Stenographisches Protokoll

7. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 6. März 2003

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

7. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode                 Donnerstag, 6. März 2003


Dauer der Sitzung

Donnerstag, 6. März 2003: 9.01 – 21.08 Uhr

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Tagesordnung

Erklärung der Bundesregierung

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Inhalt

Nationalrat

Mandatsverzicht der Abgeordneten Dr. Martin Bartenstein, Dr. Dieter Böhmdorfer, Dr. Benita Ferrero-Waldner, Dr. Alfred Finz, Elisabeth Gehrer, Mag. Herbert Haupt, Mag. Helmut Kukacka, Franz Morak, Maria Rauch-Kallat, Dr. Wolfgang Schüssel und Mag. Karl Schweitzer ............ 9

Angelobung der Abgeordneten Johannes Zweytick, Susanne Weg­scheider, Carina Felzmann, Herta Mikesch, Dr. Reinhold Lopatka, Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler, Gabriele Tamandl, Mag. Peter Michael Ikrath, Elmar Lichtenegger, Detlev Neudeck und Anton Wattaul ....... 10

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................. 9

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung ........................................................................................... 12

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................... 101

Bundesregierung


Nationalrat, XXII.GP
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7. Sitzung / Seite 2

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel betreffend Amts­ent­hebung der mit der Fortführung der Verwaltung betrauten Bundesregie­rung sowie der Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Ar­beit, des Staatssekretärs im Bundeskanzleramt, des Staatssekretärs im Bun­­des­ministerium für Finanzen und des Staatssekretärs im Bundes­ministe­rium für soziale Sicherheit und Generationen durch den Bundespräsidenten .......................................................................................... 10

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel betreffend Ernen­nung seiner Person zum Bundeskanzler, von Mag. Herbert Haupt zum Vize­­kanzler und Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen, von Dr. Benita Ferrero-Waldner zur Bundesministerin für auswärtige Ange­le­­gen­heiten, von Elisabeth Gehrer zur Bundesministerin für Bildung, Wis­senschaft und Kultur, von Mag. Karl-Heinz Grasser zum Bundes­minister für Fi­nanzen, von Dr. Ernst Strasser zum Bundesminister für Inneres, von Dr. Dieter Böhmdorfer zum Bundesminister für Justiz, von Dipl.-Ing. Josef Pröll zum Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Was­ser­wirtschaft, von Günther Platter zum Bundesminister für Landesver­tei­di­gung, von Hubert Gorbach zum Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, von Dr. Martin Bartenstein zum Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, von Maria Rauch-Kallat zur Bundesministerin ohne Portefeuille, von Franz Morak zum Staatssekretär zur Unterstützung in der Ge­schäfts­führung und zur parlamentarischen Vertretung, von Mag. Karl Schweitzer zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Ver­tre­tung, von Dr. Alfred Finz zum Staatssekretär zur Unterstützung in der Ge­­schäfts­führung und zur parlamentarischen Vertretung des Bundesminis­ters für Finanzen, von Mag. Helmut Kukacka zum Staatssekretär zur Unter­stützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung des Bun­desministers für Verkehr, Innovation und Technologie, von Ursula Haub­­­ner zur Staatssekretärin zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung des Bundesministers für soziale Si­cher­­heit und Generationen sowie von Universitätsprofessor Dr. Reinhart Wa­neck zum Staatssekretär zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung der Bundesministerin Maria Rauch-Kallat sowie Betrauung seiner Person mit der vorläufigen Leitung des Bundes­ministeriums für öffentliche Leistung und Sport durch den Bundes­präsiden­ten ............................... 10

Ausschüsse

Zuweisung ...................................................................................................... 12

Verhandlungen

Erklärung der Bundesregierung ......................................................................... 13

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel .......................................................... 13

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 der Geschäfts­ord­nung ...... 13

Redner:

Dr. Alfred Gusenbauer .............................................................................. 29

Mag. Wilhelm Molterer ............................................................................. 33

Dr. Alexander Van der Bellen .................................................................... 73

Dr. Andreas Khol (tatsächliche Berichtigung) ............................................... 78

Herbert Scheibner ..................................................................................... 78

Vizekanzler Mag. Herbert Haupt ............................................................... 83

Michaela Sburny (tatsächliche Berichtigung) ............................................... 88

Dr. Josef Cap ............................................................................................ 88

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll .................................................................... 92

MMag. Dr. Madeleine Petrovic .................................................................. 95

Mag. Dr. Magda Bleckmann ..................................................................... 99

Bundesministerin Elisabeth Gehrer ......................................................... 103

Dr. Caspar Einem (tatsächliche Berichtigung) ............................................ 105

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer .................................................... 105

Mag. Barbara Prammer ........................................................................... 107


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7. Sitzung / Seite 3

Dr. Michael Spindelegger ....................................................................... 109

Dr. Eva Glawischnig ................................................................................ 112

Dr. Helene Partik-Pablé ........................................................................... 115

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser ................................................. 117

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................... 119

Friedrich Verzetnitsch ............................................................................. 120

Fritz Grillitsch ......................................................................................... 122

Karl Öllinger ........................................................................................... 123

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (tatsächliche Berichtigung) ........................ 124

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann ................................................................ 125

Bundesminister Dr. Ernst Strasser ........................................................... 126

Bundesminister Hubert Gorbach ............................................................. 127

Doris Bures ............................................................................................. 129

Karlheinz Kopf ........................................................................................ 131

Mag. Gisela Wurm (tatsächliche Berichtigung) ........................................... 132

Dr. Evelin Lichtenberger ......................................................................... 132

Mag. Eduard Mainoni ............................................................................. 134

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner ......................................... 135

Bundesminister Günther Platter ............................................................... 137

Dr. Christoph Matznetter ......................................................................... 138

Ridi Steibl ............................................................................................... 140

Mag. Ulrike Lunacek ............................................................................... 141

Dr. Reinhard Eugen Bösch ...................................................................... 143

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat ...................................................... 144

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll ....................................................... 145

Josef Broukal .......................................................................................... 146

Jakob Auer ............................................................................................. 148

Dr. Kurt Grünewald ................................................................................. 149

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ........................................................................... 151

Heidrun Silhavy ...................................................................................... 152

Mag. Walter Tancsits ............................................................................... 153

Mag. Werner Kogler ................................................................................ 155

Sigisbert Dolinschek ............................................................................... 156

Dr. Caspar Einem .................................................................................... 157

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ............................................................... 159

Theresia Haidlmayr ................................................................................. 160

Mares Rossmann ..................................................................................... 162

Peter Schieder ........................................................................................ 163

Mag. Karin Hakl ...................................................................................... 165

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber ................................................................ 166

Klaus Wittauer ................................................................................  167, 207

Mag. Gisela Wurm .................................................................................. 169

Ing. Hermann Schultes ............................................................................ 170

Heidemarie Rest-Hinterseer ..................................................................... 172

Barbara Rosenkranz ................................................................................ 173

Rudolf Parnigoni ..................................................................................... 174

Dr. Erwin Rasinger .................................................................................. 176

Dieter Brosz ............................................................................................ 177

Josef Bucher ........................................................................................... 179

Dr. Johannes Jarolim .............................................................................. 180

Walter Murauer ....................................................................................... 182

Dr. Gabriela Moser .................................................................................. 183

Anton Wattaul ......................................................................................... 184

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................ 185

Dr. Gertrude Brinek ................................................................................. 186

Sabine Mandak ..............................................................................  188, 217

Elmar Lichtenegger ................................................................................ 189


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7. Sitzung / Seite 4

DDr. Erwin Niederwieser ......................................................................... 190

Georg Keuschnigg .................................................................................. 191

Michaela Sburny ..................................................................................... 192

Detlev Neudeck ................................................................................... ... 193

Heinz Gradwohl ...................................................................................... 193

Silvia Fuhrmann ..................................................................................... 194

Dipl.-Ing. Elke Achleitner ........................................................................ 195

Mag. Christine Muttonen ......................................................................... 196

Wolfgang Großruck ................................................................................ 197

Dr. Peter Wittmann .................................................................................. 199

Maximilian Walch ................................................................................... 200

Anton Gaál ............................................................................................. 202

Mag. Dr. Josef Trinkl .............................................................................. 203

Gabriele Heinisch-Hosek ......................................................................... 204

Karl Freund ............................................................................................. 205

Manfred Lackner ..................................................................................... 206

Kurt Eder ................................................................................................ 208

Mag. Christine Lapp ................................................................................ 209

Mag. Johann Maier ................................................................................. 210

Mag. Hans Moser .................................................................................... 211

Mag. Ulrike Sima .................................................................................... 212

Kai Jan Krainer ....................................................................................... 213

Karl Dobnigg .......................................................................................... 214

Mag. Kurt Gaßner ................................................................................... 216


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7. Sitzung / Seite 5

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung des Regie­rungs­programms der österreichischen Bundesregierung für die XXII. Gesetz­ge­bungs­periode – Annahme (E 2) ...........................................  37, 218

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger, Dr. Rein­­hard Eugen Bösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Irak-Krise – Annahme (E 3) ................  111, 218

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein entsprechend ausgestaltetes Kontroll­stellen­netz für den LKW-Verkehr – Ablehnung  134, 218

Entschließungsantrag der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Valorisierung des Pflegegeldes – Ableh­nung ............................................  161, 218

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Schieder, Mag. Ulrike Lu­nacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Irak-Krise – Ablehnung ............................................................  164, 218

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kollegin­nen und Kollegen betreffend umgehenden Abbruch der Abfangjäger-Be­schaf­fung – Ablehnung ...............  177, 218

Entschließungsantrag der Abgeordneten Sabine Mandak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Quotierung der Familienzusam­men­führung – Ablehnung ......................  189, 218

Entschließungsantrag  der  Abgeordneten  Anton  Gaál,  Kolleginnen  und Kol­legen  betreffend  Beschaffungsstopp  für  Kampfflugzeuge   –  Ableh­nung ...........................  202, 219

Entschließungsantrag der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Schaffung einer Sonderquote für die Familien­zusammenführung – Ablehnung  214, 219

Eingebracht wurden

Berichte ........................................................................................................ 12

Zu III-1: Berichtigung des Tätigkeitsberichtes (III-1 d. B.) über das Verwal­tungs­jahr 2001; Rechnungshof

III-15: Bericht über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion im Jahr 2001; BM f. Wirt­schaft und Arbeit

Anträge der Abgeordneten

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform des Lebens­mittelgesetzes und seiner Vollziehung (61/A) (E)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Valorisierung des Pfle­gegeldes (62/A) (E)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend klare Regelung über Zu- und Abschläge bei Richtwertmieten im Mietvertrag (63/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rückerstattung der Mehr­wert­steuer für Feuerwehren und Wohlfahrtsorganisationen bei der Anschaf­fung neuer Gerätschaften (64/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Novellierung des Straf­recht­lichen Entschädigungsgesetzes (StEG) (65/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung von Salz­burger Sportveranstaltungen und Sportstätten im Sinne des Memorandums der Salz­burger Landesregierung an die neue Bundesregierung (66/A) (E)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehramtszeugnis für Behin­derte (67/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage eines „Anti-Do­ping-Gesetzes“ (68/A) (E)

Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (Bun­desministeriengesetz-Novelle 2003) (69/A)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Kurt Gaßner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Verbesserungen des Hoch­wasserschutzes in Österreich (149/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für aus­wär­tige Angelegenheiten betreffend von Österreich umzusetzende EU-Richtlinien (150/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend von Österreich umzusetzende EU-Richtlinien (151/J)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für aus­wärtige Angelegenheiten betreffend Verkauf des Pariser Kulturinstitutes (152/J)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Verkauf des Pariser Kulturinstitutes (153/J)


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7. Sitzung / Seite 6

Josef Broukal, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wis­senschaft und Kultur betreffend gesetzwidrige Bestellung von DI Helmut Krü­nes als Regierungsvertreter in den Universitätsrat der TU Wien sowie Verdacht auf verfassungswidrige Bestellung aller Universitätsräte (154/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Anträge auf EU-weite Zulas­sung von Gentech-Pflanzen (155/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Anträge auf EU-weite Zulassung von Gentech-Pflanzen (156/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Aussage des AMA-Marketingchefs, der Bioplafond sei erreicht (157/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend „Anerkennung des Internationalen Kran­ken­scheines – Einhaltung von Sozialversicherungsabkommen“ (158/J)

Stefan Prähauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Kosten der Eurofighter (159/J)

Stefan Prähauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kosten der Eurofighter (160/J)

Stefan Prähauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend Kosten der Eurofighter (161/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Bericht des Euro­päischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF und Österreich)“ (162/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend „Kroatien für Investoren kein Paradies?“ (163/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für aus­wär­tige Angelegenheiten betreffend „Kroatien für Investoren kein Paradies?“ (164/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend „Steuerschulden von Unternehmern in Österreich für 2002“ (165/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend „Strafrechtliches Entschädigungsgesetz (StEG)“ (166/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Schadstoffemissionen der LKW-Type Euro 2 (167/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Schaffung des Bahnhofs Wien als Zentralbahn­hof (168/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Schließung des Jugendgerichtshofes in Wien (169/J)


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7. Sitzung / Seite 7

Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Auszahlung der Mittel für die Aussiedlung von Hoch­was­seropfern (170/J)

Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Planstellenwahrheit bei den BPDs (171/J)

Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend die Auszahlung der Mittel für Hochwasseropfer (172/J)

Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Ar­beit betreffend die Umsetzung der im September 2002 beschlossenen Lehrstel­len­förderung (173/J)

DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Verschiebung der Einführung der elektronischen LKW-Maut (174/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend aktuelle Probleme im Bereich des Zivildienstes (175/J)

DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend verbesserte Datenlage über das Bil­dungssystem als Grundlage für Reformen (176/J)

Rainer Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Probleme in der Tourismusregion Salzkammergut/Feuer­kogel (177/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Vorschläge der EU-Kommission zur Koexistenz gentechnisch veränderter und nicht veränderter Kulturen (178/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Vorschläge der EU-Kommission zur Koexistenz gentechnisch veränderter und nicht ver­än­derter Kulturen (179/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Untersu­chungen von Saatgut auf gentechnisch veränderte Organismen (GVO) (180/J)

Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die Klags­drohung der Firma Lecon Technische Konstruktionen & Design GesmbH gegen­über den steirischen Lipizzanerwirten, dem Tourismusverband „Lipizzanerheimat“, den Organisatoren des Lipizzanerlaufes sowie den burgenländischen Lipizzaner-Win­zern und weiteren in Zusammenhang mit den Markenrechten auf die Bezeich­nung „Lipizzaner“ (181/J)

Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Klagsdrohung der Firma Lecon Technische Konstruktio­nen & Design GesmbH gegenüber den steirischen Lipizzanerwirten, dem Touris­mus­verband „Lipizzanerheimat“, den Organisatoren des Lipizzanerlaufes sowie den burgenländischen Lipizzaner-Winzern und weiteren in Zusammenhang mit den Markenrechten auf die Bezeichnung „Lipizzaner“ (182/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Aufruf der


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7. Sitzung / Seite 8

Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit zum Einsatz von Pestiziden bei Rapskulturen (183/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Aufruf der Agentur für Gesund­heit und Ernährungssicherheit zum Einsatz von Pestiziden bei Rapskulturen (184/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Anfrage 11/J, „Actimelwerbung im Fern­sehen“ (185/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen (16/AB zu 21/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (17/AB zu 16/J)

 


 


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7. Sitzung / Seite 9

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweiter Präsident Dr. Heinz Fischer, Dritter Präsi­dent Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.

*****


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Sitzung ist eröffnet. – Ich bitte die Damen und Herren Abge­ordneten, ihre Plätze einzunehmen.

Ich begrüße den Herrn Bundespräsidenten sehr herzlich in unserer Mitte! (Allgemeiner Beifall.)

Ich begrüße Sie alle, meine Damen und Herren, vor allem die heute ihren Amtseid leistenden neuen Damen und Herren Abgeordneten zum Nationalrat und ihre Angehörigen.

Die Amtlichen Protokolle der 5. und 6. Sitzung vom 26. Februar 2003 sind in der Parlaments­direktion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Stoisits und Dipl.-Ing. Klaus Hubert Auer.

Mandatsverzicht und Angelobung


Präsident Dr. Andreas Khol: Von der Bundeswahlbehörde sind die Mitteilungen eingelangt, dass die Abgeordneten Dr. Martin Bartenstein, Dr. Dieter Böhmdorfer, Dr. Benita Ferrero-Wald­ner, Dr. Alfred Finz, Elisabeth Gehrer, Mag. Herbert Haupt, Mag. Helmut Kukacka, Franz Morak, Maria Rauch-Kallat, Dr. Wolfgang Schüssel und Mag. Karl Schweitzer auf ihre Mandate verzichtet haben.

Anstelle des Abgeordneten Bartenstein wurde der Abgeordnete Johannes Zweytick, anstelle des Abgeordneten Böhmdorfer der Abgeordnete Anton Wattaul und anstelle der Abgeordneten Ferrero-Waldner die Abgeordnete Herta Mikesch in den Nationalrat berufen.

Das Mandat des Abgeordneten Dr. Alfred Finz wurde der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgart­ner-Gabitzer zugewiesen. Das dadurch frei gewordene Mandat der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer erhielt die Abgeordnete Christine Marek. Das frei gewordene Mandat der Abgeordneten Christine Marek erhielt die Abgeordnete Gabriele Tamandl.

Das frei gewordene Mandat der Abgeordneten Elisabeth Gehrer erhielt der Abgeordnete Dr. Reinhold Lopatka; das frei gewordene Mandat des Abgeordneten Mag. Herbert Haupt der Abgeordnete Elmar Lichtenegger.

Weiters wurde auf das frei gewordene Mandat des Abgeordneten Mag. Helmut Kukacka die Abgeordnete Susanne Wegscheider, auf das frei gewordene Mandat des Abgeordneten Franz Morak die Abgeordnete Carina Felzmann und auf das frei gewordene Mandat der Abgeordne­ten Maria Rauch-Kallat der Abgeordnete Mag. Walter Tancsits berufen. Das dadurch frei ge­wordene Mandat des Abgeordneten Mag. Walter Tancsits erhielt der Abgeordnete Mag. Peter Michael Ikrath.

Darüber hinaus wurde anstelle des Abgeordneten Dr. Wolfgang Schüssel der Abgeordnete Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler und anstelle des Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer der Abgeordnete Detlev Neudeck in den Nationalrat berufen.

Da die Wahlscheine bereits vorliegen und die Genannten im Hause anwesend sind, werde ich sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel und über Namensaufruf durch den Schriftführer werden die neuen Mandatare ihre Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten haben.


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7. Sitzung / Seite 10

Ich bitte nunmehr den Schriftführer, Herrn Abgeordneten Jakob Auer, um die Verlesung der Ge­löbnisformel und den Namensaufruf.


Schriftführer Jakob Auer: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Öster­reich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

Über Namensaufruf durch den Schriftführer Auer leisten die nachstehend angeführten Abgeord­neten die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“:

Johannes Zweytick, Susanne Wegscheider, Carina Felzmann, Herta Mikesch, Dr. Reinhold Lopatka, Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler, Gabriele Tamandl, Mag. Peter Michael Ikrath, Elmar Lichtenegger, Detlev Neudeck und Anton Wattaul.


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich begrüße die neuen Abgeordneten herzlich in unserer Mitte und wünsche ihnen in ihrem verantwortungsvollen Amt viel Freude und viel Erfolg. (Allgemeiner Beifall.)

Einlauf


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich darf dem Hohen Haus folgende Mitteilung machen:

Vom Herrn Bundeskanzler ist ein Schreiben betreffend die Amtsenthebung der Bundesregie­rung eingelangt, das lautet:

„Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 28. Feb­ruar 2003, GZ 300.000/3-BEV/03, die mit der Führung der Verwaltung betraute Bundesregie­rung sowie die Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, den Staats­sekretär im Bundeskanzleramt, den Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen und den Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen vom Amt entho­ben hat.

Mit besten Grüßen

Wolfgang Schüssel“

Dient zur Kenntnis.

*****

Ich nutze diese Gelegenheit, um den Mitgliedern der Bundesregierung sowie den Staatssekre­tären ein herzliches Wort des Dankes und der Anerkennung für ihre Tätigkeit im Dienste der Republik Österreich auszusprechen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

*****

Es liegt mir weiters ein Schreiben des Herrn Bundeskanzlers betreffend die Ernennung der Mit­glieder der Bundesregierung vor. Dieses lautet:

„Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beehre mich mitzuteilen, dass mich der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 28. Februar 2003, GZ 300.000/2-BEV/03, gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsge­setz zum Bundeskanzler ernannt hat.

 


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7. Sitzung / Seite 11

Weiters hat der Herr Bundespräsident gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz auf meinen Vorschlag ernannt:

Mag. Herbert Haupt zum Vizekanzler und Bundesminister für soziale Sicherheit und Genera­tionen

Dr. Benita Ferrero-Waldner zur Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten

Elisabeth Gehrer zur Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur

Mag. Karl-Heinz Grasser zum Bundesminister für Finanzen

Dr. Ernst Strasser zum Bundesminister für Inneres

Dr. Dieter Böhmdorfer zum Bundesminister für Justiz

Dipl.-Ing. Josef Pröll zum Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasser­wirtschaft

Günther Platter zum Bundesminister für Landesverteidigung

Hubert Gorbach zum Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

Dr. Martin Bartenstein zum Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit

sowie in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 1 B-VG

Maria Rauch-Kallat zur Bundesministerin ohne Portefeuille.

Ferner hat der Herr Bundespräsident gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz

Franz Morak zum Staatssekretär ernannt und ihn mir zur Unterstützung in der Geschäfts­führung und zur parlamentarischen Vertretung beigegeben,

Mag. Karl Schweitzer zum Staatssekretär ernannt und ihn mir zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung beigegeben,

Dr. Alfred Finz zum Staatssekretär ernannt und ihn zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung dem Bundesminister für Finanzen beigegeben,

Mag. Helmut Kukacka zum Staatssekretär ernannt und ihn zur Unterstützung in der Geschäfts­führung und zur parlamentarischen Vertretung dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie beigegeben,

Ursula Haubner zur Staatssekretärin ernannt und sie zur Unterstützung in der Geschäfts­führung und zur parlamentarischen Vertretung dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen beigegeben,

Univ.-Prof. Dr. Reinhart Waneck zum Staatssekretär ernannt und ihn zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung der Bundesministerin Maria Rauch-Kallat beigegeben.

Schließlich hat der Herr Bundespräsident gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Arti­kel 77 Absatz 4 Bundes-Verfassungsgesetz bis zu einer Änderung des Bundesministeriengeset­zes mich mit der vorläufigen Leitung des Bundesministeriums für öffentliche Leistung und Sport betraut.

Mit besten Grüßen

Wolfgang Schüssel“

*****


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Ich wünsche allen Mitgliedern der Bundesregierung sowie den Staatssekretären den besten Erfolg für ihre Arbeit im Dienste der Republik Österreich. – Alles Gute, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Einlauf und Zuweisungen


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 149/J bis 157/J.

2. Anfragebeantwortungen: 16/AB und 17/AB.

3. Ergänzung oder Änderung von Regierungsvorlagen oder Berichten:

Berichtigung des Tätigkeitsberichtes (III-1 der Beilagen) des Rechnungshofes über das Verwal­tungsjahr 2001 (Zu III-1 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion im Jahr 2001 (III-15 der Beilagen).

*****


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung


Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Gestaltung der Debatte über die Erklärung der Bundesregierung erzielt.

Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 10 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich fol­gende Redezeiten ergeben: Österreichische Volkspartei und Sozialdemokratische Partei je 175 Minuten, Freiheitliche Partei 120 Minuten sowie Grüne 130 Minuten.

Für die Übertragung der Sitzung durch den ORF in der Zeit von 9.05 Uhr bis 17.00 Uhr wurde folgende Redezeitvereinbarung getroffen, die ich auch bei Regierungsmitgliedern überwachen werde: Bundeskanzler: 70 Minuten, je eine Wortmeldung pro Fraktion à 20 Minuten, Vize­kanzler: 20 Minuten, je eine Wortmeldung pro Fraktion à 15 Minuten, Regierungsmitglied oder Regierungsmitglieder 10 Minuten, je eine Wortmeldung pro Fraktion à 10 Minuten, Regierungs­mitglied oder Regierungsmitglieder 10 Minuten, je eine Wortmeldung pro Fraktion à 5 Minuten, Regierungsmitglied oder Regierungsmitglieder 10 Minuten, je eine Wortmeldung pro Fraktion à 5 Minuten, Regierungsmitglied oder Regierungsmitglieder 10 Minuten.

Diese Vereinbarung gilt für alle weiteren Wortmeldungen bis zum Ende der Debatte.


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Ab 16 Uhr wird der vorsitzführende Präsident darauf achten, dass die verbleibende Fernseh­redezeit so aufgeteilt wird, dass alle Redner – inklusive der Regierungsmitglieder – gleichmäßig zu Wort kommen.

Ferner wurde vereinbart, die Sitzung von 13 Uhr bis 13.15 Uhr für eine kurze Pause zu unter­brechen.

Es besteht Einvernehmen darüber, dass während der Zeit bis 17 Uhr pro Fraktion nicht mehr als zwei Wortmeldungen zur tatsächlichen Berichtigung vorgenommen werden.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Erklärung der Bundesregierung


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zum einzigen Punkt der Tagesordnung: Erklä­rung der Bundesregierung.

Im Anschluss an diese Erklärung wird im Sinne des § 81 der Geschäftsordnung entsprechend dem vorliegenden Verlangen von fünf Abgeordneten eine Debatte stattfinden.

Ich erteile nun dem Herrn Bundeskanzler zur Abgabe der Erklärung das Wort. – Bitte.

9.13


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundespräsident! Meine Damen und Herren! Die Menschen in Österreich wollen wissen, was auf sie zukommt. Sie wollen ein solides und sicheres Fundament für die Zukunft – nicht nur für morgen und übermorgen, sondern auch für ihre Kinder und Enkelkinder. Jeder verantwortungs­bewusste Mensch, jede Mutter, jeder Vater denkt in Generationen und wünscht sich eine Zukunft, die den Kindern, den Familien, der gesamten Gemeinschaft Sicherheit gibt.

Die Wahlen am 24. November 2002 haben die politische Landschaft in Österreich stark verän­dert. Die politische Mitte wurde gestärkt und der Weg künftiger Reformen unterstützt. Ich bin von Herrn Bundespräsidenten Dr. Thomas Klestil beauftragt worden, mit allen im Parlament ver­tretenen Parteien Gespräche zu führen. Entscheidend für die neuerliche Partnerschaft mit der FPÖ war letztlich die breite Übereinstimmung in inhaltlichen Reformfragen, aber auch die Be­reitschaft und der Wille, notwendige Verantwortung für nicht immer ganz populäre Maßnahmen zur Sicherung der Zukunft unseres Landes mitzutragen. Nicht alle wollten oder konnten das.

Hohes Haus! Wir leben in einer Zeit der Umbrüche, des Wandels, der Veränderung. Unsere wichtigste Aufgabe in der Politik ist es, diese Veränderungen so zu gestalten, dass der Wandel für die Menschen in unserem Land bewältigbar wird, dass aus Herausforderungen Chancen für alle werden, nicht Gefahren oder Ängste. Das geht nur, wenn die Politik vorbehaltlos ausspricht, welche Beharrungen oder Barrieren die Zukunft gefährden, was daher angepasst oder verän­dert werden muss. In einem Land, wie Werner Weidenfeld schreibt, „in dem jeder Zentimeter des Status quo mit wehrhaften Interessenvertretern besetzt ist, kann eine bloß moderierende Politik keine Korrektur vornehmen“. – Er hat Deutschland gemeint, aber ich glaube, das ist ein Rat, der für alle gilt.

Wir tun gut daran, uns diesen zentralen Fragen unserer Zukunft nicht zu verschließen, sondern voll Energie und mit festem Willen die notwendigen Reformen auch wirklich anzupacken.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich stelle Ihnen heute meine neue Bundesregierung und ihr Programm für die nächsten vier Jahre vor. Erlauben Sie mir aber auch, Dank an die ausgeschiedenen Regierungsmitglieder auszusprechen: an Frau Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer, Bundesminister Matthias Reichhold, Bundesminister Herbert Scheibner, der jetzt als Klubobmann wieder in unserer Mitte ist, Bundesminister Willi Molterer, ebenfalls neu gewählt


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als Klubobmann, und Frau Staatssekretärin Mares Rossmann. Ich möchte ihnen für die hervor­ragende Arbeit für Österreich der letzten drei Jahre sehr herzlich danken. Es war gut, mit ihnen zusammenzuarbeiten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich stelle Ihnen, wie schon gesagt, die neue Bundesregierung und ihr Programm vor, und ich lade an dieser Stelle gleich alle Sozialpartner, die Länder und Gemeinden ein, mit uns an dieser Zukunftsgestaltung für Österreich aktiv mitzuwirken.

Diese Regierung steht für eine Politik, die den Menschen nichts vorgaukelt, sondern für eine Politik, die die Dinge aufrichtig beim Namen nennt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zu dieser Aufrichtigkeit gehört, dass man ausspricht, was ist. Wir leben in einer unruhigen Zeit, auch wir in Österreich sind verwundbar: Die Situation im Irak, die labile Lage im Nahen Osten, die Krise um Nordkorea, die Bedrohung durch organisierte Kriminalität und internationale Terro­risten. Vergessen Sie nicht, dass allein in Afghanistan 30 000 Terroristen ausgebildet worden sind! Bis zur Stunde sind erst einige Hundert verhaftet worden. Was auch immer in der Welt passiert – wir sind davon betroffen, auch in Österreich.

Im Augenblick steht die Irak-Krise im Mittelpunkt der Weltöffentlichkeit. Österreich, meine Damen und Herren, ist immer für den Frieden, für die Abrüstung des Irak, für den Vorrang der Vereinten Nationen eingetreten, und daran ändert sich nichts. Wir haben immer dafür ge­kämpft, dass Europa mit einer Stimme spricht und haben daher, wie übrigens auch Schweden, Finnland oder Irland, ganz bewusst vermieden, uns auf die Seite irgendeiner Gruppe in Europa zu stellen. Wir sind einfach Teil der gemeinsamen Position des Europäischen Rats vom 17. Februar, die den Wunsch nach Frieden betont, Gewalt nur als allerletztes Mittel und nur nach Legitimierung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zulässt.

Auch die Empfehlung des Nationalen Sicherheitsrates in Österreich, die von allen vier in diesem Haus vertretenen Parteien angenommen wurde, befindet sich im Einklang mit dieser gemein­samen europäischen Haltung.

Die Lösung des Problems, meine Damen und Herren, liegt beim irakischen Regime, in der voll­ständigen Erfüllung seiner internationalen Verpflichtungen. Ich hoffe sehr, dass sich die Signale der letzten Tage bewahrheiten: die jetzt begonnene Zerstörung einiger Al Samud-Raketen, der so plötzlich wieder aufgetauchten, ursprünglich geleugneten chemischen und biologischen Massenvernichtungswaffen. Ich hoffe sehr, dass es sich diesmal nicht um halbherzige, taktische Schritte handelt, sondern um ein echtes Umdenken in Bagdad.

Ein kriegerischer Konflikt im Nahen Osten hätte dramatische humanitäre Auswirkungen auf die betroffene Bevölkerung, aber auch unmittelbare wirtschaftliche Folgen für Europa und für Öster­reich. Der Preis für ein Barrel Öl ist seit Dezember bereits um 8 Dollar gestiegen und könnte weiter steigen. Schon bisher hat das allein unsere Wirtschaft rund 250 Millionen € gekostet; Geld, das wir bei Gott besser hätten verwenden und investieren können.

Ich bitte Sie daher: So, wie Europa eine Stimme braucht, möchte ich auch, dass Österreich mit einer Stimme unserem Wunsch nach Frieden, nach Abrüstung, nach Stärkung der Vereinten Nationen Ausdruck verleiht. Ich hoffe, dass wir heute gemeinsam eine Irak-Entschließung in diesem Hohen Hause verabschieden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Österreich steht in einem offenen Wettbewerb: Unser Wirtschaftsstandort basiert auf einer internationalen und daher auch von außen sehr abhängigen Volkswirtschaft. Unsere Unternehmungen nützen diese Chancen auch höchst professionell. Nicht zuletzt getragen von einem erfolgreichen Exportwachstum lag unser Wirtschaftswachstum im Vorjahr bei rund 1 Pro­zent. Die Schweiz, Deutschland, die Niederlande hatten kein oder kein nennenswertes Wirt­schaftswachstum.

Unsere Arbeitsplätze müssen täglich neu erobert und gesichert werden, denn 50 Prozent unse­res Wohlstandes verdienen wir letztlich im Export und im Tourismus. Deswegen werden wir den Wachstumsfaktoren Bildung, Forschung, Technologie, Infrastruktur noch größere Bedeutung


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geben und hier wichtige Prioritäten setzen. Damit ist ein erfolgreicher Wirtschaftsstandort unsere beste Zukunftsversicherung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir leben in einer Zeit, in der sich die Lebenswelten, die Welten grundsätzlich verändern: Dank des medizinischen Fortschritts, der besseren Ernährung, durch Bewegung und Sport und durch den höheren Lebensstandard bleiben die Menschen gesünder und werden älter. Seit 1970 ist die durchschnittliche Lebenserwartung bei Frauen um acht Jahre gestiegen, bei Männern sogar um zehn Jahre. Damit haben wir eine ganze Generation neu „gewonnen“ – und das bringt uns völlig neue Lebensperspektiven und Lebenschancen.

Gleichzeitig müssen wir aber auch dafür sorgen, und zwar rechtzeitig, dass die finanzielle Sicherheit im Alter künftig garantiert ist, dass der Zugang zur medizinischen Versorgung für alle Generationen auch wirklich offen steht.

Meine Damen und Herren! Den Familien ist bewusst ein Schwerpunkt unserer politischen Arbeit gewidmet. Unser größter Stolz, unsere größte Hoffnung sind die Kinder. Wir müssen da­her alles tun, um ihre Lebenswelt liebevoll und chancenreich zu gestalten. Die Kinder brauchen Schutz und Unterstützung. 90 Prozent der Jugend sehen in einer intakten Familie das schönste Lebensziel. – Ich meine, wir haben die Aufgabe, sie zu diesem Lebensziel zu ermuntern und noch bessere Voraussetzungen dafür zu schaffen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Mit der Schaffung eines eigenständigen neuen Ministeriums für Gesundheit und Frauen wollen wir einen wichtigen Akzent setzen. Moderne Frauenpolitik ist eben eine politische Quer­schnittsaufgabe, die alle Lebensbereiche umfassen muss. Frauen brauchen Chancen, Wahl­möglichkeiten, die Freiheit, ihren individuell besten Weg in Bildung, Beruf und Familie zu gehen.

Die Generationengerechtigkeit ist das große Schlüsselthema einer nachhaltigen Gesell­schaftspolitik. Die Menschen bei uns wissen ganz genau: Ein Staat kann auf die Dauer nicht mehr ausgeben, als er einnimmt. Heute schon ist im Interesse künftiger Generationen mit dem Umbau der Gesundheits- und Pensionssicherung zu beginnen. Nur eine leistungsstarke Wirt­schaft bringt soziale Sicherheit.

Daraus ergibt sich ganz einfach auch das Pflichtprogramm für jede österreichische Bundes­regierung.

Zukunft braucht: Verantwortung.

Wer Reformnotwendigkeiten kleinredet oder leugnet, kann nicht glaubwürdig Verantwortung für Österreich tragen.

Unsere Regierungsarbeit soll daher auf drei Eckpfeilern ruhen: zukunftsfest, nachhaltig und gerecht. Das sollen die Maßstäbe für unsere politischen Antworten sein.

Unsere Perspektive reicht dabei weit über den nächsten Wahltag hinaus. Wo wollen wir in Zukunft stehen? Und: Was müssen wir jetzt dafür tun, um diese Ziele zu erreichen?

Meine Damen und Herren! Österreich ist ein erstklassiger Wirtschaftsstandort und damit auch ein Hort sozialer Sicherheit. Sozial ist, was Arbeit schafft! – Das ist eine unumstößliche Wahrheit. Daher wollen wir die Beschäftigungsquote, insbesondere bei Frauen, bis zum Jahr 2010 auf 70 Prozent steigern und gleichzeitig – das ist besonders wichtig! – die Vereinbar­keit von Familie und Beruf verbessern.

Österreich soll im Jahr 2010 ein Land der lebendigen Solidarität zwischen den Generationen sein – kein Ort, wo Verteilungskämpfe zwischen Jung und Alt ausgetragen werden, sondern ein Land, in dem sich alle Generationen fair behandelt fühlen und in dem die Lasten gerecht verteilt sind.

Österreich will auch im Jahr 2010 über ein Gesundheitssystem verfügen, dessen höchst­wertige medizinischen Leistungen allen offen stehen: in der Behandlung von Krankheiten, in der


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Prävention, und zwar unabhängig von Alter und Einkommen. Wir wollen durch die Verdoppe­lung der Vorsorgeuntersuchungen auf 1,5 Millionen pro Jahr Herz-Kreislauferkrankungen, Krebsleiden und Schlaganfälle um 25 Prozent reduzieren.

Meine Damen und Herren! Österreich soll im Jahr 2010 das familien- und kinderfreundlichste Land der Welt sein, in dem es Anerkennung und Unterstützung für die Leistungen in der Betreuung junger und alter Familienmitglieder gibt und in dem auf die Kinder keine Schulden­berge, sondern bestmögliche Bildungs- und Lebenschancen warten.

Wir wollen bis dahin eine echte Wissensgesellschaft verwirklichen. 20 Prozent der Österrei­cherinnen und Österreicher sollen ein akademisches Studium an Universitäten oder Fachhoch­schulen absolviert haben.

Bis 2010 wird Österreich voll die positiven Erfolge der EU-Erweiterung nützen können: mehr Sicherheit, mehr Wohlstand und eine saubere, gesunde Umwelt.

Allein die jetzigen zehn Beitrittskandidaten werden in den kommenden Jahren 120 Milliarden € in den aktiven Umweltschutz investieren, nur um die europäischen Standards zu erreichen. Gerade Österreich mit dem erfolgreichen Wirtschaftszweig der Umwelttechnologie und vielen Betrieben, die das hervorragend machen, hat auf diesen Märkten enorme Absatzchancen. Und davon profitiert auch die Bevölkerung unmittelbar, etwa bei der Luftqualität, denn bis zu 90 Pro­zent der Luftbelastungen in unserem Land stammen aus dem Ausland.

Meine Damen und Herren! 2010 soll für alle Österreicherinnen und Österreicher eine deutliche Entlastung spürbar sein. Die Abgabenquote wird durch eine solide Budget- und Stabilitäts­politik und durch Steuersenkungen – Mehrzahl!; zwei Entlastungen kommen bereits 2004 und 2005 – auf 40 Prozent zurückgehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zukunft braucht: aktive Europapolitik.

Freiheit, Friede, Aufbruch – dafür steht unser jetzt neues Europa. In diesem Europa wollen wir ein aktives, gleichberechtigtes Mitglied sein, das die Zukunft mitgestaltet. In einem Jahr wird durch die EU-Erweiterung die Teilung Europas endgültig überwunden sein. Wenn vor einer politi­schen Generation Österreich noch zur Hälfte von Stacheldrahtzäunen eingesäumt am Rand des freien Europa lag, so ist unser Platz schon in einem Jahr dort, wohin wir immer gehört haben: im Herzen eines vereinten Europa.

Europa bleibt in Bewegung: Nach der historischen Einführung der gemeinsamen Währung, des Euro, vor einem Jahr stehen wir vor den nächsten großen Veränderungen. Der Konvent über die Zukunft Europas kommt in seine entscheidende Phase. Im Juni wird die neue europäische Verfassung präsentiert. Ich hoffe sehr, dass dieses neue Europa auch wirklich bürgernah und transparent sein wird. Nicht nur die Institutionen und das reibungslose Funktionieren unserer „Gemeinschaft Europa“ bedürfen mutiger Impulse, auch der Inhalt der gemeinsam zu bewälti­genden Aufgaben muss laufend überprüft und neu definiert werden.

Wir brauchen keinen europäischen Zentralstaat, aber effiziente Entscheidungsstrukturen, damit wir ge­wappnet sind für die vielen notwendigen Aufgaben, die jedem von uns im Herzen bren­nen.

Europa, meine Damen und Herren, ist Chance, bedeutet Chancen, die wir in unserem eigenen Interesse nutzen wollen: Studentenaustausch, regionale Partnerschaften, kulturelle Zusammen­arbeit, wie jetzt gerade so erfolgreich gestartet beim Pilotprojekt Graz: Kulturhauptstadt Euro­pas 2003.

Meine Damen und Herren! Wir können die Zukunft aber nur dann meistern, wenn wir auch die Vergangenheit begreifen. Und dazu gehören auch die bewusste Bewältigung unserer euro­päischen Geschichte – und darin sind manchmal sehr schmerzhafte Kapitel –, das gemeinsame Überwinden historischer Gräben, beispielsweise die notwendige Versöhnung im österreichisch-


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tschechischen Verhältnis, oder aber auch die weitere Pflege modellhafter Lösungen, wie etwa für Südtirol.

Wir müssen auch unsere eigene Geschichte in allen Aspekten annehmen. Die Historikerkom­mission hat mit ihrer nun abgeschlossenen dreijährigen Arbeit einen wesentlichen, einen sub­stantiellen Beitrag dazu geleistet, für den ich mich noch einmal namens der Bundesregierung – und auch, wie ich hoffe, im Namen des Nationalrates und des Bundesrates – ausdrücklich be­danken möchte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

Dieser Bericht der Historikerkommission bestätigt uns auch, dass wir mit dem Abschluss der Washingtoner Übereinkunft vom Jänner 2001 und der Einrichtung zweier Entschädigungsfonds für die Opfer des Nationalsozialismus die wichtigsten noch erforderlichen materiellen Schritte – insgesamt rund 1 Milliarde € – gesetzt haben. Gleichzeitig erinnert uns der Bericht deutlich daran, dass die geistige Auseinandersetzung mit diesem dunkelsten Kapitel unserer jüngeren Geschichte konsequent fortgesetzt werden muss. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Für viele der wichtigsten Sorgen unserer Bürger gibt es aber keine befriedigenden nationalen Antworten mehr. Für die Reinheit von Wasser und Luft, für die Sicherheit der Atomkraftwerke, für den Ausstieg aus der Atomkraft, für die Qualität unserer Lebensmittel wird es keine Insel­lösungen geben – dafür sind europäische Regelungen notwendig, die uns, die allen europäi­schen Bürgern Sicherheit geben.

Die individuelle Mobilität und die Vielfalt der Güter steigen – und damit das Verkehrsauf­kommen. Die regionale Belastung durch Transit darf nicht einfach hingenommen werden – in Brüssel, im Rat, im Europaparlament! Hier braucht es europäische Lösungen, eine Übergangs­regelung für unser Ökopunktesystem, faire Mautregelungen und eine große Infrastrukturinvesti­tionswelle über die Grenzen hinaus. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Europa lebt und ist erfolgreich! Und der beste Beweis für den Erfolg der Europäischen Union ist ja zugleich auch ihr Hauptproblem: der wachsende Immigrations­druck. Europa ist als Hort der Freiheit und des Wohlstandes ganz einfach attraktiv für Migran­ten aus vielen Ländern. Die Staaten der EU, mit ihnen Österreich, werden aber selbst den Umfang der Zuwanderung festlegen, ohne das Asylrecht Verfolgter anzutasten.

Meine Damen und Herren! Gerade die Grenzregionen profitieren von der Erweiterung der Europäischen Union ganz besonders. In den nächsten zehn Jahren entstehen in den grenz­nahen Gebieten Öster­reichs rund 30 000 neue Arbeitsplätze. Und wir werden in der Union darauf drängen, dass die laufenden Förderprogramme zur wirtschaftlichen Integration der Grenzregionen auch ab 2007 fortgesetzt werden können.

Kriminalität ist heute international organisiert. Europa muss mit transnationaler Verbrechensbe­kämpfung seine Bürger schützen, und die Netzwerke der Sicherheit müssen daher auch grenz­überschreitend gestaltet werden.

Eine aktive Europapolitik ist daher Herzstück dieser Bundesregierung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Und dieses Bewusstsein wird auch die Vorbereitungen auf die nächste Präsidentschaft Öster­reichs in der Europäischen Union im ersten Halbjahr 2006 bestimmen, die mit den Endverhand­lungen über den EU-Finanzrahmen für die Jahre 2007 bis 2013 eine besondere Herausforde­rung bringt.

Meine Damen und Herren! Ich lade Sie ein – so wie es in der Vergangenheit oft, sehr oft, gelun­gen ist –, auf der Grundlage dieser Ziele mit mir den Weg einer gemeinsamen Außenpolitik Österreichs zu beschreiten. Wir sind dazu bereit.

In der Entwicklungszusammenarbeit suchen wir ebenfalls neue, innovative Wege, um die finanziellen Mittel künftig transparenter und gezielter einzusetzen. Eine Plattform für Entwick-


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lungs- und Osthilfe, an der sich auch die Wirtschaft, die Sozialpartner und die Gebietskörper­schaften beteiligen können, soll die Synergien auf nationaler und internationaler Ebene besser nützen.

Unsere Verantwortung für die Länder der Dritten Welt wollen wir insbesondere durch die Ver­mittlung von Know-how in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Umwelt – Stichwort: sanfter Tourismus –, durch neue nachhaltige und integrative Projekte stärker wahrnehmen.

Verstärken sollten wir auch den Kulturaustausch, insbesondere mit Mittel- und Osteuropa. Dazu braucht es neue Brücken, um die Kunst als Mittler zwischen den Nationen eine gemeinsame Sprache finden zu lassen.

Zukunft braucht: Sicherheit.

Wir wollen den Österreicherinnen und Österreichern jene Sicherheit geben, in der sie ihr Leben so leben können, wie sie es sich wünschen. Unserer Politik legen wir daher ein umfassendes Sicherheitsverständnis zugrunde: Sicherheit als Grundlage für Freiheit und Lebensqualität auf allen Ebenen, in allen Bereichen. Die Bürger können sich hier auf uns verlassen. Wir sind der Sicherheitspartner aller Österreicher. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Österreich wird auf europäischer Ebene für eine europäische Friedens- und Verteidigungsge­meinschaft eintreten. Österreich wird dabei kein sicherheitspolitischer Trittbrettfahrer sein, son­dern sich ganz bewusst und aktiv an einem europäischen Sicherheitssystem einschließlich – wenn es dazu kommt – einer künftigen Beistandsgarantie beteiligen.

Bundesheer wie Exekutive haben ihre Rolle und Perspektive im neuen Europa zu entwickeln: Was immer wir an neuen Ansätzen denken, müssen wir vor dem Hintergrund tun, dass Sicher­heit im 21. Jahrhundert kein nationalstaatliches Reservat mehr ist. Jeder Bürger macht letztlich diese Erfahrung in seinem eignen Alltag – im Geschäftsleben wie im Urlaub, bei der Ausbildung wie im familiären Leben. Unsicherheit, Terror, Kriminalität machen ganz einfach nicht an Lan­desgrenzen halt. Europa wird für den Einzelnen nur dann erlebbar, spürbar sein, wenn die zu Recht von der öffentlichen Hand erwarteten Sicherheitsfunktionen in einem verlässlichen euro­päischen Zusammenhang erfahren werden.

Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif – ich spreche diese Banalität hier einfach aus –, sie hat ihren angemessenen Preis. Wir brauchen daher leistungsfähige Streitkräfte, wenn wir als souveräner Staat in Europa und in der Welt weiter ernst genommen werden wollen. Internatio­nale Krisen in der unmittelbaren Nachbarschaft wie am Balkan, der notwendige Grenzeinsatz des Bundesheeres 1991, all dies hat uns gezeigt, dass wir auf unsere Soldaten nicht verzichten können, aber auch nicht verzichten wollen. Ohne ihren unermüdlichen Einsatz wären Katastro­phen wie das Lawinenunglück in Galtür oder das Hochwasser im letzten Sommer ganz einfach nicht zu bewältigen gewesen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeord­neten der SPÖ.)

Die Sicherheit im Alltag ist eine Voraussetzung für Ihre persönliche Freiheit, meine Damen und Herren. Sicherheit in Staat, Gesellschaft, im persönlichen Lebensumfeld ist so etwas wie ein elementares Grundrecht. Und damit Österreich auch künftig eines der sichersten Länder der Welt bleibt, braucht es eine gut ausgerüstete und vor allem auch gut motivierte Exekutive, die respektiert wird. Wir müssen Sicherheit als unser aller Anliegen erkennen, für das nicht nur die Profis, sondern letztlich wir alle in der Bürgergesellschaft Verantwortung tragen. Unsere Gesell­schaft kann und darf nicht akzeptieren, dass Drogen und Kindesmissbrauch junge Leben zer­stören. Daher wird diese Bundesregierung alles daransetzen, unsere Kinder vor diesen Gefah­ren zu schützen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Österreich wird seinen humanitären Verpflichtungen voll und ganz nachkommen und jenen, die Schutz vor Verfolgung suchen, helfen. Wir werden die Asylverfahren deutlich beschleunigen und damit erreichen, dass den Menschen schneller und humaner zu ihrem Recht verholfen wird. Österreich ist und bleibt ein Asylland für alle, die es brauchen. Wir werden aber sehr genau prüfen, wer zu Recht und wer etwa nur aus wirtschaftlichen Motiven um Asyl ansucht.


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Einwanderung ist etwas ganz anderes als Asylsuche. Einwanderung braucht klare nationale Regeln für legale Zuwanderung. Die Lösung dieses in allen westlichen Ländern zunehmenden Problems erfordert Solidarität und ein gemeinsames europäisches Vorgehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Unsere konkreten Reformvorhaben:

Österreich wird sich aktiv in die Weiterentwicklung der europäischen Sicherheits- und Vertei­digungspolitik einbringen, weil das in unserem eigenen Interesse liegt.

Zur Sicherung des Luftraumes und zur Wahrung der österreichischen Souveränität können und wollen wir auf eine Luftpolizei nicht verzichten. Und daher werden wir auf Basis der Emp­fehlungen des Nationalen Sicherheitsrates und der in der vergangenen Legislaturperiode getrof­fenen Beschlüsse den Beschaffungsvorgang für Luftraumüberwachungsflugzeuge fortsetzen. Wir werden dafür sorgen, dass die Gegengeschäfte positive Auswirkungen auf die Arbeits­plätze, den Wirtschaftsstandort und den Technologietransfer haben. Das Budget des Verteidi­gungsministers darf in der gesamten Legislaturperiode nicht zusätzlich belastet werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kogler: Faschingsscherz! Das ist ein Scherz!)

Die Europäische Union muss mit den nötigen Fähigkeiten ausgestattet sein, um Konflikte zu verhüten und Krisen mit zivilen und militärischen Mitteln zu bewältigen. Österreich wird daher zum militärischen Planungsziel der Union beitragen. Für diese Fähigkeiten der EU werden wir nicht nur entsprechend ausgebildete und ausgerüstete Einheiten des Bundesheeres zur Verfü­gung stellen, sondern auch Polizei- und Zivilschutzkräfte sowie Justizpersonal für zivile Opera­tionen.

Eine enge Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen EU und NATO (Abg. Dr. Petrovic: ... traurig!) sowie die „Partnerschaft für den Frieden“ sind wesentliche Voraussetzungen für den Erfolg der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Die Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin soll umgesetzt werden und damit das Bundesheer in die Lage versetzen, seine Kernaufgaben, nämlich den Schutz der Heimat, die Katastrophenhilfe sowie den internationalen Friedenseinsatz, zu erfüllen. Dazu brauchen wir mehr militärisches Personal und weniger Verwaltung, dazu brauchen wir die bestmögliche Ausrüstung für unsere Soldaten. Wir werden externe und internationale Experten bitten, Vorschläge dafür zu erarbei­ten.

Wir wollen den Präsenzdienst für jeden Grundwehrdiener attraktiver machen, denn das Bun­desheer ist ja auch ein Kompetenzzentrum für die Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten, von der Technik bis zum Sport und zu Sprachen, vom Gesundheitscheck bis zur Auslandserfah­rung, vom Logistikmanagement bis zu ganz speziellen Führungsqualifikationen. Dieses Angebot kann den Präsenzdienst zu einer spannenden und zeitgemäßen Ausbildungszeit machen.

Um die Neuordnung dieser Aufgabe umzusetzen, wird eine Reformkommission für das öster­reichische Bundesheer eingerichtet. Sie muss sich mit folgenden Fragen beschäftigen: Was muss ein modernes Heer heute können? Wie groß soll es sein? Welche neuen Anforderungen werden künftig in Europa gestellt? Wo sollen wir abschlanken? Wo muss mehr investiert werden?

Meine Damen und Herren! Der Zivildienst bleibt ein gleichwertiger Ersatzdienst für den Grund­wehrdienst beim Heer. Der Beitrag, den die Zivildiener besonders im Sozial- und Rettungs­wesen leisten, ist einfach unverzichtbar.

Wir haben für die Sicherheitspolitik drei klare Leitlinien: engagiert für den Rechtsstaat, sen­sibel für Menschenrechte, aber auch konsequent gegen Kriminalität. Polizei, Gendarmerie und Zollwache werden erstmals zu einem schlagkräftigen, effizienten und modernen Wachkörper in einer politischen Hand zusammengeführt. Im 21. Jahrhundert gibt es nämlich wirklich keine nachvollziehbaren Gründe mehr, warum es – von der Ausbildung bis zu den Uniformen, von der


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Ausrüstung bis zu den Kommunikations- und Einsatzsystemen – unterschiedliche Exekutivbe­hörden geben soll. Moderne Sicherheit braucht einfach zeitgemäße Lösungen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zukunft heißt: Österreich neu denken.

Die Bundesregierung steht für eine starke Demokratie und einen soliden Rechtsstaat. Uns geht es um mehr Mitbestimmung für die Bürgerinnen und Bürger, um den Schutz ihrer Rechte. Eine lebendige Demokratie bedeutet, dass sich die Österreicher mit der verfassungsrecht­lichen Ordnung auch wirklich identifizieren können.

Unsere Verfassung ist aber leider sehr unüberschaubar geworden. Die ältesten Bestimmungen sind bereits über 150 Jahre alt. Wir werden daher einen Österreich-Konvent einrichten, der bis Ende des Jahres 2004 die Grundlage für eine zeitgemäße und für alle verständliche Bundesver­fassung erarbeitet.

Ich möchte Präsidenten Dr. Franz Fiedler, den Präsidenten des Rechnungshofes, einladen – er hat mir bereits zugesagt –, das Präsidium dieses Konvents zu leiten. Da dies auch von anderen politischen Parteien angeregt wurde, wird sich diesbezüglich, so glaube ich, ein breiter Konsens finden lassen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie des Abg. Reheis.)

Und ich möchte Sie, meine Damen und Herren des Nationalrates, den Bundesrat, die Länder, die Gemeinden, die Sozialpartner und viele Experten zur Mitarbeit einladen, denn jede gute Idee ist willkommen. Die Grundsätze unseres Verfassungs­rechtes, die Subsidiarität, der Föde­ra­lismus, stehen dabei selbstverständlich außer Streit.

Im Rahmen der Reformen sollen aber überholte Verfassungsbestimmungen außer Kraft ge­setzt, der Behördenaufbau überprüft, neue Aufgabenverteilungen zwischen Europa, Bund, Län­dern, Gemeinden oder Bezirken festgelegt werden. Teure Doppelgleisigkeiten sollen abge­schafft werden. – Und dieses Ziel wollen wir im Konsens mit allen erreichen.

Ein gutes Beispiel dafür ist ein bundesweites Tierschutzgesetz, mit dem wir gemeinsam und über die Grenzen der Bundesländer hinweg eine Koalition gegen das Tierleid bilden wollen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Österreich neu denken heißt:

Der Bund ist einerseits bereit, sich von bestimmten Befugnissen wie etwa dem Einspruchsrecht gegen Landesgesetze zurückzuziehen, dafür aber sollte andererseits die Koordinations- und Planungskompetenz des Bundes gestärkt werden.

Wir wollen endlich das Briefwahlrecht einführen, den Grundrechtskatalog im Einklang mit euro­päischen Grundrechts-Vorstellungen aktualisieren, Institutionen wie etwa die Volksanwaltschaft reformieren.

Die mittelbare Bundesverwaltung soll abgeschafft, die Steuerhoheit der Länder gestärkt, im Ver­waltungsverfahren ein strikter zweigliedriger Instanzenzug eingeführt und die Unabhängigen Verwaltungssenate endgültig zu Landesverwaltungsgerichtshöfen umgebaut werden.

Bei den Verwaltungsvorgängen im Schulbereich wollen wir Vereinfachungen. So soll etwa die Notwendigkeit der Kollegialorgane bei Landes- oder Bezirksschulräten überprüft werden. Die Länder sollen ihr Budget für die Pflichtschullehrer auch selbst verwalten.

Zukunft braucht: Partner Staat.

Meine Damen und Herren! „Dem Bürger dienen – moderne Dienstleistung erbringen“ – das ist unser Prinzip für ein modernes Staatsverständnis. Dazu muss man Aufgaben kritisch hinterfra­gen, Prozesse vereinfachen und moderne Technologien einsetzen: All das sind Selbstverständ­lichkeiten. Dazu braucht es aber auch Mut, alte Zöpfe abzuschneiden, um zukunftstaug­liche


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Lösungen zu ermöglichen. Der Bürger soll unabhängig davon, wer ihm gegenübertritt – der Staat, der Bund, die Länder oder die Gemeinden –, das beste Service als Gegenleistung für seine Steuern erhalten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Unsere konkreten Reformprojekte:

Damit der Staat ein verlässlicher Partner der Bürger ist, braucht es ein modernes Dienstrecht für alle Mitarbeiter im öffentlichen Dienst. Leistungsvergleiche, Bürgerorientierung werden ge­fördert, ein problemloser Austausch – dies ist besonders wichtig! – zwischen Privatwirtschaft und öffentlichem Sektor ist bedeutsam. Wir wollen einen modernen und leistungsfähigen öffentlichen Dienst.

Die neuen Informationstechnologien sollen wichtige Instrumente für ein bürgernahes, modernes Verhältnis zwischen Staat und Bürger sein. Ich werde daher eine E-Government-Offensive starten: Steuererklärung, Inskription, Gewerbeanmeldung, elektronische Signatur – all das kann künftig über ein Bürgerportal per Internet durchgeführt werden. Der Behördenantrag ohne Anmeldung, ohne Wegzeit muss Wirklichkeit werden! Die Sozialversicherungs- und Bürgerkarte wird in dieser Legislaturperiode eingeführt werden. Dazu kommen Vergabewesen, Förderab­wicklung, Akteneinsicht, Dokumentenregister auf elektronischer Basis. Das erspart dem Bürger ungemein viel, etwa das Beibringen von amtlichen Dokumenten wie Geburtsurkunde, Melde­zettel oder Staatsbürgerschaftsnachweis bei jedem einzelnen Behördenweg. Informationen zur Gesundheitsvorsorge online, sicherer elektronischer Geschäftsverkehr, Konferenzen, Verhand­lungen im Internet werden mit E-Government für den Bürger ebenso möglich wie Lernen im Netz.

Kurz gesagt: Internet für alle! – Eine interministerielle Plattform unter meinem Vorsitz wird die E-Government-Strategie dieser Bundesregierung koordinieren.

Zukunft braucht: sichere Arbeitsplätze.

Meine Damen und Herren! Die Österreicherinnen und Österreicher wissen ganz genau, dass nur eine leistungsstarke Wirtschaft Arbeit und Wohlstand schaffen und erhalten kann. In den letzten Jahren hat sich der Standort Österreich, wie zahllose internationale Studien beweisen, deutlich verbessert. Diesen Kurs wollen, ja müssen wir fortsetzen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Österreich hat sich immer zum europäischen Modell der sozialen Marktwirtschaft bekannt. Das bedeutet, dass wir uns in unserer Wirtschaftspolitik an den Prinzipien der wirtschaftlichen Freiheit, der Leistung, der gleichen Wettbewerbsbedingungen, ebenso aber auch an der sozia­len Verantwortung und der Nachhaltigkeit orientieren, eben an der ökosozialen Marktwirtschaft.

Wir wollen Unternehmen von Barrieren und Belastungen befreien. Wir wollen ein Klima schaf­fen, in dem sich Leistung für den Einzelnen wirklich lohnt. Dazu tritt die soziale Verantwortung gegenüber jenen, die mit dem Tempo, manchmal auch mit den Bedingungen der immer schneller werdenden Wirtschafts- und Arbeitswelt Probleme haben.

Unbestritten ist der Grundsatz: Wirtschaft schafft Arbeit! – Um den internationalen negativen Trends gegenzusteuern, setzen wir auf aktive Beschäftigungspolitik. Unsere Antwort auf die Probleme auf dem Arbeitsmarkt heißt Qualifizierung. Wir wollen nicht, dass Arbeitslosigkeit einfach verwaltet wird, wir wollen, dass Arbeitswillige schneller eine neue Berufschance erhal­ten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dazu können und sollen die österreichischen Sozialpartner einen unverzichtbaren Beitrag für das Land und seine Menschen leisten, nicht nur als pure Interessenvertreter – nein! –, auch für die Gesamtheit unserer sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung.

Ich möchte Sie an dieser Stelle einladen, Ihre Expertise, Ihr Verantwortungsbewusstsein, Ihre Reformkraft gemeinsam mit der Bundesregierung in die konkrete Ausgestaltung unserer Zu­kunftschancen einzubringen. Ich möchte Sie ermuntern, zeitgemäße Reformwege mitzuent-


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wickeln und im Dialog mitzutragen, und ich möchte Sie unserer Bereitschaft zu konstruktiver Zusammenarbeit versichern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Konkret heißt das:

Durch eine Reform des Arbeitsmarktservice soll noch besser und schneller vermittelt werden. Jeder Arbeitslose soll im Durchschnitt innerhalb von 90 Tagen einen neuen Job vermittelt bekommen. Über 50-Jährigen und unter 25-Jährigen geben wir einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung über die Arbeitsmarktförderung, wenn innerhalb von acht Wochen keine Vermittlung durch das AMS gelingt.

Wir wollen auch ein wesentlich besser funktionierendes Frühwarnsystem einführen. Gekün­digte Mitarbeiter sollten sich sofort beim AMS melden, um schnell die Möglichkeit individueller Betreuung zu erhalten. Durch rasche Qualifizierungsmaßnahmen noch während der Kündi­gungsfrist kann die drohende Arbeitslosigkeit noch wirksamer bekämpft werden.

Die Öffnungszeiten für die Geschäfte sollen ausgeweitet werden. Damit hat der Konsument mehr Einkaufsmöglichkeiten, der Handel steigende Umsätze. Wir wollen ganz einfach keinen Kaufkraftabfluss ins Ausland zur Kenntnis nehmen! Die bisherigen bundesgesetzlichen Tages­rahmenzeiten sollen fallen. Die Länder bestimmen in Zukunft nach Einbindung der Sozialpartner die konkreten Öffnungszeiten zwischen Montag 5 Uhr und Samstag 18 Uhr. Der Sonntag bleibt Familientag! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben uns vorgenommen, das bestehende Arbeitszeitgesetz moderner zu gestalten. So­wohl für die Sozialpartner als auch auf betrieblicher Ebene soll es künftig die Möglichkeit geben, bedarfsgerechte Vereinbarungen mit Mitarbeitern über flexible Arbeitszeiten zu fixieren.

Die Gründer von heute sind die Arbeitgeber von morgen. In den kommenden Jahren wollen wir im Jahr mindestens 30 000 Neugründungen und damit eine Steigerung um rund 10 Prozent erreichen. Das bringt neue Arbeitsplätze und erhöht die Selbständigenquote.

Zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird es künftig in mittleren und größeren Be­trieben einen Anspruch auf Teilzeit und flexible Arbeitszeitregelung für Eltern von Kindern bis zum Schuleintritt geben. Wir haben beim Arbeitsmarktservice derzeit rund 20 000 Arbeit­suchende gemeldet, die den Wunsch nach einer Teilzeitbeschäftigung im Rahmen ihrer Vor­merkung deponiert haben. Fast 19 000 davon sind Frauen, genau jene Zielgruppe, für die diese Maßnahme geradezu maßgeschneidert ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Österreich ist in der Lehrlingsausbildung weltweit unter den füh­renden Ländern. Diesen Standard wollen wir halten. 50 Prozent, die Hälfte aller österreichi­schen Unternehmer, haben eine Lehre abgeschlossen; das wissen nicht alle. Das ist ein deut­liches Zeugnis dafür, dass das duale Ausbildungssystem einen ganz besonderen Anreiz für die Gründung oder die Übernahme eines Unternehmens darstellt. Das duale Ausbildungssystem soll Vorbild für andere Länder bleiben. Auslandsaufenthalte, zusätzliche Qualifikationsangebote während der Ausbildungszeit sollen die Kompetenz bei Fremdsprachen und den Umgang mit IT-Anwendungen verbessern.

Als eine mittlere Volkswirtschaft mit einem sehr hohen Dienstleistungsanteil – wir haben immerhin Platz 13 in der Welt – ist Österreich besonders interessiert an internationalen Verein­barungen in diesem Bereich, wie sie in den laufenden Verhandlungen zum Thema GATS, also dem General Agreement on Trade in Services, diskutiert werden. Die Internationalisierungs­offensive wird unseren Betrieben Märkte sichern und neue erschließen. Wir nehmen aber die Sorgen der Bevölkerung darüber sehr, sehr ernst und wollen bei den Verhandlungen sicher­stellen, dass öffentliche Dienstleistungen insbesondere in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Wasserversorgung und Kultur keinen weiteren Liberalisierungen unterworfen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Ein Schlüsselbereich zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit ist die Effizienz des Verkehrs auf Schiene und Straße. Der im Jahr 2002 beschlossene Generalverkehrsplan wird natürlich umgesetzt. Das heißt, im hochrangigen Straßennetz Lücken schließen und die Schiene als umweltfreundlichen Verkehrsträger auch wirklich forcieren. Mit diesen Projekten wollen wir die Verkehrsverbindungen zu den Zukunftsmärkten, vor allem auch in den neuen EU-Mitgliedsländern, rasch fertig stellen.

Die ÖBB-Reform wird das Unternehmen für seine internationalen Aufgaben nachhaltig stärken, mehr Kundennähe bringen und damit auch bessere Leistungen für die Konsumenten bieten. Zur Finanzierung des Ausbaus wichtiger Korridore wollen wir verstärkt Mischformen, Misch­modelle mit öffentlichen und privaten Investoren einführen.

Der Privatisierungskurs der Bundesregierung wird fortgesetzt. Staatliche Anteile an den großen ehemaligen Staatsbetrieben werden bestmöglich verkauft, wobei wir uns das Ziel ge­setzt haben, die Headquarters mit den Führungsstellen und Forschungseinrichtungen natürlich in Österreich zu erhalten.

Zukunft braucht: Nachhaltigkeit.

Meine Damen und Herren! Landwirtschaft und Umweltschutz gehören zusammen, wie wir das auch in der Ressortkompetenz zum Ausdruck bringen. Durch die Familienbetriebe ist die Agrarwirtschaft in Österreich immer naturnah und ökologisch nachhaltig betrieben worden. Jeder, der in Österreich Urlaub macht, kann sich davon überzeugen. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Von der Landwirtschaft zur Umwelt spannt sich jener Bogen der Nachhaltigkeit, der den dauerhaften Schutz der Natur und die Qualität der Produkte sichert.

80 Prozent unserer Landesfläche sind ländlicher Raum. Zur Sicherung der regionalen Wert­schöpfung und der Arbeitsplätze sind der Ausbau der Infrastruktur und die Förderung der regionalen Zusammenarbeit notwendig.

Unsere Bäuerinnen und Bauern sind mit ihren Familien – mit den Alten, mit den Jungen – das Rückgrat des ländlichen Raumes, und ich möchte ihnen für diese Arbeit danken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ihre Produktion ist die Grundlage für die regionale Wertschöpfung. Die Sicherung der Einkommen der ländlichen Familien ist und bleibt uns daher ein wichtiges Anliegen. Selbstverständlich werden wir Österreichs Position als europäisches Bioland Nummer eins weiter stärken und ausbauen.

Konkrete Reformen:

Der Schutz vor den Gefahren, die durch eine Klimaveränderung ausgelöst werden, muss an der Wurzel ansetzen. Wir werden daher bis zum Jahr 2006 jährlich zusätzlich 90 Millionen € in Maßnahmen investieren, die die Treibhausgase reduzieren. Auch Maßnahmen im Bereich der Wohnbauförderung und ein System des Emissionshandels werden zur Erreichung des so genannten Kyoto-Ziels absolut wichtig sein.

Mit einem weiteren Schritt zur Ökologisierung des Steuersystems wollen wir den Weg zur ökosozialen Marktwirtschaft fortsetzen. Dazu gehören Preissignale für den Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen, Anreize für umweltschonendes und nachhaltiges Verhalten und die Entlastung des Faktors Arbeit.

Wir wollen den zukunftsträchtigen Bereich der alternativen Energieformen weiter ausbauen, denn davon profitieren Umwelt und Wirtschaft gleichermaßen, vor allem der Mittelstand. Mit einer Fülle von Maßnahmen – Steigerung des Ökostrom-Anteils, mehr Sonnenenergie und mehr Biomasse – werden wir diese Ziele erreichen können.

Meine Damen und Herren! Der Dieselboom in Österreich ist absolut erfreulich. Heute sind be­reits über 70 Prozent der PKW-Neuzulassungen Dieselfahrzeuge. Der gesamte PKW-Bestand besteht schon zu 40 Prozent aus Dieselfahrzeugen. Das hat in den letzten zehn Jahren uns und unserer Umwelt etwa 1,5 Millionen Tonnen treibhausrelevantes Kohlendioxid erspart. Wir ver-


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langen aber, dass ab 1. Jänner 2004 an allen österreichischen Tankstellen schwefelfreier Diesel angeboten wird. Mit einem Schlag können damit die krebsfördernden Partikel um ein Drittel reduziert werden. Nach einer Denkpause hat sich dann Gott sei Dank auch der OMV-Vorstand sofort auf dieses Ziel eingelassen. Ich möchte mich ausdrücklich dafür bedanken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Eines möchte ich nämlich schon in aller Deutlichkeit sagen: Es ist nicht einzusehen, warum in Österreich noch zwei Jahre lang Diesel verkauft werden soll, der 35-mal mehr Schwefel enthält als anderswo.

Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung wird natürlich unsere gemeinsame Atom­politik in Europa auf Basis der Entschließungen des Nationalrates fortsetzen. Wir werden auch im EU-Konvent auf eine Reform des EURATOM-Vertrages drängen.

Die österreichische Haltung in Atomfragen war immer dann erfolgreich, wenn sie von allen Par­teien in diesem Haus getragen wurde und wenn realistische Ziele auch gemeinsam verfolgt wurden. Wir laden die Oppositionsparteien daher zur Gemeinsamkeit und zur Zusammenarbeit in dieser wichtigen Frage ein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Für die bäuerlichen Betriebe stellen Bund und Länder 3 Milliarden € für die Finanzperiode zur Verfügung, um auch künftig einen prosperierenden ländlichen Raum zu haben. Dazu zählt natürlich auch, die Wettbewerbsbedingungen für die Bauern zu stärken. Wir werden im Rahmen der Steuerreform den Agrar-Diesel-Preis für die Bauern senken.

Verwaltungsvereinfachung, mehr Direktvermarktung, Stärkung des Biolandbaus und die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit werden den erfolgreichen österreichischen Weg der familiär geprägten Landwirtschaft, keiner Agroindustrie, stärken.

Auch einer unserer größten Naturschätze, das Wasser, muss nachhaltig geschützt werden. Die Verwendung dieser Ressource soll auch in der EU in Zukunft den einzelnen Mitgliedstaaten vorbehalten bleiben. Das bedeutet Einstimmigkeit in dieser Frage.

Österreich wird durch eine aktive Umweltpolitik weiter ein Land mit der höchsten Lebensqualität bleiben. Eine intakte Umwelt und Landschaft ist auch die Grundlage für unsere so erfolgreiche Tourismuswirtschaft.

Meine Damen und Herren! Der österreichische Tourismus ist, zum Unterschied von ähnlichen Branchen in anderen Weltteilen, sehr harmonisch, von unten, durch die Initiative von Tausen­den Familien gewachsen. Aus Bauern wurden Gastronomen oder Hoteliers, aus Handwerkern Seilbahnunternehmer. Tourismus braucht Chancen und Freiräume, hat aber auch Grenzen; dessen muss man sich bewusst sein. Für den österreichischen Tourismus sollen alle Voraus­setzungen geschaffen werden, damit der Paradigmenwechsel im Reise- und Freizeitverhalten, der sich durch das Zusammenwachsen Europas und die Globalisierung ergibt, auch wirklich erfolgreich bewältigt werden kann.

Hier ist Dienstleistung gefragt. Und Dienstleistung heißt: optimale Ausbildung, Entwicklung neuer touristischer Software, Gewinnung neuer Zielgruppen, Freizeitprodukte „Made in Austria“, Kunst, Kultur, aber auch Gesundheits- und Wellnessangebote, Eventplanung und Bewerbungen um Großveranstaltungen, gleichgültig ob es Kongresse, die Fußball-Europameisterschaft 2008 oder die Olympischen Winterspiele 2010 sind.

Die Zusammensetzung dieser Bundesregierung trägt auch der wachsenden Bedeutung des Sports in der Gesellschaft Rechnung – nicht nur des Spitzensports, in dem die Österreicher immer wieder zeigen, dass sie zu sehr großen, herausragenden Leistungen fähig sind, sondern auch der Förderung des Breitensports, des Behindertensports und des Nachwuchstrainings.

In der Kunst- und Kulturpolitik wollen wir den bewährten Weg fortsetzen, das Kreative zu stimulieren und für Künstler gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Wir bekennen uns zur För­derung des großen kreativen und künstlerischen Potentials in unserem Land und seiner Dar-


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stellung im Ausland. Mit der Einrichtung einer finanziell großzügig dotierten „Nationalstiftung Österreich“ sichern wir künftig den Erhalt historisch bedeutender Gebäude und Denkmäler, aber auch ihre wirtschaftliche Nutzung.

Nach der erfolgreichen Etablierung des dualen Rundfunksystems in Österreich wollen wir die Zielsetzungen der Medienpolitik im Gleichklang mit der europäischen Entwicklung vorantreiben. Durch eine Digitalisierungsoffensive soll mehr Programmvielfalt und Programmqualität erreicht werden. Das soll gemeinsam mit Wirtschaftspartnern realisiert werden.

Zukunft braucht: helle Köpfe.

Ob Österreich in den nächsten zehn Jahren wirklich erfolgreich sein wird, ein Land mit hohem Wohlstand und hoher Lebensqualität, entscheidet sich nicht dann, sondern heute: in den Kin­dergärten, in den Schulen, an den Fachhochschulen, an den Universitäten, in der dualen Aus­bildung. Dort sitzen die hellen Köpfe, von deren Erfindergeist die Innovationskraft unserer Wirt­schaft abhängt. Dort sitzen die Unternehmer von morgen, die Wachstum und Arbeitsplätze schaffen. Dort sitzen jene Leistungsträger, von deren Wissen, Kreativität und Engagement unsere Zukunft abhängt. Ihnen schulden wir die besten Rahmenbedingungen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn wir der Jugend die besten Bildungschancen sichern wollen, dann geht es letztlich um viel mehr als nur Wirtschaftserfolge. Zu einer umfassenden Bildung gehören neben grundlegendem Wissen, Fähigkeit und Kompetenz musisch-kreative Bildung, eine solide Wertegrundlage sowie Bewegung und Sport.

Am erfolgreichsten werden jene Länder sein, die in Bildung und Forschung investieren, die die Kreativität fördern, Neugierde zulassen, geradezu dazu ermuntern, und in denen der Mut, Neues auszuprobieren, unterstützt und nicht gedämpft wird.

Darin liegt auch eine sehr große Beschäftigungschance: Wenn wir 2,5 Prozent unseres BIP in Forschung und Entwicklung investieren wollen, dann brauchen wir Tausende Wissenschafter, Forscher und Experten in Unternehmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen.

Diese Regierung sagt ja zum innovativen Forschungsstandort Österreich. Wir müssen uns aber auch der ethischen Verantwortung stellen, die mit Forschung im Bereich der Biomedizin verbunden sein muss. Biomedizin und Biotechnologie haben längst einen festen Platz in der medizinischen Forschung gefunden. Wir unterstützen die Chancen, bekennen uns aber auch dazu, ethische Grenzen zu ziehen. Unser Ziel ist es, ein Klonverbot bei Menschen durch natio­nale, europäische und internationale Regelungen durchzusetzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Unsere konkreten Reformprojekte:

Die Belastung für Eltern und Schüler ist zu groß geworden: Die Stundentafel ist zu umfangreich, der Lehrplan zu dick. Wir wollen die Jugendlichen um zwei Stunden Unterricht pro Woche ent­lasten und die Lehrpläne entrümpeln und modernisieren. Dabei muss aber auch die Qualitäts­sicherung an den Schulen ausgebaut werden.

Um die Grundausbildung flächendeckend zu sichern, wollen wir die kleinen Schulen im länd­lichen Raum erhalten. Sie sind nicht nur Bildungszentren, sondern auch wichtige Kulturträger in den Gemeinden.

Lernen können heißt vor allem lesen können. Im Projekt LESE-FIT wird die Leselust gefördert und Lesen eingeübt. Ziel ist es, dass alle Kinder nach der Volksschule verlässlich sinn­erfassend lesen können.

Dazu braucht es die bestausgebildeten Lehrer, Hochschulen für pädagogische Berufe; auch die Fort- und Weiterbildung für die Lehrer wird künftig dort integriert sein.


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Es braucht ein modernes und leistungsorientiertes Besoldungssystem für Lehrer, eine bessere Verteilung bei der Lebenseinkommenskurve, die zu Beginn der Berufslaufbahn ein höheres, dann ein flacher ansteigendes Einkommen bringt.

Die Umsetzung der Universitätsreform, für die wir im Inland viel Zustimmung und im Ausland viel Beachtung gefunden haben, wird selbstverständlich fortgesetzt.

Wir bekennen uns zu sozial verträglichen Studienbeiträgen, denn es ist gerechtfertigt, dass ein künftiger Akademiker etwa 7 Prozent der Studienkosten selbst bezahlt; mehr als 90 Prozent zahlen sowieso die Steuerzahler, auch die kleinen und mittleren Steuerzahler, dazu. Die Bei­träge werden aber an den Universitäten zur Verbesserung der Studienbedingungen und der Qualität der Lehre verbleiben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wer in Österreich studieren will, kann das – unabhängig von seiner sozialen Lage. Wir werden in der Studienförderung für besonders Begabte eine Stiftung ein­richten und für Berufstätige in ihrem eigenen Berufsfeld Studienbeiträge steuerlich absetzbar machen – ein neuer Ansatz.

Analog zum Modell des Bausparens – höchst erfolgreich – könnte ein Modell des Bildungs­sparens entwickelt werden, das auch für die Finanzierung der Studienbeiträge verwendet werden kann. Ziel ist die Förderung des lebensbegleitenden Lernens.

Zur Anhebung der Forschungsquote stellen wir eine zweite Tranche von insgesamt 600 Mil­lionen € Sondermittel bis zum Jahr 2006 zur Verfügung.

Die Neustrukturierung der begonnenen Forschungsförderung ist ein wichtiger Schritt zur Verein­fachung der Strukturen, bringt mehr Transparenz, mehr Effizienz und bessere Ergebnisse für das eingesetzte Geld.

Zur Förderung des Forschungsstandortes Österreich zählt auch die Umsetzung der EU-Bio­patent-Richtlinie. Damit wollen wir die vielen Biotech-Unternehmen, vor allem die Start-ups, stärken.

Zukunft braucht: Gesundheit und Pensionssicherheit.

Zwischen Gesundheit und Lebensqualität besteht ein ganz enger Zusammenhang. Ein zeit­gemäßes Gesundheitssystem muss daher vorrangig zwei Aufgaben erfüllen: Wer krank ist, muss sich darauf verlassen können, dass das Angebot und die Leistungen unseres hochwerti­gen Gesundheitssystems zur Verfügung stehen. Wer gesund ist, soll unterstützt werden, Krank­heiten vorzubeugen. Deshalb werden wir die Eigenverantwortung, die Vorsorgemedizin deutlich stärken und die Menschen über Bonusmodelle zu dieser Eigenverantwortung aktivieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sage es hier sehr klar: Es geht bei der notwendigen Reform des Gesundheitswesens nicht darum, weniger Geld für den Gesundheitsbereich bereitzustellen. Niemand spart auf Kosten der Gesundheit. Im Gegenteil: Frei werdende finanzielle Mittel sollen direkt den Patienten zugute kommen. Wir stellen die kranken Kassen auf gesunde Beine. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Unsere konkreten Reformpläne:

Durch die Zusammenführung von Kranken- und Unfallversicherung – natürlich bei Erhaltung der Qualität in beiden Bereichen – sowie Strukturreformen bei den Gebietskrankenkassen können wir durch weniger Verwaltung ohne Qualitätsverlust viel Geld der Versicherten sparen.

Die Einrichtung von Landesgesundheitsfonds, wie jetzt gerade in Vorarlberg erprobt, kann einerseits Kosten sparen, andererseits aber auch die Versorgung insbesondere bei den nieder­gelassenen praktischen Ärzten deutlich verbessern.


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Beitragsgerechtigkeit ist auch eine Frage der Fairness. Für gleiche Leistungen soll der gleiche Beitrag geleistet werden. Daher vereinheitlichen wir zum ersten Mal die Krankenversicherungs­beiträge der Arbeitnehmer, denn es gibt ja kein vernünftiges Argument dafür, dass Arbeiter 0,75 Prozent mehr Krankenversicherungsbeitrag zahlen als Angestellte.

Eine Anhebung der Pensionisten-Krankenversicherungsbeiträge sichert deren Zugang zum medizinischen Fortschritt in jeder Lebenslage, in jedem Jahr, in jedem Bereich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir wollen überdies eine Reform der Selbstbehalte, denn derzeit belasten die bestehenden Selbstbehalte, meist ohne Obergrenzen, insbesondere die chronisch Kranken. Daher sollen die Sozialversicherungsträger das Recht haben, ein faireres System zu entwickeln und einzurich­ten.

Im Arzneimittelbereich sind durch eine Änderung der Verschreibepraxis nicht nur Einsparun­gen zu erzielen, sondern vor allem durch 12-Monats-Rezepte und andere Maßnahmen auch Erleichterungen für chronisch kranke Patienten zu erreichen.

Wir sehen in der Telemedizin ein absolutes Zukunftsprojekt zum Wohle der Patienten: Daten von Untersuchungen werden sowohl für Krankenhäuser als auch für Ärzte schneller zugänglich. Dem Patienten werden unnötige Doppeluntersuchungen erspart. Bessere, umfassendere Dia­gnosen werden möglich. Krankenhäuser und praktische Ärzte erhalten einen dauerhaften und direkten Zugriff zu den neuesten Entwicklungen der Medizin bei Diagnosen, Medikation und Operationstechniken.

Die menschliche Qualität unserer Gesellschaft, meine Damen und Herren, misst sich aber auch daran, wie wir unsere Mitmenschen in der letzten Phase ihres Lebens begleiten. Es soll in Hin­kunft für alle, die es brauchen, ein ausreichendes Angebot an Hospizeinrichtungen zur Verfü­gung stehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! In der Pensionsdiskussion werden richtigerweise immer wieder zwei Bevölke­rungstrends hervorgehoben: Leider nimmt die Zahl der Geburten ab – trotz einer erfreulichen Trendwende in Österreich im Vorjahr –, und die Zahl älterer Menschen nimmt zu. Immer weni­ger Kinder und immer mehr Senioren bedeuten aber einen dramatischen Wandel im Verhältnis zwischen den Berufstätigen und den Pensionisten. Kommen heute zwei Beschäftigte auf einen Rentner, so könnte dieses Verhältnis laut Berechnungen in wenigen Jahrzehnten so lauten, dass ein aktiv Beschäftigter die gesamte Pension eines Pensionisten bestreiten müsste.

Diese Entwicklung macht deutlich, dass in unserem umlagefinanzierten Pensionssystem immer weniger Erwerbstätige immer mehr Pensionisten finanzieren müssen. Und da tut sich eine enorme Gerechtigkeitslücke auf. Wir müssen den jungen Menschen eine echte, gerechte Chance auf eine existenzsichernde Pension im Alter geben, und dazu werden wir eine Pen­sionssicherungsreform umsetzen, die diesen Namen auch wirklich verdient. Dabei soll niemand verunsichert werden. Mit der neuen betrieblichen Zusatzpension, der Mitarbeitervorsorge, dem attraktiven privaten Vorsorgemodell bauen wir in Österreich gerade die zweite und dritte Säule der Alterssicherung auf. Und all dies muss im Gesamtkontext gesehen werden. – Dieser Kurs ist richtig, und diesen Kurs werden wir fortsetzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Sburny: Das ist zynisch!)

Unsere konkreten Reformprojekte:

Noch in dieser Legislaturperiode soll ein einheitliches Pensionsrecht für alle Österreicherin­nen und Österreicher eingeführt werden. Das bedeutet: keine Privilegien mehr, dafür aber klare, transparente Regeln: beitragsorientiert, fair und nachvollziehbar – ein individuelles Pensions­konto.

Dazu kommt die Einführung einer Mindestpension für jene allein stehenden bedürftigen und alten Menschen, die nach Erreichen des Regelpensionsalters von der Sozialhilfe abhängig sind. – Ein ganz wichtiger Schritt im Kampf gegen die Armut.


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Die Anhebung des Zugangsalters zur vorzeitigen Alterspension war im Grundsatz bei den Ver­handlungen mit allen politischen Parteien außer Streit und wird auch von allen Experten für not­wendig gehalten. Wir wollen diesen Weg behutsam und sorgfältig gehen. Wir beginnen Anfang 2004, und erst Anfang 2010 wird das Pensionsantrittsalter – ausgenommen Pension bei Krankheit oder Invalidität –, wie im Gesetz vorgesehen, bei 60 beziehungsweise 65 Jahren liegen. Gleichzeitig gibt es besondere Regelungen für Personen mit langer Versicherungsdauer.

Gleichzeitig – weil es in den Medien immer anders steht, betone ich das: gleichzeitig! – tritt ein umfangreiches Begleitpaket für den Arbeitsmarkt zur Hilfe für die älteren Mitarbeiter in Kraft. Qualifikations­offensiven und die bedarfsgerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes sind dabei ebenso inbegrif­fen wie eine spürbare Lohnnebenkostensenkung für Ältere – über 10 Prozent bei manchen Jahrgängen –, und zwar sowohl auf Dienstgeber- als auch auf Dienstnehmer-Seite.

Eine schrittweise Anhebung des Durchrechnungszeitraumes und eine Anpassung des Steige­rungsbetrages werden den Versicherungscharakter stärken. Diesem Ziel dient auch der Ausbau des Bonus/Malus-Systems.

Die Invaliditäts-, Berufsunfähigkeits- und Erwerbsunfähigkeitspension sollen überarbeitet wer­den. Auch diese Pensionen müssen den Bedürfnissen der neuen Arbeitswelt angepasst wer­den.

Die Forderung nach fairen Chancen für die Teilhabe an unserer Gesellschaft stellt sich auch für Menschen mit Behinderungen, und gerade das „Europäische Jahr der Menschen mit Behinde­rungen 2003“ nehmen wir erneut zum Anlass, um hier ihre Themen zu diskutieren.

Wir stehen für den gleichen Zugang aller Menschen zu Leistungen in allen Lebensbereichen. Wir wollen die soziale und berufliche Integration vertiefen und ein barrierefreies persönliches Umfeld schaffen. Ein Bundesbehinderten-Gleichstellungsgesetz wird erarbeitet, alle gesetz­lichen Bestimmungen werden auf Diskriminierungen hin überprüft und angepasst. Bei Um- und Neubauten im öffentlichen Bereich werden wir eine barrierefreie Nutzung sicherstellen. Geh­wege sollen österreichweit behindertengerecht gestaltet werden. – Meine Damen und Herren! Hier ist auch der Tourismus gefordert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zukunft braucht: solide Staatsfinanzen.

Die Prinzipien dieser Regierung – Sicherheit, Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit – gelten natürlich auch als Leitlinien unserer Budgetpolitik. Wir haben schon in den letzten drei Jahren gezeigt: Diese Regierung steht für gesunde Staatsfinanzen. Wir haben mit der alten Schuldenpolitik Schluss gemacht.

2001 wurde erstmals ein Nulldefizit erreicht. 2002 hatten wir trotz Konjunkturflaute und Hoch­wasserkatastrophe ein ausgezeichnetes Ergebnis. Wir wollen mit einer verantwortungsvollen Finanzpolitik sicherstellen, dass die Zukunft der jungen Menschen nicht von Schuldenbergen verstellt ist, denn es gibt nichts Unsozialeres, als Schulden zu Lasten der nächsten Generation zu machen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Die Abgeordneten Mag. Wurm und Eder: Eurofighter!)

Wir werden daher bis 2006 die Abgabenquote auf 43 Prozent senken, und zwar durch zwei Steuersenkungen. Im Jahr 2010 soll sie dann 40 Prozent betragen.

Unsere Ziele:

Im Vordergrund steht eine deutliche steuerliche Entlastung. Sie wird ein Volumen von rund 3 Milliarden € umfassen und in zwei Etappen durchgeführt. Die erste Phase beginnt am 1. Jänner 2004 und bringt eine Nettoentlastung von 500 Millionen, 600 Millionen €. Durch eine vollständige Steuerfreistellung von Brutto-Jahreseinkommen von knapp 14 500 € werden 200 000 Österreicherinnen und Österreicher von der Steuerzahlung befreit. Dazu kommt eine Lohnnebenkostensenkung für ältere Arbeitnehmer. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Eine ökologische Steuerreform bedeutet eine maßvoll höhere Besteuerung des Energiever­brauchs bei gleichzeitiger Entlastung des Faktors Arbeit – genau das, was viele immer gefordert haben. Das schafft Arbeitsplätze und entspricht genau den ökosozialen Zielen der EU-Staaten.

Mit der Einführung einer begünstigten Besteuerung nicht entnommener Gewinne – konkret die Einführung des halben Steuersatzes, mindestens aber 20 Prozent – wird eine Forderung des Mittelstandes erfüllt.

Die zweite Etappe der Steuerreform im Jahr 2005 wird eine noch größere steuerliche Entlas­tung bringen sowie eine Vereinfachung und mehr Transparenz. Insgesamt sind diese beiden Reformetappen die größte Steuersenkung der letzten Jahrzehnte. – Wir sind dazu bereit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Den Spielraum dazu holen wir uns durch die Fortführung der Verwaltungsreform, die Bekämp­fung der Schwarzarbeit und die Überprüfung von nicht mehr notwendigen Bundesausgaben.

Durch Steuersenkungen wird die Kaufkraft der Bevölkerung erhöht und ein wichtiger Wirt­schaftsimpuls gesetzt. Die vereinbarten Maßnahmen werden das Wachstumspotential stärken und zu mehr Gerechtigkeit, aber auch zu mehr ökologischer Orientierung beitragen.

Hohes Haus! Diese Bundesregierung tritt an, einen eigenständigen österreichischen Weg zu formulieren. Die Zeiten sind vorbei, dass wir uns an anderen orientieren können oder sollen, etwa an Deutschland. Wir sollen einen eigenen Weg gehen, der vielleicht auch Vorbild für andere wird.

Wer immer nur in die Fußstapfen anderer tritt, wird niemanden überholen!

Unser Ziel heißt, im Jahr 2010 unter die drei besten Länder Europas vorzustoßen. Und dazu müssen wir uns jetzt auf den Weg machen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dieser Weg, meine Damen und Herren, liebe Österreicherinnen und Österreicher, wird vielleicht nicht immer ganz einfach sein – er wird manchem Opfer abverlangen, er wird manch neue Her­ausforderung ansprechen –, aber das Ziel ist es wert.

Gehen Sie mit! Es lohnt sich! (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.21


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für seine Ausführungen.

Wir gehen in die Debatte über die Regierungserklärung ein.

Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer hat sich zu Wort gemeldet. Seine Redezeit wird wunschge­mäß auf 20 Minuten eingestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.22


Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte damit beginnen, klarzustellen, dass es in einer Reihe von Punkten, die der Herr Bundeskanzler genannt hat, durchaus Übereinstimmung gibt. Ich glaube, wir sollten am Beginn dieser neuen Regierungs­periode klarstellen, dass das wichtigste Projekt für die Zukunft unseres Landes, das wir hoffent­lich im Parlament im Konsens tragen werden, die Erweiterung der Europäischen Union sein wird und wir alle gemeinsam hier im Hohen Hause zu diesem Projekt stehen und es auch für Österreich verwirklichen werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten der Frei­heitlichen und der Grünen.)

Ich möchte auch nicht verhehlen, dass sich in einzelnen Aspekten der Regierungserklärung Ansätze wiederfinden, die Gegenstand der Diskussion während der Wahlauseinandersetzung waren, die auch Gegenstand jener Gespräche waren, die im Vorfeld dieser Regierungsbildung stattgefunden haben. Es gibt ein eindeutiges Ja zu einzelnen dieser Aspekte.


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Wenn nun die Krankenversicherungsbeiträge für Arbeiter und Angestellte gleichgestellt werden, so ist das ein positiver Schritt in die richtige Richtung. Wenn für die Behinderten in unserem Land mehr getan wird im „Jahr der Behinderten“, so ist das auch ein richtiger Schritt in die richtige Richtung.

Wenn wir gemeinsam versuchen, die Herausforderungen der wirtschaftlichen Modernisierung und des Wettbewerbs in Österreich wahrzunehmen, so sind hierin auch Aspekte enthalten, die ich für absolut richtig erachte.

Wenn einer der Hauptfehler der vergangenen Legislaturperiode im gesellschaftspolitischen Be­reich, nämlich die Beseitigung des Frauenministeriums, jetzt endlich korrigiert und wieder ein Frauenministerium eingeführt wird, so wird es von Seiten der sozialdemokratischen Parla­mentsfraktion dafür auch die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Ell­mauer.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat aber auch darauf hinge­wiesen, dass man aussprechen solle, was ist. – Dabei sollte man bitte nicht in den Fehler verfal­len, immer nur über einen Teil der Realität zu sprechen und einen anderen Teil auszublenden. Mit Sicherheit ist es so, dass Österreich zu den besten Wirtschaftsstandorten in Europa gehört, aber nichtsdestotrotz, Herr Bundeskanzler, ist die Zahl der Jugendlichen ohne Arbeit in den letzten Jahren gestiegen, ebenso die der Älteren in unserem Lande, die keinen Arbeitsplatz haben. Und obwohl die österreichischen Arbeitnehmer zu den fleißigsten in ganz Europa gehö­ren – nur so ist die hohe Produktivitätssteigerung zu erklären –, bekommen die österreichischen Arbeitnehmer netto Kassa dafür die geringsten Zuwächse in ganz Europa.

Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, sagen, es solle ein Ziel sein, dass Österreich im Jahr 2010 zu den drei besten Ländern gehört, so sind sicher alle bereit, dem zuzustimmen, aber es stellen sich dabei schon folgende Fragen: Für wen sollen wir die Besten sein? Und: Wem soll es am besten gehen?

Wenn Sie sagen, dass die österreichischen Arbeitnehmer ihren gerechten Anteil an der höheren Wertschöpfung bekommen sollen und damit im Jahr 2010 Nummer drei in Europa sein sollen, kann ich zustimmen, Herr Bundeskanzler, aber ein abstraktes Ziel, das niemandem nützt, hilft auch niemandem, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn ich in diesem Zusammenhang Ihre Reformvorschläge, die Sie uns heute unterbreitet haben, prüfe, so entsteht bei mir schon manchmal der Eindruck: Es steht zwar „Reform“ drauf, aber bei genauerem Hinschauen ist eigentlich nur Belastung drinnen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sie, Herr Bundeskanzler, haben auch über die Sicherung der Pensionen gesprochen – das ist eine der wesentlichen Herausforderungen für Österreich –, und wenn man Ihnen genau zuge­hört hat, hat man bemerkt, dass es da eine erhebliche Veränderung geben soll. Bisher sind wir in Österreich davon ausgegangen, dass der älteren Generation eine Pension zukommt, die existenzsichernd und lebensstandarderhaltend sein soll. – In Ihrer heutigen Regierungserklä­rung jedoch, als Sie über die Pensionen der künftigen Generation gesprochen haben, war in diesem Zusammenhang nur mehr von „existenzsichernd“ die Rede. Das bedeutet doch nichts anderes, als dass die heute aktive Generation von Arbeitnehmern zwar Beiträge einbezahlt, die sowohl zur Existenzsicherung als auch zur Lebensstandardabsicherung beitragen, aber die heute aktive Generation in Zukunft nur mehr eine Pension erhalten wird, die existenzsichernd ist.

Was bedeutet denn das anderes, meine sehr verehrten Damen und Herren, als eine drastische Kürzung der Pensionen für jene Menschen in Österreich, die heute durch ihre tägliche Arbeit dieses System aufrechterhalten? – Das hat doch nichts mit Reform zu tun, sondern stellt eine Belastung auf Kosten künftiger Generationen dar, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)


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Wenn es um eine Reform im Pensionssystem geht, so kann man sich doch nicht damit begnü­gen, irgendwann in dieser Legislaturperiode ein einheitliches Pensionssystem einzuführen, das irgendwann im Jahr 2030 oder 2033 endgültig wirksam wird. Mit einer solchen Vorgangsweise werden die Pensionen in den nächsten Jahrzehnten nicht zu sichern sein!

Jene Maßnahmen, die Sie, Herr Bundeskanzler, heute genannt haben, sind Maßnahmen, die unter Umständen die Finanzierungslücke im Jahr 2006 schließen, aber nicht darüber hinaus­gehend. Und Sie machen denselben Fehler, den Sie bereits im Jahr 2000 gemacht haben: Sie sprechen von „langfristiger Pensionssicherung“ und setzen Maßnahmen, die einen Teil der Be­völkerung erheblich belasten, aber eine weitere Reform im Jahr 2006 notwendig machen. Und das ist wirklich keine Reform, sondern reine Belastungspolitik, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, wenn wir offen über Fragen wie Generationensolidarität diskutieren – Sie, Herr Bun­deskanzler, haben über „lebendige Solidarität“ gesprochen, die es Ihrer Meinung nach erst im Jahr 2010 geben soll; ich würde den Anspruch stellen, dass wir diese Solidarität schon heute verwirklichen sollten –, dann müssen wir doch auch zur Kenntnis nehmen, dass es heute in Österreich Menschen gibt, die über sehr, sehr hohe Pensionseinkommen verfügen – über viel, viel mehr, als überhaupt ein „normaler“ Angestellter oder Arbeiter jemals erreichen könnte.

Wenn es um eine gerechte Reform des Systems geht, dann ist es doch nur recht und billig, auch von jenen einen Beitrag einzufordern, die heute über ganz hohe Pensionen verfügen. Es würde einem pensionierten Minister oder Staatssekretär kein Stein aus der Krone fallen, wenn er heute einen Solidaritätsbeitrag leistete, damit die Pensionen heute und auch in Zukunft gesichert sind, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Lassen Sie mich einen zweiten Bereich nennen, wo Sie über Reformen sprechen. Sie sagen, die Schulen sind die Stätten, wo die Zukunft unseres Landes stattfindet, wo es jene jungen Talente gibt, die die Zukunft unseres Landes gestalten werden.

Ich gebe Ihnen Recht, aber ich stelle die Frage: Was wird für die künftigen Talente unseres Lan­des gemacht? Für mich sind Talente nicht nur jene, die in einem oder in vielen Bereichen über­durchschnittlich sind. Ich bin der Meinung, Österreich kann auf überhaupt niemanden verzich­ten – egal, ob die schulische Leistung eine unterdurchschnittliche oder überdurchschnittliche ist. Aber ich stelle Ihnen die Frage: Was machen Sie für diese Menschen?

Wenn wir heute feststellen, dass wir auf dem zehnten Platz in der Welt liegen, während unsere Bildungsausgaben an der Spitze liegen, dann stelle ich die Frage: Wo ist hier die Zielsetzung, dass Österreich ein Bildungssystem möchte, das uns von Platz 10 auf Platz 1 führt? Wo sind die Maßnahmen, dass über Ganztagsschulen auch eine individuelle Begabungsförderung mög­lich ist? Wo sind die Vorschläge für eine echte Bildungsreform, die eine neue Schule des 21. Jahrhunderts begründen würden?

Herr Bundeskanzler! Ich habe den Eindruck, auch in diesem Bereich sind Ihre Vorschläge weder nachhaltig noch mutig, sondern in erster Linie kurzfristig ausgerichtet, interessenpolitisch und mutlos. Das sind nicht die Reformen, die wir für Österreich brauchen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, dass wir uns in einer wirtschaftlich schwierigen Situa­tion befinden. Und meine Frage ist: Was wird in dieser wirtschaftlich schwierigen Situation ge­tan?

Sie verweisen wieder auf das Jahr 2005 und sagen, im Jahr 2005 kommt auf einmal durch eine große Steuerreform der große Segen über die Österreicherinnen und Österreicher.

Nun, ich möchte Sie daran erinnern: Am Beginn des Jahres 2000 sind Sie hier gestanden und haben gesagt: Am Anfang sind jetzt die starken Einschnitte notwendig, damit es das Nulldefizit gibt, und am Ende der Legislaturperiode wird es eine ganz große Steuerreform geben, wo dann die Ernte eingefahren wird. (Abg. Dr. Fischer: Zeit der Ernte!)


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Nun, wir sind im Jahr 2003. Das wäre das Ende der letzten Legislaturperiode gewesen. Und worin besteht die Ernte? – Die Ernte besteht darin, dass Sie sich wieder herstellen und neue Belastungen für die Österreicherinnen und Österreicher verkünden und wieder darauf verwei­sen: Aber am Ende wird die Ernte kommen. – Nun, meine Damen und Herren, wenn die Ernte in immer neuen Belastungen besteht, dann wird sich die österreichische Bevölkerung schön bei Ihnen bedanken, Herr Bundeskanzler. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es stellt sich überhaupt die Frage, ob dieser Kurs, den Sie hier vorstellen, wirtschaftspolitisch richtig ist. Ist es nicht notwendig, dass Staat und Gesellschaft in Zeiten, in denen sich die Wirt­schaft nicht so dynamisch entwickelt, jene Aktivitäten setzen, die dafür sorgen, dass die Wirt­schaft angekurbelt wird, etwa im Bereich der Infrastruktur, im Bereich der Verstärkung der Nachfrage durch die Bevölkerung, im Bereich von Forschung und Entwicklung? Wir sollten doch nicht warten, bis sich die Wirtschaft von selbst irgendwann erholt, um dann zu irgendeiner Art von Verteilung zu kommen. Staatliche und politische Verantwortung besteht doch darin, in Zei­ten, in denen die Wirtschaft Hilfe braucht, diese Hilfe zu geben. Dies wäre jetzt, im Jahr 2003, und nicht im Jahr 2005 notwendig, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie die soliden Staatsfinanzen ansprechen, dann muss ich sagen: Ich bin höchst er­staunt! Was heute hier stattgefunden hat, war, mit schönen Worten das Ziel des Nulldefizits zu begraben, und zwar letztendlich zu begraben, denn wenn man sich das ansieht, was Sie im Regierungsabkommen ausgemacht haben, dann sieht man, dass dort nichts anderes drinsteht, als dass selbst in den Jahren 2005 oder 2006, in denen Sie damit rechnen, dass die Wirtschaft sich wieder gut entwickeln wird, die Defizite nicht nach unten gehen werden, sondern das Gegenteil der Fall ist. Selbst in jenen Zeiten, in denen Sie eine wirtschaftlich gute Lage pro­gnostizieren, werden nach Ihren Vorstellungen die Defizite wieder nach oben gehen.

Da stelle ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Frage: Worin besteht der Sinn einer solchen Vorgangsweise? Wir waren uns im Hohen Haus doch immer einig darüber, dass man danach trachten soll, der Wirtschaft in wirtschaftlich schlechten Zeiten zu helfen und in wirt­schaftlich guten Zeiten das Budget zu konsolidieren. Wenn Sie aber nun nicht einmal für wirt­schaftlich gute Zeiten ein Nulldefizit vorsehen, dann frage ich: Wann soll es denn dann kommen?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was in diesem Regierungsübereinkommen festge­halten ist, das ist der Abschied vom Nulldefizit und von einer soliden Finanzpolitik und bedeutet neue Schulden für die Zukunft! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben auf einige Aspekte von Reformen der letzten Legislaturperiode hingewiesen, unter anderem auf die Zukunft der Universitäten. Die Zukunft der Universitäten ist mit Sicherheit von entscheidender Bedeutung für das Bildungs- und Forschungsniveau unseres Landes und daher ganz entscheidend für das, was wir als Zukunftssicherung bezeichnen.

Aber glauben Sie wirklich, dass, wenn Sie einzelne Ewiggestrige in die Universitätsräte entsen­den, mit solchen Leuten die Zukunft unseres Landes zu gewinnen ist? – Ich glaube das nicht, Herr Bundeskanzler und meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Daher muss ich Ihnen sagen: Ich habe den Eindruck, bei dem, was Sie als Reform bezeich­nen – man könnte das noch in vielen anderen Bereichen belegen –, findet sich immer das Wort Reform, aber der Inhalt ist meistens Belastung. Ich habe den Eindruck, Sie schrecken vor den wirklichen, grundsätzlichen Reformen, die unser Land benötigt, zurück.

Der Grund dafür ist ein ganz einfacher: Jeder in Österreich würde sich ja fragen, wieso nach zweieinhalb Jahren des Kabinetts Schüssel I auf einmal so ein enormer Reformbedarf vorhan­den ist. Was hat die letzte Regierung zweieinhalb Jahre lang gemacht, wenn gerade jetzt dieser enorme Reformbedarf besteht? Und natürlich würden die Menschen mit Recht sagen: Offen-


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sichtlich waren die letzten zweieinhalb Jahre, was den Reformcharakter betrifft, nicht so glor­reich, wenn jetzt so ein Reformstau besteht.

