minister, sondern auch die anderen Politiker leider fast aller Parteien in Österreich verhalten sich in Brüssel ganz anders und stimmen oft auch ganz anders, als sie es hier uns im Parlament oder in den Landesparlamenten weismachen wollen. Das ist eine unehrliche Politik, und „unehrlich“ sage ich nur deshalb, weil ich das Wort „verlogen“ nicht sagen darf, weil es einen Ordnungsruf nach sich ziehen würde, und darum tue ich das nicht. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesministerin Edtstadler: Das ist auch der Sinn dahinter! – Zwischenruf des Bundesrates Bader.) – Ich weiß, das ist auch der Sinn dahinter.
Es gibt nur eine einzige Partei in Österreich, welche wirklich die Interessen unserer Landsleute hier und auch in Brüssel gleich vertritt, weil wir hier in Österreich unseren Leuten dasselbe sagen, was wir auch in Brüssel vertreten. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Egal welcher Gegenwind uns entgegenweht: Wir halten das aus.
Der dritte Punkt zum Thema Migration wurde Gott sei Dank auch jetzt zweimal von meinen Vorrednern angesprochen, und das ist ein springender Punkt:
Unkontrollierte Zuwanderung und ein Sozialsystem, das passt nicht zusammen. Ich kann entweder das eine haben, oder ich kann das andere haben. Solange man aber ein offenes Sozialsystem für alle hat, wird man immer ein Sozialmagnet für die ganze Welt sein, und das passt nicht zusammen. Auch unsere Mittel, meine Damen und Herren, sind nicht unbegrenzt. Irgendjemand muss ja die Steuermilliarden, die das alles kostet, die da an die Flüchtlinge und an das Ausland verschenkt werden, finanzieren. Wir müssen das erarbeiten, und das geht sich irgendwann einmal ganz einfach nicht mehr aus.
Ich sage Ihnen ganz ehrlich, es ist eine Schande, dass die Unterstützung für die Österreicher immer mehr zusammengeschnitten wird. Die Österreicher sollen länger arbeiten, die Leistungen im Gesundheitssystem für die Beitragszahler werden schlechter. (In den Unterlagen blätternd:) Jetzt fehlt mir die vierte Seite. – Das Bildungssystem wird immer schlechter, weil überall vorne und hinten das Geld fehlt. (Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl.) – Ja, alles wird schlechter, aber komischerweise ist für andere Länder genügend Geld da. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.) In Wahrheit ist es so: Das Geld ist da, aber es wird halt leider nicht für die Österreicher verwendet. (Bundesrat Preineder – erheitert –: Auch deine Reden werden schlechter!)
Wissen Sie, meine Damen und Herren, jene, die da zu uns, in unser Sozialsystem kommen, kritisiere ich ja nicht einmal, weil es menschlich und verständlich ist, dass die es sich verbessern wollen. Ich kritisiere die, die die Aufgabe hätten, das zu unterbinden. Ich kritisiere unsere Politiker, die das zulassen (Zwischenruf des Bundesrates Preineder), denn, meine Damen und Herren, besonders von der ÖVP und von den Grünen, es wäre Ihre verdammte Pflicht, dass Sie genau das unterbinden und dass Sie dafür sorgen, dass es in Österreich für unsere Leute gut weitergeht. Sie hätten auch alles zu unterlassen, was unserem Land schadet. Sie tun aber genau das Gegenteil. (Beifall bei der FPÖ.)
Aus diesem Grund – weil ich es auch angekündigt habe – bringe ich einen Antrag ein, wobei Sie jetzt einmal mehr die Möglichkeit haben, etwas Gutes für Österreich zu tun, wenn Sie zustimmen. (Bundesrat Preineder: Haha!) Ich werde
das jetzt nur in den Grundzügen erläutern. Der Entschließungsantrag ist Ihnen zugegangen.
Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „23 Maßnahmen zur De-Attraktivierung Österreichs als Zielland für illegale Wirtschaftsmigranten und Scheinasylanten für 2023“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage, die insbesondere folgende Maßnahmen zur De-Attraktivierung Österreichs als Zielland für Wirtschaftsflüchtlinge und Scheinasylanten beinhaltet, zuzuleiten:
1. Asylstopp-Jetzt: [...] Das Ziel muss NULL sein.“ Österreich hat genug getan.
„2. Ermöglichen von ‚Pushbacks‘: Keine Zulassung von Asylanträgen von Fremden, die aus einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz eingereist sind, zumal Österreich“ ja nur „von sicheren Drittstaaten [...] umgeben ist, [...]
3. Verschärfung des Strafrahmens des § 114 FPG“ – Fremdenpolizeigesetz – „‚Schlepperei‘, um den Anreiz für die Schlepper zu schmälern [...]
4. Bestrafung von ‚geschleppten‘ illegalen Migranten als Beteiligte“: Ja, meine Damen und Herren, wenn ich dauernd Drogen konsumiere, dann wird auch nicht nur der Drogendealer bestraft, sondern auch ich werde irgendwann einmal bestraft, und auch da muss man eben Anreize schaffen, dass sich das einmal aufhört.
„5. Überführung der Verwaltungsstraftatbestände der rechtswidrigen Einreise und des rechtswidrigen Aufenthalts in § 120 FPG in das gerichtliche Strafrecht, somit Verschärfung und Angleichung an die neuen Strafbestimmungen des § 114 [...]
6. Einführung eines Delikts des ‚Asylbetrugs‘ und von Maßnahmen gegen Asyl-Missbrauch“ – So etwas ist längst überfällig.
„7. Sofortiger Abbruch der Asylverfahren von straffälligen Asylwerbern bei jeder Form einer Straftat, einhergehend mit der sofortigen Außerlandesbringung und der Aberkennung des Asylstatus bzw. sonstiger Schutztitel.
8. Schaffung einer ‚innerkontinentalen Fluchtalternative‘“ – Asyl soll auf dem Kontinent gegeben werden, von dem die Migranten herkommen.
„9. Wiedereinführung von Ausreisezentren.
10. Schließung von Asylunterkünften in kleinen Gemeinden.
11. Rechtliche Verunmöglichung, an Asylanten die österreichische Staatsbürgerschaft zu verleihen.
12. Schaffung einer Staatszielbestimmung, wonach Österreich kein Einwanderungsland ist.
13. A-limine-Zurückweisung von illegal eingereisten Fremden, die in einer Grenzgemeinde zu einem Nachbarstaat angetroffen werden.
14. Restriktive Handhabung der sogenannten Familienzusammenführungen“ – Wir haben bei der Familienzusammenführung das besondere Problem, dass unbegleitete Minderjährige als sogenannte Ankerkinder zu uns kommen und dann, wenn sie bei uns den Aufenthaltstitel haben, 15 Verwandte nachholen. Das kann es nicht sein. Ich bin also voll für Familienzusammenführung, aber in die andere Richtung.
„15. Echter Grenzschutz statt der gegenwärtigen Willkommenskultur [...]
16. Jährliche Überprüfung der Aktualität der Fluchtgründe von Asylberechtigten [...]
17. Übernahme des dänischen Modells, Asylzentren, in denen die Asylwerber die Bearbeitung ihres Asylantrages abzuwarten haben, in Drittländern in Afrika zu errichten.
18. Abschluss weiterer Rückübernahmeabkommen [...]
19. Einführung der obligatorischen Sicherungshaft für gefährliche Asylwerber.
20. Entschiedene Ablehnung des EU-Asyl- und Migrationspaktes [...]
21. Schaffung eines Dashboards ‚Illegale Einwanderung und Asyl‘“, sodass wir wirklich wöchentlich aktuelle Zahlen haben, durch die man auch weiß, was das alles kostet.
„22. Durchführung einer Volksbefragung über den Kampf gegen die illegale Einwanderung und den Asylmissbrauch sowie für einen Asylstopp, echten Grenzschutz und kompromisslose Abschiebungen
23. Schaffung von Transparenz und Kostenwahrheit [...]“
*****
Ja, ich weiß, was jetzt wieder alles kommen wird: Das ist rechtlich alles nicht möglich. – Aber dafür gibt es gesetzgebende Körperschaften. Die können das ändern.
Ich ersuche Sie natürlich um breite Zustimmung, aber ich bin natürlich ein Realist und weiß, dass Sie von Schwarz, Grün, Rot und Pink diesen Antrag wahrscheinlich ablehnen werden. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) Bei nächster Gelegenheit werden Sie dann wieder behaupten, die Freiheitlichen kritisieren nur und hätten keine Vorschläge.
Doch das, was Sie da machen, meine Damen und Herren – das habe ich Ihnen schon vorhin gesagt –, ist unehrlich, und „unehrlich“ sage ich nur deshalb, weil „verlogen“ eben einen Ordnungsruf nach sich ziehen würde. Darum sage ich das nicht.
Weil auch heute Herr Kollege Schennach in Bestform war – jetzt ist er leider nicht mehr da (Bundesrätin Steiner-Wieser: Der kommt ja gar nimmer!) –
und meinen Kollegen in Niederösterreich, Herrn Landesrat Waldhäusl, scharf kritisiert hat, weil dieser angeblich Schüler so stark beleidigt hat - - (Bundesrat Schreuder: Das hat er ja im Fernsehen gemacht! – Bundesrat Krumböck: Das hat jeder im Fernsehen gesehen! – Ruf bei der ÖVP: Das war ein Fake, gell? – Gegenrufe bei der FPÖ.) Ja, die waren traumatisiert und was weiß ich was alles.
Meine Damen und Herren, diese Geschichte ist eine Geschichte, die Sie erzählen und die Sie gemeinsam mit den Medien aufrechterhalten. Ich kann Ihnen auch sagen, warum Sie die Geschichte erzählen. (Ruf bei der SPÖ: Das ist keine Geschichte! – Bundesrat Schreuder: Das ist keine Verschwörungstheorie! Nein, echt nicht! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Schauen Sie: lauter Zwischenrufe! Es stimmt alles. (Bundesrat Schreuder: Nein, nein, nein! Das hat er im Fernsehen gesagt, und wir haben es alle gesehen! – Bundesrat Krumböck – erheitert –: Deepfake! Alles Deepfake! – Bundesrat Preineder: Das haben wir nur gesehen! – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ja, ja, und die Schüler waren so traumatisiert und fertig. Das ist auch von Ihnen hier herinnen die einhellige Meinung, wie es ausschaut, okay.
Jetzt werde ich Ihnen etwas sagen: Wenn es so war, wie Sie sagen, dann weiß ich eines mit Sicherheit: dass diese Kinder oder diese Schüler Landesrat Waldhäusl nach dieser Fernsehdiskussion wahrscheinlich mit Verachtung gestraft hätten, oder sie wären hingegangen und hätten ihn beschimpft oder sonst irgendetwas, je nachdem.
Wissen Sie aber, was sie nicht gemacht hätten? – Sie wären nicht zu ihm hingegangen und hätten ihn um ein gemeinsames Foto gebeten, damit sie mit ihm noch ein gemeinsames Erinnerungsfoto haben. (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Grimling und Schumann. – Bundesrat Schreuder: Ja, weil die Schüler großzügiger sind als der Waldhäusl! – Zwischenruf des Bundesrates Hirczy.)
Das sind Ihre Geschichten, die Sie um nichts konstruieren. Wissen Sie, warum Sie diese Geschichten konstruieren? – Weil die FPÖ derzeit im Aufwind
ist und Sie nicht wissen, wie Sie uns stoppen sollen. Das ist traurig. (Beifall bei der FPÖ.)
18.42
Präsident Günter Kovacs: Der von den Bundesräten Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „23 Maßnahmen zur De-Attraktivierung Österreichs als Zielland für illegale Wirtschaftsmigranten und Scheinasylanten für 2023“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.
Es liegt wie gesagt ein Antrag der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „23 Maßnahmen zur De-Attraktivierung Österreichs als Zielland für illegale Wirtschaftsmigranten und Scheinasylanten für 2023“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.
der Bundesrät:innen Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „Kinderbildung und Kinderbetreuung für alle – wann handeln Sie endlich, Herr Minister?“ (4074/J-BR/2023)
Präsident Günter Kovacs: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesrät:innen Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung.
Da die Dringliche Anfrage allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.
Ich darf Herrn Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek bei uns begrüßen. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Beifall bei der ÖVP.)
Ich erteile Herrn Bundesrat Ingo Appé als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Herr Bundesrat, bitte sehr.
Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wenn man dem „Kurier“ Artikel vom 27.12.2022 Glauben schenken darf, sehen Sie zwar Bedarf, etwas gegen den massiven Personalmangel in der Elementarpädagogik zu unternehmen, und haben Vorarbeiten für eine Personalkampagne angekündigt, jedoch sehen Sie Ihre Bundeskompetenz als Minister als mittelfristige Option und nicht prioritär.
In den Kindergärten gibt es viel zu wenige Fachkräfte. Das Personal ist schon mehrfach für bessere Rahmenbedingungen auf die Straße gegangen. Voraussichtlich werden bis 2030 an die 14 000 Kindergartenfachkräfte fehlen.
Schon heute fehlen die geeigneten Fachkräfte für die Kleinkindbetreuung in den Kitas und Kindergärten. Wenn Stellen ausgeschrieben werden, gibt es zeitweise nicht einmal Bewerbungen für die Kindergartenbetreiber. Kindergartengruppen müssen teilweise sogar schon gesperrt werden, da das Fachpersonal fehlt.
Es müssten eigentlich auch bei Ihnen die Alarmglocken läuten, Herr Bundesminister, wenn Sie sich intensiv mit dieser Problematik auseinandersetzen. Wie können wir es uns sonst erklären, wenn sich 95 Prozent der Absolventen der Bafep bei der Berufswahl nicht für die Arbeit der Kindergartenpäda-
gogen entschließen? Da krankt es schon massiv in der Ausbildung. Man verabsäumt es anscheinend, den jungen Menschen ihre Berufswahl so schmackhaft zu machen, dass diese dann auch für die Absolventen attraktiv ist. Nach dem Pflegekräftemangel tut sich nun der nächste Fachkräftemangel auf.
Was unternimmt diese Bundesregierung dagegen, Herr Bundesminister? Es ist uns allen ja noch gut in Erinnerung, wie der ehemalige Bundeskanzler Kurz seinerzeit die höchst notwendige Maßnahme, eine Kindergartenmilliarde auf die Füße zu stellen, torpediert hat. Kinderbildung und Kinderbetreuung sind in Bedrängnis. Nicht nur das fehlende Angebot in weiten Teilen des Landes, sondern auch der Umstand, dass es einen massiven Personalmangel gibt, führt zu einer Ausnahmesituation bei der Bildung der Jüngsten in unserem Land.
Mit dem Vorstoß des Gemeindebundpräsidenten in der „Kleinen Zeitung“ am 12. Februar 2023 stellt sich jedoch die Frage, ob die Zeichen wirklich auf Verbesserung stehen, wie Sie es angekündigt haben.
Auf die Frage, woher der Staat das Geld nehmen soll, sagt Gemeindebundpräsident Alfred Riedl: „Wir müssen uns fragen: Was muss der Staat erledigen? Das wird nicht jeder gerne hören, aber Österreich leistet sich z. B. bei der Familienpolitik zwei Versprechen: Auf der einen Seite gibt es Unmengen Geld für die Familien, das dazu da wäre, ihnen die Möglichkeit zu geben, sich die Sachleistung einzukaufen. Jetzt stellt die Politik den Eltern gleichzeitig die Sachleistung zur Verfügung – das ist halt Tagespolitik, zu sagen, Kinderbetreuung darf nichts kosten. Entweder Geld oder Sachleistung, irgendwann wird die Politik die Antwort geben müssen.“
Mit diesem Statement stellt der Gemeindebundpräsident einen massiven Rückschritt im Bereich der Elementarpädagogik in den Raum. Zugängliche Angebote im Bereich der Elementarpädagogik sollen gekürzt und durch hohe finanzielle Familienleistungen ersetzt werden, was zur Übernahme der Betreuungspflichten im eigenen Zuhause insbesondere durch Frauen führt, sie aus dem Berufsleben drängt und letztlich in die Altersarmut führt.
Dazu passt auch das Berndorfer Modell, die Herdprämie für Frauen, die von der FPÖ regelmäßig propagiert wird. Dieses Modell ist das Herzstück rechter und konservativer Familien- und Frauenpolitik. Dieses Familienbild hält nachweislich Frauen von der Arbeit fern – und bitte eines: Unsere Kindergärten sind keine Kinderaufbewahrungsstätten, sondern wichtige Bildungseinrichtungen. Diese Tatsache muss sich anscheinend noch in einigen Köpfen manifestieren. (Beifall bei der SPÖ.)
Eines kann auch gesagt werden: Kindererziehung ist nicht Frauensache allein. Um da tatsächlich für eine Gleichstellung zu sorgen, müssten sich auch die Normen in den Köpfen ändern. Männer müssten einen größeren Anteil an der Kinderbetreuung übernehmen, um auch die Mütter umfassend zu entlasten, wie dies in den nordischen Ländern bereits bestens funktioniert.
Angesichts der immensen Teuerung bedeutet die Forderung von Herrn Riedl aber auch, dass Familien ihre Kinder aus Geldnot von Angeboten wie dem Essen, der Nachmittagsbetreuung oder von Ausflügen abmelden oder diese ganz aus dem Kindergarten nehmen.
Eines ist ganz klar nachweisbar: Weniger Kinderbetreuung bedeutet mehr Teilzeitbeschäftigung. Damit komme ich zum nächsten Geistesblitz dieser Bundesregierung. Auch wenn der Herr Bundesminister heute hier den Versuch unternommen hat, das zu relativieren, und etwas zurückgerudert ist, hat Arbeitsminister Martin Kocher gesagt, er wolle mehr Treffsicherheit bei den Sozialleistungen, um Vollzeitbeschäftigung attraktiver zu machen. „Wenn Menschen freiwillig weniger arbeiten, gibt es weniger Grund, Sozialleistungen zu zahlen.“ – Da zitiere ich den Herrn Bundesminister.
Wenn man jedoch Umfrageergebnisse anschaut, aus welchen Motiven Frauen Teilzeitbeschäftigung ausüben, kommt ganz klar heraus, dass mehr als 60 Prozent der Teilzeitbeschäftigten angeben, Zeit für die Kinderbetreuung aufwenden zu müssen. Das ist ein untrügbares Indiz; auch die Meinungs-
forschung ist da nicht auf dem falschen Weg (Beifall bei der SPÖ): Es gilt als erwiesen, dass besonders Frauen in die Teilzeitbeschäftigung gehen müssen, da sie diese aufgrund fehlender Kita- und Kindergartenbetreuungsplätze in Anspruch nehmen müssen.
In wenigen Fragen sind die Vertretungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern so einig wie bei der Kinderbetreuung. Diese gehört schnell und effizient ausgebaut, sagen ÖGB, Arbeiterkammer, aber genauso die Industriellenvereinigung und die Wirtschaftskammer. Dies stellt auch Herausforderungen für die Gemeinden dar. Wenn wir Kindergartenplätze anbieten können, sind wir interessant für Arbeitsplätze, als Wirtschaftsstandort, aber auch für die Wahl des Wohnsitzes. Wenn das ganze Konglomerat der Elementarbildung passt, kann man Zuwanderung forcieren und muss in den regionalen Räumen nicht mehr vor den Problemen einer Abwanderung stehen.
Mehr Kindergartenplätze bedeuten in der Regel auch mehr Frauen, die für die Erwerbsarbeit zur Verfügung stehen. Diese Tatsache belegt auch die Studie der Agenda Austria: „Wenig Kinderbetreuung, viel Teilzeit?“ Österreich zählt im internationalen Vergleich zu jenen Ländern, in denen Frauen besonders oft Teilzeitarbeit ausüben. Begründet wird dies, wie bereits festgestellt, mit fehlenden Kinderbetreuungseinrichtungen.
Innerhalb Österreichs gibt es tatsächlich gravierende Unterschiede. Während in Wien fast neun von zehn der betreuten Kinder in einer Einrichtung versorgt werden, die erlaubt, Beruf und Familie zu vereinbaren, trifft dies in Oberösterreich nur auf jedes vierte Kind zu. Das schlägt sich auch in der Teilzeitquote von Frauen nieder. In Wien liegt sie deutlich unter dem Bundesdurchschnitt und in Oberösterreich ist sie am höchsten. (Bundesrätin Schumann: Genau!)
Kärnten, das Burgenland und Wien sind jene Länder, die mit ihren Gratiskindergärten allen Kindern die Möglichkeit bieten, schon im Bereich der ersten Bildungseinrichtung gleich gute Voraussetzungen vorzufinden. Da geht es
um nichts weniger als um die Frage, ob Kinder zurückgelassen werden oder nicht. Als Sozialdemokraten sind wir der festen Überzeugung, dass wir kein einziges Kind zurücklassen dürfen. (Beifall bei der SPÖ.)
Dass es auch anders gehen kann, beweist das neue Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz, welches gerade im Kärntner Landtag einstimmig beschlossen worden ist. Bei dieser Gesetzwerdung wurde auch die Studie, die ja auf Empfehlung Ihres Ministeriums erstellt wurde, berücksichtigt. Der Kärntner Landtag hat einen Meilenstein für die Kinderbildung beschlossen. Die Kindergärten, die Kitas und die Dienstleistung der Tagesmütter werden ab Herbst in ganz Kärnten gratis angeboten. (Beifall bei der SPÖ.)
Wie auch in der Studie festgestellt wurde, stellt für die Kindergartenpädagogen eine große Anzahl von Kindern in den Gruppen ein Problem dar. Da ist Kärnten den Weg gegangen, stufenweise von 25 auf 20 Kinder als Höchstzahl zurückzugehen. Und noch etwas ganz Wichtiges: Die Pädagoginnen und Pädagogen bekommen 40 Prozent mehr Gehalt. Es gibt also durch dieses Gesetz gleich drei Gewinner: die Kinder, die Eltern und die Pädagog:innen. (Beifall bei der SPÖ.)
Vor allem wird der Kindergarten ab September für alle gratis. Eltern müssen nur mehr für Essen und Bastelbedarf zahlen. Das soll allen Kindern in Kärnten bestmögliche Chancen unabhängig von den Einkommensverhältnissen der Eltern bieten. Der kostenlose Kindergarten ist wohl auch gleichzeitig eine willkommene Hilfe für die Eltern angesichts der Teuerung. Insgesamt ersparen sich die Kärntner Eltern dadurch 30 Millionen Euro im Jahr. In manchen Fällen gibt es bei Familien eine Ersparnis von 5 000 Euro im Jahr. Ich denke, dass dies in Zeiten wie diesen das richtige Zeichen ist. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Schumann: Wow!)
Von den Kindergartenpädagogen wurde immer kritisiert, dass vor allem von den Privat- und Vereinsbetreibern die gesetzliche Entlohnung nicht in dem Ausmaß stattfindet wie bei den kommunalen Kindergartenbetreibern. Positiv ist,
dass man auch da einen Schritt weitergegangen ist. Das Gehalt der Pädagogen wurde wie gesagt um 40 Prozent angehoben, und die privaten Vereine sind ebenfalls dazu verpflichtet, sich an diese Vorgabe zu halten, wenn sie Förderungen des Landes erhalten wollen.
Für neue Gruppen gibt es wiederum Bedarf von neuem Personal. Es werden dadurch insgesamt 64 neue Kindergartengruppen geschaffen. Da brauchen wir auch die Unterstützung des Bundes, dass die erforderlichen Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen dann auch zur Verfügung stehen, was zurzeit jedoch leider nicht der Fall ist.
Noch ein Bonuspunkt bei den Kindergärten: Wenn die Öffnungszeiten für die Eltern attraktiver gestaltet werden und sie länger geöffnet haben, gibt es noch zusätzliche Bonifikationen durch das Land Kärnten.
Mit diesem Gesetz ist Landeshauptmann Peter Kaiser dem Ziel nähergekommen, Kärnten zur kinder- und familienfreundlichsten Region Europas werden zu lassen. (Beifall bei der SPÖ.)
Herr Minister, die Länder haben ihre Hausaufgaben gemacht. Tun Sie das bitte auch! Handeln Sie endlich! Und wenn Sie Fragen haben, reden Sie mit dem Herrn Gesundheits- und Sozialminister, der hier heute auch ins gleiche Horn gestoßen und genau das gesagt hat, was ich soeben kundgetan habe. Unsere Kinder, unsere Zukunft haben sich das verdient, und ich hoffe, Sie und Ihre Regierung kommen in die Gänge. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
18.58
Präsident Günter Kovacs: Danke, Herr Bundesrat.
Zur Beantwortung hat sich der Herr Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Herr Dr. Martin Polaschek, zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.
18.59
Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Sehr geehrter Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Der Bereich der Elementarpädagogik liegt mir persönlich wirklich am Herzen. Es ist mir wichtig, dass elementarpädagogische Einrichtungen ganz bewusst auch als erste Bildungseinrichtungen anerkannt und wahrgenommen werden. Wir setzen daher alles daran, die Qualität der Elementarbildungsangebote ständig zu verbessern.
Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen geben jeden Tag ihr Bestes, um unsere Kinder zu bilden und zu betreuen. Sie schaffen die Grundlagen, um unseren Kindern alle Türen für ihr weiteres schulisches und berufliches Leben zu öffnen. Davon konnte ich mich auch bei meinen zahlreichen Besuchen in Kindergärten in ganz Österreich immer wieder überzeugen.
Gesetzgebung und Vollziehung im Bereich der Elementarpädagogik liegen bei den Bundesländern. Dennoch setzen wir als Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung viele Maßnahmen, um für Entlastung und Verbesserungen zu sorgen. Der Bedarf an Betreuungsangeboten steigt stetig, und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie muss gewährleistet sein.
Gleichzeitig haben sich die Anforderungen an die Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen in den letzten Jahren sehr stark erhöht. Wichtig sind mir Dialog und Austausch mit den Ländern, den Gemeinden und allen Trägerorganisationen. Dazu trägt auch der Beirat für Elementarpädagogik bei.
Das Ziel dabei ist es, durch Förderung der österreichweiten Zusammenarbeit und Erarbeitung von Vorschlägen und Empfehlungen für die politischen Ebenen zu nachhaltigen Verbesserungen zu gelangen. Wir arbeiten laufend an Verbesserungen im Bereich der Ausbildung, der Fort- und Weiterbildung. Im Herbst startete beispielsweise ein neuer Hochschullehrgang Inklusive Elementarpädagogik.
Ein besonderer Meilenstein in diesem Bereich ist sicherlich die Artikel-15a-Vereinbarung Elementarpädagogik. Der Bund stellt für die Kindergartenjahre 2022/2023 bis 2026/2027 1 Milliarde Euro zur Verfügung. Der jährliche Zweckzuschuss konnte seitens des Bundes von 140 Millionen Euro auf 200 Millionen Euro erhöht werden; das ist ein Plus von 40 Prozent.
Uns ist es auch gelungen, den Bundeszuschuss für den beitragsfreien Pflichtkindergarten von 70 auf ganze 80 Millionen Euro zu erhöhen. (Zwischenruf bei der SPÖ.)
Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Wie Sie sehen, arbeitet die österreichische Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern und Gemeinden stetig an Verbesserungen im Bereich der Elementarpädagogik.
Wie Ihnen allen bekannt ist, gibt es österreichweit einen Bedarf an gut ausgebildeten Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen. Ein weiterer wesentlicher Aspekt sind daher die Öffnung des Berufsfelds bei gleichzeitiger Sicherung qualitativ hochwertiger Standards sowie die Professionalisierung von pädagogischem Personal.
Zudem möchte ich auch die Diversität im Berufsfeld erhöhen. Hierzu hat sich in den letzten Jahren viel getan. Wir haben an neuen Arten des Quereinstiegs gearbeitet, eine Kollegoffensive gestartet und ein Masterstudium eingeführt. Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung konnte zudem rund eine halbe Million Euro vonseiten der Europäischen Union für strukturelle Verbesserungen gewinnen. Mithilfe von zu erarbeitenden Instrumenten sollen die Rahmenbedingungen und die Situation des Personals angehoben werden und so die Qualität der elementaren Bildung in Österreich nachhaltig verbessert werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal abschließend betonen: Mein Ziel als Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung ist es, das Bewusstsein betreffend die Be-
deutung elementarer Bildung und die Anerkennung für diese wertvolle Tätigkeit in der Bevölkerung zu steigern. Außerdem sind wir auch bemüht, durch Studien und Evaluierungen neue wissenschaftliche Erkenntnisse im Bereich der Elementarpädagogik zu gewinnen. Dafür werde ich auch weiterhin gemeinsam mit allen Beteiligten, Pädagoginnen und Pädagogen, Eltern, allen Expertinnen und Experten in den Ländern und Gemeinden, arbeiten. – Vielen Dank.
Auf die gestellten Fragen darf ich wie folgt antworten:
Zu den Fragen 1, 2, 3, 4, 20 und 28:
Ein bundesweit einheitliches Rahmengesetz ist nur gemeinsam mit den Bundesländern möglich. Wir haben uns mit den Ländern auf die Artikel-15a-Vereinbarung zur Elementarpädagogik bis 2026/2027 geeinigt. Damit setzen wir einen wesentlichen Schritt, um die bestmögliche Kinderbildung und -betreuung sicherzustellen. Im Rahmen der Verhandlungen für den Finanzausgleich ist es insbesondere Aufgabe der Länder, sich für den Bereich der Elementarpädagogik starkzumachen.
Zu den Fragen 3 und 5:
In der Artikel-15a-Vereinbarung
haben sich die Bundesländer darauf geeinigt, einheitliche
Qualitätsmindeststandards auszuarbeiten und zu prüfen. Die
VIF-Kriterien sind bereits jetzt Grundlage der Vereinbarung.
Zu den Fragen 6 und 9:
Die Länder und Gemeinden sind grundsätzlich für die Finanzierung der elementarpädagogischen Einrichtungen zuständig. Gerade die gegenständliche Anfrage zeigt, dass es vonseiten der Länder Initiativen in diesem Bereich gibt. Der Bund unterstützt die Länder und Gemeinden dabei im Rahmen der Artikel-15a-Vereinbarung mit einer zusätzlichen Milliarde Euro.
Zu den Fragen 7, 8, 13 und 14:
Zahlen zum Personalbedarf liegen uns im Detail nicht vor, da die Anstellung Aufgabe der Länder und Gemeinden ist. Natürlich stehen wir mit diesen in einem regelmäßigen Austausch und unterstützen, soweit es uns möglich ist. Als Bund setzen wir uns für den Ausbau der Kollegplätze und Quereinstiegsmöglichkeiten ein.
Zu den Fragen 10, 11 und 12:
Die Einrichtung eines Beirats für Elementarpädagogik wurde entsprechend dem Regierungsprogramm umgesetzt. Im Beirat werden wichtige Themen wie etwa Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel mit allen Mitgliedern diskutiert und Best-Practice-Beispiele als mögliche Lösungsansätze präsentiert. Derzeit ist die siebte Sitzung des Beirats in Vorbereitung; der Teilnehmerkreis sind relevante Stakeholder.
Zu den Fragen 15, 16, 17 und 18:
Insgesamt befinden sich rund 2 150 Personen im zweiten Ausbildungsweg. Gemeinsam mit der EU-Kommission und Unicef arbeiten wir mit den relevanten Stakeholdern an einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Seit dem Schuljahr 2021/2022 wurden zusätzlich 230 Plätze geschaffen. Der Ausbau der Ausbildungsplätze läuft selbstverständlich weiter.
Unser Beitrag als Bund erfolgt über die Artikel-15a-Vereinbarung, deren Mittel wir um 40 Prozent erhöhen konnten. Bonuszahlungen sind Aufgabe des Dienstgebers. In diesem Bereich sind das Länder und Gemeinden.
Zu den Fragen 19 und 21:
Familienleistungen fallen nicht in die Zuständigkeit meines Ressorts. Natürlich stehen wir dazu im ständigen Austausch.
Zu den Fragen 22, 23 und 24:
Im Rahmen der Ressortstrategie Klasse Job wird unter anderem auch die Pädagoginnen- und Pädagogenbildung weiterentwickelt. Auch die Weiterentwicklung der Sonderpädagogikausbildung wird in diesem Rahmen mitbedacht. Bislang haben sich mehr als 900 Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger beworben.
Zu den Fragen 25 und 26:
Es ist nicht beabsichtigt, dass bei Frauen, die Kinderbetreuungspflichten übernehmen, Unterstützungsleistungen gekürzt werden.
Zur Frage 27:
Die Artikel-15a-Vereinbarung ist ein wichtiger Schritt, um jedem Kind in Österreich die beste Bildung, Betreuung und Förderung zu gewährleisten. Ich bin ständig bemüht, den Bereich der Elementarpädagogik weiterzuentwickeln. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)
19.07
Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Minister.
Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.
Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.
Zu Wort gemeldet ist Fraktionsvorsitzende Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile ihr das Wort. – Bitte, Frau Bundesrätin.
Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Sie haben gerade gesagt, die Elementarpädagogik liegt Ihnen am Herzen. – Na ja, so arg kann es nicht sein, denn wenn man die Beantwortung der Fragen, die
wirklich grundlegende Fragen sind und die jetzt einer Antwort geharrt hätten, derartig lapidar vornimmt, dann kann einem die Elementarpädagogik nicht so besonders am Herzen liegen. (Beifall bei der SPÖ.)
Die Elementarpädagogik – und das ist glaube ich in diesem Saal unumstritten – ist die Grundlage und die Orte ihrer Vermittlung die erste Bildungsstätte, die so wesentlich ist. Wir brauchen den Ausbau der Elementarpädagogik, um Kindern Chancen zu geben. Wir wollen die beste Bildung für unsere Kinder. Wir wollen Chancen für die Eltern in der Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und wir wollen für Frauen Chancen, damit sie am Arbeitsleben in der Stundenanzahl, die sie wollen, teilnehmen können. Das sind die Zielrichtungen.
Wir sagen das seit Jahren: Es braucht den Ausbau der elementarpädagogischen Einrichtungen!, und wir fordern einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbildungsplatz ab dem ersten Lebensjahr, mit Arbeit in Vollzeit vereinbar, flächendeckend in ganz Österreich und leistbar. Das ist die Grundlage. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir sehen – und da sind die ideologischen Grenzen ganz eindeutig –, dass das in den sozialdemokratisch geführten Ländern funktioniert: Da sind die Kinder wichtig, da bekommen sie die erste elementarpädagogische Bildung im besten Ausmaß. Schauen wir nach Wien: Seit zehn Jahren gibt es den Gratiskindergarten mit Öffnungszeiten, von denen andere Bundesländer nur träumen können. (Beifall bei der SPÖ.)
Schauen wir ins Burgenland: Die tollsten Einrichtungen auch dort für die beste Möglichkeit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Und jetzt zieht Kärnten nach – das ist wirklich großartig (Beifall bei der SPÖ) –: Gratiskindergarten, Ausbau der Einrichtungen. So macht man es, das ist beispielgebend!
Ganz ehrlich, bei so einer Beantwortung, da fragt man sich schon: Alles ist gut, alles ist gut; es funktioniert? – Nein, es funktioniert nicht. Wir brauchen,
um den Rechtsanspruch umsetzen zu können, 1 Milliarde Euro im Jahr. Das braucht man, um das umzusetzen zu können. Und wir brauchen jetzt endlich Ausbildungsschritte. Sie können nicht erzählen, dass Sie genug getan haben, weil Sie das nicht haben.
Sie hatten zuerst die Chance, den Resilienzfonds der EU dafür zu nützen, dass man die Elementarpädagogik ausbaut. Das haben Sie nicht oder nur in einem kleinen Ausmaß gemacht. Das war dieser Regierung nicht wichtig. Sie hatten zweitens die Chance, mit der 15a-Vereinbarung wirklich einen großen Booster zu zünden, damit man den Rechtsanspruch umsetzen kann. Das haben Sie nicht gemacht. Es ist nicht erfolgt. Es war eine kleine Erhöhung. Sie wollten sie auch noch als Milliarde verkaufen und haben halt das, was Sie über Jahre da hinlegen, zusammengerechnet und gesagt: Das ist jetzt die Milliarde. – Das ist sie nicht.
Sie setzen nicht jene Ausbildungsschritte, die wir jetzt dringend brauchen. Es geht um die Kinder. Es geht um die Chancen der Eltern. Es geht um die Frage, wie wir die Regionen stärken können, damit es nicht zur Abwanderung kommt, weil es eben die Kinderbildungseinrichtungen gibt, und es geht um die Frage: Wie geht es denn den Beschäftigten in diesem Bereich? – Ganz ehrlich, die wurden in der Coronazeit von dieser Regierung völlig im Stich gelassen.
In allen Coronakommissionen, in alle Richtungen, haben die Wissenschaftler getagt, aber die Elementarpädagog:innen und ihre Arbeit wurden nie angesprochen, in keiner Weise, sie wurden jedes Mal vergessen. Die Pädagog:innen waren wirklich fertig. Sie konnten keine Maske tragen, weil man im Kontakt mit Kindern keine Maske tragen kann. Viele haben sich angesteckt, für viele war das eine schwierige Situation, und sie haben sie toll gemeistert.
Die Elementarpädagoginnen –
es sind nun einmal hauptsächlich Frauen – sind eine sehr
geduldige Gruppe. Wenn man mit ihnen spricht, dann sagen sie, dass sie
ihren Job lieben, weil es ein toller Job ist – mit Kindern zu
arbeiten, Kinder wachsen zu sehen, ihnen etwas beibringen zu können,
das ist etwas
Tolles –, aber sie können nicht mehr und sie wollen nicht mehr. Jede zweite Elementarpädagog:in oder Assistent:in überlegt, aus dem Berufsfeld auszuscheiden.
So gut ist das alles nicht, da muss man handeln. Und darum finde ich es so großartig, was jetzt in Kärnten passiert: dass man eben nicht nur darauf schaut, die Plätze auszubauen, sondern auch, wie man bessere Bedingungen für die Arbeitnehmer: innen in diesem Bereich schafft. Das ist wirklich großartig (Beifall bei der SPÖ), aber ganz ehrlich, die Länder können ja nicht alles übernehmen. Die Länder übernehmen derzeit die Ausfallhaftung für das, was der Bund nicht schafft, aber es wäre jetzt dringend notwendig, da zu handeln.
Ich sage ganz ehrlich: Wenn Sie jetzt bei den Finanzausgleichsverhandlungen nicht den Booster für den Ausbau der Elementarpädagogik hin zu einem Rechtsanspruch zünden – denn die Auswirkungen dauern einige Jahre, das geht nicht von heute auf morgen, das hat mindestens fünf Jahre Vorlaufzeit –, dann haben Sie wieder verschlafen. Dann soll uns bitte nicht mehr irgendein Arbeitsminister oder Wirtschaftsminister oder was immer er ist, ausrichten: Wir hätten aber gerne, dass die Frauen nicht mehr so viel Teilzeit arbeiten; sie sollen mehr Stunden arbeiten. – Wohin sollen sie ihre Kinder geben?
Eltern haben das Recht darauf, für ihre Kinder die beste Bildung zu bekommen und zu wissen: Wenn man sein Kind in diese Bildungseinrichtung gibt, dann ist es gut aufgehoben, dann bekommt es gute Anregungen, dann lernt es Neues, dann lernt es vielleicht auch Dinge, die man zu Hause nicht so machen kann, dann hat es soziale Kontakte; und man hat die Sicherheit, dass das Kind etwaige Defizite im Kindergartenalter noch ausgeräumt bekommt, noch Bildung erfährt, damit es dann gut in die Schule übergehen kann.
Wenn wir von Integration reden – und das ist eine wesentliche Frage –, dann ist der Kindergarten auch die erste wichtige Einrichtung, um Integration zu ermöglichen. Sprachliche Integration, soziale Integration, Werteintegration: Das alles passiert im Kindergarten.
Die Tanten, wie man früher gesagt hat – so wollen die Elementarpädagoginnen nie mehr wieder genannt werden, darum sagen wir: elementarpädagogische Einrichtungen –, haben eine gute Ausbildung, sie leisten großartige Arbeit, aber sie wollen auch gut bezahlt werden und sie wollen gute Arbeitsbedingungen. Auch da darf ich wieder Kärnten nennen, das jetzt mit dieser Initiative sagt: Wir setzen einen Schritt, um die Gruppengröße in den Kindergärten einfach kleiner zu machen. Das ist ganz, ganz wichtig, damit die pädagogische Arbeit auch funktionieren kann.
Im Kindergarten arbeiten nicht nur Pädagog:innen, da arbeiten auch pädagogische Assistent:innen, da arbeiten Assistent:innen, und alle zusammen arbeiten gemeinsam mit den Kindern. Es ist ein guter Platz für die Kinder und es soll auch künftig ein guter Platz für die Kinder sein. Wenn Sie jetzt nicht die Initiative ergreifen, dann haben Sie wieder verschlafen, und jedes Jahr, das man verschläft, macht die Situation im Bereich der Elementarpädagogik noch einmal schwieriger.
Lassen Sie mich zur FPÖ zurückkommen. Es sind eh nicht viele hier, denn die Kinder interessieren sie nur bei Partikularinteressen (Oho-Rufe der Bundesrätin Steiner-Wieser), wo es halt gerade in ihr Programm hineinpasst. (Beifall bei SPÖ und Grünen.) Kinder sind Ihnen völlig gleichgültig. Ich sehe niemanden, also die Fraktion hat sich wunderbar aufgelöst, denn was ist der Kindergarten? – Das ist Ihnen doch völlig wurscht.
Nein, Sie haben eine noch viel bessere Idee: Die FPÖ wird heute einen Antrag nach dem Berndorfer Modell – übersetzt: die Herdprämie – einbringen: Liebe Frauen, bleibt zu Hause, dann geben wir euch Geld. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das ist keine Herdprämie!) Das ist doch absolut die Herdprämie, eins zu eins umgesetzt. (Bundesrätin Grossmann: Zurück ins 19. Jahrhundert!) So macht man das, aber natürlich. (Beifall bei der SPÖ.)
Als Nächstes sagt man: Bitte schickt die Kinder nicht in die Schule; ihr kriegt Geld, wenn ihr die Kinder nicht in die Schule gebt! – Wenn man nicht
zum Arzt geht,
kriegt man auch Geld. Was ist das für ein Zugang zu Leistungen, um Himmels
willen?! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der
Bundesrätin
Steiner-Wieser.) Wir wissen ja, wie die FPÖ über die
Frauen denkt, das ist uns doch völlig klar.
Kickl hat gesagt, die erste Handlung, wenn er Kanzler wird, ist, dass er die - - (Bundesrätin Steiner-Wieser: So ein Schwachsinn!) Ja, das stimmt, das ist wirklich ein Schwachsinn, denn er hat gesagt: Das Erste, was er machen wird, ist, die Töchter aus der Bundeshymne wieder herauszunehmen. (Neuerliche Zwischenrufe der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Liebe Töchter in Österreich, euch muss klar sein: FPÖ möchte euch nicht sichtbar haben, FPÖ möchte euch gerne am Herd haben, mit Herdprämie. So schaut’s aus, das ist die Realität. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrät:innen Schreuder und Schwarz-Fuchs.)
Herr Bundesminister, wir werden Ihnen diese Fragen natürlich noch einmal schriftlich stellen. So eine oberflächliche Beantwortung können wir nicht durchgehen lassen, denn wir wollen wirklich Antworten bekommen.
Zum Beirat für Elementarpädagogik: Wenn Sie sagen, dass Sie die wesentlichen Player im Beirat versammelt haben, dann ist das ja schön für Sie, dann sagen Sie aber auch, dass die Arbeitnehmer:innenvertretung kein wesentlicher Player ist, denn diese haben Sie explizit aus dem Beirat ausgeschlossen. Von daher muss man schon fragen: Ob das so gescheit ist, dass man gerade jene Gruppe, die genau weiß, wie es den Pädagog:innen und Assistent:innen geht, aus einer Arbeitsgruppe ausschließt, die über die Zukunft der Elementarpädagogik spricht? – Na, das ist aber wirklich keine gute Idee.
Herr Bundesminister, zünden Sie jetzt wirklich den Ausbildungsbooster! Das ist auf den verschiedensten Ebenen mehr als notwendig. Wir müssen uns darüber unterhalten – Kollege Appé hat es ja schon richtig gesagt –, warum viele, die die Bafep absolvieren, dann nicht in das Berufsfeld gehen. Das müssen wir uns fragen.
Wir müssen uns fragen: Wie können wir intensivieren, dass jemand auf dem zweiten Bildungsweg in die Elementarpädagogik wechselt? Wir müssen natürlich die Ausbildungsstätten erweitern, da ist großer Bedarf, weil natürlich auch in diesem Bereich die Menschen in Pension gehen werden. Also da ist viel zu tun: Herr Bundesminister, packen Sie es an!
Es ist manchmal klug, auch auf die Sozialpartner zu hören. Es war für diese Republik schon sehr oft klug, und auch in diesem Zusammenhang ist es klug. Die Sozialpartner haben das Papier sowie den Rechtsanspruch auf einen Kinderbildungsplatz gemeinsam ausgearbeitet – gemeinsam, alle Sozialpartner, gemeinsam mit der IV –, und sie sagen, dass es wichtig ist, dass man jetzt die Elementarpädagogik ausbaut. Das ist keine Spielerei, sondern wir wissen es aus den verschiedenen Blickwinkeln, wie wichtig es ist, dass wir diese elementarpädagogischen Einrichtungen haben.
Das so derartig zu ignorieren und nicht einmal den Kontakt zu suchen, auch das ist nicht besonders klug. Wenn Ihnen die Elementarpädagogik so am Herzen liegt, dann gilt es jetzt ganz dringend zu handeln. Herr Bundesminister, da kann man sich nicht mit dem Schmäh drüberarbeiten, das ist einfach überprüfbar. Wenn jetzt nicht etwas passiert, dann haben Sie wieder eine Chance verpasst mit Auswirkungen auf Jahre, und die Eltern sind die Leidtragenden. Das wollen wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auf keinen Fall. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
19.19
Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.
Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. – Bitte, Frau Bundesrätin.
Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Ich muss mich (das Redner:innenpult höher stellend) noch an dieses Pult gewöhnen. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen
und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, wo immer Sie uns noch zusehen oder zuhören! Ja, Kollegin Schumann ist wirklich eine Kämpferin für die Elementarpädagogik und auch für unsere Kinder und für unsere Frauen – und das ist gut so. Da kann man dich, liebe Korinna, natürlich nur unterstützen. Als langjährig berufstätige Mutter, inzwischen als Oma, deren Tochter Gott sei Dank auch Kinder hat, die mittlerweile auch die Betreuungsproblematik hat oder Gott Dank nicht mehr so hat, habe ich das ein Leben lang verfolgt und darf das noch weiterverfolgen. Ich sehe das naturgemäß etwas anders als du, liebe Kollegin Schumann.
Der Herr Minister hat ja eindrucksvoll dargelegt, was schon alles passiert ist. (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Schumann, Hahn und Grossmann.) Was mir aber bei deiner Aufzählung heute gefehlt hat, liebe Kollegin, ist vielleicht ein kurzes Gedenken an diesen Equal-Pay-Day. Das hat heute noch niemand hier gesagt, wir haben den heute. (O-ja-Rufe bei der SPÖ.) Es ist ein trauriger Tag für uns – und ich glaube, auch das eint uns. Wir Frauen arbeiten im Durchschnitt 47 Tage ohne Lohn (Bundesrätin Hahn: Eineinhalb Monate!) – und erst ab heute bekommen wir einen Lohn. (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.) Das hat natürlich auch mit dieser ganzen Problematik von Teilzeit und Kinderbetreuung zu tun – und dafür findest du in uns auch wirklich Verbündete. Ich denke, wir wollen ja, dass es den Frauen, den Kindern und den Eltern in Österreich gut geht. Dazu hat es schon eine Menge von Maßnahmen gegeben; ich darf nur ein paar erwähnen.
Die Elementarpädagogik ist uns wichtig, liebe Kollegin Schumann, und wir sind uns auch einig, Kollege Appé, dass Kinderbetreuung natürlich keine Frauensache ist. Ich glaube, auch da können wir ein Hakerl daruntersetzen: Das ist Elternsache – und wer immer sie übernimmt, Kinderbetreuung soll gut sein, sie soll funktionieren und beide Eltern sind zu gleichen Teilen dafür verantwortlich und zuständig. (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Schumann.)
Nun darf ich aber einmal sagen, was schon alles passiert ist. Über diese Milliarde Euro, die wir letztes Jahr auf den Weg gebracht haben, sagt ihr: Na ja, 1 Milliarde, und alles zusammengekratzt. – Durch diese 15a-Vereinbarung ist für die Kindergartenjahre 2022/23 bis 2026/27 der Bundeszuschuss von 142,5 Millionen Euro auf 200 Millionen Euro erhöht worden, also plus 40 Prozent. Für den Ausbau der Elementarpädagogik stieg die Summe von 47,1 Millionen Euro auf 61,2 Millionen Euro, für die frühe sprachliche Förderung von 18,12 Millionen Euro auf 22,8 Millionen Euro. Der flexible Anteil ist von 7,2 Millionen Euro auf 36 Millionen Euro erhöht worden. Die Finanzierung des Pflichtkindergartens – der Herr Minister hat das schon erwähnt – wurde von 70 auf 80 Millionen Euro erhöht. Zusätzlich geschieht eine Intensivierung der frühen sprachlichen Förderung mit dem Ziel der raschen Integration. Wir haben Impulse für die Vereinheitlichung der Qualitätsstandards gesetzt, wir haben die Formulierung eines bedarfsgerechten Versorgungsauftrages für berufstätige Eltern geschaffen – und betreffend die pädagogischen Fachkräfte: Ja, wir haben da einen Mangel, und jede Bürgermeisterin, jeder Bürgermeister weiß davon ein Lied zu singen.
