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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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68. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXIII. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 10. Juli 2008

 

 


Stenographisches Protokoll

68. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXIII. Gesetzgebungsperiode               Donnerstag, 10. Juli 2008

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 10. Juli 2008: 9.04 – 18.58 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Erklärungen des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zur österreichischen EU-Politik

2. Punkt: Bundesgesetz über die Finanzprokuratur (Finanzprokuraturgesetz – ProkG)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Grundsteuergesetz 1955, das Alkoholsteuerge­setz, das Biersteuergesetz 1995, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Tabaksteu­ergesetz 1995, das Mineralölsteuergesetz 1995 und das IAKW- Finanzierungsgesetz geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2008)

4. Punkt: Bericht über den Antrag 837/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stumm­voll, Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz über die Haftungsübernahme für die Ausstellung „Vincent van Gogh. Gezeichnete Bilder“

6. Punkt: Antrag der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Dkfm. Dr. Hannes Bauer, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wärme- und Kältelei­tungsausbaugesetz erlassen und das Energie-Regulierungsbehördengesetz geändert wird (853/A)

7. Punkt: Bericht über den Antrag 780/A(E) der Abgeordneten Wolfgang Großruck, Christian Füller, Kolleginnen und Kollegen betreffend weltweit zunehmende Verfolgun­gen von Christen und Sicherung der Religionsfreiheit

8. Punkt: Bericht über den Antrag 806/A(E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Menschenrechte in China vor den Olympischen Spielen 2008 – Freilassung von Gewissensgefangenen

9. Punkt: Erstattung eines Vorschlages für die Wahl eines Mitgliedes der Volksanwalt­schaft

10. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) geändert wird (753/A)

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Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 2

Inhalt

Nationalrat

Mandatsverzicht der Abgeordneten Beate Schasching ............................................. 13

Angelobung des Abgeordneten Johann Hell .............................................................. 13

Beschluss auf Beendigung der ordentlichen Tagung 2007/2008 der XXIII. Ge­setzgebungsperiode des Nationalrates mit 18. Juli 2008 ..................................................................................... 201

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................. 13

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwor­tung 4207/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung ........................................................................................ 30

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung         131

Redner/Rednerinnen:

Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS........................................................................ ... 131

Bundesministerin Dr. Maria Berger ..................................................................... ... 134

Dr. Johannes Jarolim ............................................................................................. ... 136

August Wöginger .................................................................................................... ... 137

Barbara Zwerschitz ................................................................................................ ... 139

Dr. Peter Fichtenbauer ........................................................................................... ... 140

Ursula Haubner ....................................................................................................... ... 142

Antrag des Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen im Sinne des § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Anwesenheit des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie – Ablehnung      31, 32

Wortmeldungen in diesem Zusammenhang:

Mag. Dr. Martin Graf ............................................................................................... ..... 31

Ing. Peter Westenthaler .......................................................................................... ..... 31

Dr. Josef Cap ........................................................................................................... ..... 32

Dr. Wolfgang Schüssel .......................................................................................... ..... 32

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des schriftlichen Aus­schussberichtes 667 d.B. gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung ................................................................................ 32

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 33

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung .................................... 98

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 98

Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen, den Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (609 d.B.): Bundesgesetz über die Finanzprokuratur (Finanzprokuraturgesetz – ProkG), (647 d.B.), gemäß § 53 Abs. 6 Z. 2 der Geschäftsordnung an den Finanzaus­schuss rückzuverweisen – Ablehnung ..............................................  101, 116

Antrag der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen, den Untersuchungsausschuss hinsichtlich der Vertuschung von Polizeiaffären


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 3

und des Missbrauchs der politischen Macht insbesondere im Bundesministerium für Inneres, aber auch in den Bundesministerien für Justiz, für Finanzen und für europäische und internationale Angelegenheiten gemäß § 46 Abs. 4 der Ge­schäftsordnung zu beauftragen, seine Arbeiten während der tagungsfreien Zeit fortzusetzen – Ablehnung          202, 202

Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen, den Unter­suchungsausschuss hinsichtlich der Vertuschung von Polizeiaffären und des Missbrauchs der politischen Macht insbesondere im Bundesministerium für Inne­res, aber auch in den Bundesministerien für Justiz, für Finanzen und für euro­päische und internationale Angelegenheiten gemäß § 46 Abs. 4 der Geschäfts­ordnung zu beauftragen, seine Arbeiten während der tagungsfreien Zeit fortzu­setzen – Ablehnung ..................  202, 202

Fragestunde (12.)