Aber wenn schon dieser Reformstau besteht, dann stelle ich die Frage: Warum sind Sie so mutlos in der Pensionsreform und wollen nicht jetzt bereits ein einheitliches Pensionssystem für alle einführen? Wieso sind Sie so mutlos in der Bildungsreform und wollen nicht eine moderne Schule des 21. Jahrhunderts schaffen? Wieso sind Sie so mutlos in der Gesundheitsreform und erhöhen nur die Versicherungsbeiträge und lassen die Strukturreformen im Unklaren bestehen? Wieso sind Sie so mutlos im Bereich einer modernen Staatsreform, die dazu führen würde, dass nicht nur einzelne Kompetenzen hin- und hergeschoben werden, sondern wirklich ein moderner Staat in einem modernen Europa des 21. Jahrhunderts entstehen könnte? Wo ist Ihr Mut, Herr Bundeskanzler, der heute so dringend gebraucht worden wäre? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wissen Sie, manchmal hat man, wenn man Ihnen so zuhört und Sie das darstellen – und ich muss ja durchaus sagen: Ein Teil der Punkte, auf die ich hingewiesen habe, klingt durchaus vernünftig, und es gibt auch einige Punkte, wo wir in der Tat übereinstimmen –, den Eindruck: Was gewiss ist, das sind die Belastungen. Was noch im Ungewissen liegt, sind dann die in der Folge wolkig angekündigten Reformen.

Auch wenn Sie über ökologische Nachhaltigkeit reden, ist auffällig: Fix ist die Erhöhung der Spritpreise. Aber worin der ökologische Charakter einer Reform bestehen soll, das bleibt offen.

Was in erster Linie einmal fix ist, ist, dass alle Österreicherinnen und Österreicher für den Diesel mehr bezahlen und die Bauern weniger – was für die Bauern sicherlich ganz nett ist.

Aber worin der ökologische Charakter einer solchen Maßnahme bestehen soll, wenn Sie über Nachhaltigkeit sprechen, das haben Sie uns heute nicht vermitteln können, Herr Bundeskanzler.

Oft hat man den Eindruck, das, was Sie als Reform bezeichnen, ist eine ziemlich mutlose Interessenvertretungspolitik. Diese wird Österreich nicht weiterbringen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Mit Recht werden Sie darauf verweisen, dass man nicht alle Probleme am ersten Tag einer neuen Regierung mit einer Regierungserklärung lösen kann. Und ich stimme Ihnen zu. Es liegt eine Legislaturperiode vor uns, von der wir nicht wissen, wie lange sie dauern wird und wie stabil die Zusammenarbeit sein soll. Ich gehe einmal davon aus, wir richten uns auf eine Zusammenarbeit zwischen der Regierung und dem Parlament für die nächsten Jahre ein.

Dabei gibt es eine Reihe von Reformen, bei denen Sie ganz genau wissen, dass Sie zumindest die breite Zustimmung des Nationalrats brauchen werden, nämlich eine Zweidrittelmehrheit. Und ich sage glasklar am Tag dieser Debatte zur Regierungserklärung: Wenn es so ist wie in der letzten Legislaturperiode, dass die Regierung nur versucht, über das Parlament drüberzu­fahren, dann wird es keine Partnerschaft geben. Wenn es aber einen tatsächlichen Dialog über Reformen gibt, die im Nationalrat eine Zweidrittelmehrheit brauchen, und dieser Dialog auch zu einer Partnerschaft zwischen Parlament und Regierung führt, dann werden wir Sozialdemokra­ten bereit sein, mit der Regierung über diese Reformen zu diskutieren, mit ihr zusammenzu­arbeiten und auch zu gemeinsamen Lösungen zu kommen. Es wird an Ihrer Regierung liegen, Herr Bundeskanzler, ob Sie Abstand nehmen vom alten schlechten Stil der alten schwarz-blauen Regierung und zu einem neuen Stil, zu einem neuen Umgang mit dem Parlament finden. Wir sind zu dieser konstruktiven Zusammenarbeit bereit. (Lebhafter Beifall bei der SPÖ.)

10.42


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Abgeordneter Mag. Molterer. Die Uhr ist für ihn auf 20 Minuten eingestellt. – Bitte, Herr Magister.

10.43


Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Verehrter Herr Bundespräsident! Herr Präsident des Nationalrates! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Liebe Mitglieder der österreichischen


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Bundesregierung! Namens des Klubs der Österreichischen Volkspartei möchte ich Ihnen, liebe Mitglieder der Bundesregierung, zur Angelobung alles Gute wünschen. Ich wünsche Ihnen viel Glück, ich wünsche Ihnen den Erfolg, der auf Basis dieses exzellenten Arbeitsübereinkommens für Österreich gegeben ist.

Meine Damen und Herren! Am 24. November hat Österreich gewählt, und die Österreicherinnen und Österreicher haben sehr klare Signale gegeben. Einerseits haben sie gesagt: Ja, wir wollen in Österreich Veränderung, wir wollen in Österreich Reform, wir wollen in Österreich den Blick nach vorne richten!, weil die Menschen in diesem Lande ein sehr gutes Gespür für das, was not­wendig ist, haben. Sie wollen, dass über das Notwendige entschieden wird. Das ist der Wille der Wähler vom 24. November, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Es ist am 24. November auch klar gemacht worden, dass die Österreicherinnen und Österrei­cher die Österreichische Volkspartei als führende Kraft in diesem Land wollen. Sie haben uns die Verantwortung in die Hand gegeben und klar gesagt, sie wollen Wolfgang Schüssel als Bun­deskanzler einer neuen Bundesregierung, der mit ruhiger und sicherer Hand das Land in eine gute Zukunft führt. (Beifall bei der ÖVP.)

Und, meine Damen und Herren, die Österreicherinnen und Österreicher haben der Österreichi­schen Volkspartei drei Optionen für die Bildung einer gemeinsamen Bundesregierung in die Hand gegeben. Wir haben daher in hoher Verantwortung für das Land, in hoher Verantwortung für die Zukunft Österreichs in den letzten Monaten mit allen im Nationalrat vertretenen Parteien intensiv über die Bildung einer Bundesregierung verhandelt.

Diese Verhandlungen haben auch Klarheit gebracht. Sie haben einerseits Klarheit gebracht – und das halte ich für positiv –, Herr Abgeordneter Gusenbauer, dass eigentlich eine Art Grund­konsens hier im Parlament zwischen den politischen Parteien gegeben ist: Ja, es ist notwendig, Dinge zu verändern. Ja, es ist notwendig, die Budgetkonsolidierung fortzusetzen. Ja, es ist not­wendig, eine Pensionssicherungsreform zu machen. Ja, es ist notwendig, Veränderungen im Gesundheitssystem zu setzen. Ja, es ist notwendig, die Bundesstaatsreform, die Staatsreform umzusetzen. Ja, es ist notwendig, in der Verwaltung für Effizienz zu sorgen.

Und, meine Damen und Herren, Hohes Haus, ich halte das für einen Fortschritt, für einen substantiellen Fortschritt deshalb, weil wir auf einer Art gemeinsamer Basis aufbauen können: Was tut Not für unser Land?

Diese Verhandlungen und diese Gespräche haben aber auch eine zweite Klarheit gebracht: Sie haben klar gemacht, wer in diesem Land tatsächlich bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, wer in diesem Land tatsächlich auch bereit ist, die Reformen zu tragen, wer in diesem Land tatsächlich zu Entscheidungen und zu Veränderungen bereit ist und auch den Mut dazu hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Sburny: Und alle Grundsätze über den Haufen zu werfen!)

Herr Abgeordneter Gusenbauer, ich muss Ihnen schon sagen: Wenn Sie heute hier stehen und sagen, Sie fordern die großen Reformen ein, und wenn Sie heute hier stehen und sagen, Sie fordern den Mut ein, dann frage ich Sie: Hat Sie der Mut verlassen? (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Gusenbauer, haben Sie sich nicht am Ende dieses Prozesses für den einfacheren, aus Ihrer Sicht vielleicht einfacheren Weg entschieden? Haben Sie sich nicht dafür entschieden, in Opposition zu bleiben? Und haben Sie damit nicht eigentlich die Interessen der Partei, der Sozialdemokratie, vor die Interessen Österreichs gestellt?

Meine Damen und Herren von den Grünen, auch zu Ihnen. Wir haben intensive Verhandlungen geführt. Auch bei Ihnen, Herr Kollege Van der Bellen, hatte ich den Eindruck, dass Sie eigent­lich Interesse und Bereitschaft hatten, dass Sie aber trotz dieses Wollens einfach nicht konnten, und zwar deswegen nicht konnten, weil einfach wesentliche Gruppierungen und Teile der Grünen, vor allem der so genannten grünen Basis, die ja in Wahrheit die Funktionärsbasis ist, diesen Weg nicht mittragen wollte und nicht mittragen konnte.


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Genauso klar ist in diesen Verhandlungen geworden, dass wir mit der Freiheitlichen Partei Österreichs ein mutiges, ein zukunftsorientiertes Programm, ein Arbeitsübereinkommen mit klaren Zielsetzungen, mit einer guten Zukunft für Österreich, mit einer Zukunft, die nachhaltig und gerecht gestaltet wird, vorlegen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dafür haben wir den klaren Auftrag der Wählerinnen und Wähler. Dafür haben die Österrei­chische Volkspartei und auch die Freiheitliche Partei Österreichs die Bereitschaft zur Verant­wortung übernommen. Ja, wir sind bereit, Verantwortung für Österreich zu übernehmen, und wir haben den klaren Willen und den Mut, auch in schwierigen Zeiten diese Verantwortung einzu­setzen, Veränderungen vorzunehmen und die Entscheidungen für Österreich zu treffen, not­wendige, richtige und gute Entscheidungen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir bauen dabei auf auf der wirtschaftlichen Stärke unseres Landes, wir bauen auf auf der Leistungskraft der ArbeitnehmerInnen und Unternehmer in diesem Lande, der Arbeitnehmer und der Bauern.

Wir bauen auf auf einem hohen Niveau von sozialer Sicherheit, auf einem hohen Standard der Lebensqualität in unserem Land und auf einem hohen Standard von Sicherheit für unsere Mitbürger in Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir wissen aber auch sehr genau, wo uns der Schuh drückt. Wir wissen, dass wir viel zu tun haben, etwa im Bereich der Dynamisierung der Wirtschaft und des Standortes, etwa in der Zielsetzung der Sicherung von Vollbeschäftigung für unsere Menschen in Österreich, weil wir die Sorgen von Jung und Alt auf dem Arbeitsmarkt kennen. Wir wissen selbstverständlich auch, dass wir im Bereich der langfristigen Sicherung der Altersvorsorge für Alt und Jung entsprechende Impulse setzen müssen – genauso wie für Frauen, genauso etwa mit neuen Instrumenten wie der Schaffung des Rechts auf Teilzeitarbeit für Eltern, aber auch für Menschen, die es in unserer Gesellschaft nicht leicht haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Daher ist aus Sicht der Österreichischen Volkspartei dieses Arbeitsübereinkommen die solide Grundlage, nicht nur die Arbeitsgrundlage, sondern die Zukunftsgrundlage. Warum? – Weil wir mit diesem Übereinkommen ein klares Ja zu Europa sagen, weil Europa für uns, für Österreich die Zukunftschance schlechthin ist. Wir wollen die Chance Europa ergreifen, die volle Teilnahme an allen Integrationsschritten in der Europäi­schen Union. Wir akzeptieren zu 100 Prozent und unterstützen zu 1 000 Prozent die Erweite­rung der Europäischen Union, weil sie unsere Chancen für die Zukunft vermehrt. Wir werden Österreich mit seinen Interessen auch aktiv im Konvent einbringen, um sicherzustellen, dass die wichtigen österreichischen Anliegen wie etwa nukleare Sicherheit, Wasser oder etwa auch historische Fragestellungen wie im Zusammenhang mit Beneš auch in der Europäischen Union berücksichtigt werden.

Wir sagen ja zu einer umfassenden und substantiellen Staats- und Verwaltungsreform. Wir werden das sehr grundlegend angehen, meine Damen und Herren. Die erste Frage wird sein: Was macht der Staat? Welche Aufgaben soll er eigentlich im Interesse der Bürger übernehmen, und was soll er eigentlich nicht mehr tun? Die zweite Frage wird sein: Wer macht es im Staat, wer kann es am besten, am bürgernähesten, am billigsten, im Interesse der Subsidiarität mög­lichst auf der untersten Ebene? Und wir werden die Frage beantworten: Wie macht es der Staat? – Modern, billig und effizient. Das Ziel ist, dem Bürger zu dienen und Steuergeld zu sparen.

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich werden wir die Pensionssicherungsreform umset­zen. Herr Kollege Gusenbauer: Wenn Sie sagen, es bestehe Grundkonsens, dass wir Pensio­nen für Alt und Jung sichern müssen, dann meine ich: Da können Sie doch nicht auf halbem Wege stehen bleiben! Wir bieten die Perspektive für eine langfristige Orientierung mit einem einheitlichen Pensionsrecht für alle. Das ist fair und gerecht. Wir scheuen uns nicht, die kurz­fristig notwendigen Maßnahmen jetzt zu setzen, in dieser Legislaturperiode umzusetzen und selbstverständlich dabei auch auf die älteren Arbeitnehmer, auf die Notwendigkeiten des


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Arbeitsmarktes, der Frauen beispielsweise, in besonderer Weise einzugehen, genauso wie wir uns vornehmen, Mindestpensionen für Menschen zu schaffen, die diese in ihrem Erwerbsleben nicht in ausreichendem Maße selbst erwirtschaften konnten. Unser Ziel heißt, eine starke erste Säule zu haben und die Alterssicherung durch eine bessere zweite und dritte Säule zu ergän­zen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir wollen und werden weiterhin stabile Staatsfinanzen für die Österreicherinnen und Österrei­cher garantieren. Der erfolgreiche Weg wird fortgesetzt. Herr Kollege Gusenbauer, wiederum: Wenn Sie hier die Frage des Nulldefizits ansprechen, dann meine ich, dass viele Menschen in Erinnerung haben, welche Wendungen Sie zu diesem Thema in den letzten Monaten gemacht haben. Einmal haben Sie gesagt, es sei ein wirtschaftspolitisch völlig unverantwortliches Ziel, und wenige Wochen später wollten Sie es in der Verfassung verankern. Bei Ihnen weiß man nicht so ganz, wie Sie es haben wollen. Wir wissen, was wir wollen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir wollen eine solide Haushaltsführung, und wir wollen eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft, der Steuerzahler, und zwar, Herr Kollege Gusenbauer, nicht ab dem Jahr 2005, sondern wir beginnen im Jahr 2004. In Ihrem Kalender hat es zwischen 2003 und 2005 offensichtlich eine Lücke gegeben. Ich fülle sie. Der erste Schritt der Entlastung für die kleineren Einkommen erfolgt im Jahr 2004. Wir stellen Einkommen bis 14 500 € steuerfrei, wir senken die Lohnnebenkosten, und wir werden auch für die Wirtschaft entsprechende Perspekti­ven bieten.

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich sind im Bereich der Bildungspolitik Qualitätsorien­tierung, Fortsetzung der notwendigen Umstrukturierung im Universitätsbereich und die Entlas­tung der Schüler das Ziel. Wir investieren in Forschung und Entwicklung – etwa 600 Millionen € in dieser Legislaturperiode –, weil in Forschung und Entwicklung für die Betriebe und die Arbeit­nehmer die Zukunft schlechthin liegt.

Die Sicherheit unseres Landes, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger, meine Damen und Herren, ist für uns, für die Österreichische Volkspartei, kein Tauschobjekt. Nein, die Sicherheit unseres Landes, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger müssen wir in der inneren Sicher­heit genauso garantieren wie durch die notwendigen Investitionen und Entscheidungen in der äußeren Sicherheit. Wir wollen weiterhin eines der sichersten Länder der Welt bleiben. Das heißt aber, dass jetzt investiert werden muss, dass jetzt entschieden werden muss. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir brauchen für die Wirtschaft die notwendige Deregulierung, die notwendige Flexibilität, etwa bei der Arbeitszeit oder Ladenöffnungszeit. Wir brauchen aber auch die notwendige Qualifika­tion etwa für Lehrlinge, für junge Menschen, damit wir hier die Perspektive bieten können, genau so wie in der Forschung und Entwicklung.

Meine Damen und Herren! Dieses Programm für Österreich, dieses Zukunftsprogramm für Österreich bietet die Basis für eine nachhaltige, faire und gerechte Entwicklung in unserem Land, eine solide Grundlage, die die Pflichten, die das Notwendige, das zu geschehen hat, ab­sichert, die aber gleichzeitig Perspektiven für die interessanten, innovativen Aspekte in unserem Land bietet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben diese Zielsetzungen des Arbeitsüberein­kommens auch in einer Entschließung umgesetzt und zusammengefasst. Gemäß § 55 Abs. 3 GOG in Verbindung mit § 53 Abs. 4 GOG möchte ich die Kernpunkte dieser Entschließung erläutern. Und ich möchte dann den Herrn Präsidenten ersuchen, den gesamten Entschlie­ßungsantrag vervielfältigen und verteilen zu lassen.

Die Kernpunkte dieser Entschließung und unserer Zielsetzung: Wir wollen Europa als Chance. Wir wollen den Österreicherinnen und Österreichern die innere und äußere Sicherheit optimal ga­rantieren. Wir wollen Arbeitsplätze gemeinsam mit einer starken Wirtschaft schaffen. Wir wollen die Bürger von Steuern und Abgaben entlasten. Wir wollen die Haushalte in Ordnung


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brin­gen und stabil halten. Wir wollen die Pensionssicherung für alle Menschen in unserem Lande, für Jung und Alt, garantieren. (Abg. Dr. Fischer: Nur können Sie es nicht!) Wir werden die Gesund­heitsreform umsetzen, eine Bildungs- und Forschungsinitiative setzen und mit einer umfassen­den Staats- und Verwaltungsreform Österreich noch effizienter und erfolgreicher gestalten.

Meine Damen und Herren! Es liegt ein ambitioniertes Arbeitsprogramm, das diese österreichi­sche Bundesregierung vorgelegt hat, vor uns. Ich habe eingangs gesagt, die Österreicherinnen und Österreicher wissen ganz genau Bescheid, was Not tut. Wir geben mit diesem Arbeits­übereinkommen den Österreicherinnen und Österreichern auch die richtigen Antworten, Antwor­ten auf die Fragen der Zukunft.

Wir werden seitens der Österreichischen Volkspartei und selbstverständlich auch seitens der Regierungsfraktionen den Konsens mit den Partnern suchen. Wir werden etwa mit dem Bund, mit den Ländern und mit den Gemeinden einen Konsens bezüglich der Staatsreform suchen. Wir werden selbstverständlich auch die Sozialpartner einbinden und sie einladen, diesen Zukunfts­weg im Interesse des Landes mitzugehen.

Ich lade von dieser Stelle aus auch die Oppositionsparteien ein, den Konsens zu suchen, weil es nach meiner festen Überzeugung auch für das Ansehen des Parlaments wichtig ist, dass wir das Gemeinsame über das Trennende stellen. Ich halte – ich sage Ihnen das sehr offen – die heutige Rede des Kollegen Gusenbauer für durchaus interessant, weil sie in manchen Bereichen Grund zur Hoffnung gibt, dass der Konsens auch seitens der Opposition gesucht wird. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Wir werden aber auch seitens der Regierungsparteien die notwendigen Entscheidungen zu treffen haben, wenn wir der Überzeugung sind, dass sie für Österreich richtig sind. Wir werden mit diesem Arbeitsübereinkommen, meine Damen und Herren, einen rot-weiß-roten Kurs für unser Österreich in einem starken Europa gehen. Ich lade dazu ein: Gehen Sie auf diesem Weg, auf diesem guten Weg für Österreich mit! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.01


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, auf den sich Herr Abgeordneter Mag. Molterer bezogen hat, ist genügend unterstützt und ordnungsgemäß eingebracht worden und steht daher mit zur Verhandlung. Er wird vervielfältigt und verteilt und dem Stenographi­schen Protokoll beigedruckt werden.

Der Entschließungsantrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Molterer, Scheibner und Kollegen betreffend Umsetzung des Regie­rungsprogrammes der österreichischen Bundesregierung für die XXII. Gesetzgebungsperiode

Die Bundesregierung der letzten Gesetzgebungsperiode hat umfangreiche Reformen im In­teresse der Österreicherinnen und Österreicher vorgenommen. Zielsetzung der am 28. Feber 2003 angelobten neuen Bundesregierung ist es nunmehr, diesen erfolgreichen Weg weiterzu­entwickeln, um für Österreich weiterhin eine positive Entwicklung zu gewährleisten.

In den Gesprächen und Verhandlungen seit dem 24. November 2002 mit allen Parteien ergab sich ein parteiübergreifender Konsens dahin gehend, welche Maßnahmen in der XXII. Gesetz­gebungsperiode notwendig sind, um für Österreich eine weiterhin positive Entwicklung sicher­zustellen.


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Das Fundament der Regierungspolitik für diese Legislaturperiode ist das von allen Parteien außer Streit gestellte Bekenntnis zur Notwendigkeit nachstehender vorrangiger Problemlösun­gen, um die Zukunft unseres Landes nachhaltig zu sichern:

Budgetkonsolidierung,

Steuerentlastung,

Sicherstellung der mittel- und langfristigen Pensionsfinanzierung,

Gesundheitsreform,

Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich,

Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,

Verwaltungsreform und Staatsreform.

Das beiliegende Regierungsprogramm ist Grundlage für die Bewältigung dieser Herausforde­rungen sowie für eine problemorientierte Umsetzung der anstehenden Reformen und ist Garant dafür, dass zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger unseres Landes

der Wirtschaftsstandort Österreich konkurrenzfähig bleibt,

Arbeitsplätze geschaffen werden,

ein ausgeglichenes Budget über den Verlauf einer Periode angestrebt wird,

eine Steuerentlastung für alle kommt,

die EU-Erweiterung mit gewaltigen Chancen für Österreich verwirklicht wird,

die innere und äußere Sicherheit gewährleistet wird,

die Pensionen nachhaltig gesichert werden,

die Gesundheitsversorgung gesichert und weiterentwickelt wird,

Bildung und Forschung verstärkt gefördert werden sowie

im Rahmen einer Verwaltungs- und Staatsreform die Verwaltung bürgernäher, kostengünstiger und effizienter gestaltet wird.

Dieses ambitionierte Programm der österreichischen Bundesregierung ist dazu geeignet, eine positive Entwicklung unseres Landes auch in den nächsten Jahren sicherzustellen. Aus diesem Grunde unterstützen die unterfertigten Abgeordneten nicht nur die Ziele des Regierungspro­grammes, sondern treten auch für eine umfassende Umsetzung der einzelnen Maßnahmen ein.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Nationalrat begrüßt, dass die österreichische Bundesregierung ein umfassendes Regie­rungsprogramm zur Sicherstellung einer positiven Weiterentwicklung unseres Landes mit weit reichenden Maßnahmen vorgelegt hat und unterstützt die in diesem Regierungsprogramm dar­gelegten Zielsetzungen.


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Darüber hinaus ersucht der Nationalrat die Bundesregierung, das beiliegende Regierungspro­gramm und insbesondere seine Schwerpunkte

Europa, innere und äußere Sicherheit,

Arbeitsplätze und Wirtschaftsstandort,

Steuerentlastung,

Budgetkonsolidierung,

Pensionssicherung,

Gesundheitsreform,

Bildungs- und Forschungsinitiative,

und Verwaltungs- und Staatsreform,

initiativ und effizient umzusetzen.“

Beilage: Regierungsprogramm

Regierungsprogamm der österreichischen Bundesregierung für die XXII. Gesetzgebungsperiode

1. Demokratie und Staatsreform

2. Europäische Union

3. Äußere Sicherheit und Landesverteidigung

4. Inneres, Asyl und Integration

5. Justiz

6. Wirtschaft und Standort

7. Verkehr

8. Arbeit und Soziales

9. Pensionen

10. Gesundheit und Pflege

11. Bildung

12. Wissenschaft

13. Forschung und Innovation

14. Nachhaltigkeit, Umwelt und Landwirtschaft

15. Frauen

16. Familie und Generationen

17. Medien

18. Kunst und Kultur


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19. Sport

20. Verwaltungsreform

21. Dienstrecht

22. Finanzen

1. Demokratie und Staatsreform

Österreich ist eine der höchst entwickelten Demokratien der Welt. Die Bundesregierung wird alles dazu tun, die demokratischen Einrichtungen und Verfahren in Österreich zu stärken und zu modernisieren. Dieses Bekenntnis schließt den Ausbau der Rechte der Minderheiten selbstver­ständlich mit ein.

Österreich-Konvent: Die österreichische Bundesverfassung genügt in mancher Hinsicht nicht mehr den Ansprüchen. Eine umfassende Bereinigung ist daher erforderlich. Zu diesem Zweck soll ein Verfassungskonvent eingerichtet werden:

ca. 50 Mitglieder (z.T. Parlamentarier Bund, Ländern, Europa), Gebietskörperschaften, Regie­rungen, Bürgergesellschaft

Legt binnen 18 Monaten den Text einer erneuerten Bundesverfassung auf Grundlage der der­zeit geltenden Baugesetze (Föderalismus etc.) vor.

Aufgaben: Verfassungsbereinigung, Inkorporierung des B-VG statt Zersplitterung, Überprüfung des gesamten Behördenaufbaus, Adaptierung der Kompetenztatbestände, aktualisierter Grund­rechtskatalog (Basis: europäische Grundrechte), Neuordnung Volksanwaltschaft, Ausbau von Elementen der direkten Demokratie, weiters:

Kompetenzen: Schaffung geschlossener Kompetenzbereiche, Bereinigung i.S. des Subsidiari­tätsprinzips, Stärkung der Rechte der Länder

Unmittelbare Anwendbarkeit von Vereinbarungen gem. Art. 15a B-VG

Streichung Art. 98 B-VG (Einspruchsrecht des Bundes gegen Landesgesetze ausgenommen Landesverfassungsrecht), zugleich: Bei Säumigkeit in EU-Umsetzung Ersatzvornahme durch Bund nach sechs Monaten, bei EU-Rechtswidrigkeit: Einspruchsrecht

Stärkung der Koordinierungs- und Planungskompetenz des Bundes

Auflassung der mittelbaren Bundesverwaltung

Ausdehnung der Delegation von Gesetzgebungsbefugnissen des Bundes an die Länder auf Art. 10/1-Materien

Einführung eines Europäischen Legalitätsprinzips

Steuerhoheit der Länder und Stärkung ihrer Rolle in der Finanzverfassung

Verbesserung der Zuständigkeiten im Katastrophenschutz

Einführung des Briefwahlrechts:

Ausdrückliche Verankerung der Briefwahl in der Verfassung.

Einführung eines einfachen wählerfreundlichen, aber auch vor Missbrauch sicheren Systems.

Verankerung eines Anspruches auf Ausstellung der Briefwahlunterlagen.


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Auslandsösterreicher, die in der Wählerevidenz eingetragen wurden, sind von der zuständigen Gemeinde von Amts wegen über die Möglichkeiten zur Briefwahl zu verständigen.

Wählerevidenzen für Auslandsösterreicher bei den österreichischen Vertretungsbehörden.

Einheitliches Abgabenverfahrensrecht

Beseitigung von Zweigleisigkeiten in der Schulverwaltung, schlankere Schulaufsicht, kleine Kollegien.

Bundestierschutzgesetz: Künftig soll es ein Bundestierschutzgesetz (Art. 11 B-VG) auf der Basis einheitlicher EU-Standards geben für die Heimtierhaltung, die Haltung von Nutztieren sowie die Haltung von Tieren in Zoos und Tierparks. Gleichzeitig wird die bundeseinheitliche Umsetzung von EU-Recht sichergestellt. Hohe Standards sichern und gleichzeitig Maßnahmen für faire Wettbewerbsbedingungen – z.B. die verstärkte Investitionsförderung für besonders tier­freundliche Haltungsformen – setzen;

Kundmachungsreform unter Einbeziehung der anderen Gebietskörperschaften (Internet)

FAG: Einführung eines aufgabenorientierten Bevölkerungsschlüssels

Volksgruppen: Lösung der Ortstafelfrage im Sinne des in der Konsenskonferenz des BKA zwischen den Landtags- und Nationalratsparteien erzielten Angebotes an die Volksgruppe.

2. Europäische Union

Die Bundesregierung bekennt sich zum Friedensprojekt Europa und tritt für ein gemeinsames Europa ein, das auf der Solidarität der Staaten und der Achtung der Vielfalt ihrer Geschichte, Kultur und Traditionen beruht, Freiheit, Frieden und Wohlstand sichert. Österreich wird weiterhin entschlossen und konstruktiv an der weiteren Integration mitwirken und seine Interessen wirk­sam vertreten.

Österreich nimmt weiterhin seine Schutzfunktion für die deutschsprachige und ladinische Volks­gruppe in Südtirol wahr. In diesem Sinne bleibt es in enger Verbindung mit den Vertretern dieser Volksgruppen, um ihren Bestand auf der Grundlage von Pariser Abkommen und Paket weiterhin sicherzustellen.

Die Bundesregierung wird die Anliegen und Interessen der altösterreichischen Minderheiten im Ausland fördern. Sie wird auch weiterhin im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten für die Pflege und Verbreitung der deutschen Sprache im Ausland eintreten – insbesondere in Mittel-, Ost- und Südosteuropa – und dazu auch das Netz der Österreich-Institute und Österreich-Bibliotheken heranziehen.

Konstruktives Mitwirken Österreichs in Konvent und Regierungskonferenz. Österreich tritt unter Wahrung der Einstimmigkeit für vitale Interessen (Raumordnung, Bodennutzung, Eigenmittelbe­schluss, Rechtsakte mit konstitutivem Charakter, Wahl der Energieträger, Wasserressourcen) für das Prinzip der qualifizierten Mehrheit ein. Österreich soll in allen zentralen Kernbereichen an der Entwicklung der europäischen Zusammenarbeit, einschließlich der Sicherheits- und Ver­teidigungspolitik, initiativ und aktiv mitarbeiten. Österreich tritt für eine Stärkung des Aus­schusses der Regionen ein.

Bekenntnis zur Erweiterung der Europäischen Union, Verpflichtung zur termingerechten Unter­zeichnung und raschen Ratifikation des EU-Beitrittsvertrages (Beschluss im Ministerrat sowie parlamentarische Behandlung und Beschlussfassung). Im Hinblick auf die Transitfrage wird auf das Kapitel Verkehr, im Hinblick auf den Melker Prozess wird auf das Kapitel Nachhaltigkeit verwiesen.


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Umsetzung der vereinbarten EU-Übergangsregelungen im Bereich der Freizügigkeit von Per­sonen und Dienstleistungen unter Beachtung der siebenjährigen Übergangsfrist; Regeln zur stufenweise Heranführung an die volle Freizügigkeit.

Ratifizierung der Grenzgänger- und Praktikantenabkommen mit Nachbarstaaten.

Vorbereitungsstrategie zur EU-Erweiterung: offensive, die Wettbewerbsfähigkeit stärkende Maßnahmen, Standortsicherung, Unterstützung der regionalen Unternehmensstruktur – insbe­sondere der KMUs, Investitionen in Humankapital und in die Infrastruktur. Die Grenzregionen sind durch gezielte und auch auf Landesebene koordinierte Maßnahmen (etwa in der Förder­politik) auf den erweiterten Binnenmarkt vorzubereiten. Es sind umfassende Informationsmaß­nahmen der österreichischen Bevölkerung im Zusammenhang mit Fragen der Europäischen Union zu setzen.

Die Bundesregierung strebt in der Frage jener Gesetze und Dekrete aus dem Jahre 1945 und 1946, die sich auf die Vertreibung von einzelnen Volksgruppen in der ehemaligen Tschecho­slowakei beziehen, im Sinne der Beschlüsse des Europäischen Parlaments bis zur Ratifikation des EU-Beitrittsvertrages eine Lösung an, die einem modernen Menschenrechtsverständnis und den gemeinsamen europäischen Werten entspricht und sich in verantwortungsvoller Weise mit dem Unrecht der Vergangenheit auseinandersetzt.

Unterstützung der EU-Beitrittsverhandlungen mit Bulgarien und Rumänien. Förderung der Bei­trittsbestrebungen von Kroatien und anderer beitrittsreifer Staaten Südosteuropas. Unterstüt­zung der europäischen Heranführungsstrategie für diese Länder.

Türkei als EU-Beitrittskandidat: Österreichische Position analog zu den Beschlüssen des Euro­päischen Rates von Kopenhagen Dezember 2002.

EU-Finanzrahmen: Absicherung der innerösterreichischen Konsolidierungspolitik. Anteil und Volumen der zukunftsgerichteten Ausgabenkategorien im Sinne der Lissabon-Agenda soll dauerhaft gesteigert werden. Österreich steht zu den Kopenhagener Finanzbeschlüssen. Inner­staatliche Strukturpolitik soll danach orientiert sein, dass Rückflüsse nach Österreich dort maxi­miert werden, wo sie den strukturpolitischen Wandel unterstützen bzw. wo Kofinanzierungs­komponenten nicht zu zusätzlichen budgetären Belastungen führen.

EU-Präsidentschaft Österreichs 2006: Inhaltliche Koordination erfolgt gemeinsam durch BKA und BMaA im Zusammenwirken mit dem Vizekanzler und in Kooperation mit den jeweils sach­lich zuständigen Bundesministern.

Ausbau der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit in Richtung europäischer Zielset­zungen unter Einbeziehung der Länder, Gemeinden, Sozialpartner und des privaten Sektors. Im Hinblick auf die vom Europäischen Rat in Barcelona vorgegebenen Ziele soll für Entwicklungs­projekte in den Jahren 2004 bis 2006 ausreichend Vorsorge getroffen werden.

3. Äußere Sicherheit und Landesverteidigung

Die Bundesregierung ist der traditionellen österreichischen Friedens- und Sicherheitspolitik ver­pflichtet und sieht in der Konfliktvermeidung- und -lösung einen wesentlichen Beitrag auch zur Sicherheit Österreichs. Der Achtung der Menschenrechte und der Minderheitenrechte kommt in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung zu. Die Bundesregierung wird für diese Politik im internationalen Rahmen und in den Organisationen, denen sie angehört – insbesondere der EU, den Vereinten Nationen, der OSZE und dem Europarat – aktiv eintreten. Sie wird ihren Vor­sitz im Human Security Network im Jahre 2003 besonders auf die Zielsetzung der internationa­len Menschenrechtserziehung ausrichten. Die Bundesregierung wird sich weiterhin in Fortset­zung der bewährten Zusammenarbeit mit der Bundeshauptstadt aktiv um die Sicherung und Stärkung des internationalen Amtssitzes Wien bemühen.

Äußere Sicherheit und militärische Landesverteidigung sind wesentliche und unverzichtbare Elemente, um Österreich und seinen Bürgern Frieden, Freiheit, Sicherheit und Stabilität zu ge-


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währleisten. Die Bundesregierung wird daher alles daransetzen, um die Leistungsfähigkeit des Bundesheeres weiter anzuheben und dessen Stellenwert in der Gesellschaft zu stärken.

In Zukunft werden neben den territorialen Verteidigungsaufgaben internationale Solidaritätsleis­tungen, Katastrophenhilfe sowie Assistenzleistungen des Bundesheeres (z.B. zur Grenzsiche­rung) im Vordergrund stehen. Das Bundesheer muss für alle diese Aufgaben, einschließlich der Teilnahme am gesamten Spektrum des europäischen Krisenmanagements (Petersberg-Auf­gaben), der Stabilitäts- und europäischen Beistandsaufgaben, vorbereitet werden.

Weiterentwicklung der ESVP: Unterstützung der Bemühungen zur Verwirklichung der in Art. 17 des EU-Vertrags aufgezeigten Möglichkeit einer gemeinsamen europäischen Verteidigung. Aktive Mitwirkung und Mitarbeit Österreichs an einer zukünftigen Beistandsgarantie im Rahmen der Europäischen Union. Aufnahme einer Solidaritätsklausel zur Bewältigung von terroristischen Bedrohungen im Rahmen der EU. Mitwirkung an einer zukünftig verstärkten Zusammenarbeit im Bereich von Sicherheit und Verteidigung.

Österreichischer Beitrag zum Headlinegoal der EU: Österreichischer Beitrag von derzeit rund 1500 Soldaten für das militärische Planungsziel der EU, Sicherstellung der entsprechenden Ausrüstung und Maßnahmen im Personalbereich. Bereitstellung von Polizei- und Zivilschutz­kräften sowie Justizpersonal für zivile Operationen im Rahmen der ESVP.

Konsequente Weiterentwicklung der Beziehungen Österreichs zur NATO im Rahmen des maß­geschneiderten Kooperationsprogrammes, der Partnerschaft für den Frieden und des Euro­atlantischen Partnerschaftsrates. Unterstützung einer engen Zusammenarbeit zwischen EU und NATO. Der sicherheits- und verteidigungspolitische Nutzen einer NATO-Mitgliedschaft wird von Österreich im Lichte der sicherheitspolitischen Entwicklungen laufend beurteilt und die Beitritts­option im Auge behalten. Ein Beitritt zur NATO würde nur mit Zustimmung der Bevölkerung (Volksabstimmung) erfolgen.

Umsetzung der Empfehlungen der Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin einschließlich der Überprüfung und Weiterentwicklung der Gesamt- und Teilstrategien.

Intensivierung der sicherheitspolitischen Information der Bevölkerung

Die militärische Landesverteidigung muss auch in Österreich den Bedrohungen und Herausfor­derungen des 21. Jahrhunderts angepasst werden. Dazu setzt die Bundesregierung unter Federführung des BMLV eine Reformkommission ein, die auf Basis der Bundesverfassung und der geltenden Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin die Grundlage für diese Reform bis spätestens Ende 2003 erarbeiten soll. Im Rahmen dieser Kommission sollen auch alle Fragen im Zusammenhang mit der militärischen Sicherung der österreichischen Souveränität geklärt werden.

Fortsetzung der Redimensionierung der militärischen und zivilen Führungsstrukturen im BMLV und nachgeordneten Führungs- und Verwaltungsstrukturen zugunsten operativer Kräfte

Im Rahmen der Aufgaben des Bundesheeres kommt den internationalen Verpflichtungen besondere Bedeutung zu. Ziel ist eine schlanke und schlagkräftige Einsatzorganisation. Stufen­weise Erhöhung des Professionalisierungsgrades aufgrund zusätzlicher Aufgabenstellungen für das Bundesheer im Rahmen von internationalen Einsätzen.

Nachbeschaffung Luftraumüberwachungsflugzeuge:

Fortsetzung des Beschaffungsvorganges auf der Grundlage der von der Bundesregierung in der XXI. GP getroffenen Beschlüsse. Für den Ankauf der Abfangjäger werden Gegengeschäfte in maximal möglicher Höhe mit positiven Auswirkungen auf Beschäftigung, Standort und hin­sichtlich des technologischen Nutzens umgesetzt. Der Ankauf soll in der gesamten Legis­laturperiode nicht budgetwirksam sein.


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Modernisierung der Ausrüstung und der Gerätschaften des Bundesheeres, um ein Höchstmaß an Schutz für Gesundheit und Leben der Soldaten, aber auch für die Sicherheit der Bevölke­rung zur Verfügung zu haben. Ankauf der erprobten und akzeptierten Mannesausrüstung, ins­besondere des Kampfanzugs. Investition im Bereich Funk- und Transportkapazitäten, elektro­nische Mittel und Nachtsichtausrüstung zur Grenzraumüberwachung.

Prüfung eines Versicherungsschutzes für Soldaten analog der Auslobung für die Exekutive.

Zur Sicherstellung der notwendigen Personalstärken werden im Dienstrecht die für das Bundes­heer nötigen Regelungen getroffen.

Erstellung eines gesamtstaatlichen CIMIC-Konzeptes

Ausreichende Vorsorge für die Umsetzung der gestellten Aufgaben.

4. Inneres, Asyl und Integration

Ziel ist es, in Österreich eine demokratische, effektive und leistungsbereite Sicherheitsexekutive zu erhalten und zu fördern, die durch ihre tägliche Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Stärkung und Erhaltung des demokratischen Rechtsstaates und der Menschenrechte in Österreich leistet sowie konsequent gegen Kriminalität vorgeht.

Gemeinsames Ziel ist es ebenso, eine eindeutige Differenzierung zwischen Einwanderungspoli­tik – als Antwort auf freiwillige Migration und wirtschaftliche Überlegungen – und Asylgewäh­rung – als Antwort auf erzwungene Migration – zu treffen. Asylpolitik ist Menschenrechtspolitik und hat das Ziel, verfolgten Menschen Schutz zu gewähren. Einwanderungspolitik schafft klare Regeln und Bedingungen für legale Zuwanderung.

Internationale Vernetzung gegen international organisierte Kriminalität; Schleppereibekämp­fung, Grenzschutz; gemeinschaftlich finanziertes Grenzschutzkorps, gemeinsame Visastellen, einheitliche Dokumente, Harmonisierung der europäischen Rückkehrpolitik, zentrales europäi­sches Visa-Identifizierungssystem, Aufteilung der finanziellen Belastung für die Grenzsicherheit im Sinne der Schengen-Solidarität, verstärkte Zusammenarbeit mit den beitretenden Ländern im Hinblick auf Schengenbeitritt, Ausbau von Europol

Kampf dem internationalen Terrorismus durch Ausbau und Stärkung des Bundesamtes für Ver­fassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), Spionageabwehr (Anhebung der Strafrah­men); Anpassung der Befugnisse und Gerichtszuständigkeiten zur wirkungsvolleren Bekämp­fung des internationalen Terrorismus bei gleichzeitigem Ausbau des Rechtsschutzsystems und einer Intensivierung der Internationalen Zusammenarbeit

Zusammenlegung von Gendarmerie und Polizei, inkl. einer Überprüfung des Behördenaufbaus im Bereich der Sicherheitsverwaltung. Eingliederung der Schifffahrtspolizei ins BMI. Unter Berücksichtigung der Folgen der künftigen Erweiterung der Europäischen Union und der Besonderheiten der Kernaufgaben der Zollverwaltung werden alle Exekutivwachkörper (Polizei, Gendarmerie und Zollwache) mit dem Ziel der Vermeidung von Überschneidungen zu einem einheitlichen Exekutivwachkörper beim Innenministerium zusammengeführt. Ausbildungsreform für die Exekutive und Ausbau der Sicherheitsakademie, Reform des Kriminaldienstes (insbe­sondere auf Landesebene).

Entlastung der Exekutive von artfremden Tätigkeiten;

Schaffung von einheitlichen Regelungen zum Einsatz von Videoüberwachungen nach einer Evaluierung vorhandener Befugnisse – vor allem auch im öffentlichen Raum – zur optischen Überwachung mit technischen Mitteln.

Maßnahmenpaket zur Erhöhung der Verkehrssicherheit (Verkehrsleit- und Steuersysteme) in Zusammenarbeit mit dem BMVIT; Intensivierung der Maßnahmen gegen Trunkenheit, Drogen-


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beeinträchtigung am Steuer, verstärkte Überwachung des Abstandverhaltens, Einführung einer EU-Fahrerbescheinigung (EU-Fahrerkarte).

Reform des Zivildienstes in Übereinstimmung mit den Reformen im Bereich der Landesverteidi­gung

Entschiedener Kampf gegen Drogenhandel

Reform des Versammlungsgesetzes

Einschränkung der Möglichkeit einer vorzeitigen Einbürgerung vor Ablauf von 10 Jahren (Re­duktion der vorzeitigen Verleihung aus besonderen Gründen). Keine Ausweitung von Doppel­staatsbürgerschaften. Erleichterung der Beibehaltung und Wiedererlangung der Österreichi­schen Staatsbürgerschaft.

Ziel ist durch eine umfassende Reform des Asylverfahrens eine Beschleunigung des gesamten Verfahrens durch konzentrierten Einsatz der Ressourcen unter gleichzeitiger Verbesserung der Qualität. Durch ein klar geregeltes Asylverfahren wird Einwanderung durch die Hintertür, durch illegale Migration und folgende Asylantragsstellung verhindert. Das Asylverfahren wird aus einem Zulassungsverfahren mit einem faktischen Abschiebeschutz und bei dessen positivem Abschluss aus einem Verfahren zur inhaltlichen Prüfung, bei dem sämtliche Asylgründe bei sonstiger Präklusion vorzubringen sind, das mit einem vorläufigen Aufenthaltsrecht verbunden ist, bestehen.

Eine Liste sicherer Drittstaaten ist im neuen Asylgesetz zu verankern;

Neuordnung des Bundesbetreuungsrechts (Zusammenfassung der Kompetenzen)

Überprüfung allfälligen Missbrauchs im Bereich der sog. quotenfreien Zuwanderung.

Die Integration legal in Österreich lebender ausländischer Staatsbürger hat weiterhin Vorrang vor einem Neuzuzug. Der Neuzuzug unterliegt – wie bisher – einer Quotenregelung. Der Familiennachzug innerhalb der Quote ist zu beschränken auf die Kernfamilie, das sind die Ehegatten und die unverheirateten minderjährigen Kinder. Die Mitglieder der Kernfamilie sollen nach der legalen Einreise die Möglichkeit des Zugangs zum Arbeitsmarkt erhalten. Dadurch soll der Schwarzarbeit die Basis entzogen werden.

5. Justiz

Eine moderne Justiz versteht sich als Dienst am Bürger. Im strafrechtlichen Vorverfahren sollen die Opfer mehr Rechte erhalten. Österreich ist eines der sichersten Länder der Welt und soll dies auch bleiben. Basis unseres Rechtsstaates ist die Unabhängigkeit der Richter, die es zu sichern, und wenn notwendig, zu verteidigen gilt. Eine Justiz als Dienst am Bürger ist – gerade im Hinblick auf die Herausforderung durch die EU-Osterweiterung – bemüht, den Wirtschafts­standort zu sichern. Sie tritt auch für die Rechte der Konsumenten, insbesondere der Senioren und der Jugend, ein.

Strafrecht/Strafprozessrecht – Europäische Union:

Wahrung des Einstimmigkeitsprinzips für verbindliche Rechtsakte in der ,Dritten Säule

Weiterentwicklung von EUROJUST anstelle einer ,Europäischen Staatsanwaltschaft

Strafbarkeit juristischer Personen

Materielles Strafrecht:

Kombination von Strafen und Auflagen, wie sie im Rahmen der Diversion angeordnet werden können


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Ausweitung der bedingten Entlassung unter gleichzeitiger Setzung von Auflagen und Bedingun­gen

Strafbarkeit von Sozialbetrug, insbesondere organisierter Schwarzarbeit

Reform des Sexualstrafrechtes, insbesondere Verschärfung der Strafbestimmungen gegen Kin­derpornographie und Schaffung eines Straftatbestandes der sexuellen Belästigung

Fortführung der StPO-Reform:

Gerichtliche Zuständigkeit für Rechtsmittel – auch im Ermittlungsverfahren gegen Maßnahmen der Kriminalpolizei

Verstärkte Kontrolle staatsanwaltschaftlicher Einstellungen

Verbesserung des Opferschutzes und der Opferhilfe:

Verfahrenshilfe für vermögenslose Opfer von Sexual- und Gewaltdelikten

Verbesserung der Begleitprogramme für Verbrechensopfer

Koordinierung der Opferhilfe, Vermeidung von Mehrfachförderungen

Qualitätsstandards für Opfervereine als Förderungsvoraussetzung

Jugendgerichtsbarkeit:

Bundesweite Vereinheitlichung der Jugendgerichtsbarkeit

Verbesserung der Schulungs- und Ausbildungsmöglichkeiten im Jugendstrafvollzug

Strafvollzug:

Prüfung besonderer Vollzugsmaßnahmen für gefährliche Täter, insbesondere für behandlungs­bedürftige Sexualstraftäter

Forschungsprojekte zur Einschätzung der ,Gefährlichkeit

Drogen:

Keine Drogenfreigabe, auch nicht weicher Drogen

Aufrechterhaltung des Prinzips ,Therapie statt Strafebei Tätern, die keine Dealer sind

Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung:

Fristsetzungsanträge durch Gerichtsvisitatoren

Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs, insbesondere im Grundbuch- und Firmenbuch­bereich

Weitere Verstärkung des IT-Einsatzes

Studie über die Zeitgemäßheit von Formalerfordernissen in allen Rechtsbereichen (Anwaltsver­gleich, Beglaubigungen, Amtssignaturen u.a.m.)

Gerichtsorganisation:

Studie zur Neuordnung der Gerichtsorganisation mit dem Ziel einer Verminderung der Organi­sationsebenen

Maßnahmen zur Anpassung des gestiegenen Haftraumbedarfes


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Gesamtreform des Außerstreitgesetzes

Mediation:

Schaffung eines Berufsrechtes für ,Gerichts-Mediatoren

Qualitätsstandards für die Ausbildung

Verbesserungen im Sachwalter- und Unterbringungsrecht: Schaffung einer rechtsstaatlich geregelten Möglichkeit zur medizinischen Behandlung von psychisch kranken Menschen und behandlungsbedürftigen Behinderten, die nicht einsichtig sind.

Heimaufenthaltsgesetz: Sicherung der Patientenrechte in Alten- und Behindertenheimen durch Kontrolle freiheitsbeschränkender Maßnahmen, die zum Schutz des Heimbewohners unter ärztlicher Anordnung getroffen werden

Bundesgesetzliche Mindeststandards für Heimverträge: Der Konsumentenschutz für Heimbe­wohner ist zu verbessern durch Mindestanforderungen an Heimverträge bezüglich Preisbildung, Informationspflichten, Leistungsbeschreibung, Kündigungsvorschriften, etc.

Vorsorgevollmachten: Einführung von Vorsorgevollmachten und schriftlichen Vorgaben für Sachwalterbestellungen bei eigener Verhinderung.

Nachbarrecht:

Verankerung der geltenden Rechtsprechung des OGH ,Verpflichtung zur gegenseitigen Rück­sichtnahme

Außergerichtliche Streitbeilegung durch Mediation oder Schlichtung als Prozessvoraussetzung

Verbesserung im Erbrecht:

Befristung der Gültigkeit eines mündlichen Testamentes

Besserstellung des Ehepartners, insbesondere wenn keine direkten Nachkommen vorhanden sind.

Neuregelung der Anrechenbarkeiten von Schenkungen und Vorausempfängen gemäß dem Willen des Erblassers.

Privatsphärenschutzgesetz: Immaterieller Schadenersatz bei Eingriff in das Persönlichkeitsrecht

Eherecht:

Studie, inwieweit Ehegatten im Scheidungsverfahren vor Übervorteilung geschützt werden können mit nachfolgender parlamentarischer Enquete.

Rechtsverbindliche Eheverträge für vermögensrechtliche Vereinbarungen sollen den gesetz­lichen Regelungen vorgehen.

Erwachsenenadoption: Nur bei Zulässigkeit nach dem Heimatrecht des Anzunehmenden

Wohnrecht:

Vereinfachung und verständlichere Gestaltung des Mietrechtes

Harmonisierung aller drei Wohnrechtsmaterien (WEG, MRG, WGG)

Schaffung einheitlicher kostentransparenter Hausbewirtschaftungsregeln


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Beschleunigung insbesondere mietrechtlicher Verfahren unter Ausschluss der Möglichkeit schikanöser Verfahrensverzögerungen

Stärkung der thermischen Gebäudesanierung und Förderung von Energiesparmaßnahmen zur Erreichung des Klimaschutzzieles.

Reform des Verwertungsgesellschaftenrechtes

Unternehmensrecht:

Gesamtreform des Handelsgesetzbuches

Einheitlicher Unternehmensbegriff unabhängig von der Rechtsform

Wahrung der berufsständischen Rechtsmaterien – Kein Eingriff in Berufsrecht der Freien Berufe

Eigenkapitalersatzgesetz (Prüfung, ob eigenes Materiengesetz zweckmäßig)

Maßnahmen zur Eindämmung schikanöser Leistungsverweigerung trotz vertraglicher Verpflich­tung

Exekutionsordnungs-Novelle: Reform der Fahrnisexekution

Urheberrecht: Die EU-Inforichtlinie zum Urheberrecht ist umzusetzen. Im Rahmen einer parla­mentarischen Enquete soll unter Berücksichtigung internationaler Erfahrungswerte eine Lösung, die die Interessen der im Kreativprozess Eingebundenen genauso wie die der Produzenten wahrt, erarbeitet werden.

Konsumentenschutz:

Studie über die grundsätzliche Organisationsform des Konsumentenschutzes in Österreich mit dem Ziel der bestmöglichen operativen Aufgabenverteilung unter Einbeziehung aller gesell­schaftlich relevanter Gruppen

Sicherstellung eines effizienten bürgernahen Konsumentenschutzes im Informations-, Bera­tungs- und Rechtsdurchsetzungsbereich

Prüfung der Zuerkennung der Verbandsklage-Befugnis zur Sicherstellung einer effizienten Rechtsdurchsetzung

Prüfung, ob die EU-rechtlichen Vorgaben durch die nationale Kompetenzverteilung effizient umgesetzt werden.

6. Wirtschaft und Standort

Zentrales Ziel der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung ist die Stärkung des Wirtschaftsstand­ortes Österreich und der in unserem Land tätigen Unternehmen im europäischen und globalen Wettbewerb. Dabei wird die Bundesregierung, insbesondere im Hinblick auf die Erweiterung der Europäischen Union, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, insbesondere der Klein- und Mittelbetriebe, und die Attraktivität Österreichs als Investitionsstandort und als Sitz von inter­nationalen Unternehmen (Headquarter-Politik) fördern. Nur eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik unter Berücksichtigung der Ziele der Europäischen Union (Lissabon-Prozess) wird Österreich in die Lage versetzen, jene Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Unternehmen erlauben, bestehende Arbeitsplätze abzusichern und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Sie ist auch Grund­voraussetzung für den Erhalt und den weitern Ausbau unseres Wohlfahrtsstaates.

Standort Österreich und Lissabon Prozess: Grundsätzliches Bekenntnis zur Erreichung der Ziele des Lissabon Prozesses.

Forschung und Entwicklung, Innovation (siehe Bildungskapitel)


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Entbürokratisierung – Flexibilisierung

Arbeitszeitflexibilisierung (siehe Arbeit und Soziales)

Liberalisierung der Öffnungszeiten bei Beibehaltung der Sonntagsruhe: Im Vergleich zu ande­ren Ländern hat Österreich sehr restriktive Regelungen der Öffnungszeiten im Handel, was eine Flexibilisierung durch folgende Maßnahmen erforderlich macht:

Aufhebung der derzeit gültigen Tagesrahmenzeiten (Aufsperrzeit und Sperrzeit), womit Flexibili­tät zwischen Montag 5 Uhr und Samstag 18 Uhr erreicht wird.

Innerhalb des genannten Zeitraumes können die Landeshauptleute Tagesrahmenzeiten verord­nen, die Wochenrahmenzeit von derzeit 66 auf maximal 72 Stunden erweitern und derartige Regelungen regional unterschiedlich entsprechend dem jeweiligen Bedarf festlegen.

Wird durch die Landeshauptleute keine Verordnung hinsichtlich der Tagesrahmenzeiten erlas­sen, so gilt eine solche von 5 Uhr bis 21 Uhr. Korrespondierende arbeitsrechtliche Konsequen­zen und sonstige flankierende Maßnahmen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen zwischen den Sozialpartnern verhandelt werden.

Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts, insbesondere auch für die Samstag-Beschäftigung im Handel (Aufhebung der Regelung, dass nur jeden zweiten Samstag gearbeitet werden darf) und bei handelsähnlichen Dienstleistungen (z.B. Banken, Friseure, Schuhreparatur),

an den Prinzipien der Sonntagsruhe soll festgehalten werden.

Nahversorgung: Verlagerung der Abgabenermächtigung für die Verkehrsanschlussabgabe von den Gemeinden zu den Ländern.

Mittelstandsfinanzierung: Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzierung von KMU (insbeson­dere im Zusammenhang mit Basel II).

Lehrlingsausbildung: Freiwillige Qualifizierungsverbünde (Modell Vorarlberg); Modularisierung der Lehrberufsinhalte; Begabte und Begabungen durch Auslandsaufenthalte fördern; Ausbil­dungschancen auch für benachteiligte und behinderte Jugendliche verbessern (Teillehre, Ver­längerungsmöglichkeit der Lehrzeit); Flexibilisierung der Berufsschule (Berufsschulzeiten); Ver­stärkung der IT- und der Fremdsprachenausbildung (v.a. Englisch). Gemeinsam mit den Sozial­partnern sind Möglichkeiten zu prüfen, wie ein qualifizierter Abschluss der Polytechnischen Schule auf die Berufsschulzeit angerechnet werden kann. In Österreich geborene Kinder von Ausländern erhalten den Zugang zu Lehre und Arbeitsmarkt.

Energiepolitik: Aufhebung der mehrheitlichen Beteiligung der öffentlichen Hand bei Stromver­sorgern, unter Wahrung österreichischer Interessen. Hinsichtlich der ökologischen Ziele der Energiepolitik wird auf das Kapitel Nachhaltigkeit und Umwelt verwiesen. Auch in liberalisierten Märkten wird ein Augenmerk auf die Versorgungssicherheit zu legen sein. Der Ausbau von erneuerbaren Energieträgern ist weiterhin kosteneffizient zu forcieren. Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz werden gesetzt werden.

Internationalisierung der österreichischen Wirtschaft:

,Internationalisierungsoffensive (für Export + FDI; Einrichtung einer ,Stabsstelle Strategische Außenwirtschaft im BMWA).

Evaluierung der Gewerbeordnung: Die Mitte 2002 in Kraft getretene große Reform der Ge­werbeordnung ist nach zwei Jahren einer Evaluierung hinsichtlich der Entwicklung des Unter­nehmertums und der Qualifizierung zu unterziehen.

Eindämmung der organisierten Schattenwirtschaft durch Aufstockung KIAB und flächen­deckende Schwerpunktprüfungen.


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Jungunternehmerförderung: Erhöhung der Selbständigenquote in Österreich durch mehr Neu­gründungen. Verminderung des Gründerrisikos für Jungunternehmer durch Garantien, Erleich­terung der Unternehmensnachfolge.

GATS: Die Bundesregierung wird sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass in den laufenden GATS-Verhandlungen öffentliche Dienstleistungen wie Gesundheits- und Bildungswesen, Wasserversorgung, Kunst und Kultur (einschließlich Film) nicht weiter liberalisiert werden. Über die laufenden Verhandlungen wird das Parlament umfassend informiert und eingebunden. Gegenüber der Öffentlichkeit wird – im Rahmen der EU-Vorgabe – größtmögliche Transparenz gewährleistet. Die Initiative zur Einschränkung der bereits bestehenden Zugeständnisse im Bildungsbereich auf das EU-Niveau wird weitergeführt.

Die Tourismus- und Freizeitwirtschaft ist von zentraler Bedeutung für die Einkommens-, Beschäftigungs- und Leistungsbilanzentwicklung.

Zur Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Tourismusstandortes Österreich soll die Infrastruktur weiterentwickelt und die touristische KMU-Struktur erhalten werden.

Internationalisierung: Die EU-Erweiterung ist eine große Chance für den Tourismus in Öster­reich. Eine verstärkte Fokussierung auf die Märkte der EU-Erweiterungsländer wird erfolgen. Marktanteile im internationalen Vergleich sollen weiter gesteigert werden.

Weitere Schwerpunktsetzungen umfassen: Gesundheitstourismus, Kultur- und Städtetourismus, sowie das Destinationsmanagement.

Die Eigenkapitalbasis der heimischen Tourismusbetriebe ist zu stärken, der tourismusspezifi­schen Arbeitsmarktsituation ist weiterhin Rechnung zu tragen und der weitere Ausbau der elektronischen Informations- und Reservierungssysteme muss unterstützt werden.

7. Verkehr

Die österreichische Bundesregierung bekennt sich zur Umsetzung des im Jahr 2002 beschlos­senen Generalverkehrsplans als einem der Bausteine, mit dem die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes nachhaltig verbessert und die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Öster­reichs weiter erhöht werden kann.

Es gilt dabei einerseits das hochrangige Straßennetz auszubauen, Lücken zu schließen sowie Netzergänzungen und Kapazitätsanpassungen im Landesinneren im Interesse der Mobilitäts­steigerung vorzunehmen. Andererseits ist die Schiene als umweltfreundlicher Verkehrsträger auszubauen und höhere Effizienz, besseres Kundenservice sowie eine Zunahme des Perso­nen- wie auch Güterverkehrsaufkommens anzustreben.

Generalverkehrsplan – Österreich: Der GVP-Ö (Straße – Schiene – Luft – Wasser) ist mit einer Evaluierung der Prioritätenreihung im Hinblick auf die EU-Erweiterung zu fixieren. Der Ausbau der Schieneninfrastruktur zu den EU-Beitrittskandidaten im Norden, Osten und Süden sowie auf den im EU-Beitrittsvertrag enthaltenen Hauptkorridoren bleibt jedenfalls Priorität. Die Umset­zung ist zügig unter Einsatz von PPP-Modellen voranzutreiben.

Verfahrensbeschleunigung: Das Vergabegesetz ist zu evaluieren. Die Direktvergabe ist mit der Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung anzupassen. Die Gebührenersatzregelung soll neu geregelt werden, die Bedingungen für KMU sollen verbessert werden. Die Möglichkeiten der Verfahrensbeschleunigung im UVP-Recht sind zu überprüfen.

LKW-Maut: Überprüfung der Höhe der Sondermaut für LKWs hinsichtlich nachteiliger Standort­effekte unter Berücksichtigung der europäischen Rahmenbedingungen und Sicherstellung der Finanzierung der ASFINAG.


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Verkehr und Umwelt:

Hinsichtlich des Auslaufens der Ökopunkteregelung wird sich die Bundesregierung innerhalb der EU dafür einsetzen, bis zum Inkrafttreten einer neuen EU-WegekostenRL eine Übergangs­lösung unter größtmöglicher Wahrung der österreichischen Interessen zu etablieren und wird ergänzende innerstaatliche Maßnahmen (z.B. sektorale oder zeitliche LKW-Fahrverbote) prüfen. Die geltenden Wochenend- und Feiertagsfahrverbote sollen gewahrt bleiben. Ziel einer Novellierung des Immissionsschutzgesetz-Luft ist eine Effizienzsteigerung der Vollziehung und Verfahrensbeschleunigung.

Im Zuge der Erarbeitung einer neuen EU-WegekostenRL sind insbesondere das Konzept öko­sensibler Zonen (zB Gebiet der Alpenkonvention, großstädtische Ballungsräume, Gebiete mit Schutzstatus) und der Kostenwahrheit im Sinne einer ökologischen Weiterentwicklung der fahr­leistungsabhängigen LKW-Maut und der Querfinanzierung der alternativen Verkehrsinfrastruktur (Schiene, Wasser) einzubringen.

Der Beschluss des Baus des Brenner-Basistunnels in einem PPP-Modell unter Beteiligung der europäischen Union und Italiens ist Ziel der Bundesregierung in dieser Gesetzgebungsperiode

Qualitätsoffensive im öffentlichen Nahverkehr: Qualitative Weiterentwicklung des öffentlichen Nahverkehrs mit allen Vertragspartnern, Effizienzsteigerung u.a. durch Verstärkung des Bestell­prinzips.

8. Arbeit und Soziales

Die EU-Ziele, die Beschäftigungsquoten innerhalb der EU bis 2010 auf 70% heranzuführen, die Frauenbeschäftigungsquote auf 60% und die Erwerbsbeteiligung der 55 bis 64jährigen auf 50% anzuheben ist weiterhin der Rahmen für die österreichische Beschäftigungspolitik. In diesem Zusammenhang bleibt die Vollbeschäftigung weiterhin unser wichtigstes Ziel. Die Finanz- und Wirtschafts- sowie die Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik müssen dabei zusammenwirken. Aus einem Bündel von Maßnahmen (,Policy Mix) soll den Erfordernissen in der Beschäftigungs­politik entsprochen werden. Wir werden dabei die wirtschaftlichen Bedürfnisse nach Flexibilität ebenso berücksichtigen, wie den Anspruch auf Sicherheit und Solidarität und damit einen gerechten Zugang zum Arbeitsmarkt sicherstellen. Die Senkung der Lohnnebenkosten trägt zu mehr Wachstum und Beschäftigung bei.

Wir setzen auf mehreren Handlungsebenen an: Beschäftigung schaffen, aktive Arbeitsmarkt­politik forcieren, Effizienz der Arbeitsvermittlung steigern, kundenfreundliche und neue Struktu­ren in der Arbeitsmarktpolitik, arbeitsplatznahe, bedarfsorientierte Qualifizierung, Qualifizie­rungsoffensive für ältere Arbeitnehmer, neue Initiativen in einer geänderten und sich weiter ändernden Arbeitswelt.

Arbeitsmarktservice: Reform des AMS zwecks Steigerung der Effizienz bei der Arbeitsvermitt­lung (Ziel: Vermittlung innerhalb von 90 Tagen).

Arbeitslosenversicherung: Die neuen Erwerbsformen (freie Dienstnehmer, neue Selbststän­dige), aber auch Unternehmer sollen sich freiwillig versichern, damit sie bei Wegfall der ausge­übten Erwerbstätigkeit ein Arbeitslosengeld, bei Wahrung bereits erworbener Ansprüche, bezie­hen können. Die verpflichtende Ausstellung eines Dienstzettels für freie Dienstnehmer soll eingeführt werden.

Arbeitslosenversicherung und land(forst)wirtschaftlicher Betrieb: Für Landwirte soll diese durch die Berechnung der Einkommensgrenze nach steuerlichen Grundsätzen und einer dynami­schen Anpassung sichergestellt werden.

Überführung der Notstandshilfe in eine ,Sozialhilfe neu: Es soll geprüft werden, die Notstand­hilfe von der Zuständigkeit des AMS in die Sozialhilfe der Länder zu verlagern. Wesentliche Voraussetzung dafür ist eine durch ein Sozialhilfegrundsatzgesetz oder eine Artikel 15-a-Vereinbarung harmonisierte Regelung der gesamten ,Sozialhilfe neu.


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Ausbau des Frühwarnsystems: Gekündigte Arbeitnehmer sollen sich bereits nach Ausspruch der Kündigung beim Arbeitsmarktservice melden, um diesem frühzeitig die Möglichkeit für eine individuelle Betreuung zu geben.

Flexibilisierung der Zumutbarkeitsbestimmungen: Erstellung eines individuellen Betreuungs­planes für jeden Arbeitsuchenden durch das AMS. Anpassung der Sanktionsmöglichkeiten in beide Richtungen. Überprüfung der regionalen Vermittelbarkeit und eine zeitgemäße Ausgestal­tung des Berufsschutzes unter Einbeziehung eines Einkommensschutzes.

Reform der Altersteilzeit: Verlängerung über den 31.12.2003 hinaus; Beschränkung auf 5 Jahre; Missbrauchsvermeidung; Abschaffung der Möglichkeit des Blockens. Die Ersatzkraftstellung bei Altersteilzeit wird wieder eingeführt. Altersteilzeitgeld im höchstmöglichen Ausmaß wird seitens des AMS nur bei Einstellung einer Ersatzkraft zur Auszahlung gebracht. Ohne Ersatzkraft­stellung wird ein aliquoter Teil ausgezahlt.

Reform des Bonus/Malus Systems: Stärkere Abstellung auf die Dauer der Betriebszugehörig­keit; Beseitigung der Ungleichbehandlung bei der Freisetzung von Frauen und Männern; späte­res Einsetzen des Kündigungsschutzes bei älteren, mit Bonus eingestellten Arbeitnehmern; Ausweitung Bonus/Malus

Sicherung der Ersatzzeiten in der Pensionsversicherung: Arbeitslose, die mangels Notlage keine Notstandshilfe erhalten, bekommen für die Dauer der Erfüllung der übrigen Voraus­setzungen für die Notstandshilfe eine Ersatzzeit in der Pensionsversicherung.

Arbeitsrecht:

Arbeitszeitflexibilisierung: Das Arbeitszeitgesetz soll im Lichte der EUArbeitszeit-RL vereinfacht und modernisiert werden. Sowohl den Sozialpartnern, als auch abgestuft auf betrieblicher Ebene sollen Flexibilisierungsmöglichkeiten eingeräumt werden. Für KMUs ohne Betriebsrat sind entsprechende Maßnahmen in Einzelvereinbarungen zu ermöglichen.

Anspruch auf Teilzeit für Eltern: Anspruch auf Teilzeit und flexible Arbeitszeitregelung für Eltern von Kindern bis zum Ablauf des 7. Lebensjahres oder bis Schuleintritt bei gleichzeitigem Recht auf Rückkehr in Vollzeitbeschäftigung. Dies gilt für Arbeitnehmer mit mehr als 3 Jahren Be­triebszugehörigkeit in Betrieben mit mehr als 20 Mitarbeitern. Kommt innerhalb von 14 Tagen keine Vereinbarung zwischen AG und AN über Inanspruchnahme (Dauer, Umfang, Lage) einer Teilzeitbeschäftigung zustande, hat der AG über Ersuchen des AN innerhalb einer Woche eine ,Schiedsstelle anzurufen, die als sozialpartnerschaftlich besetztes Kollegialorgan mit richter­lichem Einschlag einzurichten ist. Analoges gilt bei gewünschter Änderung der vor Antritt des Karenzurlaubes bestehenden Normalarbeitszeit. Nach zwei Jahren wird eine Evaluierung vorgenommen. Darüber hinaus ist eine Expertenkommission einzurichten, in der auch die Sozialpartner vertreten sind, die Vorschläge für weitere Anreize und Initiativen für eine familien­freundliche Arbeitswelt, insbesondere für KMUs mit weniger als 20 Arbeitnehmern bzw. Arbeit­nehmerinnen, ausarbeitet.

Weitere Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten: Vollständige Gleichstellung von Arbei­tern und Angestellten im Bereich der Entgeltfortzahlung.

Mindestlohn: Wir sind der Auffassung, dass jedem Arbeitnehmer und jeder Arbeitnehmerin für Vollzeitarbeit ein Mindestlohn von 1.000 € im Monat zustehen soll. Wir fordern daher die Sozial­partner als Kollektivvertragsparteien auf, entsprechende Bestimmungen in den Kollektivverträ­gen zu verankern. Dabei soll sichergestellt werden, dass insbesondere in sensiblen Branchen die Arbeitsplätze gesichert bleiben.

Behinderte Menschen:

Erarbeitung eines Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes unter Einbeziehung der Betroffe­nen, sowie Vorlage eines Bündelgesetzes auf Grundlage der Ergebnisse aus 1999 einer


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7. Sitzung / Seite 53

Arbeitsgruppe im Verfassungsdienst über die Diskriminierung behinderter Menschen in den verschiedensten Gesetzesmaterien

Durchforstung der Berufsausbildungs-, Ausübungs- und Zugangsgesetze auf Diskriminierung behinderter Menschen

Sicherstellung einer barrierefreien Nutzung bei Um- und Neubauten im gesamten öffentlichen Bereich inklusive des öffentlichen Verkehrs und der Verkehrsflächen

Ermöglichung eines barrierefreien Zugangs zum e-government und e-learning

Verbesserung der Voraussetzungen für Gebärden- und Lautsprache.

Förderung des Behindertensports

Die Möglichkeit, Zuschüsse und Darlehen für durchgeführte intensive Maßnahmen in Betrieben, die der Verbesserung der Zugänglichkeit für zu beschäftigende Menschen mit Behinderungen oder die der Betreuung / Gesundheitsvorsorge für Menschen mit Behinderung dienen, zu ge­währen, wird verlängert. Die Abwicklung dieser Förderung erfolgt über die Austria Wirtschafts­service-GmbH und wird über den Budgetansatz des BMWA dotiert.

Absicherung pflegender Angehöriger durch Fristerstreckung des Arbeitslosengeldes

Schaffung einer günstigen Selbstversicherung für pflegende Angehörige

Evaluierung und Weiterführung der Behindertenmilliarde

Ausländerbeschäftigung: Die Harmonisierung von Aufenthalt und Beschäftigung soll unter Be­achtung der siebenjährigen Übergangsfristen sowie der Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes fortgesetzt werden. Als Übergangsmechanismus für die Personenfreizügigkeit sollen direkt um­setzbare Beschäftigungsabkommen mit den EU-Beitrittskandidaten ausverhandelt und in Kraft gesetzt werden. Im Bereich der Saisoniers sind, im Rahmen der geltenden Quotenregelungen, ausreichend Arbeitskräfte für die Landwirtschaft und die Tourismus- und Freizeitwirtschaft zur Verfügung zu stellen.

9. Pensionen

Unter Zugrundelegung der demographischen Entwicklung ist das vorrangige Ziel die Sicherung des auf dem Umlageverfahren beruhenden Pensionssystems. Ein Kernelement der nachhalti­gen Sicherung ist die Harmonisierung aller Pensionsversicherungssysteme und die daraus resultierende Schaffung eines einheitlichen Pensionssystems für alle Erwerbstätigen, welches auf den Rahmenbedingungen des ASVG beruht. Die Absicht, in Zukunft ein grundsätzlich beitragsorientiertes Pensionskonto, bei gleichzeitiger Erreichung eines Regelpensionsalters von 65 Jahren, einzuführen, ist ein weiterer Baustein eines zukunftsweisenden einheitlichen Pen­sionsrechts. Ein weiterer Ausbau der betrieblichen und der individuellen Altersvorsorge (2. und 3. Säule) ist, vor allem im Lichte einer zusätzlichen Altersabsicherung, weiter zu forcieren.

Unter Zugrundelegung der Entwicklung des Bundesbeitrages ist es erforderlich, Maßnahmen zur Stabilisierung des budgetrelevanten Finanzbedarfs unseres gegenwärtigen Pensions­systems zu setzen. Vor allem im Hinblick auf das Vertrauen und die Absicherung der jüngeren Generationen ist eine Systemsicherung, welche sich an den geänderten Rahmenbedingungen (späterer Eintritt ins Erwerbsleben und längere Lebenserwartung) orientiert, erforderlich. Im Rahmen einer laufenden Sicherung des Systems ist es notwendig, die mit der Pensionsreform 2000 gesetzten Schritte fortzuführen und gleichzeitig weiter zu entwickeln.

Mittel und Langfrist-Maßnahmen:

Schrittweise Harmonisierung der Beitragssätze und Beitragsgrundlagen für die Pensionsver­sicherung als wesentliche Voraussetzung für ein einheitliches Pensionsrecht. Erster Schritt in dieser Legislaturperiode.


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Beitragsorientiertes Pensionskonto: Erweiterung des individuellen Durchrechnungszeitraumes, als notwendiger und sozial ausgewogener Übergang zur Einführung eines persönlichen Pen­sionskontos (grundsätzlich beitragsorientiert, leistungsorientierte Elemente für sozial ausge­wogene Alterssicherung).

Die Reformkommission wird Möglichkeiten prüfen, die Erweiterung des Durchrechnungszeit­raumes und den Übergang auf ein Pensionskonto durch Einbindung zusätzlicher Instrumente (pro rata temporis, Versteinerung von Alt-Ansprüchen) unter Zugrundelegung der vorgegebe­nen Ziele zu vereinfachen.

Mindestpension: Einführung einer Mindestpension in der Höhe des Ausgleichszulagenricht­satzes für Alleinstehende bei Bedürftigkeit. Diese Mindestpension soll für alle alleinstehenden, unversorgten Personen, die das Regelpensionsalter erreicht haben und weder über eine Eigen­pension noch über eine von einem verstorbenen Ehepartner abgeleitete Pensionsversorgung verfügen, unter Heranziehung der Sozialhilfe der Länder, geschaffen werden.

Existenz-Absicherung nach Scheidung: freiwilliges Pensionssplitting ermöglichen.

Nach Auslaufen der vorzeitigen Alterspension wegen langer Versicherungsdauer und der Ver­längerung der Durchrechnungszeiträume soll, bei einem Regelpensionsalter von 65 und bei Vorliegen eines existenzsichernden Pensionsanspruches, die Möglichkeit geschaffen werden, nach eigener Disposition, ab 60, mit entsprechenden Zu- und Abschlägen, in Pension zu gehen.

Erhöhung des Pensionssicherungsbeitrages im öffentliche Dienst um 1%

Zugangsalter zur vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer weiter anheben: ab 1.1.2004: 2004 um 4, 2005 um 6, 2006 bis 2009 um je 8 Monate.

Die Einsparungspotentiale aus der Zusammenlegung in die PVA sollen noch in dieser Legis­laturperiode für die Steuerzahler (Bundesbeitragssenkung) im Interesse der Versicherten nutz­bar gemacht werden.

Ausbau des Bonus/Malus-Systems in der gesetzlichen Pensionsversicherung: Für Personen, die über das Regelpensionsalter hinaus berufstätig sind, beträgt der Bonus 4,2 % pro Jahr. Der Malus beträgt 4,2 % pro Jahr eines frühen Pensionsantrittes, und ist von der jeweiligen erzielten Bruttopension abzuziehen. Aus Fairness und Effizienzgründen wird dieses System ohne Decke­lung eingeführt. Die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Alterspension bei langer Ver­siche­rungsdauer soll nur dann möglich sein, wenn der Pensionsanspruch mindestens den aktuellen Ausgleichszulagenrichtsatz erreicht.

So genannte „Hackler-Regelung“: Verlängerung der „Hackler-Regelung“ bis 2010 (Pensions­antritt nach 40 bzw. 45 Beitragsjahren)

Analog Anhebung des Pensionsantrittsalters im öffentlichen Bereich, einschließlich der öffent­lichen Betriebe (z.B. ÖBB, Post). Empfehlung an übrige Gebietskörperschaften, analoge Regelungen zum Bund zur Erhöhung des Pensionsantrittsalters zu setzen. Die Länder sind im Rahmen des Homogenitätsgebotes angehalten, Regelungen betreffend die Anhebung des Pensionsantrittsalters rasch und effizient umzusetzen.

Auslaufen der vorzeitigen Alterspension bei Arbeitslosigkeit und Übertragung in die Arbeits­losenversicherung (Altersübergangsgeld in der Höhe des ALG).

Maßnahmenpaket für Ältere Arbeitnehmer:

Aktion ,56/58 Plus: Lohnnebenkostensenkung für über 56/58-jährige Arbeitnehmer um 3 % Punkte; für Arbeitnehmer über 60 um rund 10% Punkte. Dies wird durch den Wegfall der Arbeitslosen-, und zum Teil der Unfall-, FLAF- und Insolvenzentgeltfonds-Beiträge realisiert. Die dadurch entstehenden Entlastungen kommen sowohl der Arbeitgeber- als auch der Arbeitneh­merseite zu Gute.


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Pensionisten soll die Möglichkeit eröffnet werden, auch neben der Alterspension eine, einer Pflichtversicherung unterliegende Tätigkeit auszuüben. Die in das jeweilige System eingezahl­ten PV-Beiträge sollen künftig durch regelmäßige Neubemessung der Pension bei der Pen­sionshöhe berücksichtigt werden.

Qualifikationsoffensive für ältere Arbeitnehmer: Unter bestimmten Voraussetzungen, wie z.B.: bei Gefährdung des Arbeitsplatzes, sollen verstärkt Mittel der aktiven Arbeitsmarktpolitik zur Qualifizierung von älteren Beschäftigten verwendet werden.

Rechtsanspruch älterer und jüngerer Arbeitnehmer: Wir wollen, dass seitens des Arbeitsmarkt­service, Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, welche arbeitslos geworden sind, und die das 25. Lebensjahr noch nicht oder das 50. Lebensjahr bereits überschritten haben, binnen acht Wochen eine zumutbare Beschäftigung angeboten wird. Falls dies nicht möglich ist, hat der/die Arbeitslose einen Rechtsanspruch auf Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme.

Modernisierung der Arbeitswelt: Neue Initiativen wie z.B. ,Die altersgerechte Gestaltung der Arbeitswelt

Anhebung des Durchrechnungszeitraumes für die Bildung der Pensionsbemessungsgrundlage bis 2033 von 15/18 auf 40 Jahre (ASVG ab 2004 12 Monate pro Jahr; öffentlicher Dienst 18 Monate pro Jahr).

Anhebung der pensionsbegründenden Kindererziehungszeiten von derzeit 18 auf 24 Monate im Zuge einer Gesamt-Pensionsreform.

Steigerungsbetrag von 2% pro Jahr auf 1,78% pro Jahr senken (80% in 45 statt 40 Jahren).

Die bisher zu Verzerrungen führende Valorisierung der Neuzugangspensionen soll in Zukunft erst mit dem auf das Jahr nach Pensionsantritt folgende Jahr erfolgen.

Die Pensionsanpassung hat sich weiterhin am Ziel der Wertsicherung zu orientieren. Einmal­zahlungen sowie Fix- und Sockelbeträge für sozial Schwächere. Die Bestimmungen der Netto-Pensionsanpassung sind durch neue und für alle Bürger verständliche, gesetzliche Regelungen zu ersetzen.

Die Pensionstypen aus dem Titel der geminderten Arbeitfähigkeit (Invalidität, Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit), die im europäischen Vergleich überdurchschnittlich in Anspruch ge­nommen werden, sollen einer grundlegenden Evaluierung und nachfolgenden Reform zugeführt werden. Die Ergebnisse der Pensionsreformkommission sind hierbei einzubeziehen und weiter zu entwickeln. Nach Möglichkeit soll die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit, unabhängig vom Charakter des Unfalls als Arbeitsunfall oder Freizeitunfall, analog bewertet werden.

Weitere schrittweise Absenkung des fiktiven Ausgedinges für Bauernpensionen.

10. Gesundheit und Pflege

Wir wollen das erprobte und bewährte solidarische Gesundheitssystem erhalten und verbes­sern. Eine hochstehende medizinische Versorgung für alle Bürgerinnen und Bürger unabhängig von Einkommen, ist vorrangiges Ziel. Wir lehnen eine Zweiklassenmedizin ab. Effizienz und Wirtschaftlichkeit, Transparenz und Qualität sind Voraussetzung für die optimale Versorgung der Patienten. Die Förderung eines partnerschaftlichen Verhältnisses zwischen Patient und Leistungsanbieter soll durch Verstärkung der Patientenrechte, Mitverantwortung und Mitbestim­mung des Patienten erreicht werden.

Gemeinsames Ziel ist es, qualitätssichernde Maßnahmen in allen Bereichen des Gesundheits­wesens zu setzen. Durch Erhöhung der Effizienz und Wirtschaftlichkeit soll die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung gesichert werden.


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Zusammenführung UV/KV – Strukturreform GKK:

Die von der AUVA erbrachten Sachleistungen sind auf die regionalen Krankenversicherungs­träger auszulagern; Geldleistungen sind durch die PVA zu administrieren. AUVA als Träger der Reha-Einrichtungen und der derzeitigen kasseneigenen Spitäler (Prüfung).

Anpassung der Strukturen der Gebietskrankenkassen an die Erfordernisse eines modernen Managements (Modell Hauptverband). Die Führung hat dementsprechend in einem zweigliedri­gen System, bestehend aus Geschäftsführung und einem Aufsichtsgremium, zu erfolgen. Die Parität in den Gremien wird gewährleistet durch die Beschickung des/der Aufsichtsgremien durch die Sozialpartner.

Schaffung eines Kompetenzzentrums für Gesundheitsförderung und Vorsorge, das alle bisher tätigen Einrichtungen der Sozialversicherungen (AUVA, KV, PVA) auf diesem Gebiet zusam­menführt.

Harmonisierung der IT-Systeme der Sozialversicherungsträger unter Berücksichtigung beste­hender Kompetenzzentren

Einführung der e-Card: Derzeit ist die e-Card darauf ausgerichtet, den Krankenschein zu erset­zen. Durch eine Novelle des § 31a ASVG ist sicher zu stellen, dass die Chipkarte ergänzend auch als Instrument der Transparenz der ärztlichen Leistung und deren Kosten verwendet werden kann.

KV-Beiträge Pensionisten: Aufgrund der demographischen Entwicklung besteht zunehmender Bedarf an qualitativ hochwertiger Pflege und Betreuung chronisch Kranker. Aus diesem Grund scheint es vertretbar, im Zusammenhang mit dem KV-Beitrag eine Erhöhung für die Pensionis­ten in Jahresschritten im Ausmaß von je 0,25 % bis auf 4,75 % Beitrag vorzunehmen. Damit wird sichergestellt, dass die ältere Generation auch weiterhin einen uneingeschränkten Zugang zur qualitativ besten und auch immer kostenintensiver werdenden medizinischen Versorgung erhält.

Harmonisierung Beitragssatz KV/Leistungen:

Ziel ist die Gleichbehandlung aller in der KV Beitragsleistenden. In einem ersten Schritt wird ein einheitlicher Beitragssatz in Form eines Mischsatzes (7,3 %) für Arbeiter und Angestellte eingeführt.

Zusätzlich sollen 0,1 % an Versichertenbeiträgen für Nicht-Arbeitsunfälle in allen KV-Trägern (ASVG, GSVG, BSVG, B-KUVG, Pensionisten) eingehoben werden.

Nach erfolgter Harmonisierung des Beitrags-, Tarif- und Leistungssystems sollen die Kranken­versicherungsträger auf Länderebene zu einer Kasse zusammen geführt werden.

Die Krankenscheingebühr und die Ambulanzgebühr werden abgeschafft. Die Sozialversiche­rungsträger werden ermächtigt, von allen Versicherten einen sozial gestalteten Selbstbehalt einzuheben.

Arzneimittel:

Der Generikaeinsatz in Österreich soll dem europäischen Schnitt angepasst werden. Darüber hinaus soll der Anteil rezeptfreier OTC-Produkte an den europäischen Durchschnitt angenähert und vorläufig auf 10 % erhöht werden. Weiters ist das Solidaritätsmodell hinsichtlich Arznei­mittelkosten durch Hauptverband und Apothekerkammer fort zu führen.

Dauerverschreibungen (Kostenersatz) bis zu 12 Monaten Gültigkeit.

Überprüfung der Großhandels- und Apothekerspannen


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Ökonomische Verschreibweise: Richtlinien zur ökonomischen Verschreibweise (RÖV) sind in ganz Österreich einheitlich für alle Krankenanstalten einschließlich Privatkrankenanstalten zur Anwendung zu bringen (inklusive entsprechender Sanktionsmechanismen).

Gesundheitsplanung:

Formulierung von österreichweiten Gesundheitszielen.

österreichweite Umwidmung von 10 000 und Abbau von 6 000 Akutbetten bis 2006.

Bundesländer übergreifende, österreichweite Leistungsangebotsplanung für den niedergelasse­nen und stationären (öffentlichen und privaten) Bereich unter Berücksichtigung von Überkapazi­täten und Versorgungslücken.

Innerösterreichische Fremdpatientenregelung.

Zusammenführung von ÖBIG und Fonds Gesundes Österreich zu einem Forschungs- und Planungszentrum für das österreichische Gesundheitswesen (,Gesundheit Austria)

Sanktionsmechanismen für Umsetzung von ÖKAP und Großgeräteplanung.

Gesundheitsförderung und Vorsorge:

Bewerbung der Vorsorgeuntersuchung für eine erhebliche Erhöhung der Zahl der Vorsorge­untersuchungen.

Entwicklung eines Vorsorgepasses analog zum Mutter-Kind-Pass.

Ärzten sollen ,grüne Rezepte (gesundheitsfördernde Maßnahmen, Ernährungstipps etc.) ver­ordnen können.

Verstärkte Funktion des Hausarztes als Betreuer und Berater

Zentrale Evaluierung von Komplementärmedizin (z.B. TCM, Lifestyle-Arzneimittel) in Ausbildung und Wirkung.

Schaffung eines center of excellence für konservative Orthopädie und Schmerztherapie

Überprüfung der Chefarztaufgaben

Landesgesundheitsfonds (LGF): Um Synergieeffekte zu nützen, sollen Landesgesundheits­fonds geschaffen werden, die als Instrument einer gesamthaften regionalen Planung, Steue­rung und Finanzierung im Gesundheitswesen dienen. Eine länderübergreifende Kooperation wird angestrebt.

Zur Absicherung eines einheitlichen bundesweiten Rahmens für die Landesfonds wären auf Bundesebene gesetzlich bzw. im Einvernehmen mit den Ländern im Rahmen des FAG zu regeln:

Qualitätssicherung und Standards (Prozess und Ergebnis)

Überregionale Leistungsangebotsplanung für den stationären und den extramuralen Bereich

Einheitliche und vergleichbare Dokumentation

Einheitliche Standards für Telematik und IT

Bundeseinheitliches LKF

Adäquate Zugangs- und Finanzierungsregelungen für inländische Gastpatienten analog zum niedergelassenen Bereich


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7. Sitzung / Seite 58

Ziel des ab 2005 neu zu vereinbarenden FAG-Paketes ist es, bei der Krankenanstaltenfinanzie­rung die Kostensteigerung des Hauptverbandes um 250 Mio. € zu reduzieren.

Neuregelung und Ausbildung von Gesundheitsberufen und Unterstützung pflegender Ange­höriger:

Gesamtkonzept für medizinisch-technische Ausbildung und Pflegeberufe.

Die Berufsbilder (z.B. Altenfachbetreuer) sind im Rahmen des GUKG nach dem Modulsystem weiterzuentwickeln. Die Gesundheits- und Pflegeberufe sind auf ihre EU-Konformität hin zu prüfen.

Sicherung der Qualität der Pflege in allen Bereichen

Österreichische Gesundheitskonferenz: Zur Unterstützung eines effizienten Diskussionsprozes­ses soll die bestehende Österreichische Gesundheitskonferenz mit allen Verantwortlichen, Be­troffenen und Leistungserbringern der besseren Koordination dienen. Weiters soll unter Nutzung der Erfahrungen anderer Länder mit Experten aus den maßgeblichen Bereichen (z.B. Medizin, Ökonomie etc.) eine jährliche Beurteilung zur Lage und Entwicklung des Gesund­heitswesens erstellt werden.

11. Bildung

Das große Ziel von Bildung ist nicht die Reproduktion von Wissen, sondern die Anwendung von Wissen zur Lösung von neuen Herausforderungen. Durch beste Bildung und Ausbildung erhal­ten die jungen Menschen unseres Landes die Grundlagen zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit, für ein sinnerfülltes Leben und für eine erfolgreiche berufliche Laufbahn. Die österreichische Bundesregierung wird im Rahmen einer Bildungsoffensive die Qualität der Bildungsangebote im internationalen Vergleich weiter steigern, die Vielfalt fördern und neue Entwicklungen in die Angebote aufnehmen.

Schulentwicklung und Qualitätssicherung:

Erarbeitung von Leistungsstandards.

Schulentwicklungsprogramm (Profilentwicklung, best-practice Modelle).

Evaluierung der Schuleingangsphase. (Rückstellungen)

Weiterführung der AHS-Reform, inklusive Reifeprüfung und Evaluierung der laufenden Schul­versuche in den BMHS (Eingang in Lehrplan)

Frühzeitiger Zugang zu universitären Einrichtungen für Begabte (Anrechnung!)

Sonderschulen zu echten Förderschulen weiterentwickeln.

Technologieoffensive (ECDL, neue Hard- und Software, neue Lernkonzepte)

Aufbau von PISA – National und Ausbau der externen Evaluierung im Rahmen der bestehen­den Einrichtungen (Schulaufsicht).

Erhaltung der Schulen im ländlichen Raum durch Berücksichtigung in der Verhältniszahl.

Entlastung der Schülerinnen und Schüler durch Überprüfung der Stundentafel, wobei eine Annäherung an den Durchschnitt der OECD-Staaten erreicht werden soll.

Überprüfung des Zulagensystems und der Lehrverpflichtung im Lichte der OECD-Standards

Verwaltungs- und Baubereich:


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7. Sitzung / Seite 59

Weitere Verwaltungsvereinfachung auf allen Ebenen (incl. Neuregelung der Geldflüsse zwi­schen Bund und Ländern im Bereich der Pflichtschullehrer).

Prüfung: politische Gremien der Landes- und Bezirksschulräte

Einfache Mehrheiten, ausgenommen grundsätzliche Fragen der Schulorganisation

Bildungsbauoffensive fortführen

Aufbau von ,Bildungsclustern auf regionaler Ebene durch Nutzung von bestehenden Ressour­cen an Bildungseinrichtungen und in Wirtschaftsunternehmen.

Beste Lehrkräfte für beste Bildung:

Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für pädagogische Hochschulen.

Fort- und Weiterbildung der Lehrer als integrativer Bestandteil der Hochschulen für päda­gogische Berufe

Evaluierung der Fort- und Weiterbildungsangebote für Lehrerinnen und Lehrer (Berücksichti­gung der individuellen Bedürfnisse der Schulstandorte)

Neuverteilung des aktiven Lehrergehaltes, modernes und leistungsorientiertes Besoldungssys­tem (höhere Einstiegsgehälter)

Lebensbegleitendes Lernen:

Bildungsabschlüsse international vergleichbar machen, Zertifizierung

nationale Steuerungsgruppe zur Koordination und Strategieplanung im BMBWK.

Besonderes Augenmerk: Nachholen von Bildungsabschlüssen

neue e-learning Modelle, neue steuerliche Anreizsysteme, Qualitätssicherung

Bildung ist die beste Frauenförderung:

Fortführung des Aktionsplans 2003 (Aktion Mädchen in die Technik, Netzwerk zur Verbesse­rung der erforderlichen Fort- und Weiterbildungsangebote im Rahmen der PI, Aktionen zur bewussten Koedukation, laufende Informationsangebote zu frauen- und geschlechtsspezifi­schen Themen).

Spezifische Fördermaßnahmen für Eltern während der Familienphase (e-learning).

Gender Mainstreaming im gesamten Bildungsbereich

12. Wissenschaft

Das Universitätsgesetz 2002 als großes Reformwerk für die Selbstständigkeit der Universitäten findet international große Anerkennung. Die Universitäten sind bei der Implementierung tatkräf­tig zu unterstützen, damit sie im europäischen Wettbewerb bestehen können. Die österrei­chische Bundesregierung hat zum Ziel, dass junge Leute, welche die Voraussetzung mitbrin­gen, ohne Barrieren studieren können. Deshalb wird großes Augenmerk auf die Studienförde­rung und auch auf Karrieremöglichkeiten für den wissenschaftlichen Nachwuchs gelegt.

Universitätsentwicklung:

Zielorientierung Umsetzung des UG 2002, Profilentwicklung als Basis für die ersten Leistungs­vereinbarungen, Einrichtung einer Evaluierungsagentur nach europäischen Maßstäben.

Studienbeiträge verbleiben den Unis für verbesserte Studienbedingungen.


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7. Sitzung / Seite 60

Anpassung des Universitätsbauprogramms auf Schwerpunktbildung

Umsetzung des dringenden Sanierungsprogramms (Gerichtsmedizin Wien, etc.)

Erstellung eines sachgerechten Modells für den Klinischen Mehraufwand sowie Umsetzung der Betriebsführungsgesellschaften und der Zusammenarbeitsverträge zwischen den medizinischen Unis und den Spitalsträgern.

Entwicklung der Telemedizin auf europäischem Niveau

Entwicklung von e-learning Modellen an Universitäten

Wissenschafter in Österreich: Attraktivere Wissenschaftslaufbahnen (verstärkte Durchlässigkeit zur Wirtschaft, neue Kollektivverträge, leistungsorientiertes Pensionskassenmodell, Internatio­nalisierungsprogramme für Jungforscher, Erhöhung des Frauenanteils durch Verstärkung der bestehenden Instrumentarien)

Studienförderung:

Allenfalls bestehende Hürden in der Studienförderung beseitigen, Schaffung einer Möglichkeit des Bildungssparens.

Uni-Studienbeiträge (wie FH) für Berufstätige abschreibbar machen

Förderung besonders Begabter durch eine eigene Studienstiftung.

Fachhochschulen:

Fachhochschulentwicklungsplan III erstellen, Prüfung der Umstellung von Studiengangs- auf Erhalterförderung, verstärkte Internationalisierung

Aufbau von Forschung und Entwicklung an Fachhochschulen und Positionierung als Kompe­tenzzentren für die regionale Wirtschaft und Industrie.

Mobilität und der europäische Wissenschaftsraum:

Ausbau der Mobilitätsprogramme und Umsetzung der europäischen Studienarchitektur, euro­päische Studiengänge mit gemeinsamen Abschlüssen.

Internationale Durchlässigkeit und Vergleichbarkeit der Studien (ECTS)

13. Forschung und Innovation

Das Ziel der Europäischen Union ist es, Europa bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dyna­mischsten Wirtschafts- und Wissensraum der Welt zu machen und die Forschungsquote bis 2010 auf 3 % des BIP anzuheben. Die österreichische Bundesregierung wird die Investitionen für Forschung bis 2006 auf 2,5 % des BIP erhöhen, damit werden der Wirtschaftsstandort und Arbeitsplätze gesichert. Das Förderinstrumentarium und die bestehenden Forschungsstrukturen sind effizienter zu gestalten und die mittel- und langfristige Finanzierung ist sicherzustellen.

Anhebung der Forschungsquote auf 2,5 % BIP-Anteil bis zum Ende der Legislaturperiode (3% bis 2010)

Bereitstellung der 2. Tranche der Sondermittel für Forschung, Technologie und Innovation in der Höhe von 600 Mio. € im Laufe der Gesetzgebungsperiode

Planungs- und Finanzierungssicherheit für die außeruniversitäre Forschung sicherstellen (Über­nahme in Regelbudgets)

Vereinfachung der Förderstrukturen mit Trennung der strategischen und operativen Ebene


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7. Sitzung / Seite 61

Anpassung der Förderinstrumente an europäische Rahmenbedingungen und – soweit notwen­dig – an das UG 2002

Erreichung einer höheren Förderquote im 6. Forschungsrahmenprogramm der EU

Bewerbung für europäische centers of excellence (Basisfinanzierung der Infrastruktur)

Bioethik: Schwerpunkt auf Sicherheits- und Risikoforschung, Vorrang für Frage der Ethik, Strikte Ablehnung des reproduktiven Klonens

Umsetzung der Biopatent-Richtlinie, nach Durchführung einer parlamentarischen Enquete.

Ratifizierung der Bio-Medizinkonvention des Europarates und der Zusatzprotokolle nach vor­heriger Klärung der Interessen behinderter und unmündiger Menschen.

14. Nachhaltigkeit, Umwelt und Landwirtschaft

Österreich liegt, was seine Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik betrifft, im internationalen Spit­zenfeld. Die Politik hat weiterhin jene Bedingungen zu schaffen, die ein nachhaltiges Wirtschaf­ten ermöglichen, um die Verantwortung für die Lebensqualität in unserem Land und im globalen Rahmen wahrnehmen zu können. Die Bundesregierung bekennt sich zu einer starken österrei­chischen Land- und Forstwirtschaft, deren Leistungen gerechte Einkommen gegenüber stehen. Diese gewährleistet die Versorgung der Bevölkerung mit sicheren Nahrungsmitteln höchster heimischer Qualität. Darüber hinaus erbringt sie unverzichtbare Dienste im Rahmen der nach­haltigen Bewirtschaftung unserer natürlichen Ressourcen und für die Entwicklung des länd­lichen Raumes.

Ökologisierung des Steuersystems:

Einher gehend mit der Fortsetzung der Budgetkonsolidierung, der Senkung der Abgabenquote und der Senkung der Lohnnebenkosten – Ökologisierung des Steuersystems (im Rahmen der Steuerreform)

Weiterentwicklung der Besteuerung der fossilen Treib- und Brennstoffe im Lichte der europäi­schen Entwicklungen, sowie der verkehrsbezogenen Steuern und Abgaben. Erneuerbare Energieträger sollen begünstigt und die Erreichung des Kyoto-Ziels in allen Bereichen optimal unterstützt werden.

Initiative auf EU-Ebene zur verpflichtenden Einführung von Dieselpartikelfiltern oder gleichwerti­ger technischer Maßnahmen zur Feinstpartikelreduktion. Unterstützung auf nationaler Ebene durch Anreize (zB NOVA).

Forcierung der raschen Einführung von schwefelfreiem Treibstoff und Setzung entsprechender steuerlicher Maßnahmen (MÖSt).

Klimaschutz:

Die nationale Klimastrategie ist rasch und unter Beachtung ökologischer ökonomischer und sozialer Gesichtspunkte umzusetzen. Entsprechend dem Finanzbedarf und der Finanzstruktur der Klimastrategie werden in den Jahren 2004 bis 2006 die Budgetmittel um je 30 Mio Euro aufgestockt (+90 Mio. Euro in 2006).

Thermisch-energetische Maßnahmen im Wohnhausbereich sind vor allem durch entsprechende Umschichtungen innerhalb der Wohnbauförderung zu forcieren.

Etablierung eines Systems des Emissionshandels im europäische Gleichklang. Auch der An­kauf von Emissionsreduktionen im Rahmen der flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls (JI/CDM-Programm) soll einen wichtigen Beitrag zur Erreichung des Kyoto-Ziels leisten. Schaffung der gesetzlichen Grundlage durch Verankerung im UFG.

Nationales Programm für die Klimaforschung und das Klimamonitoring.


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7. Sitzung / Seite 62

Nukleare Sicherheit:

Die Bundesregierung wird die Atom-Politik auf Basis der bisherigen Entschließungen des Natio­nalrates insbesondere der Entschließung 143/E vom 10.7.2002 ,zukünftige Schwerpunkte der Anti-Atom-Politik Österreichs unter besonderer Berücksichtigung des KKW Temelin aktiv fort­setzen. In diesem Zusammenhang werden die Gespräche mit Tschechien bezüglich der Null­variante für Temelin intensiv geführt.

Die Bundesregierung wird im Rahmen von EURATOM ihre Entscheidungen daran orientieren, dass keine zusätzlichen Mittel für den Neubau oder Kapazitätsausweitungen von AKW und die Nachrüstung von AKW mit einer damit verbundenen Laufzeitverlängerung verwendet werden. Solche zusätzlichen Mittel sollen allenfalls für Sicherheitsverbesserungen mit verbindlich fixierten Schließungsdaten, für Dekommissionierungen von Atomanlagen oder für Endlagerpro­jekte verwendet werden können, sofern die Betreiber dazu aus eigener finanzieller Kraft nicht in der Lage sind.

Abfall und Altlasten:

Konsequente Umsetzung der Deponieverordnung – die Abfallbehandlung vor einer Deponie­rung

Die Regelungen im Verpackungsbereich sind unter Berücksichtigung von freiwilligen Selbstver­pflichtungen der Wirtschaft und der Vorgaben der Deponieverordnung weiterzuentwickeln.

Das Altlastensanierungsgesetz (ALSAG) ist unter dem Aspekt der Abfallvermeidung und dem Ziel der langfristigen Sicherstellung der Finanzierung der Altlastensanierung weiter zu ent­wickeln. Dabei ist zur Abwicklung von Ersatzvornahmen auch ein Sockelbetrag aus dem allge­meinen Budget vorzusehen.

Betrieblicher Umweltschutz: Verwaltungsvereinfachungen für zertifizierte Betriebe, entspre­chende Verbraucherinformation z.B. das Umweltzeichen

Nationalparks: weiterer Ausbau zu Modellregionen

Erhaltung und Verbesserung der Umweltqualität – Luft, Strahlung:

Emissionsgesetz-Luft zur Festlegung von Höchstmengen mit Novellierungen des Ozongesetzes und Immissionsschutzgesetzes-Luft.

Gesetzliche Vorschriften zum Schutz des Menschen vor nicht-ionisierenden Strahlen auf Basis WHO-Projekt.

Für Sendemasten von Mobilfunknetzen Festlegung von Grenz- bzw. Richtwerten auf Basis des Telekomgesetzes und unter Beachtung der Empfehlung des Obersten Sanitätsrates sowie der Grenzwerte der WHO

Forcierung erneuerbarerer Energien und Energieeffizienz:

Biomasseeinsatz bis 2010 um 75% erhöhen

Verbesserung Energieintensität (Energieverbrauch pro BIP-Einheit) um 1,6 % p.a. und Steige­rung Anteil erneuerbarer Energieträger am Gesamtenergieverbrauch um 1 % p.a. gemäß Nach­haltigkeitsstrategie.

Der Ökostromanteil soll bis 2008 auf 78,1 % gesteigert werden.

Zur Förderung biogener Treibstoffe sind der Mineralölwirtschaft Quoten analog dem EIWOG vorzuschreiben.


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7. Sitzung / Seite 63

Anhebung Plafondierung Photovoltaik im Rahmen der gegebenen Gesamtdeckelung noch 2003.

Prüfung Fördersystem für Einspeisung Biogas analog Ökostromgesetz. Forschungsprojekt zu notwendigen Qualitäten und Pilotprojekte.

Contracting-Programm zur Energieeinsparung bei Bundesgebäuden (Fortführung und Auswei­tung auf private Dienstleistungsgebäude).

Gentechnik: Regelungen unter Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips müssen europaweit ein­heitlich verankert werden. Strenge Kennzeichnungs- und Toleranzregelungen für gentechnisch veränderte Produkte sind zu etablieren. Eintreten für EU-weite Festsetzung von Grenzwerten für Verunreinigungen bei Saatgut analog österreichischer Saatgut-Gentechnik-VO. Auf Basis der Entschließung 403/UEA vom Mai 2002 wird die Möglichkeit der Einrichtung GVOfreier Zonen in Österreich und ihre EU-Konformität unter Beachtung von Fragen wie Koexistenz, Bio­landbau und Biodiversität rechtlich geprüft. Für Aufrechterhaltung des EU-Gentechnik-Mora­toriums bis zur Klärung wesentlicher Fragen wie Haftung, Kennzeichnung, Rückverfolgbarkeit in Zusammenhang mit der Koexistenz EU-weit.