Ich kann mich an meine Zeit in der Gemeindevertretung erinnern: Da hat es viele, viele Bewerbungen gegeben, und dann hat man manches Mal sogar noch gesagt: Na, wen nehmen wir da nun? – Das ist ja heute überhaupt nicht mehr denkbar, leider! Wir suchen händeringend qualifiziertes Personal. Auch da wurde aber einiges gemacht: Im Schuljahr 2019/20 wurde die dreijährige Fachschule für pädagogische Assistenzberufe eingeführt. Seit dem Studienjahr 2021/22 gibt es den Hochschullehrgang Elementarpädagogik im Umfang von 60 ECTS im Sinne eines Quereinstiegs als gruppenführende Elementarpädagogin für facheinschlägig vorgebildete Personen. Im Sommersemester startet ein neuer Hochschullehrgang Quereinstieg Elementarpädagogik im Umfang von 120 ECTS für alle Personen mit Bachelorabschluss, mit dem Studienjahr 2022/23 startet auch ein Masterstudium Elementarpädagogik an der Universität Graz. Auch ein Ausbau an Kollegplätzen an den Bildungsanstalten für Elementarpädagogik wurde vonseiten des Bundes
gemäß dem Regierungsprogramm bereits vorangetrieben. Ich denke, das ist ja wirklich etwas, das wir herzeigen können – vielen Dank, Herr Minister!
Wichtig war uns von meiner Partei auch immer diese Wahlfreiheit (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das ist ja keine Wahlfreiheit!); ob die Kinder zu Hause oder extern betreut werden, soll grundsätzlich jede Familie selbst entscheiden. (Zwischenrufe der Bundesrät:innen Leinfellner und Steiner-Wieser.) Das ist unser Wunsch. Um diese Wahlfreiheit herzustellen und speziell auch junge Familien gerade derzeit bei diesen weltweiten Krisen und Teuerungen zu entlasten (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), haben wir in Salzburg nun den beitragsfreien Kindergarten auf den Weg gebracht – der Kollege weiß, wovon ich rede (Bundesrat Egger-Kranzinger: Halbtags!) –: Mit 1.4. gibt es den beitragsfreien Halbtagskindergarten. Es ist also nicht nur so, dass die sozialdemokratisch geführten Länder ein Herz für Kinder haben (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), sondern wir sind da sehr wohl schon lange auf Gemeindeebene und nun auch auf Landesebene aktiv (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser) – und er wird mit 1.4. eingeführt. Er wurde am 1.2. im Salzburger Landtag beschlossen und wird nun eingeführt.
Auf Initiative unseres Landeshauptmanns werden wir nun für die Eltern der Drei- bis Sechsjährigen, die zum überwiegenden Teil – das sind ungefähr 95 Prozent – schon in Betreuung sind, einen massiven, spürbaren Entlastungsschritt setzen. Wir gehen davon aus, dass das die Eltern in etwa mit 1 000 Euro jährlich entlasten wird. Das ist eine wichtige und notwendige Maßnahme, die wir gemeinsam setzen – es hat einen einheitlichen Landtagsbeschluss am 1.2. gegeben. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder. – Zwischenruf des Bundesrates Egger-Kranzinger.)
Die Kosten übernimmt zur Gänze das Land, den Gemeinden entstehen dafür keine Kosten, und damit ist natürlich auch eine rasche Umsetzung gegeben. (Bundesrätin Schumann: Und die unter Dreijährigen?) – Wir haben uns auch den Betreuungsbedarf bei den unter Dreijährigen im Land angeschaut, da
gibt es noch Handlungsbedarf. Es gibt nun einen Auftrag an die zuständige NEOS-Landesrätin, gemeinsam mit den Gemeinden auf Augenhöhe diesbezüglich etwas voranzubringen, denn wir finden, da muss eine Flexibilisierung und Entbürokratisierung stattfinden, um auch da den Personalmangel zu bekämpfen.
Wir würden uns wünschen, dass man in Richtung betriebliche Kinderbetreuungseinrichtungen geht und natürlich auch die Tageseltern wieder entsprechend unterstützt. Ich weiß von meiner eigenen Tochter, diese Flexibilität durch eine Tagesmutter oder einen Tagesvater ist so wichtig – und das gehört auch wieder entsprechend unterstützt.
Es ist unser mittelfristiges Ziel in Salzburg, bei den unter Dreijährigen einen Ausbau des Angebotes, die Schaffung einer echten Wahlfreiheit und die spürbare Entlastung der Eltern zu erreichen, das ist uns ganz, ganz wichtig. Dafür darf ich mich heute wieder einmal bei den Gemeinden bedanken, die das wirklich ganz, ganz toll mittragen und immer federführend dabei sind, denn jeder Bürgermeister und jede Bürgermeisterin hat wirklich ein Herz für Kinder und hilft da zusammen mit dem Bund mit, dass wir da gemeinsam etwas auf den Weg bringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)
Noch ein paar Fakten zu den Kindern im Land Salzburg: Es gibt 32 649 Kinder und Jugendliche in Betreuungseinrichtungen, das sind um über 8 500 beziehungsweise 25 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren – das ist ein guter Anstieg. Besonders groß ist in Salzburg der Ausbau bei den unter Dreijährigen, für die in den letzten zehn Jahren um 50 Prozent mehr Plätze geschaffen wurden, wo mit fast 5 000 Kindern über 40 Prozent der Ein- bis Dreijährigen betreut werden. Ich weiß das von meiner eigenen Gemeinde: Wir haben inzwischen acht oder neun Krabbelgruppen; der Bedarf ist gegeben und es wird auch ständig geschaut, dass man noch weitere hinzubringt. Wie gesagt, bei den Drei- bis Sechsjährigen haben wir einen Betreuungsschlüssel von fast 95 Prozent der Kinder.
Worauf wir auch sehr stolz sind – ich weiß nicht, Kollege Appé oder Kollegin Schumann hat das schon erwähnt –: Bei uns ist das Betreuungsverhältnis österreichweit spitze. Wir haben wirklich sehr, sehr kleine Gruppen. Das fordert natürlich auch immer wieder Personal – logisch; aber wir wollen diesen Standard halten.
Wir wollen schauen, dass wir den Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen wirklich gute, gute Arbeitsbedingungen bieten, weil das ja auch wesentlich ist, dass diese Damen und Herren, die engagiert arbeiten, nicht ausbrennen, dass sie sich wertgeschätzt fühlen und natürlich auch entsprechend bezahlt werden. (Vizepräsidentin Kahofer übernimmt den Vorsitz.)
Wir glauben, dass wir da vielleicht noch etwas Flexibilität brauchen, aber es gibt ja Verhandlungen mit den Landeshauptleuten, und es wird wieder zu einigen Vereinbarungen kommen, da bin ich mir sicher.
Vielleicht abschließend noch einmal zu Kollegen Appé mit dieser Teilzeitgeschichte: Ich habe das schon am Vormittag gesagt, und Herr Bundesminister Kocher hat es meiner Meinung nach sehr klar richtiggestellt – wir haben das heute schon diskutiert –: Es wird zu keinem Abbau von Sozialleistungen für carearbeitende Personen kommen. Ich glaube, das ist klargestellt und da fährt die Eisenbahn drüber – aber es ist wirklich erlaubt, über die Auswirkungen der Teilzeit auf Frauen zu diskutieren. Wenn es freiwillig gewählt ist, ist es okay, wobei man sich dann auch der Konsequenzen dieser Beschäftigung in Teilzeit bewusst werden muss.
Es ist auch legitim, sich zu fragen: Wie schafft man es, aus Teilzeitkräften Vollzeitkräfte zu machen? Das hilft schließlich uns allen und es hilft auch den Frauen. Ich kann das von mir sagen: Ich hatte immer die Möglichkeit, Vollzeit zu arbeiten; als ich damals angefangen habe, war Teilzeit gar nicht möglich. Ich war nicht sehr beglückt, weil ich mir das anders vorgestellt hatte; nun bin ich froh darüber, weil ich eine andere Pension habe, als wenn ich nur Teilzeit gearbeitet hätte. Ich denke also, darüber zu reden ist legitim, und wir sollten
auch schauen, in welchen Bereichen wir da gemeinsam Verbesserungen schaffen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Ich glaube, das ist klargestellt (Bundesrätin Schumann: Nein, ist es nicht!), und ich würde mir wünschen, dass wir nun gemeinsam an die Verbesserung gehen und schauen, in welchen Bereichen Handlungsbedarf besteht und wir schauen können, dass wir die Frauen nach vorne bringen.
Wie gesagt: Kinder sind uns wichtig, Kinder sind unsere Zukunft. Es wird in dieser Bundesregierung, in den Ländern und in den Gemeinden viel getan. – Vielen, vielen Dank all jenen, denen Kinder so am Herzen liegen! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
19.32
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Markus Leinfellner. – Ich erteile dieses.
Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Vorsitzende! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Kollege Schennach, du hast heute einmal das Wort „Rohrkrepierer“ in den Mund genommen, und da frage ich mich in diesem Zusammenhang schon: Hast du den Titel eurer Dringlichen Anfrage durchgelesen? Wenn ich mir diese zwei Skandale anschaue, die es binnen kürzester Zeit in Wien gab (Bundesrätin Schumann: Aber geh bitte!), nämlich in eurem rot regierten Bundesland, dann frage ich mich schon wirklich, was ein Rohrkrepierer ist, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) – Auch die Zwischenrufe von der Fraktionsführerin wundern mich nach der Wortmeldung von Ingo Appé oder von dir selbst nicht.
Der Begriff „Herdprämie“ ist mehrmals gefallen. (Ruf bei der SPÖ: ... Herdprämie ...!– Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Ich kann da beispielsweise einen aktuellen Zeitungsartikel vom 7. Februar 2023 erwähnen, der hat die Überschrift: „Wer es sich leisten kann, bleibt zu Hause“. Ich brauche
aber gar nicht die Zeitung zu zitieren, ich kann ja auch Familien in Zahlen hernehmen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Bei Familien in Zahlen steht: 79 Prozent der Frauen wollen ihr Kind im ersten Lebensjahr zu Hause betreuen. Im zweiten Lebensjahr sind es noch immer rund 62 Prozent. (Bundesrätin Hahn: Ja, warum ...? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ändert sich aber auch bei Müttern von Kindern bis zum achten Lebensjahr nicht. (Bundesrat Schennach: ... alle Frauen zu Hause lassen, oder wie?– Ruf: Aber ja keinen Mann!) Wissen Sie, was der Grund bei achtjährigen Kindern ist? – 4,5 Prozent dieser Mütter geben an, dass die Kosten zu hoch sind. (Anhaltende Zwischenrufe bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.) 14 Prozent geben an, dass das Betreuungsangebot nicht vorhanden ist. Das sind ja bitte noch immer mehr als 80 Prozent, die zu Hause bleiben wollen, um ihr Kind zu Hause zu betreuen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)
Wir haben das Thema ja schon behandelt. (Bundesrätin Schumann– den Daumen in die Höhe haltend –: Herdprämie, super! Herdprämie ...!) Ich weiß schon, dass euch am liebsten ist, Kleinkinder in Betreuungseinrichtungen hineinzustecken, möglichst weit weg. Ihr habt einfach kein Herz! (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit bei Bundesrät:innen der SPÖ.) Ihr habt ein Herz für alle, aber leider Gottes nicht für unsere österreichischen Familien, für unsere österreichischen Mütter (Bundesrätin Gruber-Pruner zeichnet mit den Händen ein Herz), anders kann ich mir solche Wortmeldungen nicht erklären. (Ruf bei der SPÖ: ... nicht verunglimpfen! – Weitere anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Kollegin Eder-Gitschthaler, ich muss dir heute wirklich recht geben! Diese Wahlfreiheit würden wir uns wünschen, aber diese Wahlfreiheit gibt es ja für die SPÖ nicht (Zwischenruf der Bundesrätin Gruber-Pruner), wenn ich da permanent irgendwelche Begriffe wie Herdprämie und dergleichen höre. (Bundesrätin Schumann: Ja ihr macht ja eine! – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Meine Kollegin wird heute noch einmal einen Antrag einbringen, da habt
ihr die Möglichkeit, zuzustimmen, aber ich komme in weiterer Folge ja noch einmal auf die SPÖ zu sprechen. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)
Herr Bundesminister, damit Sie aber nicht ganz umsonst zu einer Dringlichen Anfrage hergekommen sind, habe ich schon für Sie auch noch ein paar Punkte mitgebracht. Das sind Probleme, die es im Bereich der Elementarpädagogik wirklich gibt. Erst im Herbst dieses Betreuungsjahres haben 340 Familien in der Steiermark nicht gewusst, wie die Kinderbetreuung sichergestellt werden kann, weil Gruppen geschlossen worden sind, weil Öffnungszeiten von ganztags auf halbtags zurückgegangen sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Dafür gibt es natürlich viele Gründe: erhöhte Energiekosten, erhöhte Mietpreise, Personalförderung für die Träger, die bei Weitem die Kosten nicht abdecken.
Man hat in der Steiermark versucht, ein Maßnahmenpaket für die Elementarpädagogik zu schnüren: 15 000 Euro Prämie zur Belohnung von Berufseinsteigern. Das war übrigens auch ein Rohrkrepierer, Kollege Schennach (Bundesrat Schennach: Was?), weil das nicht sehr oft genutzt wurde, ich kenne keinen Einzigen, der das in Anspruch genommen hätte (Ruf bei der SPÖ: Wieso Schennach? Was redet denn der?), die Zahlen sind nicht nach oben gegangen. Da kann man schon auch von einem Rohrkrepierer sprechen. (Bundesrat Kornhäusl: Das ist ein Blödsinn!) Nun muss man aber in weiterer Folge sagen, dass die Prämie wieder ausgesetzt worden ist. Du sagst, das ist ein Blödsinn, warum ist sie dann wieder ausgesetzt worden? – Sie ist schlicht und ergreifend so gut wie nicht in Anspruch genommen worden. (Bundesrat Kornhäusl: 441 Elementarpädagogen ...!) Wie viele sind inzwischen in Pension gegangen? Wie viele habt ihr nachbesetzen können? Wie viele Stellen sind inzwischen unbesetzt? Ich glaube, wenn man diese Zahlen gegenüberstellt, dann war das ein Schuss ins Knie. (Bundesrat Kornhäusl: ... keine Lügen erzählen!)
Es hat einige positive Dinge gegeben, wie die Verbesserung des Betreuungsschlüssels von 1 : 25 auf 1 : 20. Ja, das ist gut, aber das Personalproblem hat man damit nicht gelöst, sondern verstärkt. Auch dieser Verstärkungspool, der
eingeführt worden ist, Kollege Kornhäusl, war gut. Die Betreuungseinrichtungen können auf diesen Verstärkungspool zurückgreifen – und ja, wir haben in der Steiermark auch einen Entschließungsantrag dazu eingebracht. Da frage ich mich aber auch: Wo waren die Stimmen der SPÖ in der Steiermark zur fixen Implementierung dieses Verstärkungspools, der eigentlich etwas Positives ist und über den sich die Trägerorganisationen wirklich gefreut haben, weil sie im Krankheitsfall auf diese Leute zurückgreifen können?
Eines muss man auch sagen: Bei diesem Personalmangel, der im Bereich der Elementarpädagogik herrscht, fragen sich Eltern schon immer mehr, wie es mit der Qualität im Bereich der Kinderbetreuungseinrichtungen ausschaut. Ich habe gerade vorhin gehört, dass man nun einen Bachelor- oder Masterstudienlehrgang einführt. Ich bin mir nicht sicher, ob man wirklich eine akademisch geprüfte Kindergärtnerin braucht. (Bundesrätin Schumann: Es reicht, es reicht schon ...! – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Es gibt solche und solche ..., wenn du mir zugehört hast ...!) Man braucht dort Leute, die gern mit Kindern arbeiten. (Beifall bei der FPÖ.)
Auch im Bereich der Bezahlung unserer Elementarpädagogen haben wir wirklich eklatante Unterschiede; allein in der Steiermark (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Assistenzberuf, ja!) herrschen Unterschiede von bis zu 400 Euro brutto.
Das Ausbildungssystem ist – Sie haben es ja in Ihrer Stellungnahme eh erwähnt – auf die Bundesländer übertragen worden. Ob das gescheit ist? – Für mich nicht! Nun ist es nämlich so, dass eine steirische Kindergärtnerin nicht in ganz Österreich angestellt werden kann, weil es einfach unterschiedliche Ausbildungssysteme gibt.
Ich glaube, genau da brauchen wir eine Vereinheitlichung, beim Gehaltsschema brauchen wir eine Vereinheitlichung. (Bundesrätin Schumann: Wieso, wir wollen die Kinder eh nicht im Kindergarten ...!) Das kann man nicht alles auf die Länder umwälzen. Die Länder sind auch in vielen Bereichen der Elementarpädagogik, auch im Bereich der Zuzahlungen überfordert. Die haben das Geld
einfach nicht. Ich glaube, da wird sich der Bund etwas überlegen müssen – in dem Fall, Sie, Herr Bundesminister.
Ich hoffe, dass wir im Bereich der Elementarpädagogik bald eine Vereinheitlichung in Österreich zusammenbringen, dementsprechend genügend Kindergärtnerinnen und Kindergärtner, Elementarpädagogen zusammenhaben, um auch die Abdeckung des Betreuungsaufwands sicherstellen zu können. Ich glaube, das ist einmal etwas Wesentliches.
Zum Berndorfer Modell (Bundesrätin Schumann: Herdprämie!): Es wurde ja schon mehrmals erwähnt, im positiven Zusammenhang wurde es heute noch nicht erwähnt, aber Kollegin Steiner-Wieser wird es natürlich dementsprechend erläutern. Ich kann nur sagen, wenn wir eine Wahlfreiheit haben wollen (Bundesrätin Schumann: Herdprämie!), wenn wir eine Wahlfreiheit in diesem Land bei der Kinderbetreuung haben wollen, dann sollte man über dieses Berndorfer-Modell schon einmal nachdenken. (Bundesrätin Schumann: Herdprämie! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es kann nämlich nicht sein, dass jeder Ihrer dahergelaufenen Atomphysiker mehr kriegt als eine Mutter, die zu Hause Kinderbetreuung leistet. Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren, da ist das Geld falsch verteilt. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Herdprämie! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Ja, es gibt im Bereich der Elementarpädagogik viel zu tun. Ich bin davon überzeugt, dass Sie noch in die Gänge kommen, dass wir auch in der Steiermark unsere Plätze sicherstellen können. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
19.41
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Mag. Elisabeth Kittl. Ich erteile dieses.
Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe
Zuseher:innen vor den Bildschirmen! – Die Ländervertreter:innen fragen den Bundesminister, „wann handeln Sie endlich“?, und ich frage: Wann handeln die Länder, um eine umfassende Kinderbetreuung umzusetzen? (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)
Ja, es braucht dringend – das wissen wir alle, oder zumindest reden alle darüber – eine ganzjährige, ganztägige und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung in ganz Österreich. Es braucht einen Ausbau, eine Verbesserung, einheitliche Standards und mehr Geld für Kindergärten – ja. Der Bund tut das, was in seiner Kompetenz steht, um das zu erreichen. (Bundesrätin Schumann: Ja, wenig!) Vergessen wir nicht: Nur die Ausbildung der Pädagog:innen liegt beim Bund, in der Bundeskompetenz (Bundesrätin Schumann: Aber die Finanzierung nicht!), und diese ist attraktiv und wird immer attraktiver. Die personellen, finanziellen und pädagogischen Rahmenbedingungen liegen in Gesetzgebung und Vollziehung bei den Ländern.
Seit 2008 beteiligt sich der Bund darüber hinaus über die 15a-Vereinbarungen an den Kosten für die Kindergärten. Die Förderungen sind an konkrete Ziele gebunden, so auch bei der Artikel-15a-Vereinbarung über die Elementarpädagogik, die wir letzten Juli beschlossen haben, um – und das war der Zweck – Bildung und Betreuung in den pädagogischen Einrichtungen für Kleinkinder zu verbessern, denn beginnt die Ausbildung schon im Kindergarten, erhöht das später die Jobchancen und damit auch die soziale Mobilität unserer Kinder. Das wurde schon mehrfach festgestellt.
Natürlich haben mehr und bessere Kindergartenplätze positive Auswirkungen auf den Lebensalltag von Frauen und Alleinerziehenden. Das ist unbestritten. Genau deswegen haben wir die 200 Millionen Euro pro Jahr bis 2027 – und somit eine Erhöhung der Zweckzuschüsse vom Bund an die Länder um 40 Prozent pro Jahr – beschlossen. Noch zur Erinnerung: Die drei Gemeindepakete stellten hohe Mittel für Kindertageseinrichtungen zur Verfügung. – Ja, wir haben das heute schon mehrmals gehört, aber es muss anscheinend wiederholt werden, sonst kommt es nicht an.
Und ja: Wichtig für ein Weiterkommen in der Gleichstellungspolitik sind die flexiblen Öffnungszeiten der Kindergärten sowie der signifikante Ausbau der Betreuungsplätze für unter Dreijährige. Auch das stand in der Zweckwidmung. Das braucht es – weil es gerade Thema ist –, um in die Vollbeschäftigung wechseln zu können. Es würde mehrere Tausend Arbeitsplätze schaffen und vor allem den Einstieg beziehungsweise Wiedereinstieg von Frauen in den Beruf erleichtern. Solche Maßnahmen sind wichtige Schritte in Richtung Chancengleichheit von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt. Wir haben es von Kollegin Eder-Gitschthaler gehört: Heute ist Equal-Pay-Day. Wenn man den umrechnet, arbeiten Frauen jedes achte Jahr ein Jahr lang gratis – das muss sich ändern!
Es geht aber auch um Chancengleichheit in der Familienarbeit – auch das wurde heute schon thematisiert. Es ist aber nicht nur eine Last, für Kinder und Ältere da zu sein, es ist auch mit viel Glück und mit viel berührender Nähe verbunden. Schon das sollte eigentlich Anreiz für Männer sein, um zum Beispiel in Karenz zu gehen; aber es ist auch Arbeit – viel Arbeit, unbezahlte, unsichtbare, unbewertete Arbeit – und wird überwiegend von Frauen gemacht. Eine gerechte Aufteilung in der Familienarbeit wäre für die Gleichstellungspolitik ein ziemlicher Schub.
Ein kleiner Exkurs: In Island gibt es zum Beispiel eine verpflichtende Väterkarenz. Das heißt, Familienunterstützung wird nur dann ausbezahlt, wenn auch die Väter die halbe Karenz in Anspruch nehmen. Das hat einen Kulturwandel in Island herbeigeführt, wo jetzt mehr Männer in der Familien-, in der Carearbeit anzutreffen sind.
Ein weiterer Zweck des Zuschusses, der auch einen Betreuungs- und gleichzeitig Bildungsschub bringen würde, ist die Verbesserung des Betreuungsschlüssels. Das Ziel ist, die Zahl der betreuten Kinder auf die Hälfte zu reduzieren. Damit gewinnt die Qualität von Kindergärten enorm, was auch den Anreiz erhöht, ein Kind in den Kindergarten zu geben. Vor allem aber entlastet ein besserer Betreuungsschlüssel die harte Tätigkeit der Pädagog:innen. Auch und
gerade in Wien ist dieser aber alles andere als befriedigend. (Bundesrätin Schumann: Ja klar! He ...! ... Wienbashing wieder!... Eine Kittl-Rede! Wienbashing!) Ein besserer Betreuungsschlüssel wäre aber Anreiz dafür, in diesen Beruf zu gehen.
Vonseiten des Bundes wurde daher eine Ausbildungsoffensive mit Hunderten zusätzlichen Kollegstandorten gestartet, und es kommen noch mehr. Genauso zeigen die relativ hohen Fachkräftestipendien Wirkung. Auch in Wien haben sie zu einer enormen Steigerung der Anmeldungen geführt. Darüber hinaus kommen nun weitere hohe Stipendien, die den Lebensunterhalt sichern sollen, hinzu. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Die Ausbildung von Pädagog:innen, für die der Bund zuständig ist, wird immer besser.
Wir haben – und das ist das Verrückte – genug fertig ausgebildete Elementarpädagog:innen, aber nur ein Drittel von ihnen fängt tatsächlich als Elementarpädagog:innen in einem Kindergarten an. Warum? – Weil die Arbeitsbedingungen so schlecht sind. – Und wer ist für die Arbeitsbedingungen zuständig? – Die Länder!