Justiz ............................................................................................................................. 14

Dr. Johannes Jarolim (74/M); Mag. Dr. Beatrix Karl, Ing. Peter Westenthaler, Dr. Robert Aspöck, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl

Mag. Heribert Donnerbauer (71/M); Ing. Peter Westenthaler, Dr. Peter Fichten­bauer, Mag. Albert Steinhauser, Mag. Elisabeth Grossmann

Mag. Albert Steinhauser (77/M); Dr. Johannes Jarolim, Dipl.-Ing. Klaus Hubert Auer, Josef Bucher, Bernhard Vock

Dr. Peter Fichtenbauer (79/M); Theresia Haidlmayr, Mag. Johann Maier, Anna Franz, Sigisbert Dolinschek

Mag. Gernot Darmann (81/M); Mag. Dr. Manfred Haimbuchner, Mag. Albert Steinhauser, Otto Pendl, Franz Glaser

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 13

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  30, 201

Verhandlungen

1. Punkt: Erklärungen des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für euro­päische und internationale Angelegenheiten gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäfts­ordnung des Nationalrates zur österreichischen EU-Politik .............................................................................................................................. 33

Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer ..................................................................... 33

Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik ...................................................................... 37

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäfts­ordnung                   33

Redner/Rednerinnen:

Dr. Alexander Van der Bellen ................................................................................ ..... 40

Dr. Josef Cap ........................................................................................................... ..... 44

Heinz-Christian Strache ......................................................................................... ..... 47

Dr. Wolfgang Schüssel .......................................................................................... ..... 52


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 4

Ing. Peter Westenthaler .......................................................................................... ..... 55

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ..... 61

Karlheinz Kopf ........................................................................................................ ..... 62

Mag. Ulrike Lunacek ............................................................................................... ..... 64

Dr. Reinhard Eugen Bösch .................................................................................... ..... 67

Herbert Scheibner .................................................................................................. ..... 69

Kai Jan Krainer ....................................................................................................... ..... 71

Mag. Dr. Beatrix Karl .............................................................................................. ..... 73

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek .............................................................................. ..... 74

Dr. Gerhard Kurzmann .......................................................................................... ..... 76

Sigisbert Dolinschek .............................................................................................. ..... 79

Mag. Gisela Wurm .................................................................................................. ..... 81

Wolfgang Großruck ................................................................................................ ..... 82

Dr. Gabriela Moser ................................................................................................. ..... 84

Mag. Dr. Manfred Haimbuchner ........................................................................... ..... 89

Mag. Gernot Darmann ........................................................................................... ..... 91

Dr. Peter Fichtenbauer ........................................................................................... ..... 92

Werner Neubauer .................................................................................................... ..... 95

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „Befassung des Parlaments mit grundlegenden Änderungen in der Außen- beziehungsweise Europapolitik anstelle von Leser­briefseiten“ – Ablehnung .......................................  43, 97

Entschließungsantrag der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Widerruf der Ratifikation des „EU-Reformvertrages von Lissabon“ – Ablehnung ..  50, 97

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Kollegin und Kollegen betreffend die generelle Verpflichtung der Durchführung von Volks­abstimmungen über EU-Vertragsänderungen sowie grundsätzliche Fragen der Europäischen Integration – Ablehnung ........................  59, 97

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend einen „European Act for Democracy“, der die Rechte
in einem „Europäischen Vertrag der Bürgerinnen und Bürger“ erweitert – Ableh­nung  66, 97

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Abbruch der Beitrittsverhandlungen der Europäi­schen Union mit der Türkei – Ablehnung               69, 97

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Kurzmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Neuorientierung der österreichischen EU-Politik – Ablehnung (namentliche Abstimmung)              78, 97

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nein zum Gigaliner-60-Tonnen-Lkw – Ja zu einer anständi­gen EU-Transitpolitik – Ablehnung  86, 100

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend verpflichtende Volksabstimmung bei Ratifikation von Staatsverträgen – Ablehnung  94, 100