Katastrophenfonds: Die Mittel für den vorbeugenden Katastrophenschutz sind in jenem Ausmaß aus dem Katastrophenfonds zu gewähren, die zum aktiven Schutz vor Naturgefahren (Hoch­wasser, Lawinen, Vermurungen) erforderlich sind.

Drei Milliarden Euro-Paket: Entsprechend dem EU-Finanzrahmen werden in Österreich für die Dauer der Legislaturperiode zur Umsetzung der agrarpolitischen Zielsetzungen € 3 Mrd. bereit­gestellt.

Wettbewerbsbedingungen: Im Rahmen der Steuerreform wird eine Agrardieselpreissenkung auf ein konkurrenzfähiges Niveau (Reduktion auf das Niveau von Heizöl extra leicht) umgesetzt. Ziel im Betriebsmittelbereich bleibt eine europaweite Zulassung und harmonisierte Besteuerung von Betriebsmitteln. Ein voller Binnenmarktzugang im Bereich der Betriebsmittel und der Tierarzneimittel ist anzustreben. Auflagen und Beschränkungen für die Produktion, die über die EU-Normen hinausgehen, sind bei Sicherung der österreichischen Standards zu vermeiden.

Direktvermarktung und Dienstleistungen:

Mehr Möglichkeiten in der Gewerbeordnung (Verordnung Abgrenzung Urproduktion).

Verbesserte Anerkennung land- und forstwirtschaftlicher Berufsausbildung bei der gewerblichen Berufsausbildung.

Verwaltungsvereinfachung: Automatische Antragstellung bei Tierprämien bis zum 1. Jänner 2004. Im Laufe des Jahres 2003 sollen die Kontrollen in den Bereichen Integrierte Produktion, Gütesiegel, biologische Produktion und Tiergesundheitsdienst harmonisiert und zusammenge­führt werden.

Biolandbau: Die Biolandwirtschaft soll weiter ausgebaut werden, damit Österreich weiterhin Bio­land Nr. 1 bleibt. Fortführung des österreichischen Bioaktionsprogramms, Schaffung eines EU-Bioaktionsplans.

Lebensmittelsicherheit: Kontrollsysteme durch Kennzeichnung transparenter gestalten, um dem Anspruch des Konsumenten auf Herkunft und Produktstandards zu entsprechen. Ernährungs­agentur mit Ziel Zusammenführung mit Dienststellen der Länder ausbauen. Prüfung der Novellierung des Lebensmittelrechts.

GAP: Die Bundesregierung tritt für eine Verankerung des Europäischen Landwirtschaftmodells in der Verfassung der Union ein. Daher soll die ländliche Entwicklung als zweite Säule der GAP dynamisch weiterentwickelt und die Direktzahlungen der ersten Säule mit einem entsprechen­den Leistungsbezug und ökologischen Mindestanforderungen im europäischen Gleichklang


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dauerhaft abgesichert werden. Die Milchquotenregelung ist fortzuführen, um die Bewirtschaf­tung auch in benachteiligten Gebieten aufrecht erhalten zu können. Für allfällige Preissenkun­gen bei Gemeinsamen Marktorganisationen sind entsprechende Kompensationsmaßnahmen vorzusehen.

Ländliche Entwicklung und Regionalpolitik: Vernetzung der ,Entwicklung ländlicher Raum, ,Regionalpolitik und ,Raumentwicklung. Forcierung erneuerbarer Energieträger (vor allem NAWAROS) und Investitionen als Schwerpunkt der Politik für den ländlichen Raum.

Marktchancen nützen: Nutzung des Systems der Garantiebesicherung unter Einbindung von Kontrollbank und AWS für den Agrarsektor prüfen

Wasser: Oberstes Ziel ist nachhaltige Bewahrung des Wassers als Lebensgrundlage für künf­tige Generationen. Die Implementierung der WRRL muss transparent und einfach – insbeson­dere unter Setzung klarer und überschaubarer Rahmenbedingungen und Handlungsvorgaben für die in der Wasserwirtschaft handelnden Sektoren – erfolgen. Die nachhaltige Finanzierung der Siedlungswasserwirtschaft, insbesondere im ländlichen Raum, ist sicherzustellen. Die Sicherung und der Schutz der österreichischen Wasserressourcen ist ein vitales nationalstaat­liches Interesse und muss daher auch in Zukunft den einzelnen Mitgliedstaaten der EU vor­behalten werden.

15. Frauen

Wir bekennen uns zu einem partnerschaftlichen Lebensmodell und setzen die vollständige Gleichberechtigung und Gleichrangigkeit von Mann und Frau voraus. Für uns ist Frauenpolitik ein breiter politischer Gestaltungsauftrag und fällt daher in die Zuständigkeit aller Ressorts. Unsere Frauenpolitik spricht alle Frauen an, in allen Lebensphasen, im Alter, in der Jugend, am Arbeitsmarkt und im Haushalt, Frauen mit und ohne Kinder.

Gender Mainstreaming in allen öffentlichen Bereichen (Bund, Land, Gemeinden und allen öffentlichen Einrichtungen) und die Sicherstellung der dafür notwendigen Ressourcen wird weitergeführt und ausgebaut.

Geschlechterbezogener Sprachgebrauch in öffentlichen Schriftstücken

Umsetzung der EU-Vorgaben im Bereich Gleichbehandlung

EU-konforme Genderquote in Kommissionen und Beiräten

Durchsetzung der Chancengleichheit in der Arbeitswelt:

Anhebung der österreichischen Frauenbeschäftigungsquote auf 65%

Frauenspezifische Beratungsangebote im AMS zur Berufsorientierung und Karriereplanung (vor allem auch im Bereich IKT und Technik)

Angebote zur Qualifikation und Ausbildung zwecks Wiedereinstiegs während und nach der Karenz

Gezielte Arbeitsmarktmaßnahmen für Frauen (insbesondere Umstiegsprogramme z.B.: Schulung für Pflegeberufe)

Verringerung der Einkommensunterschiede von Frauen und Männern (gleicher Lohn für gleich­wertige Arbeit)

1000 Euro Mindestlohn (siehe Kapitel 10, Arbeit und Soziales)

Entwicklung und Verbesserung von Mentoringprogrammen und Netzwerken

Weiterer Ausbau von Frauenförderplänen


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Eigenständige Alterssicherung für Frauen (siehe Kapitel Pensionen)

Gewaltprävention, Schutz und Betreuung von Opfern

Förderung der Frauengesundheit durch Gesundheitszentren

Evaluierung der Frauenberatung und Absicherung durch mehrjährige Förderpläne

Einrichtung eines Frauenpolitischen Beirates

16. Familie und Generationen

Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Die Bundesregierung unterstützt alle Maßnahmen, die den Eltern die Wahlfreiheit bei der Betreuung ihrer Kinder ermöglichen. Die Bundesregierung wird darauf einwirken, dass die Länder und Gemeinden ein qualitätsvolles, ausreichendes und be­darfsgerechtes Angebot von Kinderbetreuungsplätzen unter Berücksichtigung der Erfüllung der EU-Ziele für Kinder unter 3 Jahren und zur Betreuung in den schulfreien Zeiten sicherstellen. Die Bundesländer werden eingeladen, ihre Familienleistungen an die Bedürfnisse der Eltern anzupassen und auf jene Zeiten zu konzentrieren, in denen es keinen Anspruch auf Kinderbe­treuungsgeld gibt.

Förderung einer familienfreundlichen Arbeitswelt (Audit ,Familie und Beruf und flexible Arbeits­zeitmodelle)

Evaluierung des Kinderbetreuungsgeldes

Aktivierung der Rolle der Väter und Förderung der Väterkarenz

Zuschläge zum Kinderbetreuungsgeld bei Mehrlingsgeburten

Evaluierung der Eltern- und Partnerbildung und deren zielorientierte Weiterführung

Ausbau der Familienberatungsstellen zu Familienkompetenzzentren

Änderung der Richtlinien für den Familienhärteausgleich

Förderung des ,Unternehmens Haushalt

Verankerung der Familie in der Verfassung

Einrichtung einer Bundeskoordinationsstelle für Familie und Beruf im Rahmen des Sozial­ressorts.

Jugend:

Verankerung der Kinderrechte in der Verfassung

Nominierung von Jugendbeauftragten zur Prüfung der Jugend- und Familienverträglichkeit von Normen

Ausbau der Sucht und Drogenprävention sowie der Sektenberatung

Maßnahmen gegen Gewalt in den Medien

Senioren:

Verankerung der Alterssicherung und des Diskriminierungsverbotes aufgrund des Alters in der Verfassung

Verankerung der Seniorenvertretung als Pensionistenkurie in der Selbstverwaltung der Sozial­versicherungen


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Seniorenanwaltschaft und Schaffung von Seniorenbeiräten durch die Länder und Gemeinden

Ehrenamt und Freiwilligenarbeit:

Gewährung der Familienbeihilfe während des Freiwilligen sozialen Jahres

Einrichtung eines österreichischen Rates für Freiwilligenarbeit

Unterstützung und Anerkennung der Freiwilligenarbeit

Prüfung von Möglichkeiten einer Unfallversicherung für ehrenamtliches Engagement

Prüfung der Möglichkeit steuerlicher Maßnahmen zur Unterstützung von ehrenamtlichen Organisationen im Sozial-, Gesundheits- und Frauen-Bereich.

17. Medien

Medienfreiheit und Medienvielfalt sind für eine hoch entwickelte Demokratie ebenso bedeutend, wie die demokratischen Institutionen und Verfahren. Die Bundesregierung wird daher alles unternehmen, was Vielfalt und Freiheit der elektronischen und gedruckten Medien und der Kommunikationsmöglichkeiten nützt.

Spielregeln für ORF und Private bezüglich Einhaltung der Werbe- und Sponsoringregeln

Mittelfristig wird die Schaffung eines einzigen Konvergenzregulators angestrebt. Bis dahin ist die Kooperation zwischen den bestehenden Regulatoren zu intensivieren.

Radio- und TV-Gebühren: Aus Teilen der Radio- und TV-Gebühren sollen die Digitalisierungs­offensive im Rundfunkbereich, sowie die Film- und Produktionswirtschaft auf Basis eines PPP-Modells finanziert werden.

Bei Übernahme neuer, zusätzlicher Aufgaben durch den ORF, werden dem ORF neue Einnah­men ermöglicht.

Evaluierung der Presseförderung (Ausgleich von Wettbewerbsverzerrung, Qualitätsförderung, regionale Vielfalt)

Abschaffung der Anzeigen- und Ankündigungsabgabe im Rahmen des nächsten FAG wird angestrebt, um der Medien- und Werbewirtschaft neue Impulse zu geben.

Sicherung der Förderung des Wettbewerbs im Telekommunikationssektor

Unabhängigkeit der KommAustria

18. Kunst und Kultur

Die in der Verfassung verankerte Freiheit der Kunst bedeutet den Auftrag, dafür Sorge zu tragen, dass sich Künstlerinnen und Künstler in einem pluralistischen Dialog frei entwickeln können. Ein zeitgemäßer Kulturbegriff schließt dabei alle Formen etablierter sowie jene neuer Kunst und Kultur mit ein.

Ein Schwerpunkt liegt in der Erhaltung der Breite und Vielfalt von Kunst und Kultur sowie in der Förderung des Nachwuchses. Steuerliche Maßnahmen sollen zur Belebung des Kunstmarktes, des Kunstsponsorings und zur Erhaltung des kulturellen Erbes Anreize schaffen. Das hohe internationale Niveau unserer Bundestheater, Festspiele und Bundesmuseen ist sicherzustel­len.

Vorrangige Förderung zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler, insbesondere deren inter­nationaler Präsenz.


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Prüfung steuerlicher Maßnahmen im Bereich der Einkommens- und Umsatzsteuer zur Belebung des Kunstmarktes und -sponsorings und für den Bereich des Denkmalschutzes.

Verbesserungen in Bezug auf Geschwindigkeit und Transparenz bei der Mittelvergabe im Rahmen der Kunstförderung, u.a. durch verbesserte Koordination mit den Gebietskörperschaf­ten; Schaffung dreijähriger Förderverträge nach Erstellung eines Kriterienkataloges; Erhöhung der Zustimmungsgrenzen des BMF im Rahmen der Kunstförderung

Verstärkte Unterstützung regionaler Kulturinitiativen und der Kinder- und Jugendkultur.

Verbesserung der kulturellen Beziehungen zu den EU-Kandidatenländern und zu den Ländern Südosteuropas

Sicherung der finanziellen Grundlagen der Bundestheater und Bundesmuseen unter Optimie­rung der Ressourcen

Ausweitung der Filmförderung im Rahmen der budgetären Möglichkeiten. Erarbeitung von Strategien zur verstärkten Förderung des österreichischen Films durch Fachleute aus den Ministerien, der Filmbranche und der Kreativwirtschaft; Novelle zum Filmförderungsgesetz

Erarbeitung eines Gesamtprogramms zur Wahrnehmung der baukulturellen Verantwortung des Bundes.

Die Bundesregierung wird sich in Übereinstimmung mit den anderen EU-Partnern für die Nicht­aufnahme der Bereiche Kunst und Kultur in die Verhandlungen zum GATS einsetzen.

Gesamtstudie zur Museumslandschaft

Vorbereitung der Sonderausstellung ,50 Jahre Staatsvertrag

Auf Grundlage der Parlamentsentschließung und der Vorbereitungsarbeiten wird ein konkretes Projekt zur Errichtung eines ,Haus der Geschichte erstellt. Die dafür notwendigen Mittel wer­den von öffentlicher und privater Hand aufgebracht.

19. Sport

Der Breiten- und Leistungssport nimmt in Österreich eine besondere Stellung ein. Die Bundes­regierung wird den Sport in seiner Bedeutung für Sinnstiftung, Gesundheit, Integration Behin­derter und für den Tourismus fördern.

Unterstützung von Fußball-EM 2008 und Olympia-Bewerbung von Salzburg 2010

Förderung von Sport im Kindergarten- und Volksschulalter

Erhöhung der Besonderen Sportförderung (Totomittel) um € 1,5 Mio. im Jahr 2003, u.a. zur verstärkten Förderung des Behindertensports

Behindertensport: Einhaltung der ÖNORM B 1600 als Voraussetzung für die Förderung des Sportstättenbaus.

Förderung des Mädchen- und Frauensports

Ausarbeitung eines Berufssportgesetzes.

Darstellung der gesamten Palette des Sports, einschließlich des Behindertensports, im ORF.

Überprüfung und allfällige Reform des Auszahlungsmodus der Mittel der Bundes-Sportförde­rung

Prüfung der Einrichtung eines Schulsportverbandes


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20. Verwaltungsreform

Die Qualität der österreichischen Verwaltung ist ein wesentlicher Standortvorteil für unser Land. Gemeinsam mit den Ländern, Gemeinden und Städten sowie den öffentlich Bediensteten wird das Verwaltungshandeln noch bürger- und wirtschaftsfreundlicher und effizienter gemacht. Weitere Aufgabenbereinigung und moderne Organisations- und Finanzierungsmodelle bewirken überdies Spareffekte.

Auf Ebene der Bundesverwaltung wird ein jährlich – bis auf € 1,3 Mrd. im Jahr 2006 – anstei­gendes Einsparungsvolumen erzielt.

Einsparung von 10 000 Dienstposten im Bund 2004 – 2006. Im Unterrichtsbereich: Kompensie­ren des Struktureffekts

Überstunden um weitere 8 % (bis 2006) zurückfahren

Redimensionierung des Öffentlichen Sektors auf OECD-Durchschnitt

Weiterführung laufender Verwaltungsreformprojekte (Evaluation, Controlling)

Einführung einer Folgekostenschätzung durch externe Experten

Weiterer Ausbau der Bezirksverwaltungsbehörden zur zentralen Anlaufstelle

Strikte Umsetzung eines zweigliedrigen Instanzenzugs

Etablierung der Landesverwaltungsgerichtshöfe (kassatorisch/meritorisch)

Gründung einer zentralen Buchhaltung (Agentur) für alle Ressorts

Evaluierung der Ausgliederungen

Errichtung einer BundesserviceGesmbH. Zur Erbringung von Unterstützungsleitungen, bei denen eine zentrale Wahrnehmung sinnvoll ist.

Einrichtung einer zentralen Bundesförderdatenbank mit Ziel der Ausdehnung auf die anderen Gebietskörperschaften.

Globalbudgets: Im Rahmen einer grundlegenden Neuordnung des Bundeshaushaltsrecht mit dem Ziel der Zusammenführung von Ergebnis- und Ressourcenverantwortung im Sinne des New public management, werden Globalbudgets in den Ministerien eingerichtet. Gleichzeitig werden gewünschte Wirkungen anhand von Leistungsindikatoren mit der Ressourcenverant­wortung verknüpft, das Erreichen bzw. Verfehlen der Budgetziele durch Einführung von positi­ven und negativen Sanktionen verstärkt, das Delegieren der Budget- und Ergebnisverantwor­tung an nachgeordnete Dienststellen unter breiter Nutzung der Flexibilisierungsklausel ermög­licht, das Rechnungswesen des Bundes nach kaufmännischen Grundsätzen erweitert und parallel die entsprechenden dienstrechtlichen Vorkehrungen getroffen. Mit der Umsetzung wird in dieser Gesetzgebungsperiode ab 2005 schrittweise begonnen.

e-government-Offensive:

klare Kompetenzzuordnung

laufende Projekte abschließen (z. B. ELAK im Bund)

neue Initiativen entwickeln (Portalverbund, Urkundenregister beim ZMR, elektronisches Ver­gabe- und Förderwesen, elektronische Akteneinsicht, etc.)

Schaffung eines – dringend notwendigen – e-Government-Gesetzes (Inhalt z. B. ZMR als Dreh­punkt von e-Government festlegen, Sicherheitsstandards definieren etc. etc.)


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moderne Organisations- und Finanzierungsmodelle forcieren

Neustrukturierung der Wetterdienste mit dem Ziel einer Zusammenführung auf Basis des BMVIT/BMBWK-Entwurfes.

21. Dienstrecht

In der kommenden Gesetzgebungsperiode sollen nachhaltige Schritte im Sinne einer Anglei­chung der öffentlichen Dienst-, Besoldungs- und Pensionsrechte in Österreich unternommen werden. Gleichfalls sollen rechtlichen Rahmenbedingungen zwischen öffentlichem Sektor und Privatwirtschaft, unter Berücksichtigung spezifischer Notwendigkeiten, einander so weit wie möglich angenähert werden. Die öffentliche Hand braucht höchst qualifizierte und einsatzbe­reite Mitarbeiter. Fragen der Personalentwicklung, besonders Fragen der Ausbildung, wird da­her verstärkt Augenmerk zugewendet.

Vereinheitlichung der Dienst- und Besoldungsrechte der Gebietskörperschaften

Einheitliches Bundesmitarbeitergesetz statt BDG und VBG mit funktionsbezogenem Kündi­gungsschutz und der Möglichkeit einer Berücksichtigung berufsbildspezifischer Anforderungen.

Gerechte Lebenseinkommensverteilung

Zulagenreform

Aus- und Weiterbildungsoffensive

Offensive für Österreicher in EU-Jobs (und Erleichterung des Wechsels)

22. Finanzen

Der Weg konsolidierter öffentlicher Haushalte wird auch von der neuen Bundesregierung weiter beschritten. Damit wird eine nachhaltige Entlastung von Einkommensbeziehern und Unterneh­men ermöglicht. Sie reduziert darüber hinaus die Belastung künftiger Generationen mit Rück­zahlungsverpflichtungen und ermöglicht eine strategische und zukunftsbezogene Schwerpunkt­setzung bei den Staatsausgaben im Sinne einer Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich.

Perspektiven der Finanz- und Wirtschaftspolitik:

Einklang mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU

ausgeglichenes Budget über den Konjunkturzyklus

angenommener Wachstumspfad: 1,4 % (2003), 2,0 % (2004), 2,5 % (2005 und 2006)

Einsparungen von 3,0 Mrd. € durch

Fortführung der Verwaltungsreform des Bundes,

Maßnahmen zur Schwarzarbeitsbekämpfung und Überprüfung von Bundesförderungen,

konsensuale Einsparungen entsprechend der Aufgabenaufteilung bei Ländern, Städten und Gemeinden

Reform im Pensionsbereich um Zuwachs an Budgetmitteln um 1 Mrd. € zu reduzieren

Vermeidung prognostizierter Defizite in der Krankenversicherung im Ausmaß von 1 Mrd. €

würden in den öffentlichen Haushalten 2003 – 2006 zu Defiziten/Überschüssen von -1,3 %, -0,6 %, -0,3 %, +0,2 % führen, wobei nicht im Pfad erwähnte Mehrkosten durch Umschichtungen finanziert werden.


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Schwerpunkt auf Zukunftsthemen: Forschung, Bildung und Infrastruktur

Eine grundlegende Steuerreform wird in zwei Etappen umgesetzt werden. Die erste Etappe, die mit 1.1.2004 in Kraft tritt, bewegt ein Volumen von über € 1 Mrd. und führt zu einer Nettoent­lastung von über einer halben Mrd. Euro. Diese Etappe wird folgende Maßnahmen enthalten:

Entlastung unterer und mittlerer Einkommen durch Erhöhung der Steuerfreigrenze im Einkom­menssteuergesetz (vollständige Steuerentlastung für Brutto-Jahreseinkommen bis knapp € 14.500,–).

Förderung der Eigenkapitalbildung in Unternehmen durch Einführung einer begünstigten Be­steuerung nicht entnommener Gewinne für Einzelunternehmen und Personengesellschaften (halber Steuersatz, mindestens jedoch 20 %)

Verstärkung der ökologischen Komponenten im österreichischen Steuersystem im europäi­schen Gleichklang (Energiesteuern und Mineralölsteuern)

Entlastung im Bereich der Lohnnebenkosten für ältere Arbeitnehmer.

Die 13. Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung wird ab 2004 gestrichen.

Die Ökologisierung des Steuersystems im Sinne einer stärkeren Belastung des Ressourcen­verbrauchs geht daher einher mit einer Entlastung des Faktors Arbeit. Dies entspricht auch den europäischen Zielsetzungen und wird zu positiven Beschäftigungseffekten am Arbeitsmarkt führen.

Die zweite Etappe der Steuerreform wird ab dem Jahr 2005 umgesetzt und eine Nettoentlas­tung von rund € 2,5 Mrd. ermöglichen. Insgesamt wird die Steuerentlastung daher ein Ausmaß von rund € 3,0 Mrd. bzw. 1,3 % des BIP umfassen.

Der Konsolidierungspfad wird daher unter den getroffenen Annahmen und unter Berücksichti­gung der zwei Steuerreformetappen im Jahr 2004 ein Defizit von 0,7%, im Jahr 2005 von 1,5% und im Jahr 2006 von 1,1% des BIP aufweisen. Damit wird die große Zielsetzung einer nachhaltigen Entlastung umgesetzt und die Steuerquote auf etwa 43% reduziert.

Ziele der Steuerreform:

Stärkung des Wachstumspotentials

Verbesserung der Standortattraktivität

Entlastung des Faktors Arbeit mit dem Ziel, zur Vollbeschäftigung beizutragen

Setzung umweltschonender Anreize

Verbesserung der Eigenkapitalbasis der Betriebe, insbesondere der KMUs

Erhöhung der Kaufkraft aller, vor allem aber der unteren und mittleren Einkommensbezieher

Erhöhung der Steuergerechtigkeit

Grundlegende Vereinfachung des Steuersystems; Abschaffung von Bagatellsteuern, Zusam­menführung von art- und wesensgleichen Steuern, einfacherer Steuertarif

Stärkere Gebührenfinanzierung

Der Bund wird mit den Ländern, Städten und Gemeinden ein neues Finanzausgleichsgesetz für die Jahre 2005 – 2008, mit der Zielsetzung den gesamtstaatlichen Stabilitätspakt abzusichern, verhandeln. Dabei werden vorliegende Ergebnisse des Österreichkonvents einfließen, die von den Partnern als FAG-relevant beurteilt werden.


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Rückführung des Schuldenstandes der Republik im Verhältnis zum BIP bleibt Ziel der Fiskal­politik

ÖIAG und Privatisierung:

Zielsetzungen der Privatisierungen:

Sie sollen zu einer möglichst hohen Wertsteigerung der Unternehmungen führen, um dadurch auch langfristig sichere Arbeitsplätze in Österreich zu schaffen bzw. zu erhalten;

sie sollen möglichst hohe Erlöse für den Eigentümer erbringen,

sie sollen die Entscheidungszentralen der zu privatisierenden Unternehmungen, wenn möglich, in Österreich halten und

sie sollen den österreichischen Kapitalmarkt berücksichtigen.

Folgende konkrete Maßnahmen werden zwischen den Regierungspartnern vereinbart:

Die weitere vollständige Privatisierung (100%) von Böhler Uddeholm AG, VA Technologie AG, Voest Alpine AG, Österreichische Postbus AG (Beteiligung Privater; nach Entscheid des Kartell­gerichtes), Österreichische Bergbauholding AG und der Telekom Austria (bis zu 100%) wird angestrebt. Dabei ist eine österreichische Kernaktionärsstruktur durch Syndikate mit industriel­len Partnern , Banken, Versicherungen, Pensionskassen, Vorsorgekassen, Fonds etc. im Sinne einer Stärkung der Head-Quarter Funktion Österreichs wünschenswert.

Für die Österreichische Post AG wird ein strategischer Partner gesucht und damit ein erster Privatisierungsschritt vorgenommen.

Nach abgeschlossener Privatisierung der oben angeführten Unternehmen erfolgt die Auflösung der ÖIAG und die Neugründung einer Bundesbeteiligungs- und -managementgesellschaft.

Die verbleibenden Bundesbeteiligungen der ÖIAG werden an die Bundesbeteiligungs- und ‑managementgesellschaft übertragen. Diese stellt eine professionelle Eigentümerverantwortung und ein professionelles Wertmanagement der Unternehmen sicher und bereitet Privatisierun­gen – dort wo möglich – vor. Die ÖBB und der Verbund werden in die Bundesbeteiligungs- und -managementgesellschaft eingebracht, wobei die verkehrs- und energiepolitische Steuerungs­kompetenz zur Gänze bei den zuständigen Ressorts verbleibt. Für die ÖBB ist keine Privatisie­rung vorgesehen.

Die bereits begonnene Verwertung der Bundeswohnungsgesellschaften wird fortgesetzt.

Der Eigentümer gibt für die einzelnen Privatisierungsaufträge klare Privatisierungsziele vor.

Zur Erhebung des vorhandenen Eigentums bei Bund, Ländern, Gemeinden und Fonds wird ein öffentliches Eigentumsverzeichnis erstellt.

Neuordnung der ÖBB:

Ziele einer Neuordnung von ÖBB/SCHIG (Zuschussbedarf rd. 4,1 Mrd. € im Jahr 2002): Reduk­tion des Finanzierungsbedarfs der öffentlichen Hand durch Effizienzsteigerung; Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der ÖBB; EUKonformität des Gesamtsystems, insbesondere hinsicht­lich der Maastricht-Kriterien; Ausschöpfung sämtlicher Möglichkeiten zur Generierung von Finanzierungspotentialen (Querfinanzierung im Sinne des Weißbuchs, Infrastrukturbenutzungs­entgelte, PPP etc.), um nachhaltige Finanzierung zu sichern.

wesentliche Maßnahmen:

ÖBB Holding-Struktur: Unter dem gemeinsamen Dach einer strategischen Holding sollen selbst­ständige und eigenverantwortliche Rechtsträger geschaffen werden.


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7. Sitzung / Seite 72

Integration der SCHIG-Finanzierung in die ÖBB: Der gesamte Finanzierungsteil der SCHIG soll abgespalten und in die ÖBB integriert werden.

Anpassung des § 2 Bundesbahngesetzes: Die generelle Kostentragungspflicht des Bundes soll für zukünftige Vorhaben durch eine vertragliche Finanzierungsregelung mit dem Bund für die Bereiche Infrastruktur-Betrieb und Investitionen ersetzt werden. Mehrjährigkeit der Verträge soll Planungssicherheit für die ÖBB und Grundlage für klare Zielvorgaben (degressiver Bundeszu­schuss bei Infra.Betrieb, Produktivitätsvorgaben....) bieten.

Übertragung an die Bundesbeteiligungs- und -managementgesellschaft: Durch die Übertragung wird das professionelle Know-how der Bundesbeteiligungs- und -managementgesellschaft im Bereich der Eigentümerverantwortung und des Beteiligungsmanagements zum Vorteil der ÖBB und des Bundes genützt.

Ländereinbindung: Im Nahverkehrsbereich sollen die Länder verstärkt eingebunden werden.

Neubau wird weiter über die HL-AG und die BEG analog auf Basis von Verträgen abgewickelt. Diese verbleiben als selbstständige Infrastrukturerrichtungsgesellschaften im Zuständigkeits­bereich des BMVIT, das sich zur Gewährleistung der Effizienz geeigneter Kontroll- und Clearinginstrumente zu bedienen hat.

Kapitalmarkt:

Ziel ist die Stärkung des österreichischen Kapitalmarkts und der Wiener Börse zur Verbesse­rung der Finanzierungssituation der Unternehmen.

Maßnahmen:

Stärkung des vorbörslichen Risikokapitalmarktes (Venture Capital/Private Equity), insbesondere durch eine entsprechende Ausrichtung der Förderinstrumente der AWS

Konsequentes Vertreten der österreichischen Anliegen im Hinblick auf Basel II

Analyse der Rahmenbedingungen bzw. der Vor- und Nachteile der Gründung einer externen Rating-Agentur und gegebenenfalls Unterstützung der Gründung einer Rating-Agentur für den Mittelstand

Schaffung eines Immobilieninvestmentfondsgesetzes

Weiterer Ausbau der 2. und 3. Säule der Altersversorgung

Ausbau und Entwicklung von neuen Ansätzen in der Förderung der Mitarbeiterbeteiligung

Nutzung des österreichischen Kapitalmarktes bei der Finanzierung der Infrastruktur

Umfassende Information der österreichischen Bevölkerung über den österreichischen Kapital­markt.

OeNB:

Die Oesterreichische Nationalbank verfügt über einen hohen Bestand an Währungsreserven. Es ist im Einklang mit der EZB zu klären, wie überschüssige Währungsreserven an eine ,Nationalstiftung für Forschung und Technologie zuführbar sind, um damit Innovation, For­schung und Entwicklung in Österreich weiter zu stimulieren und das Ziel einer F & E-Quote von 3% bis 2010 zu erreichen.

Konzentration auf Kernfunktionen: Veräußerung von nichtbetriebsnotwendigen Beteiligungen und Straffung der Organisation.


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Die Pensionsrückstellungen der Bank sind auf das vertragsmäßig konforme und versicherungs­mathematisch notwendige Ausmaß festzulegen.“

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. Redezeitbeschränkung: 20 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.02


Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Bundespräsident! Herr Präsident des Nationalrates! Meine Damen und Herren! Ein halbes Jahr nach Zusammenbruch der alten Bundesregierung, bestehend aus Volkspartei und Freiheitlichen, stellt sich heute die neue Bundesregierung vor, wobei ich denke, man sollte besser sagen: die neu zusammengeflickte Bundesregierung, nicht schlechthin die neue Bundesregierung.

Nur zur Erinnerung: Vor einem halben Jahr, im September 2002, ist diese alte Bundesregierung auf ein Riff gelaufen. Dieses Schiff der Regierung ist auf ein Riff gelaufen, und dieses Riff hat auch einen Namen, nämlich Jörg Haider und Knittelfeld. Niemand weiß das besser als der mitt­lerweile bedeutend kleinere Teil der Bundesregierung.

Nach diesem – wie nennt man das? (Rufe bei den Grünen: Schiffbruch!) – Schiffbruch, danke (allgemeine Heiterkeit) – meine Kolleginnen und Kollegen sind wirklich aufmerksam –, nach diesem Schiffbruch wurde dieses Wrack offenbar wieder irgendwie zusammengeflickt, die nötigsten Latten wurden wieder draufgenagelt. Es wurden, was weiß ich, irgendwelche Mittel, die den Wassereinbruch etwas eindämmen sollen, zweifellos wieder zwischen die verschie­denen Planken gelegt. (Abg. Dr. Khol: Das nennt man Kalfater!) Sie sind jetzt wieder auf See, Herr Kollege Scheibner und Herr Kollege Molterer von den neuen Regierungsparteien!

Ich nehme an und hoffe für Sie, dass die Wasserpumpen voll im Betrieb sind, denn das alte Problem, das alte Riff, die alten Klippen sind nach wie vor vorhanden, diese sind nicht durch die neue Regierung, die neue Regierungserklärung, das neue Regierungsprogramm verschwun­den. Die Haiders, die Windholze, die Stadlers – ich verwende bewusst den Plural – sind nach wie vor da. Es wird Ihnen aufgefallen sein, Herr Kollege Scheibner, dass ich Ihren Namen hier nicht erwähnt habe. (Abg. Scheibner: Das wird schon noch kommen!) Sie alle sind nach wie vor da, und ich bin gespannt, in welche Untiefen dieses Schifflein früher oder später im Zickzackkurs fahren wird.

In einem Punkt, Herr Molterer, gebe ich Ihnen aber Recht: Es sind auch die ärgsten Kähne schon drei Jahre und länger zur See gefahren. (Allgemeine Heiterkeit.) Das stimmt! Es ist ohne weiteres möglich, dass das dreieinhalb Jahre funktioniert, dass der spätestmögliche Termin der nächsten Nationalratswahlen hält. Ich weiß nicht, ob ich mir das wünsche, aber ich fürchte mich auch nicht, und das ist einer der Unterschiede zum Februar 2000.

Irgendwie ist aus dem Ganzen sozusagen der Dampf von damals draußen, so kommt es mir vor. Geht es Ihnen nicht auch so? (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Nein!) Es ist ziemlich genau drei Jahre her, dass wir hier im Parlament die damalige Regierungserklärung der Regierung Schüssel/Riess-Passer hörten, und damals gab es eine echte Stimmung. (Abg. Mag. Mainoni: Die Demonstrationen am Donnerstag, ja!) Daran können sich die Veteranen noch erinnern, glaube ich. Da gab es echte Begeisterung auf der rechten Seite dieses Hauses und Zorn und Erbitterung oder was auch immer auf der linken Seite dieses Hauses. Da war etwas los! Es gab damals Standing Ovations für den Bundes­kanzler. (Abg. Dr. Fekter: Jetzt gibt es Resignation auf der linken Seite dieses Hauses!) Doch was ist heute? – Mit mühsamer Konzentration haben sich die Vertreter der Regierungsparteien die Erklärung des Bundeskanzlers angehört. Die meisten haben in irgendetwas geblättert und sich wahrscheinlich gedacht: Ah so, jetzt muss ich zwischendurch klatschen! Es gab keine Standing Ovations. – Ich weiß nicht, warum das so war, das muss Gründe haben. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie hätten nachhelfen können!)


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7. Sitzung / Seite 74

Die Gründe dafür können nicht in der Rhetorik des Bundeskanzlers liegen, die war vor drei Jahren genauso wie heute. (Abg. Öllinger: Die Wüste Gobi war dazwischen!) Die Gründe können auch nicht in der Rhetorik des Herrn Molterer zu suchen sein, denn diese finde ich, wenn überhaupt, eher besser als die des damaligen Klubobmannes Khol. – Entschuldigung, Herr Präsident! (Allgemeine Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.) Es muss wohl andere Gründe für diese merkwürdige Stimmung heute geben.

Ich glaube auch nicht, dass es nur der äußere Druck war, der damals diese Stimmung erzeugt hat. Wir hätten nicht die Maßnahmen oder so genannten Sanktionen der EU-14 gebraucht, um unsere eigene Meinung zu haben, namentlich über die Freiheitlichen von damals. Aber das hat es auch gegeben. (Abg. Mag. Molterer: Fehlen Ihnen die Sanktionen?) Im Bericht der drei Weisen wurde die damalige Freiheitliche Partei, von der Reste ja noch vorhanden sind, nicht ganz unzutreffend charakterisiert, nämlich als „rechtspopulistische Partei mit radikalen Elemen­ten“ und extremistischen Äußerungen. Das weiß ich noch, als wäre es gestern gewesen. Diese kurze Charak­terisierung finde ich gar nicht einmal so schlecht, und sie dürfte auch in Österreich irgendwie konsensfähig sein. In ausländischen Medien wird noch ganz anders darüber geredet. (Heiterkeit bei den Grünen.)

Was ist der Grund für diese merkwürdige Stimmung, für diese Mischung aus Verdruss und Langeweile? – Ich weiß nicht, was das hier im Hohen Haus ist, aber den Journalisten und Journalistinnen, sofern ich den Kommentaren der letzten Woche nur irgendwie Glauben schen­ken darf, scheint es ähnlich zu gehen. Welche Stimmung gibt es da im Land, woran liegt das? (Abg. Mag. Molterer: Ihre Rede!)

Sie hatten drei Optionen, Herr Kollege Molterer: Sie konnten eine Koalition mit der SPÖ bilden, Sie konnten eine Koalition mit den Grünen bilden (Abg. Dr. Partik-Pablé: ... langweilig als aufgeheizt!), und Sie konnten das alte Wrack reparieren und eine Koalition mit den Freiheit­lichen eingehen. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Aus dem Blickwinkel der Grünen wäre natürlich eine Koalition ÖVP/SPÖ nicht sehr lustig gewesen. Kleine Oppositionspartei gemeinsam mit einer anderen Oppositionspartei gegen eine 80-prozentige Mehrheit – das ist nicht angenehm. Aber Chancen waren da schon vorhanden! (Abg. Dr. Fekter: Nur passiert wäre nichts!) Mit einer Zweidrittelmehrheit hätten endlich all jene Reformen umgesetzt werden können, die auch Sie seit Jahren, Jahrzehnten in jeder Regierungserklärung ankündigen und die bis jetzt noch nie gekommen sind – Stichwort: Föderalismus und Finanzausgleich. (Beifall bei den Grünen.)

Sie hätten das mit der SPÖ machen können, Sie haben das nicht gemacht. Sie hätten eine Koalition mit den Grünen bilden können, Sie haben das aber nicht gemacht. Reden Sie sich nicht auf die grüne Basis (Abg. Dr. Trinkl: Sie haben Erklärungsbedarf genug!) oder auf die Funktionäre der Grünen aus. Diese kenne ich immer noch besser als Sie, Herr Kollege Molterer! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Ich kann mich genau an die Wiener Grünen erinnern!) Es hatte schon inhaltliche Gründe, warum wir nicht zusammengekommen sind, unter anderem wegen der Pensionsreform und der fehlenden Maßnahmen im Bereich des Arbeitsmarktes, die auch heute wieder in der Regierungserklärung angesprochen worden, aber de facto nicht vorhanden sind.

Das, was Sie gemacht haben, ist Ihr gutes Recht: Sie haben die alte Koalition wieder aufge­wärmt. Es geht sich mathematisch aus, die Mehrheit bestimmt in diesem Hause, auch wenn sie knapp ist. Aber es ist kein kraftvoller Neubeginn, Herr Kollege Molterer! Das konnten Sie noch niemandem der Kommentatoren in diesem Lande oder anderen politisch Interessierten ein­reden. Jedem ist klar: Die FPÖ musste in diese Regierung, wenn sie nicht in eine ernsthafte Existenzkrise geraten wollte. Nun regieren Sie halt mit dem letzten Aufgebot der FPÖ. Das ist Ihr gutes Recht!

Aber den kraftvollen Aufbruch, diese Verantwortung für die Zukunft und was ich heute nicht noch alles gehört habe an guten Worten können Sie auf diese Art nicht vermitteln. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Mainoni: Gibt es Inhalte auch?)


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Ich komme schon noch zu einigen Inhalten, meine Damen und Herren, auch wenn ich sagen muss, dass es natürlich bedauerlich ist, dass man als Oppositionspolitiker nur zwanzig und nicht siebzig Minuten Redezeit zur Verfügung hat, aber ich bin als Redner kurzer Debatten­beiträge bekannt, ich werde meine Zeit wahrscheinlich gar nicht ausschöpfen.

Man fragt sich natürlich angesichts dieses Hintergrundes: Gibt es überhaupt eine „blaue Hand­schrift“ in diesem Regierungsprogramm oder in der Regierungserklärung, oder gibt es das nicht? (Abg. Dolinschek:Hackler-Regelung“!) – Ein bisschen etwas gibt es schon. Die so ge­nannte „Hackler-Regelung“, Herr Kollege, wäre in jedem Regierungsprogramm in der einen oder anderen Form vorgekommen. (Abg. Dolinschek: Bei Ihnen nicht!) – Mit Sicherheit bei uns auch, das dürfen Sie sich nicht gerade anrechnen.

Was Sie sich aber anrechnen dürfen, das ist das komplette Fehlen eines positiven Ansatzes im Bereich der so genannten Integrationspolitik. Da ist nichts mehr von einer erleichterten Form der Erlangung der Doppelstaatsbürgerschaft, da ist nichts mehr von Familienzusammenfüh­rung, da ist nichts mehr von Abschaffung der Quote beim Familiennachzug und da ist nichts mehr von „Aufenthaltsbewilligung ist gleich Arbeitsbewilligung“, zu lesen.

Der ÖVP war das offensichtlich egal, den Freiheitlichen war das wichtig, und deswegen steht es nicht im Regierungsprogramm. Bei uns wäre das enthalten gewesen, es wäre für uns ein wichtiger Punkt gewesen. Da geht es immerhin um bestimmte Grundwerte im Bereich der Bürgerrechte und Menschenrechte. Wir kennen die Positionen der FPÖ auf diesen Gebieten hinreichend. Aber dass der ÖVP – wie sich zeigt – das völlig egal ist, das verstehe ich nicht. – Eines war schon interessant: Einerseits war das Gegenstand in den Verhandlungen mit den Grünen, andererseits wurde das auch in den Verhandlungen mit der FPÖ besprochen, aber dort ist das binnen zwei Tagen ersatzlos aus dem Programm rausgeflogen, als ob das nichts wäre.

Ich frage die Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP: Ist diese Art von Beliebigkeit, dass Positio­nen im Bereich bestimmter Grundwerte binnen Stunden völlig austauschbar sind, die Politik der Mitte? Ist das die Politik der Mitte, die Sie immer beschwören? Das ist die Politik einer Beliebig­keit, einer prinzipienlosen Beliebigkeit, die ich nicht nachvollziehen kann. (Beifall bei den Grünen.)

Ein anderer Punkt, bei dem sich die FPÖ binnen weniger Stunden durchgesetzt hat, betrifft die Bestellung der Uni-Räte; das wurde schon erwähnt. (Abg. Dr. Jarolim: Zukunftsweisende Besetzung!) Sie halten Leute, die sich – wie war das? – der „deutschen Minderheit in Öster­reich“ zugehörig fühlen und daraus offenbar einen wesentlichen Teil ihrer persönlichen Identität schöpfen (Abg. Öllinger: „Zukunftsfest“!), für zukunftsträchtig, zukunftsfest, für tauglich, die Universitätspolitik im 21. Jahrhundert – nicht 1850 – mitzubestimmen. (Abg. Öllinger: Deutsch­national!) An dieser Art von Geisteshaltung ist schon die Habsburger-Monarchie zugrunde gegangen. Ich hoffe, dass die Universitäten des 21. Jahrhunderts stabil genug sind, um das auszuhalten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist zum Teil nicht uninteressant, die Regierungserklärung mit dem Regierungsprogramm, mit dem Koalitionsübereinkommen zu vergleichen. Das ist nicht identisch. Natürlich ist es ziemlich ähnlich, aber identisch ist es nicht.

Ich bin aber dankbar, dass uns zwei Peinlichkeiten, die im Koalitionsübereinkommen stehen, heute in der Regierungserklärung von Seiten des Herrn Bundeskanzlers erspart blieben. Für die breite Öffentlichkeit möchte ich jedoch anmerken, womit sich im Kapitel „EU-Politik“, das immer­hin im Koalitionsübereinkommen ganz vorne steht, die ersten zwei Absätze betreffend die öster­reichische EU-Politik der Zukunft beschäftigen. Wo, glauben Sie, liegen die Prioritäten, die prioritären Wichtigkeiten des Engagements der österreichischen Außenpolitik innerhalb der Europäischen Union? (Abg. Dr. Gusenbauer: In der Schutzfunktion!) – In der Schutzfunktion für Südtirol!

Damit kein Missverständnis entsteht, Herr Khol: Ich bin auch Tiroler, ich weiß, wie wichtig Süd­tirol für die österreichische Politik ist und war, muss aber doch sagen: Dass wir besondere Pro-


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bleme dabei hätten, dass Südtirol innerhalb Italiens keine sehr gut funktionierende Autonomie hätte, sodass man das an die erste Stelle eines Koalitionsübereinkommen stellen muss, war mir nicht bewusst! (Abg. Dr. Khol: Erlauben Sie einen Zwischenruf?)

Herr Kollege Khol! Wo sind wir denn? Fragen Sie einmal die Südtiroler, wie schlecht es ihnen geht! Da werden Sie keinen Südtiroler treffen, der das bestätigt. (Abg. Dr. Khol: Erlauben Sie mir einen Zwischenruf?)

Nun zum zweiten Absatz in der EU-Politik. (Abg. Dr. Khol: Frattini hat das Gruber-De-Gasperi-Abkommen in Frage gestellt!) Die zweite absolute Priorität der schwarz-blauen EU-Politik sind die k.u.k. Minderheiten, sofern sie deutschsprachig sind, die deutschsprachigen, habsburgi­schen Minderheiten in den ehemaligen Kronländern. – Ja, das ist ein interessantes Thema! Aber Priorität der EU-Politik, meine Damen und Herren, was ist denn das? Was ist Ihnen denn da eingefallen? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.)

Der Konvent kommt irgendwo weiter hinten vor, zum Verfassungskonvent innerhalb der Euro­päischen Union wird erwähnt, er sei wichtig und was weiß ich alles. Aber eine klare Aussage, welche österreichischen Positionen, nämlich Positionen von Schwarz-Blau, im Rahmen der Verfassungsdiskussion des Konvents vertreten werden, werden Sie im Regierungsübereinkom­men genauso vergeblich suchen wie in der heutigen Regierungserklärung.

Beim Blättern im Koalitionsübereinkommen und beim Zuhören der heutigen Regierungserklä­rung ist mir noch etwas aufgefallen, was wirklich merkwürdig ist: Es gibt keine österreichische Außenpolitik mehr. Es gibt zwar ein Kapitel zur Bildung – gut –, es gibt ein Kapitel zu Frauen – sehr gut –, es gibt ein Kapitel zu Universitäten, es gibt ein Kapitel zur EU, aber es gibt kein Kapitel zur österreichischen Außenpolitik – mit Ausnahme der Entwicklungszusammenarbeit.

Ich kenne das Koalitionsübereinkommen. (Abg. Mag. Mainoni: Das ist wahrscheinlich ein Kopierfehler!) Zeigen Sie mir, welches Kapitel die Überschrift „Außenpolitik Österreichs“ trägt! Ich frage mich, wo die Frau Ministerin in dieser Zeit war, dass sie es zulassen konnte, dass sich Österreich jetzt auch quasi offiziell jeder künftigen Außenpolitik entschlägt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Öllinger: In den Kronländern! – Abg. Mag. Mai­noni: So vergeht auch die Redezeit!)

Wie schon bei der letzten Regierungserklärung – es sind dies dicke Papiere – ist es unmöglich, fair zu sein, man kann nicht jedes einzelne Kapitel durchgehen. Es ist ganz klar, dass es Punkte gibt, die wir unterstützen. Es gibt auch Punkte, die wir mit Vorbehalt unterstützen, solange wir die Details nicht kennen.

Nehmen wir zum Beispiel den Bereich Frauenpolitik her! Wir begrüßen es auf jeden Fall sehr, dass es jetzt wieder eine Frauenministerin gibt. Ich persönlich finde auch die Besetzung mit Frau Rauch-Kallat gut. Ich finde, einige der Ziele, die im Kapitel „Frauen“, „Frauenpolitik“, im Koalitionsübereinkommen stehen, gut. Allerdings frage ich mich zum Teil: Alles Konkrete ist noch nicht ausverhandelt, oder wie?

Wir haben zum Beispiel heute gehört, dass die Erwerbsquote, auch jene der Frauen, in den kommenden Jahren erhöht werden soll. Ja, das ist notwendig! Es wird eine Notwendigkeit bleiben – schon angesichts der Veränderung der Alterspyramide und aus anderen Gründen auch. Dafür braucht es Voraussetzungen wie Qualifikationsmaßnahmen zum Beispiel. Findet sich davon etwas im Koalitionsübereinkommen? – Man wird sehen.

Was noch? – Es braucht, sofern die Frau Familie oder Kinder hat, eine Entlastung auf der Kin­derbetreuungsseite. Das wissen wir alle. In Schweden ist die Geburtenrate höher und die Erwerbsquote der Frauen auch. Wann wird endlich in Österreich daraus die Konsequenz gezogen? – Im Koalitionsübereinkommen gibt es dazu wieder nichts! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Da gibt es an einer anderen Stelle den Hinweis darauf, dass sich die Länder und Gemeinden sozusagen gefälligst an ihre Pflichten zu erinnern haben. Doch was ist mit dem Bund? – Gibt es keine 10-jährigen Kinder, die in Bundesschulen gehen? In der ersten Klasse Gymnasium gibt es Zehnjährige. Da gibt es keine Kinderbetreuung, nicht einmal eine Idee dazu? Diese Gedan­ken macht man sich nur in Bezug auf die Kindergärten, und dafür sind die Länder und die Gemeinden zuständig? Das ist die Politik der Bundesregierung? – Das wird nicht reichen, Frau Ministerin, Frau Frauenministerin!

Ich hoffe, Sie werden sich in die einzelnen Fragen in den anderen Ministerien einmischen. Wir wissen – der Herr Bundeskanzler selbst hat das heute auch wieder betont –, dass Frauenpolitik eine Querschnittsmaterie ist. Ja, das ist sie! Das wird hoffentlich Frau Rauch-Kallat zu einer sehr unangenehmen Ministerin machen.

Frau Rauch-Kallat! Ist Ihnen aufgefallen, dass es dort, wo Sie direkt angesprochen sind, nämlich im Kapitel „Frauen“ im Koalitionsübereinkommen, einen Punkt gibt, der heißt: „Eigen­ständige Alterssicherung für Frauen (siehe Kapitel Pensionen)“? Jetzt schaue ich nach (Abg. Dr. Gusenbauer: Steht nichts!), bemühe mich seriös zu kritisieren, blättere zurück zum Kapitel „Pensionen“ – dieses steht auf den Seiten 18 bis 20, das weiß ich, glaube ich, aus­wendig – und suche den Punkt „Eigenständige Alterssicherung für Frauen“. – Da können Sie lange suchen, da können Sie lange suchen, Frau Rauch-Kallat, da ist irgendetwas verloren gegangen. Ich hoffe, Sie werden Ihre männlichen Kollegen in der Bundesregierung recht bald daran erinnern. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

In Ihrem Kapitel „Frauen“ ist etliche Male von Gender Mainstreaming die Rede. Gender Main­streaming ist zwar ein furchtbares englisches Wort – heißt Geschlechtergerechtigkeit oder wie immer man das übersetzt, da bin ich mir nicht sicher –, ist aber wichtig. Sie werden bei den kommenden Pensionsreformen sehr darauf zu achten haben, wie sich das auf die Frauen auswirkt, denn es ist ganz klar, dass sich die 40 Jahre Durchrechnungszeit – egal, ob jetzt berechtigt oder nicht, notwendig oder nicht – und die Senkung des Steigerungsbetrages auf die Frauen ganz anders auswirken werden als auf die Männer, weil sie andere Erwerbsbiographien haben. Sie wissen das, wir wissen das. Da kommt also einiges auf Sie zu.

Zu den Fragen der Umweltpolitik, der Sozialpolitik, der Pensionspolitik bin ich sicher, dass meine Kolleginnen Madeleine Petrovic, Eva Glawischnig und Karl Öllinger und auch noch andere Mitglieder meines Klubs Stellung beziehen werden.

Ich möchte abschließend nur Folgendes sagen: Natürlich besteht die Chance auf eine konstruk­tive Zusammenarbeit, Herr Kollege Molterer, und zwar nicht nur zwischen den Klubobleuten, son­dern auch zwischen den Klubs, sofern es möglich ist. Aber das ist nicht nur unsere Sache. Wir können das anbieten, wir können anbieten, unser Know-how einzubringen, wenn Sie das wünschen. Wir wären sehr interessiert, wir wollen ein bisschen Erfahrung, weiterhin Erfahrung sammeln. (Abg. Mag. Molterer: Man kann nie genug lernen!) Man kann nie genug lernen, nie genug wissen, völlig richtig. Ein anderer Grund wäre, dass die Kräfteverhältnisse im Nationalrat deutlich andere sind als vor drei Jahren. Die Mehrheit ist knapp, sie wäre auch mit uns knapp gewesen. Man weiß nicht, wie sich das auswirkt, vielleicht hat es auch einmal Auswirkungen auf das Verhalten von Regierungsparteien. Das könnte man sich ja einmal wünschen. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Ich komme zu meinem Schlusssatz, Herr Präsident: Das neue Regieren der alten Bundesregie­rung heißt hoffentlich nicht mehr dieses unselige „Speed kills“, das Herr Khol inzwischen hoffentlich bereut, dieses Drüberfahren über die Oppositionsparteien. Ich hoffe, dass auch hier zumindest beziehungsweise dass zumindest hier – ich streiche das Wort „auch“ – ein Neubeginn stattfindet. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.23


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nach der ausgeschöpften Redezeit hat sich Herr Abgeordneter Dr. Khol zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet.


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Ich mache den Herrn Abgeordneten darauf aufmerksam, dass nach § 58 der Geschäftsordnung die Redezeit maximal 2 Minuten beträgt. Die Bestimmungen der Geschäftsordnung sind be­kannt. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Ich bin kein Südtiroler!)

11.24


Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Es mag vielleicht ungewöhnlich sein, dass sich der Präsident des Nationalrates als Abgeordneter zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort meldet, aber wenn es um Südtirol geht, bin ich Abgeordneter.

Sie haben gesagt, es gebe keine Außenpolitik, und Sie haben gesagt, die Autonomie Südtirols sei nicht bedroht.

Ich berichtige: Erstens: Die Regierungserklärung und das Regierungsübereinkommen sind voll von Außenpolitik. (Abg. Dr. Van der Bellen: Die Ordensverleihung an Fini! Da waren Sie da­bei!) Ich berichtige weiters: Franco Frattini, der italienische Außenminister und Bozner Abgeord­nete (Abg. Sburny: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!), hat gesagt, dass im Rahmen des Europäischen Konventes die europäische Verfassung, das Gruber-De-Gasperi-Abkommen und damit die Schutzmachtrolle Österreichs hinfällig seien. Damit ist die Bedrohung der Autonomie wohl klar. (Abg. Dr. Van der Bellen: Und dem haben wir einen Orden verliehen?)

Ich bin dem Bundeskanzler dankbar, dass die Schutzmachtfunktion Österreichs außer Frage steht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Van der Bellen: Und solchen Leuten verleihen Sie Orden?)

11.25


Präsident Dr. Heinz Fischer: Dankbarkeitserklärungen gehören nicht zu einer tatsächlichen Berichtigung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Scheibner. Die Redezeit beträgt 20 Minuten. – Bitte.

11.25


Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Es war interes­sant, dass Klubobmann Van der Bellen die Stimmung in Österreich und auch jene hier im Hohen Haus beklagt hat und gemeint hat, sie sei doch im Jahr 2000, nämlich bei der ersten Bildung einer Reformregierung zwischen Volkspartei und Freiheitlichen, so anders gewesen. Ich habe ein bisschen ein Sehnen nach dieser Stimmung herausgehört, Herr Abgeordneter Van der Bellen!

Ich sehne mich nicht nach dieser Stimmung. Ich weiß nicht, was Ihnen abgeht. (Abg. Grad­wohl: Die Begeisterung!) Ich hoffe nicht, dass es Ihnen abgeht, dass man im Jahr 2000 versucht hat, mit Demonstrationen, mit zum Teil auch gewalttätigen Demonstrationen und mit Beeinflussung aus dem Ausland eine demokratisch legitimierte Regierung in Österreich wieder wegzubringen. Dieses Klima, meine Damen und Herren, haben wir Gott sei Dank jetzt nicht mehr in Österreich, und wir sind stolz darauf! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir sind stolz darauf, dass sich die vorige Bundesregierung (Zwischenruf des Abg. Öllinger) klar profiliert hat, Herr Kollege! Sie sehnen sich vielleicht auch nach diesem Klima zurück, das damals, zu Beginn des Jahres 2000, geherrscht hat. (Abg. Mag. Mainoni: Öllinger sowieso!) Wir sind stolz darauf, dass die Bundesregierung seit dem Jahr 2000 gezeigt hat, dass sich nie­mand vor uns fürchten muss, sondern ganz im Gegenteil: dass wir Österreich weitergebracht haben, dass wir für die Menschen in diesem Land gearbeitet haben, gut gearbeitet haben, meine Damen und Herren! Das sehe ich auch als einen Auftrag für eine Neuauflage dieser erfolgreichen Reformkoalition zwischen Freiheitlichen und der Österreichischen Volkspartei. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Kollege Van der Bellen! Sie haben gesagt, der Dampf sei draußen. Das mag vielleicht ein bisschen Selbstkritik sein, denn ich weiß natürlich, dass Sie die Chance verpasst haben. Sie


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haben die Chance verpasst, die vielleicht gegeben gewesen ist, die Grünen in eine Regierung zu bringen, und ich kann mir vorstellen, dass Sie das auch ernsthaft wollten.

Sie haben Streitereien und mögliche Probleme, die es bei uns geben soll, angesprochen, aber ich glaube, die Probleme, die Sie gehabt hätten, wären noch wesentlich größer gewesen. Dass Sie Ihre Partei, vor allem Ihren extrem linken Rand, auf einen konstruktiven Kurs in einer Regierungspartnerschaft gebracht hätten, das glauben Sie doch selbst nicht. Sie glauben nicht wirklich, dass Sie das geschafft hätten. Langfristig ist es auf jeden Fall für das Land – mög­licherweise auch für Sie persönlich – besser, dass alles so geblieben ist, wie es war, Herr Kollege Van der Bellen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Gusenbauer! Sie haben gesagt, Sie seien bereit, Reformen mitzutragen, inhaltlich zu diskutieren und sich auch einzubringen. Ich gebe zu: Ihre Rede war durchaus kon­struktiv. Dass das jetzt auch die Linie Ihrer Partei ist, würde ich hoffen, aber das werden wir erst beurteilen können, wenn Ihr Kompagnon Cap hier am Rednerpult gesprochen hat, denn normalerweise haben Sie eine sehr gute Aufgabenteilung: der konstruktive Gusenbauer und der Demagoge Cap. Wir warten ab, wie sich die SPÖ heute hier darstellt, und werden dann vor allem schauen, ob Sie wirklich bereit sind, Herr Abgeordneter Gusenbauer, Ihren Worten Taten folgen zu lassen.

In den letzten drei Jahren haben wir oft von Ihnen hören können: Binden Sie uns ein, wir sind bereit, mitzuarbeiten, wir sind auch bereit, Reformen mitzutragen! – Wenn das aber dann ver­sucht worden ist, dann haben Sie zwar eine Zeit lang mitgearbeitet, aber wenn es dann darum gegangen ist, auch konsequent die Beschlüsse mitzutragen, dann war leider von diesem Kon­sens nicht mehr viel zu spüren. (Abg. Silhavy: Wo leben Sie?)

Wo ich lebe? – Gott sei Dank in Österreich, Frau Kollegin! Wir haben Gott sei Dank verhindert, dass ein Abenteuer zwischen Rot und Grün wie in Deutschland, das Sie sich vielleicht ge­wünscht haben, nach diesem Wahlergebnis vom 24. November für Österreich vermieden werden konnte. Das ist auch ein Ergebnis der Reformarbeit der Regierung. (Beifall bei den Frei­heitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es hat natürlich lange gedauert, bis diese Regierung gebildet worden ist, aber ich sage Ihnen: Besser lange verhandeln und etwas Gutes schaffen, als schnell das Falsche zu tun! Es wird jetzt an der Bundesregierung liegen, ein sehr ambitioniertes, ein gutes, ein offensives, ein in die Zukunft gerichtetes Regierungsprogramm gemeinsam mit uns Parlamentariern, gemeinsam mit diesem Hohen Haus, gemeinsam mit den Interessenvertretungen, gemeinsam mit den Bundes­ländern, vor allem aber auch gemeinsam mit der Bevölkerung in unserem Land umzusetzen.

Ich glaube, dass dieses Regierungsprogramm ein Programm der Gegenwart, aber auch eines für die Zukunft darstellt – für eine Zukunft, in der ein Reformkurs weitergeführt wird, bei welchem man darauf achtet, dass die Staatsfinanzen nicht aus dem Ruder laufen.

Herr Abgeordneter Gusenbauer! Es war schon interessant, dass Sie kritisieren, dass das strikte Festhalten am Nulldefizit jetzt nicht mehr gelten soll. Dass Sie, als Ihre Partei noch Verantwor­tung für Österreich getragen hat, auch nur in die Nähe eines Reformkurses, eines Nulldefizits gekommen wären, das glauben auch Sie wohl selbst nicht! Wenn wir dazu beigetragen haben, dass Sie jetzt lernen, dass es nicht gut ist, hohe Schulden aufzunehmen und damit künftige Generationen zu belasten, dann ist das auch ein positiver Effekt von drei Jahren freiheitlicher Regierungsbeteiligung mit der Österreichischen Volkspartei gewesen. Hoffentlich bleibt es so!

Budgetsanierung ist und war ein wichtiges Projekt. Es ist gelungen. Wir haben Gott sei Dank Handlungsspielräume geschaffen – im Gegensatz etwa zum rot-grünen Experiment in Deutsch­land –, sodass wir im vorigen Jahr den Opfern der Hochwasserkatastrophe ausreichend Ent­schädigung geben und der Wirtschaft mit einem entsprechenden Konjunkturpaket in einer schwierigen Phase Hilfestellung leisten konnten.

Es wird jetzt aber auch notwendig sein, neben der Beibehaltung dieses Konsolidierungskurses die Bevölkerung von einer zugegebenermaßen sehr hohen Steuerbelastung zu befreien bezie-


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hungsweise diese Steuerbelastung zu minimieren. Es gibt ein Steuerentlastungspaket mit einem Volumen von 3 Milliarden € für die Bevölkerung. Für uns ist es ganz wichtig, dass man das nicht an das Ende der Legislaturperiode verschiebt, sondern dass es das erste Entlas­tungspaket, und zwar vor allem für die Bezieher kleiner Einkommen, mit 1. Jänner 2004 gibt. Das ist eine soziale Maßnahme, für die wir stehen.

Das ist wichtig, und ich verstehe nicht, warum Sie das kritisieren, wo Sie doch immer sagen, dass Sie es für so wichtig halten, gerade diese Bevölkerungsgruppe zu unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir entlasten auch gleichzeitig die Betriebe und sorgen dafür, dass die Unsinnigkeit, die Finanz­minister Edlinger eingeführt hat, nämlich, dass für die Unternehmer das Jahr nicht zwölf, son­dern dreizehn Monate – zumindest beim Steuerzahlen – hat, abgeschafft wird, dass die nicht entnommenen Gewinne steuerlich besser behandelt werden. Damit wollen wir vor allem die klein- und mittelständische Wirtschaft fördern, weil wir wissen, dass dieser Bereich die österrei­chische Wirtschaft prägt und Arbeitsplätze schafft.

Wir sind eben der Meinung, dass der Arbeitsmarkt nicht in erster Linie durch staatliche Beein­flussung belebt werden kann, sondern dass gesunde Unternehmen und Betriebe Arbeitsplätze, und zwar nachhaltige Arbeitsplätze, für die Österreicher schaffen werden. Das ist auch eine wichtige Aufgabe für diese neue Bundesregierung: gesunde Arbeitsplätze durch eine gesunde, leistungsfähige Wirtschaft zu schaffen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Silhavy: Warum haben Sie das in der letzten Periode nicht gemacht?)

Meine Damen und Herren! Es geht uns um die Zukunft. Sie haben gesagt, im Regierungspro­gramm fänden sich keine Zukunftsaspekte. Da sollte man nicht nur die Überschriften lesen, sondern auch ins Detail gehen. Dieses Programm ist sehr stark von Zukunftsthemen geprägt. Es geht dabei darum, unserer Jugend durch eine fundierte, zukunftsorientierte Ausbildung eine Chance auf einen Arbeitsplatz, der Zukunft hat, zu geben. Es geht dabei auch darum, Öster­reich wieder zu einer Stätte der Forschung und Entwicklung und der Wissenschaft zu machen. Es geht weiters darum, etwa auch im Bereich der Hochtechnologie wieder stärker Fuß zu fassen. Wenn wir sagen, die Forschungsquote soll im Laufe der Legislaturperiode auf 2,5 Pro­zent erhöht werden, wenn wir ein Förderungspaket in der Höhe von 600 Millionen € für die Forschung bereitstellen, dann sind das derartige zukunftsweisende Initiativen, die für die Zukunft unserer Jugend wichtig sind.

Wenn wir sagen – da unterscheiden wir uns vielleicht von Ihnen im grundsätzlichen Bereich –, dass im Zentrum unserer Familienpolitik nicht in erster Linie – schon auch, aber nicht in erster Linie – staatliche Kinderbetreuungseinrichtungen stehen, sondern dass für uns die Familie für die Erziehung unserer Jugendlichen von ganz besonderer Bedeutung ist und wir daher für verstärkte Familienförderung eintreten, dass wir die Familien so wie mit dem Kinderbetreuungs­geld, das ein erster Schritt war, in Zukunft noch stärker fördern wollen, dann ist das auch die Handschrift der Freiheitlichen, die im Programm der Bundesregierung ihren Niederschlag gefun­den hat. Das ist auch ein zukunftsweisender Weg für die Sicherheit unserer Gesellschaft in Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir setzen auch bei den Pensionen ein klares Signal damit, dass wir uns dazu bekennen, dass Sanierungsschritte notwendig sind. Wir bekennen uns aber auch dazu, dass Sanierungsschritte nicht kurzfristig gesetzt werden dürfen. Herr Abgeordneter Gusenbauer! Es stimmt eben nicht, dass wir nur belasten, sondern ganz im Gegenteil: Wir wollen einerseits garantieren, dass die Pensionen jener Menschen, die heute in Pension sind, gesichert sind und die Pensionisten ihren Lebensabend in sozialem Wohlstand und Sicherheit verbringen können, wollen aber auf der anderen Seite auch gewährleisten, dass die heutige Generation der 30- bis 40-Jährigen dann, wenn sie in den Ruhestand tritt, ebenfalls einen gesicherten Lebensabend erleben kann. Da müssen wir jetzt mit grundlegenden Reformen ansetzen, und das steht auch in diesem Regierungsprogramm.


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Sie haben gesagt, für Sie ist es eine Bedingung, bei den Pensionen am Umlagesystem festzu­halten. Herr Abgeordneter Gusenbauer! Wie soll das funktionieren, wenn heute auf 100 Er­werbstätige 63 Pensionisten kommen, während im Jahr 2030 auf 100 Erwerbstätige bereits 81 Menschen im Ruhestand kommen werden? Wie soll dann das von Ihnen propagierte Umlagesystem funktionieren?

Das mag heute vielleicht gut klingen, dass es keinen Reformbedarf gibt, aber ich glaube, wenn man auch an die künftigen Generationen denkt, dann ist es unverantwortlich, allein das staat­liche System für die Altersvorsorge heranzuziehen. Wir sagen, dass neben der staatlichen Grundvorsorge die Forcierung der zweiten und dritten Säule für die Zukunft des Pensions­systems unerlässlich ist. Die Forcierung und Förderung der zweiten Säule, der betrieblichen Pensionsvorsorge, und der dritten Säule, der privaten Pensionsvorsorge, wird eine wichtige Aufgabe dieser Bundesregierung sein.

Es ist auch wichtig, dass man in Zukunft auf ein einheitliches Pensionskonto kommt, dass jeder für sich in einem gewissen Rahmen selbst entscheiden kann, wie hoch seine Pension ist und wann er in den Ruhestand geht. Weiters ist wichtig, dass wir selbstverständlich bei den kurzfris­tig notwendigen Maßnahmen – das ist auch für meine Fraktion von ganz besonderer Bedeu­tung – diese sozial gerecht durchführen, dass wir die so genannte „Hackler-Regelung“ für die lang arbeitenden Menschen beibehalten und noch verlängern und dass wir Beschäftigungspro­gramme für ältere Arbeitnehmer etwa durch eine Reduzierung der Lohnnebenkosten umsetzen. All das sind jene sozialen Maßnahmen, die Sie in unserem Programm nicht gefunden haben, die aber selbstverständlich mit besonderer Priorität versehen darin verankert sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ebenso wollen wir, meine Damen und Herren, die hohe Qualität im österreichischen Gesund­heitssystem erhalten. Ich glaube, dass es sinnvoll war, dass man nicht von vornherein mit irgendwelchen Quoten oder Abschlägen oder Selbstbehalten in die Regierungsverhandlungen gegangen ist, sondern dass man das umfassend analysieren muss und dass der Hauptverband der Sozialversicherungsträger, der sehr nahe an der Praxis ist, entsprechende Vorschläge zu machen hat.

Ich kann mir nicht vorstellen, Herr Abgeordneter Gusenbauer, dass etwa ein System, so wie wir es vorgeschlagen haben, das bei den Österreichischen Bundesbahnen seit vierzig Jahren als sozial gerecht empfunden wird, dann, wenn es auf alle Österreicher umgelegt wird, plötzlich von Ihnen als sozial ungerecht bewertet werden kann. Ich glaube, dass Sie sich da ein bisschen von der Polemik verabschieden und gemeinsam mit uns für die Österreicher ein zukunftsweisendes Projekt umsetzen sollten.

Ich glaube, dass sich der Staat – da wird es auch wichtig sein, im Verfassungskonvent umfas­send darüber zu diskutieren – von unnötiger Bürokratie befreien und sich auf die Kernaufgaben konzentrieren soll. Diese Kernaufgaben, etwa im Sozial- und Bildungsbereich, sind abzusichern, auch budgetär.

Eine wichtige Kernaufgabe ist die Erhaltung der inneren und äußeren Sicherheit Öster­reichs. Diese Kernaufgabe, meine Damen und Herren, wird leider in Österreich – manchmal auch in der öffentlichen Diskussion – gering geschätzt, weil viele Österreicher glauben, dass diese Sicherheit selbstverständlich ist. Wenn man aber in eines der Länder – deren gibt es leider nach wie vor genug – fährt, in denen diese Sicherheit nicht gegeben ist, und dort die Menschen fragt, was ihr größter Wunsch ist – ich war etwa in Afghanistan, wo die Menschen nichts haben, wo sie wie im Mittelalter leben –, und dann als Antwort bekommt – sie sagen nicht: Wir wollen Geld, wir wollen Kleidung, wir wollen Wohnungen!, sondern sie sagen nur: Wir wollen Sicherheit! –, dass sie Sicherheit wollen, dass ihnen das gefehlt hat und dass das ihr höchstes Gut ist, dann kann man, glaube ich, nur sagen: Wir sollten diesen Wert der Sicherheit ernst nehmen und uns klar vor Augen führen, dass wir etwas dafür tun müssen – auf der europäischen Ebene, weil Sicherheit und auch die Bedrohungsszenarien global und auf der europäischen Ebene zu behandeln sind, aber auch auf der österreichischen Ebene.


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Wir unterstützen vollinhaltlich den Aufbau einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungs­struktur, inklusive einer Beistandsgarantie, auch was die stärkere Integration eines Europabe­wusstseins in der Bevölkerung anlangt. Wir unterstützen selbstverständlich auch einen entspre­chenden Beitrag Österreichs darin. Wir müssen aber auch die Erfüllung der Aufgaben bezüglich der Sicherheit in Österreich sicherstellen – etwa durch eine zeitgemäße Ausstattung und Aus­rüstung des österreichischen Bundesheeres.

Wenn mehr Budgetbedarf besteht – ich glaube, dass dieser Budgetbedarf besteht –, dann muss diese Kernaufgabe gesichert sein, auch mit einem erhöhten Budget. (Abg. Dr. Cap: Mit den Eurofightern?) Wenn es darum geht, auch die Bereiche im Inneren abzusichern, dann sollte es auch eine ordentliche Luftraumüberwachung geben. Herr Kollege Cap! Gerade jetzt sollte dafür gesorgt werden, wo doch auch Sie verlangen, dass wir darauf achten sollen, dass nicht über unserem Luftraum militärische Maßnahmen im Irak vorbereitet werden! Sie sollten sich auch einmal von Ihrer Wahlkampfrhetorik verabschieden und zu einem Grundkonsens in der Sicher­heitspolitik zurückfinden.

Betreffend den inneren Bereich hat Herr Abgeordneter Van der Bellen kritisiert, dass die „frei­heitliche Handschrift“ im Regierungsprogramm im Asyl- und Fremdenrecht so prononciert ist. Ja ich glaube, es ist doch selbstverständlich, dass wir die Grundsätze, die wir verankert haben, auch umsetzen, dass im Fremdenrecht Integration vor Neuzuwanderung gilt, dass wir in Öster­reich geordnete Zustände wollen.

Das heißt nicht, Ausländer raus, aber das heißt, dass wir nur jene Arbeitskräfte in Österreich aufnehmen können – gemeinsam im Rahmen einer Quote mit den Familienmitgliedern –, die in Österreich auch integrierbar sind, weil wir ein geordnetes und sicheres Zusammenleben aller Bevölkerungsgruppen in Österreich wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn wir im Asylbereich sagen, dass selbstverständlich jeder tatsächlich politisch Verfolgte auch Anspruch auf Unterstützung in Österreich hat, dann muss uns aber gleichzeitig auch klar sein, dass wir den Missbrauch dieses Asylrechtes im Interesse der Österreicher, aber auch der tatsächlich Asylbrauchenden verhindern müssen, und zwar durch eine Beschleunigung der Asylverfahren, durch eine konsequente Abschiebung jener, die kein Asylrecht beanspruchen können. Das ist, so glaube ich, im Interesse Österreichs eine nachvollziehbare menschliche Politik für die Österreicher, aber auch für unsere Gäste und Mitmenschen aus dem Ausland.

Wenn es um die Europapolitik geht, meine Damen und Herren, so sei auch dazu ein klares Wort gesagt: Wir Freiheitlichen bekennen uns zu dem Projekt eines gemeinsamen Europa, vor allem zu dem Friedensprojekt eines gemeinsamen Europa und selbstverständlich auch zur Erweiterung der Europäischen Union. Wir verlangen aber – das findet sich im Regierungspro­gramm wieder –, dass bei all diesen Projekten auch die Interessen Österreichs und die Interes­sen der österreichischen Bevölkerung mit vertreten werden.

Deshalb bin ich sehr froh darüber, dass sich diese Bundesregierung dazu bekennt, dass in wichtigen Bereichen, bei wichtigen Materien, wie etwa bei der Erhaltung unserer Wasser­ressourcen, das Einstimmigkeitsprinzip beibehalten werden soll, dass wir selbstverständlich bei der Transitregelung auf die Interessen der Österreicher Wert legen, dass wir selbstverständlich im Bereich der Atomenergie auf die Sicherheitsinteressen der Österreicher Wert legen und dass wir selbstverständlich auch die Interessen der Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg vertreten werden und auf die Lösung der Problematik mit den Beneš-Dekreten Wert legen und das auch einfordern werden.

Das ist Europapolitik im Sinne Europas und im Sinne der Europäer – nicht der Bürokratien, sondern der Menschen in Europa, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich glaube, dass wir in diesem Sinn einen Konsens herstellen könnten. Zum Angebot der Opposition, mitzuwirken, kann ich nur sagen: Wir werden dieses Angebot annehmen, aber auch


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einmahnen, denn wenn man Reformarbeit machen will, dann muss man auch bereit sein, vordergründig Unangenehmes mitzutragen. Das war vielleicht auch ein Pro­zess, den meine Fraktion zur Kenntnis nehmen musste, aber wir bekennen uns dazu.

Wenn Sie dazu bereit sind, von einer „Nein“-Opposition abzugehen und zu einer konstruktiven Kraft in diesem Land zu werden, dann werden Sie sehen, dass wir Ihre Ideen auch mit aufneh­men und mit einfließen lassen werden, so wie wir es in der Sicherheits- und Verteidigungs­doktrin in der letzten Legislaturperiode versucht haben, was fast gelungen ist, bei der aber dann letztlich doch die Parteipolitik über die Konsenskraft gesiegt hat. Das wäre der falsche Weg für Österreich!

Meine Damen und Herren von der österreichischen Bundesregierung! Österreich kann stolz darauf sein, dass dieser erfolgreiche Weg der letzten drei Jahre fortgeführt werden kann – mit neuer Dynamik, mit einem klaren Konzept für die Zukunft. Der österreichische Nationalrat muss dabei eingebunden werden. Wir sind bereit, mitzuarbeiten, wir sind bereit, auch unsere Ideen einzubringen. Ich wünsche Ihnen für Ihre so wichtige Arbeit im Interesse Österreichs alles Gute! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.45


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun Herr Vizekanzler Mag. Haupt. – Bitte.

11.46


Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Vizekanzler Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geschätzte Damen und Herren, die heute zu Hause der Fernsehübertragung dieser Debatte ihr Ohr leihen und ihr Augenmerk schenken! Liebe Mitbürger! Hohes Haus! Nach längeren Sondie­rungsgesprächen und ernsthaften Verhandlungen mit allen Parlamentsparteien hat sich die Freiheitliche Partei bereit erklärt, das Regierungsprogramm der Österreichischen Volkspartei gemeinsam mit den Freiheitlichen, so wie es heute vorliegt, in den nächsten vier Jahren zu tragen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es war keine leichte Entscheidung. Wir finden wirtschaftlich schwierige Rahmenbedingungen vor. Der drohende Irak-Krieg beunruhigt die österreichische Öffentlichkeit, und es haben größere Parteien in diesem Hohen Hause als die FPÖ abgelehnt, Reformprogramme im Interesse des gesamten Staates mitzutragen.

Herr Dr. Gusenbauer! Ihre Rede nehme ich so auf, wie sie gehalten worden ist. Sie selbst haben glaubwürdig „über die Runden gebracht“, dass Sie an einem Reformpaket für Österreich interessiert wären. Aber klar festgestellt muss auch werden, dass große Teile Ihrer Partei Ihrem Reformwillen nicht gefolgt sind und daher sehr vieles von dem, was Sie heute hier gesagt haben, nur Ihre Vorstellungen sind und nicht auch jene Ihrer Gesinnungsgemeinschaft.

Für mich als Vizekanzler und Sozialminister wird es interessant sein, zu sehen, ob Sie das, was Sie in Ihrer heutigen Rede angekündigt haben, dann, wenn Sie eingeladen sind, mitzuarbeiten und mitzuwirken, auch tatsächlich umsetzen werden, nämlich schnelle und zügige Reformen im Interesse aller Generationen in Österreich.

Die Pensionsreform, so wie sie diese Bundesregierung konzipiert hat, steht auch auf der Basis jener verfassungsmäßigen Mittel, die diese Bundesregierung zur Verfügung hat. Wenn Sie gemeinsam mit der Sozialdemokratie bereit sind, schnellere Harmonisierungen der Pensions­systeme und schnellere Reformen umzusetzen im Interesse des gesamten Staatswohles, so finde ich das nicht nur interessant, sondern erachte es für das gesamte Staatswohl auch als wünschenswert.

Allein, auf Grund der Gespräche der letzten Wochen und Monate fehlt mir der Glaube, dass es in der Praxis dann nach den Gesprächen auch zu dieser Umsetzung kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Weil von Seiten der Oppositionsredner hier die Kritik angeklungen ist, dass so quasi die Ent­lastung und die Ernte erst am Ende dieser Legislaturperiode kommen, darf ich klar sagen, dass wir Freiheitlichen uns gerade im Hinblick auf die Entlastungen durchgesetzt haben.

Die Steuerentlastung für die Bezieher kleiner Einkommen kommt mit 1. Jänner 2004. Die Ent­lastung für Klein- und Mittelbetriebe im Bereich der nicht entnommenen Gewinne kommt mit 1. Jänner 2004. Der „unselige“ 13. Umsatzsteuertermin, der von Ihnen noch mit abgestimmt worden ist, Herr Kollege Gusenbauer, wird mit 1. Jänner 2004 wieder abgeschafft. Ich darf schon daran erinnern, dass auch mit 1. Jänner 2003 das Strukturpaket zu wirken begonnen hat und auch die Familienleistungen mit 1. Jänner 2003 bereits erhöht worden sind.

Ich darf auch darauf hinweisen, dass mit dem heutigen Tag zumindest in der Öffentlichkeit eine Debatte der letzten Tage beendet ist, denn sowohl die Grüne als auch die Sozialdemokratische Oppositionspartei hat durch ihre Erstredner klar zum Ausdruck gebracht, dass die Schaffung eines neuen Ministeriums und damit zusammenhängend eine höhere Kopfzahl dieser Bundes­regierung im Verhältnis zu jener der vorangegangenen Bundesregierung Ihre Unterstützung hat. Ich glaube, damit ist ein Schlussstrich unter die Debatte der letzten drei Tage gesetzt worden, warum denn diese Bundesregierung auf einmal größer geworden ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben den Wunsch von mehr als 50 Prozent der Wählerinnen und Wähler in Österreich ernst genommen und mit der Schaffung eines eigenen Frauenministeriums diesem Wunsch auch Rechnung getragen, was durchaus von Ihnen mitgetragen wird. (Abg. Silhavy: Selektive Wahrnehmung!)

Aber man sollte dann auch in der Öffentlichkeit die Wahrheit so tradieren, wie man sie auch hier im Hohen Hause sieht, nämlich dass die Vergrößerung der Bundesregierung durchaus auch dem Wunsch der roten und der grünen Oppositionspartei hier in diesem Hohen Hause ent­spricht und nicht ein Foul auf Kosten der österreichischen Steuerzahler ist. Ich glaube, man sollte bei der Wahrheit bleiben, wenn man der Wahrheit verbunden ist. (Beifall bei den Freiheit­lichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Professor Van der Bellen! Es kann doch nicht überraschen, dass eine Bundesregierung mit freiheitlicher Beteiligung, die sich als erste Europapartei hier im Hohen Hause immer der Subsidiarität und dem Föderalismus verschrieben hatte, auch hier in diesem Regierungsprogramm konsequenterweise wichtige Teile mit aufge­nommen hat, nämlich die Verbindungen in der Regionalisierung und der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Regionen, so wie wir Österreicher uns das wünschen und wollen und so wie es etwa in der Region Kärnten-Friaul-Julisch-Venetien-Slowenien oder in der Region Tirol heute schon erfolgreich praktiziert wird. Wir wollen dies auch in Hinkunft als Zukunftsprojekte Europas haben.

Dieses Europa wird nur dann in der Bevölkerung besser und stärker verankert sein, wenn sich die Menschen in diesem Europa wohl fühlen und wenn sich die Menschen in diesem Europa auch vertreten wissen. Es wird nicht angehen, dass zentralistische Programme umgesetzt werden, sondern es ist wichtig, dass das neue Europa auch mit den Bürgern wächst und stärker wird.

Es ist daher für Österreich besonders erfreulich, dass in der österreichischen Bevölkerung der Zuspruch dort, wo die Regionalisierung und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit so, wie wir es uns vorstellen, funktioniert, zugenommen hat, während in jenen Ländern, die auf ein zentrales und zentralistisches Europa setzen, die Zustimmung zu Europa abgenommen hat. Wer konsequent hinter Europa steht, der muss auch konsequent hinter den Wünschen der Menschen in Europa stehen und für die Vertretung dieser Menschen in diesem Sinne sein. Ich glaube, wir haben daher den richtigen Weg gewählt, nämlich den richtigen Weg, mit den Men­schen Europa zu gestalten und nicht gegen die Menschen Europa zu gestalten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Es kann auch niemanden wundern, dass jemand so wie ich, der die Wurzeln seiner Familie zwischen Triest und Zwittau und zwischen Kärnten und Südtirol hatte, immer Wert darauf gelegt hat, dass auch das Bekenntnis zu den altösterreichischen Minderheiten im Regierungspro­gramm enthalten ist. Wenn sich in der Diskussion in den letzten Tagen und Wochen die Frage gestellt hat, was denn von der Haltung der Freiheitlichen in den letzten Jahren geblieben ist, dann sage ich ganz klar: Wir mussten uns entscheiden! Wir mussten uns entscheiden, ob wir aus der Sicht der Bundesregierung mitgestalten können und die Altösterreicher diesseits und jenseits der Grenzen als Bindeglied zu unseren neuen Partnerschaften der mitteleuropäischen Staaten, der ehemaligen Kronländer der österreichisch-ungarischen Monarchie, betrachten oder ob wir weiterhin das Trennende der Geschichte in den Vordergrund stellen.

Wer hinter den Menschen steht und wer für die Menschen Politik macht, der muss die Lebens­situation, die soziale Situation und die Situation der Menschen diesseits und jenseits der Gren­zen gleichermaßen beachten, denn nur dann werden wir Migration und den Zuzug von Wirt­schaftsflüchtlingen verhindern können. Daher müssen wir dafür sorgen, dass für die Menschen jenseits der Grenzen im sozialen Gleichklang Arbeit und Beschäftigung geschaffen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Daher ist es für mich auch wichtig, dass in diesem Regierungsprogramm die Stärkung des sozialen Gefüges jenseits der Grenzen enthalten ist, etwa durch die verstärkte Einbindung der Österreich-Institute und der Österreich-Bibliotheken für die altösterreichischen Minderheiten – sie sollen sich dort, wo sie sich heute wohl fühlen, auch noch morgen und übermorgen wohl fühlen und die gleichen Menschenrechte genießen wie die Bürger in unserem Lande. Das ist ein wichtiges Anliegen dieser Bundesregierung.

Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Scheibner hat sehr viel und sehr kompetent über die Sicherheitspolitik gesprochen. Die innere Sicherheit und die äußere Sicherheit waren für uns Freiheitliche immer wichtig, und für mich als Sozialminister ist es auch wichtig, dass wir in einer Zeit, in der wir deutlich mehr als 290 000 Arbeitslose haben, alles unternehmen, um jene Men­schen, die im Inland sind – dazu gehören auch jene Gastarbeiter, die wir in das Inland geholt haben, wie etwa jene 3 800 arbeitslosen Saisoniers der heurigen Wintersaison –, wieder in Beschäftigung zu bringen und damit im Inland aber auch den Platz frei zu machen für Kon­ventionsflüchtlinge, die immer – nach Ansicht von uns Freiheitlichen – den Schutz unseres Staates haben müssen und für die wir ein Hort der Sicherheit sein werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Daher haben wir konsequenterweise nicht nur in diesem Regierungsprogramm, sondern auch in den abgelaufenen drei Jahren Regierungstätigkeit auf europäischer Ebene – so wie alle ande­ren europäischen Staaten auch – auf eine Trennung zwischen Konventionsflüchtlingen und Wirtschaftsflüchtlingen Wert gelegt: Für Konventionsflüchtlinge ist der Platz frei, und sie werden sich – im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen – darauf verlassen können, dass sie in Österreich einen sicheren Ort mit gültigen Menschenrechten haben werden.

Für die wirtschaftliche Situation wird es wichtig sein, den Arbeitslosen in Österreich Arbeit und Beschäftigung zu geben. Da haben wir gerade für die Jungen bis 25 Jahre, wo es besondere Probleme gibt, aber auch für die älteren Menschen ab 56 Jahren in dieses Regierungspro­gramm Maßnahmen hineinreklamiert, die sowohl über Schulungen, Umschulungen, Fortbil­dungen als auch durch Entlastungen den Arbeitnehmern und Betrieben, wenn sie Arbeitnehmer über 56 und über 60 Jahre anstellen, gleichermaßen Vorteile bringen.

Mit der Neueinführung des Alters-Arbeitslosengeldes werden wir aber auch sozial gesehen einem wichtigen Effekt der Altersarbeitslosigkeit entgegentreten können.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Pensionsreform für die heute unter 35-Jährigen ist ein Programm, das die österreichische Gesellschaft dringend brauchen wird. Dass wir in der vergangenen Legislaturperiode darüber hinaus mit der „Abfertigung neu“ und der Prämien-Altersvorsorge zwei Modelle geschaffen haben, um auch langfristig den jungen Menschen die


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Möglichkeit zu bieten, allfällige Einkommensverluste im Alter durch eine zweite und dritte Pen­sionssäule auszugleichen, ist und war für uns Freiheitliche nichts Neues, denn 14 europäische Staaten haben ein Pensionsmodell, das auf einer ersten, zweiten und dritten Säule basiert.

Man sollte nie vergessen, dass die Rahmenbedingungen der österreichischen Gesellschaft nicht davon existieren können, dass die Zwei-Personen-Familie plus Haustier den Generatio­nenvertrag erfüllen wird, sondern nur davon, dass Familien mit Kindern den Generationen­vertrag erfüllen werden. Daher hat das Kinderbetreuungsgeld und seine weitere Ausbaustufe in dieser Legislaturperiode für uns Freiheitliche einen besonderen Wert.

Die Regelungen im Mehrkinderbereich, die Anerkennung für Kindererziehungszeiten von 18 auf 24 Monate, die Möglichkeit und das Recht auf Teilzeitbeschäftigung bis zum siebenten Lebens­jahr oder bis zum Schuleintritt des Kindes, die Schaffung der Teil- und der Anlehre für Kinder mit Behinderungen nach neuen Modellen, die auch den behinderten Kindern einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt und zu einer eigenen sozialen Absicherung ermöglicht, sind für mich soziale Fortschritte aus freiheitlicher Sicht in diesem Regierungsprogramm. Daher, Herr Kollege Van der Bellen, bin ich Ihnen durchaus dankbar für die Frage, die Sie gestellt haben, nämlich was denn in diesem Regierungsprogramm freiheitliche Handschrift sei. – Das ist das, worauf wir Freiheit­liche Wert gelegt haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich darf nochmals daran erinnern, dass es auch im Bereich der Landesverteidigung für uns wichtig war, die äußere Sicherheit, da man eine Krisensituation nie ausschließen kann – so sehen es auch andere neutrale Staaten in der Europäischen Union –, nicht 5 Zentimeter über der Erdoberfläche enden zu lassen, sondern aus eigenem Vermögen für den Luftraum Öster­reichs entsprechende Zukunftsvorsorge zu treffen.

Es war das ein Thema, das uns innerparteilich – das ist unbestritten – riesige Probleme bereitet hat, aber ich sage auch: Wer Verantwortung für diese Republik und Verantwortung für Österreich trägt, kann es sich nicht leicht machen. Diese Verantwortung beinhaltet auch, dass wir für die Soldaten endlich ein besseres Versicherungsrecht schaffen, damit sie dann, wenn sie für Österreich und die österreichischen Sicherheitsinteressen im In- und im Ausland auftreten, den gleichen Schutz haben wie Exekutivbeamte sowie andere Bürger in Österreich auch.

Ich halte das für einen dringend notwendigen Schritt, denn einige wenige sind im Einsatz für Österreich und die nationale und internationale Sicherheit Europas zu Schaden gekommen. Sie haben es sich verdient, dass sie im sozialen Netz eines reichen Landes auch soziale Aufnahme finden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich halte auch die Schaffung einer verpflichtenden Unfallver­sicherung für einen wichtigen Meilenstein in der Weiterentwicklung des österreichischen Sozial­versicherungsrechtes. Wenn man die Unfallstatistiken betrachtet und die Tatsache, dass die Unterstützung der Verunfallten nach deren Behandlung endet und die Rehabilitation und die Rück­eingliederung in die Gesellschaft für jene, die sozial schwach sind, nicht stattfinden, dann sollte man nie vergessen, dass in der Zahl der Unfälle auch 58 000 Haushaltsunfälle beinhaltet sind, was zum überwiegenden Teil Frauen betrifft, und davon wieder zum überwiegenden Teil Frauen, die sozial nicht gut abgesichert sind.

Man kann jetzt in der Öffentlichkeit mit Drachenfliegen und anderen Extremsportarten polemi­sieren. Tatsache ist aber, dass es sich in jenen Fällen, die im Sozialministerium, nämlich in meiner Sektion für Behinderte Tag für Tag anstehen, um Heimwerker und Frauen handelt, die im Haushalt verunfallt sind und nach dem heutigen System zwar eine Krankenbehandlung bekommen, aber keine anschließende Rehabilitation und keine Wiedereingliederung in die Gesellschaft erfahren.

Ich meine daher, dass die Solidaritätsabgabe von 0,1 Prozent ein wichtiger Beitrag dazu ist, einen sozialen Schlussstrich unter unser Unfallrecht zu setzen – im Interesse gerade der sozial schwachen Schichten, die sich keine Freizeit- und keine Unfallversicherung leisten können, und


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im Interesse jener Menschen, die in diesem unserem Staat bis heute im Schatten des Sozial­systems gelebt haben.

Ich weiß, dass man in der Öffentlichkeit alles madig machen kann, so etwa die Diskussion um unser Gesundheitssystem, aber ich möchte Folgendes sagen:

Ich habe es in all den Jahren seit 1986, als ich hier im Parlament zum ersten Mal angelobt worden bin, bis zum heutigen Tage nicht erlebt, dass von Seiten der Grünen oder von Seiten der Sozialdemokratie das Sozialversicherungssystem der Österreichischen Bundesbahnen als unsozial betrachtet worden wäre. Es wäre ja auch illusorisch gewesen, dass sich gerade deren Kernwählerschichten in einem unsozialen Sozialversicherungssystem bewegt hätten. Ich darf den Österreicherinnen und Österreichern vor Augen führen, dass in diesem System heute immer noch generell 14 Prozent Selbstbehalt beziehungsweise 20 Prozent Selbstbehalt bei psychosomatischen und psychologischen Leistungen gelten.

Wenn man bedenkt, dass der Gang in die Frühpension heute schon lange nicht mehr auf Grund einer Verunfallung am Arbeitsplatz, sondern auf Grund des psychischen Stresses und der Nichtbewältigung von psychischen und psychosomatischen Problemen erfolgt, so kann man sagen, es kann in Österreich mit der Gesundheit der Bevölkerung nur aufwärts gehen, wenn diese Leistungen endlich österreichweit bezahlt werden und nicht nur von vier Sozialversiche­rungsanstalten honoriert werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die ASVGler mit ihrer erschreckend hohen Zahl des Zugangs zur Frühpension auf Grund psychischer und psychosomatischer Erkrankungen haben das gleiche Recht wie alle anderen Bevölkerungsschichten, endlich eine Versorgung durch das gute österreichische Krankenversicherungssystem zu erhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, Sie haben noch eine eiserne Reserve von 2 Minuten, weil die Uhr wunschgemäß auf 18 Minuten gestellt war. – Bitte, setzen Sie Ihre Aus­führungen fort!


Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Vizekanzler Mag. Herbert Haupt (fortsetzend): Danke für die Aufklärung, Herr Präsident. – Ich darf die letzten zwei Minuten dazu nutzen, etwas zu sagen, das mir persönlich als Tierarzt und als Tierschützer eine besondere Freude macht, nämlich dass in diesem Regierungsübereinkommen endlich auch ein bundes­weites Tierschutzgesetz verankert ist. Herr Kollege Gusenbauer und auch Sie, Herr Dr. Van der Bellen, werden mir Recht geben: Das hat es in den vorangegangenen Regierungserklärungen nicht gegeben. Das ist vielleicht zumindest für die 860 000 Österreicherinnen und Österreicher, die sich offiziell für das Volksbegehren eingesetzt haben, ein wichtiger Schritt für die Zukunft dieses Landes. (Abg. Brosz: Wir werden schauen, was drinsteht! – Abg. Öllinger: Schauen wir uns das Ergebnis an!)

Angesichts der Tatsache, dass in Österreich alle darüber diskutieren, dass die Behandlung von Volksbegehren und Bürgerinitiativen nicht nach dem Ende einer Legislaturperiode auslaufen sollen, ist es auch wichtig, dass diese Bundesregierung eine Änderung dieser bisherigen Rechts­praxis der Zweiten Republik durch den Österreich-Konvent ins Auge gefasst hat. Ich bin mir sicher – nach dem, was Sie, Herr Kollege Gusenbauer, und Sie, Herr Kollege Van der Bellen, formuliert haben –, dass das auch die verfassungsmäßige Mehrheit des Österreich-Kon­vents er­halten wird: im Interesse der Weiterentwicklung unserer parlamentarischen Demokratie mit mehr Säulen der direkten Demokratie, wie wir Freiheitlichen uns das schon immer ge­wünscht haben.

Ich meine, dass wir eine Regierungstätigkeit vor uns haben, die spannende Vorhaben des Staates weiter fortschreiben wird. Wir haben im Technologiebereich bereits damit begonnen, die Forschungsquote von 1,5 Prozent auf 1,95 Prozent anzuheben (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), und wir werden mit 2,5 Prozent und 3 Prozent das verwirklichen, was alle Redner in diesem Parlament in ihrem Rede-Repertoire haben: Die Forschung von heute sind die Arbeitsplätze von morgen! Wir werden dafür sorgen, dass Österreich seinen Spitzenplatz in


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Europa und auch weltweit behalten wird – zum Wohle aller Österreicherinnen und Österreicher! (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

12.06


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Sburny zu Wort gemeldet. Ich bitte, auf § 58 GOG zu achten und die zu berichtigende Behaup­tung und den tatsächlichen Sachverhalt einander gegenüberzustellen.

12.06


Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Herr Vizekanzler Haupt hat behauptet, die Grünen würden eine Vergrößerung der Regierung gutheißen. – Das ist unrichtig!

Richtig ist vielmehr, dass die Grünen keine Vergrößerung der Regierung wollten, sondern Wert darauf gelegt hätten, dass der Frauenanteil in der Regierung steigt und nicht sinkt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.07


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Redezeit: 15 Minuten. – Bitte.

12.07


Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundeskanzler! Ein bisschen eng ist es auf der Regierungsbank geworden. Wenn da noch einer dazukommt, dann rutscht entweder Herr Staatssekretär Schweitzer oder Herr Staatssekretär Kukacka herunter. (Abg. Scheibner: Da sind schon mehr gesessen bei euch!) Viel Platz ist da nicht mehr, aber vielleicht kommen sich ÖVP und FPÖ dadurch näher. Vielleicht ist dieses Zusammenschweißen auch notwendig, denn wenn ich mir überlege, dass Sie hier einen Entschließungsantrag ein­bringen, dass Sie das gesamte Regierungsprogramm als Entschließungsantrag präsentieren müssen, so heißt das für mich, es besteht gegenseitig kein Vertrauen. Das ist fast so, als ginge man durch die Reihen der FPÖ- und ÖVP-Abgeordneten und ließe jeden Einzelnen persönlich unterschreiben, damit sie zu diesem Regierungsabkommen stehen.

Wie umstritten muss dieses Regierungsabkommen zwischen den beiden Regierungsparteien und innerhalb dieser Regierungsparteien gewesen sein und noch immer sein, dass Sie heute diesen Entschließungsantrag quasi als Disziplinierungsantrag einbringen müssen, damit das ja wirklich funktioniert? (Die Abgeordneten Mag. Molterer und Dr. Stummvoll: Ein schwacher Einstieg!) Hier disziplinieren, dort oben – bedingt durch die Enge – kuscheln, damit man sich näher kommt, das ist sozusagen das Motto, nach dem Sie hoffen, dass der – wie Van der Bellen richtig sagt – alte Kahn doch noch drei Jahre auf den Meeren schippert. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Da lohnt es sich doch, einen kurzen Blick in die Regierungserklärung von Bundeskanzler Schüssel vom 9. Feber 2000 zu werfen, denn da hat er noch ganz stolz gesagt: „Wir haben ein Ministerium weniger. Jeder Staatssekretär bekommt einen Verantwortungsbereich“ – das muss neu gewesen sein –; „für den Tourismus ist erstmals ein eigener Staatssekretär zuständig, was nicht unterschätzt werden darf.“

Jetzt ist der Tourismus-Staatssekretär verschwunden; er ist doch unterschätzt worden, wenn ich mir das so anschaue. (Beifall bei der SPÖ.) Aber es gibt sehr viele Staatssekretäre. Ich habe mich gefragt: Wozu gibt es so viele Staatssekretäre? Ich habe nachgedacht und nachgedacht, und dann fiel mir der „Standard“ vom 1. März in die Hand, wo Gerfried Sperl schreibt: „Staats­sekretäre als Aufpasser, damit die Kontrolle passt“. – Das ist der zweite Teil in Sachen Ver­trauen: überall noch einen Staatssekretär hinsetzen.

Gerfried Sperl geht noch weiter und sagt, diese Art der Besetzungspolitik der Regierung werde auch noch deswegen gemacht, damit man Rivalen nach Wien schickt. Ich weiß nicht, wer da jetzt ein Rivale ist, von wem auch immer in der Regierung. Die Aufpasser haben wir schon. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Vielleicht stimmt das doch nicht, was im „Standard“ steht! Könnte ja sein!)


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Der dritte Teil ist die familiäre Bindung. In Familienangelegenheiten mische ich mich nicht ein; das steht mir nicht zu. Wenn hier Schwestern und Neffen mobilisiert werden, so will ich mich nicht einmischen. Das ist aber wahrscheinlich ein zusätzlicher Kitt: die Erweiterung des konser­vativen Familienbegriffs übertragen auf die Regierung, damit sie jetzt wirklich auf allen Seiten abgesichert ist und durchhält. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Ich glaube, es ist eine große Chance für Österreich vertan worden. Es hätte eine stabile Regierung geben können, es hätte eine reformbereite und reformfähige Regierung geben können (Abg. Steibl: Und das sagt der Cap!), und es hätte eine Regierung mit Gewicht in der Europäischen Union geben können. – Das war unser Projekt, unser Vor­schlag, und wir sind dem in manchen Punkten durchaus – so wie sich das bei den Grünen auch ergeben hat – nahe gekommen. In vielen Punkten hat es aber wirklich Dissens gegeben, und wir haben dann im Laufe der Verhandlungen den Eindruck gewonnen, dass es gar nicht wirklich das Ziel war, dass es Konsens gibt.

Als ich daran dachte, fiel mir plötzlich das „profil“ in die Hand. Herbert Lackner schrieb am 3. März zu Recht:

„Man muss also davon ausgehen – und so sehen das heute auch enge Mitstreiter Schüssels“; ich nehme an Molterer und wie sie alle heißen – „,dass er die Gespräche mit SPÖ und Grünen auf Scheitern anlegte.“ (Abg. Dr. Partik-Pablé: Der hat schon oft etwas Falsches geschrieben, der Herr Lackner!) – Dadurch wurden Sie von der FPÖ die dritte Wahl; das ist aber Ihr Problem, mit dem Sie fertig werden müssen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Glauben Sie doch nicht alles, was Ihnen die Journalisten vorschreiben!)

Hätten wir hier jetzt mehr Zeit, könnten wir minutiös nachweisen: Faktum ist, dass die Ge­spräche auf Scheitern angelegt waren. Einer der Hauptpunkte war das Beharren auf die be­rühmten Eurofighter, auf die größte Rüstungsausgabe. 2 Milliarden € sollten da aus dem Fenster geworfen werden. Das war aber nur einer von vielen Punkten.

Weitere Punkte: Abschaffung der Frühpensionen, wodurch möglicherweise bis zu 100 000, 120 000 ältere Menschen in die Arbeitslosigkeit getrieben worden wären.

Selbstbehalt. – Sozial ungerecht in der Form, wie Sie das vorgeschlagen haben! (Abg. Scheib­ner: Das ist ja jetzt weg, Herr Kollege Cap! – Abg. Mag. Molterer: Kollege Bittner sagt heute etwas anderes, habe ich gelesen!) Ich bin gespannt, wie Sie das dann mit dem „kleinen Mann“ in Klagenfurt diskutieren, wenn er sagt, das entspreche nicht ganz den Vorstellungen. Aber das werden Sie selbst mit ihm ausmachen müssen.

Ich sage Ihnen nur Folgendes: Es sind sehr viele unsoziale Momente enthalten und sind auch in den Gesprächen und Verhandlungen enthalten gewesen, weshalb wir der Auffassung waren: Das sichert nicht den Wirtschaftsstandort Österreich, das gibt keine Impulse für die österreichi­schen Unternehmungen! Das waren aber ganz wesentliche Aspekte, wie zum Beispiel auch die Frage einer Steuersenkung, einer Steuerreform. Es ist ja noch immer eine Chuzpe – wie man im Volksmund sagt –, wenn Sie sagen, die Steuerreform – ein Reförmchen! – wird im Jahr 2004 erfolgen, und dann kommt wieder ein bisschen etwas Größeres im Jahr 2005.

So wird vertröstet, vertröstet, vertröstet, bis der Aufschwung kommt und man wieder eine pro­zyklische Maßnahme setzen kann. Jetzt, wo es notwendig wäre, antizyklische Maßnahmen zu setzen, als Staat zu intervenieren, wirklich Nachfrage zu schaffen, die Wirtschaft in Bewegung zu bringen, das Wachstum in Bewegung zu bringen, jetzt wird gespart; auf Teufel komm raus wird gespart und belastet!

An dieser Stelle wieder ein interessanter Satz des Herrn Bundeskanzlers aus der Regierungs­erklärung vom 9. Feber 2000, wo er sich selbst fast kritisierend oder fast geißelnd gesagt hat: „Der Steuerzahler darf nie mehr belastet werden.“ – Nie mehr, hat er gesagt! Nie mehr! Das hat er dann drei Jahre lang täglich gebrochen, aber damals hat er es in dieser fast apodiktischen Form gesagt: Es darf nie mehr so sein!


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Wir haben mittlerweile die höchste Steuer- und Abgabenquote. Viele der heutigen Zuseherin­nen und Zuseher werden, wenn sie in ihr Geldbörsel schauen, merken: Da fehlt schon wieder etwas! Ich kann Ihnen sagen, wo die Verantwortlichen dafür sind. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Strasser.) – Der ist jetzt im Moment nicht da, er geht Geld zählen, nämlich das, was in den Geldbörseln fehlt (Beifall bei der SPÖ und den Grünen), aber sonst sind im Prinzip alle da, die dafür verantwortlich sind.