Daher frage ich die Länder: Warum wird nicht mehr bezahlt? Warum werden Vor- und Nachbereitungszeiten nicht in die Arbeitszeit aufgenommen? Warum sind die Gruppengrößen noch immer nicht reduziert? (Bundesrätin Schumann: Weil sie zu wenig Geld vom Bund kriegen! – Bundesrätin Gruber-Pruner: Die Mittel ...! – Bundesrätin Schumann: ... Die Mittel sind nicht da!) Warum budgetieren die Länder anscheinend zu wenig Geld für die Elementarpädagogik, wenn sie ihnen so wichtig ist?
Das alles liegt in der Länderkompetenz, und das betrifft auch die einheitlichen Mindeststandards. (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Gruber-Pruner und Schumann.) Im Rahmen der Artikel-15a-Verhandlungen, genauso wie in der Landeshauptleutekonferenz, gab es keine Einigung betreffend diese Standards, und ich frage mich: Wollen Sie überhaupt eine Einigung? (Bundesrätin Schumann: Geh!) Für die Arbeitsbedingungen der Pädagog:innen wäre das sehr wichtig. Es würde sie wohl eher im Beruf halten.
Daher, liebe Länder: Reden Sie sich zusammen! Finden Sie gemeinsame Standards oder geben Sie Ihre Kompetenzen an den Bund ab, dann schaffen wir sehr gerne ein Bundesrahmengesetz. (Bundesrätin Schumann: Die Grünen halten dem konservativen Sparkurs den Steigbügel, wie unglaublich!)
Dasselbe gilt für den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Kein Land wird daran gehindert, ihn einzuführen. Das, was der Bund tun kann, tut er. Das, was die Länder tun könnten, tun sie anscheinend zu wenig, und daher hier, im Rahmen der Dringlichen Anfrage, mein dringlicher Aufruf an die Ländervertreter:innen: Setzen Sie sich dafür ein, mehr Geld für Kindergärten zu budgetieren! (Zwischenruf der Bundesrätin Gruber-Pruner.) Investieren Sie lieber in die Pädagog:innen und bauen Sie Kindergärten, anstatt Hunderte Millionen Euro in den nicht notwendigen und klimaschädlichen Straßenbau zu investieren! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Geh bitte! Die Steigbügelhalterin für die ÖVP!)
19.48
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile dieses.
Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es heute schon gehört – ich weiß nicht, wer das gebracht hat –: Liebe Elisabeth, es gibt offenbar keine Rede mehr von dir, in der du nicht auf die Wiener Landesregierung haust und im Kontrast dazu die hervorragenden Ideen der Bundesregierung präsentierst. Das ist jetzt deine Rolle, aber es ist ein bisschen durchschaubar.
Zum Thema Kleinkinderbetreuung, Kleinkinderbildung: In den ersten Lebensjahren entwickeln Kinder jene Kompetenzen, Eigenschaften und Einstellungen, die für die Lernmotivation und den Lernerfolg in der weiteren Bildungslaufbahn prägend sind. In dieser Zeit entstehen die Grundlagen für ein gelingendes,
selbstbestimmtes Leben. Entsprechend dem Prinzip Use it or lose it hält das menschliche Gehirn im Kleinkindalter ein enormes Potenzial bereit, das umso mehr ausgeschöpft wird, je vielseitigere Anregungen das Kind auf der Basis stabiler Bindungen erfährt.
Die große Bedeutung flächendeckender Angebote einer qualitätsvollen Elementarbildung ist heute allgemein anerkannt. Von der pädagogischen Begleitung und sozialen Interaktion im Kindergarten und in der Kleinkindbetreuung, die je nach Bundesland unter der Bezeichnung Krippe, Krabbelstube, Spielgruppe oder Kindertagesstätte sowie in Kleingruppen bei Tagesmüttern oder Tagesvätern firmiert, profitieren alle Kinder, und ganz besonders jene, die zu Hause ein weniger förderliches Umfeld vorfinden. Dies gilt jedoch nur, wenn die Qualität dieses elementarpädagogischen Angebotes stimmt, denn je jünger die Kinder sind, desto mehr stellen beispielsweise große Gruppen, in denen Ruhe und individuelle Zuwendung zu kurz kommen, einen Stressfaktor dar, der die gedeihliche Entwicklung hemmt und stört.
Auch für die Eltern ist ein solches flächendeckendes, mit Vollzeitjobs vereinbares qualitätsvolles Kinderbetreuungsangebot von entscheidender Bedeutung. Dass dieses in Österreich noch immer große Lücken aufweist, trägt wesentlich dazu bei, dass hierzulande fast drei Viertel der erwerbstätigen Frauen mit Kindern unter 15 Jahren nur teilzeitbeschäftigt sind, und die Hälfte dies auch bleibt, wenn die Kinder älter sind. Die persönlichen Folgen dieses Mangels, von der Abhängigkeit von besser verdienenden Ehepartnern bis hin zur Altersarmut durch niedrigere Pensionen, sind ebenfalls seit Langem bekannt.
Wenn in der Dringlichen Anfrage insbesondere auf die Gratiskindergärten in drei Bundesländern hingewiesen wird, muss ich natürlich auch darauf hinweisen, dass es in Salzburg ab 1. April einen Gratiskindergarten ab drei Jahren gibt – der Vorschlag dazu wurde erfreulicherweise parteiübergreifend von fünf Parteien angenommen –, auf Initiative unserer zuständigen Landesrätin Andrea Klambauer.
Vor diesem Hintergrund ist es höchste Zeit, einen Aufholprozess in die Wege zu leiten beziehungsweise ernsthaft zu beschleunigen, mit dem Österreich zu skandinavischen Vorbildländern in Sachen Kinderbildung und -betreuung aufschließen kann. Wie weit wir zurückliegen, zeigt beispielsweise der Vergleich der verfügbaren Bildungs- und Betreuungsplätze für unter Dreijährige – Österreich 23 Prozent, Dänemark zum Beispiel 66 Prozent – oder der Ausgaben für Elementarpädagogik in Prozent des BIP – Österreich 0,7 Prozent, Norwegen zum Beispiel 2 Prozent. Dieser Prozess wird sowohl finanziell als auch personell herausfordernd – Stichwort Pädagoginnen- und Pädagogenmangel –, ihn weiter aufzuschieben kommt uns aber wesentlich teurer und ist bildungs-, gesellschafts- und wirtschaftspolitisch unverantwortlich.
Deswegen ist die Bundesregierung, insbesondere Sie, Herr Bildungsminister, die Familienministerin und der Finanzminister, gefragt, gemeinsam mit den Bundesländern einen verbindlichen Stufenplan zu entwickeln, der erstens bundesweite Qualitätsstandards, zweitens einen Rechtsanspruch auf einen Bildungs- und Betreuungsplatz ab dem ersten Geburtstag, drittens kleinere Gruppen zum Ziel hat – und damit auch die Arbeitsbedingungen in den Einrichtungen verbessert – sowie viertens den Neueintritt und die Rückkehr ausgebildeter Elementarpädagoginnen und -pädagogen in den Beruf attraktiver macht. – Vielen Dank. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)
19.53
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Als Nächste ist Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.
Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ja, die gute Nachricht ist: Elementare Bildung wird endlich, nach vielen Jahrzehnten, breit diskutiert und zumindest in der Theorie auch breit anerkannt – leider erst in der Theorie.
Ich muss vielleicht am Beginn vorwegschicken: Ich bin wahrscheinlich österreichweit der allergrößte Fan von elementarer Bildung. Ich bin immer wieder in elementaren Bildungseinrichtungen, um zu schauen, wie die Situation vor Ort ist, und ich bin tatsächlich im Grunde meines Herzens davon überzeugt, dass dann, wenn wir diese Qualität, die diese Art der Einrichtung liefern könnte, auch in sie hineinstecken, das wahrscheinlich der allerbeste Ort ist, den man sich für Kinder wünschen kann, weil er viele Dinge abdecken kann.
Er kann eine anregende Umgebung für Kinder anbieten, wo sie nach ihren Interessen und Bedürfnissen mit Freude das lernen, was sie gerade in ihrer Entwicklungsphase lernen wollen und lernen können. Sie werden begleitet von Profis, die – wenn sie gute Rahmenbedingungen haben – mit ihrem ganzen Herzblut diese Kinder dabei begleiten und fördern können und ihnen das geben, was sie gerade brauchen. Noch ein wunderbarer Faktor ist: Sie können mit Gleichaltrigen gemeinsam Zeit verbringen. Wir wissen aus sämtlichen Studien: Das Lernen von Gleichaltrigen ist das beste und das einfachste und das lustvollste Lernen für Kinder.
All das kann diese Einrichtung bieten, ohne Leistungsstress, ohne Leistungsdruck, und trotzdem passiert dort Bildung. Es ist nicht nur Betreuung und Aufbewahrung, sondern es ist Bildung, ohne dass man es merkt. Wie großartig kann das sein?! Ich sage immer wieder – ich habe es, glaube ich, auch hier schon öfter gesagt –, die Schulbildung könnte sich, was die Qualität und das lustvolle Lernen betrifft, ganz viel von der elementaren Bildung abschauen. Davon bin ich überzeugt. (Beifall bei der SPÖ.)
Was für mich unterstreicht, dass die elementare Bildung derzeit in aller Munde ist, ist beispielsweise der Gipfel, der vor Kurzem stattgefunden hat, der durch die Sozialpartner:innen organisiert wurde und den auch unser Bundespräsident unterstützt hat – Herr Minister, auch Sie und Ihre Kollegin Ministerin Raab haben Statements abgegeben –, und dabei wurde klar: Es gibt wohl verschiedene Zugänge zum Thema elementare Bildung, aber die Zielvorstellung ist sehr, sehr ähnlich.
Es gibt quasi den pädagogischen Zugang, den ich vorhin beschrieben habe, nämlich dass sich Kinder unter Gleichaltrigen, begleitet durch Profis, ideal entwickeln können, um gesunde, zufriedene Erwachsene werden zu können. Das wäre sozusagen die pädagogische Perspektive.
Die wirtschaftliche Perspektive beziehungsweise die des Arbeitsmarktes wäre es, die Kinder möglichst früh in ihren Potenzialen zu fördern, damit sie eine gute Berufslaufbahn einschlagen können, um gute Arbeitskräfte zu werden. Das wäre sozusagen der wirtschaftliche Zugang.
Der familienpolitische Zugang dazu ist: Kinder sollen eine gute Bildung – ganztags – bekommen, damit die Eltern sozusagen zeitgleich ihrer Berufstätigkeit nachgehen können. Da ist der Betreuungsfaktor natürlich stärker im Fokus.
Das sind also drei verschiedene Zugänge mit einer Schnittmenge, die wir herausarbeiten müssen, wobei ich dazusagen muss: Gerade unter diesem Aspekt der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist es so klar – und das ist in der Debatte, die in den letzten Tagen stattfinden musste, leider deutlich geworden –: Dort, wo die Betreuungsangebote nicht vorhanden sind, werden Eltern und vor allem Frauen in die Teilzeit gezwungen. Das hat wenig mit Freiwilligkeit zu tun. Diesen Menschen dann auch noch anzudrohen, dass man ihnen bei den Sozialleistungen etwas kürzt, finde ich, geht sich nicht aus. Das geht gar nicht. Ich würde sagen, Hände weg von unserem solidarischen Sozialsystem und der Idee dahinter! (Beifall bei der SPÖ.)
Aber egal, von welchen verschiedenen Seiten man das betrachtet, ich glaube, die gemeinsame Schnittmenge ist – so hätte ich auch einen Großteil unserer Debatte heute verstanden –: Qualitativ hochwertige Elementarbildungsangebote mit entsprechenden Öffnungszeiten bringen allen etwas. Ich glaube, das war uns klar und darin sind wir uns im Wesentlichen einig. Ich sage: im Wesentlichen, denn bei dieser Debatte, die ich auch am Rande höre, nämlich zum Beispiel von Anhängern eines Berndorfer Modells oder wenn es immer um diese Wahlfreiheit geht, habe ich das Gefühl, dass noch nicht erkannt
worden ist, was das Potenzial dieser Elementarbildung eigentlich bedeutet. (Bundesrätin Schartel: Das kann doch jede Mutter, jeder Vater entscheiden!) Es geht nämlich nicht nur um Betreuung, um irgendwo Kinder aufzubewahren, sondern darum, dass man hier Kinder in ihrer Entwicklung fördert und ihnen Bildung angedeihen lässt. Ich habe für mich als Mutter nie in Anspruch genommen, dass ich alleine das ganze Universum für Kinder darstellen kann, sondern ich weiß, dass eine gute Elementarbildungseinrichtung mich als Elternteil ideal ergänzen kann und ich das nicht alles alleine meinem Kind angedeihen lassen kann. (Beifall bei der SPÖ.)
Mein Ziel wäre es, dass man ein gutes Gefühl dabei hat, sein Kind in eine elementare Bildungseinrichtung zu bringen, weil man weiß, das ist das Beste, was man dem Kind tun kann. Das muss die Zielrichtung sein, und nicht die Zielrichtung, Kinder herauszunehmen und privat zu betreuen, denn kein Elternteil kann das liefern, was eine elementare Bildungseinrichtung liefern kann.
Bei all diesem Konsens wundere ich mich, wie wenig in diesem Bereich trotzdem weitergeht und dass wir es nicht schaffen, diese Bedingungen tatsächlich wahr werden zu lassen, um diese in der Realität zu verwirklichen.
Da wird die Verantwortung – das war auch heute wieder sehr klar – oft zwischen Bund und Ländern hin- und hergeschoben. Vielen Bundesländern ist es mittlerweile einfach zu blöd geworden, darauf zu warten, dass sich ganz Österreich in dieselbe Richtung bewegt, und sie haben versucht, eigene Lösungen zu finden. Es ist nicht sehr effizient, wenn wir versuchen, in diesem Bildungssegment mindestens neun verschiedene Lösungen zu finden und jeder sich den Kopf zerbricht. In Wien haben wir den Gratiskindergarten schon früh eingeführt, viele Länder sind jetzt mit Gesetzen nachgezogen, Kärnten hat gerade den wahrscheinlich progressivsten Vorschlag vorgelegt. Es wäre aber doch viel effizienter und schöner, wenn wir gemeinsame Lösungen für alle Kinder in Österreich finden könnten und nicht neun verschiedene Gesetze machen und neun verschiedene Energien dafür verwenden müssen.
Und weil es immer wieder heißt, dass die Träger das doch machen sollen: Die Träger sind auf die Mittel aus dem Land angewiesen, die Länder sind auf die Mittel aus dem Bund angewiesen. Es ist leicht, zu sagen: Macht doch! – Alle Studien sagen: Wir brauchen in Österreich, wenn wir dieselbe Qualität wie Skandinavien liefern wollen, 1 Prozent vom BIP pro Jahr für diese elementare Bildung, das ist ungefähr 1 Milliarde Euro, und darum fordern wir das. Und wenn der Bund dann sagt: Wir geben 1 Milliarde Euro für drei Jahre, dann geht sich das nicht aus, dann kann man das am Schluss nicht so verteilen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
Wenn die Länder jetzt aber vorpreschen und sagen, sie führen diese hohen Qualitätsstandards selber ein, wie es Kärnten gerade macht, dann bleibt am Schluss trotzdem übrig, dass sie auf den Bund angewiesen sind, und zwar nicht nur hinsichtlich der Mittel, sondern weil auch die Personalfrage im Bund angesiedelt ist.
Uns fehlt jetzt schon das Fachpersonal, und wenn wir die Qualität erweitern wollen, die Gruppengrößen reduzieren wollen, dann wird uns das Personal noch stärker fehlen. Das heißt, die Ausbauoffensive in der Ausbildung der Pädagog:innen, auch auf verschiedenen Niveaus – es müssen nicht alle tertiär ausgebildet werden, sondern man soll in verschiedenen Konstellationen zusammenarbeiten können – ist jetzt das Gebot der Stunde.
Herr Minister, ich habe mich ein bisschen gewundert, dass Sie sagen, Sie wissen nicht, wie viel Personal fehlt. Aus dem Elementarbildungsbeirat – ich bin dort Stellvertreterin für die Träger – weiß ich, dass jedes Mal Daten und Fakten erhoben werden. Es geht dort hauptsächlich darum, Daten und Fakten zu erheben, und man weiß mittlerweile, wo die Bedarfe liegen. Man hätte diese Zahlen längst abrufen können, um zumindest zu wissen, wie groß der Bedarf ist und in welchem Ausmaß wir ausbilden müssen.
Das ist es, was vor allem dort passiert, aber offensichtlich auch nicht gut. Was, wie ich glaube, im Elementarbildungsbeirat aber passieren sollte, ist ein
Schulterschluss: miteinander zu schauen, welche Ziele wir in welchem Stufenplan miteinander erreichen wollen, und sich darauf zu verständigen, um herauszufinden, wo der Konsens ist, wohin man sich miteinander bewegt. So hat Kärnten es mit all den dortigen Stakeholdern gemacht. Man hat alle an einen Tisch gesetzt – Tabula rasa –, um zu sagen: Wie ist unser Stufenplan, wie soll in den nächsten fünf Jahren gemeinsam vorangegangen werden? Klar, jedes Bundesland startet von einem anderen Level, jedes Bundesland hat gute Teile und auch Dinge, wo es hintenansteht, aber miteinander das Ziel zu definieren und sich gemeinsam auf den Weg zu machen, das wäre aus meiner Sicht das Ziel für den Elementarbildungsbeirat.
Große Hoffnung wird zurzeit in das TSI-Projekt gesetzt, wo noch einmal auf anderer Ebene ausgelotet wird, welche Rahmenbedingungen es in diesem Bereich braucht. Jede Initiative ist gut und richtig. Die Erwartungen sind hoch, aber auch die Ungeduld wächst, denn wir wissen mittlerweile, glaube ich, gut genug, was es bräuchte. Wir sollten jetzt zu dem Punkt kommen, das auch zu tun und die Reformen tatsächlich umzusetzen.
Zum Abschluss muss ich sagen, dass das, was das Land Kärnten aktuell vorgelegt hat, meine größte Bewunderung hat, weil es zeigt, dass mit Mut und Konsequenz etwas gemacht wird, von dem man weiß, dass es gebraucht wird. (Beifall bei der SPÖ.)
Ganz ehrlich gesagt: Ich glaube, dass das auch eine Grundlage sein könnte, um mit den Ländern noch einmal neu darüber nachzudenken, ob das nicht die gemeinsame Zielrichtung sein könnte. Es wäre es wert, sich das wirklich genau anzuschauen.
Herr Minister, Sie und Ihre Ministerkollegin Raab könnten diejenigen sein, die die Bundesländer an einen Tisch bringen, um noch einmal zu schauen: Was sind die Ziele, wo geht die Reise gemeinsam hin? Bitte nutzen Sie diese Möglichkeit! Nutzen Sie das ganze Potenzial der elementaren Bildung und damit auch
das unserer Kinder selber! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
20.05
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile ihr das Wort.
Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir gedacht, dass wir uns bei den Themen Kinder, Kinderbetreuung, Kindeswohl doch fraktionsübergreifend einig wären. Bei dem, was ich hier jetzt aber alles gehört habe, vor allen Dingen dabei, wie Frau Schumann hier ausgezuckt ist, denke ich mir, dass sich die Geister da doch ganz gewaltig scheiden. (Bundesrätin Schumann: Das glaub’ ich! Gott sei Dank!) Das Wohl des Kindes, der Kleinen, steht bei manchen vom linken Flügel da wohl nicht im Vordergrund.
Während SPÖ und Grüne eine ideologiebedingte Politik der externen Kinderbetreuung fordern und fördern, dreht und windet sich die ÖVP ein bisschen zwischen traditioneller Familienpolitik (Bundesrätin Schumann: Und ihr fordert die Herdprämie!) und dem Wunsch, doch lieber ein bisschen Koalitionsfrieden zu haben, und unterstützt somit die institutionelle Kinderbetreuung.
Kollegin Eder-Gitschthaler hat den Gratiskindergarten in Salzburg angesprochen, und es ist tatsächlich so, dass wir diesen ab 1. April in Salzburg haben (Bundesrätin Gruber-Pruner: Halbtags!), halbtags. Es war ein einstimmiger Beschluss, aber bei der Frage, wer der Erfinder dieses Gratiskindergartens für Kinder bis zum sechsten Lebensjahr war, war es grotesk. Plötzlich hat sich nämlich der Herr Landeshauptmann zum Erfinder des Gratiskindergartens ausgesprochen, obwohl ja eigentlich eine andere Fraktion, nämlich die NEOS, für dieses Ressort verantwortlich ist und nicht die ÖVP; und es war auch schon lange eine Forderung der Sozialdemokraten. Diese Sitzung war also recht
grotesk, als es darum ging, wer jetzt tatsächlich der Erfinder des Gratiskindergartens für Kinder bis sechs Jahre ist.
Für mich ist die Conclusio: Für Landeshauptmann Haslauer ist das nur Wahlkampfgeplänkel, weil er sich nicht mehr anders zu helfen weiß und jetzt also doch dem Druck nachgibt und sich einen Gratiskindergarten auf die Fahnen heften möchte. Es war aber nicht seine Idee, und wenn die Schwarzen wirklich so zu den Kindern stehen, dann hätten sie in den letzten Jahren ein bisschen anders agieren müssen. (Beifall bei der FPÖ.)
Wie gesagt, wir Freiheitlichen in Salzburg haben dem Gratiskindergarten bis zum sechsten Lebensjahr aber zugestimmt. Vor allem jetzt, in Zeiten von extremen Preissteigerungen, in denen die Menschen ja wirklich nicht mehr ein und aus wissen und nicht wissen, wie sie über die Runden kommen, ist dieser Schritt doch zu begrüßen.
Wenn man sich die Stadt Salzburg anschaut, sieht man nämlich, dass das nicht gerade ein billiges Pflaster ist: Da kostet ein Kindergartenplatz ein Vielfaches von dem, was man in einer Landgemeinde dafür zahlt, und da ist man dann schon einmal locker bei 400 Euro – und jeder, der arbeitet, weiß: Um 400 Euro für einen Kindergartenplatz übrig zu haben, muss man viele, viele Stunden arbeiten gehen. Darum war das zu begrüßen.
Und weil von den Roten, also von den Sozialisten, dieser Angriff kam: Schuld an diesen eklatanten Preisunterschieden zwischen den Ballungszentren und den Landgemeinden sind zum Großteil schon die Sozialisten, das muss ich schon sagen, denn die haben die soziale Schieflage in vielen Landeshauptstädten zu verantworten. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Was? Was? Also bitte!)
Ich erinnere da nur an die ganzen Wiener Skandale. (Bundesrätin Schumann: Genau! Und wenn es morgen regnet, sind wir auch schuld! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist Sozimanier, dort wurden nämlich sozialistische Systeme –
soziale sozialistische Systeme – ausgelagert, und das wird jetzt von SPÖ-nahen Vereinen getragen. (Bundesrätin Gruber-Pruner: Also komm, Marlies!) Das heißt, das trägt sowieso wieder eine sozialistische Handschrift. Und wir wissen ja, dass dort, wo die Roten regieren, das Geld ausgeht. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Genau, die sozialistische Weltverschwörung!)
Wo die Freiheitlichen von allen anderen Parteien jedoch Welten trennen, ist bei der Kinderbetreuung von der Geburt bis zum dritten Lebensjahr. SPÖ, Grüne, NEOS und leider Gottes auch die ÖVP (Bundesrätin Schumann: Ja, unser Lieblingskoalitionspartner ...!) befürworten die Fremdbetreuung dieser Kinder, unserer Kleinsten. Manche Forderungen erinnern mich ja sogar an Kindsweglegung.
Ich meine, ich höre immer: Elementarpädagogik. – Ich bin die Erste, die sagt, man muss unseren Kindern gute Bildung mitgeben. Bildung ist das Wichtigste, das man einem jungen Menschen mitgeben kann. Aber, bitte gar schön: Kinder von null bis drei Jahren sind, wenn sie als so Kleine in Betreuung kommen, Wickelkinder. Was braucht man denn bei einem Kleinstkind bitte großartig an Schulung, an Pädagogik? (Rufe bei der SPÖ: Na! Oh! Oje!) Das braucht Wärme, das braucht Nestwärme. (Beifall bei der FPÖ.)
Sie bemühen ja mit jedem Satz und mit jedem Wort die Wahlfreiheit, jedoch meinen Sie da lediglich den Ausbau von staatlicher institutioneller Kindererziehung. (Bundesrätin Hahn: Alles gut! Passt schon!) Für die unter Dreijährigen schwebt uns als einziger Partei ein ganz anderes Konzept vor, und darum lehnen wir auch die Halbierung der Beiträge oder gar die Abschaffung der Beiträge für Krabbelgruppen ab – dem erteilen wir eine klare politische Absage.
Abgesehen davon, dass ohnehin immer gejammert wird, dass weder Personal noch Infrastruktur vorhanden ist, frage ich mich schon (Bundesrätin Schumann: Das muss man ihnen vorspielen, die wählen euch in hundert Jahren nimmer!), warum uns Eltern die Fähigkeit, unseren eigenen Nachwuchs
zu erziehen, abgesprochen wird. Das ist ja eine Farce, bitte, eine Farce! (Beifall bei der FPÖ.)