Entschließungsantrag der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Volksabstimmung über den Ausstieg Österreichs aus dem Euratom-Vertrag – Ablehnung           96, 100


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 5

2. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (609 d.B.): Bundesgesetz über die Finanzprokuratur (Finanzprokuraturgesetz – ProkG) (647 d.B.) ................................. 100

Redner/Rednerinnen:

Dr. Peter Fichtenbauer ........................................................................................... ... 100

Mag. Peter Michael Ikrath ...................................................................................... ... 102

Lutz Weinzinger ...................................................................................................... ... 103

Dr. Johannes Jarolim ............................................................................................. ... 103

Mag. Bruno Rossmann .......................................................................................... ... 104

Josef Bucher ........................................................................................................... ... 105

Staatssekretär Dr. Christoph Matznetter ............................................................. ... 106

Gabriele Tamandl ................................................................................................... ... 109

Mag. Dr. Martin Graf ............................................................................................... ... 110

Mag. Kurt Gaßner ................................................................................................... ... 111

Jakob Auer .............................................................................................................. ... 112

Marianne Hagenhofer ............................................................................................. ... 113

Ing. Hermann Schultes ........................................................................................... ... 114

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll ................................................................................ ... 115

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 116

3. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (586 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Grundsteuergesetz 1955, das Alkoholsteuergesetz, das Biersteuergesetz 1995, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Tabaksteu­ergesetz 1995, das Mineralölsteuergesetz 1995 und das IAKW- Finanzierungsge­setz geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2008) (648 d.B.)                       116

Redner/Rednerinnen:

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll ................................................................................ ... 116

Petra Bayr ................................................................................................................ ... 117

Mag. Bruno Rossmann .......................................................................................... ... 118

Lutz Weinzinger ...................................................................................................... ... 121

Josef Bucher ........................................................................................................... ... 121

Sylvia Rinner ........................................................................................................... ... 124

Dr. Reinhold Mitterlehner ...................................................................................... ... 124

Marianne Hagenhofer ............................................................................................. ... 125

Johann Hell .............................................................................................................. ... 125

Staatssekretär Dr. Christoph Matznetter ............................................................. ... 126

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend die im März von SPÖ und ÖVP angekündigte Vermö­genszuwachssteuer (Capital Gains Tax) – Ablehnung              119, 127

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 127

4. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 837/A der Abgeord­neten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz geändert wird (649 d.B.) ................................................................ 127

Redner/Rednerinnen:

Franz Hörl ................................................................................................................ ... 128

Sylvia Rinner ........................................................................................................... ... 129

Mag. Bruno Rossmann .......................................................................................... ... 130

Lutz Weinzinger ...................................................................................................... ... 143

Josef Bucher ........................................................................................................... ... 144

Franz Kirchgatterer ................................................................................................ ... 145


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 6

Kai Jan Krainer ....................................................................................................... ... 145

Dkfm. Dr. Hannes Bauer ........................................................................................ ... 151

Staatssekretär Dr. Christoph Matznetter ............................................................. ... 151

Mag. Werner Kogler ............................................................................................... ... 153

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 155

5. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (585 d.B.): Bundesgesetz über die Haftungsübernahme für die Ausstellung „Vincent van Gogh. Gezeichnete Bilder“ (650 d.B.)                       155

Redner/Rednerinnen:

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ... 155

Edeltraud Lentsch .................................................................................................. ... 157

Franz Kirchgatterer ................................................................................................ ... 158

Dr. Gerhard Kurzmann .......................................................................................... ... 158

Josef Bucher ........................................................................................................... ... 158

Gerhard Steier ......................................................................................................... ... 159

Mag. Christine Muttonen ....................................................................................... ... 159

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 160

6. Punkt: Antrag der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Dkfm. Dr. Hannes Bauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wärme- und Kälteleitungsausbaugesetz erlassen und das Energie-Regulierungsbehör­dengesetz geändert wird (853/A) ..................................... 160

Redner/Rednerinnen:

Dr. Ruperta Lichtenecker ....................................................................................... ... 161

Karlheinz Kopf ........................................................................................................ ... 162

Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS........................................................................ ... 164

Dkfm. Dr. Hannes Bauer ........................................................................................ ... 165

Veit Schalle .............................................................................................................. ... 166

Staatssekretärin Christine Marek ......................................................................... ... 168