Es geht weiter. Mineralölsteuer: Das Heizen wird teurer, Autofahren wird teurer.

Ob man krank wird, muss man sich ab 2004 überlegen. Jetzt kann man noch schnell krank wer­den, dann wird es schwierig, denn dann muss man einen Selbstbehalt beim Arzt oder wo auch immer zahlen. (Abg. Scheibner: Das ist aber wirklich ein bisschen tief!) – Sie hätten sich bei den Koalitionsverhandlungen aufregen sollen, jetzt ist es zu spät (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen), Sie werden nämlich gleich Ihre Zustimmung zum Entschließungsantrag geben.

Die Belastungen gehen weiter! Es geht weiter, und wenn es so weitergeht, gibt es auch 13 Mil­liarden € Konsolidierungsbedarf. Das muss aber irgendwoher kommen.

Wie wollen Sie übrigens Ihre Steuerreformen, die Sie angekündigt haben, finanzieren? Ich habe gehört: Verwaltungsreform! Das ist der Dreierschritt, den es da immer gibt: Verwaltungsreform, Schwarzarbeit und das Christkind. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Das ist in Wirklichkeit nie zustande gekommen. Thema Schwarzarbeit – das höre ich schon seit Jahren, dass das angegangen wird; ich hoffe, es gelingt endlich einmal. Es wäre total wichtig, nur gemacht haben Sie nichts. – Das wird alles auf uns zukommen.

Wie war das heute nach der Rede des Bundeskanzlers? – Im Unterschied zum 9. Februar 2000 herrschte gedrückte Stimmung. Teilweise gibt es einige Abgeordnete, die diese Regierungs­koalition ohnehin nicht wollen, sowohl bei der ÖVP als auch bei der FPÖ. Manche wollen über­haupt in Opposition bleiben oder gar nicht mehr ins Haus kommen. Es gibt verschiedene Stand­punkte und Positionen dazu. Erinnern wir uns doch alle, die das damals am 9. Februar 2000 erlebt haben: Jubel, Standing Ovations, Blumen, Händedruck, Umarmungen, beinahe ein Bussi hat es gegeben. (Beifall bei der SPÖ.) Was war das damals für eine Stimmung! Und heute? – Verhalten, ernst, Pflichtlektüre, Pflichtapplaus. Da fehlt alles, da ist der Dampf draußen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sollen sich der Haupt und der Schüssel abbusseln?)

Man merkt es auch: Es fehlt doch die Reformbereitschaft. Eine Überschriftensammlung ist die Regierungserklärung. Das kommt mir vor wie bei einer Autobusstation. Es steht nur oben: Hier fährt ein Autobus!, aber es steht nicht dabei, wann er kommt, wohin er fährt, ob er groß genug ist, ob er vier Räder hat. Das ist vielleicht gar nicht so unwichtig bei dieser Regierung. Hat der Autobus überhaupt vier Räder? ist zum Beispiel zu fragen. – Nichts, eine Ansammlung von Überschriften, „Neusprech“ wie man so schön sagt.

Herr Staatssekretär Morak! Ein neues Stück ist angesagt im Burgtheater. Es heißt nicht mehr „Warten auf Godot“, es heißt „Warten auf die Ernte“. Mitspielen können Herbert Haupt, Wolf­gang Schüssel, Karl-Heinz Grasser. Immer wieder höre ich nämlich: Und dann kommt der Tag der Ernte. – Nicht morgen, nicht übermorgen, aber er kommt. Wir hören ihn schon, wie er kommt, der Tag der Ernte. Er kommt immer näher. Fangen Sie wenigstens einmal im Burg­theater damit an, dass man es studieren kann, dass man es sehen kann! Soweit ich mich erin­nern kann, ist Godot auch nie gekommen, oder täusche ich mich da? (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) – Das wäre zumindest eine Ansage.

Was meinen wir mit Mutlosigkeit? Es ist auch die heutige Regierungserklärung ein Manifest der Mutlosigkeit. Traurig eigentlich, aber wahr. Ein Manifest der Mutlosigkeit und ein Manifest der Flucht aus der Verantwortung. Selbstbehalt – das soll die Sozialversicherung machen; Laden­schluss – das sollen die Landeshauptleute machen; Pensionen – das soll sich jeder selber regeln. Natürlich gibt es ein Risiko auf der Börse, unangenehm, aber das Leben ist nun einmal ein Risiko, also sichert euch die Pensionen. Zweite, dritte Säule, die Aktienkurse werden rauf-


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gehen, werden runtergehen – Pech, aber das werden wir schon sehen. Ungefähr so läuft das. Oder: Industriepolitik. Man könnte überhaupt alles verkaufen, dann brauchte man keine In­dustriepolitik mehr zu machen. Das wäre das Allereinfachste.

So geht das. Es wird alles weggeschoben, keine Verantwortung übernommen!

Diese Regierung hat sich heute schon vorgenommen, verantwortungsscheu zu sein. Heute schon! Sie hat gesagt, wir treten an, um keine Verantwortung zu übernehmen. Keine Verant­wortung! Manche Ausführungen heute habe ich ein bisschen wie das Pfeifen im Wald emp­funden. Die Rede des Abgeordneten und Klubobmannes Molterer war ja teilweise eine poli­tische Selbsthypnose. Seien Sie mir nicht böse (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ), aber Sie haben permanent gesagt: Wir sind mutig, wir sind zukunftsorientiert. – Wenn in einem Pro­gramm einer Regierung ununterbrochen das Wort „Zukunft“ steht, dann hat diese Regierung eigentlich keine Zukunft. Sie glaubt auch nicht an ihre eigene Regierungszukunft, sonst hätte sie nicht so ein schlechtes Gewissen und würde nicht ständig dieses Wort hineinschreiben.

Herr Klubobmann Molterer! Ich nehme an, dass Sie natürlich alles, was Ihr Parteiobmann sagt, schreibt und liest, ganz genau lesen. Das ist ja die Voraussetzung eines engen Mitstreiters. Sie haben heute gesagt, wir befinden uns in schwierigen Zeiten. – Schwups, da habe ich mir gedacht, ich schaue gleich wieder nach, was Bundeskanzler Schüssel am 9. Feber 2000 in seiner ersten Regierungserklärung gesagt hat. Damals war es anders. Da steht:

„Es gab noch nie so gute Voraussetzungen für unser Land. Wir sind wirtschaftlich stark und wohlhabend. Die Demokratie steht auf einem festen Fundament, und wir können den Bürgerin­nen und Bürgern eine hohe soziale Sicherheit anbieten.“

„Unsere Arbeitslosenrate sinkt und zählt zu den niedrigsten in ganz Europa.“ (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Es freut mich, dass Sie der rot-schwarzen Koali­tion noch einmal mit Applaus gedacht haben, denn das war nämlich das Resümee jener Zeit, als diese Regierung agiert hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Bitte nehmen Sie alle jetzt Ihre „Feh“-Taschentücher aus der Tasche und fangen Sie an, ein bisschen zu weinen, denn die nächsten drei Jahre haben zu der Aussage von Klubobmann Molterer geführt: Schwierige Zeiten! Gerade, dass er nicht gemeint hat: Ganz schwierige Zeiten, Jammertal, wir müssen da und dort eingreifen, wir haben diese und jene Handlungsnotwendig­keit. Er hat das aber nicht gesagt, weil die Regierung nämlich nicht vorhat, das zu tun – wie Sie uns mit Ihrem so genannten Regierungsprogramm hier gesagt haben.

Zum Schluss kommend: Warum sollte man nicht doch hin und wieder Jörg Haider zitieren? Er sagte, nachzulesen in der „Presse“: „ÖVP schwelgt im Machtrausch“. – Ich weiß, was war. Es hat deswegen keine Koalition mit den Sozialdemokraten gegeben, weil man jetzt neue ÖVP-Minister berufen konnte. Und das war wichtiger, neue Posten zu besorgen, wichtiger als die Zusammenarbeit im Interesse Österreichs! In diesem Fall war das ÖVP-, das Partei- und das personalpolitische Interesse wichtiger.

Wissen Sie, was mich noch interessiert? – Ich habe eben in der „Presse“ die Seite gesehen, auf der steht: „Haider: ,ÖVP schwelgt im Machtrausch‘“, und auf dieser heißt es dann weiter unten: „Pröll wettert über ,Stillstand‘ im Bund“. – Ich bin das letzte Mal vom Bundeskanzler kritisiert worden, weil ich gesagt habe, dass es im Bund einen Stillstand gibt. Ich habe gar nicht gewusst, dass Landeshauptmann Pröll das dann von mir übernimmt – aber er hat es übernommen, warum auch nicht? (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es beschwert sich also Landeshauptmann Pröll über „Packelei und Taktiererei“! – Es war Packelei dabei, als Sie die Regierung gebildet haben? Was ist da vorgegangen?

Allerdings muss ich gleich auch dazusagen, damit man nicht meint, ich hätte Landeshauptmann Pröll positiv zitiert (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel): Ein bisschen ein Papiertiger scheint er mir schon zu sein, denn verhindert hat er Schwarz-Blau nicht – also hat er anscheinend kein besonderes Gewicht und kann sich daher eigentlich diese Wortmeldungen –


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es ist fast in Ihrem Interesse, wenn ich das sage – in Zukunft sparen. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Er kritisiert – es passiert aber nichts, und somit gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder es war ein Doppelspiel von ihm, und er schweigt und kommt nicht mehr, weil sein Neffe hier sitzt, oder aber er kann sich nicht durchsetzen und zählt in der ÖVP nichts. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und Beifall bei den Grünen.)

12.22


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Gleiche Redezeit. – Bitte. (Abg. Mag. Molterer: Jetzt werden wir den Unter­schied sehen!)

12.23


Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Die Rednerliste will es so, dass ich heute schon wieder unmittelbar nach Josef Cap zu Wort komme. Das letzte Mal habe ich bedauert, dass seine Rede nicht im Fernsehen übertragen wurde, heute bin ich dem ORF für die Live-Übertragung dankbar. (Abg. Nürnberger: Das sind wieder 2 Prozent für uns!)

Herr Kollege Cap! Die Wählerinnen und Wähler können sich ein Bild darüber machen, was der Klubobmann der SPÖ unter Politik versteht: Karikatur, Klamauk und Kabarett – das Gegenteil von Regierungspolitik, Herr Kollege Cap! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber ich möchte es damit schon bei meinem Vorredner bewenden lassen und auf die Regie­rungserklärung des Herrn Bundeskanzlers eingehen.

Meine Damen und Herren! Diese Regierungserklärung mit dieser mutigen, couragierten, verant­wortungsbewussten Perspektive bis 2006 fällt in eine Zeit, über die man sagen muss: Sie ist für die Wirtschaft, aber auch für die Politik so schwierig wie noch selten eine Zeit seit der Wieder­aufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg. (Zwischenrufe der Abgeordneten Silhavy und Grad­wohl.)

Wir haben die großen weltweiten Megatrends, die Neugestaltung Europas, die Tatsache, dass das investive Kapital, das in Arbeitsplätze investiert wird, so mobil ist wie noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte, und drittens einen technischen Fortschritt, dessen Tempo atembe­raubend ist. All das stellt unglaubliche Herausforderungen an die Politik, und wie rasch hier eine Politik scheitern kann, sieht man am Beispiel von Rot-Grün in Deutschland. (Abg. Dr. Petrovic: Eher an Schwarz-Blau!) Der einstige Konjunkturmotor in Europa, Wirtschaftsmacht Nummer eins, wurde durch eine verfehlte rot-grüne Politik hinuntergeführt. 4 Millionen Arbeitslose, explo­dierende Budgetdefizite, eine hohe Steuerbelastung – das ist rot-grüne Politik, meine Damen und Herren!

Ich weiß es nicht, ich war bei den Verhandlungen nicht dabei, die Verhandlungen haben sicher­lich auch sehr viel Positives gebracht – gegenseitiges Verständnis, Wertschätzung für die Posi­tion des anderen; ich habe auch keine tiefenpsychologische Studie gemacht –, aber ich könnte mir vorstellen, dass sowohl bei Rot als auch bei Grün das abschreckende Beispiel von Rot-Grün in Deutschland – vielleicht nur im Unterbewusstsein – der Grund dafür war, zu sagen: Es ist gescheiter, wir bleiben doch in Opposition! – Das mag sein, aber ich bin kein Tiefen­psychologe, meine Damen und Herren!

Ich möchte Folgendes sagen: Diese großen Herausforderungen wie eben auch die Neugestal­tung Europas sind natürlich eine riesige Chance, wie der Herr Bundeskanzler gesagt hat, selbstverständlich aber auch eine Herausforderung für die Politik. Als Vertreter einer grenz­nahen Region sage ich: Natürlich sehen das auch meine Wählerinnen und Wähler im Wald­viertel als Chance – Gott sei Dank! – und nicht als Bedrohung, aber sie erwarten auch, dass die Infrastruktur in dieser Region entsprechend ausgebaut wird. Es macht nämlich einen Unter­schied, ob eine Region ein halbes Jahrhundert lang mit dem Rücken am Eisernen Vorhang


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streift oder plötzlich im Herzen Europas liegt. – Das ist eine riesige Chance, aber auch eine Herausforderung für die Politik, die Infrastruktur entsprechend auszubauen.

Das unglaubliche Tempo des technischen Fortschrittes – eine unglaubliche Herausforderung für die Politik. Schauen wir uns an, wie rasch sich die Arbeitswelt durch den technischen Fortschritt verändert!

Wenn heute eine Frau nach der Geburt ihres Kindes in Karenzurlaub geht und nach zwei Jahren zurückkehrt, schaut die Arbeitswelt allein durch den technischen Fortschritt schon ganz anders aus. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Ich bin daher sehr froh darüber, Frau Kollegin, dass diese Regierung unter dem Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein ganz bewusst einen Schwerpunkt in Richtung Qualifika­tionserneuerung setzt. Es ist dies ein dringendes nationales Anliegen, damit die Betroffenen allein den technischen Fortschritt in der Arbeitswelt bewältigen können. Herr Wirtschafts- und Arbeitsminister, herzlichen Dank für deinen kraftvollen Einsatz für diese Offensive in der Qualifi­kation! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die hohe Mobilität des investiven Kapitals, das in Arbeitsplätze geht, erfordert eine enorm attraktive Standortpolitik – Wirtschaftspolitik ist heute Standortpolitik. Und der Kurs dieser Regierung ist richtig, er stimmt, meine Damen und Herren! Dem Wirtschaftsstandort wurde hohe Priorität eingeräumt.

Ich habe mir in der Rede des Kanzlers zwei Sätze unterstrichen, sie sollten Merksätze auch für die Opposition sein, und zwar: „Wirtschaft schafft Arbeit“ und „... sozial ist, was Arbeit schafft“. – Beide Sätze sind goldrichtig, meine Damen und Herren! Daher ist diese Politik des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Vizekanzlers mit ihrer Regierungsmannschaft richtig, nämlich zu sagen: Wir müssen den Wirtschaftsstandort Österreich stärken. – Wir haben gute Vorausset­zungen, wir haben in den letzten drei Jahren unser Ranking beachtlich verbessert, aber ein Schwerpunkt muss sein: Standortpolitik im Sinne von Arbeitsplätzen, Einkommenschancen und sozialer Sicherheit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Öllin­ger: Er war auch schon einmal besser!)

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Öllinger! Ich kann verstehen, dass angesichts dieser gewaltigen Herausforderungen das Abwägen zwischen Regierungspolitik und Oppositionspolitik bei manchen die Neigung sehr verstärkt hat, lieber in Opposition zu bleiben. Da kann man gescheit reden, da kann man fordern, da kann man kritisieren, da kann man protestieren. Regierungsverantwortung zu übernehmen ist etwas ganz anderes. (Abg. Öllinger: Warum?)

Es ist kein Zufall, dass der Herr Bundeskanzler heute gesagt hat: Für die Zukunft brauchen wir Verantwortung. – Wir verstehen Politik als Zukunftsgestaltung, Sie verstehen Politik – manchmal zumindest – als Tageshickhack, Herr Kollege Öllinger, und das ist nicht unser Ver­ständnis von Politik. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Öllin­ger: Auf Ihr Verständnis hätten wir gern verzichtet!)

Ich habe gesagt, dass der Kurs dieser Regierung in die richtige Richtung geht. Es ist dies ein Kurs für Stabilität im Staatshaushalt, es ist dies ein Kurs für Wirtschaftswachstum und den Wirt­schaftsstandort, es ist dies ein Kurs für Sicherheit, für innere, äußere und soziale Sicherheit.

Stabilität im Staatshaushalt. – Meine Damen und Herren! Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, Vizekanzler Herbert Haupt und der unabhängige Finanzminister Karl-Heinz Grasser stehen für Seriosität, Solidität und Vertrauenswürdigkeit der Finanz- und Steuerpolitik. Und das wünsche ich mir auch als Staatsbürger: solide Staatsfinanzen, Seriosität, Vertrauenswürdigkeit. Das ist in dieser Regierungsmannschaft in guten Händen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zweiter Schwerpunkt: Wirtschaftswachstum und Standortattraktivität. – Meine Damen und Herren! Wir haben uns im Vergleich zu Deutschland in den letzten drei Jahren unter der vorigen Bundesregierung hervorragend wirtschaftlich entwickelt, besonders angesichts der Tatsache,


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dass wir weltweit eine Konjunkturdelle erleben. (Abg. Öllinger: Wo denn?) Die Konjunkturpro­gramme, die hier beschlossen worden sind, waren ein richtiges Gegensteuern zu dieser Kon­junkturflaute. Wenn wir in den letzten zwei Jahren – etwa in der Exportwirtschaft – zwei Meilen­steine erreicht haben, dann ist das natürlich in hohem Ausmaß ein Verdienst der Exportbetriebe und ihrer tüchtigen Mitarbeiter, aber auch der Rahmenbedingungen, die die Vorgängerin dieser Regierung geschaffen hat.

Erster Meilenstein: 2001 – damals hat man noch in Schilling gerechnet – gab es erstmals die Durchbrechung der Schallmauer von 1 000 Milliarden Schilling an Exportvolumen. Wissen Sie, was 1 000 Milliarden Schilling Export heißt? Das heißt eine Million Arbeitsplätze. In Österreich hängt jeder zweite Arbeitsplatz direkt oder indirekt vom Export und vom Tourismus ab.

Zweiter Meilenstein: Wir haben im Vorjahr erstmals – noch vor einigen Jahren war das unvor­stellbar“ – einen Überschuss in der Handelsbilanz erzielt. Es gab mehr Exporte als Importe. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir haben unter dieser Bundesregierung vor allem auch die Chancen der Märkte in Mittel- und Osteuropa entsprechend nützen können, weil diese Regie­rung immer sehr positive Signale ausgesendet hat. Europa ist eine Chance!, wurde erst heute wieder in der Rede des Herrn Bundeskanzlers betont. Allein seit 1990 ist der Anteil der Exporte nach Mittel- und Osteuropa von 10 Prozent auf 17 Prozent des Volumens gestiegen. Und das Potential liegt wahrscheinlich bei weit über 20 Prozent.

Dazu braucht man Vertrauen in die Rahmenbedingungen und Vertrauen auch in die Bundes­regierung. Meine Damen und Herren! Die Betriebe haben Vertrauen in diese Bundesregierung! Das hat man anhand dieser beiden wirklich enormen Erfolge, die vor allem die Exportwirtschaft in den letzten Jahren zu verzeichnen hatte, sehr deutlich gesehen. Ich sage es noch einmal: Wäre im Vorjahr das Exportvolumen nicht um 4 Prozent gestiegen, dann hätten wir überhaupt kein Wirtschaftswachstum erzielt.

Ich komme zum Abschluss. Ich möchte sagen, diese Regierung – und das gefällt mir als Wirt­schaftspolitiker – hat in der Perspektive bis 2006 wirtschaftspolitisch ein, ich würde fast sagen, strategisches Dreieck in diesem Regierungsprogramm.

Erstens: Stabilität der Staatsfinanzen als vorrangiges Ziel.

Herr Kollege Gusenbauer! – Er ist nicht mehr da, er passt nicht mehr auf. – Das Nulldefizit wurde nicht aufgegeben. Nulldefizit, so haben wir es immer definiert – ich selbst hier wiederholt vom Rednerpult aus –, heißt: ein ausgeglichener Staatshaushalt über den Konjunkturzyklus. Das gilt nach wie vor, und das bedeutet: hohe Solidität, Seriosität, Vertrauenswürdigkeit.

Zweitens: Entlastung der Bürger und der Betriebe.

Sie haben es gehört: Die größte Steuerre­form, die größte Steuerentlastung in der Geschichte der Zweiten Republik hat sich diese Regie­rung vorgenommen. Meine Damen und Herren! Schon allein deshalb bin ich ein Anhänger dieser Regierung, denn ich bin schon seit vielen Jahren der Auffassung, mehr Geld sollte in der Hand des Bürgers und weniger Geld in der Hand des Staates sein. (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.) Diese Regierung ist drauf und dran, diesen Grundsatz zu realisieren, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen. – Abg. Gradwohl: Seit drei Jahren nicht umgesetzt! Null umgesetzt!)

Dritter Schwerpunkt dieses Dreiecks: Investitionen in die Zukunft.

Meine Damen und Herren! Dieses Regierungsprogramm enthält sehr konkrete und präzise Aussagen: Steigerung der For­schungsquote auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Es enthält die Zusage einer weiteren Exportoffensive gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Österreich. (Abg. Gradwohl: Null umgesetzt!) Meine Damen und Herren! Das ist Politik als Zukunftsgestaltung – anstelle dema­gogischer Zwischenrufe, Herr Kollege! Es ist zu wenig, immer nur zu kritisieren, zu fordern und zu protestieren, sondern es gilt, Verantwortung für die Zukunft des Landes zu tragen.


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Damit schafft diese Bundesregierung auch die Voraussetzungen dafür, dass dieser Grundsatz des Herrn Bundeskanzlers – sozial ist, was Arbeit schafft – entsprechend umgesetzt werden kann. Sozial ist heute nicht derjenige, der den Menschen sagt, es könne ohnedies alles so bleiben, wie es ist, sondern sozial handelt derjenige, der aufzeigt, wie die Pensionen langfristig gesichert werden können, auch wenn das vielleicht da oder dort im ersten Augenblick gar nicht populär sein mag. Die Zeit der Pensionistenbriefe, wie sie ein früherer Bundeskanzler geschrie­ben hat, ist Gott sei Dank vorbei. Wir sagen den Menschen die Wahrheit, und die Menschen verstehen diese Wahrheit!

Die Menschen sind viel klüger, als manche Politiker glauben. Und ich schaue bewusst jetzt in Ihre Richtung, meine Damen und Herren von der SPÖ. Der Durchschnittsbürger ist viel vernünf­tiger, als manche glauben.

Zusammenfassend kann ich sagen, ich bin überzeugt davon, dass die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes bei dieser Regierung, bei diesem Regierungsprogramm und bei dieser Regie­rungsmannschaft in guten Händen sind. Ich bin froh, dass diese Regierung die volle Unterstüt­zung der Mehrheit dieses Parlaments hat. Es ist der klare Auftrag des Wählers (Abg. Dr. Petro­vic: Auch der Wählerin?) gewesen, dass Wolfgang Schüssel Bundeskanzler bleiben soll und dass der Reformkurs der letzten drei Jahre fortgesetzt werden soll.

Es hat sich auch herausgestellt, wer der Partner ist, der den Mut zu diesen Reformen hat: Es ist die Freiheitliche Partei. Ich freue mich auf die Kooperation, Herr Klubobmann Scheibner, auf die nächsten Jahre, und ich bin froh, dabei sein zu können, wenn wir unter dieser Bundesregierung die Zukunft dieses Landes so gestalten können, wie es heute der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung dargelegt hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.36


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

12.36


Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Mitglieder der vergrößerten österreichischen Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und daheim an den Fernsehgeräten! (Abg. Mag. Mainoni: Wird das jetzt eine Belangsendung?)

Ich möchte mich mit den vorangehenden Debattenbeiträgen vor allem unter drei Aspekten auseinander setzen, nämlich: Wie sieht es mit dem Umweltschutz in diesem Regierungsab­kommen aus? Wie sieht es mit der sozialen Gerechtigkeit, insbesondere mit der Situation der Frauen, aus? Und: Was wurde heute und hier zum Kapitel Sicherheit gesagt?

Ich möchte in aller Kürze darauf eingehen und werde dabei versuchen, das zu betonen, was zwischen den Zeilen mitgeschwungen ist. Jene, die schon länger in der Politik sind, konnten vielleicht etwas genauer heraushören, was hinter den salbungsvollen Worten in Wirklichkeit mit­geschwungen ist.

Zum einen wurde erklärt, es seien bei dieser Wahl klare Signale der Bevölkerung abgegeben worden. – Wenn es bei dieser Wahl irgendein klares Signal gegeben hat, dann war es das, dass die FPÖ als Regierungspartei abgewählt wurde. (Beifall bei den Grünen.)

Aber der Herr Bundeskanzler und die Regierungsmitglieder scheinen das, was die Wählerinnen und Wähler signalisiert haben, irgendwie anders zu deuten. Die Reduzierung einer Partei um zwei Drittel hat es in der innenpolitischen Geschichte Österreichs noch nie gegeben. Das hatte einen Grund, aber Sie setzen sich darüber hinweg – sagen wir es doch im Klartext. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Es hat aber auch keine Partei 40 Jahre lang nur gewonnen, Frau Kollegin!)

Nun zum Punkt Umweltpolitik. Herr Bundeskanzler! Sie haben ganz zu Beginn Ihrer Ausführun­gen gesagt – ein Zitat aus unserem Nachbarland aufgreifend, aber Ihrer Meinung nach auch auf Österreich anwendbar –:


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„In einem Land (...), in dem jeder Zentimeter des Status quo mit wehrhaften Interessenvertre­tungen besetzt ist ...“.

Nein, Herr Bundeskanzler! Das ist nicht so. Da kann man sagen, leider oder Gott sei Dank, aber es ist nicht so. Es gibt Interessen, vor allem die Interessen der Umwelt oder, wenn Sie so wollen, die Interessen künftiger Generationen, die eben keinen gleich guten Schutz haben wie die etablierten Interessen von Wirtschaftsmärkten.

Was haben Sie dazu gesagt? – Hier meine Übersetzung in das, was es wirklich heißt: Sie wollten keine Insellösungen, was das Wasser, die Luft, die Lebensmittelqualität betrifft, sondern europäische Lösungen. Im Klartext: ... (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Ich habe gesagt, es ist notwendig, europäische Lösungen zu finden!) – Sie sagen, es ist notwendig. Ich sage, es ginge auch anders, und die Grünen sagen, es ginge vieles ganz anders, und es wäre besser, würden wir es anders machen.

Herr Bundeskanzler! Keine Insellösungen und auf europäische Richtlinien warten, das heißt ... (Abg. Mag. Molterer: Wie wollen wir aus der Atomenergie aussteigen?) – Nein, nein, niemand will aus der EU aussteigen, oder wir wollen es jedenfalls nicht. (Abg. Mag. Molterer: Nicht aus der EU, aus der Atomenergie!) Aber es geht um die Frage, ob Österreich eine Vorreiterrolle einnimmt oder nicht, ob wir zum Beispiel, und das könnten wir durchaus, eine gentechnikfreie Zone – und zwar ganz Österreich – bleiben oder nicht. (Beifall bei den Grünen.)

Es wird sehr nebulos über Transitlösungen gesprochen, etwas Konkretes steht da nicht drinnen. Es heißt zum Beispiel: Regionale Belastungen durch Transit hintanhalten. – Na, wie denn? Was denn? Wie soll denn das passieren? Durch Ihr Regierungsabkommen, und indem Sie Bezug nehmen auf den Generalverkehrsplan? – Bitte, dort steht das Gegenteil! Dort ist die Nord Auto­bahn enthalten, und dort ist die neue, nicht mautpflichtige Transitstraße quer durch das Wald­viertel und das Weinviertel über den Wagram enthalten.

Das steht im Generalverkehrsplan. Nicht enthalten sind die neuen alten Bahnlinien, die es noch aus der Monarchie gibt, die aber irgendwo, ein paar Kilometer vor der Grenze enden. Diese Linien hätte man schon lange ausbauen und damit wirklich den Verkehr auf die Schiene bringen können. (Abg. Scheibner: Das können Sie im Niederösterreichischen Landtag einbringen!) Damit könnte man natürlich eine deutliche Umweltentlastung durchführen. Das könnten Sie national tun, da bräuchten Sie nicht auf Europa zu warten. Aber hier ist etwas anderes ange­strebt, und das soll man auch klar benennen. (Beifall bei den Grünen.)

Oder, Herr Bundeskanzler, zum Tierschutz. Sie haben heute von einer Koalition gegen das Tierleid gesprochen. Sie wissen, dass die Grünen in diesem Bereich immer federführend waren. Und natürlich, wenn das eine gute Koalition wird, dann werden wir mit dabei sein. Nur, ich habe da meine Zweifel, denn ich stelle mir schon die Frage, wieso Sie im April eine Enquete zu einem Thema machen, zu dem schon, ich weiß nicht, wie viele Unterausschuss-Sitzungen im Parlament stattgefunden haben, zu dem es fertig ausformulierte Anträge aus der österreichi­schen Tierschutzbewegung gibt, die hier im Haus eingebracht worden sind. Worauf warten wir denn? Warten wir vielleicht darauf, bis die Landtagswahlen in Niederösterreich und Oberöster­reich vorbei sind, damit Sie eben nicht offen legen müssen, dass eine Nivellierung auf niedri­gen Standards geplant ist? – Wenn das so ist, dann sprechen Sie es bitte offen aus, Herr Bun­deskanzler!

Meine Damen und Herren! Ich komme zum zweiten Bereich, zur Sozialthematik, an der sich, wie Sie wissen, vieles in den Gesprächen, in den Verhandlungen mit den Grünen gespießt hat, und ich sage, zu Recht.

Die Regierung ist größer geworden. Das ist in Zeiten des Sparens überraschend, denn, und das soll man auch hinzufügen, das gibt es ja nicht zum Nulltarif. Die Kosten für die Vergrößerung dieser Regierung, so wird geschätzt, kann man mit 2,6 Millionen € ansetzen: für die neuen Regierungsposten und das dazugehörige administrative Rahmenwerk. Das sind, noch in Schilling ausgedrückt, etwa 35 Millionen Schilling. – Da kann ich nur sagen, alle Achtung!, für


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eine Regierung, die hundert Mal pro Tag das Wort „sparen“ in den Mund nimmt. Es scheint doch so zu sein, und das kann man ja offen sagen: Die Freiheitlichen sind bei dieser Wahl dezi­miert worden, wie es ärger nicht mehr geht. Da hat es wohl geheißen, schaffen wir eben einige zusätzliche Ämter, damit ein paar nachrücken können. – Das ist der wahre Grund. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Reheis.)

Gleichzeitig kommt wieder die alte Aufpasserfunktion der Staatssekretärinnen und Staatssekre­täre, weil ja so ein „tolles Klima des Vertrauens“ herrscht. Außerdem haben Sie gegenüber dem Kabinett Schüssel I eine Senkung der Frauenquote geschafft. Begonnen hat das alte Kabinett mit einem Frauenanteil von über 30 Prozent. Damals waren fünf von sechzehn Regierungsmit­gliedern Frauen. Jetzt sind es 22 Prozent. Also: vergrößerte Regierung, vergrößerter Männeran­teil, und ein dramatisch reduzierter Anteil von Frauen in der Regierung. Und sagen Sie bitte ja nicht, dass das die Idee der Grünen oder der Opposition war! Das war Ihr ureigenstes Interesse auf Posten! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Auch der Sprachgebrauch in dieser Regierungserklärung war bemerkenswert. Wir haben genau aufgepasst: Immer dann, wenn von irgendwelchen Wirtschaftsinitiativen die Rede war, hat der Herr Bundeskanzler die männliche Form verwendet, obwohl im Regierungsabkommen wieder­um das Gender Mainstreaming und die sprachliche Gleichbehandlung erwähnt werden. Das scheint für Sie eine reine Floskel zu sein, Herr Bundeskanzler. Das schreibt man eben hinein, aber verwenden tut es niemand. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein.)

Nein, es steht drinnen: die Gründer, die Unternehmer, und nur dort, wo es um Teilzeitarbeit, um Familienarbeit geht, wird auf einmal die weibliche Form verwendet. Das heißt, schon mit Ihrer Sprache zementieren Sie traditionelle Rollenbilder ein, wogegen wir uns ganz massiv aussprechen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Nun zum Punkt Frauen und soziale Gerechtigkeit. Wir wissen, die Fraueneinkommen, die Frauenlöhne und -gehälter sind in Österreich im Verhältnis zu den Einkommen der Männer viel niedriger als sonst wo in Europa. Österreich hat diesbezüglich den letzten Platz in Europa, den 15. Platz unter 15 Staaten! Und die Tendenz ist steigend, die Schere zwischen Frauen- und Männereinkommen geht weiter auf!

In der Pension ist die Situation sogar noch ärger. Dort ist nämlich die Frauenpension im Durch­schnitt nicht einmal mehr die Hälfte der Männerpension, wobei auch da kein Trend in die andere Richtung zu erkennen ist.

Und nun legen Sie eine Pensionsreform vor, basierend auf einem Gutachten, das ganz klar von den völlig traditionellen Sicherungsmechanismen – durchgehende männliche Erwerbstätigkeit einerseits und Ehe andererseits – ausgeht, obwohl Sie wissen und obwohl alle Expertinnen und Experten sagen, das wird sich ganz massiv zu Lasten der Frauen auswirken!

Sie reden hier von Sparsamkeit und sehen nicht, dass Sie die Gerechtigkeit – auch Verfas­sungsprinzipien – mit dieser Art von einseitigen Pensionsreformen verletzen.

Meine Damen und Herren! Ich stelle überhaupt – vor allem an die ÖVP-Regierungsmitglieder und an die ÖVP-Abgeordneten – die Frage: Was heißt Gerechtigkeit? – Sie gehen automatisch mit dem Regierungsabkommen und mit den Pensionsgutachten davon aus: Gerechtigkeit heißt Beitragsgerechtigkeit. Was einbezahlt wird, wird wie auf einem Kapitalsparbuch wieder ausbe­zahlt. Gerechtigkeit heißt für Sie, das Versicherungsprinzip wird gestärkt. (Abg. Mag. Molterer: Das stimmt einfach nicht!) – Doch, es ist so, Herr Abgeordneter!

Ich denke, Gerechtigkeit sollte heißen: Niemand muss im Alter Not leiden! Niemand muss im Alter frieren! Niemand muss bei den notwendigen Bedürfnissen Mangel leiden! (Abg. Mag. Mol­terer: Warum steht dann „Mindestpension“ drinnen? Warum steht drinnen: „Anrechnung von Kindererziehungszeiten bei Frauen“?) – Darauf komme ich schon noch zu sprechen.

Herr Kollege Molterer! Sie wissen genau, dass ein paar Monate mehr Anrechnung von Kinder­erziehungszeiten an dieser generellen Ungerechtigkeit nicht wirklich etwas ändern. Denn


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Frauen sind generell diskriminiert, Frauen mit Kindern und ohne Kinder haben dieses Drittel weniger an Löhnen und Einkommen.

Herr Bundeskanzler! Es ist das falsche Prinzip! (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Ein richtiges Prinzip!) – Es ist das falsche Prinzip! Wir Grünen haben – ich merke ja, es ist noch nicht wirklich angekommen – versucht, Sie davon zu überzeugen, dass ein modernes, soziales System von morgen ein ganz wichtiges Prinzip verwirklichen muss, nämlich einen existenzsichernden Sockel. Und das haben Sie nur in einem kleinen Bereich verwirklicht, nämlich dort, wo es darum geht, Personen, die sonst nichts haben ... (Bundesminister Dr. Bartenstein: Wo Menschen sozial bedürftig sind!)

Aber Sie haben insbesondere bei den Frauen keine eigenständige Alterssicherung drinnen, ich betone, keine eigenständige Alterssicherung, und das ist einer der springenden Punkte. Das lehnen wir in dieser Form ab. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Dann haben Sie es nicht gelesen!)

Wir haben uns natürlich für einen gesetzlichen Mindestlohn ausgesprochen. Denn der Trend, dass die Kluft zwischen den stark männerdominierten Branchen und den viel schwächer hono­rierten frauendominierten Branchen tiefer wird, setzt sich natürlich bis ins Alter fort, und das führt dann eben vor allem bei den älteren Frauen, vor allem bei den Pensionistinnen wirklich zu einer eklatanten Armutsbedrohung.

Ein Letztes: Ein paar Worte zur Sicherheit, nur ganz kursorisch. Es war für mich bezeichnend, dass der Vizekanzler in diesem Bereich die Lösungen, die angestrebt werden, ganz klar vertei­digt hat und dass Sie offenbar diesen Antrag brauchen, um alle Ihre Abgeordneten auch auf den Kauf der Abfangjäger einzuschwören.

Herr Bundeskanzler! Sie haben ein einziges Mal in Ihrer Erklärung gesagt, dass etwas einen Preis hat, sprich: dass es teurer werden wird, nämlich bei der Sicherheit. Sie haben nicht gesagt, dass es in den Bereichen Gesundheit einen Preis hat, dass es in den Bereichen Bil­dung einen Preis hat. Dort heißt es immer wieder, wir müssen effizienter und sparsamer wer­den. Im Klartext heißt das, Sie wollen bei den Pensionen letztlich eine Milliarde € herunterspa­ren, Sie wollen im Gesundheitswesen eine Milliarde € heruntersparen, das sind 2 Milliarden €. Und um 2 Milliarden € kaufen Sie Abfangjäger.

Das ist ein Geschäft, das ... (Abg. Scheibner: Mein Gott, schon wieder der Vergleich! Diesen Vergleich haben Sie aber mühsam hergeholt, ein rhetorischer Tiefschlag! Schwach!) So ist es aber! – Das ist etwas, was nicht den Interessen der Jugend und nicht den Interessen des Landes dient! Ich frage mich schon, wodurch unsere Kinder mehr geschützt sind: durch eine ökologische Landwirtschaft und durch soziale Sicherheit – oder durch ein paar sündteure Kampfflugzeuge? (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Sogar der Applaus ist dünn!)

Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluss. Mich hat eigentlich Folgendes überrascht: Wir haben im Laufe der gesamten Phase der Regierungsbildung – die insgesamt sehr spannend war, aber letztlich sehr klar gezeigt hat, Sie von der ÖVP wollen ein Bündnis mit den Freiheitlichen – erkannt: Alle werden hier dafür stimmen! Mag es auch aus den Ländern oder mag es von der Wirtschaftskammer her Skepsis geben, die Vertreter hier im Parlament werden locker und ohne mit der Wimper zu zucken dafür stimmen.

Tatsächlich hat es mich schon überrascht, dass hier diese gesellschaftspolitische Beliebigkeit herrscht. Kollege Van der Bellen hat es schon angesprochen. Für Sie waren ein paar Dinge wirklich fix, und zwar der Einsparungsbedarf bei den Pensionen und im Gesundheitswesen so­wie der Ankauf der Abfangjäger. Diese Konturen waren fix. – Alles andere, ob man in Richtung Integration und Menschenrechte geht oder nicht, ob man Frauenrechte stärkt oder nicht, das war offenbar offen und beliebig. Sie scheinen die europäische Menschenrechtsdeklaration mit dem Rechenwerk aus dem Laptop des Finanzministers ausgetauscht zu haben. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Bleckmann. Die Redezeit beträgt 15 Minuten. – Um 13 Uhr wird vereinbarungsgemäß für eine kurze Mittags­pause unterbrochen. Die Uhr wird eine Minute vor 13 Uhr zu blinken beginnen. – Bitte, Frau Abgeordnete.

12.51


Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Cap, ich finde, Regieren ist eine verant­wor­tungsvolle Aufgabe und kein Kabarett. Wenn Sie Ihre Aufgabe darin sehen, hier ein neues Kabarett und ein neues Stück zu machen, dann ist es gut, dass Sie dort sitzen, wo Sie jetzt sitzen, nämlich auf der Oppositionsbank (Beifall bei den Freiheitlichen), denn Sie sind anschei­nend nicht bereit, Verantwortung zu übernehmen.

Und der Kollegin von der Grünen Partei gebe ich Folgendes mit auf den Weg: Sie kritisieren, dass es, so wie es der Herr Vizekanzler schon gesagt hat, in der letzten Regierung kein Frauen­ministerium gege­ben hat. Jetzt gibt es das Frauenministerium, aber Sie beschweren sich noch immer. Ihnen kann man es halt nie recht machen.

Wichtig ist uns, dass die Regierung handlungsfähig ist, und das ist sie. (Beifall bei den Freiheit­li­chen. – Abg. Sburny: Das werden wir noch sehen!) – Daher brauchen wir den Ent­schlie­ßungs­antrag, damit wir alle sehen, wie Sie sich zu den einzelnen Punkten verhalten, nämlich auch zu jenen Punkten, die Sie angeblich verhandelt haben und denen Sie ja zustimmen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Eines vergessen Sie, und das wollen Sie nicht sehen und nicht hören: dass der Reformkurs der Regierung durch die Wähler bestätigt worden ist und dass die schwarz-blaue Regierung auch eine Mehrheit hier im Parlament hat. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie haben sich schon bei der ersten von Schwarz und Blau gebildeten Regierung furchtbar auf­geregt. Gerade die SPÖ – weil Sie jetzt dazwischenrufen – konnte es schon damals nicht fassen, nicht mehr in der Regierung zu sein, so wie Sie es auch heute nicht fassen können, nicht in der Regierung mit dabei zu sein. Sie selbst haben sich verweigert – selber schuld.

Sie haben schon damals, nachdem die erste schwarz-blaue Regierung gebildet wurde, alles getan, damit die Regierung auch im Ausland schlecht dasteht. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Grünen und der SPÖ. – Unruhe im Saal.)

Dieselbe Haltung nahmen auch die Kollegen von der Grünen Partei ein, indem sie Berufsde­monstrierer unterstützten und für ihre eigenen Zwecke einspannten. Nur: Als sie dann ein biss­chen umgeschwenkt haben, sahen sie, dass sie die Geister, die sie riefen, nicht mehr loswer­den. Die eigenen Berufsdemonstrierer haben nämlich, als es um die Regierungsbeteiligung der Grünen selbst gegangen ist, weiter demonstriert und die Klubräumlichkeiten der eigenen grünen Parlamentsfraktion besetzt. (Zwischenruf des Abg. Mag. Mainoni.)

Weil Ihr Parteichef Van der Bellen heute die Frage angesprochen hat, wie sich denn das mit dem Dampf und so weiter verhielte: Ich glaube, bei Ihnen ist der Dampf inzwischen völlig draußen. Sie fahren dem inzwischen wieder flott gemachten Dampfer hinterher in einem Ruderboot, in dem der Kapitän vorne steht und schreit: Hinterher! Hinter dem großen Dampfer her! – Aber der Rest der Rudermannschaft rudert in die andere Richtung und wieder zurück ans Land. (Beifall bei den Freiheitlichen.) – Das ist die Situation, wie Sie sie haben. (Abg. Sburny: Sie verwechseln uns schon! – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen und der SPÖ.) – Nein, nein! Ich sehe Ihr leider sehr kleines Ruderboot. Das ist das Problem, das Sie haben. (Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Kogler und Mag. Wurm.) Und wir sitzen halt jetzt mit im Dampfer.

Aber auch die SPÖ war eingeladen, ihre Ideen mit einzubringen. Und Sie wissen selbst, dass die Maßnahmen, die jetzt alle notwendig sind, darauf zurückzuführen sind, dass Sie jahrzehnte­lang keine Maßnahmen getroffen haben, reformunwillig waren, und dass Sie diejenigen waren,


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die die nächste Generation massivst belastet und einen Schuldenberg aufgebaut haben. Ich muss Sie immer wieder daran erinnern, und wir Freiheitliche werden Sie immer wieder daran erinnern! (Lebhafter Widerspruch bei der SPÖ.)

Ich habe hier ein Taferl für den Schuldenberg, den Sie aufgebaut haben, liebe Kollegen von der SPÖ. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Die Rednerin hält eine Tafel in die Höhe, auf der zu lesen steht: „SPÖ-Schuldenpolitik: 160 000 000 000 € – 50 x um die Erde mit 10-€-Scheinen“. – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

160 Milliarden €. Weil wir jetzt den Euro haben, geht sich das noch aus mit den Nullen, sonst würde es sich nicht mehr ausgehen. Das heißt, fünfzig Mal könnten wir eine Reihe von 10-€-Scheinen, nach der Reihe aneinander gelegt, um die Erde herumlegen. Das ist der Schuldenberg, den Sie aufgebaut haben. Sie sind daher die Letzten, die sich hier beschweren dürfen, wenn Maßnahmen gesetzt werden, die diesen Schuldenberg, den Sie aufgebaut haben, wieder beseitigen! Sie sind die Letzten, die sich beschweren können! (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP. – Widerspruch bei der SPÖ.)

Wir Freiheitliche setzen uns für langfristige, sozial verträgliche Reformen ein. Deshalb erfolgt die Planung bis 2033, damit sie langfristig und sozial verträglich ist. Aber anscheinend kann es Herrn Abgeordnetem Gusenbauer nicht schnell genug gehen.

Wenn Sie fragen, für wen die Reformen sind, dann antworte ich Ihnen: Diese Reformen sind für all jene, die Sie vergessen haben! Das sind all jene Reformen, die Sie nicht gemacht haben, und sie erfolgen in all jenen Bereichen, in denen Sie während Ihrer jahrzehntelangen Regie­rungstätigkeit untätig waren. Das ist die Realität, der Sie sich stellen müssen und der wir uns leider auch stellen müssen, weil das ist das, was Sie verabsäumt haben. (Widerspruch bei der SPÖ.)

Sie seitens der SPÖ haben es angesprochen und verlangt: In der Forschung und Entwicklung werden Maßnah­men gesetzt. Das haben Sie wohl überlesen, oder das, was Sie nicht lesen und nicht hören wollen, existiert für Sie nicht.

Für Forschung und Entwicklung steht im Regierungsprogramm festgeschrieben – Sie schütteln den Kopf; lesen Sie es bitte nach! –: Anhebung der Forschungsquote auf 2,5 Prozent. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Bereitstellung der zweiten Tranche der Sondermittel in der Höhe von 600 Millio­nen €.

Und das Ziel – dritter Punkt, das steht auf der letzten Seite – ist, die Forschungs- und Ent­wicklungsquote auf 3 Prozent anzuheben. Das soll mit Geldern aus der Nationalbank, aus einer Nationalstiftung für Forschung und Entwicklung finanziert werden. Das ist doch genau das, was Sie verlangt haben, oder? (Abg. Silhavy: Kampfflieger, Frau Bleckmann!)

Es ist Ihnen nie genug! Aber Sie von der SPÖ haben die Schulden aufgebaut! Es kann nie ge­nug sein, aber man muss halt sehen, welche Möglichkeiten man hat und wie viel man ausgeben kann. Jeder, der mit seinem Gehalt haushalten muss, weiß, dass er nicht über die Maßen Geld ausgeben kann. (Abg. Silhavy: Kampfflieger! – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Es wird wichtig sein, dass auch Sie das lernen. Und solange Sie es nicht gelernt haben, werden Sie halt in keiner Regierung mehr sitzen. – So schaut es aus! (Bei­fall bei den Freiheitlichen.)

Die SPÖ betreibt nach wie vor ... (Abg. Silhavy: Kampfflieger, Frau Bleckmann!) – Anscheinend haben Sie Gedächtnislücken! Kindesweglegung betreiben Sie, und Sie verdrängen Ihre Vergan­genheit mit den Selbstbehalten, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ. (Die Rednerin hält eine Liste in die Höhe.)

Hier sind all die Selbstbehalte, 16 an der Zahl, die die SPÖ-Regierung ... (Abg. Dr. Gusen­bauer: Das ist schlecht zu lesen! – Abg. Scheibner: Lies sie vor!) – Ja, Herr Kollege Gusen­bauer, ich gebe sie Ihnen dann höchstpersönlich, damit Sie es nachlesen können. Das ist es:


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Gedächtnislücken, „Vergangenheitsweglegung“. 16 Selbstbehalte haben Sie eingeführt, ich lese sie Ihnen vor:

Heilbehelfe: Selbstbehalt mindestens 21,37 €. – Hilfsmittel: Selbstbehalt mindestens 21,37 €. – Zahnprothetik: 50 Prozent der Kosten, die zu bezahlen sind. – Kieferorthopädie: Zuzahlung zu den vertraglich festgelegten Tarifen in der Höhe von 40 Prozent. (Abg. Öllinger: Und Sie wollen noch weitere einführen! Noch weitere Selbstbehalte! – Weitere anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) Transportkosten ... (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich gebe sie Ihnen dann höchstpersönlich, Herr Abgeordneter Gusenbauer. Das ist die Liste der Selbstbe­halte, die Sie eingeführt haben, mit Ihrer Partei, in Ihrer Regierungstätigkeit.

Sie sind die Letzten, die sich über Selbstbehalte beschweren und aufregen dürfen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) 16 Selbstbehalte haben Sie eingeführt und damit das Zweiklassensystem im Gesundheitssystem in Österreich eingeführt. (Abg. Dr. Petrovic: Und jetzt gibt es noch mehr! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Unser erklärtes Ziel seitens der Freiheitlichen Partei ist, zu vermeiden, dass das weitergeführt wird. Wir wollen diesen Selbstbehalt-Dschungel, den Sie eingeführt haben (Abg. Dr. Petrovic: Ausbauen! – Abg. Dr. Niederwieser: Verdoppeln!), beseitigen, durchforsten. (Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) Wir wollen die 16 Selbstbehalte, die Sie eingeführt haben, durchforsten: angefangen von der Krankenscheingebühr, die eine Spanne von 5 Pro­zent bis zu unglaublichen 80 Prozent hat, zusammen mit allen anderen Selbstbehalten, die Sie in letzten 50 Jahren eingeführt haben.

Wir wollen, dass eine Überprüfung der bestehenden Selbstbehalte auf ihre Sinnhaftigkeit hin er­folgt. Es geht für uns darum, die bestehenden Selbstbehalte teilweise abzuschaffen, um soziale Ausgewogenheit herzustellen. (Abg. Dr. Gusenbauer: Ich bin neugierig, welche Sie beibehal­ten! Das schauen wir uns an!) Das können Sie doch nur unterstützen!

Wir wollen keine Ambulanzgebühr mehr (Abg. Mag. Wurm: Wer hat sie denn eingeführt?), keine Krankenscheingebühr mehr und schon gar keine Kosten beim Arztbesuch! (Abg. Mag. Wurm: Wer hat die Ambulanzgebühr eingeführt? – Ruf bei der SPÖ: Gedächtnislücken!) So stellen wir uns hier die soziale Verträglichkeit vor.

Vergessen Sie nicht, dass die rot-grüne Mehrheit von Seiten der Wähler abgelehnt wurde! (Abg. Mag. Wurm: Sie haben 60 Prozent weniger Wähler!) Das wollen Sie aber bis heute nicht wahr­haben. Es tut Ihnen weh, neuerlich auf der Oppositionsbank zu sitzen und hier einem Regie­rungsprogramm zu lauschen (Abg. Dr. Niederwieser: „Lauschen“? „Lauschen“ nennen Sie das ...?), denn Sie wissen: Sie haben jahrzehntelang versagt, und wir haben erreicht, dass unsere freiheitliche Handschrift im Regierungsprogramm enthalten ist! – Näheres dazu werden Sie dann nach der Sitzungsunterbrechung hören. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich unterbreche jetzt die Sitzung des Nationalrates für eine kurze Mittagspause. Wir werden um 13.15 Uhr fortsetzen. Am Wort bleibt Frau Abgeordnete Dr. Bleckmann. Ihre restliche Redezeit beträgt 6 Minuten. Nach ihr gelangt Frau Bundes­ministerin Gehrer zu Wort.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 13.01 Uhr unterbrochen und um 13.18 Uhr wieder aufgenommen.)


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Die Restredezeit der Frau Abgeordneten Dr. Bleckmann beträgt 6 Minuten. – Frau Abgeordnete Dr. Bleckmann, Sie sind am Wort.

Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, ihre Sitzplätze einzunehmen. Die gleiche Bitte richte ich an die Damen und Herren auf der Regierungsbank. – Herr Finanzminister, bitte Platz


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zu nehmen! (Lebhafte Heiterkeit des Abg. Jakob Auer. – Abg. Jakob Auer: Ein strenges Regi­ment!)

Frau Abgeordnete, lassen Sie sich von niemandem in Ihrer Rede stören! Bitte beginnen Sie!

 


Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (fortsetzend): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich setze hiermit meine Ausführungen fort.

Die Kolleginnen und Kollegen von der grünen Fraktion, die alle noch in der Pause sind, hätten es ja (Widerspruch bei Abgeordneten der Grünen) – ha: eins, zwei, drei, vier! (Ruf bei den Grünen: ... Ihre!) – ja, auch die eigenen! – fast geschafft, aber angesichts des Widerstandes in den eigenen Reihen hat sie dann doch noch der Mut verlassen (Abg. Gaál: „In den eigenen Reihen“!), als es darum ging, echte, wirkliche Verantwortung für unser Land zu tragen. Verant­wortung zu übernehmen heißt, Maßnahmen mitzutragen, die es ermöglichen, den Generatio­nenvertrag einzuhalten und aufrechtzuerhalten, die es ermöglichen, auch unserer Jugend zu sagen, dass ihre Pensionen gesichert sind (Abg. Öllinger: Wie denn?), und das Pensionssys­tem für die kommende Generation zu sichern. Verantwortung zu übernehmen heißt, die Maß­nahmen so zu setzen, dass sie auch sozial verträglich sind und langfristigen Bestand haben.

Verantwortung zu übernehmen heißt auch, für Österreich zu arbeiten und für unser Land die notwendigen Reformen weiterzubringen, weiterzutragen und umzusetzen (Abg. Öllinger: Das ist der Text vom Haupt!) – auch wenn man dafür Kompromisse eingehen muss. (Abg. Öllinger: Jetzt haben Sie den Text vom Haupt!)

Dafür die Verantwortung zu tragen, dazu waren vor allem Sie, lieber Kollege Öllinger, nicht be­reit. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Nicht „lieber“!) – Er ist kein „lieber Kollege“. Danke, liebe Kollegin Partik-Pablé! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Grünewald: Sehr „gehaltvoll“!) – Nein, Herr Kollege, Sie waren nicht dazu bereit, die Verantwortung für die Regierungs­tätigkeit zu tragen. Wir Freiheitlichen sind dazu bereit, und wir sind auch dazu bereit, Kompro­misse einzu­gehen und Reformen für Österreich weiterzuführen.

Wir haben viele freiheitliche Punkte in dieses Programm mit hineinbringen können. Das ist ge­nau das, was die Abgeordneten von der SPÖ gefordert haben: jetzt Aktivitäten zu setzen, jetzt die „Ernte einzufahren“, wie es so schön blumig ausgedrückt wurde, und jetzt antizyklisch zu agieren. – Genau das tut diese Regierung ehestmöglich, nämlich mit 1. Jänner 2004, mit der ersten Steuerreform, mit der Entlastung der kleineren und mittleren Einkommen, und zwar durch die Erhöhung der Steuerfreigrenze auf ein Jahresbruttoeinkommen von 14 500 €. (Abg. Öllinger: ... nicht antizyklisch!) Wir Freiheitlichen haben das vor den Wahlen versprochen, und wir halten dieses Versprechen, wenn wir die Möglichkeit haben, das auch umzusetzen, ein, und wir haben die Umsetzung mit Wirkung vom 1. Jänner 2004 durchgesetzt. (Abg. Mag. Kogler: Sie haben ganz etwas anderes versprochen!)

Aber nicht nur für die kleineren und mittleren Einkommen haben wir eine Entlastung durchge­setzt, sondern wir haben auch für die kleineren und mittleren Unternehmen durchgesetzt, dass es zu einer Förderung der Eigenkapitalbildung für Unternehmen durch die begünstigte Besteue­rung der nicht entnommenen Gewinne kommt, ebenso wie zur Abschaffung der 13. USt-Vor­auszahlung, aber auch zu Entlastungen im Bereich der Lohnnebenkosten für ältere Arbeitneh­mer. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Durch diese Maßnahmen erfolgt insgesamt eine Nettoentlastung in der Höhe von 500 Mil­lionen €.

Auch angesichts dessen kommt es, wie ich meine, der SPÖ als Partei nicht zu, zu behaupten, es gebe durch diese neue Regierung so viele zusätzliche Belastungen. Meine Damen und Herren von der SPÖ, schauen Sie sich doch an, was Ihr Bürgermeister Häupl in Wien gemacht hat! Er hat seit 2001, dem Jahr, seit dem es eine SPÖ-Minderheitsregierung gibt, eine Gebühr nach der anderen eingeführt: Einführung einer neuen Wiener Stromsteuer (Zwischenruf des Abg. Gaál), Erhöhung der Müllgebühren um 25,9 Prozent (Abg. Gaál: Eine SPÖ-Alleinregie-


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rung!) – Sie sind doch bei der SPÖ, Herr Kollege, oder? (Abg. Dr. Einem: Eine Mehrheitsregie­rung!) –, Erhöhung der Tarife bei den Wiener Linien, Erhöhung der Bädertarife. (Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) – Ich weiß nicht, ob Sie aus Wien sind, aber fragen Sie einmal Bürgermeister Häupl, was all diese Tarife betrifft! Fragen Sie ihn, was er da alles gemacht hat, oder fahren Sie ein wenig in Wien herum, dann sehen Sie es! – Weiters: Erhöhung der städtischen Kindergartengebühren auf bis zu 2 700 S. – Das ist das, was Ihr ... (Abg. Gaál: ... zwar nicht aus Wien, aber aus Favoriten, aber wir haben keine Minderheitsregierung!)

Entschuldigung: Mehrheitsregierung! – Entschuldigung! Noch schlimmer (Ruf bei der SPÖ: Für Sie schlimm genug!): Mit der Mehrheitsregierung belasten Sie die Bürger in Wien. (Abg. Gaál: Schwere Informationsdefizite!) Das ist das, was Sie machen, und das muss den Bürgern auch gesagt werden! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Prinz.)

Wir von der Freiheitlichen Partei werden weiterhin dafür Sorge tragen, dass es zu sozial ver­träglichen Reformen kommt, und es gibt deshalb auch Abfederungsmaßnahmen, wie eben die „Hackler-Regelung“, die Einführung einer Mindestrente, aber auch die Tatsache, dass ein Min­destlohn in der Höhe von 1 000 € bei Vollerwerbstätigkeit im Regierungsprogramm verankert wurde. Wir werden weiterhin auch Schritte in Richtung einer eigenständigen Altersabsicherung setzen – nicht nur, aber vor allem für die Frauen.

Lesen Sie nach – auch Sie, Herr Abgeordneter Van der Bellen –, was hier schon für Schritte gesetzt werden: Anhebung der pensionsbegründenden Zeiten von 18 auf 24 Monate, Ermöglichung eines freiwilligen Pensionssplittings, Mindestrente für jene, die eben derzeit nicht versorgt sind. – Was bedeuten diese drei Maßnahmen, die wir hier gesetzt haben, denn sonst, wenn nicht eine eigenständige Alterssicherung! (Abg. Dr. Glawischnig: Wissen Sie, was da überbleiben wird beim Pensionssplitting?)

Wir werden uns das dann genau anschauen. Aber das ist doch genau das, was Sie betreiben! – Sie kennen die genauen Zahlen, Daten und Fakten noch gar nicht, aber regen sich schon ganz schrecklich und furchtbar darüber auf, was alles sein wird. Wenn dann die Details berechnet sind und wir genaue Beispiele haben, dann können wir darüber reden, wo es auch noch zusätz­liche Abfederungsmaßnahmen, wie einen Härtefonds und andere Dinge, geben soll.

Ich bin jedoch sicher, dass wir in der freiheitlichen Regierungsmannschaft ein Mitglied haben, das in diesen Fragen als Garant auftreten wird, das sich ganz sicher für all diese Anliegen ein­setzen wird, vor allem für die Frauen und für die Familien, aber auch den Konsumentenschutz (Abg. Mag. Wurm: ... dem Herrn Böhmdorfer weggenommen!), und das darauf schauen wird, dass es den Familien, aber auch den Frauen unter dieser Regierung gut gehen wird und dass sie nicht unter die Räder kommen werden.

Gestatten Sie mir daher zum Abschluss auch noch diese persönliche Geste. Ich kenne Uschi Haubner schon sehr lange aus gemeinsamer Tätigkeit. Sie ist auch Vorsitzende der „initiative Freiheit­liche Frauen“. – Liebe Uschi! Ich wünsche dir alles Gute in der Regierung! Ich hoffe, dass du das, was du in Oberösterreich gemacht hast, in Zukunft auch in und für Österreich für die Frauen, für die Familien und für den Konsumentenschutz tun wirst, und ich wünsche dir dazu viel Glück! – Und jetzt kommt das, was Kollege Cap so gerne hat, nämlich die Blumen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Bleckmann begibt sich zu der auf der Regierungsbank sitzenden Staatssekretärin Haubner, umarmt diese und überreicht ihr einen blauen Blumen­strauß. – Ruf bei den Grünen: Das ist ja furchtbar!)

13.24


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Bundesministerin Gehrer. – Bitte, Frau Bundesministerin.

13.25


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Der Wähler hat am 24. November auch klar entschieden, dass die Bildungspolitik in der bisherigen Zielrichtung fortgeführt werden soll: die Bildungspolitik, die Forschungspolitik und die Wissenschaftspolitik, die die Grundlage für die Entwicklung der Gesellschaft, die Grund-


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lage für die Entwicklung der Wirtschaft und damit auch die Grundlage zur Sicherung und zur Schaffung von Arbeitsplätzen darstellen.

Die österreichische Bundesregierung hat daher in ihr Regierungsprogramm eine neue For­schungsoffensive, für die Mittel in der Höhe von 700 Millionen € bis zum Jahr 2006 vorgesehen sind, und eine Bildungsoffensive, im Rahmen derer besonders innovative Bildungsprojekte finanziert werden sollen, aufgenommen. (Abg. Brosz: Wo steht das? Das steht aber nicht im Regierungsprogramm!) Für diese Bildungsoffensive sollen 72 Millionen € – oder, um es noch in Schilling auszudrücken, eine Bildungsmilliarde –, auch bis zum Jahr 2006, ausgegeben werden. (Abg. Brosz: Warum steht das nicht im Regierungsprogramm?) Damit ist die Zukunft für unser Land im Bildungsbereich in hohem Maße gesichert.

Was sind nun die wichtigsten Zielsetzungen? – Das Erste und Allerwichtigste ist für mich in allen Bildungsbereichen die Qualitätssicherung, die Qualitätsverbesserung. Wir wollen, wie es der Herr Bundeskanzler bereits ausgeführt hat, auch in diesem Bereich unter die Top 3 in allen internationalen Wertungen kommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen.)

Für die Schulen bedeutet das, Leistungsstandards zu definieren, Leistungsstandards nach dem Vorbild der PISA-Studie auf nationaler Ebene einzuführen, Begabungsförderung im besonderen Maße durchzuführen. Es gilt, für den Weiterbildungsbereich Zertifizierungen vorzunehmen, da­mit die Weiterbildungsangebote in ihrer Qualität gesichert sind. Für die Universitäten gilt es, eine österreichweite Qualitätssicherungsagentur einzuführen. Im Bereich der Forschung gilt es, eine gemeinsame Plattform zu suchen, durch die wir einen One-Stop-Shop sowie eine For­schungs­datenbank haben, durch die jährlich ein Bericht über den Wissenszuwachs erstellt wird. Für die Museen und für den Denkmalschutz gilt es, die finanziellen Ressourcen zu sichern. Und für die Lehrerschaft und für das gesamte lehrende Personal gilt es, die pädagogischen Hoch­schulen zu verwirklichen und ein neues Gehaltsschema zu erstellen.

Neben dieser Qualitätssicherung ist es mir besonders wichtig, die Schülerinnen und Schüler zu entlasten. Eine 13-jährige Schülerin in Österreich sitzt um 340 Stunden mehr in der Schule als eine gleichaltrige Schülerin in Finnland. Meine Damen und Herren! Wir wollen nicht so weit kom­men, aber wir wollen die Jugendlichen entlasten. Eine Entlastung um zwei Stunden pro Wo­che ist ange­bracht, moderat und vernünftig und wird zur Qualitätssicherung beitragen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Mag. Posch: Was sagt Neuge­bauer dazu? – Abg. Mag. Molterer: „Ja!“, Herr Posch, „Ja!“!)

Die Qualität der Schule, die Qualität des Lehrens hängt nämlich nicht von der hohen Anzahl der Stunden ab, sondern von der Unterrichtsmethodik, von der Didaktik, vom modernen, fesselnden und spannenden Unterricht.

Die Stundentafel ist zu umfangreich, die Lehrpläne sind zu dick. Wir werden das ändern. Wir werden auch bei den Lehrplänen noch mehr darauf achten, dass wir zu Kernbereichen kommen, die den fixen Bestandteil auch der Leistungsstandards bilden werden.

Meine Damen und Herren! Das Dritte, was uns besonders wichtig ist: Wir haben heuer das „Jahr der Behinderten“. Herr Abgeordneter Gusenbauer hat gesagt, Österreich kann auf nie­manden verzichten, und ich sage dazu: Ja, Österreich kann tatsächlich auf niemanden verzich­ten! Deswegen setzen wir besondere Initiativen im Bereich der Behinderten.

Wir wollen ein großes Projekt starten, das unter dem Motto „Ins Leben hineinbegleiten“ steht. Wir wollen nach der Integration in der Schule junge Menschen, die Behinderungen haben, in das Leben, in den Beruf, in die Selbständigkeit, in die eigene Versicherung, in die eigene Alters­absicherung hineinbegleiten. Dazu wird es verschiedene Modelle für Ausbildungsangebote im Schulbereich und außerhalb des Schulbereiches geben. (Abg. Haidlmayr: In Sonderschulen, nicht wahr? In der Sonderschule!) Dazu wird auch im Lehrlingsbereich ein eigenes Modell er­arbeitet – die Sozialpartner haben sich bereits geeinigt –, das Modell einer Teillehre, durch das


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wir den jungen Menschen die Chance geben, eine Teillehre zu absolvieren und damit in das Berufsleben einzusteigen.

Meine Damen und Herren! Mit der Qualitätsoffensive, mit der Entlastungsoffensive entwickeln wir unsere guten Schulen – ich danke allen, die sich in diesem Zusammenhang bemühen – zu noch besseren und modernen Schulen für das 21. Jahrhundert weiter.

Ich lade alle, die Verantwortung tragen, ein, uns bei dieser Weiterentwicklung zu den moderns­ten Schulen, zu den modernsten Bildungsangeboten des 21. Jahrhunderts zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.30


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Einem zu Wort gemeldet. – Bitte beginnen Sie mit der Wiedergabe der Behauptung, die Sie zu berichtigen wünschen, Herr Abgeordneter.

13.30


Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Die Frau Bundesministerin hat soeben in ihrer Rede festge­stellt, dass die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode für die Zwecke der Forschung, Technologie und Innovation 700 Millionen € zusätzlich zur Verfügung stellen wird.

Das entspricht nicht den Tatsachen, Frau Bundesministerin! Selbst in Ihrem eigenen Regie­rungsprogramm steht, dass Sie 600 Millionen € zur Verfügung stellen werden. Tatsache ist weiters, dass Sie sogar den Anspruch, den Sie in der vorigen Legislaturperiode formuliert haben, nämlich eine Forschungsquote von 2,5 Prozent bis 2003 zu erreichen, nun auf 2006 ver­schoben haben. – So „wichtig“ ist Ihnen die Forschung. (Beifall bei der SPÖ.)

13.31


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet ist Herr Justizminister Dr. Böhmdorfer. – Bitte, Herr Minister.

13.31


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich wende mich auch, erfreut über die TV-Übertragung, an die Zuseher und Zuseherinnen zu Hause. (Ruf bei der SPÖ: Die werden gleich abdrehen!)

Wir können in der Justizpolitik dort fortsetzen, wo wir aufgehört haben. Wir haben eine sehr erfolgreiche Zusammenarbeit hinter uns. Ich bedanke mich ausdrücklich bei der Vorsitzenden des Justizausschusses, Frau Abgeordneter Dr. Fekter, für ebendiese Zusammenarbeit und – in Abwesenheit – beim ehemaligen Justizsprecher der Freiheitlichen Partei, Herrn Dr. Ofner. Ich bedanke mich auch bei allen Mitgliedern des Justizausschusses, bei den Nationalratsklubs an sich, die uns vom Ministerium angehört haben und denen wir unsere Probleme vortragen durften, aber auch bei den vielen Experten und Hochschulprofessoren, mit denen wir zusam­mengearbeitet haben.

Es gab einen derart großen Reformrückstau, dass wir 200 Gesetze novellieren durften oder mussten – je nachdem, wie man es sieht. Das war keine Regelungswut, sondern die Justizpoli­tik und die Gesetzgebung waren von dem Umstand gekennzeichnet, dass in den Jahren zuvor einfach zu wenig geschehen ist. Die Schwerpunkte, die wir bearbeiten wollen und werden, bleiben dieselben.

Besonders gefreut hat mich, dass Herr Dr. Gusenbauer heute zum Ausdruck gebracht hat, dass er den Konsens sucht. Konsens wollen wir in der Justizpolitik auch, und wir werden ihn pflegen. Wir sind über jedes Gespräch mit Ihnen und Ihren Abgeordneten froh; das kann ich Ihnen sagen. Ich kann auch hinzufügen, dass wir in der vergangenen Gesetzgebungsperiode dieselbe Konsensquote hatten wie in den Gesetzgebungsperioden davor. Wir haben also nicht die


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Meinungen der Experten und schon gar nicht die Meinungen der Oppositionsabgeordneten übergangen; das war – entgegen anderen Meldungen – prinzipiell nicht der Fall.

Das Justizprogramm trägt natürlich eine freiheitliche Handschrift – auch danach wurde seitens des Herrn Klubobmannes Professor Van der Bellen gefragt –, ich kann Ihnen diese auch weisen. Es trifft sich gut, dass sich viele Abgeordnete des Hohen Hauses mit den Zielen der Justizpolitik – auch für die nächsten Jahre – einverstanden erklären können und, wie ich glaube, auch werden.

Wir werden weiterhin für den Schutz der wirtschaftlich Schwächeren und jener eintreten, die durch psychische oder physische Gewalt bedrängt sind. Wir werden den Opferschutz weiterhin groß schreiben, und wir haben auch einen Fonds zur Prozessbegleitung für jene eingerichtet, die sich selbst nicht finanziell oder mit einem Anwalt helfen können. Dieser Fonds funktioniert! Zur Überraschung jener aber, die glauben, das könne man nur in Vereinen machen, haben wir bewiesen, dass eine individuelle Unterstützung möglich und auch billiger ist. Sozial denken und handeln heißt für uns nicht, mit viel Geld herumzuwerfen, sondern sozial denken und han­deln ist auch mit Sparen vereinbar. Und das haben wir bewiesen. (Beifall bei den Freiheit­lichen.)

Wir haben keinen einzigen Antrag eines Verbrechensopfers abweisen müssen; wir haben allen geholfen. Vorher geschah dies durch 166 Vereine. Ich kann Ihnen Folgendes sagen: Dieses Modell, das wir ins Leben gerufen haben, wird sich bewähren und wird der Republik Österreich viel Geld ersparen. Es wird möglich sein, weiterhin diese Hilfe zu gewähren.

Wir werden den Kampf gegen Gewalt und gegen sexuellen Missbrauch fortsetzen. Ich hoffe auch da auf Ihre Unterstützung. Wir werden den Schutz der Bürger vor organisierter Kriminalität fortsetzen. Auch da, so glaube ich, können die Abgeordneten der Oppositionsparteien durch­aus – ich hoffe das zumindest – mitgehen.

Dasselbe gilt für den Kampf gegen den Sozialbetrug und gegen die organisierte Schwarzarbeit. Ich sehe diesbezüglich nicht die Möglichkeit eines Widerspruchs oder gar eines Widerstandes.

Wir werden den Kampf gegen Drogen fortsetzen und freuen uns, Herr Abgeordneter Professor Van der Bellen, dass im Zuge Ihrer Regierungsverhandlungen mit der ÖVP die Freigabe weicher Drogen – die wir nicht wollen! – zumindest ein Debattenpunkt war. Das ist unserer Meinung nach ein Fortschritt. Wir setzen den Kampf gegen die Drogen zugunsten unserer Kin­der, zum Schutze unserer Jugend fort. Das ist für uns ganz klar! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es gilt das Prinzip „Helfen statt strafen“ sehr wohl für jene, die nur süchtig sind, weiterhin, aber nicht für jene, die sich der Beschaffungskriminalität schuldig machen, und schon gar nicht für Dealer. Da haben wir mit Recht lebenslange Strafen für Drogenbosse eingeführt.

Wir verschreiben uns auch der Verfahrensbeschleunigung, wir verschreiben uns weiters dem Prinzip, die Gesetze dynamisch an die neuen Entwicklungen anzupassen. Es war ein Fehler der vergangenen Jahrzehnte, dass zum Beispiel das strafrechtliche Vorverfahren in der StPO nicht dynamisch angepasst wurde. Dieses Gesetz wurde 30 Jahre lang diskutiert – und nun stehen wir vor einem politischen Widerstand, der in dieser Größenordnung gar nicht eingetreten wäre, wenn dieses Gesetz laufend angepasst und novelliert worden wäre. Das neue Prinzip heißt „Beobachten und handeln“ – auch in kleinen Abschnitten. Das bedeutet zwar auch mehr Arbeit für die Richter und für die Rechtsanwälte, das ist uns der Rechtsstaat aber zweifellos wert.

Wir werden auch in der EU mitdenken, und wir werden mithandeln, damit Österreich als Wirt­schaftsstandort weiterhin sicher bleibt und abgesichert werden kann. (Abg. Dr. Cap – auf die rote Lampe weisend –: Herr Präsident! Die Uhr!)

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und schließe mit einem Bekenntnis zugunsten der unab­hängigen Gerichte und der Unabhängigkeit der Richter. Das ist uns viel wert, und das wird uns


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helfen, viele Brücken zwischen uns zu schlagen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.37


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Prammer. Ihre Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

13.37


Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Von Bundeskanzler Schüssel hat die staunende Öffentlichkeit, hat das staunende Österreich in den letzten Monaten – auch heute wieder bei seiner Regierungserklärung – sehr viel über den Eiskunstlauf erfahren. Er spricht von „Pflichtprogramm“ – auch heute wieder. Wie sieht sein Pflichtprogramm aus? Wie heißt sein Pflichtprogramm? – Sein Pflichtprogramm heißt: Unge­rechtigkeit und Sozialabbau, Streichung der vorzeitigen Alterspension, Belastungen für die Kranken und Ankauf völlig unnützer Abfangjäger – noch dazu auf Kosten der nächsten Bundes­regierung.

Was genau unter „Kür“ zu verstehen ist, wissen wir spätestens, seitdem wir das Regierungs­programm kennen. Kür heißt für ihn: die Arbeitslosigkeit nicht zu bekämpfen, sondern das Pro­blem Arbeitslosigkeit weiter als Mickey-Mouse-Thema zu betrachten; Kür heißt für ihn: die erst­klassige Gesundheitsvorsorge der Menschen massiv zu gefährden. Und weder im Pflichtpro­gramm noch im Kürprogramm findet sich zum Beispiel wirklich eine nachhaltige Sicherung unseres Pensionssystems durch ein modernes Pensionsrecht – und schon gar nicht eine wirklich fortschrittliche Frauenpolitik.

Es wurde eine sehr, sehr große Chance vertan. Die ÖVP hat die Chance auf eine stabile, auf eine reformfähige und international geachtete Regierung verspielt. Sie hat – das ist heute schon mehrfach gesagt worden – nicht den Mut bewiesen, fortschrittliche Politik zu machen. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun fragen sich natürlich zu Recht viele Menschen, warum am 24. November gewählt wurde. Es geht nämlich alles so weiter, wie es war, nur die Regierungsbank ist größer geworden.

Ich möchte noch einen kurzen Augenblick bei den Abfangjägern bleiben. Sehr interessant ist Ihr Regierungsprogramm schon, wenn dort Folgendes zu lesen ist – und ich zitiere aus dem Regierungsprogramm –:

„Der sicherheits- und verteidigungspolitische Nutzen einer NATO-Mitgliedschaft wird von Öster­reich im Lichte der sicherheitspolitischen Entwicklungen laufend beurteilt und die Beitrittsoption im Auge behalten.“

Meine Damen und Herren! Ich verstehe die Abfangjäger somit als Morgengabe an die NATO (Abg. Scheibner: Das verstehen Sie leider falsch wie immer!), und ich verstehe nicht, dass Sie die österreichische Bevölkerung, die österreichischen Wählerinnen und Wähler vor den Wahlen hinters Licht geführt haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Das steht genauso in der Sicherheitsdoktrin, Frau Kollegin! Sie sollten sich ein bisschen besser vorbereiten auf Ihre Reden!)

Meine Damen und Herren! Fest steht: Wir stehen vor dem größten Pensionsabbau in der Zweiten Republik. Herr Klubobmann Molterer hat gemeint, ein ganzer Weg wäre einzuschlagen. (Abg. Mag. Molterer: Ja!) Wie schaut dieser ganze Weg von Seiten der ÖVP aus? (Abg. Mag. Molterer: Gut!) – Die Freiheitlichen unterschreiben ja ohnedies blind. – Bei den staat­lichen Pensionen muss gespart werden, aber für private Pensionsversicherungen wird das Geld ausgegeben: eins zu eins! Das ist Ihr Konzept der Zukunftsvorsorge! (Abg. Steibl: Frau Kollegin Prammer! Haben Sie von der SPÖ nicht ... 10 Prozent verlangt?) Das ist blanker Zynismus! Vor allen Dingen trifft das ganz massiv die Schwächeren in der Bevölkerung, und darunter, das wissen wir, befinden sich die Frauen. Das ist eine aktive Anti-Frauenmaßnahme, die Sie hier planen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


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Unbestritten ist, dass wir ein modernes Pensionsrecht brauchen. Aber: Wie könnte es aus­schauen? – Gleiche Beiträge, gleiche Leistungen. Was schreiben Sie im Regierungsprogramm zu den gleichen Beiträgen? – Ein erster zaghafter Schritt wird in dieser Legislaturperiode unter­nommen. (Abg. Mag. Molterer: Und was definieren wir als Ziel?) Natürlich haben Sie kein In­teresse daran, dass Ihre Klientel dieselbe Abgabenquote, nämlich 20,25 Prozent an Sozialver­sicherung zahlt, wie es die anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tun. Es wäre zukunftweisend, hier wirklich aktiv und von der ersten Minute Ihrer Arbeitsaufnahme an schon mit dieser Maßnahme zu beginnen. Dafür hat der ÖVP aber ganz einfach der Mut gefehlt. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Was steht noch im Regierungsprogramm? – Lebensdurchrechnung. Ich persönlich meine nicht, dass ein Modell der Lebensdurchrechnung automatisch ungerecht ist. Man kann Lebensdurch­rechnung im Rahmen des Pensionssystems sehr gerecht machen, nur: Das, was notwendig ist, fehlt. Sie sagen kein Wort über die Aufwertungsfaktoren der lange zurückliegenden Zeiten, Sie sagen kein Wort darüber, welche Abfederungsmaßnahmen Sie für Frauen ergreifen wollen. Da bedarf es eines Vollzeitäquivalents, wenn Frauen Teilzeit arbeiten.

Ich begrüße es sehr – und ich anerkenne gerne auch die positiven Punkte in Ihrem Regie­rungsprogramm –, dass es einen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit geben soll; aber umso not­wendiger wäre es, auch im Regierungsprogramm und bei der Pensionsreform diese Abfede­rungsmaßnahmen für Frauen zu setzen. So kann man damit rechnen, dass Frauen eine Pen­sionskürzung von bis zu 30 Prozent hinnehmen werden müssen. Und das ist ungerecht! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Der Solidarbeitrag ist schon angeschnitten worden. Unser Solidar­beitrag hätte jene Personen betroffen, die eine sehr hohe Pension haben. Was machen Sie? – 1 Prozent quer drüber! (Abg. Scheibner: Was ist bei Ihnen eine hohe Pension? Wer ist bei Ihnen ein Besserverdiener?) Quer über die „kleine“ Beamtin und den „kleinen“ Beamten, über die „kleine“ Pensionistin und den „kleinen“ Pensionisten genau so wie über die BezieherInnen höherer Pensionen. Und das ist ungerecht! Das ist ganz einfach ungerecht! Dagegen sprechen wir uns aus.

Sie streichen die Frühpensionen. Das ist ganz einfach einfallslos, und die Maßnahmen, die Sie setzen wollen, sind es ebenfalls. Sie sind auch sehr, sehr unkreativ. Es ist ganz wesentlich, auch hier darauf hinzuweisen. Ich möchte das schon noch in Erinnerung rufen, das ist in den letzten Tagen auch manches Mal durch die Medien gegangen: Sie haben der Bevölkerung vor der Wahl etwas anderes erzählt, als Sie es jetzt tun.

Stichwort „Streichung der Frühpension“. – Frau Ministerin Rauch-Kallat hat am 9. Oktober gesagt – ich zitiere sie –:

Die Volkspartei plant für die kommende Legislaturperiode keine weitere gesetzliche Anhebung des Frühpensionsalters. – Zitatende.

Was ist jetzt? Es wäre schön gewesen, Sie hätten das den Menschen vor der Wahl gesagt und sie nicht im Dunkeln gelassen. Aber offensichtlich ist die Dunkelheit, das Dunkle, das Schwarze die richtige Farbe für Ihre Politik. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ein besonderes Zeichen der Mutlosigkeit ist es, dass Sie Regie­rungsverantwortung eben dort, wo sie dringend eingefordert werden müsste, abgeben. Das ist zum Beispiel bei den Ladenöffnungszeiten der Fall – das ist schon gesagt worden –, zum Beispiel bei der Arbeitszeit. Die Arbeitszeit wird offensichtlich in Zukunft nicht mehr gesetzlich geregelt, sondern sie wird individualisiert. Wenn es gut geht, geschieht das noch zu den Verein­barungen der Kollektivverträge, aber unter Umständen wird das auf die betriebliche Ebene verlagert. Aber auch das ist noch nicht genug: Das wird auch im Rahmen von Einzelvereinba­rungen geschehen.

Da frage ich mich, was die „kleine“ Verkäuferin, der/die „kleine“ Angestellte in Zukunft tun wer­den, wenn sie sich ob ihrer Arbeitszeitregelung nicht mehr zu helfen wissen. Das ist menschen-


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verachtend, und es ist vor allen Dingen auch zutiefst anti-frauenpolitisch, meine Damen und Herren! (Abg. Scheibner: Vorsicht! Was ist das für eine Diktion? Was heißt „menschenver­achtend“? Mäßigen Sie sich!)

Wo bleiben die fairen Chancen für die Frauen? Ich begrüße es sehr, dass wir wieder eine Frauenministerin haben. Frau Ministerin Rauch-Kallat, ich biete Ihnen gerne die Kooperation der sozialdemokratischen Frauen an, wenn es darum geht, eine echte fortschrittliche und femi­nistische Frauenpolitik zu machen. Da haben Sie mich als Bündnispartnerin, da haben Sie uns als Bündnispartnerinnen. Es geht darum, dass wir Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Frauen erreichen wollen. Ich hoffe nur, dass Ihre Ansage und Aussage, die Sie erst vor drei Wochen getroffen haben, nicht umgesetzt wird, denn damals haben Sie nämlich die Frauen­politik bereits in die Vergangenheit verbannt.

Meine Damen und Herren! Es gäbe eine lange Latte an Fragen, die ich die Frau Ministerin noch fragen könnte; aber dazu werden wir ja in den nächsten Monaten noch ausreichend Gelegen­heit haben. Ich möchte Sie sehr vieles fragen, nämlich wie es sein kann, dass es ein Frauen­kapitel im Regierungsübereinkommen gibt, in dem der geschlechterbezogene Sprachgebrauch angeführt wird, und dann spricht man nur von „den Bürgern“ – nur um ein Beispiel zu nennen.

Oder: Wie werden Sie, Frau Ministerin, es halten, wenn durch die Hintertür eine ganz schlimme Sache im Rahmen Ihrer Pensionsreform eingeführt wird? – Das unterschiedliche Pensionsan­fallsalter zwischen Männern und Frauen wird nämlich untergraben. Durch einen gesetzlichen Trick wird es in sehr absehbarer Zeit nicht mehr garantiert sein, dass Frauen und Männer ein unterschiedliches Pensionsalter haben, was ihnen ja gesetzlich und verfassungsgesetzlich bis zum Jahr 2019 garantiert wurde. Auch da haben Sie dringenden Handlungsbedarf.

Stichwort „freiwilliges Pensionssplitting. – Was das Ganze soll, weiß ich nicht.

Das Eherecht wird angesprochen. Im Eherecht werden plötzlich Eheverträge über das Eherecht gestellt. Das heißt, wenn ein Ehevertrag abgeschlossen wird, gilt plötzlich das Ehegesetz nicht mehr. Dieser Schutzmantel vieler Frauen soll ausgehöhlt werden. – Diese Liste ist sehr lang. Das sind keine Maßnahmen, die sich die Frauen in Österreich verdient haben.

Stichwort „Notstandshilferegelung“. – Ich befürworte es sehr – das ist eine alte sozialdemokra­tische Forderung –, dass die Notstandshilfe kein Ausschließungsgrund für die Versicherung für Frauen in der Pensionsversicherung ist. Was tun wir aber, wenn Sie die Notstandshilfe abschaf­fen? Und das haben Sie ja vor; das steht auch im Regierungsübereinkommen. Dann ist diese Maßnahme sofort wieder obsolet.

Meine Damen und Herren! Frauenpolitik braucht mehr als Überschriften. Frauenpolitik braucht Mut, braucht Verstand und braucht Nachhaltigkeit. Wenn Sie diesen Weg gehen wollen, sind wir gerne dabei. Alles andere werden wir auch in Zukunft massiv zu verhindern versuchen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.47


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Dr. Spindelegger. – Bitte.

13.48


Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! (Ruf bei der SPÖ: Lieber ÖAAB!) Wenn man die drei Redner der SPÖ, die heute gesprochen haben, miteinander vergleicht, wird genau das offenbar, was wir ja in den letzten Wochen und Monaten von der SPÖ gesehen haben. Da gab es einen Vorsitzenden, Herrn Dr. Gusenbauer (Abg. Dr. Gusenbauer: Den gibt es noch immer!), bei dem klingt noch ein wenig Wehmut darüber mit, dass die SPÖ jetzt nicht in der Bundesregierung ist. (Ruf bei der SPÖ: Warum sind Sie nicht Minister geworden?) Wenn man die Personen in der zweite Reihe anschaut, Herrn Kollegen Cap und insbesondere Frau Mag. Prammer, dann weiß man, warum die SPÖ nicht in einer Bundesregierung ist. Das ist ganz offenbar geworden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren! Bei jemandem, der insbesondere wie Frau Mag. Prammer so viel negative Energie versprüht (Abg. Eder: Nicht so hochmütig sein, Herr Kollege!), da muss man sich fast um ihren Gesundheitszustand Sorgen machen. Das kann nicht gesund sein, meine Damen und Herren! (Rufe bei der SPÖ: Na geh!) So viel negative Energie! Alles ist schlecht und wird noch viel schlechter. – Es ist eben nicht so! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen. – Abg. Dr. Cap: Kein Kavalier! – Abg. Dr. Gusenbauer: Rüpelhaft ist das!)

Wenn ich mir vorstelle, dass heute Kollegen von den Sozialdemokraten anstatt der Freiheit­lichen hier auf der Regierungsbank säßen, frage ich mich: Wie sähe dann die Regierungserklä­rung aus? Wäre sie tatsächlich so viel anders? Wären die Problemsicht und die Lösungen völlig anders? – Meine Damen und Herren! Wohl nicht, denn auch eine SPÖ müsste akzeptieren und zur Kenntnis nehmen, dass die Pensionen gesichert werden müssen, weil die Menschen viel älter werden. (Abg. Dr. Gusenbauer: Unterste Schublade! – Abg. Dr. Cap: Wie ein Elefant im Porzellanladen!) Und ich nehme nicht an, dass Sie andere Maßnahmen vorschlagen wollen, als die erste Säule zu sichern.

Auch die SPÖ würde wohl nicht um das Problem herumkommen, das Gesundheitssystem zu sichern, indem man nach Möglichkeit die Leistungen für alle aufrecht erhält und indem man nicht so sehr hineinschneidet, dass man Leistungen kürzt, sondern dass man auch auf der Einnahmenseite für Geld sorgt. Das wäre wohl auch bei der SPÖ nicht anders.

Betreffend Staatsfinanzen: Wie könnte es anders sein, als dass eine Regierungspartei sorgfältig versucht, für die nächsten Jahre Sicherheit gerade für das soziale System zu geben?

Meine Damen und Herren! Kurz gesagt: Es wäre auch mit einer SPÖ in der Regierung bei den Maßnahmen nicht anders. (Abg. Mag. Prammer: Das ist ein Irrtum!) Es wären nur andere Köpfe dort. Aber: Diese Vorstellung, die Sie uns immer wieder in diesem Haus geben, nämlich drei Runden vorbeigehen zu lassen, ohne auch nur einen Vorschlag zu den wichtigen Themen Österreichs zu machen, meine Damen und Herren von der SPÖ (Abg. Dr. Gusenbauer: Wieso lügen Sie?), spricht für sich und das disqualifiziert Sie nach wie vor als Regierungspartner. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte aber auch auf die Grünen und auf Herrn Kollegen Van der Bellen eingehen, weil er in den Überschriften des Regierungsprogramms gesucht hat und das Thema Außenpolitik nicht gefunden hat. Auch das verwundert mich, Herr Kollege Van der Bellen (Abg. Dr. Van der Bellen: Mich auch!), denn wenn ich denke, wie lange Sie schon hier sind, wie lange Österreich in der Europäischen Union ist und wie sehr Sie wissen müssten, dass in jedem der einzelnen Kapitel Fragen der Europäischen Union, die ja mittlerweile zur Innenpolitik geworden sind, enthalten sind (Abg. Dr. Van der Bellen: Von Außenpolitik außerhalb!), dann vermute ich, Sie haben nur die Überschriften gelesen und sich den Inhalt des Regierungsprogramms offenbar nicht näher angesehen. Und das ist schade! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Wieso applaudiert die ÖVP nicht?)

Meine geschätzten Damen und Herren! In der Außenpolitik geht es um sehr weitreichende Fragen, die wir in dieser Legislaturperiode klären müssen. Das ist zunächst die große Frage, wie die Erweiterung der Europäischen Union vor sich gehen wird, mit welchen Begleitmaßnah­men und mit welchem Einsatz Österreichs in diesem Zusammenhang verfahren wird. Diesbe­züglich darf ich doch sehr an die gemeinsame Basis auch in diesem Hause, was Fragen der Europäischen Union betrifft, appellieren und darum ersuchen, dass wir in diesen Fragen konse­quent zusammenarbeiten. Vielen Österreichern scheint das noch so fern, was nächstes Jahr Realität wird, nämlich dass wir eine „Union der 25“ sein werden.

Manchen Österreichern sitzt die Angst im Nacken, dass mit der Erweiterung auf dem Arbeits­markt eine große Problematik auftreten wird. Und zu Recht müssen wir uns genau um dieses Anliegen bemühen. Darum ist die siebenjährige Übergangsfrist ein Instrument, das wir auch nützen müssen, meine Damen und Herren. (Abg. Dr. Cap: Was ist Ihr Redekonzept? Was wollen Sie uns sagen?) Ich meine, dass wir von der ÖVP mit unserem Regierungspartner zu Recht auch in diesem Regierungsprogramm darauf verwiesen haben, dass man mit dieser sie-


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benjährigen Übergangsfrist betreffend Arbeitsmarkt dafür sorgen muss, dass es in Österreich zu keinem Lohndumping und zu keinem Verdrängungswettbewerb für die Arbeitnehmer kommen wird. Darauf legen wir besonderen Wert, und das ist einer der Schwerpunkte! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte im Rahmen der Außenpolitik auf die EU-Präsidentschaft eingehen. Österreich wird im ersten Halbjahr 2006 wieder einmal den EU-Vorsitz innehaben – zum zweiten Mal seit unse­rem Beitritt in die Europäische Union. Dieser Vorsitz heißt, dass die Mitarbeiter im Außen­ministerium und die Frau Außenministerin dafür Sorge zu tragen haben – und ich bin davon überzeugt, das werden sie hervorragend bewältigen –, dass wir uns dann, wenn Österreich sozusagen in der Auslage steht, auch ein eigenständiges Programm für diese sechs Monate vornehmen und unsere österreichische Handschrift in einer erweiterten Europäischen Union zur Geltung bringen. Das ist eine sehr wichtige Aufgabe in der Vorbereitung. Da bedarf es großer Professionalität, und es bedarf auch der Zusammenarbeit aller Fraktionen dieses Hauses, damit wir uns auf der parlamentarischen Ebene entsprechend vorbereiten können. (Abg. Dr. Fischer: Ihr seid gar nicht im Amt zu diesem Zeitpunkt!) Und ich lade alle Fraktionen dazu ein, dass wir das rechtzeitig und in einem sehr engen Einvernehmen mit der Bundesministerin tun, damit auch das zu einer Erfolgsstory Österreichs wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Ich möchte ganz aktuell auf die Frage in der Außenpolitik eingehen, die viele Österreicher zur­zeit beschäftigt: Das ist die Frage, was im Irak passiert, ob ein Krieg dort nicht unabsehbare Folgen hätte. Diese Angst vor dem Krieg und seinen Konsequenzen ist auch in Österreich fast allgegenwärtig.

Darum möchte ich noch einmal darauf zu sprechen kommen, was wir auch schon in einer Aktuellen Stunde diskutiert haben. Wir wollen, dass es keinen Krieg gibt. Wir wollen nicht, dass Österreich zu einem Aufmarschland wird. Wir wollen, dass Österreich seine Souveränität in einer Auseinandersetzung sowohl zu Lande als auch in der Luft behält. Das ist ein ganz wichtiger und grundlegender Punkt für uns.

Wir wollen weiters, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Drehscheibe für eine politische Lösung bleibt – und für alle Zukunft bleiben muss. Und wir stehen selbstverständlich vollinhaltlich zur UN-Sicherheitsratsresolution 1441.

Außerdem, meine Damen und Herren, wollen wir, dass die internationale Staatengemeinschaft auch dahin gehend Druck auf den Irak ausübt, dass er abrüstet. Jede Art von Massenvernich­tungswaffen in der Hand eines Diktators stellt eine Gefahr für die ganze Welt dar. Niemand darf die Augen davor verschließen, sondern muss Druck ausüben, dass dieses Gefahrenpotenzial nicht mehr bestehen bleibt. (Abg. Öllinger: Wie steht es da mit den Waffenexporten?)

Darum stelle ich heute folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger, Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen betref­fend Irak-Krise

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, im Sinne des Beschlusses des Nationalen Sicherheitsrates über eine Empfehlung an die Bundesregierung zur Situation im Irak vom 29. Jänner 2003 sowie der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 17. Februar 2003 vorzugehen.“

*****

Ich lade Sie alle ein, diesem Entschließungsantrag beizutreten und ihn als ein Zeichen im Rahmen dieser Regierungserklärung mit zu beschließen, wo Österreich in dieser Frage steht.


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Ich möchte in diesem Zusammenhang auch auf einen weiteren Punkt in diesem Regierungs­übereinkommen hinweisen. Das ist die Zukunftsfrage der Europäischen Sicherheitspolitik. Wir wollen, dass diese Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik, wie wir sie derzeit haben, ausgebaut wird. Wir haben in diesem Regierungsprogramm den Willen dazu bekundet, dass wir als nächsten Schritt in die Richtung einer Beistandsverpflichtung der Europäischen Union gehen. Wir hätten gerne, dass diese Beistandsgarantie einmal zu einer Sicherheitsunion Euro­pas führt.

Das ist eine sicher noch dauernde Zielvorstellung, die nicht morgen umgesetzt wird. Aber, meine Damen und Herren, wenn jemand in Europa daran Interesse haben kann, dann sind es wir Österreicher, dass wir dann auch im Rahmen einer Arbeitsteilung für die Sicherheit unserer Bevölkerung noch mehr tun können als heute.

Ich halte das für eine wichtige Vorstellung und glaube daher, dass dieser Rahmen des Regie­rungsprogramms, und zwar Verantwortung zu tragen, zentral ist. Dieses Wort beinhaltet das, was wir in Österreich so dringend brauchen, nämlich Antwort. Wir brauchen nicht nur Fragen, wir brauchen auch Antworten – und diese finden sich in diesem Regierungsprogramm. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.57


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der von Herrn Abgeordnetem Dr. Spindelegger ver­lesene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

13.57


Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Spindelegger hat vorhin die Rede der Frau Abgeordneten Prammer beschrieben mit „negative Energie“ und hat das als Disqualifizierung für eine Regierungsbeteiligung der SPÖ hergenommen. – Ich finde die Kriterien, die da als Qualifizierung für eine Regierungsbeteiligung herangezogen werden, etwas kühn, vor allem dann, wenn man den Blick etwas in die Vergangenheit richtet.

Wir haben jetzt eine neue Regierung auf der Regierungsbank – nicht, weil wir am 24. November gewählt haben, sondern weil ein paar Monate vorher die damalige Regierung – und das war genau dieselbe – gescheitert ist.

Die Geschichte fängt eben nicht beim 24. November an, sondern die Monate vorher. Bezüglich des Schauspiels, das wir vorher erlebt haben, das viele Wählerinnen und Wähler erlebt haben, gibt es jetzt die reale Gefahr, dass sich das wiederholt. Ich möchte noch einmal kurz in Erinne­rung rufen, was sich da abgespielt hat.

Vor einem Jahr, ungefähr um dieselbe Zeit, war gerade das Temelín-Volksbegehren, das Anti-Tschechien-Volksbegehren am Laufen. Es gab einen immensen Streit innerhalb der Regierung und Rücktrittsdrohungen. Es hat geheißen, die Regierung könne so nicht weitermachen. Dann gab es eine Pressekonferenz mit dem Slogan „Kein Löschblatt geht zwischen uns“. Dann kam die Reise des Kärntner Landeshauptmannes nach Bagdad. Es folgten stundenlange Fernseh­diskussionen, in denen sich drei, vier Freiheitliche miteinander hingesetzt und gesagt haben: Wir sind doch noch beisammen! – Und das ging Monate hindurch! Streit, Zank, Hader, Monate hindurch! Letztendlich wurde ein Volksbegehren vom Kärntner Landeshauptmann angekündigt, der sagte: Wegen ein bisschen Regen darf man doch keine Steuerreform verschieben. Eine Volksbefragung hiezu wurde von der Vizekanzlerin angekündigt. Und am Ende: Knittelfeld! (Abg. Mag. Mainoni: Lauter Schauergeschichten!) – Das ist keine „Schauergeschichte“! Das war die Realität in den letzten Monaten vor dem Scheitern der Regierung! (Abg. Dr. Gusen­bauer: Das ist Geschichte!) – Das ist Historie – wegen ein bisschen Regen. (Abg. Scheibner: Lernen Sie Geschichte!)

Knittelfeld ist wohl auch eine Schauergeschichte. Aber letztendlich ist die Regierung geschei­tert. Dann hat es in Kärnten – das habe ich noch vergessen – einen Landeshauptmann gege-


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ben, der plakatiert hat: Ich habe die Abfangjäger verhindert! (Heiterkeit bei den Grünen. – Abg. Dr. Fischer: Schaurige Zeitgeschichte!)

Es war wirklich ein Schauspiel. Wir als Oppositionspolitiker haben schon gar nicht mehr ge­wusst, was wir sagen sollen. (Abg. Scheibner: Das passiert Ihnen leider öfter, dass Sie nicht wissen, was Sie sagen!) Jeden Tag wurden wir gefragt: Was sagen Sie zur Krise der Regie­rung? Wir haben wirklich schon nicht mehr gewusst, wie wir dieses Schauspiel kommentieren sollen.

Aber solche Kriterien anzulegen wie Stabilität, Sacharbeit, Zukunftsfestigkeit, das ist dem Kolle­gen Spindelegger nicht eingefallen, sondern die negativen Vibrations einer guten oppositionel­len Kritikrede haben ihm gereicht zu sagen, die Opposition, die SPÖ sei nicht regierungsfähig. (Abg. Mag. Mainoni: Die Grünen auch nicht!) Also diese Kriterien haben eine leichte Schief­lage. Finden Sie nicht auch? Eine leichte Schieflage muss ich da feststellen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat dann gemeint: Ich will Klarheit schaffen!, und er hat bekannt gegeben, dass Sacharbeit innerhalb dieser Regierungskonstellation nicht mehr möglich sei, und Neuwahlen ausgerufen, die dann auch durchgeführt wurden. Die FPÖ hat zwei Drittel ihrer Wählerinnen und Wähler verloren. Und letztendlich wird dieser Kurs jetzt fortgesetzt. Wolfgang Schüssel hat jetzt wiederum gesagt: Auf diesem mutigen Weg wollen wir weiter­gehen! – Ich finde, es ist wahrlich ein sehr mutiger Weg. (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ. – Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es tut mir Leid, dass ich diese zwei Historien so miteinander verknüpfen muss, aber ich denke, man kann die Zukunft dieses Kabinetts nicht ohne die Vergangenheit des letzten Kabi­netts sehen, weil es ein und dasselbe ist.

Die Regierung ist damals mit dem Ziel angetreten, das Budget zu konsolidieren. Jetzt müssen wir sparen, jetzt kommen die mageren Jahre, hat es geheißen. Ich mit meinem bescheidenen Hausver­stand denke (Abg. Mag. Mainoni: Das ist das Problem!), nach den mageren Jahren kommen die fetten Jahre. Also in der Bibel sind es jedenfalls sieben Jahre. (Abg. Scheibner: Hätten wir noch Zeit – vier Jahre!) – Hättet ihr noch Zeit, stimmt! Allerdings ist angekündigt worden, ab 2003 wird es eine Steuerreform geben und so weiter, da kommen die fetten Jahre. 1 Milliarde € bei den Pensionen, 1,2 Milliarden € im Gesundheitsbereich – das sind fette Jahre? Fette Jahre schauen ein wenig anders aus. (Abg. Mag. Molterer: Aber Sie haben eine längere Lebens­dauer ...!) – Stimmt, ich habe eine etwas längere Lebensdauer. Ich hoffe im Sinne der Österrei­cherinnen und Österreicher, dass diese mageren Jahre nicht ausschließlich auf diesem Kurs fortgesetzt werden, weil nämlich die Magerkeit auch wieder ungleich verteilt ist. Auf das komme ich später noch unter dem Thema Gerechtigkeit zu sprechen.

Das Kabinett Schüssel ist angetreten mit dem Vorsatz zu konsolidieren, zu sparen. Der SPÖ sind Vorwürfe gemacht worden, „Schulden-Rudi“ hat es in Richtung des ehemaligen Finanz­ministers Edlinger geheißen, wobei sich die ÖVP nicht mehr daran erinnern konnte, dass sie auch in der Regierung war und genauso diese Budgetpolitik der letzten Jahre zu verantworten hatte. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber Sie haben dann beim Sparen wichtige Bereiche wie zum Beispiel Infrastruktur, Bildung, Universitäten, Frauengerechtigkeit nicht in irgendeiner Form anders behandelt, sondern Sie sind über alle Bereiche drübergefahren, und das Ergebnis sehen wir jetzt in vielen Bereichen: Für den Bereich der Universität, der Schule, für die Frauenpolitik, aber auch für den Umwelt­schutzbereich waren es magere Jahre, und es werden weitere magere Jahre sein – leider, zu unserem Bedauern.

Sie hätten andere Möglichkeiten, andere Chancen gehabt, aber leider haben Sie diese Chan­cen nicht genutzt. Und es ist nicht bei uns die Mutlosigkeit gewesen, sondern die Mutlosigkeit gab es bei der ÖVP, einen anderen Weg einzuschlagen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Fischer.)


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In Richtung Freiheitliche muss ich noch etwas sagen. Die Freiheitlichen haben die Regierung aus mehreren Gründen platzen lassen: EU-Erweiterung, Temelín, Beneš-Dekrete und Steuerre­form nicht erst 2004. Temelín haben Sie vergessen, das ist irgendwie untergegangen. (Abg. Mag. Mainoni: Das haben die Grünen vergessen, die Anti-Atompolitik!) Die EU-Erweiterung ist jetzt kein Problem mehr für Sie, das begrüße ich. Die Steuerreform bekommen Sie jetzt erst recht 2004. Das hätten Sie auch billiger haben können! Sie haben jetzt Punkte im Regierungs­programm, die, glaube ich, für Ihre Wählerinnen und Wähler schwer verkraftbar sind, ich denke an die Benzinpreiserhöhung ohne ökologischen Lenkungseffekt und an die Eurofighter. Die Eurofighter müssen Sie jetzt auch noch finanzieren. Ich gratuliere Ihnen herzlich! Das war eine hervorragende Strategie, die Regierung wegen all dem, was Sie nicht haben wollten, platzen zu lassen und jetzt erst recht all das wieder mittragen zu müssen. Tolle Strategie, wirklich! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich komme jetzt zu meinem Fachbereich, dazu möchte ich auch noch ein paar Worte verlieren. Es ist mir aufgefallen, dass der Herr Bundeskanzler aus den Gesprächen mit uns viel mitge­nommen hat: Nachhaltigkeit, Klimaschutz, ökosozial, sogar ökosoziale Steuerreform war zu hören – Begriffe, hinsichtlich deren wir seit zehn Jahren darum ringen, ein Verständnis dafür zu schaffen, heute vorbildlich erklärt, ich bin wirklich stolz. Arbeit entlasten, Ressourcen belasten. Aber nicht überall, wo ökosozial draufsteht, ist auch ökosozial drinnen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ein paar Beispiele aus dem Umweltschutzbereich, wo ich enttäuscht bin. Klimaschutz ja, selbst­verständlich, dazu gibt es ein internationales Bekenntnis. Das hilft dem Mittelstand, hilft der kleinen Industrie, ist für das Baugewerbe wichtig. Aber warum dann nicht gleich? Warum muss man jetzt erst wieder warten, bis man die notwendigen Budgetmittel, die Arbeitsplätze schaffen, zur Verfügung stellt? (Abg. Mag. Molterer: Das ist aber das, dem Sie zugestimmt haben! Dazu haben Sie ja gesagt!)