Wir als Eltern sind doch wohl Eltern genug, um unseren Nachwuchs selbst aufzuziehen. Passt auf, es wird uns auf den Kopf fallen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es wird uns auf den Kopf fallen. (Bundesrätin Hahn: Habt ihr schon einmal etwas vom sozialen Lernen, miteinander und voneinander, gehört?) Es wird uns auf den Kopf fallen. In traditionellen Familien kümmern sich die Eltern um die Jungen. (Bundesrätin Hahn: Wie wär’s mit einem Kochrezept, das ...?) Wenn dann die Eltern noch älter geworden sind, kümmern sich die Jungen um die Älteren. So sollte es sein. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Wir jammern, wir haben keine Seniorenbetreuungsplätze, wir haben keine Kinderbetreuungsplätze. – Ja, ihr bei den Sozialisten, wundert euch doch nicht! Wundert euch doch nicht, wenn ihr die Kinder abschiebt, wenn ihr, wenn ihr einmal alt seid, selber nicht gepflegt werdet oder keine Unterstützung habt, wenn keiner mehr zu euch kommt! Das ist es. (Beifall bei der FPÖ.)
Wir – wir haben es ja heute schon gehört – unterstützen das Berndorfer Modell: Mütter und Väter, die ihre unter Dreijährigen selbst betreuen wollen, müssen finanziell auch wertgeschätzt und unterstützt werden. Wir wollen Eltern damit mehr Zeit mit den Kindern geben und mit diesem finanziellen Zuschuss einfach auch ihre Existenzängste lindern. Die gemeinsame Zeit mit den Kindern – jeder hier im Saal, der Kinder hat, ich weiß nicht, wer aller, wird das sicherlich genossen haben – ist einfach die schönste Zeit.
Wenn sich die Eltern für eine externe, institutionelle Betreuung entscheiden – das ist ja jedem freigestellt –, kostet es die Kommunen oder die öffentliche Hand pro Betreuungsplatz bis zu 1 100 Euro pro Kind. Damit sich die Eltern die familieninterne Kleinkinderbetreuung zu Hause leisten können, erhalten sie nichts – null, nada –, keine Unterstützung von der öffentlichen Hand. Bei einer Drittelteilung – Bund, Land und Gemeinden – in der Höhe von jeweils
150 Euro plus dem Kinderbetreuungsgeld kommen wir auf weniger Kosten für die öffentliche Hand, aber auf eine höhere Unterstützung für die Familien.
Darum – es wurde ja schon von den Sozialisten vorab angekündigt – bringe ich den Antrag zum Berndorfer Modell ein:
Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „umgehende Einführung eines Kinderbetreuungs-Förderkonzeptes nach dem Berndorfer Modell“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, zusammen mit den Ländern, auf Grundlage des sogenannten ‚Berndorfer Modells‘ ein Förderkonzept zu erarbeiten und umgehend umzusetzen, welches die finanzielle Unterstützung von Eltern, die keine institutionelle Kinderbetreuung in Anspruch nehmen, vorsieht.“
*****
Ich hoffe doch auf breite Zustimmung. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: An den Herd zurück!)
Ich habe es aber ja vorhin schon gehört, ich habe es gespürt: Dieser Beißreflex der Sozialisten und dieses Schnappatmen der Linken war ja echt spannend zu sehen. (Bundesrätin Schumann: Frauen entrechten und zurück an den Herd! Danke, FPÖ!) Der Vorwurf, uns Freiheitliche würden Kinder nicht interessieren: ja, mitnichten! – Auch der Vorwurf, das sei eine Herdprämie: mitnichten! (Bundesrätin Schumann: Eine Herdprämie, genau!)
Erstens steht das Berndorfer Modell nicht nur Müttern offen, sondern auch Vätern. Zweitens ist es entscheidend, eine echte Wahlfreiheit zu ermöglichen, ob ich sofort nach der Geburt wieder arbeiten gehen will oder die ersten drei
Lebensjahre mein Kind betreue, frei nach dem Motto: Das eine tun, das andere aber nicht lassen. – Wir vertreten halt mit unserer Meinung eine schweigende Mehrheit der Eltern, die gerne mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen möchte. (Beifall bei der FPÖ.)
Das ist kein Rückschritt, das ist Realität, denn laut einer aktuellen Studie des Österreichischen Instituts für Familienforschung bleiben 79 Prozent der nicht berufstätigen Mütter nicht deswegen bei ihren unter dreijährigen Kindern zu Hause, weil sie irgendwo hineingedrängt werden, sondern weil sie das freiwillig so wollen. 79 Prozent der Eltern oder Mütter der unter Dreijährigen wollen zu Hause bleiben. (Bundesrätin Schumann: Eltern oder Mütter, was jetzt?) Andere Faktoren spielen da kaum eine Rolle, jedoch fordern Grüne, NEOS, die Roten und leider auch die ÖVP aus ideologischen Gründen: Vom Kreißsaal an die Arbeit!
Argumentiert wird das in typisch wirtschaftsliberaler und sozialistisch-kommunistischer Manier mit dem von der EU vorgeschriebenen Barcelonaziel von 33 Prozent familienexterner institutioneller Betreuung. (Bundesrätin Schumann: Was? Ihr wollt, dass wir Frauen verarmen und an den Herd ...!) Da muss man aber Folgendes wissen: Der Erfinder des Berndorfer Modells – er ist übrigens ein ÖVP-Bürgermeister, allerdings mittlerweile außer Dienst; ihr könnt ihn euch gerne einladen, er hält wunderbare Vorträge – beschreibt das passend damit, dass die Familien durch die institutionelle Kinderbetreuung einfach auf dem Altar der Wirtschaft geopfert werden. Das ist keine Familienpolitik, die ihr betreibt, das ist keine. (Beifall bei der FPÖ.)
Seid doch ehrlich! Für euch alle, die ihr da sitzt, glückt Erziehung doch nur dann, wenn man als Frau funktioniert und brav arbeiten geht. Ich bin echt enttäuscht von der ÖVP. Ihr wart einmal eine Familienpartei, aber ihr seid der Ansicht, dass man finanziell etwas nicht abgelten kann, wenn keine Leistung in Anspruch genommen wird. Ja, das klingt irgendwie ein bisschen grotesk. Das heißt, wenn Mütter also die staatliche Leistung nicht Anspruch nehmen –
sprich institutionelle Kinderbetreuung; sie schicken die Kinder in den Kindergarten, damit die unter Dreijährigen da betreut werden –, haben sie keinen Anspruch, dass das irgendwie abgegolten wird.
Im Umkehrschluss heißt das, dass Kinder unter drei Jahren selbst zu betreuen keine Leistung ist. Das ist aber schon eine Verhöhnung. Das ist eine absolute Verhöhnung von Eltern, die sich entscheiden, ihre Kinder zu Hause selbst zu erziehen. Betreuungsleistung zählt bei euch nur dann, wenn sie bei fremden Kindern verrichtet wird, bei den eigenen Kindern ist sie wertlos.
Wir wollen aber Familien, in denen Kinder nicht abgeschoben werden, in denen Kinder das Wichtigste sind. Was wir nicht wollen, ist eine Politik, die den Eltern – ich betone: beiden Elternteilen – die Kinder wegnimmt. Was ihr da betreibt, das ist wirklich keine Familienpolitik, das ist knallharte Wirtschaftspolitik.
Den Vogel abgeschossen hat diese Woche aber – er war heute schon hier – Teilzeit-ÖVP-Minister Kocher, der wirklich, also allen Ernstes – das ganze Zurückrudern nützt ihm nichts, auch seine Erklärungen heute nützen nichts –, Teilzeitkräften gewisse Sozialleistungen streichen will. Auf der Strecke bleiben unsere Kleinsten, auf der Strecke bleiben die Familien. Es geht nicht darum, dem Kind ein Recht auf einen Betreuungsplatz zu geben, sondern dass wir den Kindern ein Recht auf ihre Eltern geben, ein Recht auf Liebe, ein Recht auf Zuneigung. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Euer ideologischer Anspruch ist: Vom Kreißsaal sofort in die Betreuungseinrichtung, am besten 24 Stunden, sieben Tage die Woche! – Ich bin aber total baff und überrascht (Ruf bei der SPÖ: Wir sind überrascht!), weil mir kürzlich eine Kollegin – Sozialdemokratin! – gesagt hat, sie verstehe ja eigentlich unsere Forderungen, aber dieses Berndorfer Modell (Bundesrätin Schumann: Nein danke, zurück!) werde so viel und gerne in Anspruch genommen, dass sie dem dann doch nicht zustimmen könne. – Das finde ich bitter, wenn man wirklich mit Scheuklappen durch die Welt rennt und nicht an die Kinder denkt. Fragt einmal Kinder, wo sie sein möchten: Sie möchten bei den Eltern sein.
So, Herr Minister, Sie sind ja schon ganz zappelig, Sie möchten auf den Opernball in die teure Loge, 26 000 Euro, oder? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sollten Sie am Opernball landen, wünsche ich Ihnen einen schönen Ballabend. Schauen Sie, dass Sie das Berndorfer Modell unterstützen! (Zwischenbemerkung von Bundesminister Polaschek.) – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
20.19
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Der von den Bundesräten Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „umgehende Einführung eines Kinderbetreuungs-Förderkonzeptes nach dem Berndorfer Modell“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Ich begrüße Staatssekretär Florian Tursky aus dem Finanzministerium bei uns im Bundesrat. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)
Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster. Ich erteile ihr dieses.
Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen und – sofern noch jemand via Livestream zusieht (Bundesrat Preineder – erheitert –: Lieber Zuseher!) – lieber Zuseher, genau! (Heiterkeit der Rednerin.)
Ich bin jetzt verwundert, aber ich bleibe trotzdem bei deinem Thema, bei dem ich mich aus der Praxis einfach gut auskenne. Ich bin Bürgermeisterin und habe sehr viel mit Elementarpädagogik zu tun, und zwar gerade jetzt im Februar, wenn von den elementarpädagogischen Einrichtungen wieder die neuen Bedarfserhebungen hereinkommen. Dann sind wir – die Gemeinderäte, aber hauptsächlich auch wir Bürgermeisterinnen und Bürgermeister – meistens vor die Tatsache gestellt, dass wir zu wenig Plätze haben und ausbauen müssen.
Mir ist es vor zwei Jahren so gegangen: ein Defizit von neun Plätzen. Das hat geheißen, ich bin zu meinen Nachbargemeinden gepilgert, habe angefragt, ob sie
übrige Plätze für die Kinder aus Steinbach am Ziehberg haben, und habe mir eigentlich bei allen Gemeinden eine große Abfuhr geholt. Ich bin dann zur Bildungsdirektion gegangen und habe einen Antrag gestellt, dass ich eine weitere Gruppe dazubaue – und ja, Frau Kittl, dort hat mir innerhalb eines halben Jahres das KIP 2020 geholfen, weil ich es dazu verwendet habe.
Ich muss sagen, an und für sich – ich bin natürlich manchmal auch hier im Bundesrat – ist das ein Fulltimejob, wenn man so eine Bildungseinrichtung, das heißt eine Gruppe, in den Gemeinden von null herausstampft, damit man für die Eltern ein Angebot schafft, weil – das ist eine andere Sache, mit der ich mich öfter auseinandersetze – natürlich auch Menschen zu mir auf die Gemeinde kommen, weil sie ihren Haushalt in der Gemeinde gründen möchten. Sind das junge Menschen, ist eine der ersten Fragen: Wie schaut es bei euch mit der Kinderbetreuung aus? (Bundesrätin Schumann: Das ist die Frage!) Es ist für die Gemeinde eine entscheidende Standortfrage, dass man genügend Plätze anbietet. In meiner Gemeinde hat Elementarbildung Priorität. (Beifall bei der SPÖ.)
Würde ich das nicht anbieten, geht man nämlich zur nächsten Gemeinde, die vielleicht etwas größer, etwas finanzstärker und etwas strukturstärker ist, und siedelt sich eben dort an. In den bereits strukturschwachen ländlichen Gemeinden, die keine Post, keine Bank und fehlende Elementarbildungsplätze haben, wird das zu einem Grund für die Abwanderung und Überalterung, was die Ursache für einen weiteren Strukturabbau bietet.
Die Stärkung des ländlichen Raumes ist uns Sozialdemokraten ein zentrales Anliegen. Aus den Daten des Landes Oberösterreich geht hervor, dass im Bezirk Kirchdorf – ein ländlicher Bezirk, mein Heimatbezirk – derzeit lediglich 5,9 Prozent des Kinderbetreuungsangebotes VIF-konform sind. (Bundesrätin Schumann: 5,9 Prozent!) Im Bezirk Gmunden sind es überhaupt nur 2,2 Prozent, in Grieskirchen sind es 3 Prozent.
Bei den Krabbelstuben ist die Situation noch schlimmer. Das ist nicht nur tragisch für unsere Kinder, die keinen adäquaten Kinderbildungsplatz
bekommen, sondern es ist auch tragisch für alle Mütter und Väter in diesen Bezirken, die keine Wahlfreiheit haben, ob sie berufstätig sein möchten oder nicht.
Der flächendeckende Ausbau des ganzjährigen und ganztägigen elementarpädagogischen Angebotes für die Ein- bis Sechsjährigen gehört unabdingbar angegangen. Auch die gemeindeübergreifende Zusammenarbeit muss dabei ein Thema sein. Wir sozialdemokratischen Gemeindevertreter und ‑vertreterinnen fordern schon längstens einen Rechtsanspruch auf einen Elementarbildungsplatz für die Ein- bis Sechsjährigen. Wir Sozialdemokraten wollen damit das notwendige Tempo in diese Baustelle bringen.
Allein die dringend umzusetzende Reduktion der Kinderanzahl in den Gruppen, die Erweiterung der Randzeiten sowie die steigende Anzahl von I-Kindern bedeuten einen enormen Bedarf an einerseits zu bauenden Gruppenräumen und andererseits ausgebildeten Pädagog:innen und Assistent:innen, um den Bestand an Plätzen zu sichern. Da wird noch kein einziger zusätzlicher elementarpädagogischer Bildungsplatz zur Verfügung gestellt.
Wir brauchen dringend Ausbauoffensiven in der Fläche bei gesicherter Qualität im Betrieb. Beides können die Kommunen mit den bestehenden Bundes- und Landesfinanzierungsinstrumenten, aber auch mit den zur Verfügung stehenden Pädagog:innen und Assistent:innen schon längst nicht mehr stemmen.
Die hohen Kosten beziehungsweise Abgänge hemmen den dringend notwendigen Fortschritt beim Ausbau in den Gemeinden und Städten. Die auf mehrere Jahre zugesagte Elementarpädagogikmilliarde sowie die KIP-Mittel werden beim Bau der Gruppenräume einen Anschub leisten, doch bleibt es bei Anschüben. Einen großen Teil haben die Gemeinden als Kofinanzierung aufzustellen – und das bei leeren Kassen. Vielleicht reichen die Mittel, um das bestehende Platzangebot abzusichern, der flächendeckende Ausbau ist da noch in weiter Ferne.
Nun zum laufenden Betrieb: In meiner Gemeinde, einer kleinen Landgemeinde mit 860 Einwohnern, bleibt zum Beispiel im Rechnungsvoranschlag 2023 nach den Gruppenförderungen des Landes und den Elternbeiträgen bei zwei Kindergartengruppen und einer Krabbelstube ein prognostizierter Abgang von 160 000 Euro übrig.
Das mag für viele von euch nicht nach viel klingen, aber für eine kleine Gemeinde ist das eine enorme Summe, die bewirkt, dass die Gemeinde nicht ausgleichen kann und damit unter strengste Kriterien fällt, um ihren Haushalt zu sanieren, wie das dann heißt. Das bewirkt ein Minus von 2 000 bis 4 000 Euro pro Kind und Jahr.
Nach Rücksprache mit dem privaten Betreiber – denn in meiner Gemeinde ist nicht die Gemeinde selbst der Betreiber, sondern wir haben einen privaten Betreiber – ist das ein durchschnittlicher oberösterreichischer Abgangswert, wir fallen also nicht aus der Reihe. Da wir Abgangsgemeinde oder Härteausgleichsgemeinde sind, unterliegen wir auch strengen Prüfungen, die uns bestätigen, dass wir in der Norm liegen.
Transferzahlungen für Elementarpädagogik an die Gemeinden reichen schon längst nicht mehr aus, um den nachgefragten Betrieb nachhaltig zu sichern. Die Bedarfe in den Gemeinden und Städten haben sich enorm geändert. Die Halbtagskindergärten mit der Zielgruppe Schulanfänger:innen sind längst Vergangenheit. Die Nachfrage geht auch im ländlichen Raum in Richtung eines umfangreichen Bildungsangebotes für die Ein- bis Sechsjährigen. (Beifall bei der SPÖ.)
Elementarpädagogik ist, wie wir heute schon gehört haben, eine Investition in die Zukunft. Sparen und falsche Prioritätensetzung rächen sich da katastrophal. Geben wir den Gemeinderäten und den Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen wieder die Gestaltungskraft vor Ort! Bauen wir auf ihre Expertise!
Die Finanzierung der Elementarpädagogik braucht bei den
Verhandlungen im Finanzausgleich aus Sicht der sozialdemokratischen
Gemeindevertreter
und -vertreterinnen eine Neubewertung. Deshalb freue ich mich auch, dass Herr
Staatssekretär Tursky hier ist, damit er das auch mitnehmen kann.
Die notwendige Ausweitung des Angebotes schlägt bei den Kommunen mit enormen Kosten auf. Diverse Anschubfinanzierungen bringen Gemeinden – das sagen mir die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, mit denen ich mich häufig austausche – in Schwierigkeiten. Wer sichert die Finanzierung nach dem Anschub? Was passiert mit den 15a-Assistent:innen nach Ablauf der drei Förderungsjahre? Dazu habe ich noch einen kleineren Zusatz: Wer finanziert mir die Ausbildung der 15a-Kräfte, bis sie einsatzfähig sind, wenn sie umgeschult werden? Wer stellt sie an?
Das sind alles Probleme, die in der Praxis einfach aufschlagen und mit denen strukturschwache Gemeinden dann eigentlich ohne Lösung dastehen, weil sie ganz einfach nicht das Geld dazu haben.
Meine Bitte: Geben Sie der Elementarpädagogik auch in der praktischen Umsetzung den rechten Stellenwert! Ich halte es da mit dem Städtebund: 18 Prozent für die Kommunen beim Finanzausgleich. Oder der Bund überlegt sich, die Personalkosten für Pädagog:innen und Assistent:innen der Elementarpädagogik zu übernehmen. Das wäre ein Vorschlag, den ich immer wieder von den Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen höre. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
20.30
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Doris Hahn. Ich erteile ihr das Wort.
Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause, die uns via Livestream
zusehen! Schade, dass Frau Bundesrätin Steiner-Wieser erst jetzt wieder hereingekommen ist, denn sie hätte gerade in den letzten Minuten sehr eindrucksvoll mit anhören können, wie es in den Gemeinden ausschaut. Wenn man sich in unseren Reihen hier umschaut, würde 1 Minute nachfragen schon viel, viel ändern, vielleicht auch bei der FPÖ, denn auch wir haben ganz viele Bürgermeister und Bürgermeisterinnen in unseren Reihen. (Rufe bei der ÖVP: Wir auch! Na ganz viel eigentlich nicht!) Die könnten Ihnen alle ganz kurz und bündig erklären, dass die Eltern Kinderbetreuung fordern. Wenn die Gemeinden Kinderbetreuung zur Verfügung stellen, dann sind die Einrichtungen in kürzester Zeit voll. (Bundesrat Ofner: Weil keine Wahlmöglichkeit besteht!) Ihr wollt das aber nicht hören.
Das wundert mich ja eh relativ wenig – euch kennt man ja mittlerweile (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser) –, aber nichtsdestotrotz ist es schockierend, dass ihr nach wie vor im pädagogischen Mittelalter, nein, sogar in der pädagogischen Steinzeit stecken geblieben seid. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen. – Heftiger Widerspruch bei der FPÖ.) Ja, das müsst ihr euch jetzt auch gefallen lassen, denn ihr spart auch nicht mit Häme. (Bundesrat Ofner: Wahlmöglichkeit!)
Wenn es nach euch geht, dann hat eine Frau gefälligst eine brave Mutter von so fünf Kindern zu sein, muss kochen, muss den Mann zu Hause versorgen. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Nein! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Die Mama muss zu Hause bleiben, kochen, putzen, Wäsche waschen, und der Mann, der starke Vater sozusagen, der darf arbeiten gehen und der bringt das Geld nach Hause. Also kurz zusammengefasst: Wenn es nach euch geht, dann sollen die Frauen weiterhin, auch heute noch, von ihren Ehemännern, von den Ehepartnern finanziell abhängig sein. Das wollt ihr in Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen der Grünen sowie der Bundesrätin Zwazl. – Widerspruch bei der FPÖ.)
Dazu muss man euch ganz klar sagen: Kommt endlich in der pädagogischen Gegenwart an und schaut ein bisschen in die Zukunft! Ihr seid einfach ewiggestrig, und das ist wirklich dramatisch. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ja, ich kenne euch eh, danke. Ein Kochrezept hätte es vorhin auch getan. Vielen Dank!
Eigentlich wollte ich aber auf ein ganz anderes Thema zu sprechen kommen. Ich bin eigentlich einigermaßen verwundert, dass sich heute bis dato niemand aus Niederösterreich zu Wort gemeldet hat, denn das Land Niederösterreich stellt sich ja selbst gerne als das Kinderland, als das Familienland dar. Viele werden es nicht wissen - - (Unruhe im Saal. – Bundesrätin Schumann: Na hallo!) Ich würde nur gerne noch - -
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Darf ich bitte um Ruhe im Saal bitten! (Bundesrätin Schumann: Ja, aber wirklich!)
Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (fortsetzend): Es ist schön, dass man die FPÖ einmal so in Rage bringen kann.
Zurück nach Niederösterreich: Da gibt es nämlich eine Besonderheit, und, wie gesagt, viele hier herinnen werden das vielleicht gar nicht wissen. In Niederösterreich ist es nämlich so, dass es in der Elementarpädagogik in den Kindergärten zwei verschiedene Zeiten gibt. Da gibt es den Vormittag, das ist die sogenannte Lernzeit (Bundesrat Bader: Bildungszeit, Frau Kollegin!) – oder Bildungszeit; Entschuldigung, Herr Kollege (Bundesrat Bader: Wenn wir schon gescheit reden, dann reden wir richtig gescheit!), vielen Dank für die Berichtigung! –, und der Nachmittag ist die sogenannte Betreuungszeit. Warum betone ich das so? – Deswegen, weil es in Niederösterreich so ist, dass nur die Lernzeit, die Bildungszeit am Vormittag kostenlos ist; die Nachmittagszeit müssen die Eltern dann finanziell selbst bestreiten.
Das heißt also – und das muss man sich eigentlich einmal auf der Zunge zergehen lassen, denn das ist wirklich skurril –, in Niederösterreich ist es so, dass dem zweijährigen, dreijährigen Kind in der pädagogischen Einrichtung dann um
12 Uhr quasi der Ball aus der Hand fällt, weil es weiß, dass es jetzt nichts mehr lernen darf, weil es ja nur mehr betreut wird. Das ist schon irgendwie sehr skurril und kommt der Realität der Menschen und der Realität der Familien überhaupt nicht nahe. Noch dazu sind es heutzutage zwischen 400 Euro und sogar 500 Euro, die die Eltern für diese Halbtagesnachmittagsbetreuung zu zahlen haben.
Darüber hinaus, und das muss ich auch als Pädagogin dazusagen, schockiert mich nach wie vor, dass das in Wahrheit eine Diskreditierung der Pädagoginnen und Pädagogen im Elementarbildungsbereich ist. Sozusagen: Das bisschen Spielen, das geht eh so nebenbei. Das heißt, man bringt dem Personal in elementarpädagogischen Einrichtungen nicht die entsprechende Wertschätzung entgegen, die es eigentlich verdient hätte. Darum gehen auch – wir haben es heute ja auch schon gehört – bei Weitem nicht genug von denen, die die Ausbildung machen, dann auch tatsächlich in den Beruf. (Unruhe im Saal.) Gerade wer so denkt, dass nämlich die Betreuung in den elementarpädagogischen Einrichtungen für die Kleinen nur ein bisschen Spielen ist, der hat das Wesen und vor allen Dingen auch die Bedeutung der Elementarbildung ganz und gar nicht verstanden. (Vizepräsidentin Kahofer gibt das Glockenzeichen.)