Franz Glaser ............................................................................................................ ... 169

Josef Muchitsch ...................................................................................................... ... 170

Angela Lueger ......................................................................................................... ... 170

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 171

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den An­trag 780/A(E) der Abgeordneten Wolfgang Großruck, Christian Füller, Kollegin­nen und Kollegen betreffend weltweit zunehmende Verfolgungen von Christen und Sicherung der Religionsfreiheit (661 d.B.) ....................................... 172

Redner/Rednerinnen:

Marianne Hagenhofer ............................................................................................. ... 172

Norbert Sieber ......................................................................................................... ... 173

Mag. Brigid Weinzinger .......................................................................................... ... 174

Dr. Gerhard Kurzmann .......................................................................................... ... 175

Mag. Gernot Darmann ........................................................................................... ... 176

Staatssekretär Dr. Hans Winkler ........................................................................... ... 177

Mag. Gertraud Knoll ............................................................................................... ... 178

Mag. Gertrude Aubauer ......................................................................................... ... 178

Bernhard Vock ........................................................................................................ ... 179

Christian Füller ....................................................................................................... ... 179

Gabriel Obernosterer ............................................................................................. ... 180

Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS ....................................................................... ... 181


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 7

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 661 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend weltweit zunehmende Verfolgungen von Christen und Si­cherung der Religionsfreiheit (E 90)                       182

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den An­trag 806/A(E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Menschenrechte in China vor den Olympischen Spielen 2008 – Frei­lassung von Gewissensgefangenen (660 d.B.) ............................ 182

Redner/Rednerinnen:

Dr. Gerhard Kurzmann .......................................................................................... ... 182

Petra Bayr ................................................................................................................ ... 183

Ing. Norbert Kapeller .............................................................................................. ... 184

Mag. Brigid Weinzinger .......................................................................................... ... 185

Mag. Gernot Darmann ........................................................................................... ... 186

Staatssekretär Dr. Hans Winkler ........................................................................... ... 187

Franz Kirchgatterer ................................................................................................ ... 188

Franz Glaser ............................................................................................................ ... 188

Mag. Ulrike Lunacek ............................................................................................... ... 189

Mag. Christine Lapp ................................................................................................... 190

Adelheid Irina Fürntrath-Moretti ............................................................................... 191

Mag. Melitta Trunk ..................................................................................................... 192

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 660 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Empfehlungen zur Menschenrechtslage in China (E 91) ............................................ 192

9. Punkt: Bericht des Hauptausschusses betreffend die Erstattung eines Vor­schlages für die Wahl eines Mitgliedes der Volksanwaltschaft (667 d.B.) ................................................................ 193

Redner/Rednerinnen:

Otto Pendl ................................................................................................................... 193

Fritz Neugebauer .................................................................................................... ... 193

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ... 194

Mag. Dr. Martin Graf ............................................................................................... ... 194

Herbert Scheibner .................................................................................................. ... 195

Annahme des Ausschussantrages .............................................................................. 196

10. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das All­gemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) geändert wird (753/A) .................................................................................................................. 196

Redner/Rednerinnen:

Dr. Robert Aspöck ..................................................................................................... 196

Sonja Ablinger ............................................................................................................ 198

Mag. Heribert Donnerbauer ................................................................................... ... 198

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ... 199

Mag. Gernot Darmann ........................................................................................... ... 200

Dr. Gertrude Brinek ................................................................................................ ... 201

Zuweisung des Antrages 753/A an den Justizausschuss ........................................... 201

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz 2006 – BVerG 2006 geändert wird (862/A)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 8

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Arbeiterkammer als Inter­essenvertretung für Menschen mit Behinderungen in Beschäftigungseinrichtungen der Länder (863/A)(E)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anerkennung von Conter­gan Opfern (864/A)(E)

Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der Gewerbeord­nung zum Schutz von AnrainerInnen von gastgewerblichen Betrieben (865/A)(E)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend bundeseinheitliche Rege­lung der persönlichen Assistenz im Alltagsbereich (866/A)(E)

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kennzeich­nungspflicht für Lebensmittel von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Futtermit­teln ernährt wurden (2) (867/A)(E)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bericht über die Klagsver­fahren nach dem Bundesbehindertengleichstellungsgesetz (868/A)(E)

Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend zügige Umsetzung des Salzburger Stadtregionalbahn-Projekts und entsprechende Bundes-Kofinanzierung (869/A)(E)

Barbara Zwerschitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen gegen Motor­rad-Lärm (870/A)(E)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anerkennung aller „conter­gangeschädigten“ Menschen (871/A)(E)

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Moratorium für Agrotreibstoffe (872/A)(E)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Jährlichen Bericht über die Auswirkungen des Behindertengleichstellungsgesetzes (873/A)(E)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Optimierung der Bahn-Fahr­rad-Schnittstelle im Interesse des Radtourismus in Österreich (874/A)(E)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Intervallverdichtung und Ausbau der Schnellbahnlinie S 7 (875/A)(E)

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kampf gegen Hunger durch globale Agrarwende (876/A)(E)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellen dauerhafter Speicherung und Verfügbarkeit gesundheitlich relevanter Mobilfunk-Daten und entspre­chender Daten anderer Funksysteme (877/A)(E)

Erwin Spindelberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finanzierung der aner­kannten österreichischen Schuldnerberatungen (878/A)(E)

Ursula Haubner und Kollegen betreffend Senkung der Medikamentenkosten (879/A)(E)

Ursula Haubner und Kollegen betreffend Erhöhung des Pflegegeldes (880/A)(E)

Ursula Haubner und Kollegen betreffend rasche Evaluierung der Leistungsinformation (881/A)(E)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 9

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringend notwendige Maßnahmen auf europäischer und internationaler Ebene gegen steigende Nahrungsmittel- und Treibstoffpreise (882/A)(E)

Anita Fleckl, Mag. Helmut Kukacka, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird (883/A)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988, geändert wird (884/A)

Dr. Gerhard Kurzmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zum Schutz und Erhalt der deutschen Sprache geschaffen wird (885/A)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen betreffend besseren Schutz der Konsu­menten vor „Inlands-Roaming“ (886/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Interessenvertretung von Menschen mit Behinderungen (887/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit, Familie und Jugend betreffend „Krankenstand: Entgeltfortzahlung oder Kranken­geldbezug“ (4766/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend „Krankenstand: Entgeltfortzahlung oder Krankengeldbezug“ (4767/J)

Franz Morak, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Vermietung des Burgtheaters an das ECHO-Medienhaus wäh­rend der EURO 2008 II (4768/J)

Gerhard Köfer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend die Fahrzeit beziehungsweise die Reisegeschwindig­keit auf der Tauernbahnstrecke (4769/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend das Auftauchen neuer Anhaltspunkte, die die Involvierung weiterer Perso­nen in den Briefbombenterror wahrscheinlich erscheinen lassen (4770/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die Umgestaltung von zwei Spielwiesen im Augarten durch Bepflanzung mit barockartigen, geschwungenen Blumenbeeten (4771/J)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen an
den Bundesminister für Finanzen betreffend das Finanzdesaster Wörther-See-Bühne (4772/J)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend das Finanzdesaster Wör­ther-See-Bühne (4773/J)

Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für euro­päische und internationale Angelegenheiten betreffend Opferschutz für Betroffene von Zwangsehen (4774/J)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 10

Bettina Hradecsni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Variantenentscheidung der ASFINAG bezüglich S 34 (4775/J)

Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend den Umgang von Bediensteten der Sicherheitsbehörden mit Opfern sexualisierter Gewalt und insbesondere die auf Voreingenommenheit und Ausbildungs­defizite der Kriminalpolizei beruhenden Ermittlungsmängel bei Aufklärung von Sexual­delikten im Zusammenhang mit psychotropen Substanzen (4776/J)

Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die auf Voreingenommenheit der Strafverfolgungsbehörden beruhenden Ermittlungsmängel als Grund für die geringe Verurteilungsquote bei Sexualdelikten (4777/J)

Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inne­res betreffend Opferschutzeinrichtungen für Betroffene von Zwangsehen (4778/J)

Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Medien und Regionalpolitik betreffend Opferschutzeinrichtungen für Betroffene von Zwangsehen (4779/J)

Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Opferschutzeinrichtungen für Betroffene von Zwangsehen (4780/J)

Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unter­richt, Kunst und Kultur betreffend Präventionsarbeit zum Thema Zwangsehe (4781/J)