Warum freuen Sie sich über eine ökosoziale Steuerreform, wenn Sie immer noch massive Schwächen darin enthalten haben? Ich verstehe nicht, warum Sie sich so über die große Anzahl an Neuzulassungen von Diesel-Pkws in Ihrem Regierungsübereinkommen freuen. In dem einen Satz heißt es, Sie freuen sich über die vielen Neuzulassungen von Diesel-Pkws, im anderen Satz heißt es, Diesel enthält krebsfördernde Partikel. Also irgendwie passt das nicht zusammen.

Wir brauchen eine konsistente Steuerreform, mit der man nicht nur die Preise erhöht, sondern auch die Wahlfreiheit gewährleistet. Das bedeutet: nicht die Nahverkehrsmöglichkeiten einzu­schränken, endlich den Schienenausbau in den Osten vorzunehmen, für die ÖBB mehr Mittel und nicht weniger zur Verfügung zu stellen. Man muss auch Alternativen schaffen, sonst wird das Autofahren für die Leute nur teurer, und ökologisch bringt es gar nichts. Ich glaube, das ist sehr einfach verständlich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Dazu haben Sie ja gesagt!)

Zweiter Punkt: Rückzug der öffentlichen Hand aus dem Bereich der Stromversorger, ein sehr heikles Thema. Letztes Jahr haben wir die Übernahme der E.ON, eines deutschen Atomriesen, beim Verbund diskutiert. Ich habe mir gedacht und gewünscht, diese Bundesregierung wird in ihr Programm zumindest hineinschreiben: Die österreichische Stromlösung soll unterstützt wer­den, es soll keine Atomstromimporte geben. Stattdessen steht tatsächlich drinnen: Rückzug der öffentlichen Hand. Das kann nur bedeuten, dass ausländische Atomstromkonzerne die österrei­chischen Energieversorger Schritt für Schritt übernehmen. Ich weiß nicht, was die FPÖ dazu sagt, die war ja irgendwann einmal angeblich eine Anti-Atompartei; das ist heute auch schon sehr heftig kritisiert worden. Ich glaube, dass das kein guter Weg ist. Eine österreichische Stromlösung sollte sich so entwickeln, dass wir wirklich einen starken Konzern haben, der in der Europäischen Union überlebensfähig ist.

Es gibt noch eine Reihe von anderen Punkten. Einen Punkt möchte ich noch aus dem Bereich der Landwirtschaft herausgreifen, weil es so absurd ist: Wir erhöhen auf der einen Seite die Dieselpreise für die normalen Verbraucherinnen und Verbraucher, für die Autofahrerinnen und


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Autofahrer, und auf der anderen Seite senken wir sie für den Bereich der Landwirtschaft. Ich habe nichts dagegen, für die Landwirtschaft etwas zu tun, aber warum muss es ausgerechnet etwas sein, was ökologisch völlig kontraproduktiv ist? Warum machen Sie das nicht zum Bei­spiel bei Biodiesel, bei irgendetwas Vernünftigem? – Sie lächeln jetzt, aber ich glaube, das ist für einen normalen Menschen nicht nachvollziehbar. 1 Milliarde Schilling, das ist viel Geld! (Bei­fall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Jetzt muss ich zu meinem Schlusssatz kommen. Diese Regierung behauptet, ihre Arbeit beruhe auf drei Eckpfeilern: auf Zukunftsfestigkeit, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit. Ich kann Ihr Pro­gramm nur subsumieren unter: Instabilität, Perspektivenlosigkeit und alles andere als Nachhal­tigkeit, nämlich indem Sie den Status quo festschreiben und Lobbyinteressen weiter vertreten, anstatt dass Sie einen mutigen Schritt in eine andere Richtung gehen. Leider! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.08


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

14.08


Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Das ist eine persönlich sehr emotional geführte Debatte. Nostalgische Erinnerungen werden da wach. Herr Cap hat schon bedauert, wie dynamisch damals die Stimmung war und wie gedrückt sie heute ist. Frau Glawischnig gibt sogar zu, dass die Opposition nicht gewusst hat, was sie sagen soll, weil die Regierung so geschlossen war (Widerspruch bei den Grünen – ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen), dass nicht einmal ein Löschblatt zwischen ÖVP und FPÖ gepasst hat. Es ist wirklich sehr interessant.

Manche allerdings benützen die Diskussion um die Regierungserklärung nicht dazu, die Haupt­punkte oder überhaupt die Themen der Regierungserklärung zu durchleuchten, von mir aus auch anzugreifen oder zu kritisieren, sondern vor allem dazu, sie lächerlich zu machen, sie zu verhöhnen und auch die Regierungsparteien herabzuwürdigen. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, meiner Meinung nach ist es nicht Stärke, wenn man einen Regierungs­partner oder eine politische Partei herabwürdigt, sondern ganz im Gegenteil, das ist ein Zeichen von Schwäche. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Van der Bellen! Sie haben gestern im Fernsehen – ich habe es zufällig gehört – förmlich einen Ausbruch bekommen, was alles die Freiheitliche Partei als Regierungs­partner ist: letztes Aufgebot, das haben wir heute auch schon gehört, die uninteressanteste Variante, die unattraktivste Variante. (Abg. Haidlmayr: Was ist daran falsch?) Ich frage mich wirklich, Herr Abgeordneter Van der Bellen: Welche Schwäche verbergen Sie hinter diesen An­griffen?

Meiner Meinung nach kann es nur die Schwäche sein, dass Sie sich nicht getraut haben, mit Ihrer Grün-Partei Regierungsverantwortung zu übernehmen und am Reformkurs Österreichs teilzunehmen, der schon dringend notwendig war, sondern es vorgezogen haben, in der Oppo­sition zu bleiben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei den Grünen.) – Natürlich, Sie haben sich davor gescheut, weil unpopuläre Maßnahmen notwendigerweise gesetzt werden müssen, weil einschneidende Änderungen im Pensionsrecht vorgenommen werden müssen, um auch den Jugendlichen, die heute im Arbeitsprozess stehen, die Sicherheit zu geben, ein­mal eine Pension in Anspruch nehmen zu können, weil das Gesundheitssystem reformiert wer­den muss, um den hohen medizinischen Standard, den wir in Österreich haben, auch weiterhin gewährleisten zu können.

Die FPÖ bekennt sich zu diesem Reformkurs, weil er für Österreich notwendig ist! Wir sind weder die uninteressanteste noch die unattraktivste Variante, sondern wir sind die einzige und die beste Alternative, die es für die Österreichische Volkspartei gegeben hat, meine sehr geehr­ten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Khol.)


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Und wenn Herr Abgeordneter Gusenbauer scheinheilig fragt, wieso eigentlich jetzt ein so großer Reformbedarf vorhanden ist, dann möchte ich Sie, Herr Abgeordneter Gusenbauer, ersuchen: Erforschen Sie doch einmal Ihr Gewissen! Lassen Sie die letzten Jahrzehnte Revue passieren! Es genügen bereits die letzten 15 Jahre, in denen die Sozialdemokratie in Österreich die domi­nierende politische Kraft war. Da sind die Reformen wirklich auf der Strecke geblieben. Da hat es keine Reformen gegeben! Schütteln Sie nicht den Kopf! Ich kann mich doch ganz genau erinnern, wir waren ja sogar einmal in einer Koalition: 1986, Herr Abgeordneter, haben wir Frei­heitlichen gesagt, wir brauchen dringend ein modernes Pensionssystem, weil das bisherige Pensionssystem, das auf dem ASVG aus 1955 fußt, in der Zukunft nicht mehr tragbar sein wird. Wir haben damals ein Drei-Säulen-System mit einer 15- bis 20-jährigen Vorlaufzeit gefordert. Wäre das damals umgesetzt worden, hätten wir jetzt oder in zwei, drei Jahren bereits ein funktionierendes Pensionssystem und müssten uns nicht mit dem Thema Pensionen herum­raufen.

Damals hat Sozialminister Dallinger nein gesagt, und in der Folge hat es dann ein Dahin­wurschteln nach dem anderen gegeben. Es hat immer wieder geheißen, mit dieser Pensions­reform wird über Jahre hinweg die Pensionsfrage gelöst sein. (Abg. Dr. Gusenbauer: Das haben Sie 2000 auch gesagt!) Das hat dann ganze zwei oder drei Jahre gedauert, und es war schon wieder notwendig, die Pensionsgesetze anzupassen. So war es! Nehmen Sie das doch endlich einmal zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wie haben in den letzten zweieinhalb Jahren die Basis für eine erste Säule, zweite Säule und auch für die dritte Säule gelegt. Damit haben wir den Grundstock für ein Pensionssystem ge­legt, wie es die meisten OECD-Staaten haben, und damit ist auch sichergestellt, dass die jetzt in den Arbeitsprozess eintretenden Personen auch noch zu einer Pension kommen. (Abg. Dr. Gusen­bauer: Mitnichten!)

Herr Van der Bellen! Sie haben heute den Dampf und die Kraft in der Regierung vermisst. Wissen Sie, man schließt ja immer von sich selbst auf die anderen. Vielleicht vermissen Sie deshalb Dampf und Kraft, weil Sie, weil Ihre Grün-Partei diese Kraft und diesen Dampf nicht ge­habt haben, um die notwendigen Reformen durchzuführen. Erforschen auch Sie einmal Ihr Ge­wissen! Ihnen wäre die Möglichkeit gegeben worden, an der Reform Österreichs mitzu­arbeiten. Kritisiert haben Sie ohnedies bereits genug, jetzt hätten Sie einmal etwas Konstruktives tun können, aber diese Chance haben Sie verpasst.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ebenfalls ist heute spöttisch gefragt worden: Wo ist die blaue Handschrift in dieser Regierungserklärung? Die neue Bundesregierung hat – so wie die alte, die seit zweieinhalb Jahren im Amt gewesene Bundesregierung – die Verbesserung der Situation der Staatsfinanzen und die Gesundung des Staatshaushaltes zum Mittelpunkt ihrer Regierungstätigkeit gemacht und der Schuldenpolitik eine Absage erteilt, denn Schulden von heute sind die Steuern von morgen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wie dringend es war, diese Gesundung der Finanzen in den Mittelpunkt zu stellen, zeigt ja, dass wir, wenn wir so weitergewurschtelt hätten wie unter sozialistischen Finanzministern, ebenfalls Gefahr gelaufen wären, den berühmten blauen Brief aus Brüssel zu bekommen – so wie andere Staaten. (Abg. Dr. Gusenbauer: Dafür haben Sie den blauen Brief von den Wählern bekommen!) Das ist verhindert worden durch die Tätigkeit der Freiheitlichen in der Regierung. Dieser Kurs wird jetzt fortgesetzt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Heute ist der Herr Bundeskanzler verhöhnt worden, weil er bei der vorigen Regierungserklärung gesagt hat, dass die Wirtschaftsdaten so positiv sind. Sie waren auch sehr viel positiver vor drei Jahren. Wenn Sie die Wirtschaft außerhalb Österreichs beobachten, sehen Sie, dass es ja weltweit eine Wirtschaftskrise gibt. (Abg. Mag. Wurm: Wer hat regiert?) Fragen Sie doch nicht: Wer hat regiert?! Auf der ganzen Welt regiert nicht Blau-Schwarz, Frau Abgeordnete Wurm (Rufe bei der SPÖ und den Grünen: Gott sei Dank! Gott sei Dank!), sondern da gibt es die ver­schiedensten Regierungen, und überall sind schlechte Wirtschaftsdaten zu verzeichnen.


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Trotz der schlechten Wirtschaftslage ist es dem Finanzminister und dieser blau-schwarzen Regierung gelungen, die Staatsfinanzen so zu sanieren, dass 2001 zum ersten Mal seit Jahr­zehnten ein Nulldefizit erreicht werden konnte, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap: Ist das Ihr Finanzminister?)

Die freiheitliche Handschrift – da freue ich mich ganz besonders, Ihnen das in Erinnerung rufen zu können – ist gerade im Finanzbereich, im Wirtschaftsbereich zu erkennen. (Abg. Dr. Cap: Ist das Ihr Finanzminister?) – Herr Abgeordneter Cap! Ihre Regierung hat seinerzeit die 13. Um­satzsteuervorauszahlung eingeführt. Diese Regierung wird diese 13. Umsatzsteuervorauszah­lung abschaffen und damit etwas sehr Positives für die Klein- und Mittelbetriebe machen. Es wird weiters eine Regelung geben, die zur Entlastung nicht entnommener Gewinne führen wird. Und vor allem – nehmen Sie das zur Kenntnis! – werden 200 000 Österreicher weniger Steuern bezahlen. Darüber gibt es keine Diskussion, sondern darauf können Sie mit uns stolz sein. (Bei­fall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Van der Bellen hat heute, glaube ich, gesagt, er hat die Integration vermisst. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Offensichtlich hat Herr Van der Bellen samt seiner Grün-Fraktion die vorige Legislaturperiode verschlafen. Wir haben doch ein großes Integrationspaket in der vorigen Legislaturperiode geschnürt (Abg. Mag. Lunacek: Das kennen wir!), in dem wir die Ein­führung der Deutschkurse, die Kenntnis der Landessprache als wichtigste Basis für die Integra­tion in Österreich festgeschrieben haben. Wir haben weiterhin im Regierungsprogramm „Inte­gration vor Neuzuzug“ verankert. Ich bin auch froh darüber, dass es unter dem Einfluss der Freiheit­lichen zu einer entscheidenden Verbesserung des Asylrechtes kommen wird, um Missbräuche zu vermeiden und auch um die Rechtssicherheit zu erhöhen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ganz frivol finde ich es, davon zu reden, dass die neue Regierung aus der Verantwortung flieht, dass sie verantwortungsscheu ist. Denn mehr Verantwortung als diese Regierung zu übernehmen, das ist schon nicht mehr möglich. (Iro­nische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.) Diese Regierung übernimmt Verantwortung für die Forschung, für die Pensionen, für die Behinderten, für die Frauen, für die Gesundheit. – Sie lachen, weil Sie damals den Grundstein dafür gelegt haben, dass es in Österreich jetzt einen so großen Reformbedarf gibt, sehr geehrter Herr Abgeordneter Gugerbauer, Gusenbauer. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Das war jetzt ein guter Witz!) Gusenbauer!

Die Opposition beklagt sich immer wieder darüber, dass über sie drübergefahren wird. Aber es ist Ihnen sowohl im Rahmen der Debatte über diese Regierungserklärung als auch bei vorigen Debatten immer wieder angeboten worden, sich am gemeinsamen Dialog zu beteiligen. Alle Minister haben Ihnen versichert, dass Sie als Opposition ebenfalls Gewicht haben sollen. Nützen Sie diese Gelegenheit, und verschwenden Sie nicht Ihre Zeit mit ständig neuem Kritisie­ren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.19


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster ist von der Regierungsbank aus Herr Bun­desminister für Finanzen Mag. Grasser zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.20


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Kollegen und Kolleginnen auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Wir haben in den letzten drei Jahren saniert, wir haben reformiert, und wir haben damit eine gute Basis für die Zukunft unseres Landes geschaffen. Wenn Sie vergleichen, wo andere euro­päische Länder derzeit stehen, wenn Sie nach Deutschland schauen und sehen, dass mehr als 4,5 Millionen Menschen arbeitslos sind, wenn Sie sehen, dass massiv sehr hohe neue Schulden aufgenommen werden, dann wird Ihnen vor Augen geführt, andere Länder, ob es Deutschland ist, ob es Frankreich ist, sind in ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik vom Zusam­menbruch bedroht, wir können mit Optimismus, mit Gestaltungswillen einen neuen Aufbruch starten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Wir müssen in Österreich erst ein Bewusstsein schaffen, dass es nicht mehr darum geht zu sagen, unser großer Nachbar ist das Vorbild, als das er lange Zeit gegolten hat, nicht mehr „Made in Germany“, sondern dass wir stolz sein können auf den Weg der letzten drei Jahre, der dazu geführt hat, dass es jetzt mehr um „Made in Austria“ geht. Wir werden uns die besten Länder der Welt und die besten Länder Europas zum Vorbild nehmen, und das wird gut sein für unsere Arbeitnehmer, für die Beschäftigung, für die Wirtschaft, für die Klein- und Mittelbetriebe und für die Industrie in unserem Land.

Der Bundeskanzler und der Vizekanzler dieser Bundesregierung, diese Koalition ist bereit, diese Verantwortung zu übernehmen, weil wir eine klare Konzeption für Österreich, ein Pro­gramm für Österreich haben: mittelfristig angelegt, transparent, überprüfbar, ein Programm, das in der Finanzpolitik drei wesentliche Zielsetzungen hat: erstens (Abg. Dr. Gusenbauer: Mehr Belastungen!) – ich betone es – einen ausgeglichenen Haushalt über den Konjunkturzyklus, zweitens eine grundlegende Entlastung – die größte Steuerreform in der Geschichte der Zweiten Republik ist unser Ziel – und drittens natürlich eine fokussierte Wachstumsstrategie dadurch, dass wir in Forschung und Entwicklung, in Bildung und in Infrastruktur investieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Eder: Ankündigungen, Ankündigungen, alles Ankündigungen!)

Wenn Sie gesagt haben, das Nulldefizit ist uns nicht mehr wichtig, dann sage ich Ihnen, meine Damen und Herren, wir haben einen sichtbaren Wendepunkt geschaffen. Mit dem Jahr 2001 haben wir 0,3 Prozent Überschuss gemacht – in Österreich das erste Mal seit mehr als 30 Jah­ren. Wir hatten im Jahr 2002, in einem Jahr, das von einer weltweit schwachen konjunkturellen Situation geprägt war, ein Defizit von 0,6 Prozent – Deutschland hatte eines von über 3 Pro­zent, Frankreich eines von über 3 Prozent, Portugal eines von über 3 Prozent. Wir haben im inter­nationalen Vergleich hervorragend abgeschnitten, deshalb, weil wir von diesem Weg über­zeugt sind, deshalb, weil wir wissen, dass dauerhafte Defizite zu immer mehr Schulden führen (Abg. Dr. Gusenbauer: Wann kommt wieder das Nulldefizit?), dass immer mehr Schul­den zu immer mehr Zinszahlungen führen. 7 Milliarden € sind es, Herr Abgeordneter Gusen­bauer, die wir Ihrer Schuldenpolitik zu verdanken haben, und auf Grund dieser hohen Zinszah­lungen musste man natürlich die Steuern erhöhen. Wer zahlt es? Die Bevölkerung hat diese Zinsen zu zahlen, und damit wird weniger investiert in Österreich, wächst unsere Wirtschaft langsamer, und damit haben wir weniger Beschäftigung und mehr Arbeitslosigkeit.

Das ist ein Weg, den wir nicht wollen! Deswegen haben wir diese Wende vollzogen, deswegen sagen wir nach wie vor, Hochkonjunktur muss einen Überschuss bringen, Rezession ein Defizit, damit man gegensteuern kann. Das ist eine Politik mit Hausverstand, und das bleibt unsere Politik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Wann gibt es wieder ein Nulldefizit? Wann? Wann?)

Sie fragen, wann es das nächste Nulldefizit gibt: Natürlich muss man die Konsolidierung fortset­zen, damit man sich diese Steuerreform leisten kann. Meine Damen und Herren, wenn Sie zu­rückdenken, was haben wir immer gesagt? Wir haben immer gesagt, wir brauchen ein Nulldefi­zit dafür, damit wir uns eine Steuerreform leisten können. Was tun wir jetzt daher? Wir setzen die Konsolidierung fort. Wenn Sie sich unseren Konsolidierungspfad vor der Steuerreform an­sehen, dann kommen Sie darauf, dass wir im Jahr 2005 praktisch wieder ein Nulldefizit haben, im Jahr 2006 einen Überschuss. Das war für uns immer die Grundvoraussetzung, um sagen zu können, wir können uns eine Steuerreform leisten, weil es uns wichtig ist, dass alle am erfolg­reichen Kurs dieser Bundesregierung teilhaben können. Und deswegen sind wir in der Lage, einen ersten Schritt nicht erst im biblischen siebenten Jahr zu machen, sondern bereits im fünften Jahr; wir sind also Gott sei Dank ein bisschen schneller.

Der erste Schritt wird 2004 gesetzt: Mehr als zwei Millionen Österreicherinnen und Österreicher werden durch die Steuerfreiheit des Einkommens bis zu einer Höhe von 14 500 € begünstigt – ein ganz wichtiger Punkt zur Armutsbekämpfung. Weiters kommt es zu einer Eigenkapitalstär­kung für unsere Betriebe dadurch, dass die nicht entnommenen Gewinne begünstigt besteuert werden, und zu einer Abschaffung der 13. Umsatzsteuervorauszahlung, weil auch in Österreich das Jahr nur zwölf Monate hat. Es ist wichtig, diese Belastung wegzunehmen.


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Der zweite Schritt erfolgt im Jahr 2005: eine groß angelegte Entlastung im Ausmaß von 2,5 Mil­liarden €.

Daher, meine Damen und Herren: Wir agieren, wir handeln, wir schaffen Zukunft für mehr Ein­kommen, für mehr Wohlstand, für mehr Beschäftigung in Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.25


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner am Wort ist Herr Bundes­minister Dr. Bartenstein. – Bitte, Herr Bundesminister.

14.25


Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Herr Bun­deskanzler! Meine geschätzten Kollegen auf der Regierungsbank! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung formuliert, dass ein erfolgreicher Standort die beste Zukunftssicherung sei. Ich meine, der Standort Österreich ist erfolgreich, und der Vergleich macht uns sicher: Hat unser Finanzspre­cher Günter Stummvoll noch von vier Millionen Arbeitslosen in Deutschland gesprochen – das war im letzten September/Oktober der Fall –, hat unser Finanzminister gerade noch von 4,5 Mil­lio­nen Arbeitslosen gesprochen, müssen wir heute die Meldungen der deutschen Bundesanstalt für Arbeit zur Kenntnis nehmen: 4,7 Millionen Arbeitslose im Februar (Rufe bei der ÖVP: Rot-Grün! Rot-Grün!), der zweithöchste Wert seit der Wiedervereinigung, und das bei einem Trend, wonach im Jahresabstand nicht weniger als 410 000 Arbeitslose mehr und 83 000 Beschäftigte weniger zu beklagen sind. Und es sind längst nicht mehr nur die neuen Bundesländer betroffen, sondern in den so genannten alten Bundesländern sind drei Viertel dieses Anstiegs zu ver­zeichnen.

Es ist nicht nur die Arbeitslosigkeit, und das passt ja zusammen: Gehen Karl-Heinz Grasser und ich von einem Wachstum von 1,4 Prozent in diesem Jahr für Österreich aus, hat das Institut für Weltwirtschaft der Uni Kiel gerade heute seine Prognose für Deutschland auf 0,4 Prozent zurückgenommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Vergleich macht uns sicher, wir sind mit dem Standort und für den Standort Österreich auf besserem Kurs! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Wählerauftrag des 24. November war für uns auch eine Bestätigung des Reformkurses der letzten drei Jahre. Wir wollen diesen maßvollen Kurs der Deregulierung, der Liberalisierung und der Flexibilisierung der Wirtschafts- und Arbeitswelt weitergehen. Wir wollen den Standort Österreich in die Top Drei Europas bringen, zum Teil sind wir schon dort. In Sachen Arbeits­losigkeit sind wir die Drittbesten Europas, wenngleich uns jeder Arbeitslose zu viel ist.

In Sachen Wachstum sind wir deutlich besser als unsere Nachbarn. Erstmals – und da bedanke ich mich bei unserer Exportwirtschaft, zum Großteil mittelständisch strukturiert –, erstmals seit Menschengedenken haben wir einen Handelsbilanz- und auch einen Leistungsbilanzüber­schuss; auch der Tourismus hat seinen Anteil dazu beigetragen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dabei gilt unser Ziel: wirtschafts- und arbeitsmarktpolitisch Vollbeschäftigung und höhere Be­schäftigungsquoten für diejenigen Berufsgruppen und Geschlechtergruppen, die unterrepräsen­tiert sind. Das sind die Frauen, das sind die älteren Arbeitnehmer. Hier wollen wir in vier Jahren deutlich höhere Beschäftigungsquoten haben als heute – bei den Frauen sind es 65 Prozent.

Deswegen sagt die Bundesregierung jetzt und auch schon in den letzten Monaten, gerade jetzt, in der Talsohle der Konjunktur, in der Talsohle des Arbeitsmarktes, gilt es zu investieren. Ge­meinsam mit den Sozialpartnern, die in diesem Prozess eine sehr wichtige Rolle spielen, haben wir ein Konjunkturpaket im September letzten Jahres in Höhe von nicht weniger als 1,1 Milliar­den € beschlossen. Wir werden im Jahre 2005 kumuliert insgesamt 3 Milliarden € an Entlastun­gen an die Wirtschaft, an die Konsumenten weitergegeben haben. Wir werden – ich hoffe,


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gemeinsam mit den Sozialpartnern – in Sachen Arbeitszeitflexibilisierung entscheidende Fort­schritte erzielen. Das betrifft das Arbeitszeitgesetz, das Thema Ladenöffnung werden wir schon in Kürze ins Parlament einbringen. Ich hoffe, dass das gesamte Hohe Haus beim Anspruch auf Teilzeitarbeit für Eltern von Kindern im Vorschulalter mitgehen kann.

Wir widmen uns besonders den Zielgruppen der jungen Arbeitnehmer und der älteren Arbeit­nehmer: Aktion 25/50. Warum? Weil in schwierigen Arbeitsmarktzeiten diese beiden Bevölke­rungs- und Altersgruppen stärker betroffen sind als andere. Nicht weniger als zehn Punkte sind es, die hier zum Teil schon umgesetzt sind. Denken Sie an das massive Qualifizierungspro­gramm für junge Arbeitnehmer! Denken Sie an das massive Programm zu Gunsten mittelständi­scher Betriebe im Sinne der Lehrlingsausbildungsprämie! Hier soll ein Recht auf Qualifizierung für arbeitslose Menschen unter 25 und über 50 hinzugefügt werden. Ich glaube, das ist für die Sozialpartner ein interessanter Ansatzpunkt, ihre Verhandlungen zum Thema Zumutbarkeit abzuschließen. Ein Altersübergangsgeld für jene Menschen, die trotz aller Maßnahmen arbeits­los werden, am Ende ihrer Erwerbsbiographie auf dem Weg zur Pension wird eine Ab­fede­rungsmaßnahme sein, die ganz im Sinne der älteren Arbeitnehmer gelegen sein wird, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heit­lichen.)

Es bedarf, obwohl es diesbezüglich in Österreich deutlich besser bestellt ist als in Deutschland, in Frankreich oder anderswo, einer weiteren Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Dazu liegen die Vorschläge der Experten des AMS bereits auf dem Tisch.

Vieles von dem, was Deutschland jetzt doch nicht umsetzt – Stichwort: Hartz –, haben wir in Österreich längst verwirklicht. Aber wir sollten in Sachen Frühwarnsystem, in Sachen Zielvor­stellung, dass jeder Arbeitslose binnen 90 Tagen vermittelt sein sollte, in Sachen Arbeitslosen­versicherung, in Sachen Zugangsmöglichkeiten, und zwar nicht nur für Selbständige, sondern auch für neue Gruppen von Arbeitnehmern, gemeinsam vorangehen. Das gilt auch für die noch ausständigen Maßnahmen zur Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten. In diesem Punkt setze ich ganz stark auf Sie, meine sehr verehrten Vertreter der Sozialpartnerschaft, aber auch auf Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.31


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Verzetnitsch. Ihre Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.31


Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Bundesregierung! Hohes Haus! Der Herr Bundeskanzler hat heute in der Einleitung der Regierungserklärung gesagt:

„Diese Regierung steht für eine Politik, die den Menschen nichts vorgaukelt, sondern eine Poli­tik, die die Dinge aufrichtig beim Namen nennt.“

Was müssen sich die angesprochenen Menschen denken, wenn sie sich zurückerinnern – es ist nun fünf Monate her, fast auf den Tag genau – an die Äußerungen der derzeitigen Frau Bun­desminister Rauch-Kallat, wonach es zu keiner Anhebung des Frühpensionsantrittsalters kommen wird?

Was müssen sich die Menschen denken, Herr Bundeskanzler, wenn Sie vor kurzem beim „Run­den Tisch“ in Übereinstimmung mit dem Vizekanzler auf die Frage: Wie geht es in Österreich weiter?, gemeint haben – zu Recht gemeint haben! –: Wir sind eines der reichsten Länder der Welt, da müssen wir uns doch – das ist Ihre Formulierung – auch die Abfangjäger leisten können!, und fünf Minuten später auf die Frage nach der sozialen Sicherheit gesagt haben: Da ist Sparen angesagt!? (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel.)

Was müssen sich die Menschen denken, wenn man die soziale Sicherheit aller Österreicherin­nen und Österreicher als nicht mehr finanzierbar darstellt, aber Abfangjäger als finanzierbar


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bezeichnet? Das ist ein Widerspruch, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn der Herr Bundesminister soeben von der tragischen Entwicklung des Arbeitsmarktes in der Bundesrepublik Deutschland sprach, dann weise ich auch auf die tragische Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Österreich hin. Es ist nach wie vor ein ungelöstes Problem, dass Jugendliche Ausbildungsplätze suchen und keine finden! Es ist nach wie vor ein ungelöstes Problem, dass ältere Menschen, ab 40 und 50 Jahren, sich wochen-, ja monatelang um Arbeit bemühen, aber keine Arbeit finden! Dennoch geht diese Bundesregierung her und sagt: Wir müssen bei den Frühpensionen eine Verschärfung vornehmen, das ist nicht mehr finanzierbar!

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! Wo ist denn da der Mut zur Lebensstandardsicherung? Wo ist denn da der Mut, tatsächlich das umlagefinanzierte Pen­sionssystem auch für die Zukunft zu sichern? (Abg. Kopf: Man braucht auch Geld dazu, nicht nur Mut!) Sie verweisen immer nur auf die zweite und die dritte Säule!

Sie werden in wenigen Wochen mit uns gemeinsam darüber zu diskutieren haben, wie es denn mit der Zinsgarantie bei der so genannten privaten Pensionsvorsorge aussieht! Sie werden mit uns gemeinsam darüber zu diskutieren haben, wie denn die betriebliche Pensionsvorsorge in jenen Fällen, bei welchen heute schon beklagt wird, dass mit fünf bis sieben Prozent Verlust der Betriebspensionen zu rechnen ist, finanzierbar ist! (Beifall bei der SPÖ.) Da verlässt Sie nämlich der Mut, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! (Abg. Kopf: An der demographischen Entwicklung kommen auch Sie nicht vorbei!)

Wenn Sie die so genannte „Hackler-Regelung“ als einen so großen Erfolg bezeichnen, möchte ich Ihnen sagen: Wir werden gespannt sein, wie sie tatsächlich aussehen wird. Vergessen wir nicht, dass nur 30 Prozent der Männer und nur 10 Prozent der Frauen, die derzeit in der Arbeits­losigkeit sind, den Kriterien überhaupt entsprechen!

Was ist mit den 90 000 Männern und Frauen, die eben durch die derzeitige Arbeitsmarktsitua­tion ganz besonders betroffen sind? Was ist mit jenen, die im öffentlichen Dienst abgebaut werden sollen? Setzt die Bundesregierung damit fort zu sagen: Wir sind gegen Frühpensionie­rungen!, während sie im eigenen Bereich genau das macht mit der „Aktion 55“, einem „golden handshake“ oder einer Karenzierung, damit man es nicht merkt? – Das kann nicht die Politik der Zukunft sein, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Sozialdemokraten sind in dieser Frage nicht dafür, dass man nach dem Prinzip „Geld ein­treiben“, um eine Milliarde einzusparen, vorgeht und dann wieder überfallsartig anhebt, wäh­rend auf dem Arbeitsmarkt das Prinzip „Hoffnung“ gelten soll.

Haben wir doch den Mut, Arbeitsmarkt und Pensionssystem miteinander zu koppeln! Wer hin­dert uns daran zu sagen: Ab einer gewissen Entwicklung bei den Arbeitslosen gibt es eben keine Weiterentwicklung der Frühpensionspläne, wie Sie sie vorhaben!? Haben Sie doch den Mut dazu, solche Dinge anzugehen, dann werden wir eine andere Situation haben als die, die wir heute vorfinden! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist auch beim Gesundheitssystem so: Da wird wieder der Verwaltungsaufwand in die Höhe getrieben. Sie wissen ganz genau, dass Österreich einen extrem niedrigen Verwaltungsaufwand im Sozialbereich hat, der noch dazu gedeckelt ist bis zum Jahr 2003, und zwar mit der Höhe der Verwaltungskosten des Jahres 1999. Da können wir dann über Verschleuderungen im Verwaltungssystem reden. Nehmen Sie doch Ihre eigenen Experten ernst, zum Beispiel Herrn Direktor Wetscherek, der sagt, Ihr Plan, dass die Unfallver­sicherung aufgeteilt werden soll, sei ein falscher Weg!

Gehen wir doch den Weg, mehr Kapazität in die Unfallversicherung zu bringen, die Kompetenz, die dort vorhanden ist, zu erhalten, anstatt eine Aufteilung vorzunehmen, nur weil es in Wirk­lichkeit in Ihre Farbenspiele hineinpasst! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kopf: Jetzt widersprechen Sie sich!)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Richtigerweise hat der Herr Bundesminister auf die Aktionen für unter 25-Jährige und über 50-Jährige hingewiesen. Aber ich wiederhole noch einmal: Wir vermissen konkrete Aktionen für Jugendliche und für ältere Arbeitnehmer.

Weil die Arbeitszeit angesprochen worden ist: Herr Bundesminister! Sie wissen mindestens so gut wie ich, welche Flexibilisierungsmöglichkeiten wir heute schon im Arbeitsrecht haben. Ihre Absichten sind nach wie vor evident: ein Normalarbeitstag mit zehn Stunden und die Individuali­sierung des Arbeitszeitrechtes. – Das ist nicht unser Weg! Der Kollektivvertrag muss mit dem Arbeitszeitgesetz gemeinsam bestimmender Weg sein!

Wenn Sie im Zusammenhang mit der Frage der Ladenöffnungszeiten auf die Samstagarbeit hinweisen und sagen, es sei ein Zwang, dass nur jeden zweiten Samstag gearbeitet werden soll (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen) – ich bin schon beim Schluss­satz! –, dann muss ich sagen: Dabei geht es um ein Recht, das dafür sorgt, dass auch die Beschäftigten im Handel jeden zweiten Samstag frei haben.

So ähnlich verhält es sich auch im gesamten Bereich der Industrie. Keine Verschleuderung, sondern eine Weiterentwicklung des Industriesystems ist angesagt!

Leider fehlt mir die Zeit, noch auf viele andere Punkte einzugehen. Aber ich freue mich auf diese Auseinandersetzung hier im Hohen Haus, auf eine bessere Politik. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.37


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Grillitsch. – Bitte.

14.37


Abgeordneter Fritz Grillitsch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren von der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Das ist eine sehr interessante Diskussion. Wenn wir von Nachhaltigkeit sprechen, dann behaupte ich, dass dieses Programm der neuen Bundesregierung das nachhaltigste Zukunftssicherungsprogramm ist, und zwar umfassend (Zwischenruf des Abg. Gradwohl), und kein Konzept der Vergangen­heit, lieber Heinz Gradwohl, Tarife zu erhöhen und Schulden zu machen, sondern ein Konzept, über Reformen nachzudenken und Kraft zu beweisen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Mut und Unternehmungsgeist und Reformkraft zeichnen dieses Programm aus und vor allem die Ehrlichkeit, den Menschen zu sagen, was möglich und was nicht möglich ist. Die Menschen draußen – das ist heute schon gesagt worden – sind viel realitätsbewusster als so manches Mitglied hier im Hohen Haus. Lassen Sie mich das auch sagen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die Gespräche und die Verhandlungen haben gezeigt, dass unser Bundeskanzler und mit ihm die ÖVP jene Kraft ist, die mit allen reden kann – die Kraft der Mitte, die Themen angehen kann. Meiner Meinung nach haben diese Gespräche einen positiven Aspekt, weil Fragen der Nachhaltigkeit gesellschaftspolitisch sensibilisiert worden sind und wir jetzt die Mög­lichkeit haben, hier auch entsprechende Akzente zu setzen.

Ich sage auch ganz offen als Bauernvertreter hier im Hohen Haus: Von all den möglichen Pro­grammen, die es gegeben hätte, ist das Programm, das wir jetzt mit der FPÖ zustande gebracht haben, für die nachhaltige Einkommenssicherung der Bauern das beste! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir stehen vor großen Herausforderungen: vor der EU-Erweiterung, vor den WTO-Verhandlungen und vor der GAP-Reform. Bei der GAP-Reform wird es notwendig sein, für die bäuerlichen Familien Planbarkeit und Sicherheit in die Programme aufzunehmen, damit sie auch in Zukunft den Anforderungen der Gesellschaft gerecht werden können, nämlich


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sichere Lebensmittel zu produzieren (Beifall bei der ÖVP), diese umweltgerecht zu produzieren, die Landschaft offen zu halten und auch Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen.

Ich bin sehr froh darüber, dass in diesem Regierungsprogramm explizit das 3-Milliarden-€-Paket für die bäuerlichen Familien abgesichert worden ist – das war mit der SPÖ und mit den Grünen nicht möglich –, dass es eine Betriebsmitteloffensive für die bäuerlichen Familien und eine Sen­kung des Agrardieselpreises geben wird.

Ich bin auch sehr froh darüber, dass ebenso die Themen des ländlichen Raumes angeschnitten worden sind. Ich begrüße es, dass man abgeht vom abgestuften Bevölkerungsschlüssel und hingeht zu einem aufgabenorientierten Bevölkerungsschlüssel. (Beifall bei der ÖVP.)

Nun zum Thema „Ökologisierung des Steuersystems“.

Frau Abgeordnete Glawischnig! Ich verstehe Sie gar nicht mehr und auch die Damen und Herren von der SPÖ nicht! Ständig sagen wir: Schreiben wir die Nachhaltigkeit im Steuersystem fest! Verändern wir unser Steuersystem dahin gehend, dass die Menschen nicht unentwegt durch hohe Steuern und Abzüge bestraft werden, aber jene, die die Umwelt belasten und die Ressourcen verbrauchen, belohnt werden, indem sie fast keine Steuern zahlen! Jetzt machen wir einen ersten Ansatz in Richtung Ökologisierung, und Sie sagen, wir würden die Menschen nur belasten – und das in Anbetracht des Umstandes, dass 200 000 Österreicher entlastet werden!? (Abg. Mag. Wurm: Ausgehöhlt haben Sie den ländlichen Raum!)

Ich bin sehr froh über diese Steuerreform – und das ist das Schlüsselinstrument zur Nutzung auch unserer heimischen Potentiale, insbesondere der Biomasse, wo es möglich ist, eine Tech­nologieoffensive zu starten, um auf der einen Seite Arbeit zu schaffen und auf der anderen Seite die Umwelt zu schützen. (Abg. Mag. Wurm: Machen Sie es doch endlich!)

Ich hoffe, dass Sie bei vielen der Punkte, die ich jetzt angesprochen habe, doch noch das Be­wusstsein bekommen, dass sie wichtig und richtig sind und letztendlich die Lebensgrundlagen in Österreich sichern. (Beifall bei der ÖVP.)

14.41


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Öllinger. – Bitte.

14.42


Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Bundesregierung! Hohes Haus! Ja, auch wir Grüne haben verhan­delt. Viele hat es in Österreich gegeben, die uns, die mich angesprochen haben, auch in den letzten Tagen noch, und gesagt haben, es wäre doch wichtig gewesen, dass Grüne in eine Regierung gehen und dort ein soziales Korrektiv für die ÖVP darstellen, das diese Partei tatsächlich nicht mehr ist. (Abg. Mag. Molterer: Warum haben Sie dagegen gestimmt?) Aber das setzt voraus, Herr Abgeordneter Molterer, die Bereitschaft einer anderen Partei, die tief greifenden Probleme, die Strukturprobleme dieses Landes zu erkennen, aber auch eine bestimmte Offenheit gegenüber dem sozialen Bereich zu haben, und diese war leider nicht gegeben.

Ich werde Ihnen das am Beispiel Ihrer eigenen Vokabeln „zukunftsfest“, „nachhaltig“ und „ge­recht“ erklären. (Abg. Mag. Molterer: Ein gutes Programm!) Das ist das Leitmotiv dieser Bun­desregierung? Wirklich? Am Beispiel der Pensionen?

Ich sage Ihnen, was es im Bereich der Pensionen ist: Es ist ein Diebstahl an der Zukunft, wenn Sie durch die Abschaffung der Frühpension in der Form, wie Sie es geplant haben, den jungen Menschen die Chance auf einen Arbeitsplatz nehmen! Das ist es tatsächlich!

Sie wissen ganz genau – und das haben die Debatten der letzten Wochen belegt –, dass es dann, wenn Sie die Frühpensionen abschaffen, nicht nur ältere Arbeitslose geben wird, sondern auch viele junge, die keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben, und zwar gerade durch Ihre Budgetpolitik bedingt. (Abg. Mag. Molterer: Sie kennen die Zahlen des Wifo!)


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Sie kennen die Zahlen, Herr Abgeordneter Molterer! (Abg. Mag. Molterer: Besser als Sie!) Schon jetzt verteilt sich die Arbeitslosigkeit durch die Erhöhung beim Frühpensionsalter gleich­mäßig auf die Jüngeren und auf die Älteren. Schon jetzt wissen wir aus verschiedenen inter­nationalen Studien, beispielsweise der OECD, dass die jungen Menschen in Österreich keine Chance haben, dass wir in Österreich Entwicklungslandniveau haben, was den Zugang junger Menschen zum Arbeitsmarkt betrifft (Abg. Kopf: Von welchem Land sprechen Sie? Von Alba­nien?), dass viele auch gut qualifizierte, aber vor allem schlecht qualifizierte Jugendliche ... (Bundesminister Dr. Bartenstein: Wir haben die zweitniedrigste Jugendarbeitslosigkeit ...!)

„Education at a Glance“ – das sind Studien, die nicht von uns sind! Da können Sie, Frau Bil­dungsministerin – sie ist momentan nicht da –, nachlesen, dass wir eine sehr hohe Rate an jungen Menschen haben, die nicht auf dem Arbeitsmarkt sind, die nicht im Bildungssystem sind, die zu Hause sind und auf Hilfe warten. Ja, hören Sie denn nicht den Leuten zu?! Reden Sie denn nicht mit den Leuten und bedenken Sie nicht, was es für manche junge qualifizierte, aber auch unqualifizierte Menschen heißt, monatelang, ja jahrelang auf einen Job zu warten, nach einem Job suchen zu müssen?! Lesen Sie nicht Zeitungen?! Hören Sie nicht zu?! Sehen Sie nicht fern?! Sie können es überall spüren, dass es für junge Menschen tatsächlich nicht mehr so einfach ist, einen Job zu finden. Mit den Maßnahmen, die Sie jetzt setzen, begehen Sie einen Diebstahl an der Zukunft dieser Jugend, meine Damen und Herren! (Abg. Mag. Molterer: Wollen Sie die Älteren verdrängen? Sie spielen Jung gegen Alt aus!)

Sie begehen aber auch einen Diebstahl an den älteren Menschen, wenn wenige Monate oder Jahre vor ihrer Pensionierung für sie noch einmal das Pensionsantrittsalter erhöht wird. Glauben Sie mir, in den letzten Wochen und Monaten haben mir viele Menschen Briefe ge­schrieben, sie haben mir vorgerechnet, was es für sie bedeutet – nicht nur durch die Erhöhung von 60 auf 61,5 Jahre, sondern auch durch die jetzt geplante Erhöhung –, noch weitere Monate länger arbeiten zu müssen beziehungsweise arbeitslos bleiben zu müssen, weil ihre ganze Lebensplanung, ihre Planung mit dem Betrieb es gar nicht mehr ermöglicht, dass sie länger arbeiten. Die haben mir vorgerechnet, was an Einkommensverlust dies für sie zur Folge hat. Das sind nicht Beträge, bei welchen es um 10 000 S oder um 20 000 S geht, sondern das sind Beträge, bei welchen es um 200 000 S oder 300 000 S geht, die die Menschen durch die Maß­nahmen, die Sie jetzt setzen, verlieren, wenn sie in der Arbeitslosigkeit bleiben müssen.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Es ist Diebstahl an der Zukunft, wenn Sie den Frauen die Pensionen um bis zu 30 Prozent im Durchschnitt kürzen. Es wird sogar Frauen geben, die nicht nur eine Pensionskürzung um 30 Prozent, sondern eine solche darüber hinaus werden erleiden müssen – Frauen, die dann eine Eigenpension erhalten werden, die unter der Ausgleichszulage liegen wird, die sie unter die Armutsgrenze treiben wird. Ist das die „nachhaltige“ und „zukunftsfeste“ und „gerechte“ Sanierung des Pensionssystems?

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Sie haben sehr deutlich erklärt: Wir wollen die erste Säule der Pensionsvorsorge, wir wollen das soziale Pensionssystem herunterfahren, damit für private Zukunftsvorsorge Platz ist. (Abg. Kopf: Das haben wir nicht gesagt! Woher haben Sie diese Aussage?) – Damit geben Sie zu erkennen, dass Sie die Menschen ihre Altersvorsorge an der Börse betreiben lassen. (Abg. Mag. Molterer: Das ist falsch! Sie sagen die Unwahrheit!) Das ist der falsche Weg, denn das ist keine nachhaltige Sanierung des Pensionssystems! Sie nehmen den Menschen ihre Zukunft, egal ob sie jung oder alt sind. Das ist mit Sicherheit der falsche Weg! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Wider besseres Wissen sagen Sie die Unwahrheit!)

14.47


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Fekter zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.47


Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Öllinger hat soeben behauptet, die ÖVP wolle das Pensionssystem in der ersten Säule herunterfahren, damit Platz für private Vorsorge ist. – Das ist unrichtig, Herr Kollege Öllinger!


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7. Sitzung / Seite 125

Richtig ist: Die ÖVP und diese Bundesregierung wollen diese erste Säule sichern, damit sie für die Bevölkerung auch in Zukunft gesichert existiert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.48


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte.

14.48


Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Eine leistungsfähige, gesunde Wirtschaft ist die Voraussetzung, dass auch in Hinkunft soziale Sicherheit gegeben ist. Diese Regierung plant – sie hat es im Regierungsübereinkom­men festgeschrieben – eine Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen mit einer Steuer­freigrenze von rund 14 500 €.

Gleichermaßen wird es, und zwar in absehbarer Zeit, mit einer Beschlussfassung in diesem Jahr und einer Umsetzung ab 1. Jänner 2004 zu einer erforderlichen Entlastung der kleinen und mittleren Unternehmungen unseres Landes kommen, und zwar durch eine Halbierung der Be­steuerung nicht entnommener Gewinne. Das ist ein Erfordernis, das, wie ich meine, im Sinne einer Eigenkapitalbildung, die in unserem Lande für die kleinen und mittleren Unternehmen in besonderem Maße wichtig ist, unabdingbar ist, und zwar auch in Anbetracht von „Basel II“, um den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Betriebe zu sichern.

Darüber hinaus ist geplant – und ich darf mich an dieser Stelle für diese von mir oft gebets­mühlenartig vorgetragene Bitte entschuldigen –, ein Unrecht zu beseitigen, nämlich die 13. Um­satzsteuervorauszahlung, diese Sondervorauszahlung endlich im Jahr 2004 – nun festgeschrie­ben im Regierungsübereinkommen – abzuschaffen. Das ist im Übrigen ein Unrecht, das als besondere Budgetkosmetik unter der Regie eines sozialistischen Finanzministers beschlossen wurde, ein Einmaleffekt, der heute, wenn er zurückgedreht wird, rund 1,7 Milliarden € ausmacht, der aber Gott sei Dank keine Maastricht-Relevanz hat.

Außerdem wird es, meine sehr geehrten Damen und Herren, zu einer Lohnnebenkostensen­kung kommen, die insbesondere eine Auswirkung auf den Aufwand für ältere Arbeitnehmer haben wird. Das bedeutet für ältere Arbeitnehmer, dass ihre Arbeitsplätze in gewisser Weise gesichert werden.

Voraussetzung dafür sind stabile Staatsfinanzen, ist eine Budgetkonsolidierung, bei einer gleich­zeitigen Fortführung der Reformen, die in der letzten Gesetzgebungsperiode begonnen wurden. Dass diese Reformmaßnahmen leichter in einer Zeit der Hochkonjunktur, in einer Zeit einer positiven Konjunkturentwicklung zu bewerkstelligen sind, ist verständlich. Diese – das wissen Sie – finden wir leider nicht vor. Umso wesentlicher – und ich sage auch dazu: umso erfreulicher – ist es, dass sich Entwicklungen auf Grund der Regie­rungstätigkeit, auf Grund der Reformwilligkeit der letzten Bundesregierung ganz klar darstellen lassen.

Beispielsweise gab es 2001 das seit zehn Jahren geringste Außenhandelsdefizit, und nun haben wir, wie wir gehört haben, einen Überschuss. Öffentliche Schulden wurden abgebaut, und zwar wurden sie von 64,7 Prozent auf 62,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes abgesenkt. Darüber hinaus sind trotz der angespannten Situation, die wir vorgefunden haben, die Infra­strukturmaßnahmen gesteigert worden, und zwar immerhin im Ausmaß von 20,9 Prozent im Zeitraum von 1999 bis 2002. Wir haben also das gemacht, was die Oppositionsparteien immer wieder eingefordert haben. In diesem Ausmaß sind Infrastrukturmaßnahmen in der Zeit Ihrer Regierungsverantwortung leider nie gesetzt worden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr oft wurde heute in den Debattenbeiträgen moniert, dass gerade im Bereich der Forschung investiert werden muss. Da gebe ich Ihnen von der SPÖ grundsätzlich Recht, muss aber dazu­sagen: Sehen Sie sich die Entwicklung der Aufwendungen für den Forschungsbereich unter Ihrer Regierungs­verantwortung an, und vergleichen Sie diese Entwicklung mit jener aus der Zeit der vorange­gangenen Bundesregierung: Von 1999 bis 2002 erfuhren die Aufwendung eine


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Steigerung um 16 Prozent. (Abg. Gradwohl: Es hat eine Inflation der zuständigen Minister gegeben! Das ist das Einzige, das ihr geschafft habt!)

Abschließend, sehr geehrte Damen und Herren, wende ich mich noch dem Thema „Arbeitslose“ zu. Ich möchte nicht verhehlen, dass selbstverständlich jeder Arbeitslose einer zu viel ist. In An­betracht der vorgeschrittenen Zeit werde ich den Vergleich nun nicht mehr anstellen, aber Sie können sich ihn sehr wohl zu Gemüte führen, da die Zahlen bekannt sind. Vergleichen Sie die Arbeitslosenrate mit jener im EU-Durchschnitt! Vergleichen Sie die Arbeitslosenrate Österreichs mit jener der Bundesrepublik Deutschland! – Da bleibt für mich die Schlussfolgerung: Gott behüte uns vor Rot-Grün!

Ich wünsche dieser Bundesregierung viel Erfolg bei ihrer Aufgabe, die Reformen, die sie in der letzten Regierungsperiode begonnen hat, zum Wohle unseres Landes fortzusetzen. Glück auf! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.54


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Strasser. – Bitte.

14.54


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der letzten Regierungsperiode ist es der österrei­chischen Sicherheitsexekutive gelungen, zum ersten Mal in der Geschichte der Republik unser Land Österreich zum sichersten Land der Welt zu machen. Das ist ein großer Erfolg, für den der Dank unseren Gendarmen und Polizisten gilt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Österreich ist das sicherste Land der Welt, weil wir darangegangen sind, Strukturen zu überprü­fen, die überholt waren, weil wir Reformen in Angriff genommen haben, die überfällig waren, und weil wir die Voraussetzungen dafür geschaffen haben, dass die österreichische Sicherheits­exekutive international kompatibel ist. Das haben wir jetzt geschafft!

In der kommenden Legislaturperiode geht es darum, dass wir zwei zentrale Vorhaben umset­zen, die wir in Weiterführung dieses Konzeptes eines sicheren Österreich vor uns haben. Ich möchte die gute Gesprächsbasis aus den Sondierungsgesprächen und aus den Regierungsver­handlungen und auch die Einladung zu einer guten Zusammenarbeit mit dem Parlament, die hier mehrfach vom Rednerpult aus ergangen ist, gerne aufgreifen. Die beiden Vorhaben, die vor uns stehen, sind in all diesen Gesprächen unbestritten gewesen. Ich freue mich als jetzt wieder verantwortlicher Minister für die innere Sicherheit sehr darüber, dass ein Grundkonsens über die wichtigen innenpolitischen Sicherheitsfragen Österreichs hier im gesamten Forum des Parlaments gegeben ist, und ich werde mir erlauben, die Fraktionsführer des Innenausschusses zu Gesprächen über das Arbeitsübereinkommen und über die Vorhaben innerhalb meines Be­reichs einzuladen, um in den Grundsatzfragen der inneren Sicherheit Österreichs eine gemein­same Vorgangsweise zu finden.

Beide Punkte, die wir auf der Agenda ganz oben finden, sind Punkte, die wir gemeinsam ange­hen sollten. Das Erste ist die Zusammenführung von Polizei, Gendarmerie, Zollwache und Schifffahrtspolizei. Da geht es darum, dass wir ein Sicherheitsteam für Österreich schaffen wollen, das für die innere Sicherheit Österreichs, für die Sicherheit der österreichischen Bevöl­kerung und für die Sicherheit der Institutionen der Republik zur Verfügung steht. Dabei geht es vor allem darum, dass wir in guten Gesprächen mit den Mitarbeitern und mit den Personalver­tretungen die Zusammenführung dieser Wachkörper innerhalb einer Legislaturperiode zustande bringen, und dabei geht es mir auch darum, in guten Gesprächen mit allen im Parlament sich befindlichen Fraktionen dafür zu sorgen, dass wir ein Höchstmaß an Übereinstimmung finden. Die beste Organisation wäre eine, die mittels Verfassungsbestimmung beschlossen werden könnte. Ich werde mich jedenfalls bemühen, eine solche Regelung vorzuschlagen und auch mit Ihnen zu besprechen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Zweiter Punkt: Österreich hat in seiner Geschichte immer Menschen, die in Not waren, gehol­fen. Österreich ist ein Asylland, und wir werden diese gute Tradition genauso fortsetzen wie in der Vergangenheit, aber wir müssen sehr genau darauf achten, dass unter dem Titel „Asyl“ keine versteckte Zuwanderung passiert, und um diese Unterscheidung müssen wir uns in Zu­kunft und in dieser Legislaturperiode mehr bemühen. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Unser Ziel ist es, Asylverfahren zu beschleunigen und die Betreuung der Asylwerber durch Auslagerung an Profis zu verbessern. Das macht einige Änderungen im Asylwesen notwendig: die Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bei der Erstabklärung, die Einstellungsmöglichkeit des Verfahrens, wenn sich Asylwerber dem Verfahren entziehen, die gesetzliche Verankerung der Gepäcks- und Personenkontrolle und einige andere Punkte.

Ich möchte drei Prinzipien anführen, die bei dieser Aufgabe aus unserer Sicht unverzichtbar und notwendig sind. Erstens: Wir müssen schneller sein, wenn es um den Schutz von Flüchtlingen geht. Zweitens: Wir müssen genauer unterscheiden, ob es um Flucht oder um Zuwanderung geht. Drittens: Wir werden selbstverständlich alles tun, um im europäischen Kontext vorzugehen und in Abstimmung mit der Genfer Flüchtlingskonvention unsere Regelungen zu treffen. Wir werden uns sehr darum bemühen, dass es keine autarken österreichischen Lösungen gibt, sondern Lösungen, die im Verbund mit den Entwicklungen in der Europäischen Gemeinschaft stehen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Über unseren ambitionierten Pläne für die nächsten Jahre stehen drei klare Leit­linien, die der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung bereits genannt hat: engagiert für den Rechtsstaat, sensibel für die Menschenrechte und sehr konsequent gegen die Kriminali­tät! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.00


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Bundesminister Hubert Gor­bach. 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Bundesminister.

15.00


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Hubert Gorbach: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Das mit dem Regierungseintritt der FPÖ im Jahre 2000 neu geschaffene Infrastrukturministerium ist ein Schlüsselressort für den Standort Österreich und damit auch für die Bewältigung der durch die politische Entwick­lung auf uns zukommenden diesbezüglichen Herausforderungen.

Infrastrukturpolitik und Verkehrspolitik sind meiner Überzeugung nach strategische Manage­mentaufgaben unter sich laufend verändernden Verhältnissen – Aufgaben, denen ich mich gerne widmen und wo ich meine bisher gesammelten Erfahrungen als Landes- und auch als Bundespolitiker einbringen werde, die Ressourcen meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nützen und selbstverständlich auch meinen persönlichen vollen Einsatz gerne mit einbringen werde.

Durch die Bündelung aller Verkehrsträger gelang es erstmals, eine verkehrsträgerübergreifende Planung und eine Abstimmung der Infrastruktur-Investitionen in einem Generalverkehrsplan sicherzustellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich stehe auch nicht an – weiß ich doch, welche Arbeit da dahinter steckt –, diesbezüglich meinen Vorgängern recht herzlich zu danken. Diese haben die Länder, haben Interessenvertreter, haben Autofahrerklubs, haben Betroffene optimal eingebunden – und das, was herausgekommen ist, kann sich sehen lassen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Herzlichen Dank an Ing. Mathias Reichhold und Dr. Monika Forstinger. (Beifall bei den Freiheit­lichen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Wurm und Eder.)

Die Umsetzung und Weiterentwicklung dieses gewaltigen Infrastruktur-Investitionsprogramms im Umfang von immerhin 45 Milliarden € – in einer guten Aufteilung: 30 Milliarden € für die


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Schiene und 15 Milliarden € für die Straße – wird ein zentrales Aufgabengebiet der nächsten Jahre sein.

Der Generalverkehrsplan wird aber nicht nur dazu gut sein, die heutigen und morgigen Probleme des Verkehrsbereichs, ja den Verkehr überhaupt zu bewältigen, sondern er ist auch dazu da, dass Lebensqualität erhöht wird, etwa in Form von Lärmschutzmaßnahmen, in Form von Schaf­fung von Umfahrungswegen, und zwar insbesondere dort, wo die Gefahr besteht, dass dicht besiedelte Gebiete allen störenden Durchzugsverkehr aufnehmen sollten.

Heute, meine Damen und Herren, ist beispielsweise der Baubescheid für den ersten Abschnitt der Tullnerfeld-Trasse der Westbahn ergangen – ein Projekt, mit einem Investitionsvolumen von mehr als 1 Milliarde €, wodurch nicht nur sehr viele Arbeitsplätze in der Baubranche gesichert sind, sondern auch für Tausende Pendler eine wesentliche Verbesserung der Verkehrssituation die Folge sein wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ebenso wurde in den letzten Tagen mit der Erlassung vorläufiger Trassenverordnungen für die Koralm-Bahn der planmäßige Fortschritt dieses für den Südosten unseres Landes so wichtigen Projektes sichergestellt. Es gibt natürlich mehrere Beispiele hiefür, so etwa auch in Tirol, wenn es, in Fortsetzung des Unterinntal-Bahnausbaus, Ziel dieser Bundesregierung ist, einen Be­schluss für den Bau des Brenner-Basistunnels, unter Einbeziehung der Europäischen Union und insbesondere Italiens, noch in dieser Legislaturperiode zu fassen. (Beifall bei den Freiheit­lichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Auch im Straßenbaubereich gibt es viel zu tun. Der Lückenschluss im hochrangigen Netz und auch der Bau von zweiten Tunnelröhren, in erster Linie zur Er­höhung der Sicherheit, werden Schwerpunkte bilden beziehungsweise ist dieser Ausbau ja bereits voll im Gange.

Neue Verkehrsleitsysteme sollen eine verbesserte Abwicklung des Straßenverkehrs ermögli­chen. In diesem Zusammenhang starten wir gemeinsam mit der ASFINAG gerade um Ballungs­zentren herum ein sehr ehrgeiziges und rasch abzuwickelndes Ausbauprogramm. Dies muss alles unter einem Gesichtspunkt gesehen werden, der lautet: rasche Abwicklung. Das heißt, es muss zu einer Verfahrensbeschleunigung bei allen Vorhaben kommen. – All das werden wir, wie gesagt, in Angriff nehmen.

Eine zusätzliche Herausforderung liegt darin, sicherzustellen, dass zumindest der Verkehrszu­wachs tatsächlich auch vorrangig auf umweltfreundlichen Verkehrsträgern, also auf Bahn und Schiff, abgewickelt werden kann. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Dazu werden wir unnachgiebig darauf drängen, dass die im EU-Weißbuch vorgesehenen Maßnahmen zur Wegekostenneugestaltung rasch umgesetzt werden.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich auch noch sagen, dass es natürlich unser aller An­strengung bedarf, den auslaufenden Transitvertrag, was eben die Öko-Punkte-Regelung betrifft, so zu gestalten, dass eine annehmbare Übergangsregelung mit den anderen EU-Mitglieds­ländern gefunden wird.

Ich glaube, hier sind wir alle ...


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Minister, würden Sie bitte zum Schlusssatz kommen!


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Hubert Gorbach (fortsetzend): Herr Präsident, lassen Sie mich noch sagen, dass natürlich auch eine tief greifende Reform der ÖBB eingeleitet wird (Abg. Eder: Die wurde schon eingeleitet, vor drei Jahren!), um den ÖBB jenen Stellenwert zu geben, der diesen auch zusteht, nämlich ein umweltfreundliches, gutes, sicheres und pünktliches Unternehmen zu sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeord­neten der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Eder.)


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister! An sich haben Sie das geschäftsordnungs­mäßige Recht, hier 20 Minuten zu reden, aber es gibt eine Präsidialvereinbarung, die für alle


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7. Sitzung / Seite 129

Redner gilt. Sie können natürlich Ihr Recht in Anspruch nehmen, aber dann brauchen wir keine Vereinbarungen mehr zu schließen.


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Hubert Gorbach (fortsetzend): Ich bitte um Nachsicht, Herr Präsident, komme zum Ende meiner Rede und möchte nur noch sagen: Ich freue mich auf eine gute und konstruktive Zusammenarbeit mit Ihnen, den Parlamen­tariern, zum Wohle unseres Heimatlandes Österreich und seiner Bevölkerung. – Herzlichen Dank! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.07


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Bures. 5 Minuten Rede­zeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.07


Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister Gorbach, mit dem Dank an Ihre Vorgänger haben Sie in Erinnerung gerufen, dass Sie bereits der vierte Infrastrukturminister in nur drei Jahren sind. Es ist daher geradezu spannend, darauf zu achten, wie lange Sie in diesem Ressort bleiben werden. Sagen muss man: Die Bilanz dieses Ressorts ist klar negativ; es hat gerade in diesem Ressort ganz besonderer Stillstand geherrscht – das jedoch leider um sehr teures Geld. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wittauer: Das ist eine Unterstellung! – Weitere Zwischenrufe bei den Frei­heitlichen.)

Es wurde bereits viele Stunden darüber diskutiert, was denn die Pläne dieser schwarz-blauen Regierung sind. – Es ist dabei ganz klar ans Tageslicht gekommen, dass es sich hiebei um eine Koalition der Vergangenheit, um eine Koalition der Unsicherheit, aber vor allem mit Ihrem Regierungsprogramm um eine Koalition der Überschriften handelt. (Rufe bei der ÖVP: Nichts als Schlagworte von Ihnen ...!)

Es fehlt Ihnen ganz offensichtlich der Mut zu großen und notwendigen Reformen, Reformen, die Österreich gebraucht hätte, eben auf Grund des Reformstaus, den Sie verursacht haben, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Koalitionsparteien! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Witt­auer: Diesen Stau haben Sie von der SPÖ verursacht! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.)

Sie haben die Chance vertan, Österreich auf einen neuen Modernisierungskurs zu führen, und Sie haben auch die Chance vertan, für Stabilität zu sorgen. (Ironische Heiterkeit bei den Frei­heitlichen und Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es fehlt Ihnen leider – auch wenn Sie jetzt ständig dazwischenrufen – an positiven Ideen für dieses Land, an Ideen, die Österreich gerade jetzt dringend brauchen würde. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kopf: Sagen Sie doch einmal etwas! Nur Schlagworte ...!)

Alles, was da von Ihnen gekommen ist, ist nichts Neues. Alles, was Sie heute hier präsentiert haben, kennen wir, kennen die Österreicherinnen und Österreicher bereits. Es geht bei Ihnen nur um Belastungen, um Belastungen, die ebenso ungerecht wie phantasielos sind! Und: Sie schieben Verantwortung ab! Das ist geradezu Ihre Lieblingsbeschäftigung! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen Folgendes: Verantwortung abzuschieben ist es, wenn Sie zum Beispiel in Bezug auf einzuführende Selbstbehalte das den Krankenversicherungsträgern zuzuschieben ver­suchen!

Verantwortung abzuschieben ist es auch, wenn Sie in Bezug auf geänderte Ladenöffnungs­zeiten sagen: Na sollen das halt die Landeshauptleute regeln!

Verantwortung abzuschieben ist es, wenn Sie beispielsweise auf dem Prestigeprojekt Abfang­jäger beharren, auf Abfangjäger, die niemand in Österreich will, die aber die nächsten Regierun­gen beziehungsweise nächste Generationen zahlen sollen. Das ist verantwortungslose Politik – eine Politik, die wir Sozialdemokraten ablehnen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wittauer: Denken


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Sie nach, wer das beschlossen hat! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ganz besonders betroffen von dieser Ihrer verantwortungslosen Politik bin ich, was den Bereich Gesundheit betrifft. Schauen wir uns doch an, was diese Regierung im Umgang mit kranken Menschen vorhat! Anstatt Strukturreformen, die notwendig gewesen wären, zu planen, um das Gesundheitssystem nachhaltig zu sichern, haben Sie lediglich platte Ideen, und es wird weiter herumgedoktert, wie das ja die Österreicherinnen und Österreicher von Ihnen schon kennen. Jämmerliches Beispiel dafür: die Einführung der Ambulanzgebühren. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Einzige, das Ihnen von ÖVP und FPÖ im Bereich der Gesundheitspolitik einfällt, ist die ideenlose Einführung von unsozialen Selbstbehalten  und das ist eben das nächste un­würdige Kapitel, gleich nach den unwürdigen und sinnlosen Ambulanzgebühren, die Sie eben­falls eingeführt haben. (Abg. Kopf: Wie sehen Ihre Ideen aus? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich meine, es ist zwar wert, eine Diskussion über Selbstbehalte zu führen, möchte aber schon in Erinnerung rufen, dass es bereits jetzt 1 Milliarde € an Einnahmen aus diversen Selbstbehalten gibt. Das heißt, der Plafond ist erreicht, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Zwischenrufe des Abg. Kopf.)

Aus einer OECD-Studie geht hervor, dass Österreich, was Privat-Zuzahlungen zum Gesund­heitssystem betrifft, an der Spitze liegt! Es kann daher doch nicht darum gehen, das noch aus­zubauen, sondern es geht um eine kreative, um eine mutige Reform – und nicht um ideenlose Selbstbehalte, wie Sie von ÖVP und FPÖ sie einführen wollen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kopf: Wie sehen denn Ihre kreativen Ideen aus?)

Viele Fernsehzuschauer werden jetzt womöglich – es gibt ja eine Grippewelle in Österreich – vor dem Fernseher sitzen, und die können sich ja ausrechnen, was Sie von ÖVP und FPÖ von ihnen verlangen: zig Euro für den Besuch beim Arzt, zig Euro für einen Hausbesuch, zig Euro, wenn man zum Beispiel ein Lungenröntgen braucht – abgesehen von den Rezeptgebühren. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das Traurige daran ist, meine sehr geehrten Damen und Herren: Für viele Menschen wird Kranksein eine teure Angelegenheit werden, und sie können sich diese Selbstbehalte nicht leisten – im Unterschied zu Ihnen (in Richtung ÖVP), Frau Abgeordnete! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir von der SPÖ lehnen den Kurs, den Sie einschlagen, nämlich jenen in Richtung einer Zwei-Klassen-Medizin, ab! Wir sind für einen offenen Zugang zur medizinischen Versorgung für alle Menschen, und zwar unabhängig vom Einkommen. – Sie von den Koalitionsparteien haben die Chance auf eine große Reform für Österreich leider vertan! (Zwischenrufe des Abg. Wittauer.)

Wir von der SPÖ haben zwölf Initiativen zur Modernisierung Österreichs präsentiert. Das wären nachhaltige Strukturreformen gewesen, und das hätte mehr Gerechtigkeit und mehr Fairness in Österreich bedeutet. (Rufe bei den Freiheitlichen: Eure Sanierung haben wir ja gesehen ...! – Gegenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für alle Menschen wird alles teurer – nur diese Regie­rung wird größer und für die Bevölkerung teurer! Bei der Regierungsbildung spielt Geld ganz offensichtlich keine Rolle!

Diese Regierung – wir werden sie an ihren Taten messen – zeigt heute leider, dass sie eine sehr ideenlose und vor allem eine sehr mutlose Regierung ist! Und das ist schade für Öster­reich! (Beifall bei der SPÖ.)

15.12


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr – mit einer Redezeit von 5 Minuten – Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Der kann sich die Ambulanz­gebühren leisten!)


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15.13


Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren von der Bundesregierung! Geschätzte Damen und Herren! Nachdem ich mir mehrere SPÖ-Redner angehört habe – die des Parteivorsitzenden Gusenbauer, weiters von Präsident Verzetnitsch oder jetzt von der Frau Bundesgeschäftsführerin der SPÖ –, muss ich sagen: Da beginnt man zu verstehen – und so wird es nicht nur mir gehen, sondern, so nehme ich an, vielen hier im Saale –, warum die SPÖ nicht in der Lage war, mit uns eine Regierung zu bilden.

Sosehr Herr Kollege Gusenbauer noch differenziert argumentiert hat – das möchte ich positiv hervorheben –, sosehr er verschiedene Aspekte positiv herausgestrichen hat, hörte ich von ihm nachfolgenden Rednern der SPÖ eigentlich nur noch: Ideenlosigkeit, Mutlosigkeit, Verteufelung von vorne bis hinten. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ. – Abg. Eder: Genau! So ist es!)

Bei der SPÖ also nur noch fehlende Konstruktivität, fehlende Konstruktivität an allen Ecken und Enden; ebenso fehlende Bereitschaft, sich mit den Dingen im Detail auseinander zu setzen! Das ist pure Demagogie und hat mit ausgewogener politischer Diskussion absolut nichts zu tun! – Mit einer solchen Partei kann man wirklich nicht regieren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von der SPÖ, was wäre denn Ihre Alternative? – Die Gesundheits­kosten steigen jährlich um 7 bis 10 Prozent. Was wäre Ihre Alternative? –Zuschauen?! Wer soll denn das bitte bezahlen? (Abg. Mag. Prammer: Jedenfalls nicht die Kranken!) Reformen im System sind angesagt!

Das Lebensalter, die Lebenserwartung der Menschen steigt alle zehn Jahre um ein Jahr. Was sollen wir tun? – Zuschauen?! Oder sollen wir Ihren Vorschlag aufgreifen, meine Damen und Herren von der SPÖ, und die Beiträge erhöhen? Sollen wir das tun (Rufe bei der SPÖ: Abfang­jäger!) – und das bei einer Steuer- und Abgabenquote, nicht zuletzt durch 30 Jahre Sozial­demokratie verursacht, die heute schon bei 44 Prozent liegt? Sollen wir diese noch anheben? – Nein, sage ich Ihnen, das tun wir nicht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Rufe bei der SPÖ: Wer bezahlt die Abfangjäger?)

Meine Damen und Herren! Es ist ehrlich, den Menschen zu sagen, was Sache ist. Sache ist, die Lebenserwartung steigt alle zehn Jahre um ein Jahr. Sache ist, die Verweildauer der Menschen in der Pension wird immer länger. Man muss daher jenen Menschen, die in Pension gehen und sichere Pensionen haben wollen, sagen, dass man, was die Leistungsbereitschaft junger arbei­tender Menschen anlangt, diese Menschen nicht beliebig hoch mit Steuern und Abgaben belas­ten kann. – Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren!

Deswegen kann man es nur als verantwortungsvoll bezeichnen, in einem Pensionssystem moderatest – im nächsten Jahr um vier Monate: vom 1. Jänner bis zum 31. Dezember – das Antrittsalter um vier Monate anzuheben! Sie von der SPÖ malen doch hier einen Teufel an die Wand, den es nicht gibt! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Und die ganze Anhebung des Pensions­antrittsalters bis zum Regelpensionsalter ... (Abg. Silhavy: Und was ist mit der Durchrech­nung ...?)

Frau Kollegin, geben Sie doch bitte einmal Ruhe! Ein Zwischenruf ist ja nett, aber ständiges Dazwischenreden, wie Sie von der SPÖ es tun, geht doch wirklich nicht! Sie, Frau Kollegin Silhavy, kommen doch nachher ohnehin zu Wort! Warten Sie doch darauf! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es wird diese Anhebung auf das Regelpensionsalter bis zum Jahre 2010 in sehr moderaten Teilschritten erfolgen. Daher: Das ist Verantwortung, das heißt aber auch Mut, den Menschen die Wahrheit zu sagen. Und ich meine weiters: Das ist verant­wortungsvolle Politik!

Schauen Sie sich doch bitte die diesbezüglichen Zahlen an! Die demographische Entwicklung wird doch so sein, dass wir auf dem Arbeitsmarkt in den Jahren 2008, 2010 die umgekehrten Vorzeichen von heute haben werden. Das heißt, wir arbeiten mit der leichten, moderaten An-


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hebung des Pensionsalters genau auf jenen Zeitpunkt hin, zu dem uns die Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt fehlen werden! Das sagen doch wirklich alle Experten, dass dem so sein wird!

Darum sage ich Ihnen von der SPÖ: Tun Sie doch nicht so, als ob wir der Bevölkerung jetzt etwas antun würden! Genau das Gegenteil ist doch der Fall: Wir nehmen hiemit unsere Verant­wortung als Politiker wahr und sichern das so wichtige, wertvolle und gute Pensionssystem in Österreich auch für nachfolgende Generationen ab! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Meine Damen und Herren, zum Schlusssatz: Was wir aber brauchen, um die sozialen Systeme für die Zukunft absichern zu können – der Herr Bundeskanzler hat dies ja in seiner Regierungs­erklärung bereits gesagt –, ist eine gute wirtschaftliche Entwicklung, ist eine stabile Wirtschaft (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen), um diese Sozialsysteme finanzieren zu können.

Ich denke – ich bin schon beim Schlusssatz, Herr Präsident –, dass dieses Regierungspro­gramm eine Vielzahl positiver und, wie uns auch Experten sagen, in die richtige Richtung gehender wirtschaftspolitischer Incentives und Maßnahmen beinhaltet, die genau das unterstüt­zen, was wir zur Sicherung unserer Sozialsysteme brauchen: ein ausreichendes Wirtschafts­wachstum! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.18


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Mag. Wurm zu Wort gemeldet. Frau Abgeordnete, Sie kennen die Bestimmungen der Ge­schäftsordnung: In zwei Minuten stellen Sie bitte zuerst den zu berichtigenden Sachverhalt dar und dann den richtigen. – Bitte.

15.19


Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Danke, Herr Präsident. – Herr Abgeordneter Kopf hat behauptet, dass diese Regierung die Krankenversicherungsbeiträge nicht erhöhen werde. (Abg. Kopf: Herr Präsident! Das ist eine falsche Behauptung! – Rufe bei der ÖVP: Das hat er nicht gesagt! – Gegenrufe bei der SPÖ.)

Ich berichtige tatsächlich, dass diese Regierung die Krankenversicherungsbeiträge erhöht, und zwar bei den Pensionisten, bei den Angestellten, dass sie daher nicht nur Selbstbehalte ein­führt, sondern auch die Beiträge erhöht. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der ÖVP: Was war das jetzt? Da müsste man doch eine Berichtigung der Berichtigung machen!)

15.19


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr als nächste Rednerin Frau Abgeord­nete Dr. Lichtenberger, die auch 5 Minuten zu uns sprechen wird. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.20


Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Kurz vor mir haben nun zwei Minister gesprochen, die für eines der großen Zukunftsthemen in einigen Bereichen gemeinsam verantwortlich sind: der „Herr Minister Sicherheit“ und der „Herr Minister Verkehr“. Ich glaube, dass diese Ausführungen und die Feststellungen zur künftigen Verkehrs- und Verkehrssicherheitspolitik im Regierungsprogramm, das uns heute vorliegt, wichtig sind, dass sie so wichtig sind, dass sie in diesem Haus diskutiert werden sollten.

Herr Bundesminister Gorbach! Ich habe Sie bis jetzt aus Vorarlberg ja eher als einen sehr asphaltverliebten Landesrat kennen gelernt (Heiterkeit bei den Freiheitlichen), der Straßenbau­projekte, die klar der Alpenkonvention widersprechen, immer wieder forciert hat, und das gegen alle Widerstände von Anrainern. Ich erlebe Sie heute als einen neuen Minister, der erzählt, dass bei der Entwicklung des so genannten Generalverkehrsplanes alle eingebunden worden seien, und der dann von der Wirtschaft bis zum Straßenbau alle aufzählt. Eine Gruppe haben Sie, Herr Minister, heute aber natürlich vergessen, eine Gruppe, die ich für eine der zentralen und wichtigsten halte, nämlich die der Anrainer. Die Anrainerinnen und Anrainer von stark befahre-


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nen Transitstraßen, Transitstrecken waren nicht in die Werdung dieses Generalverkehrsplanes eingebunden, und genau so schaut dieser auch aus.

Herr Bundesminister! Ich sehe leider in Ihren Zielsetzungen, die Sie heute geschildert haben, keine Umkehr. Ich sehe, dass Sie nach wie vor die Illusion pflegen, es sei Geld für die Bahn da, es sei sehr viel Geld für die Bahn da, und die Hälfte für die Straße. Sie vergessen aber, dazu zu sagen, dass – und das wird deutlich, wenn man sich die Finanzierung konkret anschaut – be­züglich der Finanzierung ein großer Unterschied zwischen Straße und Bahn besteht: Was die Straße angeht, ist die Finanzierung nämlich gesichert, bezüglich der Bahn steht sie in den Sternen.

Und wenn Sie heute ankündigen, dass zum 736. Mal der Beschluss unterschrieben werden soll, dass man jetzt den Brenner-Basistunnel doch baut, sage ich Ihnen, dass das zur Lösung des Transitproblems in unserem Land überhaupt nichts beitragen wird. Diese Unterschrift wird nur eine in einer langen Serie von Unterschriften sein, die bis jetzt überhaupt nichts bewirkt haben.

Meine Damen und Herren! Das Programm dieser Bundesregierung im Verkehrsbereich ist eines der Kapitel, dem die Nachhaltigkeit am allerdeutlichsten fehlt. Nachhaltige Orientierung, Orien­tierung an den Klimaschutzzielen ist im Verkehrsbereich schlicht und ergreifend nicht vorhan­den. Die Kyoto-Ziele sind nicht einhaltbar, wenn Sie, Herr Minister, den Straßenbau so stark bevorzugen, wie es sowohl programmatisch als auch aus Ihrer Rede erkennbar war, denn jeden Gewinn, den uns Industrie und Hausbrand in Sachen Emissionsentlastung bringen, frisst uns der Straßenverkehr ja sofort wieder auf, und er überkompensiert ihn. Wir werden die Kyoto-Ziele nie erreichen, wenn wir nicht offensiv auf bessere Förderungen für öffentliche Verkehre setzen, auf eine gesicherte Mobilität für alle, nicht nur für Autofahrer. Und das, Herr Minister, müssen Sie jetzt noch schaffen, das müssen Sie in Ihr Programm noch integrieren. (Beifall bei den Grünen.)

Sie sprechen von Verfahrensbeschleunigung, und in diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen Folgendes ans Herz legen: Das Verfahren, das wir am dringendsten beschleunigen müssen, ist das zur IG-Luft, nämlich dass von dem Jahr an, in dem die Überschreitungen der Grenzwerte gemessen wurden, bis zum Eintritt von Maßnahmen nicht wieder zwei, drei Jahre vergehen müssen, bis die Menschen entlang der Transitstrecken endlich wieder frei atmen können.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Das ist eine zentrale Aufgabe. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte nun einen Antrag einbringen, der ein wichtiges Thema, das für beide Minister ein zentrales sein sollte, betrifft, nämlich die Frage der Verkehrssicherheit. Dabei geht es mir in erster Linie um eines der brennendsten Probleme. Wir haben gerade in den letzten Tagen wieder die Kontrollberichte von Fahrzeitüberschreitungen betreffend LKW-Lenker gelesen. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Ich verlange in diesem Antrag den Ausbau eines Kontrollnetzes, eines Netzes von Kontrollstellen, wo Fahrzeugzustand, Überladungen und vor allem die Arbeitsbedingungen und die Einhaltung der Lenkzeiten von LKW-Fahrern geprüft werden. Das halte ich für mehr als dringend und über­fällig.

Zusätzlich müssen wir auch noch ...


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Abgeordnete! Der Antrag hat nur zwei Zeilen. Lesen Sie diesen bitte vor, dann ist er eingebracht. Sie sind 45 Sekunden über der Redezeit!


Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (fortsetzend): Bitte um Verzeihung, ich habe geglaubt, das Licht hat später zu blinken begonnen.

Ich bringe hiemit folgenden Antrag ein:


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein entsprechend aus­gestaltetes Kontrollstellennetz für den LKW-Verkehr

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, zur effizienten Kontrolle des LKW-Verkehrs entspre­chend ausgestaltete Kontrollstellen in ausreichender Zahl einzurichten.

*****

Meine Damen und Herren! Das betrifft uns alle, und das ist etwas, was Österreich sicherer macht, und zwar auch auf unseren Autobahnen und vom Schwerverkehr überlasteten Stre­cken. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

15.27


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Frau Abgeordneter Lichtenberger, Freundinnen und Freunde eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Ver­handlung.

Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Mainoni. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

15.27


Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder dieser Bundesregierung! Hohes Haus! Gerade die Äußerungen der Grünen geben mir Gelegenheit, diese seltsame Politik der Grünen in den vergangenen Monaten doch etwas näher zu beleuchten und den Österreicherinnen und Österreichern näher zu bringen.

Man liest, Herr Klubobmann Van der Bellen sei müde, er sei erschöpft. Er mache eine Schaf­fenspause, eine schöpferische Pause, sagen gewogene Medien. Und seiner Rede war es auch anzumerken: Er ist müde. Er hat aber tatsächlich einen Grund, müde zu sein. Ein derartiger politischer Slalom, wie Sie von den Grünen ihn in den vergangenen Monaten gefahren sind, ist wahrlich ermüdend, Herr Klubobmann Van der Bellen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eine Chronologie dieser kräfteraubenden Slalomfahrt – und man berichtige mich bitte, wenn etwas daran nicht stimmt –:

Am 26. November, zwei Tage nach der Wahl: Erweiterter Bundesvorstand der Grünen. Die Grünen legen sich auf eine Oppositionsrolle fest. – Man war wahrscheinlich mit dem Wahl­ergebnis nicht zufrieden.

Am 4. Dezember, nur acht Tage später: Herr Van der Bellen relativiert die Oppositionsansage und nominiert vorsichtshalber ein sechsköpfiges Team.

Am 13. Dezember, wieder einige Tage später: Erweiterter Parteivorstand der Grünen für Koali­tionsverhandlungen – also genau das Gegenteil von dem, was 14 Tage vorher war.

Am 17. Dezember, also noch vor den wohlverdienten Weihnachtsferien, Herr Klubobmann: Die Grünen brechen die Gespräche mit der ÖVP ab – also wieder eine Kehrtwendung um 180 Grad!

Man trat bei den Grünen in die wohlverdienten Weihnachtsferien, und am 27. Jänner geht es mit der Slalomfahrt weiter: Der Bundeskanzler lädt Herrn Klubobmann Van der Bellen zu einem Gespräch ein, und dieser nimmt die Einladung gerne an.

Am 5. Februar dann wieder ein erweiterter Bundesvorstand der Grünen – das muss ein recht interessantes Gremium sein, das immer wieder etwas anderes entscheidet –: 21 : 8 für Koali­tionsgespräche.


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Am 10. Februar schließlich, fünf Tage später: die Zerreißprobe, der Putsch der Wiener Grünen. Sie fordern den Abbruch der Verhandlungen.

Und am 16. Februar schließlich der Sieg der Linken, des marxistischen Flügels der Grünen (Hei­terkeit bei den Grünen): Die Verhandlungen werden beendet. (Beifall bei den Freiheitli­chen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Binnen zwei Monaten eine derartige Slalomfahrt: Opposi­tion, vielleicht doch nicht, Koalition, Opposition, Koalition und am Ende wieder Opposition – das ist ein Hort der Zerrissenheit, das ist ein Hort der Uneinigkeit. Sie, die Grünen, werden unsere Reformvorhaben in Ihrem Stil, in Ihrer Art sicherlich nicht behindern! (Beifall bei den Freiheit­lichen.)

Ich komme zum Inhalt – und ich möchte als Erstes das Thema innere Sicherheit nur stichwort­artig ansprechen und einige Punkte herausgreifen.

Zu den Asylverfahren: Diese gehören reformiert, gehören vor allem im Sinne der Asyl Suchen­den, aber auch der österreichischen Bevölkerung beschleunigt. Schluss mit der vorzeitigen Ein­bürgerung, meine Damen und Herren, dieser Unart, die sich vor allem in Wien breit gemacht hat, dass man jeden, der einen Antrag stellt, nicht einmal Deutsch kann, geschweige denn unsere Gesetze, unsere Gewohnheiten und dergleichen kennt, sofort einbürgert, sofort die Staatsbürgerschaft verleiht! Wir werden in dieser Gesetzgebungsperiode auch darauf schauen, dass das Staatsbürgerschaftsgesetz eingehalten wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein weiterer Punkt: Integration von Ausländern vor Neuzuzug.

Die Kriminalitätsbekämpfung ist selbstverständlich ein Kernthema, siehe organisierte Kriminali­tät, Drogen.

Reform des Versammlungsgesetzes – vielleicht nur ein Detail, aber ein doch sehr wichtiges Detail. Herr Abgeordneter Öllinger – er ist jetzt gerade nicht hier –, aber auch Herr Abgeordne­ter Pilz werden das wissen: In der vergangenen Legislaturperiode haben doch munter Demonst­rationen stattgefunden, die überhaupt nicht angemeldet waren. Da war es geradezu üblich, dass es Demonstrationen mit Gewaltdelikten gab, ohne dass man diese Demonstrationen ange­meldet hat. – Das wird es in Zukunft in Österreich auch nicht mehr geben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum Thema Verkehr. – Dem öffentlichen Verkehr ist Priorität einzuräumen. Es wird in dieser Gesetzgebungsperiode eine entsprechende Qualitätsoffensive geben. Der Individualverkehr hat allerdings große Themen zu bewältigen – Beispiel: die derzeitige Transithölle in Westösterreich. Hier ist die Regierung gefordert, die österreichische Lösung hart zu vertreten. Aber auch die EU-Osterweiterung bringt eine riesige Verkehrslawine – und die wird auf uns zurollen. (Abg. Eder: Was macht ihr denn dagegen?) Der Straßengüterverkehr wird bis 2015 von Tschechien um 238 Prozent, von Polen um 241 Prozent und von der Slowakei nach Österreich sogar um 781 Prozent steigen. Das wird eine Verkehrslawine von Ost nach West, meine sehr geehrten Damen und Herren, aber ich bin zuversichtlich: Es bedarf einer konsequenten und zukunfts­orientierten Politik, und diese Regierung wird das schaffen! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.32


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner. – Bitte, Frau Bundesministerin.

15.32


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsi­dent! Liebe Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Nach der erfolg­reichen Beschließung der Erweiterungsverhandlungen ist Österreich als starkes Herz in Mittel­europa in einer ausgezeichneten außenpolitischen Situation. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist auch Kontinuität in der


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Außenpolitik selbstverständlich, und deshalb ist auch nicht jedes Wort im Regierungsprogramm ausformuliert.

Was können wir damit erreichen? – Verstärkte Stabilität und Sicherheit in Europa, in unserer unmittelbaren Umgebung und selbstverständlich für die österreichische Bevölkerung.

Lassen Sie mich auf Grund der gebotenen Kürze der Zeit sechs Punkte herausgreifen, die mir besonders wichtig sind:

Zum Ersten: die Erweiterung. Die Erweiterung wird ein Erfolg, und das können gerade wir am besten sagen. Deshalb werde ich mich dafür einsetzen, dass wir den Ratifikationsprozess mög­lichst rasch vorantreiben.

Zum Zweiten: Die regionale Partnerschaft, die ich ja schon im Vorfeld angedacht habe und wo ich den Kolleginnen und Kollegen danke, dass sie mitgemacht haben, in der Sicherheit, im Ver­kehr, in Wirtschaft, Arbeit, Kultur et cetera, wird nun zur vollen Entfaltung gelangen. Das ist für uns enorm wichtig.

Meine Damen und Herren! Wir müssen Europa neu denken. Was heißt das? – Wir müssen im Zukunftskonvent jetzt die entscheidenden Fragen anpacken, denn jetzt kommt die wichtige Phase.

Ich habe bei den Regierungsverhandlungen festgestellt, dass wir diesbezüglich einander relativ nahe sind. Ich halte es für sehr, sehr wichtig, und ich möchte Sie einladen, jeweils einen Vertre­ter der politischen Parteien, mit dem Kollegen Farnleitner und mit mir zusammen dieses Thema abzuhandeln. Wir wollen hier gemeinsam vorangehen.

Was ist mir dabei wichtig? – Vor allem eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die in der Zukunft mehr mit einer Stimme sprechen kann als jetzt. Wir sehen bei der Irak-Krise, wie wichtig das ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte aber auch in der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik vorangehen und hoffe, dass es auch hier gelingt, einen modernen, einen zukunftsbereiten Ansatz zu finden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was ist der dritte Punkt? – Europa neu denken heißt natürlich auch, Südosteuropa anzusprechen. Das heißt über diesen ersten Kreis hinausgehen. Das heißt auch, Kroatien zu unterstützen, das den ersten Beitrittsantrag gestellt hat. Da möchte ich, dass der Avis möglichst zügig kommt. Das heißt aber selbstverständlich auch, nach wie vor den gesamten Raum zu unterstützen – durch den Stabilitätspakt und Dr. Busek, durch die OSZE, wo wir sehr viele Möglichkeiten haben, durch den Europarat und selbstverständlich auch durch die ZEI, die Zentraleuropäische Initiative.

Übrigens: Bei all diesen Organisationen haben wir Österreicher in Leitungsfunktionen, und ich freue mich darüber! Und das hat sich auch unter meiner Vorsitzführung geändert. (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Vierter Punkt: Konflikt- und Krisenmanagement und Konfliktprävention. Krisenmanagement sehen wir jetzt in einer der größten Krisen, in der wir uns befinden beziehungsweise die auf uns zukommt: der Irak-Krise. Ich begrüße den Entschließungsantrag, der im Parlament eingebracht wurde, denn es ist wesentlich zu sagen: Der Irak muss abrüsten. Gleichzeitig ist es wesentlich, bis zum Schluss alles zu tun, um doch noch zu einer friedlichen Lösung zu kommen. Es wird nicht einfach sein, aber man muss bis zum Schluss alles tun. Und schließlich müssen wir da den Sicherheitsrat unterstützen – das muss das Entscheidungsgremium in der Zukunft bleiben. (Abg. Dr. Cap: Was tun Sie, Frau Außenminister?) – Das habe ich Ihnen letztes Mal gesagt, aber Sie haben offensichtlich nicht zugehört. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Fünfter Punkt: Langfristig müssen wir, wenn wir Frieden schaffen wollen, Armut bekämpfen. Das heißt, wir müssen die Entwicklungszusammenarbeit voranbringen. Ich freue mich darüber,


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dass es gelungen ist, diesen gemeinsamen Kompromiss auf EU-Ebene mit zu tragen, und das wird ab 2004 auch im Rahmen der österreichischen Außenpolitik mit umgesetzt werden.

Letzter Punkt, Herr Präsident, Hohes Haus: Es ist für uns natürlich eine Selbstverständlichkeit, die Menschenrechtspolitik und die Friedenspolitik in den Mittelpunkt der österreichischen Außen­politik zu stellen – in allen Bereichen. Das ist politisch, das ist sozial, das ist wirtschaftlich enorm wichtig. In diesem Zusammenhang bemühe ich mich um die Menschenrechtserziehung, indem ein Manual, ein Handbuch, auf den Tisch gelegt werden soll, das für die ganze Welt zielorientiert und wegweisend sein kann.

Ich glaube, das ist konkrete Politik, wie man sie machen sollte. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.38


Präsident Dr. Andreas Khol: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Zu Wort gelangt nunmehr Herr Bundesminister Platter, der auch 5 Minuten zu uns sprechen wird. – Bitte, Herr Bundesminister. (Abg. Dr. Cap: Selbstlob statt Programm!)

15.38


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Regierungskolleginnen und -kollegen! Hohes Haus! Das höchste Gut für die Bürger sind Friede, Freiheit und Sicherheit, und die Österreicherinnen und Österrei­cher haben ein Recht darauf, dass ihnen Schutz und Sicherheit gegeben wird.

Die Verteidigungspolitik nimmt hier eine ganz zentrale Rolle ein, und ich möchte zu Beginn meiner Tätigkeit als Minister für Landesverteidigung einen Vorschlag machen: Finden wir einen sachlichen Konsens, wenn es um die Verteidigungspolitik geht, und versuchen wir es zu unter­lassen, Leistungen für Soziales Leistungen für Verteidigungspolitik gegenüberzustellen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Geschätzte Damen und Herren! Es geht nämlich um mehr, es geht um etwas ganz Wertvolles: Es geht um die Sicherheit eines jeden einzelnen Bürgers, es geht aber auch um die Sicherheit der Republik Österreich.

Geschätzte Damen und Herren! Wenn man für die Verteidigungspolitik Verantwortung trägt, hat man sich auf die sicherheitspolitischen Veränderungen einzustellen, und man hat vor allem zu beurteilen: Wie entwickelt sich die Lage in Österreich, in Europa und darüber hinaus? Und vor allem: Welche Maßnahmen sind erforderlich?

Die Rahmenbedingungen dafür haben sich in den letzten eineinhalb Jahrzehnten doch bedeu­tend verändert und sind weiterhin in Veränderung begriffen. Vor nicht allzu langer Zeit haben sich die Verteidigungsminister mit der Verteidigung Österreichs auseinander gesetzt, eines Landes, das damals zwischen den Fronten lag. Heute schaut die Situation ganz anders aus, und es ergeben sich auch ganz andere Fragen.

Was können wir heute und morgen im gemeinsamen Europa und darüber hinaus tun, um unseren solidarischen Beitrag in einer neuen Friedensarchitektur zu leisten und damit unsere staatliche Gemeinschaft zu sichern?

Und zweitens: Wie können sich Österreich und Europa vor neuen Bedrohungen schützen? – Ich denke dabei an den 11. September 2001, als uns dies zweifellos schmerzhaft vor Augen geführt worden ist. – Die Antwort darauf ist: Wir müssen Konflikte und Bedrohungen bereits im Vorhinein vermeiden. Somit erhält Konfliktprävention in allen möglichen Facetten einen neuen Stellenwert. Unverzichtbare Instrumente dabei sind Kooperation und Solidarität. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Geschätzte Damen und Herren! Für deren Umsetzung ist natürlich die Weiterentwicklung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik unerlässlich. Wir unterstützen alle Bemü­hungen, die einer solidarischen Schaffung von Sicherheit im europäischen Raum dienen, bis hin zur Beistandsgarantie. Das bedeutet, dass neben den territorialen Verteidigungsaufgaben


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internationale Solidaritätsleistungen und die Katastrophenhilfe, vor allem aber auch die Assis­tenzleistungen Schwerpunkte sein werden.

Hohes Haus! Das war nur ein kurzer Überblick über die momentanen Herausforderungen des österreichischen Bundesheeres. Sie können aber daraus deutlich ablesen, dass unser Heer mit seinen Fähigkeiten und seiner Eigenständigkeit unverzichtbar ist.

Da heute bereits über die Luftraumüberwachungsfahrzeuge beziehungsweise -flugzeuge disku­tiert wurde (Abg. Öllinger: Fahrzeuge? – Zwischenruf des Abg. Großruck), möchte auch ich noch ein Wort dazu sagen. Uns obliegt die Verantwortung, den eigenen Luftraum zu schützen. Ich sage daher in aller Deutlichkeit: So wie wir Sicherheit und Schutz am Boden brauchen, brauchen wir auch den entsprechenden Schutz in der Luft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte es deutlich auf den Punkt bringen: Das ist keine Notwen­digkeit, das ist unsere Pflicht, die wir zu leisten haben! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Letzter Punkt: Mir ist es ein Anliegen, den Präsenzdienst noch attraktiver zu gestalten, und ich freue mich, dass der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung darauf eingegangen ist. Ich will, dass die jungen Leute gerne ein paar Monate Präsenzdienst leisten und beim Abrüsten sagen: Es war eine sinnvolle, es war eine wertvolle Zeit.

Zum Schluss: Das höchste Gut sind der Friede, die Freiheit und die Sicherheit. Ich ersuche Sie alle, im Rahmen eines parteiübergreifenden Konsenses die notwendigen Bestrebungen zu unterstützen, und ich verspreche Ihnen, das österreichische Bundesheer wird mit allen Soldatin­nen und Soldaten im Interesse des Friedens und der Sicherheit im Land stets bereit sein. – Danke. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.43


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Matznetter. Auch er hat seine Redezeit mit 5 Minuten festgelegt. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Matz­netter begibt sich mit einem Stoffsackerl zum Rednerpult. – Ruf bei der ÖVP: Mir schwant schon etwas! – Abg. Mag. Mainoni: Was ist in dem Sackerl drin?)

15.44


Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Eine neue schwarz-blaue Regierung – die letzte stand ganz im Zeichen des Nulldefizits, eines Wortes, das sich nicht nur aus dem Sprachgebrauch dieser Regierung entfernt hat, nein, wir haben auch einen einsichtig lernenden Finanzminister! Er hat erst am vergangenen Wochenende in seiner Pressekonferenz zugegeben, dass er aus der Vergangenheit gelernt habe. Die Frage ist nur: Hat er genug gelernt?

Ein kurzer Blick zurück: In der gestrigen Sitzung des Budgetausschusses hat der Präsident des Rechnungshofes mit aller Klarheit gesagt, was in diesem Jahr des Nulldefizits, 2001, gesche­hen ist. Die Wahrheit ist nämlich: Es hat keine ausgabenseitige Sanierung des Budgets gege­ben! Es hat auch kein Vorgang stattgefunden, der den Begriff „sparen“ verdienen würde. (Ruf bei der ÖVP: Das stimmt nicht!) Es wurde ausschließlich einnahmenseitig saniert.

Völlig korrekt hat Herr Präsident Fiedler gesagt, dass von der letzten Regierung vorgegeben worden sei, dass 72 Prozent der Sanierung im Bereich der Ausgaben stattfinden werden. Die Regierung habe es dann auf 68 Prozent reduziert und faktisch ein Ergebnis geliefert, bei dem die Sanierung ausschließlich über die Einnahmenseite erfolgt sei. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel.)

Nur: Was heißt „Einnahmenseite“? – Einnahmenseite heißt, dass der Griff des Finanzministers in der Tasche jedes Österreichers und jeder Österreicherin spürbar war. Und in diesem Zusam­menhang möchte ich darauf verweisen, dass Österreich bereits eine Staatseinnahmenquote von 52,4 Prozent hat – das von Minister Bartenstein viel gescholtene Deutschland hat bitte eine


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Quote von 45,7 Prozent! Mit dem österreichischen Prozentsatz hätte Herr Eichel einen Budget­überschuss von 3,5 Prozent! Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein.)

Angesichts dessen stellt sich Herr Bundeskanzler Schüssel heute hier hin und sagt tatsächlich: Wir haben Schluss gemacht mit der Schuldenpolitik!? (Abg. Großruck: Wer ist der Herr Eigner?) – Er heißt Herr Eichel. Wenn Sie Hörprobleme haben, können Sie sich einen Hör­apparat nehmen, Herr Kollege. (Abg. Großruck: „Eigner“ hat er gesagt! Der kennt nicht einmal den deutschen Finanzminister!)

Übrigens hat Herr Finanzminister Grasser – Grasser mit „g“, nicht „Krasser“, falls Hörprobleme vorhanden sind – in einem Brief an unseren Parteivorsitzenden selbst angegeben, dass Öster­reich heute eine öffentliche Verschuldung in der Höhe von 67,9 Prozent des BIP hat. – Meine Damen und Herren! Das ist gegenüber 66,8 Prozent im Jahre 2000 eine Zunahme der Staats­verschuldung von über einem Prozent gemessen am BIP. (Abg. Scheibner: Sagen Sie es in Prozent am Defizit!)

Das ist die Realität der Regierung Schüssel I: Höhere Schulden und keine Sanierung! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ellmauer: ... Maastricht-relevant ...!) – Na selbstverständlich ist die öffent­liche Verschuldung Maastricht-relevant, Herr Kollege! Er brüstet sich ja auch immer mit dem Maastricht-relevanten Defizit. (Ruf: Wer?)

Ich komme aber jetzt zur Finanzpolitik insgesamt. Wir haben neuerlich zu wenig aus den Feh­lern gelernt. (Abg. Scheibner: Sie vielleicht!) Und, meine Damen und Herren von der ÖVP-Fraktion, auch wenn der Herr Finanzminister langsam von der FPÖ zu Ihnen hinübergedriftet ist, es wird für die ÖVP nicht besser. (Abg. Murauer: Lassen Sie das unsere Sorge sein!) Wir haben es aufgegeben, Konjunktur- und Budgetpolitik so zu machen, dass sie für die Zukunft Österreichs etwas bringt. Die Realität ist, dass Sie glauben, Finanzpolitik fände statt, indem man abkassiert und zum richtigen Zeitpunkt nicht investiert. Das ist die falsche Politik!

Ich kann nur vermuten, dass die Herren in ihrer Jugend einfach zu wenig über das Mindestmaß gelernt haben. Unsereins hat – und ich habe mir erlaubt, das mitzubringen – in der Jugend beim DKT gelernt. Es genügt nämlich nicht, am Start 200 abzukassieren, nein! Man muss investieren, und dann gewinnt man. (Ruf: Jetzt wissen wir, warum Sie ...! – Der Redner holt ein DKT-Spiel aus seinem Stoffsackerl und übergibt es dem auf der Regierungsbank sitzenden Staatssekretär Dr. Finz. – Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Der Herr Staatssekretär bekommt das in Vertretung von Finanzminister Grasser. Er wird lernen, dass wir investieren müssen, dann können wir in der Volkswirtschaft gewinnen. Für diese Vor­schläge meiner Fraktion fehlte der anderen Fraktion leider der Mut. (Bundesminister Dr. Barten­stein – in Richtung des Redners –: Herr Kollege! Das ist noch ein altes DKT, in Schilling!) – Selbstverständlich hat er ein altes bekommen. Er hat ja damals vergessen, zu spielen, daher muss er es jetzt nachholen. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Das gib dem Gusen­bauer!)

Österreich liegt in puncto Wirtschaftswachstum an vorletzter Stelle in der EU. Österreich ist in puncto Zuwachs der Beschäftigung innerhalb der EU dramatisch zurückgefallen. Österreich hat die geringste öffentliche Investitionsquote. Das sind die Realitäten heute, und dafür gibt es einen Verantwortlichen: Bundeskanzler Schüssel und seine neu gebildete schwarz-blaue Regierung!

Ich möchte an dieser Stelle noch kurz zum so genannten größten Sparpaket aller Zeiten kommen. Bisher habe ich immer nur vom „größten Feldherrn aller Zeiten“ gehört – neues Wording also auch in Österreich. Dazu muss man jedenfalls zwei Punkte feststellen: Für das Jahr 2004 – ein Jahr zu spät, meine Damen und Herren, denn der Antrag der SPÖ für eine Ent­lastung lag bereits im April 2002 in diesem Hohen Haus – wird nun eine Entlastung durchge­führt, die wir vielleicht im Jahre 2005 wirklich ernten können.


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Ich glaube nicht, dass sie kommt. Ich glaube nicht, dass diese Regierung dann noch im Amt sein wird. – Danke, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

15.49


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Steibl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.49


Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Sehr geehrte Regierungsmitglieder auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Einen Satz zu meinem Vorredner Matznetter: Während die SPÖ anscheinend DKT spielt, arbeiten die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ für die Zukunft unseres Landes, für Österreich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ruhe, mein Herr!

Ich möchte noch nachsetzen: Zukunft braucht Verantwortung, um nachhaltig und gerecht für die österreichischen Mütter, Väter und Familien einzutreten. 2004 wird das internationale Jahr der Familie sein. Wir wollen nach Erfolgen wie dem Kinderbetreuungsgeld, der Familienhospiz­karenz, der Heimfahrbeihilfe für Schüler und Studenten Österreich, wie unser Bundeskanzler Wolfgang Schüssel heute gesagt hat, zum familien- und kinderfreundlichsten Land der Welt machen.