Immerhin, und damit komme ich jetzt sogar ein bisschen zum Positiven, hat es aber vor einigen Monaten dann doch auch in Niederösterreich einen Meilenstein gegeben, denn da ist die ÖVP draufgekommen, dass die SPÖ Niederösterreich eigentlich ein ganz gutes Kinderprogramm entwickelt hat. Sie hat sich dann gedacht, dass sie davon einfach so ungefähr 75 Prozent abschreibt und das dann umsetzt. Das ist im Oktober letzten Jahres passiert. Die wichtigsten Aspekte fehlen allerdings nach wie vor, nämlich: Der Nachmittag ist nach wie vor nicht kostenfrei, es sind die Kleinen, unter Zweijährigen nach wie vor in keiner Form einbezogen und es sind auch nach wie vor tagsüber nicht die entsprechenden Betreuungszeiten gegeben. Das heißt, Eltern, die ganz früh in die Arbeit müssen oder länger arbeiten müssen, haben keine Möglichkeit, die Kinder betreut zu wissen, und noch vieles andere mehr.
Es war ein Wahlzuckerl, das man noch schnell umgesetzt hat. Wie die Gemeinden das Ganze in der Geschwindigkeit umsetzen können, ist dann ein anderes Kapitel. Aber sei’s drum! Ich bin grundsätzlich optimistisch, dass jetzt in der neuen Funktionsperiode des Landtags ein guter Schritt in Richtung hin zu einer wirklich noch besseren, qualitätvollen Elementarbildung gesetzt werden kann, nicht zuletzt auch mit unserer Landesrätin und unserem Landesrat. Da wird vieles auf den Weg gebracht werden.
Zum Abschluss möchte ich Ihnen, Herr Minister, noch mitgeben: Sie haben es ja heute selber gesagt, dass Ihnen die Elementarpädagogik am Herzen liegt. Da sage ich: Machen Sie es einfach zur Chefsache! Schauen Sie, dass es einen Rahmenplan gibt, der über das gesamte Bundesgebiet hinweg gleich ist, schauen Sie, dass es die besten Angebote, die es in Wien, im Burgenland, in Kärnten gibt, in ganz Österreich gibt! Sie haben es in der Hand; setzen Sie es einfach um! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
20.38
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren! Also ich muss sagen, diese Dringliche Anfrage heute ist eine echte Offenbarung der Sozialdemokratie. (Bundesrätin Schumann: Danke! – Bundesrätin Hahn: Immer gerne!)
Man kriegt ja vieles gar nicht mit, aber ich habe das Glück, dass ich sehr viel mitbekomme, was da auch so an Zwischenrufen passiert. Ich muss sagen, ihr wärt die Ersten, die sich fürchterlich mokieren würden, wenn das irgendjemand anderer macht. Ja, wir haben manchmal eine hitzige Debatte, und wir sagen ja immer, dass das okay ist – das ist gelebter Parlamentarismus –, aber, liebe Freunde – liebe Freunde und Freundinnen (Bundesrätin Schumann: Danke! – Bundesrätin Hahn: Bravo!) –, dann müsst ihr das auch aushalten. Dann müsst ihr das auch aushalten, aber ihr tut das nicht. (Beifall bei der FPÖ.)
Was da heute gekommen ist, war teilweise wirklich unter aller Kritik. Kollegin Steiner-Wieser steht heraußen, erklärt das Berndorfer Modell, und Frau Kollegin Hahn schreit raus: Lies lieber ein Kochrezept vor, denn kochen, das kannst du ja. – So in die Richtung ist das gegangen. Jetzt stellt euch vor, das würde ein Freiheitlicher bei einer Sozialdemokratin machen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Bravo! – Rufe bei der SPÖ: Oh! Oh! Ihr Armen! Ihr Opfer!)
Ihr seid die angeblichen Frauenvertreter:innen. (Bundesrätin Grimling: Ja, genau!) Ihr seid die angeblichen Frauenvertreter:innen.
Wisst ihr, was ihr nicht wollt? – Ihr wollt nicht, dass es Frauen gibt, die die Möglichkeit haben, wenn sie das wollen – nicht, wenn jemand anderer das will, sondern wenn sie das wollen –, dass sie ihre Kinder selbst erziehen. (Ruf bei der SPÖ: Das können sie ...! – Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) – Die SPÖ sagt, das können sie nicht. Die haben jahrzehntelang die Bildungsminister gestellt, haben das Bildungsniveau gesenkt und an die Wand gefahren (Beifall bei der FPÖ) – von den Volks- bis zu den Mittelschülern wirklich an die Wand gefahren! –, und weil euch das nicht reicht, wollt ihr jetzt auch noch die kleinen Kinder fertigmachen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist das Problem bei euch. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Also ihr seid ja wirklich unter aller Kritik. (Bundesrätin Hahn: Das ist aber auch eine qualitätsvolle ...!)
Fakt ist, es gibt Frauen und Familien, die sich wünschen würden, dass sie mehr Zeit mit ihren Kindern haben. Wissen Sie was? – Es gibt auch Familien, die das machen. Das sind jene, die es sich leisten können. Es gibt aber auch welche, die die budgetären Mittel nicht haben, die es sich nicht leisten können, und die haben die Wahlmöglichkeit nicht.
Und ja, wir sagen immer, bitte für jedes Kind, für jede Familie soll es, wenn sie gebraucht werden, Betreuungsplätze geben – das ist wichtig und richtig (Bundesrätin Schumann: Gibt es aber nicht!) –, aber doch bitte nicht mit Zwang.
Das ist ein Kommunismus, den ihr da einführen wollt. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit bei Bundesrät:innen der SPÖ. – Bundesrätin Schumann: Frauen zurück an den Herd!)
Dann noch eine
Kleinigkeit – als die Kindergartenskandale in Wien zur Sprache
gekommen sind, hat die SPÖ vorhin auch aufgeheult (Zwischenrufe bei der
SPÖ) –: Na, liebe Freundinnen und Freunde von der SPÖ (weitere
Zwischenrufe bei der SPÖ) – ich weiß, ihr wollt es nicht
hören –, jetzt wissen wir von zwei wirklich großen
Fällen. Ich würde gerne wissen, wie viele weitere Förderskandale
es noch gibt, bei denen wirklich viel passiert ist. (Bundesrätin Schumann: Ja! Geh
bitte! Ihr schickt die Frauen an den Herd zurück!)
Da ging es nicht um das Wohl der Kinder, sondern da ist es um das Wohl der Kindergartenbetreuer gegangen, die dann mit einem X5 gefahren sind, sich die neuesten Tablets und I-Phones gekauft haben, die Kinder abgerechnet haben, die es gar nicht gegeben hat, und alles auf Kosten der Steuerzahler.
Wirklich dem Fass den Boden schlägt jetzt der zweite Skandal aus, der gerade bekannt geworden ist. Deshalb sind die Grünen bei dieser Geschichte, glaube ich, auch ziemlich leise: weil sie eine grüne Bezirksrätin aus Wien betrifft, die den Verein geführt hat. Da ist jetzt auch ein massiver Betrugsskandal bekannt geworden. Das ist jetzt gerade an die Staatsanwaltschaft geschickt worden, ist auch schon überall in den Medien. Auch dort war es so: Der Kindergarten war ein veganer, geschlechtsneutraler Kindergarten. Da frage ich mich: Ist es einerseits gut, dass man ein Kind dort hinschickt, oder ist es eh gescheit, dass die Kinder ihre Eltern abgeben? Da muss ich, ganz ehrlich, nachfragen. (Bundesrätin Schumann: Bei dem Thema könnt ihr euch einen Blumentopf holen! Keine Chance!) Dann geht man her, betrügt dort und macht Kohle auf Kosten der Kinder. Ich bin mir nämlich ganz sicher, dass alles dort nicht zum Wohl der Kinder passiert ist, sondern ausschließlich zum Wohl derer, die dort gearbeitet haben. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Keine Chance! Keine Chance!)
Also, liebe Freunde und Freundinnen, überlegt euch, ob das alles, was ihr da wollt, so gut ist! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)
20.43
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Es liegt ein Antrag der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „umgehende Einführung eines Kinderbetreuungs-Förderkonzeptes nach dem Berndorfer Modell“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Ich nehme die Verhandlungen zur Tagesordnung wieder auf.
Zu Wort kommt Bundesrat Markus Steinmaurer. – Bitte.
Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Frau Vizepräsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kollegen und Kolleginnen im Bundesrat! Zu TOP 9 – da ist unterbrochen worden, und da machen wir jetzt weiter –: Die Länder erhalten einen Zweckzuschuss in der Höhe von 450 Millionen Euro vom Bund, um die Haushalte bei der Bewältigung der explodierenden Wohn- und Heizkosten zu unterstützen. Leider wurde da wieder mit der Gießkanne agiert.
Oberösterreich wird dabei 17 Prozent der Fördersumme erhalten. Die freiheitliche Bundesratsfraktion wird dieser Gesetzesvorlage ihre Zustimmung erteilen.
Leider arbeitet die Bundesregierung wieder nur mit Zuschüssen und Förderungen, anstatt in dieser Angelegenheit das Problem bei den Wurzeln zu packen. Diese Einmalzahlungen sind nicht der Weisheit letzter Schluss. Es ist unglücklicherweise nur eine halbherzige Symptombehandlung, eine wohl in der Praxis komplizierte Halblösung, die auch der Preisentwicklung nicht einmal ansatzweise gerecht wird. In Wahrheit muss an den Ursachen angesetzt werden, beispielsweise mit einer Entkoppelung der Strom- und Gaspreise. Das Meritorderprinzip soll fallen. Das heißt, dass nicht länger das teuerste Kraftwerk den Marktpreis bestimmt.
Berücksichtigt werden müssen auch Personen mit Behinderung, die auf stromintensive Gerätschaften angewiesen sind. Weiters sind auch Wärmepumpenbesitzer beziehungsweise -benützer zu berücksichtigen, denn genau dieses Heizsystem wurde in den letzten Jahren sehr stark beworben.
Die langjährige freiheitliche Forderung nach Senkung der Lohnnebenkosten muss zudem endlich realisiert werden. Diese Maßnahme wäre wirksam, weil somit mehr Netto vom Bruttolohn erzielt würde. Gleichzeitig hätten die Menschen rasch mehr Geld für das Tanken, für den notwendigen täglichen Einkauf in der Geldbörse.
In Oberösterreich, wo die FPÖ Regierungsverantwortung trägt, hat die oberösterreichische Landesregierung zahlreiche Unterstützungen für die Menschen beschlossen. Ich darf Ihnen kurz einen Überblick darüber geben:
Erstens: 290 000 Haushalte – das sind rund 45 Prozent in Oberösterreich – sind antragsberechtigt. Damit wirkt der oberösterreichische Wohn- und Energiekostenbonus bis in die breite Mittelschicht.
Zweitens – spezieller Fokus auf Familien: Kinder werden speziell berücksichtigt. Dadurch erhalten Familien bis zu 400 Euro.
Drittens: Die gewählte Einkommensgrenze begünstigt speziell Alleinverdiener:innen beziehungsweise Alleinerziehende.
Viertens: Im Sinne unserer sozialen Verantwortung werden geringe Einkommen gemeinsam mit den bestehenden Maßnahmen in dieser Heizperiode – oberösterreichischer Heizkostenzuschuss, Energiekostenzuschuss – mit bis zu 800 Euro je Haushalt unterstützt.
Fünftens: In Summe sind für die weiteren geplanten Maßnahmen 75,5 Millionen Euro vorgesehen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)
20.48
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Was man ja sicher nicht sagen kann: Die Regierung habe die Energiekostensteigerung nicht massiv abgefangen. Sie tut es weiterhin, und bis zu einem gewissen Grad ist es schon mühsam, immer irgendwelche Dinge wiederholt zu bekommen: Es werde nichts getan, es wirke nicht, es verpuffe alles. Da muss ich ein bisschen Herrn Kollegen Schmid ansprechen – es ist zwar schon 5 Stunden her –, der das ja wieder ausgeführt hat.
Ich möchte vielleicht zum Einstieg nur ganz kurz in Stichworten ein paar Dinge anführen, die allein im energierelevanten Bereich gemacht wurden. Das sind zum Beispiel: der Energiekostengutschein eins – 150 Euro für alle, 600 Millionen Euro Aufwand –, die Ökostrompauschale, die erlassen wurde – 350 Millionen Euro –, Ökostromförderbeitrag erlassen, sozial gestaffelt, wohlgemerkt – 500 Millionen Euro –, Teuerungsausgleich eins für vulnerable Gruppen – 150 Euro pro Person –, Pendlerpauschale plus 50 Prozent, Pendlereuro vervierfacht, Senkung der Energieabgaben auf Strom und Gas um 90 Prozent, Teuerungsausgleich zwei für vulnerable Gruppen mit 300 Euro, Teuerungsabsetzbeträge, Klimabonus – 500 Euro – und so weiter.
Wir besprechen heute noch weitere Maßnahmen, die meisten davon sozial differenziert. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Da ist es schon verwegen,
zu sagen, das komme nicht an und verpuffe und es komme vor allem bei einkommensschwachen Haushalten nicht an. Das stimmt halt nicht. – Das einmal zum Einstieg zur Erinnerung.
Besonders viele Maßnahmen wurden im Strombereich gesetzt, bei dem ja auch die Preissteigerungen am massivsten waren und sind. (Bundesrätin Schumann: Ja, volle ...!) Da ist die Stromkostenbremse sicher die herausragendste Maßnahme. Das ist eine Grundsicherung für den Strombezug mit 10 Cent für 2 900 Kilowattstunden, aber darüber reden wir heute noch einmal.
Besonders stark waren die Preisanstiege zweifelsfrei auch beim Gas. Da hat es auch Diskussionen gegeben, wie man am besten helfen kann. Ein Gaspreisdeckel ist wieder einmal vorgeschlagen worden, gerade auch von der SPÖ, nur leider funktioniert der nicht im nationalen Alleingang. Das ist einfach nun einmal so. Das würde „nur“ – durchaus unter Anführungszeichen – Leute treffen, die mit Gas heizen. Es haben aber Preiserhöhungen bei allen - - (Unruhe im Saal.) – Also ein bisschen mehr Aufmerksamkeit oder einfach nichts zu sagen, das wäre irgendwie auch eine Möglichkeit. Es ist schon spät, ich weiß, aber es gibt noch Leute, die hier heraußen reden müssen und möchten, und die haben ein gewisses Grundmaß an Aufmerksamkeit verdient, finde ich. (Beifall bei den Grünen.)
Alle Energieträger sind teurer geworden, auch Öl, Pellets und so weiter, und natürlich braucht es eine Entlastung, unabhängig davon, welchen Energieträger die Haushalte haben. Gas macht insgesamt ungefähr ein Viertel der Haushalte aus. In Wien ist es viel mehr, das stimmt, 45 Prozent, und deswegen dort natürlich auch sehr relevant.
Ich finde, das vorliegende Hilfspaket ist eigentlich eine ideale Lösung. 450 Millionen Euro werden den Ländern zur Verfügung gestellt, um ihre Heizkostenzuschüsse aufzustocken. Das ist eigentlich schon sehr klug. Es greift auf bestehende Strukturen zurück, es muss nichts neu erfunden werden. Es braucht keine zusätzliche Bürokratie, und es ist – ganz wichtig! – sozial differenziert.
Es stimmt halt einfach nicht, was Sie sagen, Herr Kollege Steinmaurer. Es ist keine Gießkanne, es ist das Gegenteil. Es ist sehr präzise, es ist sozial gestaffelt, das machen ja alle Bundesländer, und es bekommen jene den Heizkostenzuschuss, die wenig verdienen. Ich finde es ja lustig, dass Sie dann vor 5 Minuten hier heraußen standen und das oberösterreichische Modell lobten, das eine Einmalzahlung, noch dazu mit Bundesgeldern, ist. (Beifall bei den Grünen.)
Also wie gesagt, 450 Millionen Euro stehen bereit, das ist wirklich viel Geld. Für Wien sind das zum Beispiel 97 Millionen, für Vorarlberg 20 Millionen. Ich sage es ganz ehrlich: Das ist für Vorarlberg – und das wird für die anderen Bundesländer im Wesentlichen auch gelten – mehr als eine Verdoppelung des Gesamtvolumens, das wir für die Heizkostenzuschüsse aufwenden.
Den Ländern steht es weitgehend frei, ob sie den Bezieherkreis ausweiten oder nicht. Gesetzlich festgelegt ist allerdings, dass Mindestsicherungsbezieher:innen respektive Sozialhilfebezieher:innen nicht ausgeschlossen werden dürfen. Was auch festgelegt ist: Die Länder können, wenn sie wollen, einen Teil des Geldes direkt Einrichtungen zur Verfügung stellen, die einen entsprechenden Zweck haben, also beispielsweise Pflegeheimen, Obdachlosenheimen et cetera.
Rechnerisch würde das reichen, um das unterste Drittel der Haushalte – das ist schon ziemlich viel – mit 330 Euro pro Haushalt zu bedienen. Ein Beispiel dazu: Vorarlberg hat einen Heizkostenzuschuss von 330 Euro, bei einer Einkommensgrenze von 1 370 Euro netto pro Monat. Es trifft also schon die Richtigen, das ist nicht der Mittelstand, jedenfalls sicher nicht die obere Hälfte. Mit diesem Bundeszuschuss kann das mehr als verdoppelt werden, und ich meine, das ist schon etwas. Für Salzburg ist es zum Beispiel ganz ähnlich, dort sind es 300 Euro. Wir sind also mit diesen Bundesmitteln schnell bei 700 Euro. Ja, das ist wirklich viel Geld.
Ich habe mir die Mühe gemacht, das einmal ein bisschen umzurechnen, denn es geht ja darum, Heizenergie zu fördern. Damit kann man 7 000 Kilowattstunden – damit heizt man eine größere Wohnung ein ganzes Jahr – mit 10 Cent pro
Kilowattstunde stützen. Das ist also schon sehr wirksam. Der Vorwurf, wie der Kollege von der FPÖ gesagt hat, man werde damit der Preiserhöhung nicht gerecht, stimmt halt einfach nun einmal nicht.
Wir fahren mit den erfreulichen Maßnahmen fort, nämlich mit der Aufstockung, das gehört dazu. (Vizepräsidentin Kahofer gibt das Glockenzeichen.) – Danke, Frau Präsidentin. Ich bin nicht beleidigt, darum geht es mir nicht, aber ich finde es schon spannend, dass das diejenigen, die sich hier permanent beschweren, man tue nichts oder helfe einkommensschwachen Haushalten nicht wirklich massiv, nicht einmal interessiert. Es ist (erheitert) ihnen nicht einmal wert, zuzuhören, das ist schon erstaunlich. Es entlarvt aber halt auch ein bisschen ihre tatsächliche Ambition.
Wir fahren mit erfreulichen Maßnahmen fort, nämlich mit der Aufstockung des Wohnschirms um 50 Millionen Euro. Damit stehen in den nächsten Jahren in Summe 134 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist für Menschen gedacht, die im Mietrückstand sind, diesen Rückstand selber nicht mehr ausgleichen können und von Delogierung bedroht sind. Das ist wirklich eine wichtige Maßnahme. Man denke nur daran, welche Katastrophe es für Menschen, für Familien ist, die Wohnung zu verlieren und auf der Straße zu stehen! Das sollte es in Österreich nicht geben. Darum ist es sehr schön, dass das aufgestockt wird. Bis jetzt wurden nach Angabe des Sozialministeriums bereits 2 300 Wohnungen unterstützt und finanziell abgesichert – 2 300 Wohnungen! –, das sind einmal mehr als 5 000 betroffene Menschen, denen man helfen konnte, die Wohnung nicht zu verlieren.
Darüber hinaus wird der Wohnschirm quasi auch auf die Energierechnung ausgedehnt. Also auch da in Zukunft oder ab Inkrafttreten: Wenn es keinen Weg mehr gibt, die Energierechnung zu bezahlen, dann kann der Schirm in Anspruch genommen werden. Ich freue mich auf jeden Fall für die Betroffenen, dass da so viel gelungen ist. Zigtausenden Menschen kann dadurch geholfen werden, und einmal mehr möchte ich erwähnen: Wichtig ist, aus der
Kostenfalle herauszukommen, das heißt Umstieg beim Energieträger, aus fossilen Energieträgern auszusteigen. (Präsident Kovacs übernimmt den Vorsitz.)
Ich erwähne wiederum das Programm Sauber heizen für alle. Das ist ein Programm, das einkommensschwachen Haushalten hilft, einen Heizungstausch vorzunehmen. Wissen Sie, wie hoch die Förderungen dafür sind? – Das sind je nach Heizungssystem bis zu 32 500 Euro, respektive ist das Ziel, diesen Haushalten 100 Prozent der Kosten zu finanzieren. Also wenn das nicht nachhaltig und dauerhaft ist, dann weiß ich auch nicht. – Besten Dank. (Beifall bei den Grünen.)
20.58
Präsident Günter Kovacs: Danke, Herr Bundesrat.
Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Bettina Lancaster. – Bitte, Frau Bundesrätin.
Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wohnen und Raumwärme: ein Grundbedürfnis. Wie weit kann man die Heizung zurückdrehen, ohne langfristig Schaden zu nehmen? – Schimmel im Kinderzimmer, Schimmel im Wohnzimmer, in der Küche, im Bad (Präsident Kovacs gibt das Glockenzeichen), das waren Bilder in „Oberösterreich heute“ vom 12. Februar.
Schimmelexperten sprechen davon, dass sie zu vielen Familien kommen, die ihre Heizungen mit Gas betreiben und sich aufgrund der Preiserhöhungen das Heizen nicht mehr leisten können. Raumtemperaturen werden auf 15, 16 Grad abgesenkt, und dies führt laut Experten in den Wohnräumen unweigerlich zu Schimmelbildung. Experten aus Wels sprechen von einem Zuwachs von 200 Prozent, und laut ihrer Schätzung hat jeder dritte Haushalt ein Schimmelproblem. Schimmel an den eigenen Wänden ist ein Tabu.
Die laufenden Haushaltskosten nicht mehr schultern zu können gehört in die gleiche Kategorie. Breite Teile der Bevölkerung in Österreich leben bereits in der
Unsicherheit, wie sie sich und ihre Familien über die Runden bringen. Die Teuerung hat nicht nur die Reservepolster weggefressen, sondern lässt am Monatsende ein Minus stehen. Wie viele Minusmonate kann sich ein Haushalt in Serie leisten? Ab wann wird die Belastung der Zukunft zum existenziellen Risiko? – Das sind quälende Fragen, die sich zurzeit viele Haushalte in Österreich stellen.
Die Regierung antwortet mit Einmalzahlungen. Für Oberösterreich schaut die geplante Umsetzung nämlich wie folgt aus – Kollege Steinmaurer aus meiner Nachbargemeinde hat bereits Teile davon erzählt, ich bringe es, wie es sich aus meiner Sicht darstellt –: In Oberösterreich sollen 75,5 Millionen Euro ankommen, bis zu 5 Prozent davon sind nicht für die betroffenen Privathaushalte bestimmt.
Laut Landeshomepage sollen Einpersonenhaushalte mit bis zu 27 000 Euro Jahresbruttoeinkommen und Mehrpersonenhaushalte mit einem Jahresbruttoeinkommen bis zu 65 000 Euro einen Zuschuss gewährt bekommen. Einpersonenhaushalte beziehungsweise Mehrpersonenhaushalte ohne Kinder unter 18 Jahren sollen einmalig 200 Euro, Mehrpersonenhaushalte mit einem Kind unter 18 Jahren 300 Euro und Mehrpersonenhaushalte mit zwei und mehr Kindern unter 18 Jahren 400 Euro bekommen.
Der Antrag für den Zuschuss kann voraussichtlich im Zeitraum April 2023 bis 30. Juni 2023 gestellt werden. Es gibt also noch ein paar Monate zur Überbrückung. Die Antragstellung wird – zumindest ist es so auf der Homepage angekündigt – ausschließlich online erfolgen. Ich hoffe, die Barrierefreiheit ist gegeben, denn ganz freimütig wird eben auf dieser Homepage auch sofort gesagt, die Bürgerservicestellen der Gemeindeämter und Magistrate leisten im Falle des Falles entsprechende Hilfe bei der Dateneingabe. Mit den Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen wurde meiner Kenntnis nach nicht gesprochen. Von zusätzlichen Personalressourcen beziehungsweise Aufwandsentschädigungen für die Gemeinden habe ich auch noch nichts gehört.