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Unterstützungsmaßnahmen für Freiwillige Feuerwehren“ (4782/J)

Mag. Andrea Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit, Familie und Jugend betreffend Statistik über die Auszahlung der Familienbeihilfe an Mütter beziehungsweise Väter (4783/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend die Überwachung von Tierschutzvereinen (4784/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die neu einsehbare Transparenzdatenbank und die Vergabe von Fördermitteln an Betriebe, die offensicht­lich gegen die Bestimmungen des Tierschutzes verstoßen (4785/J)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Einleitung eines Strafverfahrens gegen Peter Pilz (4786/J)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend Personalstände bei den Wiener Stadtpolizeikommanden (4787/J)

Erwin Spindelberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Mindereinnahmen aufgrund der Gruppenbesteuerung“ (4788/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Betriebsprämie für Bergbau­ern“ (4789/J)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 11

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend die Situation bei der Wiener Polizei nach acht Jahren Ressortführung durch ÖVP-Politiker (4790/J)

Peter Stauber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend die versprochene Modernisierung der Lavanttalbahn (4791/J)

Mag. Kurt Gaßner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend nicht nachvollziehbare und aufklärungsbedürftige Praktiken der Förderungsabwicklung (4792/J)

Gerhard Köfer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend Schließung von Postämtern in Oberkärnten (4793/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Agrardieselvergütung für ös­terreichische Landwirte“ (4794/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Datenaustausch mit der USA – Verhandlungen durch die Europäische Union; Datenaustausch zwischen den EU-Mitgliedstaaten (4795/J)

Mag. Rosa Lohfeyer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit, Familie und Jugend betreffend Gesellschaftsbild von Kindern und Jugendlichen (4796/J)

Mag. Rosa Lohfeyer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit, Familie und Jugend betreffend Gesellschaftsbild von Kindern und Jugendlichen (4797/J)

Franz Morak, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend die „Bestellung von Sabine Haag zur Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums“ (4798/J)

Franz Morak, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Medien und Regionalpolitik betreffend die „Ausschreibung des öffentlich-rechtlichen Auftrags für den Rundfunkbereich“ (4799/J)

Franz Morak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales und Kon­sumentenschutz betreffend die „Unvollständige Beantwortung der Anfragen 3715/J, 3739/J, 3740/J“ (4800/J)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 12

Peter Haubner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung betreffend Zusatzausrüstung für die Eurofighter (4801/J)

Peter Haubner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung betreffend momentanen Stand bei diversen Beschaffungsvorhaben des österrei­chischen Bundesheeres (4802/J)

Peter Haubner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung betreffend Sanitätskonzept im Tschadeinsatz (4803/J)

Peter Haubner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung betreffend Eurofighter Vergleichsverhandlungen (4804/J)

Peter Haubner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung betreffend Programmstand Alenia-Aeramacchi M-346 (4805/J)

Peter Haubner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung betreffend Nachholung der Schießausbildung von Eurofighterpiloten unmittelbar vor der EM (4806/J)

Peter Haubner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung betreffend die Rückgabe der geleasten F-5E Tiger II Jäger an die Schweiz (4807/J)

Peter Haubner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung betreffend die Aufrechterhaltung der Pilotenlizenzen für die ehemalige F-5E Tiger II nach der Rückgabe der geleasten Jäger an die Schweiz (4808/J)

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend betreffend Schutz in der Sozialversicherung bei Freiwilligen Feuer­wehren (4809/J)

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz betreffend Schutz in der Sozialversicherung bei Freiwilligen Feu­erwehren (4810/J)

Herbert Scheibner, Kollegin und Kollegen an die Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend die Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele (4811/J)

Herbert Scheibner, Kollegin und Kollegen an die Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend die Sahara-Geiseln Andrea Kloiber und Wolfgang Ebner (4812/J)

Walter Murauer, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Rechnungshofes betreffend Vorlage des Rechnungshofberichts über den Vergleich von Bundesminister Darabos mit der Eurofighter GmbH (4813/J)

Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Aufstockung des Personalstandes der Polizei (4814/J)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Werner Neu­bauer, Kolleginnen und Kollegen (4351/AB zu 4316/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Werner Neu­bauer, Kolleginnen und Kollegen (4352/AB zu 4321/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen (4353/AB zu 4334/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Leopold Mayer­hofer, Kolleginnen und Kollegen (4354/AB zu 4347/J)

*****

der Präsidentin des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Peter Wes­tenthaler, Kollegin und Kollegen (37/ABPR zu 37/JPR)


09.04.26


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 13

Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Zweiter Präsident Dr. Michael Spindelegger, Dritte Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die 68. Sitzung.