Als Vorsitzende des Familienausschusses begrüße ich – anders als die Opposition –, dass durch die neue Ressortverteilung ein ganz klares Signal für Frauen und für Familien gesetzt wurde. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Der Familienausschuss des Nationalrats bietet Ihnen, Frau Staatssekretärin Ursula Haubner, und dir, Frau Bundesministerin Rauch-Kallat, eine kon­struktive Zusammenarbeit an. Wir werden unser Bestes geben. Ein gemeinsames Miteinander wird viele Wege aufzeigen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es wurde von der Opposition, insbesondere von der SPÖ, bedauert, dass die Frauenpolitik in der Familienpolitik untergeht. Frau Abgeordnete Prammer hat in ihren heutigen Ausführungen eine echte feministische Frauenpolitik gefordert. Ich möchte als Antwort aus einer Ausgabe des „Format“ zitieren:

„Schwachstellen sah und sieht Greenberg aber auch in der Frauenpolitik: Um das zu erreichen, müsste sich die SPÖ, so Greenberg, aber stärker anstrengen – und vor allem ,innerhalb der Partei Persönlichkeiten und Aushängeschilder hervorbringen, die diese Frauen auch anspre­chen.“ – Zitatende.

Mehr braucht man dazu, glaube ich, nicht mehr zu sagen. (Abg. Dr. Glawischnig: Zwischen Politik und Werbung ist aber ein Unterschied, oder?) – Ich glaube nicht, dass das die Werbung vom „Onkel aus Amerika“ war. Das war, glaube ich, der Wahlkampfberater der SPÖ. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Ruf bei der ÖVP: Der war sein Geld wert!)

Wir setzen andere Akzente! Durch ein eigenes Bundesministerium für Frauen und ein eigenes Staatssekretariat für Familie setzt diese Bundesregierung klare Schwerpunkte. Ich möchte nur einige aufzählen und diese auch begrüßen: Das wichtigste Thema der neuen Gesetzgebungs­periode wird die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sein, Hand in Hand gehend mit einem Anspruch auf Teilzeitarbeit in mittleren und größeren Betrieben sowie flexiblen Arbeitszeitrege­lungen für Eltern von Kindern bis zum Schuleintritt.

Von uns, von der ÖVP, wurden gerade in diesem Bereich bereits Schwerpunkte gesetzt. Ich denke zum Beispiel an das Bündnis mit der Wirtschaft, auch mit Wirtschaftskammerpräsident Leitl, unter dem Motto „Wirtschaft schafft Arbeit“. Das sichert auch die Zukunft unserer Familien. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Als Steirerin ist mir natürlich der Mindestlohn ein wichtiges Anliegen – diese Forderung ist in der Steiermark geboren worden. Ein Mindestlohn von 1 000 € – das ist die Zukunft! Angesichts dessen, dass auch heute wieder in einer Tageszeitung zu lesen ist, dass noch über 300 000 Menschen in Österreich unter dieser Einkommensgrenze leben, ist es an der Zeit, diese Forderung, die die Sozialpartner in Kollektivverträgen zu verwirklichen nicht geschafft haben, auch wirklich umzusetzen.

Wichtig ist auch, noch einmal zu erwähnen – und man kann es nicht oft genug tun –, dass nun­mehr nicht mehr nur 18, sondern 24 Monate Kinderbetreuungszeit als pensionsbegründend – also nicht nur als Ersatzzeiten – angerechnet werden. Es muss auch über eine eventuelle An­hebung der Zuverdienstgrenze beim Kinderbetreuungsgeld diskutiert werden. Weiters brauchen wir – was wir oft verdrängen – noch strengere Maßnahmen gegen den Missbrauch von Kindern sowie auch Sucht- und Drogenprävention für unsere Jugend. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Einhergehend damit muss es aber eine verstärkte Partner- und Elternbildung geben, denn Eltern wird in dieser Gesellschaft oft viel zu viel abverlangt.

Abschließend möchte ich betonen: Eine moderne Frauen- und Familienpolitik ist eine politische Querschnittmaterie, die alle Lebensbereiche umfassen muss. Und die Generationen- und Ge­schlechtergerechtigkeit ist der Schlüssel zu einer nachhaltigen Gesellschaftspolitik. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

15.55


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. Wunschgemäß stelle ich die Uhr auf 5 Minuten ein. – Bitte.

15.55


Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Herr Bundeskanzler, Sie haben ganz zu Beginn Ihrer Regierungserklärung etwas Wichtiges gesagt, nämlich dass diese Regierung einen Blick über die eigenen Grenzen hinaus wagen wolle. – Na ja! Ein Blick auf die Regierungserklärung und auf das Regierungsprogramm hat dann aber gezeigt, dass sich dieser Blick gerade noch ein bisschen nach Europa richtet, aber über Europas Grenzen hinaus in die Welt geht er so gut wie gar nicht. Diese Regierung hat, was die Außenpolitik betrifft, der Mut verlassen, meine Damen und Herren! (Beifall bei Abgeord­neten der Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: „Spärlicher Applaus“ wird im Protokoll stehen!)

Das zeigt sich ganz deutlich daran, dass Sie zwar, wie Kollege Van der Bellen bereits erwähnt hat, das Bekenntnis zum Friedensprojekt der Europäischen Union ablegen – dem stimme ich zu –, aber danach kommen schon Südtirol und die altösterreichischen Minderheiten. (Zwischen­bemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel.) Als ich das gelesen habe, fiel mir ein, dass auch wir Grüne das bei den Verhandlungen mit der ÖVP hatten, nämlich im ersten Textentwurf der ÖVP. Wahrscheinlich haben Sie damals die Papiere für die Verhandlungen mit den Freiheit­lichen mit jenen für die Verhandlungen mit uns verwechselt. Bei unseren Verhandlungen kam der zweite Punkt dann im zweiten Entwurf nicht mehr vor, denn das kann doch nicht wirklich ein Schwerpunkt der österreichischen EU-Politik sein.

Der Konvent und die EU-Erweiterung kommen erst als Punkt drei und vier des Regierungspro­gramms. Über den Konvent, Frau Außenministerin, ist, wie schon andere vor mir bereits ange­prangert haben, inhaltlich nicht viel enthalten. Wie ist denn das nun? Will Österreich die Grund­rechtscharta in der EU-Verfassung verankern? (Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner: Das wissen Sie doch!) – Dann hätten Sie das auch in das Regierungsprogramm schreiben sollen! Sie sagen, ich wüsste doch, dass Sie das wollen. Vielleicht weiß ich das – das mag schon sein –, aber dann soll es doch im Programm dieser Regierung stehen, Frau Ministerin! Wer kann das denn sonst wissen? Vielleicht die Abgeordneten, die hin und wieder mit Ihnen disku­tieren, aber das ist doch wohl auch für die breitere Bevölkerung gedacht. Woher soll die das denn wissen?


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Wie halten Sie es mit dem Europaparlament? Soll es in allen Akten der Gesetzgebung ein Mit­entschei­dungsrecht haben? Das steht auch nicht im Regierungsprogramm. Oder: Wie ist es damit, dass der Rat in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber öffentlich tagen soll? Das sind ganz wich­tige Punkte, um dieses europäische Projekt auch der Bevölkerung näher zu bringen. Aber nichts davon steht drinnen! Ich frage mich: Warum? Vielleicht wollten Sie es hier nicht so deutlich aussprechen.

Zur Erweiterung. Ich bin sehr froh darüber, dass das Bekenntnis zur Ratifizie­rung der Erweite­rungsverträge in dieses Regierungsprogramm aufgenommen wurde. Das war wahrscheinlich kein ganz einfacher Schritt mit der FPÖ, aber immerhin, es steht drinnen. Ich hoffe, dass auch Sie, Herr Minister Gorbach – er ist leider gerade nicht anwesend –, sich in Zukunft an dieses Regierungsprogramm halten und nicht neuerlich irgendwelche Vetodrohun­gen in den Raum stellen werden. Diese sind nämlich einer gedeihlichen Europapolitik alles andere als förderlich und zudem für die Nachbarschaftsbeziehungen nicht das Beste. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Sie haben gesagt, es sei notwendig, gerade im österreichisch-tschechi­schen Verhältnis die Versöhnung voranzutreiben. Da stimme ich Ihnen sehr zu. Das ist notwen­dig! Diese Beziehungen gehören verbessert – aber gemeinsam, und nicht mit Aufforde­rungen, was die Tschechen beziehungsweise die tschechische Regierung tun sollen, sondern in einem Dialog. In dieser Angelegenheit muss auf beiden Seiten etwas geschehen.

Frau Außenministerin, Sie haben erwähnt, wie wichtig der südosteuropäische Raum für die kommende Erweiterung ist, etwa Kroatien. Ich stimme Ihnen zu. Aber auch eine Strategie für das weitere Südosteuropa wäre notwendig. Sie haben auch den Koordinator des Stabilitäts­paktes, Dr. Busek, erwähnt. Wäre es nicht vorteilhaft, sich diesen Dr. Busek als Erweiterungs­beauftragten für die österreichische Politik in diese Region zu holen? Das wäre doch ein Signal in die richtige Richtung!

So wie es zurzeit aussieht, hat dieses, wie Sie, Frau Ministerin, es genannt haben, „starke Herz“ ziemliche Herzrhythmusstörungen, denn eine echte EU-Politik ist leider noch nicht zu sehen.

Außenpolitik wird vor allem vor dem Hintergrund der äußeren Sicherheit dargestellt. Zur Ent­wicklungszusammenarbeit gibt es ein paar vage Sätze, jedoch nichts über das Erreichen bezie­hungsweise die gesetzliche Verankerung der von der EU beschlossenen ODA-Quote von 0,33 Prozent, nichts über das Millenniumsziel der UNO, die Armutsbekämpfung, den Fairen Handel, der Ihnen angeblich so wichtig ist, eine Studie über die Devisentransaktionssteuer, die Sie sogar in Ihrem Buch erwähnen – nichts davon kommt darin vor!

All das ist nicht wirklich zukunftsweisend, Frau Ministerin – denn warum schreiben Sie diese Inhalte nicht ins Regierungsprogramm, wenn Sie sagen, dass Sie es ohnehin vorhaben? Das gehört in ein Regierungsprogramm! So hat die Außenpolitik weder Hand noch Fuß. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Abgeordnete, bitte kommen Sie zum Schlusssatz!


Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (fortsetzend): Ein Punkt noch zur Sicherheitspolitik, da hier die Verbesserung der Beziehung zur NATO in den Raum gestellt wird, die Beistandspflicht. Sie haben wohl vergessen, werte Damen und Herren der Bundesregierung, dass für die Abschaf­fung der österreichischen Neutralität zumindest eine Volksabstimmung notwendig wäre, um diese Beistandspflicht einzuführen. (Abg. Scheibner: Was heißt „zumindest“? – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Das steht nicht drinnen, das müssten Sie aber tun. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Fischer. – Abg. Scheibner: Lesen Sie einmal die Verfas­sung, Frau Kollegin! Haben Sie Artikel 23f gelesen?)

16.01


Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt die letzte Stunde bis 17 Uhr vor uns. Auf Grund der Entscheidungen der Präsidialkonferenz soll ich die Redezeit auf die elf Redner, die noch bis 17 Uhr drankommen, gleichmäßig verteilen. Daher bitte ich alle,


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wenn die Lampe zu leuchten aufhört, auch wirklich zu sprechen aufzuhören, damit alle gleich lange drankommen.

Zum Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Bösch. – 5 Minuten. Bitte auf die Redezeit zu achten!

16.01


Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Der Kollege von der SPÖ hat dem Herrn Staatssekretär aus seinem reichen Fundus an Kinderspielen, nehme ich an, ein DKT überreicht, und das war eine gute Auswahl. Das zeigt nämlich, dass er den Rechenschieber, den mit den Kugeln, behalten hat, und diesen wird er weiterhin brauchen, um die Grundrechnungsarten zu beherrschen, meine Damen und Herren von der SPÖ, denn diese Bundesregierung hat das größte Budgetdefizit, das von Ihnen übergeben wurde, zu verwalten. (Ironische Heiterkeit der Abg. Hagenhofer.)

Die SPÖ trägt die Verantwortung für jenes Defizit, das diese Regierung zu bekämpfen hat und dessen Beseitigung sie mit entsprechenden Maßnahmen bereits angegangen ist. Das sollten Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, sich merken. (Abg. Dr. Wittmann: Falsche Rede! Die ist drei Jahre alt, die Rede!)

Meine Damen und Herren! Die Redner von den Grünen haben hier heraußen das Eintreten für Südtirol und für die Vertriebenen lächerlich gemacht, auch Sie, Herr Klubobmann. Ich finde das bemerkenswert. – Diese Bundesregierung wird das Eintreten für Bürger- und Menschenrechte auch in der kommenden Legislaturperiode an einer der vordersten Stellen ihrer Anliegen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Außenpolitik, die in den letzten drei Jahren von dieser Bundesregierung gemacht wurde, wird in den nächsten Jahren fortgesetzt werden. Es handelt sich dabei um eine stabile und kon­tinuierliche Außenpolitik. Es gilt, die Interessen Österreichs in allen internationalen Vereinigun­gen, von der UNO über die OSZE – die Frau Minister ist darauf schon eingegangen –, weiterhin zu vertreten. Gerade auch in der Europapolitik werden die österreichischen Interessen in den Vordergrund zu rücken sein.

Dass im Regierungsprogramm nicht alles steht, was im Rahmen des Konvents jetzt gerade poli­tisch diskutiert wird, Frau Kollegin, ist, glaube ich, eine Selbstverständlichkeit. (Zwischenruf der Abg. Mag. Lunacek.) Aber wir werden ja in den nächsten Monaten hier im Hohen Haus noch zur Genüge über den Konvent, die Neugestaltung Europas, die Institutionen und ihre Rollen in Europa debattieren können.

Meine Damen und Herren! Im Rahmen der Europapolitik geht es auch um die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Im Rahmen der gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik hat jedes Mitgliedsland – damit auch unsere Republik – seinen Beitrag zu leisten. Dazu zählt auch eine eigenständige Landesverteidigung.

Ich denke, dass es ein Akt der Selbstachtung ist, dass ein mittelgroßes Land wie unsere Repu­blik im Herzen Europas diesen Kern der staatlichen Souveränität ernst nimmt und auch weiter­hin daran arbeitet. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass das österreichische Bundesheer in der Lage ist, den Schutz der Heimat sicherzustellen, Assistenzeinsätze flächendeckend zu ermög­lichen, aber auch seinen internationalen Verpflichtungen nachzukommen.

Diese Bundesregierung hat gerade in diesem Zusammenhang klare Beschlüsse gefasst. Sie hat gesagt, dass die Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin, die in der letzten Legislaturperiode von den beiden Regierungsparteien beschlossen wurde, weiterentwickelt wird, dass die Ge­samt- und Teilstrategien, die zur Verwirklichung dieser grundsätzlichen Sicherheits- und Vertei­digungsdoktrin notwendig sind, erarbeitet werden und dass daraus die neue Organisation des Bundesheeres resultieren muss.


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Die Bundesregierung wird eine Reformkommission einrichten, die auf Grund der Teilstrategien, die es zu erarbeiten gilt, die genaue Organisationsstruktur und die Entwicklung des Bundes­heeres beraten wird.

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen stehen für eine Modernisierung im Rahmen der Organisation des österreichischen Bundesheeres immer bereit; Bundesminister Scheibner hat das in den drei Jahren seiner Amtstätigkeit in diesem Ressort eindrucksvoll bewiesen.

Wir glauben, dass im Rahmen dieser Reformkommission, im Rahmen der Erarbeitung dieser neuen Teilstrategien wesentliche Schritte möglich werden, damit wir die Sicherheit der Bevölke­rung garantieren können und eine verantwortungsvolle Politik auch im Sicherheits- und Verteidi­gungsbereich weiterhin gegeben ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.06


Präsident Dr. Andreas Khol: Vielen Dank, Herr Abgeordneter, für die Präzision.

Zum Wort gelangt nunmehr Frau Bundesministerin Rauch-Kallat. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

16.06


Bundesministerin ohne Portefeuille Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Hohes Haus! Unter dem Aspekt „Gesundheit neu denken“ will diese Bundesregierung eine aktive Gesundheits­politik verfolgen. Das viel gebrauchte Wortspiel „Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesund­heit ist alles nichts“ zeigt, welch hohes Gut die Gesundheit für uns alle ist, ein Gut, das es zu erhalten und vor allem auch zu verteidigen gilt.

Es muss daher ein Umdenken in der Gesundheitspolitik stattfinden. Wir wollen nicht nur Krank­heiten heilen, sondern wir wollen vor allem verhindern, dass Krankheiten entstehen, und sicher­stellen, dass durch ein entsprechendes Bewusstsein jeder Einzelne seine Verantwortung für sich und seine Gesundheit stärker wahrnimmt, als er dies bisher getan hat. Das beginnt bei der gesunden Ernährung, führt über die gesunde Bewegung bis hin zur regelmäßigen Vorsorge­untersuchung.

Diese Bundesregierung hat sich vorgenommen, Menschen zu belohnen, die für sich und ihre Gesundheit vorsorgen. Ich denke, dass viele Volkskrankheiten vermieden oder gemildert wer­den könnten, wie Bluthochdruck, Diabetes, wenn die Vorsorgeuntersuchungen, wie etwa auch die Krebsvorsorge, angenommen und regelmäßig durchgeführt werden. Es muss uns gelingen, durch Anreize die Zahl der Vorsorgeuntersuchungen pro Jahr zu verdoppeln – und damit letztendlich sehr viel Geld zu sparen.

Das ist ein Teil der Kür, aber so wie im Eiskunstlauf – Frau Kollegin Prammer hat das schon angesprochen – kommt vor der Kür die Pflicht. Und wenn wir unsere kranken Kassen zu gesun­den Kassen machen wollen, zu gesunden Servicezentren, dann müssen wir alle Umstrukturie­rungsmaßnahmen, die sicherstellen, dass diese Einrichtungen auch den Kriterien eines moder­nen Managements entsprechen, zuerst vornehmen. Wir müssen sie den Prinzipien des moder­nen Managements anpassen, wir müssen Doppelgleisigkeiten abbauen, die Chancen der Tele­medizin und die damit verbundenen Verbesserungen für die Patienten nützen. Wir müssen letztendlich auch den Anforderungen Genüge tun, die die demographische Entwicklung zeigt. Es muss uns gelingen, Akutbetten dort, wo möglich und wo notwendig, in Pflegebetten umzu­wandeln. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

In der Gesundheitspolitik ist eine Menge umzubauen, aber zum Glück sind es Frauen ja ge­wohnt, fest anzupacken – und damit bin ich beim zweiten Bereich meines Ministeriums, der Frauenpolitik. Wir möchten selbstverständlich auch eine aktive Frauenpolitik betreiben. – Ich danke den Vorrednern, auch von den Oppositionsfraktionen, dafür, dass sie mir zumindest das zu­trauen. Ich denke, dass wir gemeinsam doch einiges bewegen können, denn es gibt auch im Bereich der Gleichstellung noch sehr viel zu tun.

Die Einkommensschere ist zu schließen – das ist ein Projekt, das nicht in vier Jahren abge­schlossen sein kann! Gerade bei der Pensionsreform müssen wir darauf achten, dass wir nicht


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die Einkommensschere für Pensionistinnen auseinander klaffen lassen. Darauf werde ich sicher ein wachsames Auge richten. Und eine der Maßnahmen, die wir im Regierungsprogramm ver­ankert haben, trägt dazu bei, nämlich die höhere Anrechnung der Kindererziehungszeiten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Analyse über die Ursachen der Einkommensschere ist hinlänglich bekannt; wir haben uns in den letzten Jahren damit beschäftigt. Es geht jetzt darum, Maßnahmen zu setzen, die dazu bei­tragen, dass die Ursachen auch beseitigt werden. Das beginnt mit der Aufklärung junger Mäd­chen, sodass sie die richtige Berufswahl treffen und in Berufe einsteigen, die bessere Einkom­menschancen bieten, und damit, dass wir ihnen Karrierechancen eröffnen und vor allem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern.

Was ich machen möchte, ist, die Frauenpolitik weg von der Jammerpolitik zu bringen. Ich denke, dass Frauenpolitik nicht immer von Frustration gekennzeichnet ist. Wir wollen handeln statt jammern. Frust statt Lust! – Ich lade Sie herzlich ein, mitzutun. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Mag. Trunk.)

16.11


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin! Sie haben natürlich gemeint „Lust statt Frust“ und nicht „Frust statt Lust“. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesministerin Rauch-Kallat: Vor lauter Hetzerei! – Abg. Mag. Prammer: Das war Freud!)

Als Nächster gelangt Herr Bundesminister Pepi Pröll zu Wort. 5 Minuten. – Bitte.

16.11


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.‑Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Kolle­gen auf der Regierungsbank! (Abg. Dr. Glawischnig: Und Kolleginnen!) Kolleginnen und Kolle­gen auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich möchte bei meinem ersten Auftritt hier im Ple­num gleich zu Beginn die Gelegenheit nutzen, meinem Vorgänger zu danken. Willi Molterer hat in den letzten Jahren mit seiner umsichtigen, zielorientierten und effizienten Politik Österreich in vielen Fragen, in ökologischer Hinsicht und in der Landwirtschaft, als Spitzenreiter in Europa positioniert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir sind Nummer eins beim Anteil der Bioenergie am Elektrizitätsverbrauch. Wir sind Nummer eins bei der Vermeidung von Verpackungsmaterial. Wir sind Nummer eins beim Verhältnis des Energieverbrauchs zur Wirtschaftsleistung. – All das sind Faktoren, die du, Willi Molterer, mit deiner effizienten Arbeit entscheidend mitgeprägt hast.

Das ist auch deswegen möglich geworden, weil die ÖVP, weil die Regierung Umweltpolitik mit Hausverstand gemacht hat, den ökosozialen Weg und die ökosoziale Idee immer als Basis für die Entwicklung gesehen hat und Umweltpolitik gemacht hat, die Arbeitsplätze schafft und sichert.

Was hat die Regierung, was habe ich in den nächsten Jahren vor, für dieses Land umzuset­zen? (Abg. Oberhaidinger: So lange wird es nicht dauern! – Heiterkeit bei der SPÖ.)

Erstens: Die größte Herausforderung im internationalen und nationalen Umfeld ist sicher der von uns, vom Menschen verursachte Klimawandel. Der Schutz vor den Gefahren, die sich durch eine Veränderung des Klimas ergeben, muss jetzt an der Wurzel angepackt werden. Wir haben daher im Regierungsübereinkommen festgesetzt, bis 2006 90 Millionen € mehr für den Klimaschutz auszugeben, beginnend mit dem Jahr 2004, für die Jahre 2004, 2005 und 2006 je 30 Millionen €. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Damit nicht genug. Wir werden auch eine Initiative mit den Bundesländern starten, damit im Wohnbauförderungsbereich die entsprechenden Maßnahmen gesetzt werden, um das ehr­geizige Ziel des Klimaschutzes zu erreichen.


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Wir wollen Alternativenergieformen weiter ausbauen. Davon profitiert nicht nur die Umwelt, da­von profitieren auch kleine und mittlere Unternehmen im ländlichen Raum und davon profitiert die Landwirtschaft. Deswegen wollen wir mit einem Mix von Einzelmaßnahmen den Ökostrom­anteil von derzeit 70 auf 78 Prozent anheben. Wir wollen um 75 Prozent mehr Biomasse einset­zen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) – Es ist dies ein ehrgeiziges Ziel, aber es zahlt sich aus.

Wir machen einen Schritt, den keine andere Bundesregierung zuvor gemacht hat, im Rahmen einer ökologischen Steuerreform im Jahr 2004 (Zwischenruf der Abg. Mag. Lunacek): Wir belasten fossile Energieträger und leisten damit einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz. Wir entlasten vor allem Bezieher niederer Einkommen, nämlich unter 14 500 €. Oft gesagt und verlangt – wir setzen das als erste Bundesregierung im Jahr 2004 um! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Herr Bundeskanzler hat in seinen Ausführungen bereits darauf Bezug genommen, es be­trifft eine meiner ersten Aktivitäten beim Umweltministerrat am Dienstag dieser Woche: Wir wer­den die Entschwefelung von Diesel und Treibstoffen bereits im Jahr 2004 realisieren. Ich werde diesbezüglich in den nächsten Tagen gemeinsam mit der Erdölwirtschaft eine Initiative starten, um dieses Ziel zu ermöglichen. Wir wollen haben – das habe ich beim Umweltministerrat in der EU auch schon deponiert –, dass eine Initiative hinsichtlich der Dieselpartikelfilter erfolgreich ist, um die Belastung in diesem Bereich zu reduzieren.

Ich möchte nun auf den zweiten Bereich meines Ressorts eingehen, die Landwirtschaft. Nach­dem schon das Licht blinkt, kann ich das nur noch ganz kurz skizzieren: Ein 3-Milliarden-€-Paket zur Absicherung der österreichischen Landwirtschaft – gerade im Hinblick auf die Ost­erweiterung ein sehr wichtiges Ziel. Wir wollen die Wettbewerbsgleichheit mit dem Agrardiesel herstellen. Das ist eine entscheidende Frage im Zusammenhang damit, ob wir bäuerliche Familienbetriebe erhalten können. Wir müssen ihnen die Instrumente geben, damit sie im Wett­bewerb mit den europäischen Kollegen konkurrenzfähig sind.

Das sind zwei der großen Ziele, und ich glaube, dass wir insgesamt unter dem Ziel, die Zukunft nachhaltig gerecht zu gestalten, erfolgreich sein werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

16.16


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Josef Broukal, der gleichfalls 5 Minuten zu uns sprechen wird. – Bitte.

16.17


Abgeordneter Josef Broukal (SPÖ): Herr Präsident! Ich habe inständig gehofft, dass Sie mich auch der freundlichen Anrede „Peperl Broukal“ für würdig erweisen werden, so wie beim Herrn Landwirtschaftsminister, aber das wird noch werden.


Präsident Dr. Andreas Khol: Wenn Sie mir das Privileg zugestehen, werde ich es in Zukunft tun, Peperl Broukal. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)


Abgeordneter Josef Broukal (fortsetzend): Herr Landwirt­schaftsminister! Zu dem, was Sie gesagt haben, kann ich nicht viel sagen, denn das hieße wirklich in einem Bereich dilettieren, in dem ich mich nicht auskenne. Ich hoffe nur, dass Sie die heimliche Vorliebe Ihres Onkels für Rot-Schwarz im Herzen auch ein bisschen teilen. Das würde die Zusammenarbeit leichter machen.

Frau Rauch-Kallat, ich freue mich auf das, was Sie in den nächsten Jahren machen werden. Ich kenne Sie ja noch aus der Zeit, als Sie in Wien das Soziale Hilfswerk der ÖVP geleitet haben, und ich weiß: Neben allem Harten, Generalsekretärhaften, das in Ihnen schlummert, gibt es auch die feste Frauenpolitikerin, die über die Grenzen der Parteien hinweg das tut, was Sache der Frauen ist.


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7. Sitzung / Seite 147

Wenn man es jetzt noch ein bisschen aufs Soziale allgemein erweitert, dann kann, meine ich, das eine oder andere entstehen, das bisher nicht entstehen konnte. Ich freue mich darauf. (Bei­fall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine Mitarbeiterin sagt zwar, dass man das nie sagen soll, denn dann klatschen die Falschen, und das steht im Protokoll, aber ich sage es trotzdem recht gerne.

Mein Thema ist Forschung und Bildung. Der Herr Vizekanzler hat es heute schon gesagt – die Stehsätze sind uns allen gemeinsam –: Forschung heute bringt Arbeitsplätze morgen. Mehr Forschung heute bringt morgen mehr Arbeitsplätze. Mehr Forschung hält helle Köpfe im Land, die sonst ins Ausland gehen, um einen qualifizierten Arbeitsplatz zu bekommen. – Darin sind wir uns einig.

Aber in der Regierungserklärung gibt es leider zu diesem Zukunftsthema, was dann das Kon­krete betrifft, nämlich die Maßnahmen, die uns dorthin bringen sollen, schlechte Nachrichten.

Erstens: Sie sind nicht und nicht imstande, das für mehr Forschung in Österreich nötige Geld aufzutreiben. 2,5 Prozent des Volkseinkommens – so stand es in Ihrer Regierungserklä­rung 2000 – haben Sie den Österreichern für das Jahr 2004 versprochen. Aber Sie wer­den das nicht erreichen, und Sie machen es sich einfach und sagen: Schwamm drüber! 2,5 Prozent im Jahr 2006! – Versprechen statt Taten! Das hat sich Österreichs Forschung nicht verdient! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sie muten jedem, der rechnen kann, einiges zu. 600 Millionen mehr wollen Sie für Forschung ausgeben, aber 1,5 Milliarden würden Sie brauchen, um das von Ihnen selbst gesteckte neue Ziel zu erreichen. Geben Sie jetzt schon auf (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Das stimmt ja nicht!), oder wollen Sie es nur nicht zugeben?

Herr Bundeskanzler! Es stimmt, aber ich habe hier nur 5 Minuten. Wenn Sie mir dann die Gnade eines Privatissimums geben, werde ich versuchen, Ihnen meine Version des kleinen Einmaleins zu zeigen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Van der Bellen. – Zwischenbe­merkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel.)

Wirtschaft und Universitäten brauchen feste Zusagen, sie brauchen Sicherheit auf Jahre. Und das ist das, was Sie auch mit dieser Regierungserklärung nicht geben.

Aber davon brauche nicht ich Sie zu überzeugen. Ich zitiere den neuen Vizechef des For­schungsfonds der Wissenschaft – er sagte es heute, und ich nehme an, man hat Ihnen diese Meldung der Austria Presse Agentur auch schon gezeigt –: „Wir fordern nicht mehr, als die Regierung immer wieder versprochen hat. Wenn das aber nicht stattfindet, wird Österreich einen Blauen Brief be­kommen, nicht von der EU, sondern von der Zukunft.“ (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordne­ten der Grünen.)

Zweiter Punkt: Sie sind nicht und nicht imstande, Österreichs Forschungspolitik auf eine ge­sunde Basis zu stellen. Vier Ministerien mischen mit, jedes kocht seine eigene Suppe. Wenn Sie jemanden auf der Straße fragen: Wer ist eigentlich Österreichs Forschungsminister?,  glauben Sie, dass Sie eine Antwort bekommen? – Niemand weiß es! Kompetenz­wirrwarr statt Politik aus einem Guss. Auch das hat Österreichs Forschung sich nicht verdient. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Großruck.) Heute ist nicht die Zeit, auf Zwi­schenrufe einzugehen, Sie entschuldigen, das machen wir das nächste Mal.

Dritter Punkt: Sie halten an der Studiengebühr fest, und Sie verhöhnen all jene, die es schwer haben, sich diese 10 000 S im Jahr abzusparen. Wer gut verdient und Steuer zahlt, soll die Studiengebühr von der Steuer abziehen können, versprechen Sie in Ihrem Regierungspro­gramm. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Jemand, der nichts ver­dient, zahlt 10 000 S Studiengebühr, jemand, der verdient und Geld hat, vielleicht 7 000 S oder 6 000 S! Verkehrte Welt, Ihre Welt! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Murauer: Lieber Herr Broukal! Was ist mit den Stipendien?)


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Vierter Punkt – und das ist etwas, was mir persönlich sehr Leid tut, weil ich es nicht verstehen kann –: Sie verhindern auch in den nächsten Jahren, dass die jüngeren Wissenschafter an den Universitäten mitreden und mit entscheiden können. Sie schneiden eine ganze junge Genera­tion an den Universitäten von der Mitbestimmung ab, wie es sie in jedem größeren Betrieb gibt. Diese Mitbestimmung wieder einzuführen kostet Sie keinen Cent. Warum Sie sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, weiß niemand. Die Zukunft ist das nicht.

Dass Sie nebenbei dann Universitätsräte bestellen, deren Publikationen haarscharf am NS-Verbotsgesetz entlangschrammen, das müssen Sie mit sich selbst ausmachen. Mir ist es unver­ständlich, und ich verstehe diese Fleißaufgabe nicht. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Aber während Sie für Menschen mit Weltanschauungen von vorgestern Verständnis haben, ver­folgen Sie andere, und das ohne viel Anstand und ohne viel Ehrgefühl. Im Innenministerium reißen niederösterreichische Zustände ein. Während Landeshauptmann Pröll sagt, er hätte die SPÖ gerne in der Regierung, entfernt sein früherer Sekretär Strasser SPÖ-nahe Beamte, wo immer er kann, auch wenn sie beste Arbeit leisten. (Beifall bei der SPÖ.)


Präsident Dr. Andreas Khol (das Glockenzeichen gebend): Herr Abgeordneter, bitte um den Schlusssatz! Ich habe den Zwischenruf nicht eingerechnet.


Abgeordneter Josef Broukal (fortsetzend): Ich danke Ihnen sehr herzlich. – Im Fall des Gendarmeriegenerals Strohmayer ist die letzte Schamgrenze gefallen. Damit Sie, Herr Bundeskanzler, nicht wie im Fall des Polizeigenerals Schnabl sagen können, Sie hätten es nicht gewusst, hier ist der entsprechende Bericht der „Kleinen Zeitung“. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Der Redner übergibt dem auf der Regierungsbank sitzenden Bun­deskanzler Dr. Schüssel einen Zeitungsartikel.)

16.23


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort gelangt nunmehr Abgeordneter Jakob Auer, der gleichermaßen 5 Minuten zu uns sprechen möchte. – Bitte.

16.23


Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Ich werde auf die Ausführungen des Kollegen Broukal nicht eingehen (Abg. Dr. Jarolim: Das fällt auch sehr schwer, glaube ich!), das wird ein anderer Kollege machen, aber ich werde mich ein wenig mit den Ausführungen des Kollegen Matznetter beschäftigen, der sich sehr kritisch mit der Budgetpolitik dieser Bundesregierung auseinander gesetzt hat.

Nur zur Erinnerung, meine Damen und Herren: Ja, es gibt heute eine andere Budgetpolitik als in Zeiten sozialistischer Finanzminister. Gab es damals auch bei bester Konjunktur Budgetdefi­zite von 5 Prozent des BIP, so gibt es heute bei schwieriger Konjunkturlage ein Budgetdefizit von maximal 0,6 Prozent oder 1 Prozent des BIP. Das ist ein gewaltiger Unterschied, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Interessant war heute der Auftritt der Opposition. Sowohl Van der Bellen, der Klubobmann der Grünen, als auch Cap, der Häuptling schneller Zunge, haben heute sozusagen beklagt, dass es eine eigenartige Stimmung gebe. Es sei ruhig, sachlich, ja fast ernüchternd und so weiter, ja be­drückend, meinte er. – Ja, wenn ich an Ihre Auftritte denke, dann gebe ich Ihnen Recht. Meine Damen und Herren, das ist die richtige Analyse. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich darf schon daran erinnern, dass es spannend war, dass es knisternd war im Jahre 2000. Da gab es von Ihnen einen Dringlichen Antrag, einen Misstrauensantrag gegen die Regierung. Es gab massenhaft Entschließungsanträge und andere parlamentarische „Gepflogenheiten“. Offensichtlich hat Sie die Arbeit dieser Bundesregierung überzeugt. Heute ist von all dem Gott sei Dank nichts zu hören, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Cap meinte, die ÖVP hätte Chancen versäumt, und er wurde vom Kollegen Van der Bellen unterstützt. Offensichtlich haben Sie die Aussagen Ihrer Parteikollegen Haider, Ambrozy, Häupl und anderer schon vergessen, die ja absolut keine Koalition wollten. Oder möchten Sie damit zum Ausdruck bringen, ohne dass ich es Ihnen unterstelle, diese Herrschaften hätten nichts zu reden in Ihrer Partei, meine Damen und Herren? So weit gehe ich gar nicht!

Meine Damen und Herren! Offensichtlich haben Sie Schwierigkeiten mit der Trauerarbeit auf Grund der vergebenen Chancen. Wir lassen Sie dabei alleine. Sei’s drum. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Da war Kollege Matznetter in seiner Pressekonferenz vorgestern wesentlich ehrlicher. Er meinte, man spricht von einer Steuerreform, und beklagte gleichzeitig, dass diese erst 2005 kommen würde, weil man ja 2006 wählen würde. Jetzt höre ich monatelang, diese Regierung hätte keinen Bestand, sie hätte keine Chance. Offensichtlich ist er davon überzeugt, dass sie tatsächlich hält. Ich bin es, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Ich möchte aber zwei Punkte ansprechen, nämlich den Bereich Landwirtschaft, Finanzaus­gleich, ländlicher Raum. Ich wünsche dem gewichtigen Landwirtschaftsminister – und das nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes, sondern auch auf Grund seiner Kompetenz – viel Erfolg. Er wird dies bei der GAP-Reform, den WTO-Verhandlungen und anderen Dingen dringend brauchen. Alles Gute! Ich bin überzeugt, auf Grund seiner Kompetenz wird er diese Sache im Sinne seines Vorgängers Willi Molterer hervorragend meistern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Österreichs Bäuerinnen und Bauern brauchen tatsächlich die Chancen, die Möglichkeiten, im Sinne ihrer Berufskollegen in der Europäischen Union unter gleichen Wettbewerbsbedingungen zu wirtschaften, und zwar nachhaltig, überzeugend, über­schaubar. Es müssen Lebensmittel von einer Qualität erzeugt werden, die wir alle wollen. Dabei muss es auch im Bereich der Betriebsmittel Chancengleichheit geben. Der erste Weg ist also vorgezeichnet, und ich danke dafür. Nicht nur die schärfsten Auflagen, die kleinsten Preise sind entscheidend, sondern wichtig ist auch, dass Qualität etwas kosten darf und muss.

Meine Damen und Herren! Finanzausgleich, ländlicher Raum. – Die Benachteiligung der finanz­schwachen Gemeinden, der abgestufte Bevölkerungsschlüssel ist ein Relikt aus vergangenen Zeiten zur Behebung von Kriegsschäden. Interessant ist, so schrieb mir ein Bürgermeister einer derartigen Gemeinde, wir dürfen auf dem Land, ob Arbeitnehmer, ob Wirtschaftstreibender, wer immer, bei gleichem Einkommen die gleichen Steuern zahlen wie ein Städter. Nur wenn es darum geht, die Ertragsanteile zur Verteilung zu bringen, dann ist man plötzlich nur mehr die Hälfte wert. – So kann es auf die Dauer nicht gehen! Ich bin daher dankbar, dass in diesem Regierungsprogramm auch darauf eindeutig Bezug genommen wird. Viel Erfolg dabei! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.28


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dozent Dr. Grünewald zu uns. 5 Minuten. – Bitte.

16.29


Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Vielen Dank, Herr Professor und Präsident. – Ich möchte den etwas traurigen Gesichtern jetzt einmal eine Freude machen und werde sagen: Es fasziniert mich wirklich, was in diesem Programm steht. Es bietet Überraschungen, Weltklasse, erste Plätze für Österreich oder zumindest die Absichtserklärung. Ich bin sehr verwundert, wenn ich lesen muss oder höre, die Regierung muss Verantwortung tragen. – Ich habe eigentlich gedacht, dass das auch vorher schon der Fall war. Ist das wirklich neu? Ist das Ihr Programm? War das in Ihrem vorherigen Programm nicht enthalten?

Sie haben heute gesagt: Die Regierung muss handlungsfähig sein. – Bumsti! Das habe ich mir eigentlich auch erwartet. Aber worin besteht Ihr Handeln? Ist da einmal über Qualität gespro-


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chen worden? Frau Gehrer hat Evaluierungsagenturen, Qualitätssicherungsagenturen. Die sollten Sie sich einmal für sich selbst bestellen, denn Handeln alleine ist mir einmal zu wenig.

Wenn ich dann noch lese, dass die Regierung den Menschen nichts vorgaukelt und die Dinge beim Namen nennt, dann muss ich sagen: Ja, dann nenne ich sie jetzt einmal beim Namen.

Selbstbehalte und private Zuzahlungen machen in Österreich einen weltmeisterlichen Platz aus: dritte Stelle unter allen OECD-Staaten! Nur bei Selbstbehalten dritte Stelle in Europa! Sie werden es schaffen, auch da Weltklasse zu werden oder ins Spitzenfeld zu gelangen.

Wie ist es mit der Universität? Was haben Sie da an Innovationen versprochen? Ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes sind 2,2 Milliarden €. Sie wollen es um mindestens ein Prozent steigern. Bis zum Jahr 2010, bis zum Jahr 2006, verspätet, wie wir gehört haben, macht das zumindest 1,1 Milliarden € aus. Sie sprechen von 600 Millionen, sagen dann zu Recht, der Rest käme von der Wirtschaft. Aber, bitte, ist es der Opposition erlaubt zu fragen: Wie machen Sie denn das?

Wir haben bei den Verhandlungen oft Konsens gehabt, hehren, schönen, reinen und guten Konsens, keine Frage. Aber jedes Mal, wenn ich gefragt habe: Wie machen wir das?, hörte ich die Antwort: Dafür gibt es kein Budget, das können wir nicht garantieren!

Sie nennen jetzt viele Ziele bis 2010. Bleckmann beginnt sogar damit, Nachhaltigkeit bis zum Jahr 2030 zu konzipieren. Das ist vielleicht schon ein Hundertstel vom Tausendjährigen Reich. Das dauert mir zu lang, auch wenn es kürzer war. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Haben Sie Kinder?)

Nennen wir die Dinge beim Namen: Schlagende Burschenschafter werden in Uniräte nominiert, und dann verteidigt man das auf schon sehr seltsame Weise. Universität heiße universitas, und das bedeute Pluralismus. Es sei ein Zeichen des Pluralismus, dass auch schlagende Burschen­schafter in dieser bunten, fröhlichen Welt vertreten sein sollen. – Das nenne ich Vielfalt, die zur Einfalt führt. So ist es und nichts anderes. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Sie zitieren und demütigen einen großen Dichter und Schriftsteller, nämlich Saint-Exupéry, indem Sie zum Schluss schreiben: Zukunft soll nicht vorhergesagt werden, sondern man muss sie möglich machen. – Ja, Herr Bundeskanzler, ich glaube, die Zukunft ist in zwei Sekunden schon da, im nächsten Jahr und so weiter. Stellen Sie sich vor, dies geht auch ohne ÖVP. Die Zukunft geschieht, die Zukunft kommt, aber welche, das hätte mich interessiert. Aber darüber lese ich bei Ihnen nichts. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Dann schreiben Sie in Ihrer Regierungserklärung: „In einem Land, ,in dem jeder Zentimeter des Status quo mit wehrhaften’“ – da haben wir schon wieder die „wehrhaften“ –, nicht Burschen­schaftern, sondern „,Interessensvertretungen besetzt ist, kann eine bloß moderierende Politik keine Korrektur vornehmen’.“

Und was tun Sie? – Sie moderieren! Österreich neu denken heißt: neun Freistaaten in Zukunft, Ihre Gesundheitspolitik: neun Länderfonds. Der Bund kommentiert, predigt den Ländern: Bitte macht das und das, schließt ein paar Betten, widmet ein paar um!, aber er kann es gar nicht, er kann es nicht! – Und das ist Österreich neu denken.

Sie sagen, die hellsten Köpfe seien in der Schule, in Kindergärten, haben Sie sogar gesagt, in den Fachhochschulen und Universitäten. Mir wäre recht, wenn die hellsten Köpfe wie eine Neonröhre hinter mir leuchten und diesen Raum in gleißendes Licht tauchen würden. Das wäre zumindest eine Energiesparmaßnahme. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.) Aber davon merke ich auch nichts.

Und dann in der Gesundheitspolitik, da wird es grotesk. Sie wollen durch Verdoppelung der Ge­sundheitsvorsorge die Zahl von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebsleiden und Schlaganfällen um ein Viertel reduzieren. Liebe helle Köpfe! Glauben Sie, man stirbt an Akne, Heuschnupfen oder Kahlhäuptigkeit? – Da bin ich Experte. Das kann es nicht sein!


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Meine Damen und Herren! Der kleine Prinz hat einmal Asteroiden besucht, und zwar 325 bis 330. Ein Planet war von einem Eitlen bewohnt, und der sagte: „Ah, ah, schau, schau, ein Be­wunderer kommt zu Besuch!“ – In mir haben Sie den noch nicht gefunden! (Beifall und Heiter­keit bei den Grünen und der SPÖ.)

16.34


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch. Wunschgemäß ist die Uhr auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.

16.34


Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Werter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Bevor ich auf das Thema Landwirtschaft eingehe, bitte ein Wort zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Broukal, wo ich mir eigentlich am Anfang gedacht habe, da wird ein scharfer Wind von Seiten der SPÖ wehen. Mittlerweile, Herr Abgeordneter, würde ich mir wirklich wünschen, dass Sie öfter während der Live-Übertragung des ORF sprechen, denn das ist mit Sicherheit die Garantie dafür, dass Sie auf der Oppositionsbank bleiben und wir in der Regierung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist mir am späten Vormittag vom Herrn Klubobmann Van der Bellen noch etwas zu Ohren gekommen, was ich heute hier gerne noch einmal wiederholen würde: Herr Klubobmann, Sie haben gesagt, die Freiheitlichen seien das letzte Aufgebot – wortwörtlich: das letzte. Jetzt frage ich mich nur: Wo sind Sie? Wir sind in der Regierung, Sie sind in der Opposition! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwi­schenruf des Abg. Eder.)

Aber nun zum Thema Landwirtschaft. Es wurde heute schon oft darüber gesprochen: Wo ist die blaue Handschrift in dieser Regierung? Geschätzte Damen und Herren! Gerade in der Landwirt­schaft ist sehr viel blaue Handschrift zu lesen. Es wurde bereits von meinen Vorrednern sehr viel erwähnt: vom 3-Milliarden-Paket für den ländlichen Raum bis zur Stärkung der Biomasse.

Aber speziell – und darauf lege ich Wert, geschätzte Damen und Herren – die Umsetzung und die Einführung des Agrardiesels ist eine Forderung, die seit Jahren von der Freiheitlichen Partei erhoben wird. Frau Abgeordnete Glawischnig, die Sie sich gerade nach vorne setzen (Abg. Dr. Glawischnig: Ja, bitte!), ich möchte Sie bitten, dass Sie nicht mit dem Einkommen der Bauern spielen. (Abg. Dr. Glawischnig: Eh nicht!) Ich halte es für sehr unfair, dass Sie die agrarischen Förderungen und den verbilligten Diesel für die Landwirtschaft in Frage stellen, denn damit werden Sie sehr viel Unstimmigkeit erzielen. Damit werden Sie sicherlich nicht den Grundstein dafür legen, dass die Landwirtschaft in ihrer klein- und mittelstrukturierten Form in Österreich erhalten bleibt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Glawischnig: Warum behandeln Sie Menschen unterschiedlich?)

Geschätzte Damen und Herren! Erlauben Sie mir abschließend, bevor das Licht zu blinken beginnt, noch einen Satz zu den Koalitionsverhandlungen. Sehr oft wurde heute darüber disku­tiert, wer mit wem verhandelt hat, wie lange und wie intensiv verhandelt wurde. – Na klar, ich verstehe, dass die Kolleginnen und Kollegen auf der Oppositionsbank beleidigt sind. Das erinnert mich an einen Vergleich, der auch im Zusammenhang mit dem Kärntner Landeshaupt­mann sehr oft gebracht wird, von dem gesagt wird, er wäre beleidigt, nicht mehr im Spiel zu sein. Nur eines kann ich euch sagen: Er könnte von Ihnen noch etwas lernen, was die beleidigte Art und Weise betrifft, denn auf eine sich so anbiedernde, möchte ich fast sagen, Art und Weise zu jammern, nicht in der Regierung zu sein, das ist dieses Hauses nicht würdig. (Rufe bei den Grünen: Welche?)

Ich sage es auch – und ich verwende die Worte unseres Bundesparteiobmannes – in dieser Klarheit: Auch wir Freiheitlichen haben lange verhandelt, auch wir Freiheitlichen haben sehr viel in Frage gestellt. Und gerade von Kärnten – ich betone das –, gerade von Kärnten sind natürlich sehr viele Dinge kritisiert worden. Aber, werte Damen und Herren des Hohen Hauses, wir sind in diese Regierung gegangen, wir stehen zu dieser Regierung, und wir werden hier diesen Reformkurs fortsetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Und nicht zuletzt – und das möchte ich am Ende meiner Ausführungen sagen – sind wir bereit zu regieren, nicht zuletzt sind wir davon überzeugt, dass sich etwas ändern wird, weil wir mit Herrn Vizekanzler Herbert Haupt ein freiheitliches Urgestein an der Spitze unserer Bundes­regierung stehen haben. Er ist ein Garant dafür, dass der Reformkurs, der eingeschlagen wurde, fortgesetzt wird. In diesem Sinne, meine geschätzten Damen und Herren, würde ich mir von Ihnen etwas mehr Zusammenarbeit wünschen, freue mich aber auf die nächsten vier Jahre. (Rufe bei den Grünen: Lei, lei!)

Herr Klubobmann Van der Bellen! Ich freue mich darauf, und am Ende der Legislaturperiode wird es vielleicht sogar so weit kommen, dass Sie selbst unseren werten Regierungsmitgliedern (Abg. Dr. Glawischnig: Sie haben zwei Drittel Ihrer Wähler verloren!), speziell den Damen, jene Blumen überbringen werden, die Sie heute vermisst haben. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Rufe bei den Grünen: Lei, lei!)

16.39


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Silhavy. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

16.39


Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geschätzte Damen und Herren! Herr Kollege Scheuch, das Vertrauen in diese Bundesregierung wird damit bewiesen, dass Sie heute in Form eines Antrages dieses Regierungsprogramm beschließen müssen, weil Ihnen offensichtlich Ihr Koalitionspartner nicht traut, ob Sie sonst überhaupt durchhalten. – So viel zu den nächsten vier Jahren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Scheibner: Wir stehen dazu! Wir haben es ja verhandelt!)

Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute auch über die Weiterführung einer gescheiter­ten ÖVP-FPÖ-Regierung. Wozu haben wir überhaupt gewählt?, fragen mich viele Menschen. Diese Menschen fühlen sich von Ihnen, Herr Bundeskanzler, von Ihrer Taktiererei gefrotzelt, sagt man bei uns auf gut Steirisch.

Wenn Sie nun die gescheiterte Koalition zwischen FPÖ und ÖVP fortsetzen, dann wird das von vielen Menschen als Vorgaukeln empfunden. In der Tat, meine Damen und Herren, es ist so. Wenn man das Koalitionsabkommen zwischen ÖVP und FPÖ zu dieser Regierungsbildung sieht, dann merkt man, dass eine große Chance vertan ist, und zwar nicht eine große Chance für irgendeine Partei, sondern eine große Chance für die Menschen in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Der fehlende Mut zu Reformen wurde der schwarz-blauen Regie­rung – Schüssel I genannt – schon vom Rechnungshofpräsidenten Fiedler, der ja bekanntlich aus dem ÖVP-Lager stammt, vorgehalten. Er hat festgestellt, dass den Strukturreformen zu wenig Bedeutung beigemessen werde und Ihnen dafür der Mut fehle.

Ich möchte es auf den Punkt bringen. Wir haben es beim Anlauf dieser schwarz-blauen Bun­desregierung gesehen: Sie haben es nicht zu Stande gebracht, Reformen für Österreich tat­sächlich umzusetzen.

Meine Damen und Herren! Sie haben 30 Steuer- und Abgabenerhöhungen durchgeführt und damit die höchste Abgabenquote in Österreich erreicht. Das ist keine Reform, das ist Versagen.

Meine Damen und Herren! Sie haben zu sozial ungerechten und verteilungspolitisch unausge­wogenen Mitteln, wie Unfallrentenbesteuerung, indem Sie den Kranken das Geld wegnehmen und den älteren Menschen das Geld aus der Tasche ziehen, gegriffen. Das sind keine Refor­men, das ist Versagen.

Meine Damen und Herren! Die so genannte Parteifreunderlwirtschaft, die Sie angeblich ab­schaffen wollten, hat ihren schlimmsten Höhepunkt in der Causa Gaugg gefunden. Das sind keine Reformen, das ist Versagen.


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Meine Damen und Herren! Auf dem Regierungsprogramm – die Erklärung könnte man fast mit jener im Jahr 2000 vergleichen – steht Zukunft, aber enthalten ist darin der Weg zurück in die Vergangenheit. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch da kann man nachlesen, meine Damen und Herren, dass Ihnen der Mut zu sozialen und gerechten Reformen fehlt.

Dramatische Pensionskürzungen durch das Zusammenwirken von der Erweiterung der Durch­rechnung, der Erhöhung des Abschlages und der Abschaffung der vorzeitigen Alterspension sind damit die Folge.

Die Versicherungsleistung der Notstandshilfe wollen Sie überhaupt abschaffen, meine Damen und Herren! Im vergangenen Jahrhundert hat man „ausgesteuert“ dazu gesagt. Das ist der Weg zurück in die Vergangenheit! Das Gesundheitssystem wird nicht abgesichert, sondern die Strukturen werden zerschlagen, um weiter parteipolitische Umfärbeaktionen betreiben zu können.

Meine Damen und Herren! Es hört sich an wie Zynismus: Sozial ist, was Arbeit schafft; das steht in diesem Programm. Da bin ich bei Ihnen, aber ich frage mich: welche Arbeit? – Drei Jahre blau-schwarze Bundesregierung haben es geschafft, dass wir derzeit knapp 60 000 Men­schen in Österreich haben, die trotz Vollerwerbsarbeit nicht von diesem Einkommen leben können. In Amerika sagt man dazu Working poor. – Das ist keine stolze Bilanz, auf die Sie zurückblicken können, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn das schon aus einer Studie des Sozialministeriums bekannt ist, dann, so meint man, wird wohl in diesem Regierungsprogramm etwas über die Armutsbekämpfung stehen. Dieses Thema, meine Damen und Herren, gibt es für Sie aber nicht. Arme Menschen, Menschen, die krank sind, Menschen, die alt sind, interessieren Sie offensichtlich nicht. Dass der Diesel für die Bauern billiger wird, das ist Ihnen wesentlich wichtiger.

Meine Damen und Herren! Zukunft braucht Verantwortung, das steht hier groß. Ja, aber wie nehmen Sie denn die Verantwortung wahr? Wie nehmen Sie die Verantwortung wahr bei den Selbstbehalten, die Sie planen? – Da schieben Sie die Verantwortung auf die Sozialversiche­rungen ab.

Wie nehmen Sie die Verantwortung wahr bei den Ladenöffnungszeiten, die Sie schon das letzte Mal ändern wollten? – Da sagen Sie, das sollen die Landeshauptleute machen.

Wie nehmen Sie die Verantwortung wahr, meine Damen und Herren, wenn es um die Zukunft der österreichischen Industrie geht? Wird diese von Ihnen überhaupt gänzlich abgegeben? Geht es da aber nicht um österreichische Arbeitsplätze und um die österreichischen Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer?

Last but not least: Wie ist es mit den Abfangjägern? Wo übernehmen Sie da die Verantwortung, wenn Sie sagen: Wir kaufen! Wer bezahlt, ist egal, wir nicht mehr, das soll die nächste Regie­rung machen!?

Meine Damen und Herren! Das ist keine zukunftsorientierte Politik, die Sie uns heute vorgestellt haben. Das ist ein Weg in die Vergangenheit, der vor allem zu Lasten der österreichischen Be­völkerung geht. (Beifall bei der SPÖ.)

16.44


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Tancsits. Ich erteile es ihm.

16.44


Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich möchte zu zwei wesentlichen


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sozialpolitischen Anliegen dieser Regierungserklärung Stellung nehmen, die meiner Ansicht nach die Zukunftsorientiertheit der Maßnahmen deutlich machen.

Erster Punkt: Altersvorsorge, Pensionen. Während seit dem Jahr 1970 die durchschnittliche Lebensarbeitszeit um sechs Jahre gesunken ist, ist die Verweilzeit in der Pension um zwölf Jahre gestiegen. – Ich möchte an den Anfang unserer Überlegungen stellen, dass das zwei ungeheuer positive Fakten sind: Wir sind auf Grund längerer Qualifizierung besser ausgebildet und leben länger.

Ich glaube, wir sollten mit diesem Grundoptimismus an die Reformen herangehen. Wir müssen die positiven Fakten bewältigen, wenn wir darangehen, die Lebensarbeitszeit in kleinen Schritten zu verlängern.

Zum ersten Punkt: die so genannte Abschaffung der vorzeitigen Alterspension. Es geht darum, nicht ab einem starren Datum die vorzeitige Alterspension bis zum Jahr 2010 auslaufen zu lassen, sondern darum, sie durch etwas anderes, nämlich durch eine Wahlmöglichkeit zu erset­zen, wonach ich mit den entsprechenden versicherungsmathematisch begründeten Abschlägen frei gewählt in Pension gehen kann. (Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer.)

Es soll mir niemand sagen, dass das nicht gerechter ist, wenn ich mehr Möglichkeiten habe, selbst zu bestimmen. Und darum geht es auch beim Schlagwort des so genannten persönlichen Pensionskontos. Wenn ich den Menschen Wahlmöglichkeiten biete, dann muss ich sie auch darüber informieren, wie ihr Pensionsstand ist. (Abg. Öllinger: Schlecht!) Das ist eine notwen­dige Maßnahme zur Sicherung der ersten Säule im Umlageverfahren.

Sie wird immer einen ganz wesentlichen Teil unserer Altersvorsorge ausmachen. Es wird aber auch nötig sein – Professor Rürup hat das, als er von der Frau Bundesministerin Hostasch beauftragt wurde, im Jahr 1997 gesagt, aber auch die EU-Kommission empfiehlt dies –, bis zu einem Drittel – ich gehe gar nicht so weit – die Altersvorsorge im Kapitaldeckungsverfahren zu erarbeiten.

Ich denke, dass das Jahr 2033, bis zu dem die Durchrechnungszeiträume erstreckt werden sollen, auch ein guter Zielpunkt für den Aufbau einer solchen zweiten und dritten Säule ist.

Meine Damen und Herren! Ich lasse das Argument, das sei nur für die Gutverdienenden, nicht gelten. In einem Land, in dem es 5 Millionen Bausparverträge gibt, in dem es genau auf Grund des gleichen Systems, nämlich Prämien für eine bestimmte Ansparform, zusätzlich noch in unserem Altersvorsorgemodell die Steuerfreiheit gibt, wird es vielen ermöglicht, diese Einladung anzunehmen.

Ich denke, dass die mit 1. Jänner 2003 in Kraft getretene Abfertigung neu und die soeben be­schriebene Zukunftsvorsorge in den nächsten Jahrzehnten einen ganz gewaltigen Schub zur Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand auslösen werden, so wie dies etwa vor einem halben Jahrhundert die Institutionalisierung des Wohnungseigentums bewirkt hat. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Wurm: Wie ist das mit den BUWOG-Wohnungen?)

Ein zweiter Punkt ist die Gesundheitsreform. Anders als bei der Altersvorsorge, bei der es um eine relativ einfache Schlussrechnung geht, nämlich um das Aufteilen auf die in Pension befind­liche Generation, wäre da die Bewahrung des Status quo zu wenig. Wir müssen nämlich für alle die Teilnahme am medizinischen Fortschritt ermöglichen.

Um alle in unserem allgemeinen Sozial- und Krankenversicherungssystem halten zu können, sind eben Reformen notwendig: Überdenken des Selbstbehaltes, Neuformierung des Selbstbe­haltes, nicht die sinnlose Aufteilung ohne Obergrenzen, wie es jetzt der Fall ist, und Strukturre­formen.


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Das sind Sozialreformen, mit denen nicht in Funktionsperioden gedacht wird, sondern die auf Generationen angelegt sind, und ich weiß sie bei dieser Bundesregierung in guten Händen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.49


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Die Uhr ist auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.

16.49


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren der Bundesregierung! Geschätzte KollegInnen! (Abg. Großruck: Und Kollegen!) – Kollegen ist in KollegInnen enthalten, das müssen Sie noch üben. – Das trächtigste Wort in dieser Regie­rungserklärung ist tatsächlich das Wort „Zukunft“. Es ist ganz eigenartig, dass man den Ein­druck gewinnt, dass der Gegenstand der jetzigen Debatte, nämlich die Personen, die hinter mir sitzen, am wenigsten Zukunft von allen haben, was das betrifft.

Ich glaube, das Kabinett Schüssel II ist das am wenigsten zukunftsträchtige von jeder Regie­rungsform, die möglich gewesen wäre – und das sollten wir uns an dieser Stelle in Erinnerung rufen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber wir wollen nicht länger lamentieren, sondern wir wollen auf das eingehen, was Sie uns bei dieser Gelegenheit vorhalten: Sie von der ÖVP stehen im Mittelpunkt der Reformwahrheit; alle müssen sich darum herumdrapieren und werden irgendwie angehalten, im Kreis zu gehen, und Sie haben die Reformwahrheit gepachtet. – So geht es wirklich nicht!

Wenn man sich dann dieses so genannte Zukunftskonzept anschaut, sieht man in erster Linie eine Überschriftensammlung. Die wenigsten Dinge sind konkret, und jene, die konkret sind, sind eher in die Ecke der Tragikomödie zu stellen. Sie wollen uns erklären, dass 18 Eurofighter fast kein Geld kosten – jedenfalls nicht jetzt, später vielleicht, dann aber schon. Wer wird das zahlen? – Man weiß es nicht. – Also damit hätten Sie am Villacher Fasching reüssieren können. Dort sind Sie aber nicht gewesen, weil dort hat schon ein anderer Hof gehalten. (Abg. Mag. Mainoni: Gusenbauer!)

Jetzt noch einmal zur Sache selbst: zur Budgetkonsolidierung, zur Pensionsreform und den erwähnten Abfangjägern. Es ist Zeit für ein nüchternes Resümee: Sie haben uns vorgeworfen, dass wir zu wenig konsolidierungsbereit gewesen wären. Ich stelle jetzt fest, wenn ich die so genannten Budgetpfade vergleiche – das Defizit wird ja über die Jahre ausgewiesen –, dass die Grünen Defizite vorgeschlagen haben, die in Summe weniger Schulden für den Staat in den nächsten vier Jahren bedeutet hätten als Ihr Programm. Das finde ich beachtlich! Woran liegt das? – Das liegt daran, dass Sie heute ankündigen, rechtzeitig vor der Wahl eine so genannte große Steuersenkung durchzuführen. Man weiß nicht, ob sie kommt; und wenn sie kommt, stellt sich die Frage, ob sie leistbar ist, weil Sie damit das Defizit erhöhen! Sie erhöhen damit das Defizit enorm! Plötzlich ist im Jahr 2005 eine Abgabenquote erreicht, die vielleicht besser ist als jetzt, aber wir haben dann ein Budgetdefizit von über 1,5 Prozent – von über 1,5 Prozent! – des BIP. Das, was vorher ganz schlecht war, ist dann plötzlich ganz gut, weil Wahlen kommen und es Zuckerln zu verteilen gibt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Trinkl.)

Herr Kollege Trinkl! Es wäre viel sinnvoller, wenn man den Begriff Steuerreform im Mund führt – interessanterweise ist jetzt fairerweise ohnehin meistens nur mehr von Steuersenkung die Rede –, dass wir uns tatsächlich auch um die Reform kümmern würden! Es geht also um die Einnahmen- und Ausgabenstruktur im Budget.

Bleiben wir bei der Einnahmen-, also bei der Steuerstruktur! Da wird im Wesentlichen unter dem Deckmantel der Ökologisierung ein bisschen herumgedoktert, aber mehr nicht. Es geht einfach darum, dass im größeren Stil umgeschichtet werden würde – ganz einfach: Energiebelastungen erhöhen und Arbeitskosten senken. Das wird nur angedeutet, aber sicher ist das nicht der große Wurf, jedenfalls nicht so groß (Zwischenruf des Abg. Großruck), dass Sie das Vokabel der ökologisch-sozialen Steuerreform länger im Mund führen sollten, weil Sie damit der Idee nur schaden. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Trinkl: Das war ein eher mäßiger Applaus!)


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Zur Pensionsreform: Jeder vernünftige Mensch wird erkennen, dass es sinnvoll ist, wenn die Menschen immer älter werden, dass sie auch länger im Erwerbsleben bleiben sollten. Das ist selbstverständlich! Die Frage ist: Wie erreichen wir das? – Sie haben es vorgezogen, einen Weg ohne arbeitsmarktbegleitende Maßnahmen einzuschlagen, und dagegen haben wir uns ausgesprochen. Hingegen gab es Konsens darüber, dass wir auch Einsparungsmaßnahmen im Pensionsbereich vornehmen müssen. Und das ist eben der Unterschied: Sie setzen in Zukunft darauf, die erste Säule, die öffentliche Pensionsvorsorge, vorsichtshalber zu demolieren, damit alle in die private abgedrängt werden, und diese wird dann, obwohl sie privat heißt, vom Staat gefördert. Das ist ein inhaltlich-ideologischer Unter­schied. Das darf man ruhig einbekennen, denn so ist es eben. (Beifall bei den Grünen.)

Letzter Punkt: die leidigen Abfangjäger: Es geht mir nur darum, aufzuzeigen, dass Sie die mit Abstand teuersten Produkte anschaffen. Der Herr Verteidigungsminister wird Mühe haben, das zu rechtfertigen. Ich habe hier die Akte vor mir liegen. Nichtsdestotrotz ist es, so glaube ich, wichtig, der Öffentlichkeit einmal die Aktenlage zur Kenntnis zu bringen. Ich habe sie hier – das ist mein Job als Rechnungshofausschuss-Vorsitzender, bevor sich wieder jemand aufregt, dass ich hier falsche Akten habe.


Präsident Dr. Andreas Khol: Den Schlusssatz bitte!


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Sie liegen auch dem Rechnungshof vor. Daraus geht eindeutig hervor, dass diese Abfangjäger die mit Abstand teuersten sind, die man nur kaufen kann. Und alles, was Sie von Gegengeschäften erzählen, wird sich in Luft auflösen, all das ist ein großer Schmäh. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.55


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter, der Entschließungsantrag, den Sie heraufge­legt haben, ist nicht eingebracht worden; den wird hoffentlich der nächste Redner einbringen.

Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte. (Abg. Scheibner: Er wird ihn, glaube ich, nicht einbringen! – Abg. Parnigoni: Was weiß man!)

16.55


Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Diesen Initiativantrag kann ich nicht einbringen, ich kenne ihn gar nicht; tut mir Leid! Aber ich bin immer bereit, mit anderen Fraktionen, auch wenn sie in Opposition sind, über ver­nünftige Vorschläge zu debattieren und diese auch umzusetzen.

Diese Regierungserklärung, sehr geehrte Damen und Herren, ist gekennzeichnet von Maßnah­men sowohl im Pensionsbereich, um die Pensionen in Österreich zu sichern, als auch im Ge­sundheitsbereich, um die dortigen Strukturen zu verändern und diese zu gewährleisten, als auch im Steuerbereich. Ebenfalls werden Maßnahmen in der Arbeitsmarktpolitik gesetzt, um Dinge abzufedern. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass gerade im steuerrechtlichen Bereich die Entlastung 500 Millionen € für die österreichischen Steuerzahler beträgt. Davon werden vor allem jene, die mit Mindesteinkommen zu kämpfen haben, profitieren. (Beifall bei den Freiheit­lichen.)

Der Mindestlohn in der Höhe von 1 000 € soll umgesetzt werden. (Abg. Öllinger: Das machen Sie ja nicht!) Da muss ich sagen, die Gewerkschaften waren schon lange säumig, und ich habe mir eigentlich erwartet, dass die Gewerkschaften diesen Ball, nämlich die 1 000 € Mindestlohn, aufgreifen werden. (Abg. Mag. Lunacek: Machen Sie es doch!)

Einkommen bis zu 14 500 € pro Jahr sollen steuerfrei gestellt werden. Das ist ebenfalls eine Errungenschaft, die wir jetzt umgesetzt haben. – Die Freiheitlichen haben den Mut gehabt, in diese Regierung zu gehen und Dinge umzusetzen! Sie haben den Mut nicht gehabt. Die Sozial­demokraten waren als Erste eingeladen, die Grünen waren ebenfalls eingeladen, aber euch hat der Mut verlassen.


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Wir haben auch bei den Lohnnebenkosten eine Senkung für ältere Mitarbeiter – Frauen ab dem 56., Männer ab dem 58. Lebensjahr – erreicht. In diesem Bereich gibt es nun gewisse Ein­schleifregelungen bei der Arbeitslosenversicherung, bei der Unfallversicherung, beim FLAF und bei Insolvenzbeiträgen bis zu 10 Prozent.

Eine steuerliche Begünstigung für Betriebe für nicht entnommene Gewinne haben wir ebenfalls durchgesetzt. Die Kaufkraft in Österreich muss gestärkt werden, denn wenn die Kaufkraft ge­stärkt wird, hat jeder mehr im Geldbörsel und kann sich auch wieder mehr leisten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zur Gesundheit, sehr geehrte Damen und Herren: Es wird immer wieder, wie wir schon gehört haben, sehr viel gejammert. Frau Kollegin Silhavy! Sie haben gesagt, uns fehle der Mut zur Erneuerung. – Wir haben den Mut zur Erneuerung! Wir haben den Mut zur Erneuerung, uns fehlt er nicht! Wir zerschlagen keine Strukturen, sondern wir strukturieren Dinge dort um, wo es in die falsche Richtung geht, wo es Systeme gibt, nach denen die einen bevorteilt und die anderen benachteiligt werden. (Abg. Gradwohl: Wo?)

Wir sind bestrebt, gerade im Gesundheitsbereich, vor allem bei den Krankenkassen Klarheit zu schaffen. Wir wollen eine Harmonisierung der verschiedenen Krankenkassen. Wir haben jede Menge Selbstbehalte in Österreich, die auch unter sozialistischer Führung, unter sozialistischen Bundeskanzlern, Sozialministern, eingeführt worden sind! Würde ich jetzt alle aufzählen, wäre meine Redezeit zu kurz dafür, das geht gar nicht! Wir aber wollen eine Harmonisierung!

Wir wollen eine Zusammenführung der Unfallversicherungsanstalt, der Krankenversicherung im Gebietskrankenbereich und in sämtlichen Sozialversicherungsbereichen. Wir wollen eine Gleichstellung für alle, eine Harmonisierung der EDV-Systeme und so weiter und so fort. Es wird auch die Gleichstellung der Arbeiter und Angestellten fortgesetzt, indem die Beitragssätze der Arbeiter zur Krankenversicherung gesenkt werden, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie hier beklagen, es sollen Selbstbehalte eingeführt werden, so kann ich den Ball nur zurückspielen: Wir haben eine sehr salomonische Lösung gefunden, und zwar sollen die Sozial­versicherungsanstalten Vorschläge ausarbeiten. Das ist eine Selbstträgerschaft, und eine Selbstträgerschaft muss sich eben selbst einmal organisieren und auch für die Einnahmen sorgen oder bei sich selbst sparen, bei ihren Pensionsprivilegien und so weiter und so fort. Dort gehört eingespart, und die Bürger gehören entlastet! Die österreichischen Bürger gehören ent­lastet! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ganz kurz zur Arbeitsmarktpolitik: Kollege Kogler! Wir wollen dort entsprechende Maßnahmen setzen, damit vor allem für ältere und jüngere Arbeitnehmer in Österreich die Möglichkeit be­steht, schnell und effizient vermittelt zu werden. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Zur Pension: Wir haben in den Verhandlungen durchgesetzt, dass die frühzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit mittels einer Einschleifregelung bis zum Jahr 2010 besteht und nicht von heute auf morgen abgeschafft wird.

Die „Hackler-Regelung“ war ebenfalls immer ein freiheitliches Thema. Wir sind stolz darauf, dass jene, die lange Versicherungszeiten erworben haben, auch weiterhin mit 60 Jahren in Pension gehen können, wenn sie 45 Versicherungsjahre haben. Das Alters-Übergangsgeld ist ebenfalls etwas, mit dem diesen Leuten geholfen wird. Besonders stolz, sehr geehrte Damen und Herren, sind wir darauf, dass die Weiterführung der Behindertenmilliarde gesichert ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.00


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Einem. Ich erteile ihm das Wort. – Die Redezeiten bleiben unverändert.

17.01


Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einmal kurz Revue passieren, was der Herr Bundeskanzler heute in seiner Regierungserklärung so von sich gegeben hat.


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Er hat am Anfang gesagt, diese Regierung stehe für eine Politik, die die Dinge beim Namen nennt. Im Anschluss daran kam eine Aufzählung der schwierigen Probleme, die es derzeit gibt: die labile Lage im Nahen Osten, das Irak-Problem und ähnliche Dinge mehr.

Herr Bundeskanzler! Im Koalitionspakt haben Sie nicht den Mut gehabt, diese Fragen auch nur mit einem einzigen Wort zu erwähnen! – Das ist festzustellen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zweitens schreiben Sie gleich im nächsten Absatz – und Sie haben uns das auch hier so vor­getragen –, Sie hätten es bewusst vermieden, uns an die Seite irgendeiner Gruppe zu stellen. – Herr Bundeskanzler! Frau Außenministerin! Sie haben es bewusst vermieden, überhaupt eine Position zu beziehen, bevor klar ist, wer gewonnen hat. Das kritisieren wir! Das ist keine Politik, das ist einfach Mitläufertum. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sie schreiben auf den nächsten Seiten, Sie würden den Wachstumsfaktoren Bildung, For­schung, Technologie und Infrastruktur noch größere Bedeutung beimessen und Prioritäten set­zen. Dafür nähmen Sie das Ziel für 2003, 2,5 Prozent Forschungsquote zu erreichen, zurück – und wollen das erst 2006 erreichen! Aber auch dafür investieren Sie zu wenig Geld, wie Ihnen heute schon vorgerechnet worden ist.

Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin Rauch-Kallat! Sie schreiben in dem Papier „Zukunft braucht: Verantwortung“ von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Sie verbessern wollen, sehen in Ihrem Programm aber keine einzige Maßnahme dazu vor. Wo sind die Maß­nahmen, die es berufstätigen Frauen erleichtern sollen, berufstätig zu sein und außerdem ein Kind zu haben, oder berufstätigen Männern erlauben sollten, beides miteinander zu vereinen, Herr Bundeskanzler? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steibl: Können Sie nicht lesen? – Abg. Ross­mann: Das Kindergeld! – Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel.)

Sie versprechen weiters, dass 2010 für alle Österreicherinnen und Österreicher eine deutliche Entlastung bei den Steuern spürbar sein soll, die Abgabenquote werde auf 40 Prozent zurück­gehen. – Herr Bundeskanzler! Versprechungen, die jenseits der Legislaturperiode sind, interes­sieren heute niemanden. Außerdem haben Sie dieses Versprechen schon das letzte Mal nicht gehalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie schreiben, Sie wollen in diesem Europa ein aktives, gleichberechtigtes Mitglied sein, das die Zukunft Europas mitgestaltet. Wo sind die Vorschläge, die Sie dazu machen? – Frau Bundes­ministerin! Herr Bundeskanzler! Die Vorschläge dazu fehlen. Das, was Ihnen dazu einfällt, ist die Schutzmachtfunktion für die deutschsprachige und die ladinische Minderheit in Südtirol und ähnliche Dinge.

Sie schreiben vom Verkehrsaufkommen und davon, dass es europäischer Lösungen bedarf. – Ja, es braucht auch europäische Lösungen. Aber haben Sie irgendwo in der vergangenen Legislaturperiode Vorschläge entwickelt oder gar realisiert, bei denen die österreichischen Mög­lichkeiten ausgeschöpft worden wären? Wo sind die österreichischen Lösungen, die auch mög­lich sind, die unsere Glaubwürdigkeit in Europa und die Bereitschaft unserer Partner in der Europäischen Union, Österreich in seinen Wünschen entgegenzukommen, beträchtlich erhöht hätten? Wenn wir in jenen Bereichen, die wir selbst lösen können, nicht selbst etwas tun, brauchen wir uns von den Partnern nicht allzu viel zu erwarten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Auf Bundesminister Strasser war bezogen, dass Österreich künftig auch weiterhin eines der sichersten Länder sein solle und bleibe, und dazu brauche es, so steht hier, eine gut motivierte Exekutive. – Herr Bundesminister Strasser! Mit der Art, wie Sie im Innenministerium in den letzten drei Jahren „herumgeackert“ haben, werden Sie keine motivierte Exekutive finden; da werden Sie eine Exekutive finden, die sich fürchtet, aber nicht eine, die motiviert ist. Das ist nicht das, was wir brauchen, Herr Bundesminister! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Sie schreiben mit Recht, dass es, um negativen Trends entgegenzuwirken, notwendig wäre, eine aktive Beschäftigungspolitik zu betreiben, und dass Ihre Antwort auf Probleme auf dem Arbeitsmarkt „Qualifizierung“ heiße.

Herr Bundesminister Bartenstein! Ich sehe ihn gerade nicht. Wir haben Ihnen in der vorigen Legislaturperiode, vor fast schon zwei Jahren vorgeschlagen, im Zusammenhang mit der Erwei­terung der Europäischen Union eine aktive Qualifizierungspolitik für die österreichischen Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer durchzuführen, um sicherzustellen, dass mögliche Risken der Erweiterung der Europäischen Union nicht wirksam werden. Was haben Sie dazu getan? – Sie haben diesbezüglich in der vergangenen Periode nichts umgesetzt, wie Sie im übrigen auch in einer Anfragebeantwortung schriftlich zugeben mussten und zugegeben haben.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Sie haben zur Forschung etwas mehr angekündigt, Sie haben zu vielen Bereichen etwas angekündigt.

Zuletzt haben Sie auch noch behauptet: „Wir haben mit der alten Schuldenpolitik Schluss ge­macht.“ – Darf ich den Herrn Finanzminister, den Herrn Staatssekretär, den Herrn Bundes­kanzler fragen, wie hoch die Schulden Ende 1999 waren? Und wie hoch waren die Schulden Ende 2002?

Ich darf unterstellen, dass es wahr ist, dass die Schulden Ende 2002 höher gewesen sind als Ende 1999!? Sie haben nicht mit der Schuldenpolitik Schluss gemacht, aber Sie haben zu­gleich auch Österreich nicht in eine Zukunft geführt – aber die gleichen Versprechungen geben Sie jetzt wieder ab! Sie sind ebenso wenig glaubwürdig. (Beifall bei der SPÖ.)

17.06


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte.

17.06


Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren von der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist es noch nicht oft zur Sprache gekommen, aber erlauben Sie mir als Justizausschuss-Vorsitzender, dass ich zum Justizkapitel einiges sage.

Im vorliegenden Regierungsübereinkommen ist das Justizkapitel das umfangreichste, das ich bisher in einem Regierungsübereinkommen mitgetragen habe. Immerhin ist es jetzt schon das fünfte Regierungsübereinkommen, das ich als „ÖVP-lerin“ in puncto Justiz mittrage, drei davon damals noch in der großen Koalition mit der SPÖ. Gemeinsam mit der SPÖ hat man dem Justizkapitel kein besonderes Augenmerk geschenkt.

Das hat sich mit dem freiheitlichen Partner sofort geändert. Als Ausschussvorsitzende bin ich sehr froh, sagen zu können, dass wir diesbezüglich ein sehr ambitioniertes Programm vorlegen. Wir von der ÖVP sind mit dem Reformtempo, dem Reformumfang und dem Reformwillen im Justizbereich sehr zufrieden.

Werte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition! Wir laden Sie ein, an diesen Refor­men konstruktiv mitzuarbeiten. In der abgelaufenen Legislaturperiode war Ihre Mitarbeit im Be­reich Justiz eher von aggressiven Angriffen geprägt. Ideologische Trennlinien, wie sie häufig in der Justizpolitik zu Tage treten, können bei ein bisschen gutem Willen – da sage ich: selbstver­ständlich von beiden Seiten – überwunden werden, jedoch nur dann, wenn konstruktiv und um der Menschen und der Sacharbeit willen zusammengearbeitet wird. Mauern, Verhindern um jeden Preis, Polemisieren, oder auch das in der vergangenen Periode oft gehörte Argument „Reform ja, aber nicht jetzt und nicht gleich und nicht so rasch“ – das wäre für mich keine kon­struktive Zusammenarbeit, keine Strategie, sondern bloß Fundamentalopposition. (Beifall bei der ÖVP.)

Eine moderne Justiz muss als Dienstleistung für den Bürger verstanden werden. In diesem Sinne, so glaube ich, können wir uns treffen, nämlich alle hier in diesem Haus vertretenen


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Parteien. Wenn man in diesem Sinne vorgeht, dann werden wir Gemeinsamkeiten finden – und wir werden diese auch mit der Opposition suchen.

Als Justizausschuss-Vorsitzende werde ich mich selbstverständlich um den Konsens bemühen und ein sachliches Diskussionsklima fördern – trotz politischer Unterschiede und trotz der ideo­logisch verschiedenen Standpunkte, die es im Justizbereich immer wieder gibt.

Wer das Justizkapitel gelesen hat – ich verzeihe es Ihnen, wenn Sie es nicht getan haben –, dem wird nicht entgangen sein, dass legistische Vorhaben nun verstärkt durch wissenschaft­liche Studien vorbereitet werden. Meine Damen und Herren von der Opposition! Sie können sich nicht in der Hoffnung wiegen, das wäre ein Begräbnis erster Klasse, sondern diese Studien werden wir ganz ambitioniert vorantreiben.

So wird beispielsweise eine Studie genannt, die prüfen soll, inwieweit Ehegatten im Schei­dungsverfahren vor Übervorteilung geschützt werden können – mit einer nachfolgenden parla­mentarischen Enquete. Ich verspreche mir viel davon, denn immerhin ist Scheidung die Armuts­falle Nummer eins. Wenn wir hier zu besseren Lösungen kommen können, hilft uns das. (Beifall bei der ÖVP.)

Auch der Konsumentenschutz und seine grundsätzliche Organisationsform mit der Einbindung aller Berufsgruppen oder gesellschaftlich relevanter Gruppen – mit der Zielsetzung der Sicher­stellung eines effizienten bürgernahen Konsumentenschutzes – soll in einer Studie aufgearbei­tet, Maßnahmen anschließend umgesetzt werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie sehen, wir haben im Justizbereich viel vor. Ich glaube, dass das Kapitel ambitioniert, modern und kreativ gestaltet ist.

Herr Minister Böhmdorfer! Ich bedanke mich für Ihre bereits erteilte Zusicherung – er ist jetzt nicht mehr anwesend –, dass das Gesprächsklima auch mit der Opposition weiter verbessert und bereits vor dem Justizausschuss, wie wir es immer gepflogen haben, mit der Opposition ein Gespräch geführt werden soll. Für eine konstruktive Zusammenarbeit stehe ich jederzeit zur Verfügung. (Beifall bei der ÖVP.)

17.12


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

17.12


Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Frau Rauch-Kallat! Herr Sozialminister Haupt! Ich habe mir natürlich – das war vorauszusehen – speziell das Kapitel über behinderte Menschen ange­schaut. Ich bin wirklich darüber erstaunt, Frau Rauch-Kallat, wie wenig von dem, was wir uns gemeinsam ausgemacht haben, noch übrig geblieben ist. (Bundesministerin Rauch-Kallat: Alles! 1 : 1!) Das ist zerfleddert bis zur Unkenntlichkeit.

Ich bin so froh, dass wir letzte Woche diesen


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Entschließungsantrag, diesen Vier-Parteien-An­trag zu einem Bundesbehinderten-Gleichstellungsgesetz in diesem Haus gemeinsam beschlos­sen haben. Denn in Ihrem Regierungsprogramm steht nicht einmal mehr, dass bei Diskriminie­rung auch geklagt werden kann. Selbst das ist draußen.

Der Bereich des Pflegegeldes, über den wir wirklich viel diskutiert haben, fehlt ganz. Den gibt es nicht mehr – entsorgt, Herr Minister! Sie waren es doch, der noch vor wenigen Wochen gesagt hat: Wenn ich wieder Sozialminister werde, dann wird das Pflegegeld um 2 Prozent erhöht. – Herr Minister! Schauen Sie es sich an. Der Begriff Pflegegeld findet sich hier nicht mehr. Aber ich will Sie ja unterstützen. Es kann in der Hektik der Gespräche auch vergessen worden sein.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Haidlmayr und KollegInnen betreffend Valorisierung des Pflegegeldes

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen wird ersucht, dem Nationalrat bis 30. Juni 2003 eine Regierungsvorlage betreffend die jährliche Valorisierung des Pflegegeldes, rückwirkend mit 1. 1. 2003, vorzulegen.

*****

Herr Minister! Ich habe ihn schon auf dem Präsidium abgegeben. Das Exemplar schenke ich Ihnen, damit Sie sich wieder daran erinnern, was Sie uns versprochen haben.

Frau Rauch-Kallat! Ich weiß nicht, was passiert ist, entweder sind Textpassagen verloren ge­gangen, was keiner gemerkt hat (Bundesministerin Rauch-Kallat: Der gleiche Text!), oder man wollte das tatsächlich nicht mehr im Programm haben. Frau Rauch-Kallat! Sie waren es, die sogar den Satz eingebracht hat: Alle vom Bund geförderten und finanzierten öffentlichen Ein­richtungen werden bei Neu-, Zu- und Umbauten oder Sanierungen barrierefrei nutzbar gemacht. Das gilt auch für den öffentlichen Verkehr. Der Bund verpflichtet sich zur barrierefreien Bau­weise et cetera et cetera.

Jetzt steht etwas anderes drinnen. In dieser heutigen Rede des Herrn Bundeskanzlers ist gar nichts mehr übrig geblieben. Da geht es nur mehr darum, dass das persönliche Umfeld barrierefrei sein soll. – Glauben Sie, ich lasse mir von jemandem vorschreiben, dass ich mir vor das Bett vielleicht auch noch eine Stufe hinstellen muss?! (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Mein persönliches Umfeld schaffe ich mir schon barrierefrei. Aber es geht nicht um mein per­sönliches Umfeld, sondern es geht einfach um das gesellschaftliche Umfeld, das barrierefrei sein müsste. Diesbezüglich haben wir uns ausgemacht, dass es keine Finanzierung mehr vom Bund gibt, wenn die Barrierefreiheit nicht sichergestellt ist. Jetzt steht in Ihrem Regierungspro­gramm nichts mehr davon drinnen. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni.)

Zur rechtlichen Anerkennung der Gebärdensprache: Wissen Sie, was dazu jetzt darin steht? – Ich habe auch mit meinem behinderten Kollegen Ihrer Fraktion darüber gesprochen, weil uns beiden einfach nicht klar ist, was damit gemeint ist. Und zwar steht darin ganz konkret – hören Sie bitte zu! –: „Verbesserung der Voraussetzungen für Gebärden- und Lautsprache“.

Heißt das, dass die nicht gehörlose Bevölkerung jetzt Rhetorikkurse bekommt, oder meinen Sie jetzt ganz konkret, dass man gehörlosen Menschen die Lautsprache beibringen soll, weil sie sich ohnehin gegenseitig nicht hören, weil sie gehörlos sind? – Ich weiß nicht, was damit ge­meint ist. Aber auf jeden Fall haben Franz-Joseph Huainigg und ich nicht kapiert, was gemeint ist. Vielleicht bekommen wir irgendwann eine Aufklärung.

Ich möchte noch ganz schnell etwas zum Zivildienst sagen, weil Herr Minister Strasser hier sitzt. – Herr Minister! Ich bin recht glücklich gewesen, dass Sie von meinen Berechnungen zum Zivildienst so überwältigt waren. Ich habe Ihnen vorgerechnet, dass Zivildienst, der im Interesse der Einrichtungen, der Zivildiener und des Bundes ist, mit denselben Mitteln finanzierbar wäre, wie Sie sie jetzt ausgeben. Ich habe Ihnen ein paar große Brocken genannt, bei denen Sie Vereine „vergoldet“ haben. Sie haben gesagt, lasst mir sofort den Vertrag kommen, den müssen wir uns anschauen, da kann etwas nicht stimmen. – Heute lese ich in der Zeitung, genau dieser Vertrag ist jetzt auf unbefristete Zeit verlängert worden.

Da frage ich mich wirklich, ob ich Beschäftigungstherapie gemacht habe, denn dass Sie das schon wieder vergessen haben, kann ich mir fast nicht vorstellen (Abg. Parnigoni: Auch ausge­trickst worden!), sondern ich gehe davon aus, dass Sie einfach ein Spielchen betrieben haben.


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Das finde ich persönlich schade. Das finde ich wirklich schade, denn im Zivildienstbereich hätten wir – und da hätte ich Ihnen auch geholfen, weil Sie mich damals darum gebeten haben – ein Konzept erarbeiten können, das im Interesse aller drei beteiligten Gruppen gewe­sen wäre.


Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte die Redezeit zu beachten!


Abgeordnete Theresia Haidlmayr (fortsetzend): Dass Sie jetzt Ihre „vergoldete Schatzkiste“ auf unbefristete Zeit verlängert haben, ist ein eigenes Kapitel. Aber ich glaube, darüber müssen wir noch einmal gesondert reden. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.18


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, den Frau Abgeordnete Haidlmayr be­treffend Valorisierung des Pflegegeldes vorgetragen hat, ist ordnungsgemäß unterfertigt, steht zur Verhandlung und am Schluss der Sitzung zur Abstimmung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rossmann. – Bitte.

17.18


Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Bundes­ministerin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Sil­havy! (Abg. Scheibner: Ist nicht da!) Sie ist nicht da. Frau Kollegin Haidlmayr, wenn Sie so lieb sind und ganz kurz zuhören: Unser Herr Bundesminister und jetziger Vizekanzler Herbert Haupt hat selbstverständlich die Weiterführung der Behindertenmilliarde und auch die Anerkennung der Gebärdensprache im Regierungsübereinkommen festgeschrieben.

Ich kann aus meinem ehemaligen Ressort, nämlich dem Tourismusressort, berichten – das habe ich Ihnen versprochen –, dass es eine österreichweite Erhebung für touristische Einrich­tungen, Hotelausstattungen und Gaststätten gibt, die ihren Niederschlag in einem eigenen Katalog, in einem Reisekatalog finden werden. Ich habe vor einer Woche noch unterschrieben, dass dieser Reisekatalog ins Internet gestellt wird. Er ist demnächst im Jahr der Menschen mit Behinderungen für Österreich ersichtlich und wird auf der Homepage der Österreich Werbung zu finden sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube, es ist ein wichtiges Signal, Menschen, die in ihrer Bewegung eingeschränkt sind, den Urlaub einfach so angenehm wie möglich zu gestalten und nach Österreich einzuladen.

Frau Kollegin Silhavy ist nicht da. Herr Kollege Einem! Wenn immer wieder davon gesprochen wird, dass die Steuern- und Abgabenquote die höchste sein soll, dann möchte ich Sie daran erinnern, dass auch die sozialdemokratische Fraktion immer Mitstreiter mit uns war, dass man endlich die Verzinsung der Steuerschuld einführt und somit auch die Steuerschuld eintreibt. Sie wissen ganz genau, dass die Steuerquote in der Höhe von 45,6 Prozent – einmalig im Jahr 2001 – auf die Verzinsung der Steuerschuld zurückzuführen ist.

Wenn Sie sich auf dieser Graphik (die Rednerin hält eine Graphik in die Höhe) ansehen, wie die Steuerschuld verläuft, dann sehen Sie, dass wir bereits im Jahr 2002 auf dem Niveau der Sozialdemokraten von 1997 sind, und wir streben für 2003 die niedrigste Steuerbelastung an, die es je seit Ihrer roten sozialistischen Finanzpolitik gegeben hat. Wir sind die Ersten, die das wieder schaffen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.) – Ich gebe Ihnen die Graphik später.

Ebenfalls interessant, weil Sie immer vom niedrigsten Bildungs- und Wissenschaftsbudget, das es je gab, reden (die Rednerin hält in der Folge weitere Graphiken in die Höhe): Allein vom Jahr 1998 bis jetzt sind dafür über 1 Milliarde € mehr im Budget veranschlagt worden, von 1997 bis jetzt sind es über 2 Milliarden € mehr. – Ich gebe Ihnen auch diese Graphik.

Wenn von Forschung gesprochen wird – detto! Diese Graphik spricht für sich: eine Steigerung um mehr als eine halbe Milliarde € allein von 1997 bis 2002, wobei in den letzten beiden Jahren die Steigerung am höchsten war.


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Das Gleiche gilt für die Infrastruktur. Natürlich kann es dafür nie genug Geld geben. Das wissen wir, und diese Regierung ist auch immer wieder bereit gewesen, in die Infrastruktur zu investie­ren. – Auch diese Graphik werde ich Ihnen geben.

Heute ist oft davon gesprochen worden, dass Kompetenzen und Verantwortungen abgescho­ben werden. Ich möchte dazu Folgendes sagen: Dass die Regelung der Ladenöffnungszeiten im Detail in Zukunft den Landeshauptleuten überlassen werden soll, ist keineswegs ein Ab­schieben von Verantwortung, sondern einfach das Schaffen akzeptabler Lösungen auf regiona­ler Basis. Wo sonst sind die entsprechenden Kompetenzen besser aufgehoben als bei den Landeshauptleuten? Vor allem ist das auch gelebter Föderalismus.

Auch in der Diskussion um die Abschaffung der Ambulanzgebühren und der Krankenscheinge­bühr geht es ebenfalls nicht um ein Abschieben von Verantwortung, sondern darum, dass man endlich das Einsparungspotential vor allem in den Landesverwaltungskörpern ausschöpft. Ich möchte hinzufügen, dass man, ehe man über Selbstbehalte nachdenkt, auf der roten Reichs­hälfte einmal darüber nachdenken sollte, die Pfründe zu beseitigen. – Das sage ich als stei­rische Abgeordnete, Stichwort: Steirische Gebietskrankenkasse. Dort ist einiges zu tun, und ich werde ein Auge darauf haben, wie es dann mit Selbstbehalten in diesem Verwaltungskörper ausschaut. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der övp.)

Wir werden Sie ständig daran erinnern: 16 großteils unsoziale Selbstbehalte mit mehr als 80 Prozent wurden unter sozialistischer Regierung – unter einem sozialistischen Finanzminister, sozialistischen Bundeskanzler und sozialistischen Sozialminister – eingeführt. Wir werden die Krankenscheingebühr abschaffen und selbstverständlich auch die Ambulanzgebühr; diese war kein Ruhmesblatt, was wir ohne weiteres zugeben. Wir werden die Krankenscheingebühr abschaffen, und wir werden Sie daran erinnern, dass Sie in Ihrer Regierungszeit mehr als 16 Selbstbehalte eingeführt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der övp.)

17.23


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schieder zu Wort gemeldet. – Bitte.

17.23


Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wer die außenpolitischen Punkte dieser Regierungserklärung studieren und beurteilen muss, der hat nur wenig Arbeit, denn wenn ich von der Irak-Frage und den Themen im Zusammenhang mit der EU absehe, dann ist nicht mehr sehr viel Außenpolitisches darin enthalten. Ich sage auch gleich: Das Wenige ist nicht wirklich kontroversiell.

Man kann zu fast allem ja sagen – natürlich! –, und man ist dennoch nicht zufrieden, denn die Schwerpunkte, die aufhorchen lassen würden, die Positionierungen, die notwendig wären, sind nicht enthalten. Auch im Bereich der Außenpolitik wurde in dieser Regierungserklärung eine große Chance vertan, meine Damen und Herren: Kein Wort zur UNO, kein Wort zum Internatio­nalen Strafgerichtshof, kein klares, detailliertes Signal für unsere Nachbarn, nur die allgemeinen Formulierungen, dass eine Versöhnung im österreichisch-tschechischen Verhältnis notwendig sei und die modellhaften Lösungen wie für Südtirol weiter gepflegt werden sollen – was immer das im Detail heißen mag! Eine halbherzige Positionierung in der EU, und kein Wort zum Balkan!

Meine Damen und Herren! Ich glaube, der Frau Minister war das selbst bewusst, deshalb hat sie in ihrem Beitrag jene sechs Punkte gebracht, denen sicherlich zuzustimmen ist. Die notwen­dige Klarheit wurde darin aber ebenfalls nicht geschaffen.

Regionale Partnerschaft zur vollen Entfaltung – ja, natürlich! Aber was heißt das eigentlich im Detail? Was soll das sein?


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Europa neu denken – einverstanden, ein Ja dazu! Welche Position wird Österreich dabei ein­nehmen?

Zukunftsbereiter Ansatz – natürlich! Aber was heißt das im Detail?

Südosteuropa ansprechen – dazu hat es detaillierte Punkte gegeben, die vorgebracht worden sind. Ich hätte noch gerne ein freundliches Wort zum neuen Staat Serbien und Montenegro und unsere diesbezügliche Aufgabe gehabt (Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner: Gerne!), aber ansonsten ist dem allem zuzustimmen.

Armut bekämpfen und Entwicklungspolitik, Themen, die auch in der Erklärung enthalten sind. – Einverstanden! Gut, wenn hier mehr geschieht, gut, wenn Private herangezogen werden. Aber was wird das heißen? Wird das eine Privatisierung der Entwicklungspolitik sein? Wird sie von Ihnen, Frau Minister, zum Finanzminister wandern? Was wird das heißen für all die Organisa­tionen, die hier tätig sind? Es ist nicht so, dass wir Vereinsmeierei erhalten wollen, aber es ist notwendig, dass Entwicklungspolitik in unserer Republik positiv verkauft wird.

Zu all diesen Themen müsste es Details geben – diese sind aber in dieser Regierungserklärung nicht enthalten.

Wie bereits erwähnt, beginnt das EU-Kapitel mit der Förderung der Anliegen der altösterreichi­schen Minderheiten im Ausland und der Verbreitung der deutschen Sprache. – Einverstanden! Wir sollten aber vielleicht einmal klarstellen, was wir unter dem Begriff „altösterreichische Min­derheit“ verstehen. Wir haben versucht, das im Zusammenhang mit Slowenien zu klären, aber ich meine, es wäre eine generelle Klarstellung notwendig. – Das zum einen.

Zum anderen – es wurde bereits angesprochen, und ich möchte noch hinzufügen –: Kein freundliches Wort zu den anderssprachigen Minderheiten im eigenen Land! Das ist auch das falsche Signal.

Der Herr Bundeskanzler hat von einer gemeinsamen Linie in der Irak-Frage gesprochen. Diese gemeinsame Linie basiert auf einem Antrag der ÖVP, der den vollen Beschluss des Sicherheits­rates will. Wir haben in fast allen Punkten Einigkeit erzielt, nur nicht in der Frage der Abfang­jäger. Die gemeinsame Linie soll nun in der Form geschaffen werden, dass wir auch die Ab­fangjäger noch schlucken. – Das ist unfair, und deshalb bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Schieder, Mag. Ulrike Lunacek und KollegInnen betreffend Irak-Krise, beruhend auf den einstimmigen Empfehlungen des Nationalen Sicherheitsrates der Republik Österreich

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, im Sinne der einstimmig beschlossenen Punkte 1, 2, 3, 4 und 6 des Beschlusses des Nationalen Sicherheitsrates über eine Empfehlung an die Bundes­regierung zur Situation im Irak vom 29. Jänner 2003 sowie der Schlussfolgerungen des Euro­päischen Rates vom 17. Februar 2003 vorzugehen.“

*****

Wenn Sie es ehrlich meinen mit der gemeinsamen Haltung, dann müssen Sie unserem Antrag zustimmen, der die Abfangjäger nicht enthält, und nicht Ihrem eigenen Antrag. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Spindelegger: Selbstverständlich! Ihrem stimmen wir zu, unseren lehnen wir ab!)

17.28



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7. Sitzung / Seite 165

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Schieder, Mag. Lu­nacek und Kollegen betreffend Irak-Krise, beruhend auf den einstimmigen Empfehlungen des Nationalen Sicherheitsrates der Republik Österreich, ist ordnungsgemäß unterfertigt, steht zur Verhandlung und wird abgestimmt werden.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. – Bitte.

17.29


Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich denke, die Stimmung wird insbesondere von einigen Rednern der SPÖ nicht als gut empfunden, denn ein paar der heutigen Wortmeldungen waren wirkliche Kasperliaden – Kasperliaden, die uns nicht am Herzen liegen!

Wir haben eine Vision für Österreich (Abg. Parnigoni: Eine Horrorvision!), und ich danke dem Herrn Bundeskanzler für seine heutige Regierungserklärung, in der das auch zum Ausdruck gekommen ist, nämlich eine Vision, in der Witze und Kasperliaden keinen Platz haben. Wir freuen uns alle gemeinsam auf die Umsetzung der vielen Arbeit, die auf uns wartet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was den Infrastrukturbereich betrifft, muss ich sagen, ich freue mich, dass sowohl im Regie­rungsprogramm als auch in der heutigen Regierungserklärung ganz wesentliche Dinge zum Ausdruck gekommen sind.

Zum einen: Die Priorität des Schieneninfrastrukturausbaues wird weiterhin aufrecht bleiben. Jene Projekte, die die wichtigsten europäischen Bahnverbindungen betreffen, sei es die Anbin­dung unseres Ostens an die neuen EU-Nachbarstaaten, sei es die Brenner-Transversale, werden im Schienenbereich ausgebaut. Wir wollen aber trotzdem nicht das Entweder-oder-Prinzip verfolgen, sondern das Sowohl-als-auch, und werden auch den Lückenschluss im Auto­bahnnetz zustande bringen.

Besonders wichtig ist mir natürlich, dass auch der Bau des Brenner-Basistunnels noch in dieser Legislaturperiode entschieden werden soll und dass dazu flankierende Maßnahmen zur Eindämmung beispielsweise des Transitvertrages, aber auch flankierende Maßnahmen, die im Sinne einer Ökologisierung unseres Verkehrs besonders wichtig sind, ausdrücklich genannt sind und umgesetzt werden sollen. An erster Stelle steht hier das Prinzip einer neuen Wege­kostenrichtlinie mit ökosensiblen Korridoren, wie wir sie im Wesentlichen erfunden haben, und eine Querfinanzierung der Schieneninfrastruktur durch Mauteinnahmen auf der Straße. (Abg. Parnigoni: Das unterstütze ich auch! Sie werden sich aber nicht durchsetzen können!)

Die Infrastrukturbestrebungen gehen aber naturgemäß weiter. Besonders wichtig ist es, auch im Telekommunikationsbereich leistungsfähigere Infrastrukturen zu erreichen. Der Aktionsplan „E-Europe 2002“ ist bereits ausgelaufen, der Endbericht liegt vor. Ziel war damals: Internet für alle. – Wir in Österreich haben die Hausaufgaben gemacht: Wir haben als eines der wenigen Länder in Europa das Internet tatsächlich an allen Schulen, nach den neuesten Statistiken in allen Unternehmen, und die meisten Österreicher haben Zugang zum Internet.

Diese Phase ist abgeschlossen, jetzt gilt es, aus diesen Möglichkeiten auch wirtschaftliche Er­folge zu kreieren. Dazu brauchen wir eine leistungsfähige Breitbandinfrastruktur. Diese werden wir zur Verfügung stellen, nicht indem wir jedem Einzelnen den Anschluss subventionieren, sondern indem wir Anreize schaffen, dass im Wettbewerb dieses Breitband – dafür gibt es jetzt mannigfaltige Möglichkeiten, auch über Wireless-Lan – auch in entlegenen Gebieten zur Verfü­gung gestellt wird. Das ist für das wirtschaftliche Fortkommen dieses Landes von riesiger Be­deutung. (Abg. Parnigoni: Das unterstütze ich auch!)

Warum? – Unsere kleinen und mittleren Unternehmen tragen heute die wirtschaftliche Entwick­lung Österreichs, beschäftigen die meisten Mitarbeiter, und Zuwächse in der Wertschöpfung und Zuwächse bei der Zahl der Angestellten sind fast ausnahmslos dort zu verzeichnen. Dies


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immer dann, wenn diese Unternehmen innovativ sind. (Abg. Eder – in Richtung des Abg. Parnigoni –: Weiß das der Kukacka auch, was sie da sagt?) Deshalb ist es auch besonders wichtig – wie wir das auch vorhaben –, die Forschungsquote weiter zu erhöhen.

Etwas, was Sie vielleicht nicht wissen: Wir haben in Österreich bereits eine im Vergleich sehr hohe öffentliche Forschungsquote. Der private Sektor hinkt nach, aber auch in diesem privaten Sektor ist es gelungen, durch den Einsatz der öffentlichen Forschungsmittel einen Mehrwert zu kreieren, nämlich dass auch Unternehmen 2, 3 € pro einem von der öffentlichen Hand einge­setzten Euro in die Forschung investieren.

Auf diesem Weg wollen wir weitermachen – für ein gesundes Österreich mit Menschen in Voll­beschäftigung, mit einer Vision für die Zukunft. Wir haben viel Spaß und Freude daran. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Eder: Glückliches Österreich!)

17.34


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber zu Wort gemeldet. – Bitte.

17.35


Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Hakl – Sie muss noch allen anwesenden Regierungsmitgliedern gratulie­ren –, Sie haben hier von Kasperliaden gesprochen! – Auch viele Wörter machen noch kein Konzept, und Ihre Konzeptlosigkeit ist heute zu Papier gebracht, in Wort und Bild, und zum Teil auch im Originalton zu hören gewesen.

Meine Damen und Herren! Die heutige Regierungserklärung beginnt mit einem bezeichnenden Satz, der heute schon einige Male in den Mund genommen worden ist, um ihn irgendwie zu zer­pflücken, um ihn auf die Waagschale zu legen, nämlich mit dem Satz:

„Diese Regierung steht für eine Politik, die den Menschen nichts vorgaukelt, sondern für eine Politik, die die Dinge aufrichtig beim Namen nennt.(Abg. Wittauer: Richtig! Wunderbar!)

Meine Damen und Herren! Ein Satz als Einstieg in eine Regierung Schüssel II. – Weshalb, habe ich mich gefragt, steht dieser Satz am Beginn einer neuen Regierung, die ja gleichsam die alte ist, auch wenn neue Köpfe, neue Gesichter heute hier auf der Regierungsbank sitzen. Was soll er bedeuten? Hat die letzte Regierung den Menschen etwas vorgegaukelt, meine Damen und Herren, oder soll ein schlechtes Gewissen damit beruhigt werden? Drei Monate haben Sie gebraucht, Herr Bundeskanzler, der Sie nicht da sind, um festzustellen, dass Sie diese Form von Politik weiter fortsetzen wollen!