Es gibt eine grobe Schätzung, wie viele Fälle das in Oberösterreich ungefähr betreffen könnte: Das sind um die 290 000 Anträge. Ich erwarte also, dass die Gemeinden sehr wohl wieder einspringen und unterstützen werden, weil wir eben die Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern haben, aber es wird wieder zulasten der vielen Aufgaben, die wir sowieso schon in unseren Gemeinden zu tätigen haben, gehen. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich sage dazu noch: Vor circa 15 Jahren habe ich in meiner Gemeinde eine Buchhalterin gesucht. Ich hatte 25 Bewerbungen. Voriges Jahr, im Dezember 2022, habe ich die gleiche Stelle wieder nachbesetzen müssen: Ich hatte eine Bewerberin, und für diese eine Bewerberin habe ich eigentlich das ganze Dorf mobilisieren müssen, damit sich jemand meldet. Gemeinden sind nämlich unattraktive Dienstgeberinnen – ganz einfach; und wenn wir immer noch mehr Arbeit hinzubekommen, wird es immer schwieriger werden, in den Bürgerservicestellen und in der Buchhaltung unsere Positionen besetzen zu können, und das nimmt bereits ein dramatisches Ausmaß an. Deshalb: Entlastung der Gemeinden, ordentliche Bezahlung der Gemeinden – und für unsere Verwaltungsmitarbeiter:innen vor Ort brauchen wir einfach mehr Geld und auch eine Entlastung von Arbeitsstunden, damit sie ihre Arbeit auch gut leisten können. (Beifall bei der SPÖ.) Der Finanzausgleich stellt dazu natürlich ein wichtiges Instrument dar, in dessen Rahmen man das für die Gemeinden betrachten kann.
Noch einmal zurück zu der Ausschüttung für die Bürger:innen: Es werden also in Oberösterreich – ich beziehe mich da jetzt immer auf Oberösterreich – einmalig 200 bis 400 Euro zusätzlich zu den Förderungen, die das Land anderweitig schon gewährt hat, ausgeschüttet. Die kommen in die krisengeschwächten Privathaushalte zurück, und ja: Es wird im Moment helfen, und wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen stimmen auch zu. Wir brauchen aber sinnvollere und effektivere Maßnahmen, um Teuerung und Inflation entgegenzuwirken. Einmalzahlungen schaffen keine Perspektiven und
geben keine Sicherheiten, sondern sie schaffen Abhängigkeiten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
21.06
Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.
Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir gelangen zu den Abstimmungen. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.
Es liegt ein Antrag der Bundesräte Daniel Schmid, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Mieterhöhungen in Zeiten der extremen Teuerung aussetzen – Es braucht langfristige Konzepte für die Regulierung von Mietkosten!“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit, der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.
Beschluss des Nationalrates vom 25. Januar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Stromkostenzuschussgesetz geändert wird (3023/A sowie 11167/BR d.B. und 11182/BR d.B.)
Präsident Günter Kovacs: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.
Bevor ich den Berichterstatter, Herrn Bundesrat Ernest Schwindsackl, um seinen Bericht bitte, darf ich die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, Frau Leonore Gewessler, herzlich bei uns begrüßen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)
Bitte, Herr Bundesrat Schwindsackl.
Berichterstatter Ernest Schwindsackl: Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 25. Jänner 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Stromkostenzuschussgesetz geändert wird:
„Die bisherige Formulierung ist in Bezug auf den Stromkostenzuschuss (nur) auf das Grundkontingent bezogen. § 6 sieht aber – darüber hinausgehend – eine zusätzliche Förderung für ‚größere Haushalte‘ vor. Insofern ist die bisherige Regelung in § 1 zu eng.
Sie soll daher entsprechend angepasst werden“.
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.
Ich komme daher gleich zur Antragstellung, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Präsident Günter Kovacs: Danke, Herr Berichterstatter.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Alexandra Platzer, MBA. – Bitte sehr, Frau Bundesrätin.
Bundesrätin Alexandra Platzer, MBA (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Herr Staatssekretär! Geschätzte Da-
men und Herren! Wie schaut jetzt die Verbesserung des Stromkostenzuschussgesetzes aus und wer wird entlastet? – Es geht grundsätzlich um zwei Zielgruppen, die von der Teuerung betroffen sind: erstens um Familien mit mehr als einem Kind und zweitens um Gewerbetreibende, die im eigenen Betrieb wohnen.
Wie Sie wissen, wirkt die Stromkostenbremse bereits inflationshemmend. Bei der Stromkostenbremse wurden ja seit Dezember 2022 Haushalte mit 500 Euro pro Jahr entlastet. Bei der jetzigen Abrechnung im Jänner merkt man das bei den Energieversorgern schon. Man spürt auch schon die Entlastung. Für 2 900 Kilowattstunden gibt es ja bereits einen Deckel von maximal 10 Cent.
Was sieht die Verbesserung jetzt vor? – Erstens: Familien mit mehr als drei Personen im Haushalt werden mit 105 Euro pro Person und pro Jahr entlastet. Meine Damen und Herren, das sind 700 000 Adressen in Österreich, denen wir aktiv helfen. 700 000 Familien werden da also entlastet. (Beifall bei der ÖVP.)
Die zweite Zielgruppe liegt mir besonders am Herzen, das sind nämlich Gastronomen, Hoteliers, Landwirte oder Bäcker, die im eigenen Betrieb wohnen, sprich im eigenen Haus auch ein Gewerbe gemeldet haben. Diese erhalten mit der Anpassung ebenso die Möglichkeit der Stromkostenbremse und können bis 31.5.2023 den Antrag stellen. Ab 1. Juli 2023 profitieren die Antragsteller dann mit einer Laufzeit von 19 Monaten davon.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich ersuche nun alle Parteien um eine große Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie Bravoruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.)
21.11
Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Bundesrätin.
Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. – Bitte, Doris.
21.11
Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal zum Positiven in diesem Gesetzentwurf, weshalb wir auch unsere Zustimmung geben werden – das ist ja auch keine Überraschung –: Es ist positiv, dass es, wie wir gerade gehört haben, nun eben auch eine Zusatzförderung für jene Haushalte gibt, in denen mehr als drei Personen hauptgemeldet sind, und auch für jene, die ihren Strom aus Verträgen beziehen, die in gewerblichen beziehungsweise landwirtschaftlichen Lastprofilen eingestuft sind. Sie sollen jetzt auch einbezogen werden.
So weit, so gut, da sind wir d’accord, da gehen wir selbstverständlich auch mit. Ich muss die Jubelstimmung aber ein bisschen trüben.
Abgesehen davon, dass man schon sagen muss, dass es sich dabei um einen eher aufgeblähten Administrationsapparat handelt – immerhin haben sieben verschiedene Stellen damit zu tun: fünf Ministerien, das Bundesrechenzentrum und die Buchhaltungsagentur des Bundes sind damit befasst –, muss man auch dazusagen: Ja, okay, besser spät als nie.
Dass man aber Monate braucht, um draufzukommen, dass es laut den eigenen Recherchen 700 000 Haushalte gibt, die das eben konkret betrifft, die also klarerweise mehr Strom brauchen als Haushalte mit weniger Personen: Na, das ist eine Leistung. Man muss aber leider sagen, das zieht sich ja eh durch die gesamte Regierungsperiode durch. Also treffsicher und zielgerichtet schaut für mich halt dann doch anders aus.
Dazu kommt noch, dass seitens der Regierungsfraktion ja auch immer wieder betont werden muss, wie sehr inflationsdämpfend diese Maßnahme doch sei. Hurra, kann man da nur sagen – oder auch nicht –, denn diese Maßnahme kann die Inflation laut Statistik Austria – wohlgemerkt im besten Fall – tatsächlich um 0,6 Prozent dämpfen.
Bei einer aktuellen Inflationsrate von über 11 Prozent, wie wir heute schon mehrfach gehört haben, und bei wirklich horrenden Preissteigerungen, vor allem zum Beispiel bei den Lebensmitteln, ist das leider – das muss man sagen – mehr ein Tropfen auf den heißen Stein und den Jubel, den Sie an den Tag legen, glaube ich, nicht wirklich wert.
Erinnern wir uns an die Preissteigerungen gerade erst im Jänner: Zum Beispiel ist das Sonnenblumenöl im Vergleich zum Vorjahr um satte 167 Prozent teurer geworden (Bundesrat Preineder: Wie viel braucht man da davon?), Weizenmehl um 111 Prozent, Kristallzucker um 81 Prozent, WC-Papier – das war ja in der Pandemie durchaus oft vergriffen – um 54 Prozent. Die Liste könnte man jetzt noch unendlich fortsetzen.
Da muss ich mich dann schon fragen: Können Sie sich seitens der Regierung auch nur im Ansatz vorstellen, wie sich da so manche Pensionistin, mancher Pensionist oder auch so manche Alleinerziehenden oder Menschen aus den unteren Einkommensbereichen das tägliche Leben noch leisten können sollen? (Bundesrat Schreuder: Ja! – Präsident Kovacs gibt das Glockenzeichen.)
Da freut man sich im besten Falle über 0,6 Prozent an Erleichterung bei der Inflation. Ich frage mich ganz ehrlich: Will die Regierung da nicht mehr zusammenbringen oder kann sie es schlicht und einfach nicht? – Ich weiß es nicht.
Noch einmal aber ganz konkret zurück zum Strompreis und zur Strompreisbremse: Jetzt wird also seit unserem Beschluss im Oktober alles, was den unteren Schwellenwert von 10 Cent pro Kilowattstunde übersteigt, bezuschusst – aber eben nicht alles, weil man ja von einem durchschnittlichen Stromverbrauch von 2 900 Kilowattstunden pro Jahr als Grenzwert ausgeht.
Das klingt zunächst einmal nicht schlecht. Man muss aber genauer hinschauen, denn man vergisst da zum Beispiel gänzlich auf eine Gruppe von Haushalten, nämlich auf jene, die mit Strom heizen.
Ich habe dazu
wirklich noch in keiner Diskussion auch nur in irgendeiner Form auch nur ein
Wort gehört. In Wahrheit ist es so, dass man genau jene Personen und
jene Haushalte auch noch dafür bestraft, dass sie unter Umständen
schon seit Jahren oder Jahrzehnten umweltfreundlich und emissionsfrei
heizen.
Der Einzige, von dem ich dazu dankenswerterweise ein Wort gehört habe, war heute Herr Landeshauptmann Doskozil, der auch in seiner heutigen Stellungnahme darauf Bezug genommen hat. Man muss aber schon ganz klar sagen: Mit Strom zu heizen geht sich mit 2 900 Kilowattstunden nicht einmal in einer kleinen Wohnung aus.
Es ist oftmals wirklich ein Vielfaches, was da an Strom verbraucht wird. Das bekomme ich quasi auch täglich und immer wieder durch Hilferufe von Familien zu hören und zu lösen. Gerade aktuell, da sich die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Energieanbieter ja quasi schon frei nach Gutdünken ändern können, schaut es noch dramatischer aus.
Ganz konkret einmal ein Blick nach Niederösterreich zur EVN: Da werden zum Beispiel beim Tarif Optima Garant ab dem 20. Jänner 59,02 Cent pro Kilowattstunde fällig. Sie sehen, dass sich das mit dem Schwellenwert von 40 Cent, der ja im Gesetz drinnen steht, nicht einmal mehr ansatzweise ausgeht.
Das heißt, in Wahrheit ist das Stromkostenzuschussgesetz, also die Strompreisbremse, quasi auch nur ein kleines Pflaster auf einem offenen Bruch, wenn man so will: besser als nichts, das stimmt schon, aber aus meiner Sicht immer noch viel zu wenig, denn die Wohnkosten und Mietpreise steigen oftmals unverhältnismäßig hoch.
Die Energiekosten gehen durch die Decke, Darlehenszinsen steigen, auch Versicherungen passen ihre Verträge an die Inflation an, wie es ja so schön heißt. Die Lebensmittelpreise – das habe ich schon genannt – machen das Leben für viele einfach nicht mehr leistbar.
Das heißt, es braucht da ganz, ganz dringend noch viel mehr, noch viel stärker zielgerichtete und treffsichere Maßnahmen, um die Menschen auch tatsächlich aus der Armutsfalle zu bringen.
Wir wissen – und das ist leider erschreckend –, wir haben aufgrund all dieser Teuerungswellen aktuell eineinhalb Millionen Menschen in Österreich, die akut armutsgefährdet sind. Das heißt, da braucht es ganz konkrete Maßnahmen. Die Meritorder muss endlich der Vergangenheit angehören, es braucht eine Gaspreisbremse. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir brauchen eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, und es muss endlich Zeit sein, um über eine gescheite Vermögenssteuer zu diskutieren, gerade heute: Jetzt in diesen Minuten gehen wahrscheinlich die ersten Gäste die Stufen der Oper zum Opernball hinauf. Wir haben es heute, glaube ich, auch schon mehrfach in der Presse zu lesen und auch zu hören bekommen: Ein Logenplatz kostet heuer 23 600 Euro. Dafür müssen die Österreicherinnen und Österreicher durchschnittlich 244 Tage arbeiten gehen. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling. – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Wenn einer das will!)
Dann gibt es auch noch – das muss man dazusagen – die 100 reichsten Personen in Österreich, die so viel Geld besitzen wie 5,5 Millionen Österreicherinnen und Österreicher zusammen. Also, nicht böse sein, aber wann, wenn nicht jetzt, ist die richtige Zeit für eine Vermögensteuer? – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
21.18
Präsident Günter Kovacs: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Steinmaurer. Ich erteile ihm dieses. – Bitte, Herr Bundesrat.
Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Die österreichischen Unternehmer und die Wirtschaft allgemein stehen seit Jahren vor
großen Herausforderungen: zuerst die Coronakrise und jetzt die galoppierende Inflation, Lieferkettenprobleme et cetera.
Auch wenn wir als freiheitliche Bundesratsfraktion der heutigen Regierungsvorlage zustimmen, darf ich ein paar Kritikpunkte anbringen. Die Förderagentur für unternehmensnahe Forschung, Entwicklung und Innovation, kurz FFG, wird wohl mit der Abwicklung der Förderanträge überfordert sein. Ich bin schon gespannt, wie die FFG die Anträge bearbeiten und eine rasche Auszahlung an die Betriebe umsetzen wird.
Die ÖVP-dominierte Wirtschaftskammer startete bereits vor Jahren eine Kampagne zur Stärkung des Unternehmertums. Vielleicht erinnern Sie sich noch: „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“ oder: Geht’s den Unternehmen gut, geht’s der Wirtschaft gut.
Leider wird dieser Slogan der heutigen Zeit nicht gerecht. Die Steuereinnahmen sind derzeit auf einem Rekordhoch: Umsatzsteuer: plus 17,8 Prozent; Lohnsteuer: plus 10,3 Prozent; Körperschaftssteuer: plus 45,2 Prozent; Kapitalertragsteuer: plus 45 Prozent; Einkommensteuer: plus 19,1 Prozent.
Österreich braucht jetzt korrekte Maßnahmen, damit die Mehreinnahmen des Staates wieder zurück an die Menschen und die Unternehmen und Selbstständigen fließen, und zwar fernab von sozialistischen Enteignungsfantasien. Eine Geldverteilung mit der Gießkanne und Schnitzelgutscheine werden dabei aber nicht der Weisheit letzter Schluss sein; das haben wir bereits des Öfteren kritisiert.
Der erste und wichtigste Schritt wäre daher eine Entlastung bei den Steuern auf Arbeit, sowohl arbeitnehmer- als auch arbeitgeberseitig. Ein konkreter FPÖ-Vorschlag liegt auf, die Mehreinnahmen, die der Finanzminister derzeit lukriert, dafür zu verwenden, die Mineralölsteuer zu senken.
Daher stelle ich folgenden Entschließungsantrag:
Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Markus Steinmaurer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gerechtigkeit im Stromkostenzuschussgesetz herstellen!“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die die Umsetzung insbesondere nachstehender Forderungen sicherstellt:
- Stromkostenzuschuss auch für Haushalte, die über keinen gesonderten Stromliefervertrag verfügen, aber dennoch die Stromkosten des Haushalts zu tragen haben.
- Erhöhung des Grundkontingents gemäß Stromkostenzuschussgesetz für Menschen mit Behinderung, die auf stromintensive technische Assistenz angewiesen sind
- Besondere Berücksichtigung von Haushalten mit Wärmepumpen im Stromkostenzuschussgesetz“
*****
Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
21.22
Präsident Günter Kovacs: Danke, Herr Bundesrat.
Der von den Bundesräten Markus Steinmaurer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Gerechtigkeit im Stromkostenzuschussgesetz herstellen!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte, Herr Bundesrat.
21.22
Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundesministerin! Mit der Novelle zum Stromkostenzuschussgesetz erfolgt eine weitere sozial treffsichere Umsetzung und auch Ausweitung einer bereits in der ersten Phase angekündigten Maßnahme. Ich erinnere ganz kurz: Der Stromkostenzuschuss für private Haushalte trat mit Dezember 2022 in Kraft und gilt bis Mitte 2024. Es wird also schon eine längere Zeit lang eine Stromversorgungsgrundsicherung garantiert. Das wird vonseiten des Stromversorgers von den Teilrechnungen abgezogen – das haben wir bereits gehört – und wirkt damit inflationsbremsend.
Frau Kollegin Hahn, es tut mir leid: Das ist halt inflationsbremsend, das ist nun einmal so. Und wir reden im Moment gerade über Strom und nicht über Mehl oder sonst irgendetwas. (Bundesrätin Schumann: 11,1 Prozent Inflation!) Ich meine, es ist ein bisschen eigenartig: Jetzt passiert genau das, jetzt haben wir genau das, was Sie fordern, und dann reden Sie über die Preise für das Mehl. (Bundesrätin Hahn: 11 Prozent Inflation kann man nicht weglassen!)
Das sind im Schnitt 500 Euro pro Haushalt. Jetzt hat sich gezeigt, dass es unbeabsichtigterweise Haushalte gibt, die den Zuschuss nicht erhalten, weil sie den Strom nicht über ein Haushaltslastprofil – das ist eine technische Geschichte – beziehen. Sie sind also in einer anderen Tarifgruppe und nicht in einem Haushaltstarif. Das betrifft vor allem kleine – ich betone kleine – landwirtschaftliche Betriebe und kleine Gewerbebetriebe, bei denen es eben so ist, dass die Haushalte ihren Haushaltsstrom über das Gewerbe mitbeziehen. Das sind keine großen landwirtschaftlichen Unternehmen, das sind keine Industriebetriebe und nichts dergleichen. Damit ist das natürlich schon in der Grundausrichtung sozial treffsicher; es sind schon die Richtigen, die man da im Auge hat. Es gibt keinen Grund, Personen auszuschließen, das war auch nie beabsichtigt. Deswegen gibt es jetzt diese Korrektur. Die werden von Juni dieses Jahres bis Ende 2024 in den Genuss einer Stromkostenbremse in Form der genau gleichen Konstruktion einer Grundsicherung kommen.
So, und der zweite Punkt – das war schon angekündigt respektive im Gesetz verankert, aber es braucht halt ein bisschen Zeit, um das umzusetzen –: Das war der Stromkostenergänzungszuschuss. Ab der vierten Person sind das 105 Euro – das haben wir bereits gehört –, und das betrifft 700 000 Haushalte.
Auch da noch einmal ganz kurz zur Erinnerung: Das schöne Wort Stromkostenergänzungszuschuss enthält den Wortteil Ergänzung. Ergänzung wozu? – Gemeint ist eine Ergänzung zum Netzkostenzuschuss, und dieser beträgt 200 Euro pro Haushalt und ist sozial differenziert. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
Das will sagen, er gebührt eben genau jenen Haushalten, die gemäß Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz von den Förderbeiträgen befreit sind oder bestimmte Einkommensgrenzen, die eher großzügig justiert sind, einhalten können. Das bedeutet also in Summe im Durchschnitt alleine aufgrund dieses Gesetzes eine Entlastung von über 800 Euro für eine Familie.
Frau Kollegin Hahn (Bundesrätin Hahn: Ich höre!), ich nehme hiermit zur Kenntnis, dass Sie Leuten mit geringem Einkommen sagen, 800 Euro seien nichts. (Bundesrätin Hahn: Das habe ich ja nicht gesagt!) – Ja, es ist nur ein Zitat, das haben Sie so gesagt. (Bundesrätin Hahn: Nein! – Bundesrätin Schumann: Kollege Gross, 11,1 Prozent Inflation!) Also ich kenne auch Haushalte, die von Sozialhilfe leben müssen, und ich traue mich denen nicht zu sagen, 800 Euro seien nichts. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
Noch etwas zum Stromheizen: Stromheizen ist halt auch Heizen, und für das Heizen gibt es den Heizkostenzuschuss. Ich habe gerade vor einer halben Stunde ausführlich erklärt, dass der ohne Weiteres 700 Euro und mehr betragen kann. Damit kann man schon sehr, sehr viel an Kosten abdecken. Es liegt in den Händen der Länder, damit jetzt klug umzugehen.
Zweitens auch noch diese Anmerkung: Heizen mit Strom ist das Falscheste, was man tun kann. Man weiß seit 30 Jahren, dass das eine blanke Kostenfalle ist.
Immer wieder gibt es riesige Probleme mit Haushalten, die mit Strom heizen. Da sind die Geräte zwar billig, aber das Heizen ist natürlich extrem teuer. Da hilft nur Umrüsten, gar keine Frage: Raus aus dem System! Da gibt es vom Bund Förderungen, und ich erinnere auch da daran: Heizanlagen sind eigentlich Länderkompetenz. Eigentlich ist es ein Länderjob, die Umrüstung zu fördern. Der Bund tut es exzellent, aber auch da muss man sich, glaube ich, ein bisschen selber an der Nase nehmen.
Das Umrüsten ist also wichtig. In diesem Zusammenhang – weil wir auch landwirtschaftliche Betriebe angesprochen haben – muss man denen natürlich bei der Umrüstung helfen. Die Betriebshilfen für die Wirtschaft haben wir heute schon besprochen. Gerade diese Woche – nein, letzte Woche, ich bin mir selber nicht mehr sicher – ist ein Programm für energieautarke Bauernhöfe im Umfang von 100 Millionen Euro vorgestellt worden. Das ist schon etwas, oder? Da wird genau das gefördert, dass jetzt eben auch Bauernhöfe, nämlich vor allem auch kleine, die halt nicht so viel Kapital haben, das beanspruchen und sich unterstützen lassen können, um aus der Abhängigkeit rauszukommen, den Energieverbrauch zu reduzieren, auf E-Mobilität umzurüsten, Beleuchtung umzustellen und so weiter. Ziel muss es letztlich sein, sich von Unterstützungsmaßnahmen unabhängig zu machen, und das kann man nur, wenn man den Energieverbrauch senkt und aus der Nutzung fossiler Energieträger aussteigt, denn geschenkte Energie werden wir so schnell nicht mehr bekommen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
21.29
Präsident Günter Kovacs: Danke, Herr Bundesrat.
Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Leonore Gewessler. – Bitte, Frau Ministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrte Damen und Herren, ich
freue mich sehr, dass ich gleich bei der ersten Bundesratssitzung im neuen Saal bei Ihnen sein kann – noch dazu mit einem, glaube ich, sehr positiven Gesetzesantrag, den wir heute hier diskutieren.
Ich habe – so entnehme ich es auch der Debatte – mitbekommen, dass die Energiepreise und alles, was damit zusammenhängt, Sie hier heute natürlich auch schon beschäftigt haben. Und ja, die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine beschäftigten uns nicht nur im letzten Jahr, sondern auch im Jahr 2023.
Wir haben 2022 deswegen in der Bundesregierung, in diesem Haus gemeinsam eine Vielzahl von Unterstützungsmaßnahmen beschlossen, Maßnahmen, die allen Menschen zugutekommen: den Klimabonus, den Antiteuerungsbonus, die Steuersenkungen bei der Erdgas- und Elektrizitätsabgabe, die Befreiung von der Ökostrompauschale und dem Ökostromförderbeitrag, die Erhöhung der Pendlerpauschale und vieles mehr.
Wir haben Maßnahmen getroffen, die zielgerichtet denjenigen helfen, die es besonders brauchen, zum Beispiel mit dem Wohnschirm und dem Energieschirm aus dem Sozialministerium, mit der Indexierung der Sozialleistungen – das entspricht einer Forderung, auf deren Erfüllung wir alle viele, viele Jahre, eigentlich fast Jahrzehnte, hingearbeitet haben –, die diese Bundesregierung jetzt auf den Weg gebracht hat, und mit der Stromkostenbremse, die heute hier zur Diskussion steht.
Die Stromkostenbremse – und es ist jetzt schon in mehreren Redebeiträgen darauf eingegangen worden, wie das Grundkonzept wirkt – wirkt auf den Haushaltsstromverbrauch, also den Stromverbrauch eines Haushalts.
Die Heizungskosten sind davon unabhängig zu betrachten. Deswegen haben Sie ja auch im letzten Tagesordnungspunkt – danke dafür – den Heizkostenzuschuss auf den Weg gebracht, nicht nur für die Menschen, die mit Gas heizen – das ist nämlich in Österreich nicht die Mehrheit der Menschen –,
sondern auch für die, die mit einer Wärmepumpe, mit Erdwärme, mit einer Pelletheizung oder mit welchem anderen Heizsystem auch immer heizen. Für alle die, die es bei den Heizkosten wirklich brauchen, haben Sie gerade 500 Millionen Euro mit auf den Weg gebracht, die die Bundesländer zielgerichtet ausschütten können. Ich ermutige Sie alle, in Ihren Bundesländern die rasche Umsetzung mit voranzutreiben. (Beifall bei den Grünen.)