Die Amtlichen Protokolle der 65. und 66. Sitzung vom 8. Juli 2008 sind in der Parla­mentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Als verhindert gemeldet ist Herr Abgeordneter Dobnigg.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein wird durch die Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Christine Marek ver­treten.

*****

Weiters gebe ich bekannt, dass die Sitzung in der Zeit von 9.05 Uhr bis 13 Uhr vom ORF live übertragen wird.

09.05.05Mandatsverzicht und Angelobung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Von der Bundeswahlbehörde ist die Mitteilung ergangen, dass Frau Abgeordnete Beate Schasching auf ihr Mandat verzichtet hat.

Anstelle der Abgeordneten Beate Schasching wurde Herr Abgeordneter Johann Hell in den Nationalrat berufen.

Da der Wahlschein bereits vorliegt und der Genannte im Haus anwesend ist, werde ich sogleich seine Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel und über Namensaufruf durch die Schriftführerin wird der neue Mandatar seine Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten ha­ben.

Ich ersuche nunmehr die Schriftführerin, Frau Abgeordnete Marianne Hagenhofer, um die Verlesung der Gelöbnisformel und den Namensaufruf.

 


9.06.11

Schriftführerin Marianne Hagenhofer: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

Herr Kollege Hell, bitte.

 


9.06.27

Abgeordneter Johann Hell (SPÖ): Ich gelobe.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich begrüße den neuen Abgeordneten herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 14

09.06.41Fragestunde

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Für die heutige Fragestunde wurde folgender Modus vereinbart: Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden von den beiden Rednerpulten im Halbrund vorgenommen – so wie gestern –, die Beantwortung durch die Frau Bundes­ministerin vom Rednerpult der Abgeordneten.

Für die Haupt- und Zusatzfragesteller jeder Fraktion ist jeweils 1 Minute Redezeit vor­gesehen. Die Beantwortung der Hauptfrage durch die Frau Bundesministerin soll 2 Mi­nuten, jene der Zusatzfragen jeweils 1 Minute betragen.

20 Sekunden vor Ende der jeweiligen Redezeit werde ich durch ein kurzes Läuten auf deren Ablauf aufmerksam machen.

Wir gelangen zur Fragestunde.

Bundesministerium für Justiz

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich beginne jetzt – um 9.07 Uhr – mit dem Auf­ruf der Anfragen an Frau Bundesministerin Dr. Maria Berger.

Die Frau Bundesministerin ist dankenswerterweise erschienen, obwohl sie größere ge­sundheitliche Probleme hat. Ich bedanke mich dafür.

Wir kommen zur 1. Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Jarolim. – Bitte.

Die eingereichte Anfrage, 74/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche weiteren Schritte erachten Sie nach der jüngsten parlamentarischen Enquete über ,Medienrecht und Opferschutz‘ für erforderlich?“

 


Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Wir hatten ja letzte Woche eine viel beachtete Enquete zum Thema „Medienrecht und Opferschutz“. Ich möchte Sie zu diesem Thema befragen.

Es gibt ein Spannungsverhältnis – dieses war ja auch Gegenstand dieser Enquete – zwischen einerseits dem Medienrecht und andererseits dem Opferschutz. Zweifellos kommt den Medien eine zentrale Rolle bei der Information, bei der Aufklärung der Be­völkerung, aber auch bei der Aufdeckung von Sachverhalten, die sonst vielleicht nicht so schnell an die Öffentlichkeit gelangen würden, zu.

Auf der anderen Seite haben wir aber gerade in der Causa Fritzl in Amstetten gesehen, dass auf nahezu unüberbietbar penetrante Art und Weise in die Grundrechte der Opfer eingegriffen worden ist, dass Fotografien hergestellt werden sollten, die intimsten Be­reiche verletzt worden sind und dass sich hier somit die Frage nach dem Spannungs­verhältnis stellt.