Oder, meine Damen und Herren, soll dieser Satz einen Schleier über grundsätzliche Fragen werfen? Was steht hinter diesen Dingen? Ihre Sicht der Dinge teilen wir nicht, denn uns geht es letztlich nicht um die Dinge, sondern um die Menschen, um die Ziele und Zielvorstellungen, die hinter diesen Dingen stehen. Darum ginge es in einem neuen Re­formkurs, in einer neuen Politik in Österreich, um aus einer Sackgasse herauszukommen. Diese Chance aber, meine Damen und Herren, hat Bundeskanzler Schüssel nicht genutzt.

Es gab zwei alternative Möglichkeiten – Sie hätten sie nutzen können, meine Damen und Herren von der ÖVP! Sie haben sie nicht nutzen können, weil Ihre Konzepte zu kurz greifen, weil Ihre Visionen in vielen Bereichen an Lippenbekenntnissen hängen bleiben. Dazu möchte ich an dieser Stelle noch einmal einige Aspekte aus dem Ressort Landwirtschaft und Umwelt­schutz herausgreifen.

Bundesminister Pröll, der neue Minister, hat hier heute in aller Kürze einige Bemerkungen ge­macht, ich beziehe mich aber auf den Text der Regierungserklärung. Hier finden wir so bezeich­nende Sätze wie: Die Agrarwirtschaft in Österreich ist „immer naturnah und ökologisch nach­haltig betrieben worden“.


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Meine Damen und Herren! Das ist Ihre Sicht der Dinge. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Na net!) Unsere Sicht der Dinge ist sehr wohl anders: Selbstverständlich gehören Umweltschutz und Landwirtschaft zusammen, aber nicht in einem Ressort, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Grillitsch.) Wir haben drei Jahre lang versucht, Ihnen klarzumachen, Kollege Grillitsch, dass diese beiden Bereiche nicht in einem Ressort zusammengefasst werden sollen. (Zwischenbemerkung von Bundes­minister Dipl.-Ing. Pröll.)

Ich werde Ihnen auch klarlegen, weshalb, Kollege Pröll! – Weil im Bereich Pestizide, zum Beispiel bei der Anwendung von Klärschlamm oder auch bei der Verbilligung von Agrardiesel, ein ganz klarer Interessenkonflikt besteht. Sie können doch als Umweltminister nicht für den Einsatz von Klärschlamm sein. Sie können doch nicht für die vereinfachte Anwendung von um­weltgefährdenden Betriebsmitteln wie Pestiziden sein. Sie können doch nicht für vereinfachte Zulassungsverfahren sein, Herr Umweltminister Pröll! – Aber als Landwirtschaftsminister können Sie dafür sein! Diesbezüglich besteht ein ganz klarer Interessenkonflikt. Das war schon damals zu Ihrer Zeit so, Herr Kollege Molterer! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Herr Ökonomierat Pirklhuber!)

Diese Konfliktsituation hat sich nicht geändert. (Abg. Mag. Molterer: Oja!) Sie haben die Chance nicht wahrgenommen, einen Neubeginn zu starten. Sie haben sie nicht genutzt. (Abg. Mag. Molterer: Oja!) – Sie schon, Sie persönlich; wir sind jetzt Kollegen im selben Haus! Aber Kollege Pröll hat das Problem, dass er Ihre Hypothek übernimmt, nämlich die Hypothek, die Interessen der Landwirtschaft und des Umweltschutzes vertreten zu müssen. Sie werden dabei noch genug Probleme bekommen, Herr Minister Pröll!

Sie haben heute kein einziges Mal das Wort „Tierschutz“, das Wort „Biolandbau“ erwähnt oder eine Stellungnahme zur gentechnikfreien Zone Österreich abgegeben. (Bundesminister Dipl.‑Ing. Pröll: Oja, Nummer eins!) Sie haben nicht davon gesprochen, auch kein Wort zur Agrarreform. (Zwischenruf des Abg. Grillitsch.) – Na selbstverständlich, Kollege Grillitsch! Wenn Sie hier wieder anfangen, Unwahrheiten zu verbreiten, indem Sie sagen, die Grünen wären nicht für das 3-Milliarden-€-Paket für die Landwirtschaft gewesen, dann muss ich Ihnen schon sagen:

Wir haben gesagt: Ja, wenn es zu einer ökologischen Neuausrichtung kommt, wenn es zu einer Agrarwende in Österreich kommt, wenn wir endlich von den Lippenbekenntnissen abgehen und tatsächlich eine ökologische Offensive starten!

Meine Damen und Herren! Gerade in diesem Bereich sind Sie aber nicht bereit, die Interessen der österreichischen Bevölkerung zu vertreten. In der Regierungserklärung von heute steht ganz klar (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) – ich komme gleich zum Schluss, Herr Präsident –, Sie wollen die EU-Biopatentrichtlinie umsetzen. – Kein Patent auf Leben, meine Damen und Herren, das ist unsere Antwort darauf!

Wir werden uns dafür einsetzen, wir werden für eine ökologische, für eine soziale Reformpolitik in diesem Haus kämpfen, und wir werden sehen, wie weit Sie bereit sind, unsere Ideen aufzu­greifen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.40


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wittauer. – Bitte.

17.40


Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Verehrte Regierungsmitglieder! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es ist wichtig für Österreich, dass – so wie in der ver­gangenen Legislaturperiode – auch in der neuen Gesetzgebungsperiode die freiheitliche Hand­schrift nicht nur umgesetzt wird, sondern auch in Zukunft sichtbar ist. Dazu möchte ich ein paar persönliche Bemerkungen machen.

Ich möchte dem scheidenden Verkehrsminister Mathias Reichhold herzlich dafür danken, dass er mit Beharrlichkeit und Konsequenz gegenüber der EU die Tiroler Bevölkerung im Kampf


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gegen die Transitlawine unterstützt hat. Das verdient Applaus und unsere höchste Anerken­nung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Anders als der Tiroler Landeshauptmann, der nur mit markigen Ankündigungen ohne Hinter­grund die Tiroler Bevölkerung permanent täuschen will, hat sich nur Mathias Reichhold nicht gescheut, in der EU auf allen Ebenen Flagge zu zeigen. Und diese Flagge war nicht das weiße Tuch der Kapitulation, sondern die rot-weiß-rote Flagge im Sinne Österreichs. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Für die Tiroler ist es wichtig, einen gewissenhaften und verlässlichen Minister in der Regierung zu haben, der in der Verkehrsproblematik die Sorgen der Menschen versteht und sie nicht im Regen stehen lässt, wie dies gerade in der Vergangenheit bei sozialis­tischen Verkehrsministern die Regel war. (Abg. Reheis: Was haben Sie in den letzten drei Jahren gemacht?)

Ich erinnere Sie daran, dass es die sozialistischen Verkehrsminister waren, die sich der Verant­wortung für den Transitvertrag nie gestellt haben. Für diesen Verrat gibt es zwei Namen: Strei­cher und Klima.

Ich erinnere auch daran, dass der Tiroler Ex-Landeshauptmann Weingartner beim Spatenstich der Unterinntaltrasse gesagt hat: Damals, bei den Verhandlungen zum Transitvertrag, wurde mit falschen Zahlen gearbeitet, mit falschen Zahlen operiert. – Auch daran waren die Sozialisten natürlich beteiligt, bei diesen Verhandlungen. Auch dort wurde der Bevölkerung Sand in die Augen gestreut! Und die Wahrheit ist: Freiheitliche Verkehrsminister müssen dieses schwere und unerfreuliche Erbe nicht nur aufarbeiten, sondern in Zukunft daraus für die Menschen etwas Positives erreichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Trotzdem ist es gelungen, in kurzer Zeit Ergebnisse zu erzielen: die Erstellung des Generalver­kehrsplanes; den Bau der Unterinntaltrasse, die in kürzestmöglicher Zeit mit dem Bau des Brenner-Basistunnels eine teilweise Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene ermöglichen soll. (Abg. Reheis: Einen guten Minister tauscht man nicht aus! – Abg. Parnigoni: Vier Minister in drei Jahren!)

Was können wir heute in dieser problematischen Situation tun? – Die 108 Prozent-Klausel ist gestorben; das wissen wir alle. (Abg. Mag. Wurm: Ihre Schuld!) Die Ökopunkte-Regelung wird auslaufen. Daran wird auch das Bekenntnis aller Parteien nichts ändern. (Abg. Mag. Wurm: Ihre Schuld!)

Was wir brauchen, ist eine Übergangsregelung bis zum In-Kraft-Treten der neuen EU-Wege­kostenrichtlinie, die unsere Interessen berücksichtigt. Gerade durch einen FPÖ-Verkehrs­minister ist die Vertretung der Interessen Österreichs gewährleistet. Für Politiker quer durch alle anderen Parteien scheint Europa mit der Osterweiterung der Mittelpunkt ihres politischen Daseins zu sein. Dabei vergessen sie hin und wieder, dass sie von österreichischen Bürgern gewählt wurden, um die Interessen Österreichs zu vertreten und zu schützen.

Meine Damen und Herren! Innerstaatliche Maßnahmen wie das sektorale und generelle Nacht­fahrverbot für LKWs werden nach wie vor von uns gebraucht werden, um die Verkehrslawine zumindest einzubremsen. Wochenend- und Feiertagsfahrverbote werden während unserer Regierungsbeteiligung auch in Zukunft bestehen bleiben.

Das IG-Luft wird von uns novelliert werden. Hier muss es ein Ziel sein, nicht nur eine Verfah­rensbeschleunigung und eine Effizienzsteigerung zu erreichen, sondern auch ein vorgeschrie­benes Einschreiten auf gesetzlicher Basis, das gewährleistet, dass bei Gefahr einer Gesund­heitsschädigung durch Überschreiten der Höchstwerte Maßnahmen sofort zu setzen sind. Vielleicht ist das die Voraussetzung dafür, dass unsere EU-Partner mit uns ernsthaft über eine Lösung diskutieren werden.

In einem so sensiblen Lebensraum wie den Tiroler Alpen weiß man, wie wichtig es ist, ökologische Maßstäbe in der Verkehrspolitik anzulegen. Das Konzept der ökosensiblen Zonen,


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wie wir sie im vergangenen Jahr schon bei der Verabschiedung der Alpenkonvention festgestellt haben, muss der Maßstab sein, um eine ökologische Weiterentwicklung zu gewährleisten.

Unser Lebensraum muss geschützt werden. Dazu gehört auch eine fahrleistungsabhängige LKW-Maut sowie eine alternative Verkehrsinfrastruktur wie etwa die Schiene, bei der eine Quer­finanzierung erreicht werden muss. Es sollte nicht nur ein Schlagwort bleiben, den Verkehr von der Straße auf die Schiene umzuleiten.

Meine Damen und Herren! An dieser Stelle ist es mir noch einmal ein Bedürfnis, darauf hinzu­weisen, dass es SPÖ-Verkehrsminister waren, die uns diesen Scherbenhaufen beim Transitver­kehr hinterlassen haben. Erst durch eine freiheitliche Regierungsbeteiligung hat es eine Qualitätsoffensive beim Ausbau der Schiene und in verschiedenen anderen Bereichen gege­ben. Gerade über unseren Verkehrsminister Reichhold hat es diese Qualitätssteigerung tat­sächlich gegeben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich könnte jetzt noch stundenlang über den Transit reden ...


Präsident Dr. Heinz Fischer: Da bin ich dagegen, Herr Kollege! (Heiterkeit.)


Abgeordneter Klaus Wittauer (fortsetzend): Ich ersuche Sie, unseren Verkehrsminister Gor­bach in Zukunft zu unterstützen, damit wir gemeinsam eine entsprechende Lösung in dieser Frage finden werden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.46


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Wurm. Redezeit: 5 Mi­nuten. – Bitte.

17.46


Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Herren Minister! Hohes Haus! Mein Vorredner, der Tiroler Klaus Wittauer, hat jetzt viele Worte zum Thema Transit und Verkehrsbelastung, die uns in Tirol wirklich plagt, verloren. So viel war vom Bundeskanzler dieser Republik darüber nicht zu hören. Da vorhin der Letzte aus der Reihe von Verkehrsministern, Herr Mathias Reichhold, immer wieder genannt wurde, muss ich sagen: Ich möchte ihm die gute Absicht nicht absprechen. Aber eines kann ich sagen: Ge­nützt hat es den Tirolern und Tirolerinnen nichts! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Pfeffer: Genau!)

Doch nun möchte ich allgemein dazu Stellung nehmen, was diese Regierung Schüssel II den Österreichern und Österreicherinnen bringt, was man in der Regierungserklärung darüber hat lesen können. Das Kabinett Schüssel II – ich empfinde es so – kann, wenn man die Vorhaben liest, mit einem Satz zusammengefasst werden: Vom Regen in die Traufe!

Es ist nahezu unglaublich, wie perfekt da ein Fehlstart erfolgt ist, welchen Bauchfleck diese Regierung schon am Anfang hingelegt hat. Keine Zeitung in Österreich – nicht einmal die rechtsliberalen Blätter – findet lobende Worte zur Neuauflage von Schwarz-Blau. Negative Kritiken weit und breit, wohin das Auge blickt. Die Umfragewerte sind übrigens auch im Keller.

Diese in Europa gewichts- und auch gesichtslose Regierung will – und das empfinde ich nahe­zu als Drohung – den Weg, den sie bisher gegangen ist, weiterführen. Dieser Weg hat zum Bei­spiel zu einer großen Verarmung vieler Österreicherinnen und Österreicher geführt. Es wurde heute schon einmal die Armutsstudie zitiert, die Studie, die vom Sozialministerium in Auftrag gegeben wurde. Darin konnte man lesen, dass sehr viele Österreicherinnen und Österreicher bereits an der Armutsgrenze angelangt sind beziehungsweise schon darunter fallen. Das kann doch keine gute Politik sein!

Was Sie diesem Götzen „Nulldefizit“ untergeordnet haben, das war die so genannte Budgetkon­solidierung. Und diese Budgetkonsolidierung haben Sie nur einnahmenseitig erreicht – aus­gabenseitig war nichts zu sehen.


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Wenn nun der Bundeskanzler und sein Finanzminister hier wieder einmal erklären, es komme jetzt die größte Steuerreform, die Österreich je gesehen hat, dann muss ich sagen, das haben wir schon einmal gehört. Das kommt uns bekannt vor. Das ist etwas, was wir glauben können oder nicht. Vielleicht kommt eine Steuerreform – bisher wurde es immer nur versprochen, bis­her sind Ankündigungen gemacht worden, mehr nicht.

Warum ist denn überhaupt diese Bundesregierung neu gebildet worden? Warum ist überhaupt neu gewählt worden? – Das fragen sich die Österreicherinnen und Österreicher. Warum wurde so viel Geld ausgegeben, wenn jetzt, wenn ich mich umdrehe, in Wirklichkeit nahezu die gleichen Gesichter auf der Regierungsbank sitzen und die gleiche Politik gemacht wird? (Zwi­schenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ja, die Kräfteverhältnisse sind jetzt ein bisschen anders. Die FPÖ ist etwas dezimiert. Aber was bringt denn das den Österreichern und Österreicherinnen? – Das ist hier die Frage, und das ist das Problem dabei. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Keine künstliche Aufregung!)

Was diese Bundesregierung in den letzten zweieinhalb Jahren – jetzt sind es schon drei Jahre – noch gezeigt hat, war Folgendes: Sie von der Regierungskoalition waren Weltmeister im Umfärben – im Umfärben bei verschiedenen Postenbesetzungen.

Ich erinnere nur an Herrn Bundesminister Strasser, der im Innenministerium wahrlich ein Schreckensregime geführt hat! Vielleicht war er sogar Ihr Vorbild. Dort wurde unter dem Titel Strukturreform, Umstrukturierungen, Wachzimmerkonzept und wie das alles geheißen hat, in Wirklichkeit eine menschenverachtende Personalpolitik betrieben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Pfeffer: Jawohl!)

Einer der kompetentesten Beamten im Ministerium, Herr General Strohmeyer, hat das getan, was ein hoher Beamter zu tun hat. Er hat erklärt, wenn wir noch weiter sparen, dann ist die Sicherheit der Menschen in Österreich in Gefahr. Das kann ich nicht mehr verantworten. – Aber dem Herrn Innenminister widerspricht man nur einmal, und dann ist man nicht mehr General, sondern Flughafenpolizist.

Das ist menschenverachtend, das ist ein Angriff auf die Meinungsfreiheit! So kann es nicht weitergehen! (Beifall bei der SPÖ.)

17.51


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Schultes. Ich erteile ihm das Wort.

17.51


Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor der Jahreswende konnten wir neben dem Burgtheater den großen, roten Container sehen, und es hieß: eine starke, dynamische Partei. Nach der Jahreswende war ich wieder in Wien und bin in der Löwelstraße an der SPÖ-Zentrale vorbeigegangen. Ein kleiner weißer Bus stand vor der Löwelstraße, mit einem großen Transparent. Die Aufschrift lautete: Damit wir nicht draufgehen – in die Opposition, SPÖ. Absingen der sozialistischen Internationale erlaubt. (Abg. Mag. Wurm: Wir haben ihn für die Flüchtlinge aufgestellt!)

Könnt ihr euch noch erinnern? Eine ganze Woche lang ist dieser Bus vor eurem Haus gestan­den. Frau Bures! Was haben Sie sich dabei gedacht? – Damals habe ich mir gedacht: Das ist eine gute Basis für die neue Regierung! – Und wir haben jetzt eine neue Regierung mit einer guten Basis, und ihr seid nicht dabei. (Abg. Dr. Matznetter: Lächerlich!)

Meine Damen und Herren! Wir haben eine neue Regierung – eine Regierung, die wirklich die Zeichen der Zeit erkannt hat, eine Regierung, die die anstehenden Aufgaben tatkräftig und zu­kunftsorientiert lösen wird. Ich komme aus dem ländlichen Raum. Ich bin sehr froh, dass wir mit dieser Regierung und diesem Programm die wirklich wichtigen Aufgaben für die Zukunft


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7. Sitzung / Seite 171

angehen werden. Sie werden mit Freude miterleben, wie diese Regierung Zukunftsoptimismus und Lebensfreude versprühen wird.

Wir werden einige neue Weichen stellen. Wir werden zum Beispiel erneuerbare Energieträger einsetzen. (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Da bin ich dabei!) Wir werden die Sonnenenergie ver­stärkt nutzen. Wir werden die Lebensmittelsicherheit weiter erhöhen. Wir werden die Lebens­qualität steigern. Und Sie werden erleben, dass in einer Zeit, in der der internationale Agrar­handel immer stärker werden will, die Österreicher immer mehr die österreichischen Produkte schätzen werden, weil sie wissen, dass Qualität nur dann sicher ist, wenn sie aus Österreich kommt. (Beifall bei der ÖVP.)

All das hat diese Regierung weiterzuentwickeln – ausgehend von einem guten Fundament, auf dem wir stehen.

Erlauben Sie mir, dass ich hier und heute unserem Klubobmann Willi Molterer Danke sage. Ich als Bauer möchte ihm dafür danken, dass er uns in der schwierigen Zeit der EU-Anpassung immer mit Kraft beigestanden ist und uns richtig geführt hat. Ich bedanke mich dafür, dass er uns in Europa mit Kraft und Elan vertreten hat. Und ich bedanke mich dafür, dass der öster­reichische Einfluss auf die europäische Agrarpolitik so groß war und damit ganz Europa genützt hat. (Beifall bei der ÖVP. – Die Abgeordneten Dipl.-Ing. Pirklhuber und Mag. Kogler: Danke, Molterer!)

Wir haben einen neuen Minister, Herrn Dipl.-Ing. Josef Pröll. (Abg. Mag. Gaßner: Danke! – Weitere Rufe und ironische Heiterkeit bei der SPÖ: Danke!) Er ist für mich ein Mann, der Ver­trauen verdient. Er ist für mich die Garantie dafür, dass der gute österreichische Weg weiterge­gangen wird. (Abg. Dr. Cap: Kann man ihn mieten? – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Herr Dr. Cap! Sie bräuchten mich hie und da, denn Ihnen geht oft der Saft aus. Aber es wird Ihnen nichts nützen, Sie bekommen mich nicht einmal für Ihren Geburtstag.

Wir österreichischen Bauern sind davon überzeugt, dass wir mit unserem Josef Pröll einen starken, einen guten Minister haben, und vor allem einen, der weiß, worum es geht, einen, der die Kraft hat, Visionen umzusetzen, und der die Bauern hinter sich hat. Das ist etwas, was sich Herr Pirklhuber wünschen würde: 1,3 Prozent war sein Ergebnis bei der Kammerwahl. Da weiß man, man lässt es lieber bleiben, nicht wahr? (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Jarolim: Der Pröll ist sicher vernünftiger als der Schüssel!)

Auf jeden Fall wissen wir, dass wir in Österreich auf einem guten Weg sind und dass wir mit der derzeitigen Regierung ein Team haben, das eine lange Zeit vor sich hat und wichtige Projekte umsetzen wird, eine Regierung, die uns endlich den Agrardiesel bringen wird. Ich sage Ihnen, warum das so wichtig ist.

Allein mein Bezirk Gänserndorf muss um 20 000 Tonnen mehr Weizen auf derselben Fläche verkaufen als ein ungarischer Betrieb in dieser Größe, weil wir Diesel teurer einkaufen müssen als die ungarischen Bauern. Allein der Wettbewerbsnachteil beim Diesel ist in meinem Bezirk 20 000 Tonnen Getreide wert. Daher ist das für uns so wichtig. Das können Sie sicher verstehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Die ländlichen Regionen werden durch die Fortschreibung der Förderung von 3 Milliarden € in ihrer Lebensfähigkeit gestärkt. Wir werden den Optimismus der jungen Bauern, der bäuerlichen Familien und aller Menschen auf dem Land stärken können. Wir wissen, dass wir mit einem positiven Klima in den ländlichen Regionen die Menschen dazu bringen können, ihre Kraft gepaart mit guter Ausbildung im Land einzusetzen.

Das Land wird blühen, der Frühling kommt, die Bauern werden Ihnen zeigen, wie sie das Land zum Blühen bringen, und Sie werden sehen, wie auch diese Regierung das Land zum Blühen bringt! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Jarolim: Der Schüssel bringt nichts mehr zum Blühen!)

17.56



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7. Sitzung / Seite 172

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rest-Hinterseer. – Bitte.

17.57


Abgeordnete Heidemarie Rest-Hinterseer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Mir ist es heute bei der Regierungserklärung ähnlich gegangen wie dem Kollegen Pirklhuber. Ich bin richtig ergriffen gewesen, und zwar von dem Wort beziehungsweise dem Satz, den der Herr Bundeskanzler verwendet hat, nämlich von dem Ausdruck: „Sagen, was ist.“ – Das ist nämlich ein Lieblingsausdruck von mir.

Das hat mich auch deswegen so überrascht, weil Herr Bundeskanzler Schüssel ja eher, wie ich glaube, als der große Schweiger in die Geschichte eingehen wird. Ich habe mir eher gedacht, sein Motto lautet: „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“ – Diesen Spruch kenne ich so gut, weil er in der Küche meiner Großmutter gehangen ist. Sie hat sich übrigens nicht an diesen Spruch gehalten, und sie hat mir viele funkelnde Lebensweisheiten mitgegeben, unter anderem die fol­gende Lebensweisheit: „Sagen, was ist, denn das ist revolutionär genug!“ (Beifall bei den Grünen.)

Es gefällt mir, dass gerade vor mir ein Kollege von der ÖVP gesprochen hat, der diese ganz besondere Sprache des Bauernbundes so gut beherrscht. Einerseits: Ho ruck, es ist alles so super, und andererseits: Es geht uns so schlecht!

Das ist eine besondere Spezialität des Bauernbundes, nämlich immer zu insinuieren, nach dem Spruch: Die Wirte ziehen schon den kleinen Kindern zu kleine Schuhe an, damit sie ganz früh jammern lernen. – So ähnlich kommt mir das im Bauernbund vor: Einerseits lernt man beizeiten, zu jammern, aber gleichzeitig muss man auch immer darauf verweisen, wie schön wir es haben. (Beifall bei den Grünen.)

Das Bild von Alexander Van der Bellen vom Schiffbruch ist wunderbar. Es ist auch von vielen aufgegriffen worden. Das zeigt, dass es auch sehr treffend ist. Und das Interessante ist, dass ja „Scheitern“ etymologisch von dem Wort „Schiffbruch erleiden“ kommt, das heißt: „in Scheiter gehen“. Und „Sagen, was ist“ heißt dann auch, zu sagen: Diese vorherige Regierung ist ge­scheitert.

Das wäre noch nicht weiter schlimm, denn scheitern kann man einmal. Scheitern ist ein Teil des Lebens. Schlimm ist es nur, wenn man die Ursachen des Scheiterns nicht ergründet und ein­fach so tut, als sei man nicht gescheitert. Das führt direkt in die Katastrophe.

Mir ist nicht so sehr das Bild der Frau Kollegin Bleckmann, nämlich das Bild eines Dampf­schiffes, gekommen, sondern eher das Bild des Öltankers vor Galizien, ein Schiff, das wider besseres Wissen wieder aufs Meer gesetzt wurde, was eine entsetzliche Umweltkatastrophe ausgelöst hat. (Beifall bei den Grünen.)

Ich weiß nicht, welche Katastrophe auf uns zukommt, aber ich habe ein sehr, sehr schlimmes Gefühl.

Ich habe mir schon die Frage gestellt: Was mache ich, wenn ich beim Reden einen allzu trocke­nen Mund bekomme? – das ist ja ein gewisses Problem –, und ich habe mir gedacht: Ich rede vom Wasser und von GATS. Das ist auch ein spannendes Thema. Wir haben ja heuer das Jahr des Wassers und in Kürze, am 22. März, den Tag des Wassers. Wir hören immer wieder, dass das Wasser in Österreich quasi geheiligt sei, dass nicht daran gedacht werde, in diesem Be­reich etwas zu liberalisieren, und dass wir das auch in der WTO so halten wollen. Allerdings hören wir von Mag. Molterer und auch vom Generalsekretär der Industriellenvereinigung Fritz eine dazu sehr deutlich im Widerspruch stehende Botschaft, nämlich dass man daran denkt, die Wasserversorgung in Österreich zu zentralisieren, sie auf zehn große Einheiten zusammenzu­ziehen und damit sehr gut funktionierende dezentrale kleine Einheiten, Wassergenossenschaf­ten zu zerschlagen. (Abg. Mag. Molterer: Das ist einfach falsch! Frau Kollegin, das stimmt nicht!)


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Sagen, was ist, heißt auch, über die Frage zu sprechen: Warum gibt es solche Schwierigkeiten mit dem GATS? – Das hat uns bei der letzte Woche abgehaltenen Enquete des Wirtschafts­ministeriums Peter Carl von der Europäischen Kommission erklärt: Das hängt damit zusammen, dass einerseits die Formulierungen zu technisch sind und andererseits die Globalisierungskriti­ker schuld sind an jenem Abgrund, der sich zwischen den Regierenden und der Bevölkerung auftut.

Das ist wieder so eine Geschichte, bei der ich mir denke: Hiob, schau herab! – Die schlechte Botschaft wird mit dem in Verbindung gebracht, der sie überbringt. Man möge also darauf achten, nicht der Hiob zu sein.

Jetzt wollte ich eigentlich noch etwas zu dem Freud’schen Versprecher von Frau Rauch-Kallat sagen – dieser wird wirklich in die Geschichte eingehen! (Ruf bei der ÖVP: Geh!)

Ich möchte meine Ausführungen abschließen, indem ich eine Lebensweisheit meiner Groß­mutter zitiere, die ich verworfen habe. Sie hat immer gesagt: Der Mann ist das Haupt und die Frau ist der Hals – und das Haupt muss sich dort hinwenden, wo der Hals es hindreht. – Ich meine aber: Ich möchte kein Hals sein, ich möchte auch ein Haupt sein! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Scheibner: Aber es gibt nur einen Haupt, und das ist unser Vizekanzler; das ist das Problem!)

18.02


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rosenkranz. Gleiche Redezeit. – Bitte.

18.02


Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bun­desregierung! Hohes Haus! Der Satz, dass diese Regierung den Menschen nichts vorgaukelt, sondern die Dinge beim Namen nennt, ist ein sehr guter Satz, und er ist ja auch schon sehr oft zitiert worden. Er ist auch deshalb gut, weil das in der Vergangenheit nicht jede Regierung so gehalten hat. Wäre es nämlich so gewesen, dann hätte man im vorigen Jahrzehnt nicht im Zuge von Wahlkämpfen „Pensionistenbriefe“ versandt, sondern man hätte die Pensionsreform – die schon damals notwendig gewesen wäre – in Angriff genommen.

Dass diese Regierung es mit diesem Grundsatz ernst meint, daran kann kein Zweifel bestehen, und das tut im Hinblick auf das Pensionssystem auch Not. Es tut Not, dass dies jetzt wirklich mit Ernsthaftigkeit angegangen wird. Das vermisse ich bei der Opposition ein bisschen. Jede Regierung hätte das jetzt angehen müssen! Einerseits fehlt bei manchen diesbezüglich offenbar die Einsicht, und bei anderen tritt, wenn Sie an diese Frage herangehen, eine sehr große Leich­tigkeit zutage. Wenn ich Klubobmann Dr. Cap zuhöre, dann muss ich feststellen: Seine Ausfüh­rungen sind zwar sehr kurzweilig und auch von einer großen eloquenten Leichtigkeit – vor 25 Jahren hätte ich das im Zuge eines ÖH-Wahlkampfes sicher sehr genossen –, aber man merkt doch, dass es dabei ein bisschen an Bodenhaftung fehlt und dass da doch mit eher wenig Ernst an diese Sache herangegangen wird. Genau das ist es aber, was man in dieser schwierigen Lage brauchen wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Faktum ist, dass wegen des Rückgangs des erwerbsfähigen Bevölkerungsanteils die Pensionen nicht mehr gesichert sind, wenn in diesem Bereich nicht etwas geschieht. Faktum ist, dass das an sich erfreuliche Ansteigen der Lebenserwartung dieses Problem noch verschärft. Faktum ist weiters, dass der Kindermangel, den wir seit Jahrzehnten zu verzeichnen haben, die Ursache dieser Krise ist. Faktum ist auch, dass sich der banale Satz, dass es für die Alterssicherheit Kinder braucht, bewahrheitet.

Damit komme ich auf die Eltern dieser Kinder zu sprechen, auf die Frauen und auch Männer – von diesen sind es eher noch wenige –, die mit der Übernahme der Aufgabe der Erziehung eine gesellschaftliche Aufgabe übernehmen, die im Interesse der Sicherung der Pensionen aller unverzichtbar ist, die aber damit – und das ist eigentlich ein Paradoxon und zeigt auch die Schieflage des Systems – ihre individuellen Chancen auf Alterssicherheit massiv schwächen. Man muss es ganz deutlich sagen: Wenn sich jemand im Interesse des Systems verhält und


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Kinder hat, dann schmälert er damit seine individuellen Chancen, selbst Sicherheit aus diesem System zu erlangen.

Das ist eine Schieflage, die auf einem Konstruktionsfehler beruht und von Anfang an bestanden hat. Man hat von Seiten der Wissenschaft verschiedentlich darauf hingewiesen. Früher hieß es jedoch: Kinder bekommen die Leute sowieso. – Das war evident falsch. Diese Schieflage ist etwas, was schon seit langem besteht und was man auch hätte korrigieren können. 30 Jahre lang wurde die Sozialpolitik hier vor allem von der Sozialdemokratischen Partei gemacht, und es ist betrüblich, dass man nach 30 Jahren von Altersarmut und vor allem von der Armut ge­schiedener Frauen, die dann wirklich nur mehr von der Sozialhilfe leben können, sprechen muss.

Es ist nicht richtig, dass Sie den Reformansatz der Regierung beklagen. Sie sollten vielmehr Ihr eigenes Versagen und Ihre Versäumnisse während der letzten 30 Jahre beklagen, denn gäbe es diese nicht, dann wäre es heute gar nicht notwendig, dass es in diesem Bereich zu ent­scheidenden Reformen kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es war die vorige Regierung, die in diesem Zusammenhang einen Paradigmenwechsel vollzo­gen hat, indem Erziehungszeiten pensionsbegründend angerechnet werden. Es wird auch in diesem Regierungsprogramm ein weiterer Schritt in die richtige Richtung gesetzt, indem diese Zeiten von 18 auf 24 Monate ausgedehnt werden.

Aber es stimmt schon: Wenn es zu einer Ausdehnung des Durchrechnungszeitraums auf die gesamte Lebensarbeitszeit kommt, dann muss man darauf achten, dass nicht gerade jene Frauen, die auf Grund der Erziehung von Kindern – sozusagen Gott sei Dank – eine lücken­hafte Biographie haben, dann noch weiter in ihrer Alterssicherheit beeinträchtigt werden.

Ich kann Ihnen versichern, dass, so wie – das konnte man soeben im noch druckfrischen „Kurier“ lesen – Fritz Neugebauer für sich die Vertretung des öffentlichen Dienstes als ganz zentrales Anliegen bezeichnet, das über jeden Klubzwang hinausgeht, wir als Freiheitliche die Vertretung jener Frauen und Männer, die ihre Familienaufgaben wahrnehmen, in den Mittel­punkt unserer Arbeit stellen.

Fair und gerecht soll die vor uns liegende Pensionsreform sein. Sie wird es auch sein, denn an­sonsten könnte sie niemals nachhaltig sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.06


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt als nächster Redner Herr Abgeordneter Parni­goni. – Bitte.

18.07


Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich möchte gleich vorweg sagen, dass wir Sozialdemokraten bereit sind, echte Reformen mitzutragen. Wir sind vor allem auch dort, wo es Sinn macht, bereit, bei einer Verfassungsänderung einen Bei­trag zu leisten. Wenn etwa Rechnungshofpräsident Fiedler meint, man müsste eine klare Aufga­bentrennung zwischen Bund und Ländern herbeiführen, dann sind wir bereit, darüber zu reden. Auch wenn die ÖVP beziehungsweise der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung die Absicht zum Ausdruck bringt, die mittelbare Bundesverwaltung abzuschaffen, sind wir ge­sprächsbereit. Wir sind auch dann gesprächsbereit, wenn es darum gehen könnte, die mehr als einhundert Sicherheitsbehörden in diesem Land effizient und Kosten sparend neu zu gestalten. Auch da könnten wir uns vorstellen, dass wir bereit sind, mitzuarbeiten.

Ich habe aber leider das Gefühl beziehungsweise bin davon überzeugt, dass, so wie die Ände­rungen vom Innenminister derzeit vorbereitet werden, Schlimmes auf uns zukommen wird. Statt konkreten Konzepten dominieren Überschriften. Man wirft in dieser Regierungserklärung, in diesem Regierungsprogramm der Bevölkerung Brocken hin, wie etwa die Verschmelzung tradi­tioneller Wachkörper, macht sich aber nicht die Mühe, etwas näher ins Detail zu gehen. Konkrete Angaben dazu bleibt der Innenminister der Öffentlichkeit ganz einfach schuldig.


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Meine Damen und Herren! Es wird daher bei Organisationsmaßnahmen, bei Reförmchen blei­ben – es wird nicht zu großen Strukturveränderungen und -reformen kommen. All die Maßnah­men, die gesetzt werden, werden dazu führen, dass man das Umbesetzungsspielchen weiter betreiben kann. Das Umbesetzungs- und Umfärbelungspotential des Innenministers wird weiter ausgelebt – es begleitet ihn ja wie ein dunkler Schatten.

Über die Problematik betreffend den Gendarmeriegeneral Strohmeyer wurde heute bereits ge­sprochen. Lieber Kollege Schöls! Dir als Gewerkschafter darf ich sagen: Er hat sich den Luxus herausgenommen, eine eigene Meinung zu haben – schwups! –, plötzlich war er nicht mehr Gendarmeriegeneral, sondern Leiter der Flugpolizei. Er hat ein Weiteres getan: Er hat sich herausgenommen, hat sein Grundrecht wahrgenommen, seine Meinung frei zu äußern, und hat für die SPÖ für den Nationalrat kandidiert – schwups! –, schon war er einfacher Polizist, nicht mehr Leiter der Flugpolizei. – Das ist der Umgang, den Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, mit Ihren Mitarbeitern in den Ministerien pflegen, und das ist wirklich eine Schweinerei, glauben Sie mir das! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Wittauer. – Abg. Schöls: „Schweinerei“ ...!)

Das ist kein Anlass zu einem Ordnungsruf. Mir würde noch Schlimmeres einfallen, glaube mir das, lieber Alfred! (Abg. Mag. Molterer: Das ist aber eine gefährliche Drohung!)

Meine Damen und Herren! Die Mühlen der Gerichte, der Justiz mahlen langsam – aber sie mahlen. Daher kann ich Ihnen sagen, dass bereits jetzt eine Reihe von fragwürdigen Entschei­dungen als rechtswidrig erkannt worden sind. Die Berufungskommission hat gerade in Nieder­österreich festgestellt, dass drei Offiziere zu Unrecht von ihren Ämtern abberufen worden sind. Das zeigt doch, dass viele dieser Maßnahmen nicht korrekt über die Bühne gegangen sind, dass Sie hier nur aus parteipolitischen Motiven Handlungen gesetzt haben.

Viele Überlegungen und viele wichtige Fragen waren Ihnen in Ihrem Regierungsprogramm nicht einmal eine Überschrift wert, zum Beispiel die Problematik der privaten Sicherheitsdienste: Da muss es in der Zukunft Maßnahmen geben! Was tun Sie, damit der Datenschutz gewährleistet ist? – Da ist eine Änderung des Meldegesetzes dringendst vonnöten.

Meine Damen und Herren! Zum Zivildienst ist Ihnen auch nichts eingefallen. Vom Verteidi­gungsminister wird die Verkürzung der Wehrzeit angedacht. Was aber wird im Bereich des Zivildienstes geschehen? – Kein Wort zu dieser Materie! Faktum ist, dass es in diesem Bereich ein Chaos gibt: Es gibt Tausende Beschwerden junger Zivildiener über mangelnde Verpflegung. Viele warten noch darauf, dass ihnen als Ergebnis des Verfahrens die Geldbeträge überwiesen werden, die ihnen widerrechtlich vorenthalten worden sind. Meine Damen und Herren, so kann das nicht sein!

Dass Sie es sich im Asylwesen mit den NGOs angelegt haben, zeigt ja die Aussage von Caritasdirektor Landau, der gesagt hat – ich zitiere –:

Es ist „einfach nicht zu glauben, dass hier ein verantwortlicher Politiker, der auch immer wieder auf seine christlichen Wurzeln verweist, selbst Präsident einer NGO ist, letztlich offensichtlich aus Gekränktheit – ... – Entscheidungen trifft, die auf Kosten von Menschen gehen“.

Meine Damen und Herren! Eine solche Vorgangsweise lehnen wir ab! Sie haben keine substan­tiellen Verbesserungen im Auge.


Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Parnigoni! Erstens ist Ihre Redezeit zu Ende, und zwei­tens wäre es für das Klima im Haus gut, wenn Sie zu dem Ausdruck „Schweinerei“ noch eine Bemerkung machen und diesen Ausdruck zurücknehmen würden.


Abgeordneter Rudolf Parnigoni (fortsetzend): Ich werde eine Bemerkung dazu machen, Herr Präsident.


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Ich halte fest (Abg. Wittauer: Herr Präsident! Ich bin auch unterbrochen worden!): Die SPÖ wäre zu einer großen Reformpartnerschaft bereit gewesen. Der ÖVP fehlte der Mut dazu. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wittauer.)

Meine Damen und Herren! Ich nehme den Ausdruck „Schweinerei“ zurück, aber es war das trotzdem eine Vorgangsweise, die zu jeglichen Menschenrechten im Widerspruch gestanden ist. Der Minister handelt gegen die Menschenrechte! (Beifall bei der SPÖ.)

18.12


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Rasin­ger. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

18.13


Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Viele mag die Kombination Frauen und Gesundheit überrascht haben. In Wahrheit handelt es sich bei diesem Bereich um eine der spannendsten Zukunftsaufgaben und eine der interessantesten Kombinationen, die ich in den letzten Jahren gesehen habe.

Gesundheitswesen ist weiblich, muss ich als Arzt sagen: 80 Prozent der Beschäftigten im Ge­sundheitswesen sind Frauen. Bei den Ärzten – sie hinken diesbezüglich ein wenig nach – sind es mittlerweile schon über 50 Prozent.

Zweitens: Die Hauptbenützer des Gesundheitswesens sind Frauen. Frauen sorgen sich mehr um ihre Gesundheit, Frauen werden älter und müssen daher das Gesundheitswesen öfter in Anspruch nehmen, und – was ganz wichtig ist – Frauen motivieren oft die Männer dazu, über­haupt zum Arzt zu gehen und auf ihre Gesundheit zu achten.

Die Kombination von Frauen und Gesundheit ist meiner Meinung nach also eine sehr ideale.

Ich finde es auch sehr gut, dass dieses Ministerium mit Maria Rauch-Kallat besetzt werden darf. Ich kenne sie schon sehr lange, und sie hat im Sozialen Hilfswerk in Wien Bahnbrechendes ge­leistet. Dieses Soziale Hilfswerk hat Menschen, die sich nicht selbst helfen konnten, Menschen, die benachteiligt waren, geholfen, und zwar in der Weise, dass man Hilfe zur Selbsthilfe geleis­tet hat, aber auch Hilfe gegeben hat, wenn sie gebraucht wurde.

Besonders hervorheben möchte ich die Nachbarschaftszentren, weil diese auch eine Schiene darstellen, die in Zukunft immer wichtiger sein wird. In einem Leben, das immer einsamer wird, spielt, so meine ich, neben der Gesundheit, neben der Versorgung als solcher der Umstand eine große Rolle, dass diese Versorgung überhaupt ankommt, dass jemand überhaupt mit einem redet oder Hilfe leistet. Diese Nachbarschaftszentren waren ein ideales Beispiel für eine Einrichtung, in deren Rahmen jene Menschen, die Hilfe geben wollten, diese Hilfe jenen, die Hilfe benötigten, unter professioneller Aufsicht und Mithilfe geben konnten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Was mir als Hausarzt sehr wesentlich erscheint: Als Mutter einer schwer sehbehinderten Toch­ter hast du, liebe Maria Rauch-Kallat, alle Höhen und Tiefen einer Patienten- und Angehörigen­karriere mitgemacht, und ich glaube, es ist auch ganz wesentlich, dass man als Ministerin niemals die Bodenhaftung verliert.

Ein offenes Wort auch zu den Selbstbehalten: Es ist dies weltweit ein heikles Thema. Ich kenne kein Gesundheitssystem der Welt, das ohne Selbstbehalte auskommt. In Österreich wird ein Erlös in der Höhe von etwa 1 Milliarde € – bei einem Gesamtbudget der Kassen von 10,8 Mil­liarden € – daraus aufgebracht. Hätten wir diese Milliarde nicht, müssten wir viele Leistungen überhaupt streichen, und das würde einen hundertprozentigen Selbstbehalt bedeuten. Deshalb stand – folgerichtig – auch unter SPÖ-Regierungen immer außer Streit, dass es Selbstbehalte gibt, und man hat diese Selbstbehalte immer irgendwie sozial gerecht zu gestalten versucht.


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Was wir jetzt wollen, ist Folgendes: Wir wollen erstens den Wirrwarr ordnen. Es ist oft sogar für Insider nicht ganz durchschaubar, wer was wann wo bezahlt.

Zweitens: Neu ist, dass wir die Selbstbehalte sozial gerechter gestalten und deshalb auch mit einer sozialen Obergrenze versehen wollen. Warum? – 20 Prozent der Menschen beziehen 80 Prozent der Leistungen, und das sind meistens chronisch Kranke, Ältere, wieder Frauen und wieder Personen mit kleinen Einkommen. Ich glaube, da soll man hinschauen, da soll man nicht wegschauen!

Wenn jemand eine Familie hat, in der es mehrere chronisch Kranke gibt, oder das Schicksal hat, zum Beispiel einen Mucoviscidose-Patienten zu haben, der viele kleine Einzelleistungen braucht, und knapp über diesen Einkommensgrenzen liegt, der kommt dran! Da haben wir bis­her nicht hingeschaut, und ich glaube, Maria Rauch-Kallat wird sehr wohl dort hinschauen, denn Krankheit darf nicht zur Armutsfalle werden! Zumindest unter der Regierung der ÖVP werden wir Patienten nicht bestrafen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Scheibner.)

Wichtig scheint mir auch zu sein, dass Gesundheitspolitik Ziele braucht. Genauso wie es einen Generalverkehrsplan gibt, in dem festgelegt ist, wo eine Autobahn hingebaut wird und wo eine Hochleistungsstrecke errichtet wird, so braucht auch die Gesundheitspolitik Ziele.

Eines der wesentlichsten Ziele wird sein, dass wir für die Vorsorge mehr tun wollen, weil das edelste Ziel darin besteht, dass ein Mensch gar nicht erst krank wird. Wir müssen also neben der Reparaturmedizin jene Schiene ausbauen, bei der es um die Erhaltung der Gesundheit geht. 25 Prozent weniger Herzinfarkttote, 25 Prozent weniger Schlaganfalltote, 25 Prozent weni­ger Krebstote – dieses Ziel ist erreichbar, wenn wir uns bemühen und wenn wir die richtigen Maßnahmen setzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Als Arzt kann ich nur unterstreichen, was Bundeskanzler Schüssel heute gesagt hat: Das Ge­sundheitswesen soll höchstwertige Leistungen bieten, und diese sollen allen, unabhängig von Alter und Einkommen, offen stehen. Bedenken Sie alle, dass Sie von einer Sekunde auf die andere todkrank sein können! Wenn Sie dann kein gutes System haben, werden Sie sich bitter beklagen. Dann werden Sie vielleicht, so wie in England, ein Jahr lang auf ein Spitalsbett warten oder auf eine Operation, die nie durchgeführt wird, oder Sie werden sterben, während Sie auf der Warteliste stehen.

Deshalb bin ich froh darüber, dass wir klar für die Gesundheit Stellung bezogen haben und dass wir eine Ministerin haben, die über das notwendige Engagement verfügt, die aber auch das Herz hat, das es für diese Politik braucht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.18


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

18.18


Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Zu Beginn meiner Rede möchte ich den Entschließungsantrag einbringen, den Kollege Kogler zum Schluss nicht mehr untergebracht hat. Er hat ja in klaren Worten dar­gelegt, dass die Anschaffung dieser Abfangjäger nicht nur militärpolitisch nicht sinnvoll ist, son­dern auch finanziell in der gegenwärtigen Situation nicht mitgetragen werden kann.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend umgehender Abbruch der Abfangjäger-Beschaffung


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Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Beschaffungsvorgang für den Ankauf von Abfang­jägern umgehend abzubrechen.

*****

Ich komme nunmehr auf das Kapitel Bildung zu sprechen und möchte auf das eingehen, was in den letzten Tagen von Frau Bildungsministerin Gehrer eingebracht und in der Folge ziemlich in­tensiv diskutiert worden ist, nämlich dass die Schüler und Schülerinnen in Österreich entlastet werden sollen, und zwar über eine Reduktion der Zahl der Unterrichtsstunden.

Dies ist eine Forderung, die die Grünen seit einiger Zeit ebenfalls eingebracht haben, wobei dies allerdings in Form eines Strukturwandels im österreichischen Bildungssystem erfolgen sollte.

Ich habe eine interessante Äußerung der Bildungsministerin Gehrer aus dem Wahlkampf gefun­den – vom 28. Oktober 2002, das ist noch gar nicht so lange her. Damals sprach sich Gehrer in einem APA-Interview gegen eine Kürzung der Stundenzahl an den Schulen aus und sagte unter anderem, dass es dabei auch um Wiederholungen gehe. – Vor vier Monaten hat sie also noch gemeint, eine solche Stundenkürzung komme für sie nicht in Frage!

Was ich damit ausdrücken will, ist, dass es offenbar unterschiedliche Zugänge dazu gibt. Bei uns Grünen ist es nicht darum gegangen, eine Strukturreform im Bildungssystem als Kosten­einsparungsmodell zu sehen, sondern wir sind wirklich der Meinung, dass sich andere Bildungs­systeme, die auf einer geringeren Anzahl von so genannten Normalunterrichtsstunden und dafür auf einer wesentlich höheren Anzahl an Fördermaßnahmen aufbauen, besser entwickelt haben. Man sieht das, wenn man nach Finnland schaut – die haben genau so ein Modell –: weniger Normalunterrichtsstunden, dafür relativ viele Mittel für individuelle Förderungen, für die Förderung von Schwächeren.

Nun: Die Frau Bildungsministerin hat von einer „Bildungsmilliarde“ gesprochen, von 72 Millio­nen €. – Ich habe sie im Regierungsprogramm nicht gefunden. Ich weiß, dass es sehr intensive Diskussionen gegeben hat, in denen wir auf dieser Bildungsmilliarde bestanden haben. Im Regierungsprogramm steht sie nicht, und ich wäre sehr gespannt, ob auch Minister Grasser, der offenbar wieder beim Geldsuchen ist, dieses Geld irgendwo wird auftreiben können, um hier entsprechende Maßnahmen zu ermöglichen.

Ich kann nur sagen: Die alleinige Kürzung der Stundenzahl als reines Einsparungsmodell – unter anderem weil, wie uns schon in den letzten Jahren immer wieder gesagt wurde und wie es auch im Regierungsprogramm angesprochen wird, der Struktureffekt eingespart werden müsse; dabei geht es um eine Größenordnung von 300 Millionen € in dieser Legislaturperiode – wird mit Sicherheit nicht die Probleme des österreichischen Schulsystems lösen. Wenn es nicht endlich dazu kommt, dass Maßnahmen gesetzt und Förderungen ermöglicht werden, dann wird es nicht gelingen, die Probleme, die die PISA-Studie aufgezeigt hat, in Österreich nachhaltig zu verbessern.

Diese Probleme lassen sich beim Namen nennen; zumindest im Bildungsbereich wird man den Grünen nicht vorwerfen können, dass man dieses Regierungsprogramm mittragen müsse, weil es ja so identisch sei.

Es gibt drei Dinge, die die PISA-Studie sehr klar benannt hat: erstens das Problem der sozialen Segregation in Österreich, zweitens das Problem bei MigrantInnen und letztlich drittens auch das Problem bei Mädchen in den Mädchen-Förderungsmaßnahmen. Zu allen drei Bereichen haben wir in den Gesprächen versucht, Punkte einzubringen. – Zu allen drei Bereichen sind sie herausgefallen, es ist schlicht und einfach nichts übrig geblieben.


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Die PISA-Studie benennt 14 Prozent der österreichischen Schülerinnen und Schüler am Ende der Schulpflicht mit extremen Leseschwächen, 4 Prozent werden de facto als sekundäre An­alphabeten bezeichnet. 4 Prozent in einem Land wie Österreich! Es gab die Zielsetzung, diesen Anteil mindestens um die Hälfte zu reduzieren. – Kein Wort dazu im Regierungsüberein­kommen, kein Wort zu den Maßnahmen.

Hinsichtlich der sozialen Problematik war klar, dass man in den Ballungsräumen Schulversuche ermöglichen soll, dass es möglich sein soll, zumindest über Schulversuche zu mehr Kooperatio­nen zu kommen. – Kein Wort dazu im Regierungsübereinkommen.

Die Mädchenförderung ist drastisch reduziert worden. – Es ist bei weitem nicht das übrig geblie­ben, was wir wollten.

Letztlich ein Punkt, den auch Frau Ministerin Gehrer gegenüber der Presse angekündigt hat; sie selbst hat gesagt, wir hätten uns über die Erhöhung der Mittel für Alternativschulen geeinigt. – Ich brauche hier wohl nicht zum Ausdruck zu bringen, dass auch das aus dem Regierungs­übereinkommen gefallen ist. Daran hatte die FPÖ wahrscheinlich wenig Interesse.

In Summe: Das ist ein Regierungsprogramm im Schulbereich, im Bildungsbereich, bei dem ich überhaupt nichts an Innovation erkennen kann, bei dem das, was schwierig, aber doch erreich­bar gewesen wäre, herausgefallen ist. Angesichts dessen muss ich sagen: Ich bin sehr froh, dass wir dieses Programm nicht mittragen müssen! (Beifall bei den Grünen.)

18.23


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, den Herr Abgeordneter Brosz vorge­tragen hat, ist ordnungsgemäß unterfertigt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Abgeordneter Bucher. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

18.24


Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Herr Präsident! Verehrte Mitglieder der Bundes­regierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte versuchen, aus der Sicht eines Unternehmers, aus der wirtschaftspolitischen Sicht dieses vorliegende Regie­rungsprogramm kurz zu interpretieren und zu erläutern.

Ich finde, dass das Herzstück dieses Regierungsprogramms nach wie vor die finanzpolitischen Hintergründe sind, und zwar ein ausgeglichenes öffentliches Budget, ein ausgeglichener öffent­licher Haushalt, das Herunterdrücken der Steuerquote auf 43 Prozent bis zum Jahr 2006 und die Abdeckung des Schuldenstandes.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus natürlichen Überlegungen kann man nicht gegen diese engagierten Zielsetzungen sein; aus natürlichen Überlegungen und aus wirtschaftspoliti­schen Überlegungen ist es bemerkenswert und unterstützenswert, dass die Bundesregierung diesen Schritt gesetzt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Besonders deutlich gemacht wird der Konsolidierungserfolg der letzten Bundesregierung durch den Rechnungshofbericht für das Jahr 2001, laut welchem es – und ich habe mir das extra her­ausgeschrieben, Herr Kollege Kogler – der alten Bundesregierung gelungen ist, einen großen Schuldenabbau zustande zu bringen. Es gab im Jahr 1995 ein Minus – ich sage es in Schilling, weil das etwas dramatischer klingt – von 122 Milliarden Schilling, und die Bundesregierung hat es geschafft, im Jahr 2001 einen Primärüberschuss in der Größenordnung von 4,5 Milliarden Schilling – in Euro sind das 0,33 Milliarden € – zu erreichen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FPÖ hat immer den Grundsatz vertreten: Zuerst sanieren und dann entlasten! Dieses Regierungsprogramm könnte man mit folgendem Satz um­schreiben: Was lange währt, wird endlich gut. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)


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Es ist richtig, was sehr viele heute schon angemerkt haben: Dieses Regierungsprogramm ent­hält zentrale, elementare freiheitliche Forderungen, wie etwa die erste Etappe der Steuerreform schon im Jahre 2004, die zu einer Entlastung in der Höhe von 600 Millionen € führen wird, die die wirtschaftliche Situation unseres Landes berücksichtigt und mit der offensive Anstrengungen unternommen werden, um die wirtschaftliche Situation zu verbessern.

Es ist ja abenteuerlich, wie sich, wenn man heute den Plenartag mitverfolgt hat, die Arbeits­losenrate in Deutschland quasi stündlich im Vergleich zur Volkswirtschaft in Österreich ver­schlechtert hat. Da spricht Herr Stummvoll von 4 Millionen Arbeitslosen, Herr Minister Grasser von 4,5 Millionen Arbeitslosen und richtigerweise Herr Minister Bartenstein von 4,7 Millionen Arbeitslosen bei unserem wichtigsten Handelspartner Deutschland. Das ist eine dramatische Entwicklung, der wir mit diesem Regierungsprogramm offensiv gegensteuern.

Freiheitliche Handschrift heißt: Statt Arbeitslosigkeit fördern wir die Arbeit in diesem Land! Das kommt mit der Maßnahme zum Ausdruck, dass wir ein steuerfreies Jahres-Bruttoeinkommen von bis zu 14 500 € in Österreich einführen werden. Das entlastet die unteren und mittleren Ein­kommensbezieher, erhöht die Kaufkraft und wird für Nachfrage und Konjunkturanreize in diesem Land Sorge tragen.

Die Förderung der Eigenkapitalbildung ist schon seit vielen Jahrzehnten eine Forderung der österreichischen Unternehmer. Endlich wird sie mit der Senkung des Steuersatzes auf mehr als 50 Prozent für nicht entnommene Gewinne wahr gemacht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Als – ich würde es so sagen – letztes Relikt aus der sozialistischen Ära wird die 13. Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung gestrichen – eine Maßnahme, die nun der Wirtschaft zugute kommen und für mehr Wachstum in unserem Land sorgen wird.

Die Forschung und Entwicklung ist einer der wesentlichsten Bereiche, der sicherstellt, dass Arbeitsplätze geschaffen werden und dass künftighin auch das Bruttoinlandsprodukt steigt. Ich habe anhand dieser Studie noch einmal unter Beweis zu stellen versucht (der Redner hält eine Graphik in die Höhe), dass durch die stetige Fortentwicklung und Aufwertung der Mittel für For­schung und Entwicklung gewährleistet ist, dass auch genügend Geld in die Forschung und Ent­wicklung fließt und damit auch die Wirtschaft in unserem Land in eine sehr gute Zukunft gehen kann. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.29


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Jaro­lim. Gleiche Redezeit. – Bitte.

18.29


Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Justiz­minister! Meine Damen und Herren! Ich werde mich auf Grund der vorgeschrittenen Zeit kurz fassen.

Ich habe die Rede der Kollegin Rest-Hinterseer vorhin mit Amüsement verfolgt. Vieles von dem, was sie gesagt hat, finde ich richtig. Ich denke, die Regierung und den Bundeskanzler mit dem gesunkenen Öltanker vor Galizien zu vergleichen, das hat schon etwas für sich. Wenn ich die Erklärung von Herrn Parteiobmann Bundeskanzler Schüssel hernehme, dann stelle ich fest: Es ist irgendwie statthaft, diese Regierung mit dem vor der Küste Galiziens gesunkenen Öltanker zu vergleichen, der „Prestige“ heißt, am Meeresgrund liegt, Schaden verursacht und sonst eigentlich nichts. (Beifall bei der SPÖ.)

Der zweite Punkt, bei dem ich vielleicht eine ein klein wenig andere Sichtweise als Kollegin Rest-Hinterseer habe, ist folgender: Wir haben heute Minister Pröll erlebt. (Ruf bei der ÖVP: Ein guter Mann!) Sie hat ihn angegriffen. Ich denke, man muss bei einer Regierung auch ver­gleichen können. Ich muss ganz ehrlich sagen: Im Vergleich zum Bundeskanzler scheint er mir schon sehr seriös zu sein, meine Damen und Herren. Ich darf vielleicht Frau Rest-Hinterseer darum ersuchen, diese Unterschiede auch in der Bundesregierung ein klein wenig zu berück-


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sichtigen, weil ich glaube, dass es darauf ankommt, dass man schaut, wo denn in diesem Gesamtwerk vielleicht doch noch der eine oder der andere Lichtblick ist.

Ich komme jetzt zum Justizprogramm. Es ist auch da so: Es ist im Wesentlichen sehr un­ambitioniert, und in vielen Bereichen – leider Gottes, Herr Bundesminister – sehe ich die Hand­schrift der Unvernunft Ihres Koalitionspartners. Ich habe mir – wir haben ja schon einige Diskus­sionen darüber geführt – eigentlich erhofft, dass vieles von dem, was Sie uns in der letzten Legislaturperiode an Positivem versprochen haben, jetzt kommt. Ich würde sagen, dass es beim Jugendgerichtshof – da sind wir einig – eine sehr unerfreuliche Entwicklung gab. Warum sich die ÖVP da mehr oder weniger nicht dagegen gestellt hat, das verstehe ich nicht. Vielleicht kann man doch noch darüber reden, denn es gibt ja jetzt aus Ihrer Sicht das Konzept, die Jugendgerichtsbarkeit in ihrer Gesamtheit zu diskutieren. Ich glaube, man sollte das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, sondern das, was an Vernunft betreffend Jugendgerichtsbarkeit bestanden hat, das, was eigentlich dieses Segment in ganz Europa zum Vorbild gemacht hat, herausheben, ich glaube, man darf es nicht zerstören. Ich hoffe, dass es sich hier doch noch zum Besseren wendet.

Wenn ich mir allerdings den Punkt Strafbarkeit von Sozialbetrug anschaue und in Erinnerung rufe, dass über Jahre, nahezu Jahrzehnte seitens der Österreichischen Volkspartei gegen jeg­lichen Versuch, gegen das Schwarzunternehmertum vorzugehen, Sperrfeuer geschossen worden ist, und nun im Regierungsprogramm von „Strafbarkeit von Sozialbetrug“ die Rede ist (Bundesminister Dr. Böhmdorfer: Bei organisierter Schwarzarbeit!), dann muss ich sagen: Da verstehe ich nicht ganz, wie das gemeint ist, ob es sich da nicht vielleicht doch um die eine oder andere Verhöhnung handelt. Dass die Arbeitnehmer, die nichts verdienen, die über die Grenze kommen und hier versuchen, ihrer Not zu entkommen, jetzt bestraft werden, aber die Schwarz­unternehmer nach wie vor – ich verstehe Sie da nicht, meine Damen und Herren von der ÖVP – Ihre Gunst genießen und nicht wirklich verfolgt werden, wo man das wesentlich einfacher machen könnte, das versteht doch wirklich kein Mensch in diesem Land. Das ist auch eher ein sehr unseriöses Vorbringen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich glaube, Herr Bundesminister, dass Sie es ehrlich meinen, aber Sie müssen sich auch ge­meinsam mit jenen messen lassen, mit denen Sie in dieser Regierung – und auch in dieser Koalition – in einer Reihe stehen. Diese haben sich in der Vergangenheit – ich kann nur sagen: Das ist eine Erfahrung aus der großen Koalition – stets dagegen gesperrt. Das heißt, dass wir diese unzumutbaren Zustände auch den Damen und Herren von der ÖVP zu verdanken haben. Das muss hier einmal ausgesprochen werden.

Folgendes lassen Sie mich auch noch sagen, Herr Justizminister: Sie sagen immer, man müsste die Gesetze verbessern, man müsste auch die Strafen entsprechend verschärfen und die Strafdrohung erhöhen! Ich glaube – und wir haben das auch schon ausgesprochen –, dass das eigentlich gar nichts nützt. Genützt hätte es, wenn der Herr Innenminister zum Beispiel das getan hätte, was er hätte tun können, nämlich eine effiziente Politik umsetzen, die einer Verbes­serung der Kriminalitätsbekämpfung dient.

Es gibt in der letzten Zeit auf Grund seiner „großartigen“ Leistungen die höchste Kriminalitäts­quote bei gleichzeitig geringster Aufklärungsquote, meine Damen und Herren. Man muss es einmal zusammenbringen, innerhalb von drei Jahren einen derartigen Akt der Inkompetenz zu setzen! Das nimmt Herrn Minister Strasser niemand ab.

Ich komme aus der Leopoldstadt. Es war seine „Leistung“, das Kommissariat in der Leopold­stadt – so wie viele andere Kommissariate – zu schließen, in einem großen Bezirk, wo das Praterstadion ist, wo der Prater ist und wo die Messe stattfindet. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Da greift sich doch jeder auf den Kopf! Da kann ich nur sagen: Diesen Minister kann man wahrlich nicht mehr ernst neh­men – und damit eigentlich auch seine Politik nicht! – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Groß­ruck: Er heißt Ernst! – Abg. Scheibner: Er heißt aber so!)

18.34



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Stenographisches Protokoll
7. Sitzung / Seite 182

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Murauer. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

18.34


Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregie­rung! Meine Damen und Herren! Als Wehrsprecher der Österreichischen Volkspartei ist es natürlich erbauend, zu wissen, dass es eine Regierung gibt, die ein gutes Programm vorlegt und die die Sicherheit, den Frieden, die Stabilität und die Freiheit sehr hoch bewertet und entsprechend auch gewährleistet. Sie hat auch die dazu notwendigen Schritte in der letzten Legislaturperiode gesetzt und wird diese auch in dieser Legislaturperiode setzen.

Die bestehende Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin ist die Basis dafür, sie ist richtungwei­send für eine neue Aufgabendefinition für unser Bundesheer, für unser Militär. Nach der Risiko­analyse, welche Konflikte, welche Bedrohungen sich für unsere Bevölkerung darstellen, ist eine Doktrin beschlossen worden. Es wird eine Kommission von Fachleuten, von Experten einge­setzt, eine Kommission der Teilstrategie. Ich würde sie die neue Strategiekommission nennen, die die Aufgaben genau definiert und die unser Bundesheer nach der Sicherheits- und Verteidi­gungsdoktrin in die Lage versetzt, das Richtige zu tun – national und international! (Beifall bei der ÖVP.)

Es wird notwendig sein, dass unser Bundesheer in erster Linie für unser Land zum Schutz der Bevölkerung und für die Landesverteidigung entsprechend bereit ist. Zum Schutz der Einrich­tungen, zum Schutz der Werte und zum Schutz der Demokratie und selbstverständ­lich auch zum Schutz unserer Grenzen, aber auch gegen Katastrophen, die unser Land bedro­hen können, müssen wir gerüstet sein.

Dazu ist es notwendig, entsprechendes Gerät zur Verfügung zu haben, zu trainieren, auszubil­den und auch Zusammenarbeit und Synergien mit der zivilen Bevölkerung zu suchen. Natürlich ist damit auch die Weiterentwicklung des Grundwehrdienstes wichtig.

Ein zweiter wesentlicher Punkt ist, dass von der Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik auch der Schritt zur österreichischen Verteidigung und Sicherheit gemacht wird. Das heißt, die Sicherheit Europas ist auch die Sicherheit Österreichs. Wenn wir von Soli­darität mit allen unseren EU-Staaten reden, die in Zukunft 25 an der Zahl sein werden, und wir dabei Beistandsgarantie anstreben wollen, dann meinen wir damit, dass dies unserer Sicherheit dienen und nicht nur ein Schlagwort in Unterlagen und auf Papieren sein soll.

Wir werden ein Bereithaltemodell erarbeiten müssen, das im Rahmen internationaler Opera­tionen auch unsere Soldaten bereithält, um rasch und gemeinsam mit den anderen europäi­schen Staaten für den Frieden, für die Friedenserhaltung eintreten zu können.

Ein Drittes scheint mir ebenso wichtig zu sein, nämlich die geistige Haltung zur Landesverteidi­gung, die geistige Haltung unserer Bevölkerung zur Sicherheitspolitik. Diesbezüglich ist, so glaube ich, in der Vergangenheit nicht genug unternommen worden, ja ich würde fast meinen, es ist sogar versäumt worden, unsere Bevölkerung eindringlich darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig Sicherheitspolitik, wie wichtig Verteidigungspolitik ist. Hätten wir das gemacht, dann wäre es nämlich nicht zu jener unseligen Diskussion mit ihren populistischen Aussagen gekom­men, die wir jetzt leider Gottes haben.

Die Oppositionsparteien kommen in Bezug auf die Abfangjäger und die Luftraumsicherung immer wieder mit dem Argument, das da lautet: Um Gottes willen, alle Länder haben eine Luftraumüberwachung, wozu brauchen wir das in Österreich auch? – Ich meine: Wir müssen einmal von dieser Diskussion wegkommen! Die Bevölkerung und auch alle in diesem Hohen Haus vertretenen Parteien müssen wissen, dass es notwendig ist, alles zu tun, um die Sicher­heit unseres Landes und unserer Bevölkerung entsprechend zu gewährleisten – die Sicherheit zu Lande und in der Luft, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)


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7. Sitzung / Seite 183

Eine umfassende Sicherheitspolitik für unser Land ist auch die Basis für die wirtschaftliche Weiterentwicklung unseres Landes, ist die Basis für genug Arbeitskräfte, ist die Basis für soziale Stabilität.

Abschließend äußere ich einen Wunsch an die Opposition: Es möge uns doch gelingen, die Sicherheitspolitik, die Verteidigungspolitik aus dem Parteienstreit herauszuhalten! Dieses Thema ist viel zu sensibel, um mit den Argumenten der Vergangenheit Politik zu machen. (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.40


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

18.40


Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren in den Regierungssesseln! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ein Wunsch an die Opposition war das letzte Wort meines Vorredners – ein Wunsch an die Regierung darf wohl der Eingang meiner kurzen Darlegungen sein, und dieser Wunsch ist ein ganz einfacher, dieser Wunsch heißt: Bitte, drücken Sie Ihre Anliegen, die Sie in sehr rudimentärer Form auf 40 Seiten sehr mangelhaft und lückenhaft aneinander gereiht haben, zumindest in exaktem Deutsch aus!

Ein Beispiel: Mein Kollege kommt aus dem Sicherheitsbereich. Auf Seite 8 können Sie lesen: „Entlastung der Exekutive von artfremden Tätigkeiten“. – Was sind denn „artfremde Tätigkeiten“ von Exekutivbeamten? (Abg. Mag. Molterer: Verwaltungstätigkeiten!) Ich glaube, Exekutivbe­amte sind Menschen und nicht Arten, und Menschen haben das Anrecht, besonders wenn sie in der Exekutive tätig sind, dass sie in zentralen Einsatzbereichen unterstützt werden. An dieser Stelle möchte ich wirklich, vor allem angesichts der Ausführungen meines Vorredners und gerade vor dem Hintergrund des Sicherheitsgedankens, ein Bekenntnis zu der seriösen Arbeit unserer einsatzbereiten Exekutive abgeben, einer Arbeit, die sicherlich auch oft gefährlich ist. Da darf ich noch einmal darauf verweisen, dass gerade die Verkehrssicherheit ein Punkt ist, der heute in der Diskussion betreffend den Sicherheitsbereich noch viel zu wenig angesprochen worden ist.

Aber eigentlich möchte ich mich nicht auf diesen sozusagen körperlichen Sicherheitsbereich beschränken, sondern generell den finanzpolitischen Sicherheitsbereich ansprechen und hier auf eine andere sprachliche Besonderheit hinweisen, die eine Skurrilität darstellt. Auf einer anderen Seite, so glaube ich, können Sie lesen, dass der Finanzausgleich dafür sorgen soll, dass es einen – wie heißt es geschwind? – ausgabenorientierten „Bevölkerungsschlüssel“ (Staatssekretär Dr. Finz: Einen aufgabenorientierten!), ja genau, einen „aufgabenorientierten Bevölkerungsschlüssel“ geben soll. Glücklicherweise sind Sie, Herr Staatssekretär, als Experte hier anwesend. Erklären Sie mir einmal, was ein Bevölkerungsschlüssel ist! Normalerweise spricht man doch von einem Verteilungsschlüssel. Eigentlich sollte es doch im Finanzausgleich heißen: aufgaben- und einwohnerorientierter Verteilungsschlüssel, denn das wäre ein echter Reformansatz, staatspolitisch die Finanzen in eine Konstellation zu bringen, die uns insgesamt viele Mittel für wichtige Einsatzbereiche zur Verfügung ließe.

Sie wissen genauso wie ich – wir sind ja sozusagen schon länger am Werk –, dass der Schlüssel für die Gesundung – da verwende ich ein Vokabular aus Ihrem Bereich – der Staats­finanzen sicherlich in einer neuen Verteilung der Aufgaben und vor allem in einer Neuorganisa­tion, so muss ich korrekterweise sagen, und in einer aufgabenorientierten Finanzzuteilung liegt. Diesbezüglich haben wir noch viel zu wenig diskutiert, und da wird sich zeigen, welche Reform­kraft Sie haben.

Wir haben es schon in der letzten Legislaturperiode gemerkt, dass sich Ihre landespolitischen Machtzentren im Finanzausgleich immer wieder relativ schadlos gehalten haben – oft zu Lasten der Gemeinden, häufig auch zu Lasten des Bundes –, und ich bin neugierig, inwieweit der Ver­fassungskonvent, oder wie immer Sie das nennen wollen, hier endlich Abhilfe schaffen und eine neue Konstellation, eine gesetzliche Rahmenbedingung etablieren wird, die dazu führt, dass man beim Finanzausgleich endlich einsparen kann.


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7. Sitzung / Seite 184

Weil die Frau Ministerin Gehrer hinter mir sitzt, möchte ich sagen: Sie machten eine sehr mutige Ansage, Frau Ministerin, aber wie halten Sie es jetzt mit dem Landesschulrat? Ich habe Sie für Ihre Ansage bewundert, dass der Landesschulrat eingespart werden soll. Was steht denn jetzt in der Regierungserklärung? Was steht denn im Koalitionsübereinkommen? Ich sehe das Wort „Landesschulrat“ nicht mehr. (Abg. Großruck: Ist schon eingespart!) Ich sehe, dass nicht einmal der Bereich Einsparung in der Schulverwaltung oder Neukoordinierung der Schulverwal­tung angesprochen wird.

Frau Ministerin! Heute war schon einmal die Rede von Mut. Bitte zeigen Sie Mut, zeigen Sie ihn noch einmal, stellen Sie ihn unter Beweis, schaffen Sie die Landesschulratspräsidenten wirklich ab! (Bundesministerin Gehrer: Sie sollten es genauer lesen!) Sie kennen ja diese Institution aus Ihrer beruflichen Vergangenheit, viele Anwesende kennen sie auch, und man muss sagen: Das wäre ein symbolisches Beispiel dafür, wie Sie gerade im Bildungsbereich sinnvoll den Sparstift ansetzen und dann Mittel zur Verfügung stellen könnten für das, was unsere Jugendlichen wirklich brauchen, nämlich eine qualifizierte Ausbildung. (Abg. Großruck: Der Landesschulrat ist nicht der Präsident, Frau Kollegin!)

Zum Schluss noch, da Herr Minister Böhmdorfer gerade beim Verlassen der Regierungsbank ist: Herr Minister Böhmdorfer! Es steht zwar nicht direkt mit Finanzausgleich und neuer Aufga­benverteilung in Zusammenhang, aber eines möchte ich schon erklärt haben: Sie haben im Regierungsübereinkommen vermerkt, dass es eine Überprüfung des Verbandsklagerechts geben soll. (Bundesminister Dr. Böhmdorfer: Nein!) Lesen Sie es nach! (Bundesminister Dr. Böhmdorfer: Ich kenne es ja! Das steht mit keinem Wort drinnen!) Das ist ein Instrument für Ihre Tätigkeit gewesen, auch für die zukünftige Tätigkeit der Frau Staatssekretärin, das für den Konsumentenschutz sehr wichtig ist. Schauen Sie selber nach! – ich bringe es Ihnen dann. Diese Überprüfung hat womöglich zur Folge, dass diese Regelung wieder zurückgenommen wird, und diesen Rückschritt können wir nicht dulden, weder Sie noch ich! Schauen Sie sich das an! (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen zur Erinnerung an die Einhaltung der Rede­zeit.)

Das waren nur drei Beispiele, ich könnte noch einige andere wählen. Wir haben viel vor, nur: Sie sollten wirklich Mut beweisen – gesehen habe ich davon nichts! (Beifall bei den Grünen.)

18.46


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wattaul. – Bitte.

18.46


Abgeordneter Anton Wattaul (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Regierungsmitglie­der! Hohes Haus! Moderne Verkehrspolitik wurde unter FPÖ-Verkehrsministern erfolgreich ein­geleitet und wird unter Bundesminister Gorbach weitergeführt. Alle Verkehrsträger, Schiene, Straße, Wasserwege, haben ihre Berechtigung. Durch die Einführung des Generalverkehrspla­nes wird vernetzt gedacht und gehandelt. Das Road-Pricing ist auf Schiene. Mit der Einführung wird ein faires, gerechtes System installiert, das für die Zukunft auch Lenkungsmaßnahmen zu­lassen wird. Die Größe Europas verlangt aber auch, dass unsere Eisenbahnen auf moderne Füße gestellt werden. (Abg. Öllinger: Schienen, moderne Schienen!) Wir brauchen hier eine zukunftsträchtige Denkweise. Ich bin zuversichtlich, dass gerade Bundesminister Gorbach die Eisenbahn zu einem zukunftsorientierten und für den Bürger attraktiven Verkehrsmittel umge­stalten wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! In einem vereinten Europa ist es aber auch notwendig, gleiche Spielregeln für alle Europäer einzuführen. Durch das In-Kraft-Treten der EU-Fahrer­lizenz ist bereits ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung gelungen. Die Einführung der so genannten Black Box ist noch offen. Da bitte ich den Verkehrsminister, Druck zu machen, wir brauchen das im Sinne der Kontrolle. Nur durch länderübergreifende Regelungen und einheit­liche Kontrollen kann man ein modernes Europa lenken und gestalten. Die Wirtschaft verlangt Rahmenbedingungen, die für alle gleich sind. Das heißt, wettbewerbsverzerrende Gesetze gehören abgeschafft.


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7. Sitzung / Seite 185

Die Ökologisierung im Verkehr ist grundsätzlich richtig. Allerdings muss man aufpassen, dass dabei der Standort Österreich nicht benachteiligt wird. Ich nenne da nur Deutschland, Rot-Grün. Man sieht an diesem Beispiel, wie der Standort durch die Steuern auf Treibstoff benachteiligt wurde.

Ich bin davon überzeugt, dass Hubert Gorbach der richtige Mann an der Spitze des Verkehrs­ressorts ist; er wird seine Aufgabe gut machen.

Ich möchte abschließend noch Frau Gisela Wurm ansprechen, weil sie heute gesagt hat, es werde im Innenministerium umgefärbt: Umfärben bedeutet aber, dass etwas schon eine Farbe gehabt haben muss! – Und wenn Herr Einem sagt, über eine Gesetzgebungsperiode hinaus zu den­ken sei Nonsens, dann entlarvt sich die SPÖ wirklich und zeigt damit, wie sie in der Vergan­gen­heit Politik gemacht hat. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.49


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. – Bitte.

18.49


Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man sich das Regierungsprogramm darauf hin ansieht, wie sich die geplanten Maßnahmen der nächsten Jahre auf die österreichischen Familien und deren Lebenssituation auswirken werden, so kommt man nicht umhin, zu sehen, dass ein Generalangriff auf die Budgets der österreichi­schen Fami­lien geplant ist. Eine heute erschienene Wochenzeitung hat das meiner Meinung nach sehr treffend dargestellt: eine Familie, der man das letzte Hemd ausgezogen hat. (Die Rednerin zeigt eine Doppelseite eines Wochenmagazins.) Dieses Magazin ist zu dem Schluss gekommen, dass jede Familie in Österreich pro Jahr mit 3 310 € belastet wird. In dieser Summe ist netter­weise sogar schon eine vielleicht zu erwartende Steuerreform gegengerechnet.

Man darf nicht nur die Familienpolitik im engeren Sinn bewerten, denn die österreichischen Familien sind natürlich auch ganz massiv von den geplanten Änderungen im Pensionssystem, von den Selbstbehalten im Gesundheitsbereich und so weiter betroffen.

Von den familienpolitischen Maßnahmen im engeren Sinn möchte ich eine geplante Maßnahme als wirklich positiv, als Schritt in die richtige Richtung hervorheben, nämlich den ge­planten Rechtsanspruch auf Teilzeit, ein Anliegen, das der SPÖ seit vielen Jahren sehr wichtig ist. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Anspruch, nicht Rechtsanspruch, Frau Kollegin!) Ein Rechts­anspruch, ja. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Anspruch!) Anspruch? Also kein Rechts­an­spruch, ein Anspruch! Gut, damit haben Sie darauf hingewiesen – so kritisch wollte ich heute noch gar nicht sein –, dass einiges schon noch im Detail zu verhandeln sein wird, denn man muss da eine Situation schaffen, die es den Frauen wirklich möglich macht, diese familienpoli­tisch sehr wichtige Sache auch in Anspruch nehmen zu können.

Zudem hat Sie auch noch der Mut verlassen, weil es diese Regelung, die, wie Minister Barten­stein soeben berichtigt hat, nicht einmal einen Rechtsanspruch, sondern nur einen Anspruch darstellt, nur für Beschäftigte in Groß- und Mittelbetrieben geben wird. Das ist bedauerlich, weil die meisten Österreicherinnen und Österreicher in Kleinbetrieben beschäftigt sind. Außerdem wissen wir, dass Kleinbetriebe eigentlich die flexibleren sind.

Hinweisen möchte ich noch darauf, dass wir aus dieser Maßnahme keine Falle hinsichtlich der Auswirkung auf die spätere Pension machen dürfen, denn wenn es einerseits eine Lebens­durchrechnung geben soll und andererseits berechtigterweise Anreize geschaffen werden sollen, in einer wichtigen Lebensphase einen Schritt zurück in Richtung Teilzeit zu machen, dann könnte das für die Frauen später bei der Durchrechnung ein großes Minus bei der Pen­sionshöhe zur Folge haben. Ich denke und hoffe, dass die neue Frauenministerin – sie ist jetzt leider nicht anwesend – ein Auge darauf haben wird.


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7. Sitzung / Seite 186

Mutlos ist leider auch die Weiterentwicklung des Kindergeldes. Es wird nur von Evaluierung gesprochen. Sie haben sich nicht zu einer von vielen Frauen gewünschten Flexibilisierung des Kindergeldes durchringen können, etwa dergestalt, dass man das Kindergeld nicht nur in der Kleinkindphase in Anspruch nehmen, sondern es sich auch für spätere Lebensphasen aufhe­ben kann.

Das Gleiche gilt für die Kinderbetreuung. Auch in diesem Punkt fehlt ein mutiger Schritt. Sie haben sich nur dazu durchgerungen, auf die Länder einzuwirken. Meine Damen und Herren! Das ist zwar notwendig, aber es wären auch Anreize nötig gewesen, und dazu haben Sie sich nicht durchringen können, obwohl bekannt ist, dass in Österreich 100 000 Kinderbetreuungs­plätze fehlen. Sie stellen zwar den richtigen Befund – die Plätze fehlen vor allem in der Be­treuung von Kindern unter 3 Jahren und bei den Schulkindern –, aber zu den entsprechenden Maßnahmen konnten Sie sich nicht durchringen.

Was die Schulkinder betrifft, so bedauere ich, dass kein Schritt in Richtung Ganztagsschulen, kein Schritt in Richtung Ausbau ganztägiger Schulformen geplant ist – dies wäre nicht nur eine wichtige bildungspolitische, sondern auch eine wichtige familienpolitische Maßnahme. Ich hatte in den Sondierungsgesprächen mit Frau Ministerin Gehrer den Eindruck, dass sie das eigentlich auch einsieht. Leider gibt es aber jetzt keinen Schritt in diese Richtung, obwohl er besonders wichtig wäre.

Positiv möchte ich die Initiative in Richtung Schülerentlastung bewerten. Es war uns dies in der letzten Legislaturperiode ein besonders wichtiges Anliegen. Ich freue mich, Frau Ministerin, dass es gelungen ist, Sie von diesem Anliegen zu überzeugen, bezweifle allerdings, dass der von Ihnen vorgeschlagene Weg der richtige ist. Er riecht mir verdächtig nach einer geschmück­ten Einsparungsmaßnahme.

Wenn man sich die Vorschläge der Regierung zur Familienpolitik zusammenfassend ansieht – einerseits ist eine Verankerung der Familie in der Verfassung geplant, andererseits aber findet sich im Regierungsprogramm kein Wort über die Vielfalt der Lebensformen, über die Lebensbe­dingungen der AlleinerzieherInnen, über Lebensgemeinschaften –, so muss man fürchten, sehr geehrte Damen und Herren, dass ÖVP und Freiheitliche die Familienpolitik in den nächsten Jahren rein als Feld ideologischer Auseinandersetzungen nützen werden. Das ist schade! (Bei­fall bei der SPÖ.)

18.55


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Pro-Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. – Bitte.

18.55


Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Herren Bundesminister! Herren Staatssekretäre! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! (Zwi­schenruf des Abg. Dr. Jarolim.) Herr Kollege Jarolim kann seine Fragen dann im Couloir stel­len. Ich möchte ein paar Dinge richtig stellen, die im Lauf der Debatte zum Thema Forschung und Wissenschaft aufgetaucht sind.

Ich darf daran erinnern, dass es heute auch gute Nachrichten zu vermelden gibt. In der letzten Legislaturperiode unter der Regierung Schüssel I stiegen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf den höchsten je erreichten Wert. Man kann natürlich sagen, dass das immer noch nicht genug ist. Einverstanden! Aber immerhin war es das höchste je erreichte For­schungsbudget.

Erfreulich ist in diesem Zusammenhang auch die Quote, die den Anteil der diesbezüglichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung am BIP erkennen lässt, sie ist für 2001 und 2002 deutlich höher als erwartet und liegt bei zwei Prozent. Für das Studienjahr 2005/2006 ist eine Quote von 2,5 Prozent angestrebt, für das Jahr 2010 eine von 3 Prozent. Ich bin sicher, dass die Sondermittel in der Höhe von 600 Millionen €, die jetzt – über das übliche Verfahren, aller­dings mit einem direkteren Zugang – ausgeschüttet werden sollen, ein weiterer Impuls für For­schungsinvestitionen sein werden.


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7. Sitzung / Seite 187

Einige meiner Vorredner haben darüber gesprochen, wie es die Regierung bewerkstelligen werde, dass die Wirtschaft zu mehr Forschungsinvestitionen stimuliert werden könnte. Nun: Das neue Dienstrecht an den Universitäten mit seiner größeren Durchlässigkeit zwischen Universität und Wirtschaft wird sicher für die Wirtschaft, für die handelnden Personen motivierend wirken. Es wird damit das Bewusstsein, dass mit Technologie- und Forschungsinvestitionen Wirtschaft und Arbeit angekurbelt, Arbeitsplätze geschaffen werden, gestärkt. Sicherlich werden auch andere Steuerungsmaßnahmen wie die Änderung bei den nicht entnommenen Gewinnen einen anderen Zugang zu Forschungsinvestitionen bewirken.

Wenn man jedoch mit einer negativen Stimmung an diesen Bereich herangeht, wenn defensive Nachrichten verbreitet werden, wenn wir uns diesem Thema nicht stellen, dann dürfen wir auch nicht erwarten, dass die Wirtschaft ihrerseits ihre Forschungsinvestitionen steigert.

Was ist zu tun? Was sind die wichtigsten Maßnahmen für die nächsten Jahre? – Es geht zu­nächst um eine zuletzt mehrmals diskutierte Vereinfachung der Förderstrukturen. Die entspre­chende Diskussion ist eröffnet, aber noch nicht abgeschlossen. Ich bin ganz sicher, dass sie zu einem konstruktiven Ergebnis kommen wird.

Im Verhältnis zu anderen Modellnationen bezüglich Forschung und Entwicklung gilt es, strate­gische und operative Ebenen zu trennen und den Wissenszuwachs, also die neuen Erkennt­nisse, sowohl der Scientific Community als auch den Bürgerinnen und Bürgern zugänglich zu machen. Vieles von dem, was wir heute wissen, von dem wir in Diskussionen als sicher ausge­hen, kennen wir, weil Forscherinnen und Forscher auf diesem Gebiet gearbeitet und uns diese Erkenntnisse zugänglich gemacht haben.

Auf Basis des erfolgreich implementierten UG 2002 sind die Forschungsförderungsinstrumente an die europäischen Standards anzupassen, die wissenschaftliche, die inhaltliche Autonomie der Entscheidungen jedoch verbleibt selbstverständlich in den Institutionen. Das ist ganz wich­tig, weil damit Sicherheit geschaffen wird. Es ist nämlich notwendig, dass an Maßnahmen zur Effizienzsteigerung gearbeitet und trotzdem die Souveränität der wissenschaftlichen Entschei­dungen respektiert wird. Evaluierungen, Prüfungen durch den Rechnungshof sind nicht an sich schon eine Gefährdung der Freiheit der Forschung. Wir müssen die Ergebnisse diskutieren und daraus Maßnahmen ableiten.

Ich bin sehr froh darüber, dass das Regierungsprogramm auch einen Ausbau der Frauenförde­rung, das heißt, weitere Frauenförderungsmaßnahmen vorsieht. Frau Bundesministerin Gehrer bin ich sehr dankbar, weil sie sich in der letzten Zeit mehrfach und intensiv durch Taten statt durch Worte ausgezeichnet hat und dabei ist, diesen Weg fortzusetzen.

Ich freue mich, dass in den nächsten Tagen die Konzeption eines weiteren Frauenförderinstru­ments abgeschlossen wird, nämlich der Uni-Frauenbeirat. Expertinnen werden über die Imple­mentierung berichten, die weiteren Konsequenzen aus dem Universitätsgesetz werden disku­tiert und vorgestellt. Vizerektorin Moser von der Uni Wien hat sich dazu bereits sehr positiv geäußert. Das ist ein weiterer großer Schritt in der universitären Frauenpolitik.

Meine Damen und Herren! Ein Vorredner hat gesagt, die Zukunft, die ermöglicht werden solle, sei politisch nicht wirklich zu bewerkstelligen. Ich halte dem einen Ausspruch von Marie von Ebner-Eschenbach entgegen: „Was wir heute tun, entscheidet darüber, wie die Welt von morgen aussieht.“

Entscheiden und handeln wir also verantwortungsbewusst, damit Zukunft möglich ist! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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7. Sitzung / Seite 188

19.00


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mandak. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

Und Herr Kollege Prinzhorn hätte jetzt eigentlich den Vorsitz. (Heiterkeit.)

19.00


Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bun­deskanzler! Sie haben in der Regierungserklärung über die Familie gesprochen und dabei Folgendes gesagt:

„Den Familien ist bewusst ein Schwerpunkt unserer politischen Arbeit gewidmet. Unser größter Stolz, unsere größte Hoffnung sind die Kinder. Wir müssen daher alles tun, um ihre Lebenswelt liebevoll und chancenreich zu gestalten. Die Kinder brauchen Schutz und Unterstützung. 90 Prozent der Jugend sehen in einer intakten Familie das schönste Lebensziel. – Ich meine, wir haben die Aufgabe, sie zu diesem Lebensziel zu ermuntern und noch bessere Vorausset­zungen dafür zu schaffen.“ (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Herr Bundeskanzler! Das sind ja sehr schöne Worte – ich glaube, Prosa wurde das genannt – in einer allfälligen Regierungserklärung. Aber ich kann mir nicht vorstellen, Herr Bundeskanzler, dass das Ihre Antwort ist auf jene Probleme und Fragen, vor denen Familien derzeit stehen (Abg. Dr. Jarolim: O ja!), dass Sie sagen, 90 Prozent der Jugendlichen sehen in einer intakten Familie das schönste Lebensziel, das wollen Sie unterstützen und ihnen sagen: Ja, so ist es, macht weiter so!, bis eines Tages ein Knall kommt und sie in der Realität der Familie er­wachen. – Ich weiß nicht, welche Familien Sie kennen, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei den Grünen. – Bundeskanzler Dr. Schüssel: Es gab da eine Umfrage, Frau Abgeordnete! Das ist aus einer Umfrage zitiert!)

Das ist aus einer Umfrage zitiert, natürlich! Aber ich sehe es nicht als meinen politischen Auf­trag, hehre Visionen Jugendlicher noch zu bestärken, wenn ich genau weiß, wie die Realität aussieht. Es ist auch unsere Aufgabe, Herr Bundeskanzler, die Jugendlichen auf die Wirklich­keit, auf die Realität vorzubereiten (Abg. Dr. Jarolim: Das ist ja Realität ...!), und diese stellt sich einfach anders dar. Die Realität sieht nämlich so aus, dass es derzeit in Österreich 40 Scheidungen auf 100 Eheschließungen gibt, und zur Hälfte dieser Scheidungen kommt es nach weniger als neun Jahren Ehedauer. Es sind jedes Jahr 19 000 Kinder und Jugendliche, die hievon betroffen sind. Genau diese Kinder und Jugendlichen brauchen Antworten, sie brauchen Antworten in der Realität – und nicht eine Bekräftigung von Visionen allein.

Scheidung bedeutet für diese Kinder, für diese Jugendlichen: Trennung von einem Elternteil; das bedeutet neue Patchwork-Familien, neue Partnerschaften mit all ihren besonderen Heraus­forderungen und auch Problemen. Das heißt, die Erwachsenen, die Kinder und die Jugend­lichen brauchen Beratung, Unterstützung und gesetzliche Rahmenbedingungen, die auf diese geänderten Lebensbedingungen eingehen, die diese neuen Formen des Zusammenlebens be­rücksichtigen. Das ist es, was die Familien, die Kinder, die Jugendlichen brauchen – und nicht salbungsvolle Worte, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Jarolim.)

Scheidung bedeutet leider auch Armut. Es sind 57 000 Menschen in Österreich, die arbeiten und trotzdem nicht von dem Geld, das sie damit verdienen, leben können – die „working poor“, wie sie so schön genannt werden. In Wirklichkeit sind davon 178 000 Menschen im Land betrof­fen, das sind nämlich all jene, die mit diesen Menschen in einer Familie leben. Und wer ist am meisten betroffen? – Das ist nicht schwer zu erraten: Alleinerziehende, Mehrkinderfamilien und Familien von Migrantinnen und Migranten. Diese Betroffenen brauchen auch keine schönen Worte, sondern diese Betroffenen brauchen primär eine Grundsicherung, die ihnen das Über­leben ermöglicht, und zwar auf eine menschengerechte Art und Weise.

Die Betroffenen brauchen auch entsprechende Kinderbetreuungseinrichtungen (Beifall bei den Grünen), und zwar deshalb, weil es ihnen sonst nicht möglich sein wird, voll erwerbstätig zu sein, um nicht von nur 20 Stunden Erwerbstätigkeit überleben zu müssen. Sie wissen, in solchen Situa­tionen ist das Armutsrisiko dreimal so hoch wie sonst. – Das wären Antworten, die wir brauchen!

Sie haben einen sehr schönen Familienbegriff, und Sie betonen immer, wie wichtig Ihnen die Familie ist. Trotzdem gewähren Sie Menschen in Österreich nicht das Recht, mit ihrer Familie zusammenzuleben. Es geht dabei um Migrantinnen und Migranten, die hier leben. Die überwie-


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7. Sitzung / Seite 189

gende Mehrzahl sind Migranten: Die Väter leben in Österreich; die Kinder und die Ehepart­nerinnen haben kein Recht, bei ihren Vätern beziehungsweise Partnern zu sein. Den Familien wird die Familie verwehrt. – Das tun Sie, die immer die Familie so hochhalten!

Wir bringen deshalb folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mandak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Quotierung der Familienzusammenführung

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat spätestens bis 1. April 2003 eine Novelle des Fremdengesetzes vorzulegen, wonach die Quotierung des Familiennachzugs ab­geschafft wird.

*****

Damit sollen endlich alle Menschen in Österreich dieses Grundrecht auf Leben mit ihrer eigenen Familie haben. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Witt­auer: Familienzusammenführung ist schon lange beschlossen!)

19.06


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Mandak, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Lichtenegger zu Wort. – Bitte.

19.06


Abgeordneter Elmar Lichtenegger (Freiheitliche): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregie­rung! Hohes Haus! Heute ist mein erster Tag hier im Plenum, und ich bin schon darauf hinge­wiesen worden, dass ich eigentlich im letzten Aufgebot hier stehe. Aber es ist mir schon am ersten Tag klar geworden, dass es mir lieber ist, in einem letzten Aufgebot zu stehen, das Ver­antwortung übernehmen kann, als in einem offensichtlich besten Aufgebot, das keine überneh­men kann. Daher habe ich durchaus noch Perspektiven! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Perspektiven sehe ich auch für den österreichischen Sport – ich bin ja der neue Sportsprecher unserer Fraktion. Wir sind auch im Regierungsprogramm wieder vertreten, was mich sehr freut. Der Sport ist längst nicht mehr die schönste Nebensache der Welt, er ist eine wesentliche Kom­ponente unserer Gesellschaft geworden. Er hat sich darin etabliert, er umfasst buchstäblich alle Alters- und Interessengruppen, vom Schul- und Nachwuchssport über den Breitensport, den Spitzensport, den Behindertensport bis hin zum Seniorensport. Diese Bandbreite allein sagt mir schon, dass wir gut beraten sind, Geld in den österreichischen Sport zu investieren. Wir haben im internationalen Vergleich ein relativ geringes Sportbudget. Dieses Geld sollten wir in Zukunft gerecht, nachhaltig und transparent einsetzen.

Dass es sinnvoll ist, in den Sport Geld zu investieren, zeigen mir allein schon folgende Tat­sachen. (Abg. Dr. Lichtenberger: ... Tiefgaragen! – Heiterkeit bei den Grünen.) Erstens: Öster­reichische Sportler repräsentieren auch Österreich und tragen somit auch das Image unseres Landes nach außen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zweitens: Menschen, die sich sportlich betätigen – und da meine ich nicht nur die Spitzensport­ler, sondern alle Sportler –, erreichen meist ein verändertes Körperbewusstsein. Ich traue mich sogar so weit zu gehen, zu sagen, dass dies ein großer Schritt in Richtung Vorsorgemedizin ist. Meine Damen und Herren, das ist sogar fast eine aktive Gesundheitsprävention!


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Wir haben uns einige Aufgaben gestellt, die wir in Angriff zu nehmen haben. Wir müssen die Effizienz der Dachverbände überprüfen und schauen, ob das Geld in den Fachverbänden im Sinne des Sportes nicht sinnvoller verwendet werden kann.

Mich stört auch der Begriff „Randsportart“. Das ist ein Begriff, der durch die Medien kreiert wor­den ist. „Randsportart“ heißt nicht Sportart, die weniger ausgeübt wird, sondern „Randsportart“ ist von den Medien definiert als: weniger in den Medien vertreten. Ich hoffe, es wird in Zukunft eine Angleichung der Sendezeit im ORF geben, sodass alle Sportarten präsent sind. Das för­dert sicherlich auch die Wirtschaft, dann haben wir mehr Sponsoren, die Interesse daran haben, sich im österreichischen Sport niederzulassen. Das wird auch den Finanzminister wieder etwas erfreuen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Einen letzten Satz noch: Wir denken auch über das Profisportgesetz nach, einen sehr wichtigen Schritt mehr oder weniger in Richtung einer – unter Anführungszeichen – „Sozialhilfe“ für den österreichischen Spitzensportler, und ebenfalls über einen Schulsportverband, der ein Binde­glied zwischen Schulsport, Fachverband und Verein sein soll, sodass uns in Zukunft viele junge Talente im Sport in Österreich erhalten bleiben. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.09


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Nieder­wieser. – Bitte.

19.10


Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Wir sind jetzt bei diesem Konglomerat aus Sport, Bildung, Wissenschaft und Familie – ein durchaus spannendes Thema. Zu meinem Vorredner nur eine kurze Bemerkung: Kollege Lichtenegger, Sie sind als Sportsprecher der FPÖ im Ver­hältnis zu Ihrem Vorgänger sicherlich ein Gewinn. Aber hüten Sie sich vor Tiefgaragen! (Heiter­keit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wie schon Alfred Gusenbauer und viele andere Vorrednerinnen und Vorredner aus meiner Fraktion kann ich feststellen: Dieses Programm aus Überschriften und Inhalt enthält durch­aus einige interessante Positionen im Bildungsbereich. Ich möchte sie im Folgenden erwähnen.

Bundeskanzler Schüssel hat in seiner Regierungserklärung festgehalten – das steht interessan­ter­weise nicht im Regierungsprogramm drinnen –, es sei ein Ziel, dass alle Kinder nach der Volks­schule gut lesen können sollten. (Abg. Dr. Jarolim: Ambitioniert!) – Das ist ein ganz wichtiges Ziel, das möchte ich hier ausdrücklich feststellen! Das sagt uns auch die PISA-Studie. Wenn das gelingt, dann stehen wir nicht an, das auch zu respektieren.

Die internationale Vergleichbarkeit der Abschlüsse, Qualitätssicherung, Finanzierungsmodelle in der Erwachsenenbildung, ähnlich unserem SP-Modell der Bildungsprämie – das kann sicher eine interessante Diskussion ergeben.

Wenn wir aber das Kapitel Bildung anschauen, dann müssen wir eigentlich weiter hinten begin­nen, nämlich ganz am Schluss, wo die wirklich interessanten Dinge zur Bildung drinstehen. Da lesen wir auf Seite 38 im Finanzkapitel: „Stärkere Gebührenfinanzierung“.

„Stärkere Gebührenfinanzierung“ – was verbirgt sich dahinter? Sollen in Zukunft Schulen und Universitäten mehr kosten? Bundeskanzler Schüssel hat gemeint, 7 Prozent seien nicht viel. Wollen Sie damit die Akademikerquote steigern? Wollen Sie damit ein kürzeres Studium errei­chen? – Wir glauben, dass das auf diesem Weg nicht möglich ist.

Etwas weiter vorne schreiben Sie unter dem Punkt „Verwaltungsreform“: „Einsparung von 10 000 Dienstposten ... Im Unterrichtsbereich: Kompensieren des Struktureffekts“.

Was heißt „Kompensieren des Struktureffekts“? – Das heißt, dass dort rund 150 Millionen €, also mehr als 10 Prozent dieses Einsparungskapitels, von der Bildung aufgebracht werden


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sollten. Zu allem Überdruss wird das noch unter dem Kapitel Entlastung verkauft, und die Schulen sollen sich autonom überlegen, wo sie ihren Beitrag zum Sparprogramm leisten. – Auch das ist eine Flucht aus der Verantwortung, die einige Punkte in diesem Regierungspro­gramm kennzeichnet.

Bleiben wir weiterhin beim Sparprogramm: Frau Ministerin, im Regierungsprogramm steht auch drinnen, dass Sie die „Bildungsbauoffensive fortführen“ wollen. Das ist, mit Verlaub, eine ge­fährliche Drohung, denn die letzte Bildungsbauoffensive gab es noch unter der SPÖ-Regierung. In den letzten drei Jahren hingegen wurden nur noch Projekte fertig gestellt, es wurden neue geprüft, für eine Bauoffensive hervorgeholt und wieder schubladisiert, aber wirklich gebaut im Sinne einer Bauoffensive wurde nichts. Auf eine solche Bauoffensive können wir wirklich verzichten!

Den Punkt „Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für pädagogische Hochschulen“ habe ich mit Interesse gelesen. Wir haben schon immer vermutet, dass die Volkspartei die Zeit der großen Koalition aus dem Gedächtnis gestrichen hat, denn da lese ich: 25. Juni 1999, Bundes­gesetz über die Studien an Akademien und über die Schaffung von Hochschulen für pädago­gische Berufe. – Diese gesetzlichen Grundlagen gibt es bereits, Frau Ministerin! (Zwischenbe­merkung von Bundesministerin Gehrer.) Das steht so im Regierungsprogramm, ich kann es nicht ändern.

Ein letzter Punkt, den ich in der kurzen Zeit, die mir zur Verfügung steht, nur kursorisch anspre­chen möchte: Barrierefreiheit im Jahr der Menschen mit Behinderung. – Wir sagen ja zum Modell der Sozialpartner, das erwähnt wurde, wir sagen nein zu einer Forcierung der Sonder­schulen. Wir wollen im Gegenteil, dass die Bemühungen um eine Integration behinderter Kinder in der Schule fortgesetzt werden, dass das leidige Problem, was nach der achten Klasse passiert, endlich gelöst wird und dass nicht weiterhin Behinderten der Zugang zur Bildung ver­weigert wird. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

In diesem Punkt ist eine Chance vertan worden. Er wird ein Prüfstein dafür sein, ob Sie Ihren Worten auch Taten folgen lassen und ob Sie bereit sind, den Stillstand im Bildungsbereich auf­zulösen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.14


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Keuschnigg zu Wort. – Bitte.

19.15


Abgeordneter Georg Keuschnigg (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Vertreter der Bundesregierung! Hohes Haus! Es ist heute der Dank an den langjährigen Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Willi Molterer schon angebracht worden. Ich möchte aus diesem Grund einmal die Frage stellen: Was war dran an dieser Ära Molterer, dass die Vertreter der Land- und Forstwirtschaft und des ländlichen Raumes so ehrlich und uneingeschränkt diesen Dank anbringen möchten?

Ich glaube, es waren im Wesentlichen drei Dinge: Es war die Konsequenz der Arbeit, es war der totale Einsatz, verbunden mit dem Gespür für das Pragmatische, für das Machbare. Willi Molte­rer war ein unermüdlicher Motor beim Aufspüren neuer Chancen, bei der Ökologisierung des Sektors und in allen Fragen der Bildung, der Innovation und des Unternehmertums. (Abg. Eder: Er ist da! Immer noch! Er macht das immer noch!) – Er ist heute Klubobmann, wir reden von seiner Ära als Landwirtschaftsminister. – Wir haben heute eine stärkere, eine wettbewerbs­orien­tiertere, eine ökologischere und eine unternehmerische Landwirtschaft. Dafür möchten wir unserem langjährigen Minister und nunmehrigen Klubobmann sehr herzlich danken! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Für die Zukunft ist es unsere Herausforderung, eine starke, zukunftsfähige Politik für den länd­lichen Raum zu formulieren und umzusetzen, nicht als Gegensatz zu den Ballungsgebieten, sondern in einem sinnvollen Miteinander. Ich freue mich, dass in diesem Regierungspaktum zentrale Punkte für den ländlichen Raum enthalten sind.


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Da ist zunächst einmal das Agrarkapitel zu nennen, das eine offensive Weiterentwicklung des Sektors ermöglicht. Weiters ist der Biomassebereich zu erwähnen, dort entwickelt sich wirklich ein schlagkräftiger Sektor. Wir haben heute schon Hunderte Anlagen im Lande stehen, wir ver­fügen über ausgereifte Techniken, und es werden immer größere und ehrgeizigere Projekte umgesetzt. Diese Politik ist mit Nachdruck weiterzuführen, das ist eine aktive Umweltpolitik, ver­bunden mit einer aktiven Wirtschaftspolitik. Diese Politik schafft Arbeitsplätze auf dem Land, sie schafft Wertschöpfung, sie schafft ökologischen und wirtschaftlichen Nutzen.

Ein Wort noch zum dritten strukturellen Punkt – das ist der Finanzausgleich –, und zwar zum aufgabenorientierten Bevölkerungsschlüssel. Frau Moser, es ist mir eigentlich egal, ob es sich „aufgabenorientierter Bevölkerungsschlüssel“ oder „Verteilungsschlüssel“ nennt. Wichtig ist, dass den ländlichen Gemeinden, den ländlichen Räumen Gerechtigkeit zuteil wird. Da werden wir, wenn die notwendigen Gesetze zu debattieren sind, alle miteinander hier zu tun haben, damit wir eine konstruktive Politik zustande bringen. (Beifall bei der ÖVP.)