Worum geht es heute hier? – Finanzminister Magnus Brunner und ich haben bei der Präsentation der Stromkostenbremse schon damals gesagt: Ja, wir wissen, es gibt eine Reihe von Haushalten, die mehr als drei Personen haben! Wir müssen da ein zusätzliches Modell erarbeiten, damit wir diese Förderung auch treffsicher für die Haushalte, die sie tatsächlich brauchen – weil mehr Personen einen höheren Strombedarf haben –, umsetzen können!
Mit dem sogenannten Top-up-Modell, das in diesem Antrag steht, bekommen größere Haushalte, also ab der vierten Person, 105 Euro pro Person auf die im Schnitt 500 Euro pro Haushalt noch drauf.
Das Gute ist – und das ist in den vielen Redebeiträgen heute noch nicht vorgekommen –: Es ist gelungen – deswegen sind auch viele Akteure, Akteurinnen in die Abwicklung involviert –, dass die Hälfte der 700 000 Haushalte, die das betrifft, diese Entlastung ganz automatisch erhalten wird, das heißt direkt auf ihre Stromrechnung, ohne Antrag, ohne zusätzlichen Aufwand. Deswegen sind mehrere Stellen involviert, damit wir – danke auch insbesondere an den Digitalisierungsstaatssekretär – das automatisch und ohne Antrag für einen großen Teil der Haushalte abwickeln können. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Bader.)
Für all jene, bei denen das nicht automatisch möglich ist, wird es ab Mitte April ein Antragsmodell geben. Diejenigen, die Anträge stellen müssen – auch das ist in dem Gesetzentwurf festgelegt –, werden darüber auch informiert. Das heißt, wir wollen wirklich sicherstellen, dass jede und jeder, die oder der Anspruch auf diese Zusatzleistung hat, sie auch erhält.
Das ist ein weiterer Baustein in einer Vielzahl von Maßnahmen, die wir gesetzt haben, um abzufedern. Es ist aber auch klar: Wir brauchen genau dieselben Bausteine dafür, die zugrunde liegenden Probleme zu beheben, nämlich unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, unsere Abhängigkeit von Gas. Das tun wir – Bundesrat Gross hat es gerade ausgeführt – mit einer Vielzahl von Maßnahmen ebenso.
Heute geht es aber darum, einen weiteren Baustein der Entlastung auf den Weg zu bringen. Das macht für viele Familien, gerade größere Familien, einen großen Unterschied, und daher darf ich Sie auch um Ihre breite Zustimmung ersuchen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
21.34
Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesministerin.
Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen. (Ruf: Herr Arlamovsky! – Allgemeine Heiterkeit.)
Es liegt ein Antrag der Bundesräte Markus Steinmaurer, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Gerechtigkeit im Stromkostenzuschussgesetz herstellen!“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit.
Der
Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit
abgelehnt.
Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 (ElWOG 2010) geändert wird (1917 d.B. sowie 11170/BR d.B. und 11183/BR d.B.)
Präsident Günter Kovacs: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl. – Ich bitte sehr um Ihren Bericht.
Berichterstatterin MMag. Elisabeth Kittl, BA: Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 31.1.2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 geändert wird.
Der schriftliche Bericht liegt Ihnen vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.
Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag,
1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, und
2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen. – Danke.
Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Bundesrätin.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Stillebacher. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.
21.36
Bundesrat Christoph Stillebacher (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen im Bundesrat! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Drei Entlastungs- und Hilfspakete mit einem Mix aus kurz- und langfristigen Maßnahmen hat die Regierung vergangenes Jahr geschnürt. Diese sorgen für die Abfederung der gestiegenen Preise. Insgesamt rund 50 Milliarden Euro wurden da in die Hand genommen, um Familien, Haushalte und Unternehmen von der enormen Teuerungswelle zu entlasten.
Der Maßnahmenmix reicht von Einmalzahlungen über die Anhebung der Pendlerpauschale und die Vervierfachung des Pendlereuros bis hin zum Klimabonus, zu Energiezuschüssen, zur Steuerreform, zur Pensionserhöhung über der Inflationsrate und zur Abschaffung der kalten Progression, die seit einem Monat in Kraft ist.
Allein die Stromkostenbremse, die seit 1. Dezember in Kraft ist, bringt bis 2024 eine Entlastung in Höhe von 3,8 Milliarden Euro. Ein durchschnittlicher Haushalt in Österreich erspart sich dadurch 500 Euro jährlich. Einkommensschwache Haushalte werden sogar mit bis zu 700 Euro pro Jahr entlastet. Mit der Stromkostenbremse hat die Bundesregierung ein Instrument geschaffen, mit dem der österreichischen Bevölkerung schnell und unbürokratisch geholfen wird.
Durch den Energiekostenzuschuss wird der Wirtschaftsstandort in der Krisenzeit gestärkt und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sichergestellt. Dafür stehen heimischen Unternehmen 1,3 Milliarden Euro zur Verfügung.
Auch wurde ein Wohn- und Heizkostenzuschuss im Umfang von 500 Millionen Euro beschlossen. Damit wurde ein Schutzschirm für besonders hart getroffene Haushalte geschaffen.
Dazu kommen die Entlastung durch die ökosoziale Steuerreform um weitere 18 Milliarden Euro, die Abschaffung der kalten Progression mit einer
Gesamtentlastung von rund 20 Milliarden Euro bis 2026; die Pensionserhöhung mit einer Gesamtentlastung für Pensionist:innen im kommenden Jahr von rund 4 Milliarden Euro.
Mit dieser Steuerreform und den Entlastungspaketen bleibt den Menschen mehr Geld zum Leben. Damit wurde wie in keinem anderen Land in Europa gezielt und umfangreich reagiert und den Menschen und Betrieben spürbar geholfen.
Damit aber nicht genug: Zum Start ins neue Jahr beschloss der Nationalrat in seiner ersten regulären Plenarsitzung auch weitere Entlastungen. Dabei soll besonders jenen geholfen werden, die am stärksten mit den gestiegenen Energiepreisen zu kämpfen haben.
Die Teuerung hat Österreich nach wie vor fest im Griff, gerade bei den Energiekosten. Deshalb steht bei uns Entlastung und Unterstützung der Menschen und insbesondere der Familien ganz oben auf der Agenda, denn neben den bereits erwähnten Entlastungsmaßnahmen, die wir treffen, ist es uns natürlich auch ein großes Anliegen, weitere Belastungen einzudämmen.
Beim ElWOG geht es um die Abgeltung der Netzverlustkosten. Die durch Netzverluste aufgrund des massiven Anstieges der Großhandelspreise auf dem Strommarkt im Jahr 2023 entstehenden zusätzlichen Kosten für Haushalte und Unternehmen sollen weiter abgefedert werden.
Während für das erste Halbjahr ursprünglich eine Abgeltung von 60 Prozent der Mehrkosten vorgesehen war, soll nun sichergestellt werden, dass die Mehrkosten für die Beschaffung der Netzverlustenergie auch im zweiten Halbjahr 2023 für Stromkundinnen und Stromkunden deutlich verringert werden. Laut der zugrunde gelegten Berechnungen der E-Control entsteht im Jahr 2023 eine zusätzliche Kostenbelastung für Entnehmer in Höhe von 844 Millionen Euro. 80 Prozent dieser Mehrkosten wollen wir nun abfedern. Die für das erste Halbjahr bestehende Kostenentlastung von 173 Euro pro
Megawattstunde soll für das gesamte Jahr 2023 angehoben werden, was bei Netzverlustmengen von rund drei Terawattstunden für ein Jahr einer Kostenentlastung von 558 Millionen Euro entspricht. Ganz konkret heißt das, dass das Bundesbudget 80 Prozent der gestiegenen Kosten abfedert, und zwar für das ganze Jahr 2023 und nicht nur für ein halbes Jahr. Neben dem Aussetzen der Ökostrompauschale, neben dem Aussetzen des Ökostromförderbeitrages und der Stromkostenbremse stellen wir damit sicher, dass die Familien, die Haushalte Österreichs keine zusätzlichen Belastungen auf ihrer Stromrechnung haben. Ich bitte Sie daher um Ihre Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)
21.40
Präsident Günter Kovacs: Danke, Herr Bundesrat.
Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat – und Bürgermeister – Günther Novak. – Bitte, Herr Bundesrat.
Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Jetzt habe ich von so vielen Millionen Euro gehört. Im Grunde genommen baut meine Rede jetzt nur auf das Thema ElWOG auf. Wir wissen alle, dass wir aufgrund der Verwerfungen auf den Energiemärkten absurd hohe Strompreise haben. Verbunden mit dem starken Anstieg des Großhandelspreises am Strommarkt sind dann auch die Kosten und die Beschaffung von Netzverlustenergie signifikant angestiegen, und – das betrifft jetzt das ElWOG – die allgemeine Energiepreissteigerung hat auch da im gleichen Maße durchgeschlagen.
Gemäß ElWOG 2010 sind die Netzbetreiber für die Beschaffung der Transportverluste verantwortlich, und diese kaufen den Strom natürlich auch zu hohen Börsenpreisen zu, was wieder den Effekt nach sich zieht, dass diese Mehrkosten auf die einzelnen Haushalte abgewälzt werden. Bereits im Dezember – der Kollege hat es zuvor schon gesagt – wurde auf diese Entwicklung reagiert, sodass in der aktuellen Regelung im ersten Halbjahr
ein Zuschuss von 173 Euro pro Megawattstunde für die Beschaffung der Netzverlustenergie geleistet wurde.
Dadurch wird die Kostensteigerung, die sonst rund 100 Euro pro Haushalt und bei den Unternehmen mit höheren Netzkosten entsprechend mehr betragen würde, für diesen Zeitraum um 60 Prozent gemindert. Das war aber zu wenig und es hat sich gezeigt, dass diese Kompensation nicht ausreichend sein wird, denn die derzeit sinkenden Energiekosten werden bei den Endkunden nicht so schnell ankommen.
Um eine weitere Entlastung der Haushalte sicherzustellen, wurden 225 Euro für eine Megawattstunde auf eine Förderdauer für das gesamte Jahr 2023 vorgesehen. Das bedeutet immerhin einen Aufwand von 558 Millionen Euro. Daraus resultiert jedoch eine Abfederung der Mehrbelastung von 80 Prozent. Das ist auch gut so und bedeutet eine große Entlastung für die Haushalte und für die Unternehmen.
Auf Dauer aber kann eine Lösung wie die derzeitige doch nicht zielführend sein. Anstelle von Bezuschussung von großen Summen in dieser Art und Weise und mit Steuergeld muss die Problematik über eine reine Symptombekämpfung hinausgehend einer nachhaltigen, strukturellen Lösung zugeführt werden. Die SPÖ hat diesbezüglich, so habe ich das auch nachgelesen, bereits einen Entschließungsantrag im Nationalrat eingebracht.
Der Weg führt tatsächlich an einer systemischen und europarechtlich haltbaren Lösung nicht vorbei. An einer solchen gilt es nun vorrangig zu arbeiten, und ich habe auch gelesen, Frau Bundesministerin, dass Sie versprochen haben, etwas in diese Richtung zu tun. Derzeit ist noch keine solche Lösung in Sicht, aber es wird daran gearbeitet.
Abschließend vielleicht noch ein Satz: Wir wissen natürlich alle, und es sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass die Stromkosten in Zukunft nur durch den Ausbau der erneuerbaren Energie zu senken sind. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
21.44
Präsident Günter Kovacs: Danke, Herr Bundesrat.
Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Dr. Johannes Hübner. – Bitte schön, Herr Bundesrat.
Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Liebe Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegen! Was Kollege Novak gesagt hat, stimmt im Kern, aber ich muss trotzdem einiges zum Hintergrund des Ganzen sagen.
Er hat es schon genannt, die Summe, die da verpulvert wird, beträgt 558 Millionen Euro. Das betrifft aber nur die Subventionierung von 3 Prozent des gesamten österreichischen Stromverbrauchs, denn nur 3 Prozent ist dieser sogenannte Leitungsverlust. Man muss dazu aber sagen, die Summe ist ja schon gesenkt, ursprünglich waren 225 Euro pro Megawattstunde im Gespräch. Man hat in einem Antrag im Nationalrat in letzter Minute diese 225 Euro noch auf 173 Euro gesenkt, weil man gesehen hat, welche Gewinne man den Energieerzeugern dabei zuschanzt. (Bundesministerin Gewessler schüttelt den Kopf.) – Die Frau Minister schüttelt schon den Kopf, daher werde ich ein bisschen über Großhandelspreise und Erzeugerpreise reden.
Ich habe nachgesehen, in den letzten vier Kontrakten am österreichischen Strommarkt ist mit 120 Euro Gesamtgroßhandelspreis pro Megawattstunde gehandelt worden; und wir stützen da jede einzelne Megawattstunde für die Verluste mit 173 Euro, also fast 50 Prozent mehr als die Großhandelspreise ausmachen.
Die Erzeugerpreise in Österreich, zum Beispiel beim Verbund, der sich ja rühmt, 98 Prozent Wasserkraft zu produzieren, liegen in Österreich bei etwa 40 Euro pro Megawattstunde – 40 Euro pro Megawattstunde! –, bei Windkraftwerken ist es etwa das Doppelte, also 80, 85 Euro pro Megawattstunde. Das sind die Erzeugerpreise. Wir subventionieren – das ist ja nicht der Gesamterlös, den der Erzeuger bekommt – diesen Netzverlust mit 173 Euro, also entweder mit dem Vierfachen oder dem Doppelten des Erzeugerpreises, je nachdem ob es sich um Wasser- oder um Windkraft handelt.
Die große Frage ist daher, warum eine noch dazu grüne Ministerin nicht das Verlangen gestellt hat, hier eine staatliche Regelung für das, was man für die 3 Prozent Netzverluste vom Konsumenten verlangen kann, zu treffen, angesichts der enormen Gewinne, die die Erzeuger, vor allem die österreichischen Verbundgesellschaften gemacht haben. Man hat ja während des Jahres Großhandelspreise zwischen 400 und 700 Euro pro Megawattstunde gehabt, die Erzeugerpreise waren noch immer bei 40 Euro. Das heißt, die Gewinnmargen waren im Bereich von 1 000 Prozent und mehr. Statt der Verpflichtung, den Netzverlust zu den reinen Erzeugerpreisen oder überhaupt kostenlos zu ersetzen, sodass die 3 Prozent unentgeltlich zusätzlich geliefert werden müssen und daher beim Entnehmer des Stromes keine Kosten entstehen, hat man jetzt diese Paket entwickelt.
Wir werden trotzdem zustimmen, obwohl die Maßnahme geradezu absurd erscheint. Wir werden zustimmen, weil damit sichergestellt wird, dass den Konsumenten kein Schaden entsteht, denn man kann nicht verantworten, dass aus dem Nichthandeln oder aus den Versäumnissen der Bundesregierung in dieser Sache wiederum ein Schaden für den Stromkonsumenten entsteht. Deswegen werden wir zustimmen, aber mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass das nur deshalb erforderlich ist, weil man es meiner Ansicht nach grob fahrlässig unterlassen hat, in den letzten 12 Monaten irgendetwas gegen das völlige Versagen des Strommarktes und die exorbitanten Gewinne der Stromerzeuger zu unternehmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)
21.48
Präsident Günter Kovacs: Danke, Herr Bundesrat.
Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte, Herr Bundesrat.
Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundesministerin! Jetzt haben wir es dann
bald geschafft mit der Rednerliste. (Bundesrat Ofner: Danke! – Beifall des Bundesrates Spanring.)
Wir haben eine technisch klingende Maßnahme vor uns, eine Anpassung im ElWOG, aber mit sozialpolitischer Zielsetzung. Wir haben es gehört, es hat sich bereits im letzten Herbst abgezeichnet, dass die Netzverlustentgelte dieses Jahr sehr stark ansteigen werden – übrigens werden gerade die gesamten Netztarife in der neuen Verordnung geregelt und warten letztlich auf diesen Beschluss –, weil die Großhandelspreise eben auch für die Netzverlustenergie entsprechend gestiegen sind.
Das ist eine eigene Tarifkategorie. Es ist halt leider nicht so, Herr Kollege, dass, wenn im Moment die Preise für die Futures sinken, sich das sofort morgen auf die Tarife auswirkt. So funktioniert halt der Strommarkt leider nicht. (Bundesrat Ofner: Ich bin froh, dass die Grünen erklären können, wie der Strommarkt funktioniert!) Angemerkt sei schon auch noch, daran möchte ich Sie erinnern, dass wir – wann war das? (erheitert in Richtung Bundesministerin Gewessler), im Herbst, glaube ich, oder war es im Sommer, ich weiß es schon nicht mehr – ein Gesetz beschlossen haben, das die Übergewinne abschöpft.
Das ist schon wichtig, um dem entgegenzuwirken, dass letztlich auf Kosten der Kunden Profite gemacht werden. Dieses Geld wird bundesseitig abgeschöpft und kann für entsprechende Maßnahmen zur Kostendämpfung, zum weiteren Ausbau und so weiter verwendet werden. Das ist doch auch ein Gesetz, das wahrscheinlich noch vor einem Dreivierteljahr niemand für möglich gehalten hätte. Ziel dieser Bestimmung ist nun, 80 Prozent des Anstiegs abzufangen, auch das ist inflationsmindernd. Nebenbei, weil wir das eben schon hatten: Das geht an die Netzbetreiber, sprich die Kundinnen und Kunden am Netz erfahren schon einen reduzierten Tarif. Das ist vor allem für die Haushalte wichtig. Warum ist das so? – Das hat einen technischen Hintergrund: weil die Netzverluste auf der Netzebene 7 – das sind wir alle, in den Haushalten – am höchsten sind. Deswegen ist es dort auch am relevantesten
und deswegen wirkt diese Bestimmung bei den Haushalten am stärksten. (Unruhe im Saal. – Präsident Kovacs gibt das Glockenzeichen.)
Viele andere Details lasse ich jetzt weg, das hat Kollege Novak, wie ich finde, sehr gut erklärt, das wiederhole ich nicht mehr. Es ist sehr schön, dass das nun gelingen wird. Es ist ja nicht das Einzige, was gemacht wird. Ich möchte nur noch kurz daran erinnern: Eine der zentralen Strategien, um aus diesem Preisdilemma herauszukommen, ist der Ausbau erneuerbarer Energieträger. Da gibt es bekanntermaßen das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, den Green Deal und eine ganze Reihe von Maßnahmen auf europäischer Ebene. Die Idee dahinter ist eben, Gas und Kohle aus der Meritorderliste hinauszuschieben, sodass diese teuren Erzeugungskapazitäten nicht mehr preisbestimmend werden. Das ist langfristig ganz wichtig, so notwendig es wäre, das Preisbildungsprinzip zu ändern, da sind wir uns eh einig; das ist aber leider nicht so simpel. Auch dafür hat sich allerdings das BMK eingesetzt.
Man kann wirklich – auch im Anschluss an die Debatte, die wir heute schon hatten – nicht sagen, dass alles, was bei dem ganzen Energie- und Klimathema im Verantwortungsbereich des BMK liegt, nicht hochintensiv mit der sozialpolitischen Frage verknüpft wird; das geschieht wirklich mit großem Engagement für diese Anliegen. Das darf man schon auch einmal sagen, finde ich: Wenn es überall so gut funktionieren würde wie im Energiebereich, dann hätten wir doch ein paar Probleme weniger. – Danke. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie des Bundesrates Novak.)
21.52
Präsident Günter Kovacs: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Leonore Gewessler. – Bitte, Frau Ministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Das ist ein weiterer Baustein, um dazu beizutragen, dass die Menschen in Österreich wieder leichter mit dem Geld auskommen. Wovon wir bei der
Abgeltung der Netzverlustentgelte reden, hat tatsächlich Herr Abgeordneter Novak schon umfassend erklärt. Ich möchte auf ein paar Teile der Debatte und eine Fragestellung eingehen.
Der erste Punkt ist: Ja, es stimmt, die Preise auf den Großhandelsmärkten sinken wieder. Das ist ein Resultat dessen, was im letzten Jahr in zwölf Energieminister- und -ministerinnenräten auf EU-Ebene passiert ist, der Beschlüsse, die dort gefallen sind, und der Maßnahmen, die wir auf nationaler Ebene gesetzt haben. Es ist aber nicht das Ende der Fahnenstange, eine Reform des Strommarktes auf europäischer Ebene ist für dieses Jahr ankündigt, nämlich für März – auf Vorschlag der Europäischen Kommission. Da werden wir uns natürlich intensiv in die Diskussion auf europäischer Ebene einbringen, wie wir es auch im ganzen letzten Jahr gemacht haben.
Das Zweite ist: Auch wenn die Preise auf den Großmärkten sinken, heißt das nicht, dass das automatisch und sofort bei den Tarifen ankommt. (Ruf bei der FPÖ: Wissen wir eh!) Insbesondere gilt das für die Netzverlustentgelte. Die Netzverlustentgelte werden im unabhängigen Wirkungsbereich der Strommarktregulierungsbehörde, der E-Control, festgelegt. Ohne dieses Gesetz wäre die E-Control verpflichtet, auch die Stromverlustentgelte, die sie natürlich prüft und abrechnet, die am Ende des Jahres aufgerollt werden und natürlich nur nach tatsächlichen Kosten und nicht nach Gewinnen abgerechnet werden, weiterzugeben. Deshalb bin ich froh, dass im Dezember 2022 mit einer Novelle des ElWOG das Parlament beschlossen hat und auch Sie hier im Bundesrat beschlossen haben, einen guten Teil dieser Mehrkosten zu übernehmen. Mit der Novelle, die heute am Tisch liegt, können wir den Anteil der Kostenübernahme noch einmal auf 80 Prozent steigern.
Ganz konkret heißt das, dass sich ein durchschnittlicher Haushalt dadurch Mehrkosten in der Höhe von 60 Euro erspart. Das ist eine Entlastung, die zu den vielen anderen, die wir gerade diskutiert haben, dazukommt. Ein mittelständisches Unternehmen mit neun Gigawattstunden Jahresverbrauch –
wie die gerade in den Parlamentsdebatten ganz oft zitierten Bäckereien und die Bäckereiketten – spart sich dadurch Mehrkosten von 50 000 Euro.
Ich kann Ihnen versichern – und das geht auch in Richtung des Antrages der SPÖ im Nationalrat, auf den Herr Abgeordneter Novak hingewiesen hat –: Ja, wir haben einen gemeinsamen Antrag beschlossen, uns die Netzverlustentgeltkosten auch systemisch anzuschauen. Wir stehen dazu. Meine Experten und Expertinnen im Ministerium arbeiten daran. Wir werden auch die Energiesprecher und -sprecherinnen im Nationalrat zu Gesprächen einladen. Es ist aber leider nicht ganz trivial, eine unionsrechtlich haltbare Lösung zu erarbeiten, die auch nachhaltig wirkt. Auch wenn wir die im ersten Halbjahr noch vorlegen und diskutieren, muss sie parlamentarisch beschlossen, notifiziert und begutachtet werden.
Das heißt, wir wollten mit dieser Regelung einfach sicherstellen, dass wir die Menschen für das ganze Jahr und nicht nur fürs erste Halbjahr unterstützen, und deswegen darf ich Sie an dieser Stelle wirklich sehr herzlich um Ihre breite Zustimmung zu diesem Gesetz ersuchen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Novak.)
21.56
Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Ministerin.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir gelangen nun zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.
Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 B-VG und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.
Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.
Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.
Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG, die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.
Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.
Die Tagesordnung ist erschöpft. (Rufe bei ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grünen: Ja! – Allgemeine Heiterkeit.)
Präsident
Günter Kovacs: Ich gebe noch
bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung
insgesamt 13 Anfragen,
4070/J-BR/2023 bis 4082/J-BR-2023, eingebracht wurden.
Eingelangt sind weiters:
der Entschließungsantrag 363/A(E)-BR/2023 der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Änderung des Tabakmonopolgesetz 1996 und des Bundesvergabegesetz Konzessionen 2018 – BVergGKonz 2018“, der dem Finanzausschuss zugewiesen wird,
der Entschließungsantrag 364/A(E)-BR/2023 der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „‚Die Zukunft der Trafiken ist in Gefahr!‘ – Forderungspaket der Trafikanten an die türkis-grüne Bundesregierung“, der dem Finanzausschuss zugewiesen wird,
und der Gesetzesantrag 365/A-BR/2023 der Bundesräte MMag. Karl-Arthur Arlamovsky, Mag. Sascha Obrecht, Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird,
sowie die Petition Nummer 51 überreicht von Bundesrätin Alexandra Platzer, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Entlastung des ÖBB-Parkdecks in Wels“, die dem Ausschuss für Bürger:innenrechte und Petitionen zugewiesen wird.
*****
Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 16. März 2023, um 9 Uhr in Aussicht genommen.
Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.
Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 14. März 2023, um 14 Uhr, vorgesehen.
Die Sitzung ist geschlossen.
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