19.18


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Sburny zu Wort. – Bitte.

19.18


Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Während der wenigen Wochen, die ich dem Nationalrat nunmehr angehöre, habe ich von Seiten der ÖVP mehrere Male den Appell an die Opposition gehört, konstruktiv zu sein und nicht zu polari­sieren – sie trifft damit Feststellungen darüber, woran wir wie Kritik üben dürfen, was konstruktiv ist und was nicht. Gegipfelt hat das heute in der Bemerkung des Herrn Klubobmanns Molterer, dass es für das Ansehen des Parlaments gut und wichtig sei, dass das Gemeinsame über das Trennende gestellt wird. (Abg. Mag. Molterer: Ja!) Dabei übersehen Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, dass es aus gutem Grund verschiedene Parteien gibt, weil es nämlich in der Bevölkerung verschiedene Interessen gibt. Diese Interessen haben wir hier zu vertreten, und das tun wir auch! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Wir auch!)

Sie haben schon in der letzten Regierung versucht (Abg. Mag. Molterer: Sie haben nur kein In­teressenmonopol, gnädige Frau!), „Österreich“ mit „Regierung“, nämlich mit Ihrer Regierung, gleichzusetzen. Mir ist noch der Begriff des „Schulterschlusses“ in äußerst unangenehmer Erin­nerung. Mit diesem Begriff des Schulterschlusses – ein militärischer Begriff, soweit mir bekannt ist, das ist auch kein Zufall – haben Sie damals versucht, die Opposition zur Übernahme der Interessen der Regierung zu zwingen. Sie versuchen es heuer wieder – etwas dezenter, aber trotzdem – mit Ihrer Kritik, dass wir nicht konstruktiv seien. Das heißt, Sie versuchen zu suggerieren: Die Opposition darf nicht kritisieren, weil sie nicht konstruktiv ist.

Sie beklagen also, ein wenig beleidigt und belehrend, den Ton und die Art der Kritik, gehen aber auf die Argumente nicht ein, Sie setzen sich mit den Argumenten inhaltlich nicht auseinan­der. Sie sind zum Beispiel im Hinblick auf die so genannte Pensionsreform inhaltlich überhaupt nicht darauf eingegangen, dass diese Veränderungen dramatische Verschlechterungen mit sich bringen werden, die vor allem die Frauen treffen werden, und dass die Schere zwischen Frauen- und Männerpensionen weiter auseinander gehen wird. Allein Frau Abgeordnete Rosen­kranz hat zugestanden, dass diese Verschlechterung der Situation eine Tatsache ist. Seitens der ÖVP gibt es hingegen wilde Entgegnungen, aber kein sachliches Eingehen darauf. (Beifall bei den Grünen.)

Ich würde es sehr konstruktiv – nämlich auf Seiten der Regierung – finden, wenn Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, zu dieser Sache einmal etwas sagen würden. Ansonsten könnte man nämlich auf die Idee kommen, dass Sie sich entweder nichts dazu überlegt haben oder das bewusst in Kauf nehmen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich finde es im Gegensatz zu Ihnen äußerst konstruktiv und auch notwendig, diese Punkte auf­zuzeigen und zu thematisieren. Das ist unter anderem eine wichtige Aufgabe der Opposition,


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und wir werden Ihnen, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, die Definitions­macht darüber, was konstruktiv ist, ganz sicher nicht überlassen! (Beifall bei den Grünen.)

19.21


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Neudeck. – Bitte.

19.22


Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vize­kanzler! Werte Regierungsmitglieder! Bei der heutigen Debatte frage ich mich: Was hätten die Kolleginnen und Kollegen von Rot und von Grün gesagt, hätten sie doch Regierungsverantwor­tung übernommen? Wenn ich mir die Verhandlungsergebnisse und das, was aus den Verhand­lungen in die Öffentlichkeit gedrungen ist, in Erinnerung rufe, so muss ich sagen: Sie waren in diesen Verhandlungen eigentlich in den meisten Punkten einer Meinung mit dem präsumtiven Regierungspartner. War es damals die Aussicht auf Minister- und Staatssekretärposten? Seitdem Ihnen diese Aussicht verwehrt ist, bleibt anscheinend nur mehr die Kritik. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie machen dort weiter, wo Sie vor der Wahl aufgehört haben: beim Verbreiten von Unwahrhei­ten und beim Schüren von Angst in der Bevölkerung. Als es darum ging, wirklich Verantwortung zu übernehmen, waren Sie es, die sich für die leichtere Aufgabe, nämlich für die der Opposition entschieden haben. In Abänderung Ihres Inserates in der morgigen Ausgabe der „Kronen Zei­tung“ kann man Ihnen nur eines sagen: Ist die Regierungsbeteiligung einmal ruiniert, opponiert es sich gänzlich ungeniert! – Ein bisschen Wehmut höre ich immer wieder durch, denn Sie hätten ganz gerne Ministerämter gehabt und Österreich umgefärbt. Das hätte Ihnen schon ge­fallen.

Was wäre dann Ihr Programm gewesen? – Parteibuchwirtschaft, politischer Stillstand und hohe Budgetdefizite. Dem Kollegen Gusenbauer, der moniert, warum nicht in der letzten Legislatur­periode durch Blau-Schwarz schon alles gemacht wurde, sei gesagt: Auch wir Freiheitliche schaffen es nicht, in nur drei Jahren ein Chaos aufzuräumen, das Sie nach 30 Jahren hinterlas­sen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber wir sind auf dem besten Weg dazu: Die Regierungsarbeit der letzten Jahre hat mehr an Ergebnissen vorzuweisen, als dreizehn Jahre Rot-Schwarz das können. Genau diese Regie­rungsarbeit und unsere Reformen wurden von den Wählern bestätigt. Was nicht goutiert wurde, das waren unsere Interna. Aber auch wenn Sie es nicht gerne hören, meine Damen und Herren: Wir haben aus unseren Fehlern gelernt und werden sie nicht wiederholen!

Vielleicht wäre auch in der Opposition etwas Ehrlichkeit angebracht – Ehrlichkeit, die Kollegin Petrovic in einem Interview an den Tag gelegt hat, als sie sagte, sie habe in den Regierungs­verhandlungen viel gelernt, denn plötzlich musste sie bei jeder Forderung überlegen: Was würde das kosten, ist das finanzierbar? – Warum haben Sie das wieder so schnell verlernt, Frau Kollegin Petrovic?

Genau das ist der Punkt: Oppositionen können fordern, ohne etwas umsetzen zu müssen. Regierungen müssen gestalten und reformieren und dabei mit den finanziellen Möglichkeiten auskommen. Wir werden weiterhin verantwortungsvolle Politik für Österreich machen, gestalten und reformieren. Das ist unser Ziel! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.25


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gradwohl. – Bitte.

19.25


Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Bundesregierung! Hohes Haus! Kollege Neudeck, es mag schon sein, dass das Ihr Ziel ist, aber auf dem Weg zur Umsetzung von Modernisierung sind Sie irgendwann einmal


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stecken geblieben, und das vor ungefähr drei Jahren. Das ist das Problem, Herr Kollege Neudeck!

Wenn man sich anschaut, was in den letzten sechs Monaten passiert ist, dann sieht man: Das ist an Stillstand ja nicht mehr zu überbieten! Es hat einen Haufen Geld gekostet, aber es hat sich nichts mehr bewegt – dank der „Modernisierungstechnologien“ der Freiheitlichen Partei Österreichs. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich, wie es mir in meiner Funktion in diesem Hohen Haus geziemt, nun mit einem anderen Thema beschäftigen, nämlich mit dem der Landwirtschaft, und ich schicke Folgendes voraus, Herr Bundesminister: Auch für Sie gilt das­selbe wie für Ihren Vorgänger, der jetzt als Klubobmann hier im Hohen Hause sitzt: Seitens meiner Fraktion besteht das Angebot zur konstruktiven Zusammenarbeit! Dies aber nicht – und da bin ich der gleichen Ansicht wie Kollegin Sburny – unter der Devise, die bei Ihnen in den letzten drei Jahren landläufig praktiziert wurde: Die Einladungen sind vorhanden, Gespräche finden einmal statt, dort wird man jedoch dann aufgefordert, zuzustimmen oder wieder zu gehen. Ich hoffe, dass sich dieser Stil ändern wird und wir in Zukunft tatsächlich konstruktive Zusammenarbeit im Sinne der österreichischen Landwirtschaft und im Sinne der österreichi­schen Bäuerinnen und Bauern und der ländlichen Bevölkerung werden erreichen können.

Aber damit das auch wirklich geschieht, Herr Bundesminister und vor allem auch Herr Präsident des Bauernbundes, wäre es notwendig, so glaube ich, dass sich einige österreichische Agrar­vertreter mit dem Agrarkommissar Fischler auf ein Seminar begeben, um zu lernen, was es be­deutet, zukunftsorientiert und weltweit betrachtet, am gemeinsamen Markt orientiert Agrarpolitik zu betreiben.

Ich rufe jene „Pressestunde“ mit Agrarkommissar Fischler in Erinnerung, bei der zum Ausdruck kam, dass er eigentlich etwas übernommen hat, was Ihnen allen, meine Damen und Herren, die Sie schon länger im Hohen Hause sind, aber vor allem allen Bäuerinnen und Bauern als eine Position der SPÖ bekannt ist, nämlich, dass man in der Agrarpolitik den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen hat. Das Gleiche hat Kommissar Fischler etwas deftiger am vergangenen Sonntag zum Ausdruck gebracht, indem er sagte: Wir wollen die Bauern unterstützen und nicht die Rindviecher fördern! – Genau darum geht es, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Herr Bundesminister! Sie sind eingeladen, in Zukunft entgegen dem, was im Regierungspro­gramm steht – denn da steht nicht wirklich besonders viel an konkreten Umsetzungsmaßnah­men drinnen –, und entgegen dem, was landläufig bisher in der „Presse“ zu lesen war, eine tat­sächliche Veränderung durchzuführen. Die Situation, die wir jetzt haben, nämlich dass 80 Pro­zent der Fördermittel an 20 Prozent der Bauern gehen, muss verändert werden.

Wenn der Herr Bundeskanzler in seiner Rede heute im Zusammenhang mit Zukunft und Nach­haltigkeit von Gerechtigkeit gesprochen hat, so muss ich sagen: Das ist einer der Punkte, wo es gilt, Gerechtigkeit walten zu lassen, und diesen müssen wir umsetzen, wenn es uns tatsächlich um die Zukunft der Landwirtschaft geht – und, meine Damen und Herren, es geht ja um deren Zukunft!

In der Regierungserklärung wurde gesagt, was die Zukunft braucht – die Zukunft braucht Ver­antwortung, aktive Europapolitik, Sicherheit, sichere Arbeitsplätze und so weiter und so fort –, denn bisher, mit der alten und nunmehr neuen Bundesregierung, hatte die Zukunft das nicht. Ich hoffe, Sie werden die Flucht aus der Verantwortung, die Sie bisher betrieben haben und laut Regierungsprogramm weiter betreiben wollen, nicht wirklich fortsetzen, sondern gemeinsam mit einer konstruktiven Opposition hier im Hohen Haus tatsächlich für die Zukunft Österreichs arbeiten, damit Österreich Zukunft hat. (Beifall bei der SPÖ.)

19.29


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fuhrmann. – Bitte.

19.29


Abgeordnete Silvia Fuhrmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Der Jugend gehört die Zukunft“: Diesen Satz haben wir sehr oft gehört.


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Dieser Satz wurde auch sehr oft gesagt, aber leider ist es eine der traurigen Wahrheiten in der Politik, dass die Zukunft noch sehr weit weg ist. Ein zweiter Punkt ist, dass die Jugend gemes­sen an der Gesamtbevölkerung und auf Grund der demographischen Entwicklung einen eher geringen Teil der Bevölkerung ausmacht und dementsprechend auch die politische Mitsprache der Jugend eine geringere ist.

Drittens hat die Politik leider auch oft dazu geneigt, jugendpolitische Anliegen auf die lange Bank zu schieben. Abgeordnete Mandak hat vorhin hier gemeint, wir müssen der Jugend die Realität erklären. Dazu muss ich sagen: Ich bin wirklich sehr froh, dass es zwei Minister gibt, die in den Dreißigern sind, und dass es auch sehr junge Abgeordnete in diesem Hohen Haus gibt, denn somit können wir davon ausgehen, dass wirklich dafür Sorge getragen wird, dass jugend­poli­tische Anliegen wahrgenommen werden, und zwar von jungen Menschen – zu denen die etwas über 30-Jährigen noch dazuzählen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist der Bundesregierung hoch anzurechnen, dass sie heute ein Regierungsprogramm vorge­legt hat, in welchem man sich wirklich um die vorgeschlagenen Reformen gerade in puncto Zukunft, gerade in puncto Jugend bemüht.

Pensionsreform, Gesundheitsreform, Steuerreform, Bundesstaatsreform, Bildungsreform – im Kern geht es immer um das Gleiche: Auf der einen Seite stehen zu große Ansprüche, und auf der anderen Seite stehen leere Kassen. Was nützt eine Reformpartnerschaft, wenn Probleme, die anstehen, nicht gelöst werden können? Was nützt eine Reformpartnerschaft, wenn Interes­sen von älteren Menschen berechtigterweise Interessen von jungen Menschen gegenüber­stehen und da keine Lösung gefunden werden kann?

Es gibt einige wichtige Eckpunkte im Regierungsprogramm, die gerade für die Jugend wichtige Auswirkungen haben: Steuerreform, Entlastung niedriger Einkommen. Letzteres ist ein wichtiger Punkt, denn gerade die jungen Menschen sind es, die mit niedrigen Einkommen beginnen müssen, denn Österreich huldigt nach wie vor dem Senioritätsprinzip. Aber ich bin sehr froh, dass wir im Landesdienst von Oberösterreich, Vorarlberg und der Steiermark da einen Schritt nach vorne getan haben, um dem Erfordernis einer Umverteilung der Lebensverdienstsumme beziehungsweise einer Abflachung der Einkommenskurve nachzukommen. Auch zu begrüßen ist, was bereits festgehalten wurde, nämlich dass im Bildungsbereich dieses Modell für Lehrer angedacht wurde.

Ich kann natürlich nicht auf alles eingehen, es gibt viele Dinge – angefangen vom Präsenz­dienst, der attraktiviert werden soll, bis hin zu den zahlreichen Maßnahmen im Pensionssystem und im Bildungsbereich, die notwendig sind –, im Hinblick auf die ich im Sinne der Jugend ein­fach nur sagen kann: Die Reformpartnerschaft, die jetzt eingegangen worden ist, ist eine, die nicht vor den Problemen zurückscheut, die die Wahrheit auch auf den Tisch legt und die vor allem keine Maßnahmen ergreift, durch die meiner Generation noch weitere Probleme auf­oktroyiert werden. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

19.33


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner. – Bitte.

19.33


Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Präsident! Werte Regierungsmit­glieder! Hohes Haus! Ein neues Regierungsprogramm, eine neue Bundesregierung verlockt die Opposition offensichtlich zu falschen Interpretationen. Die letzten Tage und insbesondere die letzten Stunden habe ich mit großem Erstaunen verfolgt.

Als neue Frauensprecherin der Freiheitlichen möchte ich jetzt auf die ungerechtfertigte Kritik an unserer Frauenpolitik eingehen. Obwohl Rot und Grün immer anderes behaupten, setzen wir Freiheitlichen uns für eine fortschrittliche Frauenpolitik ein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir arbeiten nicht mit teuren Kampagnen, wie uns dies von roten Frauenministerinnen in Erin­nerung ist, sondern wir arbeiten mit Inhalten!


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Wir Freiheitlichen setzen uns für ein partnerschaftliches Lebensmodell ein, wir setzen uns für vollständige Gleichberechtigung und Gleichrangigkeit von Männern und Frauen ein und arbei­ten für ein Modell der Chancengleichheit. Dass dazu viele kleine Schritte notwendig sind, das wissen Sie.

Unsere Frauenpolitik basiert auf Wahlfreiheit und Selbstentscheidung. Wir teilen die Frauen nicht in Kategorien ein, uns sind alle Frauen wichtig. Es waren die Freiheitlichen, die der Dis­kriminierung von Hausfrauen und Müttern endlich ein Ende gesetzt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es gibt natürlich noch viel zu tun, um die Kombination von Familie und Berufsleben für Frauen zu vereinfachen. Wichtig ist, dass dabei keine Maßnahmen getroffen werden, die zum Bume­rang für uns Frauen werden, die für uns Frauen zu Nachteilen speziell am Arbeitsmarkt führen und unsere Chancen am Arbeitsmarkt verringern. Wichtig ist für uns ein moderner Lösungsan­satz für flexible Arbeitszeitmodelle, und das kann nur dann funktionieren, wenn wir die unter­schiedlichen Bedürfnisse von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen auf der einen Seite und von Unternehmen auf der anderen Seite berücksichtigen, sodass auf beiden Seiten eine Win-win-Situation entsteht. Vollzeitmodelle müssen möglich sein, damit auch für Frauen in Füh­rungspositionen, aber auch für Väter die Kinderbetreuung interessant wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Uns ist es wichtig, Frauen zu schützen und die Frauenarmut zu bekämpfen. Daher war es auch ein großes Anliegen von uns, dass die Einführung des 1 000-€-Mindestlohnes in das Regie­rungsprogramm aufgenommen wird, was wir auch erfolgreich durchgesetzt haben. Dies ist ein großer Schritt und ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung der Frauenarmut.

Ich denke, verehrte Kolleginnen und Kollegen von SPÖ und Grünen, es wäre sinnvoller, kon­struktiv zusammenzuarbeiten und nicht nur haltlose Kritik gebetsmühlenartig zu wiederholen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von SPÖ und Grünen, haben sich weiterhin für Opposi­tion entschieden und verantwortungsvolle und gestaltende Arbeit für Österreich abgelehnt. Wir Freiheitlichen scheuen diese Verantwortung nicht und werden weiterhin konstruktive Reform­arbeit nicht nur für Frauen, sondern für alle Menschen in Österreich leisten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.37


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Mag. Muttonen zu Wort. – Bitte.

19.37


Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Vor einigen Tagen stand zu lesen: „Die neue Kulturpolitik ist die alte“. – Dieser Satz stammt nicht etwa aus einer linken Publikation, sondern aus einem Kulturleitartikel der „Presse“ vom letzten Samstag, und er reiht sich nahtlos in die Liste der negativen Reaktionen auf die Regie­rungsbildung ein. Schwarz-Blau wird also dem Kunst- und Kulturbereich wenig Innovatives bringen. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mag. Schweitzer.)

Herr Schweitzer! (Staatssekretär Mag. Schweitzer bricht den Zwischenruf ab.) – Danke! Sie sind es noch nicht gewohnt, gelt? (Staatssekretär Mag. Schweitzer: Ja! – Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich wiederhole: Schwarz-Blau wird dem Kunst- und Kulturbereich wenig Innovatives bringen. Es gibt jetzt 12 Punkte statt der vorhergehenden 17, geprägt von eher schwammigen, inhaltsleeren Überschriften und wenig aussagekräftigen Schlagwörtern. Teilweise finden sich darin Forderun­gen und Absichtserklärungen, die bereits in der Regierung Schüssel I zu finden waren, zum Beispiel steuerliche Maßnahmen zur Belebung des Kunstmarktes oder die Mehrjährigkeit der Förderverträge.


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7. Sitzung / Seite 197

Fortgeführt wird auch die Musealisierung der österreichischen Kunst und Kultur – ein Bereich, der in der letzten Gesetzgebungsperiode durchaus budgetäre Zuwächse erfahren hat.

Aber es gibt, meine Damen und Herren, kein einziges Wort zum Thema „soziale Situation der Kunstschaffenden“. Offensichtlich besteht für das konservative Kulturverständnis Kunst und Kultur hauptsächlich aus Denkmälern und Gebäuden. Das bestätigte auch der für Kunst und Kultur zuständige Bundeskanzler Schüssel, als er heute in seiner Regierungserklärung in sehr knappen Worten von einer „finanziell großzügig dotierten ‚Nationalstiftung Österreich“ sprach und sagte: Damit „sichern wir künftig den Erhalt historisch bedeutender Gebäude und Denk­mäler“, aber das Innovative, das Neue, das Kreative, das Zeitgenössische eigentlich überhaupt nicht erwähnte.

Der Faktor „Mensch“, konkret die Arbeits- und Existenzbedingungen der Künstler und Künstle­rinnen finden darin keine Erwähnung. Mit keiner Silbe wird die Künstlersozialversicherung ange­sprochen, und zwar eine solche, die diesen Namen auch verdient.

Es ist keine Rede davon, dass eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Künstlern und Künstlerinnen, von WissensarbeiterInnen ein Modell für die Arbeitswelt von morgen sein könnte.

Keine Rede ist von der Anpassung der steuerlichen Regelungen an die Eigenheiten künstleri­scher Berufe und auch keine Rede von den Nachbesserungen des österreichischen Urheber­rechtes.

Meine Damen und Herren! Es steht außer Frage, dass eine ausreichende Dotierung der Bun­desmuseen und der Bundestheater wichtig ist, aber wir dürfen – und das gerade in Zeiten von knappen Budgets – die Gleichwertigkeit der anderen Kulturbereiche nicht aus den Augen verlie­ren. Meine Damen und Herren von der Bundesregierung! Genau das befürchte ich: dass Sie noch weniger Mittel für diese anderen Kulturbereiche, für die Bereiche zeitgenössischer Kunst und Kultur, für die zahlreichen Kulturinitiativen zur Verfügung stellen werden.

Ganz interessant finde ich, dass am Anfang des Kulturteiles im Regierungsprogramm die Ab­sicht kundgetan wird, die zeitgenössische Kunst verstärkt zu fördern. Das finde ich deshalb so interessant, weil im vorigen Regierungsabkommen der Begriff „zeitgenössische Kunst“ nicht ein­mal erwähnt wurde. Die Förderung der zeitgenössischen Kunst jetzt als oberste Priorität an die Spitze Ihres Maßnahmenkataloges zu setzen, halte ich geradezu für provokant, weil Sie genau dort den Sparstift besonders angesetzt hatten. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein.)

Herr Staatssekretär! Sie werden nicht müde, zu sagen, dass das Kulturbudget erhöht worden ist. – Das stimmt nicht. Das Budget ist gesenkt worden. Es hat wohl eine kleine Erhöhung gege­ben, aber diese wurde hauptsächlich in Prestigeobjekte wie zum Beispiel den Umbau des Kleinen Festspielhauses oder in den Wiener Musikverein investiert. Gespart wurde – wie schon gesagt – beim Innovativen.

Zusätzlich hat der Finanzminister ein Budgetprovisorium für 2003 angekündigt, das ein Minus von 5 Prozent für die Ermessensausgaben vorsieht. Ich hoffe, Sie werden sich da für die Kunstschaffenden und für das Kunstbudget entsprechend einsetzen.

Von „kultureller Grundversorgung“ kann man bei Schwarz-Blau nicht mehr sprechen, eher von einer „Notversorgung“. Meine Damen und Herren! Ich bin in Sorge, dass die konservative Kulturpolitik eine Verödung der österreichischen Kulturlandschaft zu verantworten haben wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

19.43


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Großruck. – Bitte.

19.43


Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Unser Herr


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7. Sitzung / Seite 198

Bundeskanzler hat heute ein umfangreiches und für mich und für alle anderen beeindruckendes Regierungsprogramm vorgelegt (Abg. Eder: Sind Sie beeindruckt?), und die Opposition hat zu Recht – das ist auch ihre Pflicht – darüber zu diskutieren und auch dagegen zu sein.

Nur, was ich nicht verstehe: Sie haben die Rezepte kritisiert und nicht das Programm. Und die Rezepte, meine Damen und Herren, die müssen wir hier in dieser Legislaturperiode ausarbei­ten, ausfeilen und dann zu Gesetzeswerken machen. Aber über das Programm, also über die Frage, was in Österreich gelöst gehört, sind wir uns ja, glaube ich, einig. Darüber gibt es, glaube ich, Einigkeit im gesamten Hohen Haus.

Ich darf daran erinnern, welche Probleme zu lösen sind: die Herausforderung im internationalen Wettbewerb, die Veränderung der Lebenswelten, die Schaffung einer Generationengerechtig­keit, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Solidarität zwischen Jung und Alt, die Siche­rung unserer hervorragenden Pensions- und Gesundheitsvorsorge, verstärkte Forschung und Entwicklung, um auch nachhaltig Umweltschutz zu garantieren, aktive Europapolitik, vernünftige Sicherheitspolitik für Europa und für Österreich, Anpassung der Verwaltung an die Verände­rung, sichere Arbeitsplätze, Hilfe für die Schwächsten, Förderung der Talente, Entlastung der Betriebe und Steuerzahler. – Grundlage dafür sind solide Staatsfinanzen.

Meine Damen und Herren! Das war im Eilzugstempo der Inhalt der Regierungserklärung bezie­hungsweise des Programms der Regierung. Ich glaube, wir stimmen doch alle darin überein, dass die Lösung dieser Probleme eine Herausforderung ist, die bewältigt werden muss.

Es gibt ja sehr gute Beispiele, die zeigen, dass Österreich dafür gelobt wird. Sie haben es wahr­scheinlich gestern im „Standard“, in der „Presse“, in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ und so weiter gelesen. Es hat sich der bekannte deutsche Wissenschaftler und Wirtschaftsfor­scher Bert Rürup zu Wort gemeldet. – Sie haben es bestimmt verfolgt, ich habe das Zitat von Ihnen heute allerdings nicht gehört. Das ist schon verständlich, weil er nämlich die Reformwillig­keit der österreichischen Bundesregierung ganz außerordentlich gelobt hat.

Er sagt, die österreichische Bundesregierung sei bei ihren Pensionsreformplänen „auf einem guten Weg. Die Chancen seien in dieser Regierungskonstellation besser als 1997, als Rürup selbst in einer Pensionsreformkommission in Österreich saß“. – Hören Sie zu, meine Herren Gewerkschafter!

„Damals hätten die Gewerkschafter weitergehende Reformen verhindert. Die Bremse sei jetzt weg, so Rürup. Richtig sei, dass die Regierung versuche, die Frühpensionen einzudämmen. Auch die Abfertigung neu sei ein Schritt in die richtige Richtung.“ – So Rürup. (Abg. Eder: Er lebt aber in Deutschland! Er lebt nicht in Österreich!)

Meine Damen und Herren! Ich lese Ihnen jetzt noch vor – wir sehen ja am Beispiel Deutschland, was Rot-Grün macht –, was der ehemalige SPD-Regierungssprecher Klaus Bölling, ein Sozial­demokrat, zur derzeitigen Politik des Gerhard Schröder sagt:

„Wenn Gerhard Schröder in der Reihe der sozialdemokratischen Bundeskanzler nicht als Fuß­note verschwinden will, muß er sich von heute an als Reformer ohne Furcht und Tadel bewei­sen.“ – Zitatende.

Wahrscheinlich hat er Anleihe bei unserem Bundeskanzler genommen, der Herr Bölling. (Ruf bei der SPÖ: Dann bleibt er leider eine Fußnote!)

„Am Abend des 22. September 2002 sagte er,“ – Schröder – „jetzt wolle er eine Politik machen, die manchen seiner Freunde unter den SPD-Sozialpolitikern nicht gefallen werde. Jetzt endlich muß er das Versprechen einlösen, auch wenn das Klagelied von Zwickel, Bsirske, Sommer und Engelen-Kefer noch schriller ertönt.“ – Das sind alles Gewerkschafter.

Und weiters: „Sonst geht unser Sozialstaat, eine große kulturelle Errungenschaft, demnächst in die Binsen.“ – Das ist das Urteil des ehemaligen SPD-Regierungssprechers über die deutsche Regierung. (Abg. Heinisch-Hosek: Lesestunde! – Abg. Eder: Was sagen Sie dazu?)


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7. Sitzung / Seite 199

Wir können froh sein, dass hier in Österreich die Kontinuität der Reformen und auch der Politik unter Schüssel II gegeben ist. Wir freuen uns darüber!

Herr Van der Bellen hat in seiner Rede heute Vormittag die Regierung mit einem Schiff ver­glichen und Begriffe aus der Nautik verwendet. (Abg. Eder: Schiff nicht, alter Tanker!)

Ich sage Ihnen Folgendes: In diesem ganzen Gefüge ist unser Bundeskanzler der Leuchtturm. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Die SPÖ hat einen Fehler gemacht: Sie wollte die Klippen bekämpfen und die Untiefen, aber sie hat den Leuchtturm bekämpft. Der Wähler aber, meine Damen und Herren, der war schlauer: Der hat den Leuchtturm herausgeputzt, und jetzt strahlt er noch viel besser! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Ich komme zum Schluss: Auch die SPÖ hat versucht, vor der Wahl einige „Leuchten“ aufzu­stellen. Ich antworte und schließe mit einem doppelten Vierzeiler:

Leuchten wurden vor der Wahl

präsentiert in großer Zahl,

Petritsch, Broukal, Knoll und Graf,

dass Alfred eine Mehrheit schaff’.

Die Wahl war da, die Mehrheit nicht,

zu schwach brannte der Leuchten Licht,

und heute glimmt nur eine hier

als Notlicht bei der Ausgangstür.

(Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner – in Richtung des auf der Regierungsbank sitzenden Staatssekretärs Morak –: Wäre das nicht etwas zum För­dern?)

19.48


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Witt­mann. – Bitte.

19.48


Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Regie­rungsmitglieder! Was waren das für Zeiten vor drei Jahren, was war da für eine Stimmung, wie ist es da zugegangen, als dieses neue Regierungskabinett angelobt wurde! Landeshauptmann Haider hat das Paar Kanzler/Vizekanzler liebevoll „Susi und Strolchi“ genannt. Es wurde zum Jubelpaar hochstilisiert, und was ist davon geblieben, liebe Freunde? – Es ist nur Strolchi übrig geblieben, und er hat pikanterweise einen Tierarzt als Partner! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Das ist wirklich eine Entwicklung, die symptomatisch für diese Regierung ist. (Abg. Scheibner: Als du noch Staatssekretär warst, haben wir noch etwas zum Lachen gehabt!) Es ist nichts geblieben von der Euphorie. Diese Regierung sitzt resignativ da und gibt eigentlich ihr Pro­gramm schon auf, bevor sie begonnen hat, es zu verwirklichen.

An diesem Programm gibt es aber auch nicht viel zu verwirklichen. Es besteht aus Sprech­blasen und Überschriften ohne Inhalt, und eigentlich haben wir dasselbe schon vor drei Jahren gehört. – Es sollte endlich auch etwas davon umgesetzt werden. (Abg. Scheibner: Also ist es doch gut!)


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7. Sitzung / Seite 200

Liebe Freunde! Ich glaube, dass es in dieser Regierung ganz andere Probleme geben wird. Bereits vor der Regierungserklärung ist Minister Gorbach dadurch aufgefallen, dass er die Veto­drohung gegen den Beitritt der Kandidatenländer sehr gelassen ausspricht, dass er diese Veto­keule, über die man eigentlich hinwegkommen wollte, sehr wohl wieder weiterschwingt.

Scheibner regt sich im letzten „Kurier“ darüber auf, dass die Heeresreform mit ihm nicht abge­sprochen sei. – Das heißt also, in Wirklichkeit regiert man nebeneinander, nicht miteinander. Man will auch miteinander nicht viel zu tun haben, und man ist einander nicht grün, denn sonst würde man ja keinen Entschließungsantrag brauchen, in dem man alle Abgeordneten dazu ver­pflichtet, dieses Regierungsprogramm mitzutragen. (Abg. Scheibner: Grün ist man nicht, wir sind schwarz-blau!)

Es gibt nur zwei mögliche Gründe dafür: Entweder ist man misstrauisch den eigenen Abgeord­neten gegenüber, oder es sind die schwarzen Abgeordneten gegenüber den FPÖ-Abgeordne­ten misstrauisch beziehungsweise umgekehrt. Das Selbstbewusstsein der Abgeordneten sollte jedoch so groß sein, um so etwas nicht zu unterstützen: einen Blankoscheck für eine Regie­rung, eine Selbstknebelung, damit man ja nicht gegen etwas stimmen kann, das vielleicht unbe­quem wird (Abg. Scheibner: Haben Sie den Antrag gelesen?), damit ja jede eigenständige Initiative in diesem Parlament abgewürgt wird und hier nur mehr versucht wird, den Regierern nach dem Mund zu reden. (Abg. Scheibner: Wir sind ja nicht bei der SPÖ!)

Inhaltlich ist also nicht viel da, aber es wird viele interessante persönliche Auseinandersetzun­gen geben – das hat sich schon angekündigt und gezeigt –, und ich bin sehr neugierig, wie lange diese Regierung das aushalten wird. Ich glaube nicht, dass es eine sehr konsequente Umsetzung von Programmen geben wird, wenn man schon jetzt im Vorfeld der Regierungs­erklärung diese Zwistigkeiten an den Tag legt.

Aber Kennzeichen dieser Regierung ist ja, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Kennzeichen ist, dass man die Regelung der Ladenschlusszeiten an die Landeshauptleute abschiebt, die Ab­fangjäger-Finanzierung an die nächste Regierung, die Pensionsvorsorge an den Einzelnen, die Selbstbehalte bei den Arztbesuchen an die Krankenversicherungsträger.

Ich glaube also nicht, dass es ein verantwortungsvoller oder überzeugender Beginn der Tätig­keit dieser Regierung ist. Allein die Körpersprache der anwesenden Regierungsmitglieder zeigt, dass sie resignativ sind, dass sie eigentlich ihr eigenes Programm schon aufgegeben haben, bevor sie begonnen haben, es umzusetzen. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheit­lichen. – Abg. Scheibner: Du gehst uns ab in der Regierung!)

Warum der Finanzminister nicht anwesend ist, ist für mich auch klar: Von den Schwarzen be­kommt er noch keinen Applaus, von den Blauen nicht mehr. – Ich bin ja überhaupt neu­gierig, wie er sich etablieren wird. Er hat die Regierungsbank fast fluchtartig verlassen, weil er von niemandem richtig anerkannt wird. Er ist schon sehr lange abwesend, das ist auch ein interessantes Zeichen für diese Regierung. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist ein Glück für ihn, weil er sich Ihre Rede nicht anhören muss!)

Aber ich glaube, besser bezeichnen kann man diese Regierungspolitik und dieses Programm nicht, als es Frau Bundesministerin Rauch-Kallat getan hat. Sie hat gesagt, diese Regierung arbeite unter dem Motto „Frust statt Lust“, und dem ist nichts hinzuzufügen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Schlecht wie immer!)

19.53


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner erhält Herr Abgeordneter Walch das Wort. – Bitte.

19.53


Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Werter Herr Präsident! Werte Regierungsmit­glieder! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Kollegem Wittmann möchte ich nur sagen: Das Klima hat sich verändert, und der Staatssekretärsposten ist weg. – Ich habe das Gefühl, das muss dir ganz schön wehtun. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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7. Sitzung / Seite 201

Wenn ich mir die heutige Debatte anhöre, wie die Oppositionsparteien hier schwere Kritik an dem Regierungspapier üben, muss ich feststellen: Ihr habt es nicht gelesen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich würde euch wirklich einmal innigst um Folgendes ersuchen, damit ihr euch nicht ständig von uns Kritik anhören müsst: Lesen – denken – sprechen! So lautet die Devise. Dann würde die Sache auch für euch ein bisschen besser ausschauen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)

Wenn ich mir einmal anschaue, was genau ihr kritisiert, wenn ich mir nur die Pensionsreform in Österreich anschaue und welche Privilegien es da gibt, dann muss ich sagen: Der größte Privi­legienritter sitzt in der SPÖ! Da glaube ich schon, dass er in Presseaussendungen sagt, nein, dieses System darf nicht verändert werden, denn ich heiße Karl Blecha und ich kassiere pro Monat 12 554 € Pension – während Hunderttausende Arbeitnehmer nur 643 € Pension haben. – Dass sich der aufregt, ist klar. (Der Redner hält eine Tafel in die Höhe, auf der die ge­nannten Zahlen zu sehen sind. – Abg. Eder: Forstinger! – Zwischenruf des Abg. Dr. Trinkl.)

Ich hätte geglaubt, das wäre ein Pensionistenvertreter, aber der schaut ja nur auf sich selbst und nicht auf seine Klientel, für die er zuständig wäre. Wir werden das ändern, damit Gerechtig­keit und dementsprechende Gleichheit in das Pensionssystem kommt! (Beifall bei den Freiheit­lichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Was steht denn in dem Regierungspapier? – Hört ein wenig zu, sonst merkt ihr es euch wieder nicht! (Zwischenruf der Abg. Pfeffer.) Wenn ich vergleiche, was in diesem Regierungspapier steht und was die Oppositionsparteien behaupten, frage ich mich: Wo steht denn im Regie­rungspapier, dass man bei einem Arztbesuch 5 € zahlen muss? Habt ihr das irgendwo gele­sen? – Ich nicht! Da habt ihr wahrscheinlich ein eigenes Regierungspapier vorbereitet! – Oder: Wo steht, dass man 10 € bei einem Facharztbesuch zahlen muss?

Jetzt werden wir sehen, welche Leistungen die Gebietskrankenkassen vollbringen, wo eure sozialistischen Mitglieder und eure sozialistischen Obmänner bestellt sind, denn jetzt bekom­men sie den Auftrag, als Geschäftsführer dort endlich einmal Hand anzulegen wie in der Privat­wirtschaft und darauf zu schauen, dass man sparsam und wirtschaftlich mit Steuergeldern um­geht. Sie sollen jetzt einmal Vorschläge machen, wo sie Einsparungen durchführen können, aber nicht auf Kosten der Patienten und auf Kosten der Qualität, sondern durch das Kehren vor ihrer eigenen Türe. – Das einmal zum Ersten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

So werden wir das Gesundheitssystem retten, auch durch weitere Zusammenlegungen der Sozialversicherungsanstalten. Es freut mich ganz besonders, wenn ich in der Zeitung lese oder von der Opposition höre, dass jetzt die ganzen Pensionen abgeschafft werden. – Davon habe ich nichts gehört! Etappenweise wird etwas gekürzt. Was wir durchgebracht haben, das habt ihr 30 Jahre lang nicht zusammengebracht.

Arbeitnehmer können bei langen Beitragszeiten nach wie vor in die vorzeitige Alterspension gehen: Männer bei 45 Beitragsjahren mit 60 Jahren und Frauen bei 40 Beitragsjahren mit 55. (Rufe bei der SPÖ: Büttenrede!) Das ist eine positive Situation, und das ist mir abgegangen, das hättet ihr eigentlich in den letzten 30 Jahren erledigen können! (Zwischenruf der Abg. Sil­havy.)

Es gibt außerdem noch viele Arbeitnehmer, die weniger als 1 000 € Mindestlohn verdienen. Ich habe da eine ganze Liste, die ich einmal dem Kollegen Verzetnitsch, der heute nicht mehr an­wesend ist, übergeben werde, damit er weiß, wie viele Arbeitnehmer und wie viele Berufsgrup­pen es noch gibt, die nicht einmal 1 000 € Mindestlohn haben.

Es freut mich ganz besonders für die Jugend und deren Zukunft, dass ÖVP und FPÖ in der Regierung sind, denn für diese Parteien ist klar, dass in Österreich weder leichte noch schwere Drogen freigegeben werden, so wie es eine Partei hier in diesem Hause wollte. (Beifall bei den Freiheit­lichen.)


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7. Sitzung / Seite 202

Es werden Reformen zu Gunsten der österreichischen Bevölkerung durchgeführt, damit sowohl das Pensionssystem als auch das Sozialversicherungssystem und vieles andere mehr gesichert werden. Es geht wieder bergauf in Österreich, und es geht nicht so weiter, wie es die Opposi­tion 30 Jahre lang gemacht hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Scheibner – in Richtung SPÖ –: Das ist aber wirklich ein Arbeiter!)

19.58


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaál. – Bitte.

19.58


Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Kollege Walch, Aschermittwoch war gestern! Ried gibt es nicht mehr, das findet jetzt alles in Althofen in Kärnten statt – unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Wir haben heute sehr genau zugehört, haben auch die Regierungserklärung Punkt für Punkt durchgelesen und müssen feststellen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, Kollege Walch: Sie setzen die falschen Prioritäten! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben ganz andere Schwerpunktsetzungen! Wir gehen von einem umfassenden Sicher­heitsbegriff aus, der weit über den militärischen Bereich hinausgeht, und von sicherheitspoli­tischen Ansprüchen, die Ihren Begriff sehr wohl mit einschließen, aber weit darüber hinaus­gehen. Dazu zählen für uns sichere Arbeitsplätze, sichere Pensionen, sichere und leistbare Ge­sundheitsvorsorge. All das findet in Ihrem Regierungsprogramm nicht ausreichend Berücksichti­gung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Bei Ihnen steht die Beschaffung von Kampfflugzeugen ganz oben auf der Agendenliste, und Sie beharren auf diesem Kauf. Das bedeutet nichts anderes, als Schulden in die Zukunft zu verschieben, ohne jetzt die Verantwortung dafür zu übernehmen, meine Damen und Herren! Bezahlt wird erst 2006, 2008, das muss also die nächste Regierung tun! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Steuerzahler werden zwar etwas später, aber doch zur Kasse gebeten und müssen diese Milliarden Euro mit Zinsen und Zinseszinsen zurückzahlen! Daher hat die Bevölkerung zu Recht kein Verständnis für diese sündteure Beschaffung, die von mehr als 75 Prozent der Bevölke­rung abgelehnt wird. Meine Damen und Herren! Diese Kampfjets sind für den Luftkampf, für den Luftkrieg geeignet, haben aber überhaupt nichts mit luftpolizeilichen Maßnahmen zu tun. Daher brauchen wir diese weder in Europa noch in Österreich! Daher ein entschiedenes Nein zu dieser Ihrer Politik. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf nun folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gaál, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beschaffungsstopp für Kampfflug­zeuge

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sofort alle Schritte zu setzen, um den Beschaffungs­vorgang für Kampfflugzeuge (Abfangjäger, Überwachungsflugzeuge) zu stoppen.“

*****

Meine Damen und Herren! Wie Medienberichten zu entnehmen ist, sprechen Sie von der ÖVP von geplanten Kasernenschließungen und stoßen damit auf heftigsten Widerstand auch aus den eigenen Reihen. Ich denke in diesem Zusammenhang an die Stellungnahmen der Landes­hauptleute. Sie beabsichtigen, den Assistenzeinsatz an der Grenze zu beenden, und überlegen, eine eigene Grenzgendarmerie oder einen Grenzschutz – wie immer Sie das dann auch nennen – einzuführen. Dabei wissen Sie sehr wohl, dass das viel mehr Geld kosten wird als die


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7. Sitzung / Seite 203

Soldaten des österreichischen Bundesheers, die übrigens hervorragende Arbeit leisten im Dienste Österreichs und der europäischen Sicherheit. Sie, meine Damen und Herren, kommen hierher mit unausgegorenen Ideen ohne Finanzierungskonzept – eine Absichtserklärung ohne Chance auf Realisierung.

Sie sprechen auch von einer Verkürzung des Grundwehrdienstes auf sechs Monate. Wir sind offen für Gespräche, meine Damen und Herren! Ich darf aber daran erinnern, dass, als wir von einem sechsmonatigen Grundwehrdienst nach Beendigung des Assistenzeinsatzes gesprochen haben, das von Ihnen stets entschieden abgelehnt und als polemisch zurückgewiesen wurde.

Das steht zwar nicht in der Regierungserklärung, wird aber von Ihnen von der ÖVP ange­kündigt, und der neue Verteidigungsminister lässt ausrichten, dass mit ihm bisher niemand über diese Reform, diese Sparpläne beim österreichischen Bundesheer gesprochen habe. Er wurde also von diesen Ankündigungen offenbar überrascht, was kein besonders glücklicher Einstand ist.

Uns geht es aber hier nicht um Polemik, sondern um eine effiziente und glaubwürdige Politik! (Beifall bei der SPÖ. – Aha- und Oho-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das ist das Grundprinzip unserer Politik, und das wollen und werden wir als große, verantwortungsvolle und konstruktive Oppositionspartei auch verwirklichen. Darauf können Sie sich verlassen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

20.03


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dr. Trinkl zu Wort. – Bitte.

20.03


Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Wir dis­kutieren heute über die zweite Regierungserklärung des Dr. Wolfgang Schüssel, die vor allem von Verantwortungsbewusstsein für eine gute Zukunft unseres Landes getragen ist.

Nach achtstündiger Debatte sei es mir erlaubt, ein kurzes Resümee zu ziehen: Auf der einen Seite stehen zwei Parteien, die bereit sind, sich den Herausforderungen, vor denen das Land steht, zu stellen. Wir sind bereit, den Menschen auch die Wahrheit zu sagen, und dies, Herr Kollege Gaál, auch im Bereich der Sicherheit. Die Sicherheit endet nicht in der Luft, zwei Zenti­meter über der Luft, die Sicherheit muss auf dem Land und in der Luft gegeben sein, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Gradwohl: „Zwei Zentimeter über der Luft“ ist gut!) Wir sind bereit, mutige Reformen in Angriff zu nehmen.

Auf der anderen Seite steht eine Opposition, die sich dieser Verantwortung entschlägt, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Silhavy meinte, der Regierung fehle der Mut für Sozial­reformen. Ich darf Ihnen sagen: Wir gehen den Weg der sozialen Reformen, um das System nachhaltig abzusichern. Sie aber kritisieren diesen Weg, und Sie sind nicht bereit, auch nur einen Schritt auf diesem Weg mitzugehen, weil Sie Scheu haben vor der Verantwortung. Sie wollen keine Verantwortung übernehmen, Sie wollen sich vor der Ver­antwortung drücken, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das ist genau die Sozialdemokratie, die wir kennen. Der Vorsitzende sitzt auf dem Kutschbock und wäre sogar bereit, sich ein wenig in die richtige Richtung zu bewegen. Nur alle anderen sitzen an den Bremsklötzen, damit ja nichts weitergeht, meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit ist klar: Die SPÖ wollte nie regieren! Und das sagen uns unsere Freunde, und das wissen auch Sie ganz genau, denn sonst wären viele Erklärungen, Herr Cap, einfach nicht zu verstehen. (Abg. Gradwohl: Woher haben Sie das?)

Herr Cap hat ja völlig Recht, wenn er sagt: Ein Manifest der Mutlosigkeit! Die SPÖ hat heute hier wieder ein Manifest der Mutlosigkeit vorgelegt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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7. Sitzung / Seite 204

Was ist symptomatisch für diese SPÖ? – Es bleibt die Resignation (Cap) – in Klammern. Es lebe der Galgenhumor, soeben präsentiert von Herrn Kollegen Wittmann, und man flüchtet sich ins Kabarett (beide) – in Klammern. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist von der großen Sozialdemokratie geblieben: Kabarett, Kabarett, Kabarett! (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.)

Auf der anderen Seite haben wir auch sehr intensive Regierungsverhandlungen mit den Grünen geführt. Obwohl die Gespräche gut verlaufen sind, durfte Herr Professor Van der Bellen zum Schluss nicht dieser Regierung zustimmen. (Abg. Dr. Glawischnig: Sie waren da aber nicht dabei!) Der eine wollte nicht, und der andere durfte nicht.

Wissen Sie, wer mir einfällt? – Karl Valentin. Mögen hätten wir schon wollen, aber dürfen haben wir uns nicht getraut. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist Ihre Politik! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Glawischnig: Das trifft zu 100 Prozent auf Sie zu!)

Wolfgang Schüssel hat heute gesagt, nur eine leistungsstarke Wirtschaft bringe soziale Sicher­heit, und er hat Recht. Viele, viele Impulse, die diese Regierungserklärung in sich hat, zeigen, dass der weiteren wirtschaftspolitischen Entwicklung sehr viel Verständnis entgegengebracht wird. Ich darf Ihnen versichern, dass die Wirtschaft diese Botschaft versteht, und die Wirtschaft vertraut dieser Regierung in viel höherem Maße, als das in anderen Ländern der Fall ist.

Was ist aus dem Konjunkturmotor Deutschland geworden, meine sehr geehrten Damen und Herren, wo seit Jahren eine rot-grüne Regierung am Werkeln ist? – Der Motor steht, der Motor raucht; er raucht nicht einmal mehr, es raucht nur mehr die Zigarre des Vorsitzenden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir in Österreich haben andere Voraussetzungen. Wolfgang Schüssel und sein Team werden dieses Land in eine bessere Zukunft führen, und das können Sie nicht krank beten und auch nicht krank jammern, sondern merken Sie sich eines: Totgesagte leben lange! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.08


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der vom Vorredner, Herrn Abgeordnetem Gaál, ein­gebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek zu Wort gemeldet. – Bitte.

20.08


Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! – Oh ja, sie ist wieder da, die Kollegin Fuhrmann. Jung sein, meine Damen und Herren, schließt nicht automatisch jung denken mit ein, wie man am Beispiel von Kollegin Fuhrmann gesehen hat. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Cap: Ja!)

Sie hat gesagt – und da sitzen einige Jugendliche oben –: Ihr seid eine kleine Gruppe, und für euch ist die Zukunft noch sehr, sehr weit entfernt. Das ist ziemlich altmodisch gedacht, Frau Kollegin Fuhrmann, für eine Gruppe, die Sie im Hohen Haus vertreten sollen. Sie sind halb so alt wie ich und sprechen doppelt so alte Sätze daher. – Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Fuhrmann: Typisch Lehrer!)

Aber kehren wir zum Regierungsprogramm zurück, denn das soll heute Thema sein. Zukunfts­fest, hat der Herr Bundeskanzler gesagt, nachhaltig, hat er gesagt, und gerecht. Für mich ist das ein Warndreieck, Herr Klubobmann Molterer, das ist kein Dreieck für die Zukunft. Dieses Zukunftsprogramm, das Sie bieten, ist auch kein Fest für die Jugend,. Es ist nämlich kurzfristig und nicht nachhaltig, und es ist ungerecht und nicht gerecht. Ich werde Ihnen das anhand von zwei Beispielen nachweisen.

Wenn wir uns den Bereich Bildung und Ausbildung im Regierungsübereinkommen anschauen, dann fällt auf, dass Sie nicht hineinschreiben, dass Sie sich zur dualen Ausbildung bekennen. Ich nehme es aber einmal an, weil Sie einige Punkte aus dem SPÖ-Lehrlingspaket wahllos herausgegriffen und hineingeschrieben haben. Das bedeutet: Sie haben unsere Forderungen


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7. Sitzung / Seite 205

gelesen, Sie haben sie anscheinend für gut befunden und haben Teile davon übernommen. Sie haben sich aber nicht wirklich damit auseinander gesetzt, denn es sind nicht alle Vorschläge übernommen worden, die notwendig wären, um die Situation von jungen Menschen auf dem Lehrlingsmarkt nachhaltig zu verbessern. Und warum schreiben Sie hinein: „freiwillige Aus­bildungsverbünde“? Es scheint so, als wollten Sie keine Verantwortung übernehmen, und das ist in vielen Punkten zu bemerken. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt außerdem in diesem Paket kein Bekenntnis zu einer Ausbildungsgarantie für junge Men­schen, die Minister Bartenstein schon einmal gepredigt hat. Es gibt kein Bekenntnis von Ihnen zum Recht von jungen Menschen auf Bildung und Ausbildung, und es gibt kein Bekenntnis zu einer wirklich aktiven Lehrlingspolitik. Ich frage mich, wo die 250 Millionen € hingekommen sind, die wir noch im letzten Dezember beschlossen haben und die Sie für arbeitspolitische Maß­nahmen für junge Menschen einsetzen wollten, wenn in Wirklichkeit von Monat zu Monat die Situation der Lehrstellensuchenden schlechter wird und es mittlerweile über 40 000 zwischen 15 und 25 Jahren sind, die keine Arbeit haben. Ich hätte gerne vom Herrn Arbeitsminister Bartenstein erfahren, wo die 250 Millionen € hingeflossen sind. Und vor allem: Alles, was Bildung und Ausbildung betrifft, ist bei Ihnen ein halbherziger Schlingerkurs und ein Trauerspiel, meine Damen und Herren!

Ganz kurz noch ein zweites Beispiel: Der Jugendpolitik an sich sind vier kurze Zeilen, vier Über­schriften gewidmet, ohne wirkliche Inhalte, denn in so einem kleinen Absatz ist nicht genug Platz dafür. Die Inhalte des Regierungsprogramms 2003 unterscheiden sich eigentlich in fast nichts von den Bekenntnissen des Jahres 2000, allerdings mit einem gravierenden Unterschied, meine Damen und Herren: In das Regierungsprogramm 2000 haben Sie zumindest noch Mit­beteiligung und Partizipation hingeschrieben, Mitbestimmung von jungen Menschen. Das EU-Weißbuch Jugend – Herr Bundesminister Haupt hat dem auch zugestimmt – sagt uns, Partizi­pation, Beteiligung von jungen Menschen sei eine der wichtigsten Voraussetzungen, um sie am politischen Geschehen teilhaben zu lassen. Das steht jetzt nicht einmal mehr drinnen in diesem Regierungsübereinkommen!

Ich denke, die Kinder- und Jugendpolitik 2003 müsste doch eigentlich den gleichen Stellenwert haben wie 1998, als Österreich die EU-Präsidentschaft innehatte. Wir hatten damals Mitbestim­mung und Partizipation als eines der wichtigsten, zentralen Anliegen von Jugendpolitik defi­niert. – Aber die Zeiten ändern sich, die Zeiten werden schlechter, die Zeiten sind schwarz-blau, die Zeiten stehen auf Kurs Schüssel II. Wohin dieser Kurs führt, das werden wir noch sehen. Wir warten gespannt darauf. In jugendpolitischen Fragen, meine Damen und Herren, stellen wir nach wie vor gerne unser Know-how zur Verfügung. (Beifall bei der SPÖ.)

20.13


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Freund. – Bitte.

20.13


Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregie­rung! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Die neue Regierung hat nun ihr Amt angetreten und will zukunftsorientiert, gerecht und nachhaltig handeln und wirtschaften und dabei den Menschen in den Mittelpunkt stellen.

Geschätzte Damen und Herren! Wie unser Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel heute bereits festgestellt hat, besteht die österreichische Landesfläche zu 80 Prozent aus ländlichem Raum. Er hat auch ein Bekenntnis zu diesem ländlichen Raum abgelegt. Das Rückgrat des ländlichen Raums sind die Bauern und ihre Familien. Sie tragen wesentlich zur regionalen Wertschöpfung bei, gestalten unseren Lebensraum, schützen die Natur und produzieren gesunde Nahrungsmit­tel. Es muss daher ein wichtiges Anliegen sein, das Einkommen unserer Bauernfamilien zu schützen. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Regierungsabkommen orientiert sich in diese Richtung. Die Bauern setzen große Hoffnun­gen in den neuen Landwirtschaftsminister Josef Pröll. Er hat die Nachfolge von Wilhelm Molte­rer angetreten, bei dem ich mich sehr herzlich für seinen großartigen Einsatz als Landwirt-


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Stenographisches Protokoll
7. Sitzung / Seite 206

schaftsminister bedanken möchte. Gerade als oberösterreichischer Bauer und als Oberöster­reicher mache ich das sehr gerne. Wie ich Josef Pröll kenne, wird er den erfolgreichen Weg des Willi Molterer fortsetzen. Ziel muss es nämlich sein, eine nachhaltige, zukunftsorientierte und bäuerliche Landwirtschaft zu fördern.

Die SPÖ und die Grünen sind bei den Verhandlungen um eine eventuelle Regierungsbeteili­gung mit realitätsfernen Forderungen im Bereich der Landwirtschaft an die Öffentlichkeit getre­ten. (Abg. Dr. Glawischnig: Welche waren das zum Beispiel?) Ich bin froh, dass diese Forde­rungen keine Chance bekommen haben, umgesetzt zu werden. Ich bin froh, dass das wichtige Agrarressort bei der ÖVP geblieben ist, denn da sind die Bauern am besten aufgehoben. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Bauern brauchen Verlässlichkeit in der Politik. Im Regierungsübereinkommen wurden die Einführung von Agrardiesel und eine Betriebsmittelvereinheitlichung im EU-Raum fixiert. Das bedeutet für die österreichischen Bauern, dass sie wenigstens von den Produktionsbedingun­gen her dieselben Voraussetzungen bekommen, wie sie die Kollegen im EU-Raum haben. Ein 3-Milliarden-Euro-Paket ist sehr wichtig, denn es sichert das österreichische Umweltprogramm und die notwendigen Investitionen ab.

Besonders freut mich die beabsichtigte Einführung des Agrardiesels. Seit langem ist es ein Anliegen der Bauern, in diesem Punkt entlastet zu werden – mit der Steuerreform im Jahr 2005 ist dies nun endlich möglich –, damit sie sich im Wettbewerb besser behaupten können. Unsere Bauern werden im Zuge der EU-Osterweiterung ohnehin mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Sie müssen in Zukunft mit weiteren zehn Märkten konkurrieren. Aber auch wenn es schwierig ist: Die EU-Erweiterung ist eine Chance für unser Land, und wir müssen die Chance Europa ergreifen. Wir müssen aber auch die Verantwortung für Österreich übernehmen und uns vor allem im landwirtschaftlichen Bereich für unsere Bürger stark machen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die Wirtschaft hat in Österreich die Rolle der Kon­junkturlokomotive übernommen. Früher ist das immer Deutschland gewesen, aber das ist es bei weitem nicht mehr, denn wir in Österreich sind weit erfolgreicher. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bewerte es als sehr positiv, dass es eine weitere Forcierung des Einsatzes von erneuer­barer Energie geben wird. Der Biomasseeinsatz sollte wesentlich erhöht werden, denn dies dient einer nachhaltigen, zukunftsorientierten Politik, die ich sehr befürworte.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir wollen in Österreich keine Agroindustrie. Wir wollen den österreichischen Weg der familiär geprägten Landwirtschaft fortsetzen. Ich möchte dieser unserer österreichischen Bundesregierung mit Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel an der Spitze alles Gute für die kommende Regierungsperiode wünschen. – Herzlichen Dank! (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.17


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Lackner. – Bitte.

20.18


Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Am Anfang meiner Aus­führungen möchte ich es doch nicht verabsäumen, dem Herrn Bundeskanzler zu danken, dass er in der Regierungserklärung die SPÖ geradezu mit Lob überhäuft hat: Seit 1970 ist der Lebensstandard oder die Lebenserwartung von Frauen um acht Jahre, von Männern um zehn Jahre gestiegen. – So seine Ausführungen. (Abg. Mag. Mainoni: Und ist das ein Verdienst der SPÖ? – Abg. Dr. Partik-Pablé: Dafür ist der liebe Gott, die Schöpfung verantwortlich und nicht die SPÖ! Das ist ja geradezu Blasphemie!)

Dies, Frau Kollegin, auch deshalb, weil es ausgezeichnete Politik durch sozialdemokratische Sozialminister und sozialdemokratische Gesundheitsminister gegeben hat. Das können Sie nicht wegleugnen, denn hier ist einfach die Handschrift der Sozialdemokratie zu sehen. Sie


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waren ja nicht in der Regierung. (Abg. Mag. Molterer: Vielleicht stimmen Sie bei unserem Ent­schließungsantrag mit!)

Herr Kollege Molterer! Und genau jener Fortschritt ist nach drei Jahren blau-schwarzer Regie­rung tatsächlich in Gefahr. Selbst der Herr Bundeskanzler betont in seiner Regierungserklärung, dass nach nur drei Jahren schwarz-blauer Bundesregierung enormer Reformbedarf auch in der Gesundheitspolitik besteht. Er hat richtig diagnostiziert, die Therapievorschläge sind jedoch leider etwas schwächlich und wohl nicht geeignet, unser Gesundheitssystem nachhaltig finan­ziell abzusichern.

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich gibt es auch einige Bereiche, in denen wir durch­aus übereinstimmen und durchaus Konsens zu erzielen sein wird, und zwar gerade in jenen Bereichen, in denen Sie unsere Vorschläge übernommen haben. Ich darf nur zwei Bereiche erwähnen: das Erreichen von Gesundheitszielen in der Prävention und die modulare Ausbil­dung in den Pflegeberufen. Es gibt noch ein paar mehr, die Sie in diesem Bereich von uns übernommen haben.

Lassen Sie mich diesen Befund an einigen Beispielen aus Ihrer Regierungserklärung verdeut­lichen. Sie, meine Damen und Herren, wollen – und das dürfte auch in diesem Hause unbestrit­ten sein –, dass Österreich auch im Jahre 2010 über ein Gesundheitssystem verfügt, dessen höchstwertige Leistungen allen offen stehen, und zwar unabhängig von Einkommen und Alter. Meine Damen und Herren! Umso erstaunlicher ist es jedoch, dass Sie ausgerechnet bei den Pensionisten die Beiträge um ein Prozent erhöhen wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Abgesehen davon, meine Damen und Herren, dass Sie damit die Politik der alten ÖVP/FPÖ-Regierung ad absurdum führen, denn sie hat ja Beitragserhöhungen immer explizit ausge­schlossen, werden nunmehr die Pensionisten von Ihnen in zweifacher Hinsicht belastet: erstens durch die Erhöhung der Beiträge und zweitens durch neue Selbstbehalte. Ich finde es schon erstaunlich, dass sich dann der Bundeskanzler hier herstellt und behauptet, dass es weiterhin einen freien Zugang zu den Leistungen für alle, unabhängig vom Einkommen, geben soll. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Silhavy: Das ist eigentlich ein Skandal!) Hier ist durch Sie wohl der nächste Schritt weg vom Solidarprinzip und hin zum Risikoprinzip vorprogrammiert, meine Damen und Herren.

Nächster Punkt: Gleiche Beiträge bei gleichen Leistungen für alle war natürlich auch Thema der Sondierungsgespräche mit der ÖVP, und unsere Vorschläge zur Harmonisierung der Beiträge und der Leistungen in diesem Bereich waren ja in weiten Teilen auch unbestritten. Geradezu bedauerlich ist es daher, dass den Herrn Bundeskanzler gerade in diesem Bereich der Reform­mut verlassen hat und offensichtlich nur noch bei den Arbeitern und Angestellten harmonisiert werden soll, während alle anderen Gruppen vorerst ausgenommen werden sollen. (Zwischenruf des Abg. Großruck.) Ja, Herr Großruck, da haben Sie das Regierungsprogramm nicht gelesen oder nicht verstanden. Ich nehme an, dass Letzteres der Fall ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Schluss, meine Damen und Herren, noch ein Angebot an Sie: Wir sind bereit, gerade in der Gesundheitspolitik in den Wettbewerb der besseren Ideen einzutreten, weil wir da auf eine große Kompetenz zurückgreifen können. Gerade die Prävention, die ich bereits erwähnt habe, ist ein Paradebeispiel für unsere Kompetenz, und wenn Sie das wollen, werden wir diese unsere Kompetenz auch in weiten Bereichen einfließen lassen. – Danke für Ihre Aufmerksam­keit. (Beifall bei der SPÖ.)

20.22


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einem kurzen Beitrag hat sich Herr Abgeordneter Wittauer zu Wort gemeldet. Es ist seine zweite Wortmeldung. – Bitte.

20.22


Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Als Umweltsprecher der Freiheitlichen ist mir bewusst, dass die Herausforderungen für Österreich im ökologischen Strukturwandel enorm sind. Öster­reich muss für das 21. Jahrhundert Rahmenbedingungen für eine intakte Umwelt schaffen. Die


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Reduzierung von Schadstoffemissionen und die Schonung von Ressourcen müssen dabei im Vordergrund stehen.

Umwelt betrifft alle Bereiche unseres Lebens. Dazu gehören vor allem Energie, Industrie, Ge­werbe, Verkehr und Transportwesen, Landwirtschaft, Wald und Wasser, Tourismus und Frei­zeitwirtschaft sowie Ressourcenmanagement und das Verbrauchs- und Konsumentenverhalten. Allein bei der Aufzählung dieser Punkte ist mir bewusst, dass es in dieser kurzen Zeit nicht möglich ist, auf alles einzugehen, doch einiges möchte ich näher betrachten.

Meine Damen und Herren! Nachhaltiges Wirtschaften im Sektor Industrie und Gewerbe be­deutet, dass der Umstieg auf erneuerbare Rohstoffe beziehungsweise die Einsparung der Roh­stoffe für Produkte und Dienstleistungen auf diesem gesamten Sektor ein Ziel sein muss. Dazu gehören auch der Umstieg auf erneuerbare Energien, Einsparung von Energien, bessere Aus­nutzung der Primärenergien bei der Produktion und bei der Verarbeitung und auch Erreichen der ökologischen Kostenwahrheit. Auch für die Nachhaltigkeit des Verkehrswesens, die einen großen Anteil an der Umweltbelastung darstellt, müssen wir zu neuen Verkehrsstrategien kommen und auch Maßnahmen finden, die eine dauerhafte nachhaltige Entwicklung gewähr­leisten.

Ein Teil davon ist die Verlagerung des Verkehrs auf umweltfreundliche Verkehrsmittel, ein Teil davon ist auch der Ausbau des öffentlichen Verkehrs und die Entwicklung alternativer Fahr­zeuge und Motortechnik. Mit Auslaufen des Transitvertrages darf es nicht zu einem Anstieg der Schadstoffemissionen kommen. Der Transitverkehr muss auch ein Teil unserer Politik bleiben. Außerdem müssen wir eine Novellierung des IG-Luft, das diese Ziele beinhaltet, umsetzen.

Meine Damen und Herren! Ich weiß, wie schwierig es sein wird, das alles umzusetzen. Umwelt betrifft uns alle und lässt niemanden gleichgültig. Ein intaktes, lebenswertes Österreich muss ein Wunsch von uns allen sein, und diesen sollten wir gemeinsam umsetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.25


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Eder. – Bitte. (Abg. Mag. Molterer – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Eder –: Kurt, bleib sachlich!)

20.25


Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren! (Abg. Scheibner: Müsst ihr alle rote Krawatten tragen?) Die ist aber schön, ja? (Abg. Dr. Glawischnig: Ein bisschen einfallslos!) Eine Zeitung hat am Wochenende geschrieben: Nichts Neues bringt diese Regierung im Infra­strukturministerium. Wieder einmal ein neuer Minister wie jedes Jahr in den letzten drei Jahren.

Ich möchte aber schon sagen, dass gerade Minister Reichhold, der jetzt wieder ausgetauscht wurde, meines Erachtens doch einige Kompetenz gezeigt hat. (Demonstrativer Beifall des Abg. Dolinschek.) Ich betrachte das eher als eine Art Opfer, ein bisschen wie ein Bauernopfer. Das ist das eine. Das andere ist, dass ich auch dem neuen Minister Gorbach und seinem Staats­sekretär Kukacka für ihre Aufgaben alles Gute wünsche.

Aber die Tragik in der Verkehrspolitik, meine Damen und Herren, liegt in den vergangenen drei Jahren. Es ist nämlich – ich habe das immer wieder gesagt – nichts so wichtig in der Infrastruk­turpolitik wie die Kontinuität. Wenn diese Kontinuität abreißt, dann dauert es immer relativ lange, bis man wieder zu Investitionen kommt, bis man vor allem wieder zu Investitionen kommt, die auch bauwirksam werden. Da nützt es natürlich jetzt gar nichts, wenn der neue Minister Gorbach meint, er werde bei dem Generalverkehrsplan bleiben, der von allen Fach­leuten angezweifelt werde. Ich habe hier eine Zeitung, das „WirtschaftsBlatt“. Darin steht, dass dieser Generalverkehrsplan nicht finanzierbar ist und lediglich bis 2006 Bedeckung finden kann. Also auch andere sagen, dass man von dem Plan doch so weit abgehen sollte, dass man auch einen Detailplan für die nächste Zeit so erstellt, wie wir das eigentlich vorge­schlagen haben.


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Wenn ich in dem neuen Regierungsprogramm lese, dass die FPÖ/ÖVP-Bundesregierung an diesem unfinanzierbaren 45-Milliarden-Monster weiter festhalten will, dann meine ich, das ist eine falsche Prioritätensetzung. Es ist lediglich eine Auflistung von Wünschen, die die Länder und Gemeinden aneinandergereiht haben. Ich glaube jedoch, man sollte da anders vorgehen.

Österreich, meine Damen und Herren, braucht jetzt eine Infrastrukturoffensive, um die Wirt­schaftsstandortqualität unseres Landes zu heben, um die Chancen der Ostöffnung zu nutzen. Dazu brauchen wir dringend die neuen Verkehrswege, neue Bahnstrecken und neue Schnell­straßen und Autobahnen, und dies vor allem im Osten Österreichs.

Die SPÖ hat bereits vor mehr als eineinhalb Jahren ein Infrastrukturprogramm mit dem Namen „Weg in die Zukunft“ im Ausmaß von 22 Milliarden € vorgelegt, wobei dieses Programm über das LKW-Road-Pricing-System von zirka 30 Cent pro Kilometer, das ja seit Jahren schon nicht umgesetzt wird, verursachergerecht hätte finanziert werden können. Wir müssen – meine Damen und Herren, da appelliere ich wirklich an alle, vor allem an die Regierung – gemeinsam versuchen, den Schwerverkehrszuwachs, der uns auf Grund der europäischen Erweiterung ins Haus steht, auf die Schiene zu bringen, so gut das nur geht. Aber auch die Nord Autobahn und auch die Verbindungen zum Osten hin – Wiener Zentralbahnhof et cetera – sind rasch in Angriff zu nehmen. Ich glaube, da besteht Konsens. Wir müssen nur schauen, wie wir das wirklich über die Runden bringen.

Meine Damen und Herren! Auch der Transitverkehr im Westen liegt uns sehr am Herzen. Laut einer Zeitungsmeldung ist vom neuen Bundesminister gleich wieder das Wort „Veto“ in den Mund genommen worden, was meiner Meinung nach keine gute Aussage war. Ich hoffe, er hat es nicht genau so gesagt, wie es die Zeitung wiedergegeben hat, sonst wäre es schon ein schwerer Schaden für Österreich gewesen. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich auch noch einen Satz zur Verkehrssicherheit sagen. Auch da bieten wir die Zusammenarbeit an. Es geht nicht nur um Drogen am Steuer, meine sehr geehrten Damen und Herren, sondern es geht hier vor allem auch um Alkohol am Steuer, es geht vor allem auch um die LKWs, die mittlerweile bereits an fast jedem zweiten Unfall beteiligt sind. Ich ersuche, daran mitzuwirken, dass wir im Bereich des Verkehrsausschusses, dem ich jetzt vorsitze, gemeinsam ein vernünftiges Konzept erarbeiten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.30


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lapp. – Bitte.

20.30


Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Die Regierung ist im Amt. (Jawohl-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Zeit wird’s!, kann man nur sagen. Monatelang sind die Österreicherinnen und Österreicher an der Nase herumgeführt worden. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.) Zuerst gab es vorgezogene Wahlen wegen einer instabilen Regierung. Nach der Wahl gab es ewig lange Gespräche, Sondierungen hin und her. Und was kommt jetzt raus?– Das Gleiche wie vorher.

Meine Damen und Herren! Die Österreicherinnen und Österreicher wissen schon jetzt, was auf sie zukommt: Von ihnen wird abkassiert, sie werden geschröpft, österreichische Firmen werden verschleudert, Kranke müssen Strafen bezahlen. (Abg. Scheibner: Na geh! Welche Strafe müssen sie zahlen?) Auf der anderen Seite wird Geld ausgegeben für mehr Posten in der Regierung, wird Geld ausgegeben für PR‑Maßnahmen, die den Weichzeichner über diese kom­menden Schröpfaktionen der Regierung legen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine Maßnahme der vorherigen Chaos-Regierung war die Besteuerung der Unfallrenten. Es war dies eine Husch-Pfusch-Regelung, durch die Menschen, die durch Unfälle von der Arbeit abgehalten werden, noch schikaniert werden, denn durch diese Regelung, durch diese Be­steuerung der Unfallrenten werden gerade jene Menschen getroffen, die sich das absolut nicht verdient haben. Der jetzige Vizekanzler Haupt hat im Zuge der Wahlkampfauseinandersetzun-


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gen in der „Pressestunde“ vom 10. November 2002 gesagt, die Unfallrentenbesteuerung müsse weg. Nur: Es gibt kein einziges Wort zur Unfallrentenbesteuerung in der Regierungserklärung. Das ist auch wiederum ein Beweis dafür, dass sich nichts zum Besseren verändern wird. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Tausende Menschen warten darauf, dass eine Veränderung beziehungsweise die Abschaffung der Besteuerung der Unfallrenten kommt. Gerade diese Menschen spüren die soziale Kälte besonders stark. Sie werden sich von der jetzigen Aufgussregierung nicht an der Nase herum­führen lassen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Wittauer: Deshalb seid ihr auch nicht in der Regierung, weil ihr keine Konzepte habt!)

20.32


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Mag. Maier. – Bitte.

20.32


Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einige Worte muss man doch zu den Ausführungen des Kollegen Großruck verlieren. Er hat gemeint: Wolfgang Schüssel – der Leuchtturm! Kollege Großruck, ein Leuchtturm muss leuchten! Und Hand aufs Herz: Hat Wolfgang Schüssel heute geleuchtet? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich glaube vielmehr, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie müssen aufpassen, dass ... (Abg. Großruck: Sie sind noch jetzt ganz geblendet von den Strahlen!) Nein, Kollege Großruck, nehmen Sie eines zur Kenntnis: Wenn ein Leuchtturm nicht leuchtet, gehen Schiffe unter. Und Sie müssen aufpassen, dass Sie mit Wolfgang Schüssel nicht untergehen. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Ihnen geht auch heute kein Licht mehr auf!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses Regierungsprogramm, das heute hier vorliegt, möchte ich unter einem Aspekt beobachten: Was wird tatsächlich für die Konsumenten ge­macht? Da gibt es jetzt eine Staatssekretärin – angeblich ohne Kompetenzen –, auf der ande­ren Seite hat Herr Bundesminister Haupt gemeint, er will den Konsumentenschutzstandard in Österreich international hoffähig machen. Das war am letzten Freitag. Ich frage mich nur: Warum ist das nicht in der letzten Periode passiert? Und wenn ich mir nun das Programm ansehe, dann muss ich eines festhalten, meine sehr verehrten Damen und Herren: Sie haben eine große Chance vertan. Ihr Programm ist altmodisch! Und glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede. (Lebhafte ironische Heiterkeit bei der ÖVP.)

Ich könnte Ihnen sagen, wie Konsumentenschutzpolitik in Österreich und international gemacht werden soll. Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben nicht einmal das verbrau­cherpolitische Programm der Europäischen Union für die Jahre 2002 und 2006 berücksichtigt, obwohl die Kommission alle Regierungen aufgefordert hat, diese Zielsetzungen zu berücksichti­gen. Wo sind die Fluggastrechte? Wo sind die Rechte für die Bahnkunden? Was steht drinnen in Ihrem Programm über den Zugang zum Recht? – Meine sehr verehrten Damen und Herren, es steht nichts drinnen! Daher haben Sie eine große Chance vertan, weil Sie es nicht einmal gewagt haben, bestehende Probleme zu lösen.

Ich vermisse eine große Schuldrechtsreform, ich vermisse eine Vereinheitlichung der Konsu­mentenschutzbestimmungen in Österreich, beispielsweise die Vereinheitlichung der Rücktritts­fristen, ich vermisse hier klare Aussagen zu den Banken. Herr Bundesminister Böhmdorfer wurde anscheinend kaltgestellt. Er darf jetzt nichts mehr gegen die Banken unternehmen. Und jetzt frage ich Sie: Was machen Sie weiterhin im Zinsenskandal der Banken, der von den Arbei­terkammern aufgedeckt worden ist? Was machen Sie im Wertpapierbereich und im Anleger­bereich? Oder wie geht es überhaupt weiter im Lebensmittelbereich?

Ich lese im Regierungsprogramm von „Transparenz durch Kennzeichnung“. Das ist ein absolut verfehlter Ansatz. Wissen Sie, warum? – Weil die Kennzeichnungsangaben in etwa 50 Prozent der Fälle nicht stimmen. Was wir benötigen, ist ein Konsumenteninformationsgesetz.


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Das Bundestierschutzgesetz soll kommen. Ich merke nur an: Die Vollziehung sollten allerdings die Agrarier in den Bundesländern übernehmen. Ich wünsche dem Tierschutz viel Glück. Insbe­sondere habe ich arge Bedenken, wenn in Bundesländern wie Salzburg dieser Tierschutz dann an EU-Standards herabgeführt werden soll.

Kurzum, meine sehr verehrten Damen und Herren: Sie reden von der Zukunft, aber ich meine, dieses Regierungsprogramm kann keine Zukunft haben. (Beifall bei der SPÖ.)

20.36


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Mag. Moser. – Bitte.

20.36


Abgeordneter Mag. Hans Moser (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! „Beginnt euch zu sorgen – Details folgen.“ – Diesen Titel verwendet Reinhard Göweil in seiner jüngsten Ausgabe der „Finanznachrichten“, wo er auf das Koalitionsabkommen eingeht. Und ich glaube, in der Tat besteht Anlass zur Sorge, wie die heutige Regierungserklä­rung und die Beiträge der Regierungsmitglieder zutage brachten.

Es ist ein hehres Ziel von Bundesminister Bartenstein, wenn er den Wirtschaftsstandort Öster­reich unter die Top 3 bringen möchte. Das ist ein Ziel. Wir unterstützen dieses Ziel, aber die Wege, die wir einschlagen würden, sind andere.

Was ist die Ausgangslage? – Wir haben in der letzten Plenarsitzung vom Herrn Bundeskanzler gehört, dass sich Österreich in der Wirtschaftsstandortplatzierung um elf Ränge verbessert hätte. Ich habe nachrecherchiert. Ich konnte von dieser Verbesserung in keiner einzigen Zeit­schrift, in keinem einzigen internationalen Bericht lesen. Vielmehr ist wahr, dass im Global Competitiveness Report 2001 und 2002 Österreich in den letzten drei Jahren konstant an der 18. Stelle lag. Ein ähnlicher Befund von European Innovation Scoreboard 2002 bringt Öster­reich einen Verlust in der Rangierung, und wir haben das ja voriges Jahr auch in der Industriel­lenvereinigung diskutiert. Also der angestrebte dritte Platz in diesem Bereich konnte in dieser Regierungsperiode nicht erreicht werden, sondern Österreich ist auf den 10. Platz zurückge­fallen.

Eine weitere Korrektur zu Aussagen von Minister Bartenstein heute. Er hat gesagt, Österreich hat seit langem erstmals einen Handelsbilanzüberschuss. Das ist richtig, aber dieser Handels­bilanzüberschuss ist nicht nur auf Grund der starken Exportwirtschaft zustande gekommen, sondern insbesondere deshalb, weil die Importe drastisch zurückgegangen sind. Die Österrei­cherinnen und Österreicher hatten in den letzten drei Jahren weniger Geld in den Taschen, konnten sich daher weniger leisten, weniger wegfahren, und das hat dazu geführt, dass wir erstmals einen Handelsbilanzüberschuss haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Stummvoll: Soll unsere Kaufkraft ins Ausland gehen? – Abg. Dr. Fekter: Wollen Sie das?)

Insbesondere ist anzumerken, dass es die osteuropäischen Nachbarstaaten sind, die eigentlich die österreichische Wirtschaft stützen beziehungsweise davor schützen, dass wir nicht weiter in die Kriechspur zurückfallen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe heute auch drei Zauberwörter gehört: Flexi­bilisierung, Liberalisierung, Deregulierung. Das sind keine wirtschaftspolitischen Konzeptionen, mit denen man Österreich auf die Überholspur bringen könnte. Göweil hat in seiner Analyse – und ich habe das auch nachvollzogen – festgestellt, dass dieses Wirtschaftskonzept, das hier zugrunde liegt, keinerlei Vernetzung aufweist, sondern es ist eine beliebige Aneinanderreihung von Einzelmaßnahmen.

Ich möchte dazu ein Beispiel bringen, das Beispiel der Forschungs- und Entwicklungsförderung. Das Ziel ist unbestritten: Wir wollen hier von 1 auf 2,5 Prozent kommen. Dieser Prozentsatz er­fordert viel Geld, dessen Aufbringung unsicher ist, dieser Prozentsatz erfordert aber auch viele Wissenschafter. Gleichzeitig beginnt man, bei den Restbetrieben der Verstaatlichten, aber auch in der neuen Infrastrukturholding einen Verschleuderungs- und Zerschlagungsprozess einzulei-


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ten, der wiederum hochwertige Arbeitsplätze vernichtet. Das heißt, die neu geschaffenen For­schungsentwicklungen können gar nicht aufgenommen werden, weil die Arbeitsplätze weg­rationalisiert werden, wie die Beispiele Semperit, Benetton und Immuno zeigen.

Aber auch die Tourismusbranche mit einem Anteil von 20 Prozent findet in ihren eigenen Reihen nicht ausreichend Geltung. So wurde geschrieben, dass der Hotelierverbandssprecher aus der ÖVP austreten will, weil er sich mit deren Konzeption nicht zurechtfindet. Und auch der Vertreter der Jungen Wirtschaft hat festgestellt, dass dieses Wirtschaftsprogramm nur eine Sammlung von Überschriften ist.

Eine Bemerkung zum Schluss, da ich das rote Licht schon sehe: In dieser Regierungserklärung wurde sehr oft das Wort „Zukunft“ verwendet. – Vielleicht ist das treffendste Wort über die Zu­kunft von Karl Valentin, dem großen Satiriker und Komiker aus München, der einmal gesagt hat – und das ist vielleicht das Motto dieser Regierung –: „Die Zukunft war früher auch besser!“ (Beifall bei der SPÖ.)

20.42


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Abgeord­nete Mag. Sima. – Bitte.

20.42


Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Eine neue Regierung mit einem neuen Umweltminister bietet – zumindest theoretisch – auch eine neue Chance. Allerdings wird bei der Lektüre des Regie­rungsprogramms relativ schnell klar, dass offensichtlich – und ich stelle das mit großem Be­dauern fest – die etwas unambitionierte Umweltpolitik der letzten drei Jahre eins zu eins weiter­geführt werden soll.

So ist etwa Punkt 14, der sich „Nachhaltigkeit, Umwelt und Landwirtschaft“ nennt, leider sehr dürftig ausgefallen. Abgesehen davon, dass der Begriff „Nachhaltigkeit“ im Wesentlichen nur in der Überschrift und im allerersten Satz vorkommt, findet sich darin wenig zum Thema Nach­haltigkeit. Es fehlen die innovativen und zukunftsweisenden Ansätze, die ich mir sehr erhofft und erwünscht habe. Ich möchte das an ein paar Beispielen belegen.

Sie haben das Beispiel Klimaschutz heute erwähnt. Was Sie aber nicht gesagt haben, ist, dass das Umweltressort bereits im Jahr 2000 eine Klimastrategie vorgelegt hat. Diese Klimastrategie sieht vor, dass man 90 Millionen € jährlich investieren muss, damit Österreich das Kyoto-Ziel er­reichen kann. Was Sie jetzt präsentieren, ist, dass es ab 2006 diese 90 Millionen € geben wird. Das heißt, wir haben zwei Jahre, bevor der Beobachtungszeitraum beginnt, erstmals die offi­zielle Summe, die das Umweltressort selbst vorgelegt hat, um Klimaschutzinvestitionen zu täti­gen. Die Folgen davon sind fatal, denn wir werden das Kyoto-Ziel im Beobachtungszeitraum nicht erreichen! Die Emissionen – und das wissen Sie – steigen derzeit auch schon. Ich meine, es ist einfach etwas mager, wenn das das Einzige ist, was die neue Bundesregierung im Be­reich des Klimaschutzes zu bieten hat! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dabei hat man – wie Sie alle ganz genau wissen – gerade im Klimaschutzbereich eine gute Möglichkeit, Umweltschutz mit Arbeitsplatzschaffung zu verbinden. Das Wirtschaftsforschungs­institut hat berechnet, dass man damit, wenn seit dem Jahr 2000 diese 90 Millionen € investiert worden wären, 25 000 Arbeitsplätze schaffen könnte. So würde man sozusagen das Ange­nehme mit dem Nützlichen verbinden, und deswegen ist es mir umso unverständlicher, dass Sie das nicht gemacht haben!

Beispiel Anti-Atompolitik: Außer dem Entschließungsantrag aus der letzten GP ist Ihnen zum Thema Temelín wenig eingefallen! Herr Umweltminister! In diesem steht, dass Sie Gespräche zur Nullvariante über Temelín führen wollen. Wir wissen aber beide, dass die Blöcke voll am Netz sind und laufen, wenn es nicht gerade eine Panne gibt. Da können doch nicht einmal Sie noch glauben, dass die Tschechen ernsthaft mit uns über eine Nullvariante ver­handeln werden!


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Das ist also dürftig. Es gibt keinerlei neue Ansätze für eine neue Antiatompolitik, und das finde ich sehr mager und sehr schade nach alledem, was von Ihnen in den letzten drei Jahren im Hin­blick auf ein gutes Klima schon verdorben wurde. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ganz kurz noch das Beispiel Abfall und Altlasten: Sie wissen genau, dass der Anteil an Mehr­wegflaschen in den letzten Jahren wirklich dramatisch zurückgegangen ist. Die Mehrweg-Mine­ralwasserflasche wird bald eine seltene Spezies sein, die wir im Supermarkt mit der Lupe suchen können. Umweltminister Molterer hat sich jedoch leider nie zu einer Maßnahme durch­ringen können. Es gab nun gewisse Hoffnungen, dass ein neuer Umweltminister diesbezüglich jetzt tätig wird. Leider sehe ich aber in diesem Programm nur die Selbstverpflichtung der Wirt­schaft, und wir wissen, die Selbstverpflichtung der Wirtschaft bringt uns in diesem Bereich über­haupt nichts. Ganz im Gegenteil: Die Mehrwegflaschenanteile sinken und sinken und sinken! – Ich habe mir doch erhofft, dass es da von Ihnen vielleicht eine neue Initiative gibt, gemäß welcher man sich ein bisschen über diese Lobby hinwegsetzt, die offensichtlich unbedingt die Einwegflasche in Österreich durchdrücken will. Aber leider ist auch auf diesem Gebiet nichts geschehen!

Das sind nur einige Punkte aus dem neuen Regierungsprogramm. Ich kann Ihnen nicht verheh­len: Ich bin enttäuscht, weil ich finde, dass hier eine gute Chance verpasst wurde, einen Neu­start zu wagen, nachdem alles schon ein bisschen eingefahren ist. In mir bestätigt sich damit leider wieder der Verdacht, dass die Umwelt auch weiterhin ein Anhängsel der Landwirtschaft sein soll, und das ist eine Entwicklung, die ich nicht besonders fördern möchte. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.46


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Krainer. – Bitte.

20.46


Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren der Bundes­regierung! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Regierungsprogramm ist menschenrechtswidrig. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Nicht das ganze Pro­gramm! (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé.) Es wurde ja zu weiten Teilen hauptsächlich von den Sondierungs­ge­sprä­chen abgeschrieben, und da habt ihr Vorschläge der beiden Oppo­sitionsparteien über­nom­men. Aber sonst besteht es im Wesentlichen aus nichts sagenden Überschriften und Plattitü­den! (Zwischenruf des Abg. Großruck.)

Aber nicht ganz! Wenn wir im Kapitel 4 auf Seite 8 im letzten Absatz nachlesen – Sie können gleich mitschauen! –, dann sehen wir, dass die Familienzusammenführung weiterhin nur inner­halb der Quote geregelt werden soll. (Abg. Scheibner: Wo steht das?) Das halten wir schlicht und einfach für menschenrechtswidrig, weil es dem Artikel 8 der Menschenrechtskonvention widerspricht! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist aber nicht nur menschenrechtswidrig, sondern es ist auch unmenschlich! Wir bescheiden Menschen, dass sie sehr wohl nach Österreich kommen dürfen, aber erst in zwei oder drei Jahren. Wir bescheiden Kindern mit vier, fünf oder sechs Jahren, dass sie nach Österreich kommen dürfen, aber erst, wenn sie sieben, acht oder neun Jahre alt sind.

Meine sehr geehrten Abgeordneten von der ÖVP! Sie können weiterhin die Politik machen, die Sie in den letzten Jahren gemacht haben, um sich zum Erfüllungsgehilfen der FPÖ bei dieser unmenschlichen Politik zu machen! Sie können weiterhin einen hohen Druck von illegaler Migration erzeugen! Und Sie können auch weiterhin extrem hohe Kosten bei der Integration ver­ursachen! Wenn Sie nämlich vor allem Kinder mit vier oder fünf Jahren nach Österreich kommen lassen, dann sind die Kosten und auch die Schwierigkeiten für die Kinder, die Sprache selbst zu erlernen, und auch die Kosten für die Republik, diese Kinder dabei zu unterstützen, wesentlich geringer, als wenn sie erst mit sieben oder acht Jahren kommen dürfen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Großruck.)


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Sie können auch weiterhin eine mögliche Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof riskieren, eine weitere Verurteilung! Das wird sicherlich unserem Image und unserer Reputation in Österreich sehr gut tun! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie haben diesbezüglich keine Ahnung!)

Zusammenfassend: Diese Politik ist unmenschlich, finanziell absurd, wider die Menschenrechte und läuft vor allem Ihrer eigenen Politik zuwider! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Was Sie da sagen, ist absolut falsch!) Sie schreiben selbst: Integration vor Neuzuzug. – In Wahrheit erschweren Sie die Integration! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie sind völlig uninformiert!) Sie müssen doch selbst zugeben, dass die Integration eines vierjährigen Kindes wesentlich leichter vonstatten geht als die eines sieben- oder achtjährigen Kindes! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Warum reden Sie zu einem Thema, von dem Sie keine Ahnung haben?)

Ihre Politik führt dazu, dass die Kinder halt zwei oder drei Jahre im Ausland warten müssen.

Aus diesem Grund darf ich einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Krainer, Parnigoni und Genossinnen betreffend die Schaffung einer Sonderquote für die Familienzusammenfüh­rung einbringen, den ich hiermit verlese:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Krainer, Parnigoni und Kollegen betreffend die Schaffung einer Sonderquote für die Familienzusammenführung.

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat spätestens bis 31. März 2003 eine Novelle des Fremdengesetzes vorzulegen, wonach eine Sonderquote für den Familiennachzug geschaffen wird, um diese im Ausland wartenden Menschen so rasch wie möglich mit ihren bereits in Österreich lebenden Familienangehörigen zusammenzuführen. Der bestehende „Rucksack“ bei der Familienzusammenführung soll dadurch schrittweise abgebaut werden.

*****

Ich komme damit zum Schlusssatz: Natürlich muss zu dem Zeitpunkt, zu dem dieser Rucksack abgebaut sein wird, die Familienzusammenführung aus der Quote herausgenommen werden, weil sie dort nichts verloren hat. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.50


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist aus­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dobnigg. – Bitte.

20.50


Abgeordneter Karl Dobnigg (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Werte Kolleginnen und werte Kollegen! Wir haben heute die Neuauf­lage von Schwarz-Blau hier im österreichischen Nationalrat erlebt. Viele schöne Worte haben wir in den Aussagen und Reden der Minister und Ministerinnen, aber auch der ÖVP- und FPÖ-Abgeordneten gehört.

Leider kommen aber in der nächsten Zeit immer wieder große Belastungen auf die Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer, vor allem aber auch auf unsere Pensionistinnen und Pensionisten zu. Sie von den Regierungsparteien sprechen davon, begonnene Reformen fortsetzen zu wollen. Diese so genannten Reformen bedeuten jedoch vor allem eine Fortsetzung der Belas­tungspolitik der letzten drei Jahre zum Schaden und Leidwesen der Menschen in diesem Lande. (Zwischenruf des Abg. Großruck.)


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Wiederum steht das Stopfen von Budgetlöchern im Vordergrund. Das gedankenlose Abkassie­ren beginnt bei der massiven Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge für Pensionistinnen und Pensionisten und endet bei der angeblichen Pensionssicherungsreform – jetzt plötzlich neu –, die nichts anderes ist als eine Aktion auf dem Rücken derjenigen, die Österreich in den Jahren nach Ende des Zweiten Weltkrieges mühsam aufgebaut haben.

„Länger arbeiten für weniger Pension.“ – Dieses Motto steht im Mittelpunkt Ihrer Überlegungen. Männer mit über 50 und Frauen ab 40 Jahren haben schon jetzt kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Ich kenne viele Frauen und Männer, welche gerne arbeiten würden, jedoch in unserer Region keine Chance auf einen Arbeitsplatz haben und deshalb nach einem arbeits­reichen Leben dazu gezwungen sind, bis zum Pensionsantritt Arbeitslosengeld oder Notstands­hilfe zu beziehen.

In der morgigen „Kronen Zeitung“ findet sich der Übertitel: „ Die ‚Fallstricke’ bei der Pensionsre­form“, und im Vorspann steht: Noch nie hat eine Regierung so drastische Einschnitte in das Pensionssystem angekündigt. Selbst für heute 60-Jährige wird es in der Regel keine Über­gangsbestimmungen geben.“ – Zitatende.

Hier sehen Sie die Wertschätzung und Ihre soziale Kälte gegenüber diesen älteren Menschen. (Beifall bei der SPÖ.)

Im „Kurier“ vom 6. März findet sich die Überschrift: „Bei uns in der Firma überlebt keiner die 49“. – Die zur Verfügung stehende Zeit ist jetzt zu kurz, um auf Details näher einzugehen. Des­halb möchte ich ein paar mir besonders wichtig erscheinende Punkte herausgreifen.

Die Misere beginnt bei der Abschaffung der Frühpension. Bereits heute gehen nur mehr die Hälfte der Menschen direkt von ihrem Arbeitsplatz und einer aktiven Beschäftigung in Pension, sondern von der Arbeitslosigkeit oder der Notstandshilfe. Schon während der Regierung Schwarz-Blau I wurde das Pensionsantrittsalter überfallsartig angehoben, und die Auswirkun­gen auf dem Arbeitsmarkt waren verheerend. Innerhalb der letzten zwei Jahre stieg die Arbeits­losigkeit bei über 55-jährigen Frauen um insgesamt 80,3 Prozent und bei über 60-jährigen Männern sogar um 117,2 Prozent! Geradezu provokant scheint es daher zu sein, wenn gleich­zeitig von dieser Bundesregierung am Kauf milliardenteurer Abfangjäger festgehalten wird! (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Die österreichische Sozialdemokratie bekennt sich zur Notwendigkeit langfristiger Reformschritte auf Basis des umlagefinanzierten Pensionssystems. Wir haben diesbezüglich auch zahlreiche Ideen und Vorschläge präsentiert wie etwa die Verein­heitlichung des Pensionssystems, die Einführung eines leistungsorientierten Pensionskontos, die Hebung der Erwerbsquote, eine eigenständige Alterssicherung für Frauen und vieles mehr. Wogegen wir uns sehr wohl aussprechen, ist eine unausgewogene Pensionskürzungsreform, bei der die Lasten einseitig verteilt sind und vor allem diejenigen von Einschnitten im persön­lichen Einkommen betroffen sind, die ein Leben lang hart gearbeitet haben und durch die Ab­schaffung der Frühpension ein weiteres Mal bestraft werden.

Abschließend noch ein Zitat vom AK-Chef Dinkhauser aus Tirol, der, wie Sie wissen, ein ÖVP-Mitglied ist. – Von ihm zitiert die „Kleine Zeitung“ vom 26. Februar dieses Jahres folgende Aus­sage:

„Das ist die größte soziale Schweinerei, die mir je unterkam. Schüssel soll die Bibel lesen und handeln, wie es einer christlich-sozialen Partei entspricht.“ – Zitatende.

Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)


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7. Sitzung / Seite 216

20.55


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. Er hat sich 5 Minuten vorgenommen. – Bitte.

20.55


Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren der neuen Bundesregierung! Ich möchte einleiten mit den Worten eines meiner Vorredner, des Leucht­turmwärters und Heimatdichters Großruck. (Heiterkeit.) Lieber Herr Kollege Großruck! Du hast ausgeführt, dass der Bundeskanzler der Leuchtturm ist. (Abg. Großruck: Jawohl!) Ein Leucht­turm ist aber etwas sehr Statisches, das steht! (Abg. Scheibner: Es ist stabil!) Da rührt sich nichts, genauso wie in dem Regierungsprogramm, da rührt sich auch nichts! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Trinkl.) Das sind lediglich Überschriften!

Eine zweite Frage habe ich noch an dich. Wenn der Bundeskanzler der Leuchtturm ist, hast du ihm dann vielleicht die Lizenz zum Steuern entzogen? – Das könnte man vielleicht auch sagen, wenn man dieses Regierungsprogramm anschaut! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Großruck.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe versucht, dieses Regierungsprogramm auf den Begriff Gemeinden hin zu durchleuchten. – Gemeinden sind doch diese Vereinigungen be­ziehungsweise Ortschaften, in welchen jeder Österreicher und jede Österreicherin lebt. Jeder von uns lebt in einer Gemeinde. Wenn man sich das Regierungsprogramm näher anschaut, dann bemerkt man, dass der Begriff „Gemeinde“ kaum vorkommt. Ganz am Anfang habe ich mir gedacht: Beim Konvent wird doch etwas von der Gemeinde stehen. (Zwischenruf des Abg. Großruck.) Da steht aber nur etwas vom Subsidiaritätsprinzip. Ich meinte, dieses geht hinunter bis zu den Gemeinden. Aber nein! Da steht nur, dass die Stärkung der Länderrechte Aufgabe des Konvents ist.

Eine interessante Bemerkung habe ich aber auch im Zusammenhang mit dem Konvent gesehen, die ich voll unterstütze, nämlich die Verbesserung der Zuständigkeit im Katastrophen­schutz. Dafür bin ich auch!

Aber dann geht es schon weiter im Imperativ. Da geht es um die Briefwahl, und da heißt es, dass die Gemeinde zu benachrichtigen hat. Das ist die neue Aufgabenorientiertheit, von der heute schon so viel die Rede war! Es gibt eine neue Aufgabe für uns, aber kein Mensch hat gesagt, ob wir dafür auch etwas bekommen!

Das geht in dieser Form weiter. Ich habe ein interessantes Kapitel betreffend Nahversorgung gefunden, und zwar unter Punkt 6, wenn das jemand mitverfolgen will. Da heißt es: „Verlage­rung der Abgabenermächtigung für die Verkehrsanschlussabgabe von den Gemeinden zu den Ländern.“ – Das ist eine spannende Geschichte. Wer erklärt mir denn, bitte, was die Verkehrs­anschlussabgabe ist? Ich kenne sie nicht! (Abg. Mag. Molterer: Herr Bürgermeister! Was bist du für ein Bürgermeister, wenn du diese nicht kennst?) Diese gibt es nicht! (Abg. Mag. Molte­rer: Doch!) Aber sicherheitshalber nehmen wir den Gemeinden gleich einmal die Ermächtigung weg, diese zu kassieren. Das ist wirklich sehr positiv für uns Gemeinden!

Dann habe ich noch etwas Interessantes beziehungsweise Spannendes gefunden. Der Herr Bundeskanzler hat heute davon geredet, dass man sagen soll, was ist. Da ist mir aufgefallen, dass es im Kapitel 17, Medien, im Abschnitt 6, Anzeigen- und Ankündigungsabgabe, heißt:

„Abschaffung der Anzeigen- und Ankündigungsabgabe im Rahmen des nächsten FAG wird angestrebt, um der Medien- und Werbewirtschaft neue Impulse zu geben.“

Herr Bundeskanzler, ich muss Ihnen sagen: Das ist nicht mehr! Es gibt keine Anzeigen- und Ankündigungsabgabe mehr! Diese wurde vor zwei Jahren, glaube ich, in die Werbesteuer umgewandelt. Und diese wollen Sie jetzt den Gemeinden auch wegnehmen? Danke schön!, kann ich da nur im Namen der Gemeinden sagen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Was auch im Zusammenhang mit der Werbesteuer steht: Ich lese nichts davon, dass Sie, wenn die Getränkesteuer auf Grund des EU-Urteils zurückzuzahlen ist, dann die Gemeinden entlas­ten. Davon lese ich hier nichts!


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7. Sitzung / Seite 217

Außerdem habe ich noch einen interessanten Passus gefunden, und zwar betreffend das öffentliche Eigentumsverzeichnis: „Zur Erhebung des vorhandenen Eigentums bei Bund, Län­dern, Gemeinden und Fonds wird ein öffentliches Eigentumsverzeichnis erstellt.“ – Ich meine: Was die an Gemeinden und Liegenschaften besitzen, finden sie im Grundbuch. Wenn sie Firmen besitzen, so ist das im Firmenbuch zu sehen. – Sie aber wollen das alles auf einem Zettel zusammen haben, um wahrscheinlich die Privatisierung weiterführen zu können.

Abschließend noch eine Aussage, noch eine Bemerkung zu diesem „aufgabenorientierten Be­völke­rungsschlüssel“. Das klingt ja wirklich gut. Aufgabenorientiert heißt, dass die Gemeinden so viel Geld bekommen, als sie Aufgaben haben. Nur – und darüber werden wir uns sehr genau unterhalten, Herr Kollege Auer –: Wer legt denn die Aufgaben fest? Legen das die Gemeinden fest oder wir miteinander? – Da wäre ich dabei.

Oder aber sagt der Herr Landeshauptmann oder der Herr Bundeskanzler, was unsere Aufgabe ist, und haben wir dann überhaupt nichts mehr zu sagen? Die Tendenz geht doch dahin, denn die Bezirksverwaltung als „verlängerter Arm“ des Landeshauptmannes soll ja Ihrer Ansicht nach gestärkt werden.

Meine Damen und Herren! In Anbetracht der vorgerückten Stunde und in einer zusam­menfassenden Beurteilung Ihres Regierungsprogrammes lassen Sie mich ganz volkstümlich sagen: Na, guate Nacht! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.01


Präsident Dr. Andreas Khol: So weit ist es noch nicht, Herr Abgeordneter! Es gibt noch einige Redner und Abstimmungen.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mandak. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

21.02


Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Ich nehme nicht nur Ihr Regierungsprogramm sehr ernst, sondern auch Ihre Regierungserklärung. Im Regierungsprogramm haben Sie unter dem Punkt „Frauen“ den geschlechterbezogenen Sprachgebrauch in öffentlichen Schriftstücken als sehr wichtigen Punkt, und zwar an prominenter zweiter Stelle, angeführt.

So ein Tag ist ja lang, und dann habe ich mir einmal diese Regierungserklärung näher ange­schaut, die uns heute der Herr Bundeskanzler verlesen hat, und die Bilanz ist sehr eindrucks­voll: Dabei gab es nämlich insgesamt fünf Mal den ehrenwerten Versuch, von „Österreiche­rinnen und Österreichern“ zu sprechen. Das ist ja sozusagen schon tief gesickert; das ver­wendet selbst der Herr Bundespräsident immer wieder.

Und dann gab es einmal den rasanten Anlauf, von „Bäuerinnen und Bauern“ zu sprechen. Und: That’s it! Fertig! – Demgegenüber stehen jedoch 65 Ausdrücke, die genau dem wider­sprechen, was Sie selbst in Ihrer Regierungserklärung festgeschrieben haben.

Es geht um die Sorgen „unserer Bürger“, es geht um Migranten, um Sozialpartner, um ein Euro­pa, das für den Einzelnen spürbar, erlebbar ist, es geht um Österreicher, natürlich geht es auch um Pflichtschullehrer und Schüler. Es geht um Mitarbeiter, um Arbeitnehmer und Arbeit­geber, um Konsumenten, um Bauern, um Gastronomen, es geht sogar um Handwerker, Seil­bahnunternehmer und Demographen. (Abg. Mag. Mainoni: Haben Sie die Beistriche auch gezählt?)

Es geht auch um Künstler, Ärzte, die haben natürlich nur Patienten, es geht auch um die Partner der Wirtschaft, um Leistungsträger, Steuerzahler und zu guter Letzt um Rentner, und es geht tatsächlich um Tausende Wissenschaftler, es geht um Forscher, Experten, in Unter­nehmen, Universitäten, Forschungseinrichtungen.

Ein Zitat aus dieser Regierungserklärung: „,Dem Bürger dienen – moderne Dienstleistung er­bringen’“ – das ist unser Prinzip für ein zeitgemäßes Staatsverständnis.“


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7. Sitzung / Seite 218

Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung, ich fordere Sie auf: Dienen Sie nicht nur den Bürgern, sondern auch den Bürgerinnen! Halten Sie sich an Ihr eigenes Regierungsprogramm! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Prinz: Eine „ausgezeichnete“ Vorlesung!)

Ich kann Ihnen versprechen: Sie werden nicht nur nach Ihren schönen, salbungsvollen Worten beur­teilt, sondern auch nach Ihren Taten! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Ab­ge­ordneten der SPÖ.)

21.05


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet.

Ich stelle fest: Wir hatten heute 99 Wortmeldungen – und keinen einzigen Ordnungsruf; das ist doch eine schöne Bilanz.

Die Debatte ist geschlossen, und wir gelangen zur Abstimmung.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Molterer, Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung des Regie­rungs­programmes der österreichischen Bundesregierung für die XXII. Gesetzgebungsperiode.


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7. Sitzung / Seite 219

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Angenommen. (E 2.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Spindelegger, Dr. Bösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Irak-Krise.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Angenommen. (E 3.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein entsprechend ausgestaltetes Kontrollstellennetz für den LKW-Verkehr.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Valorisierung des Pflegegeldes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Schie­der, Mag. Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Irak-Krise.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend umgehenden Abbruch der Abfangjäger-Be­schaffung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mandak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Quotierung der Familienzu­sammenführung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Gaál, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beschaffungsstopp für Kampfflugzeuge.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen schließlich zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer Sonderquote für die Familienzu­sammenführung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Einlauf


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 61/A bis 69/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 158/J bis 185/J eingelangt.

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Die Tagesordnung ist erschöpft.

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betrifft, berufe ich für 21.09 Uhr, also gleich im Anschluss an diese Sitzung, ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 21.08 Uhr

 

 

 

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