Wie weit kann der Opferschutz gehen, ohne in die Medienfreiheit einzugreifen? Wie sehen Sie diese Situation?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Zunächst möchte ich mich für die Ab­haltung dieser Enquete hier im Parlament wirklich noch einmal bedanken. Ich denke, dass es aus Anlass der traurigen Fälle, die wir hatten, wirklich ein guter Zeitpunkt war, sich mit dieser Problematik auseinanderzusetzen.

Ich als Justizministerin habe die Gelegenheit dieser Enquete ja dazu genützt, einige Vorschläge einzubringen, die wir im Justizministerium überlegen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 15

Man muss zum einen sehen, dass die derzeitigen Entschädigungsbeträge nicht wirk­lich abschreckend wirken. Ein Betrag von 20 000 € wirkt nicht abschreckend, wenn mit einem Foto eines Opfers sehr viel Umsatz gemacht werden kann. Also hier müssen wir, denke ich, ansetzen.

Wir müssen auch den Opfern mehr Möglichkeiten geben, ihre Ansprüche geltend zu machen. Ich habe vorgeschlagen, dass wir hier die Frist von sechs Monaten auf ein Jahr verlängern, dass wir den Opfern – so, wie wir das jetzt schon im Strafprozess ma­chen und wie wir es auch für den Zivilprozess vorsehen – auch für die medienrecht­lichen Prozesse Prozessbegleitung zur Verfügung stellen.

Eine Maßnahme erscheint mir als besonders wichtig, die insbesondere durch den Fall F. notwendig geworden ist, nämlich die Opfer an ihrem Aufenthaltsort besser vor Verfolgung zu schützen.

Die Kinder haben jahrelang im Keller gelebt und müssen jetzt wieder eingesperrt leben, weil die Fotografen hinter ihnen her sind. Ich denke, wir brauchen auch rechtliche Schutzinstrumentarien, ähnlich wie im Sicherheitspolizeigesetz, dass wir da durch Schutzzonen leichter Wegweisungen machen können. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Jaro­lim.

 


Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Frau Bundesminister, wären Sie so nett und würden Sie uns sagen, was Sie in den letzten Monaten für den Opferschutz alles geleistet haben, was wir hier alles gemeinsam umsetzen konnten?

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 16

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Der Opferschutz ist tatsächlich ein bestimmendes Thema meiner Arbeit. Sehr geholfen haben uns hier die Neuerungen, die mit dem Inkrafttreten der Strafprozessreform stattgefunden haben. Die neue Straf­prozessordnung sieht ja einen sehr, sehr erweiterten Schutz der Opfer und wesentlich mehr Informations- und Kontrollrechte der Opfer vor.

Erfreulicherweise ist zu sehen, dass die Opfer von diesen neuen Möglichkeiten auch stark Gebrauch machen. Wir haben sehr, sehr viele Fortführungsanträge, Anträge, die sich gegen die Einstellung eines Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft richten, weil die Opfer wollen, dass das Verfahren stattfindet, beziehungsweise gute Begründungen haben wollen, warum es nicht zur Fortführung des Verfahrens kommt.

Wir haben die Prozessbegleitung ausgebaut, und insbesondere sehen wir jetzt auch für den Zivilprozess die Möglichkeit der Prozessbegleitung und andere Instrumente des Opferschutzes vor.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Karl, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Dr. Beatrix Karl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! In der bereits angesprochenen Enquete wurde auch die Forderung erhoben, die Geld­buße bei Verletzung von Opferrechten anzuheben. So hat etwa die Opferanwältin Eva Plaz gefordert, dass die Bußgelder so hoch sein müssten, dass sie dem Medium wirt­schaftlich wehtun. Meines Erachtens sollte die Geldbuße wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Das bedeutet insbesondere auch, dass bei Festsetzung ihrer Höhe die wirtschaftliche Situation des betroffenen Medienunternehmens Berücksichtigung finden muss. Den genannten Anforderungen könnte eine Art Tagessatzsystem Rech­nung tragen.

 


Wie denken Sie über die Einführung eines solchen Systems?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Tatsache ist, ich habe das ja schon erwähnt, dass die jetzigen Bußen nicht wirklich abschreckend wirken. Wir haben in letzter Zeit leider viele Beispiele dafür sehen müssen.

Welches System, das letztendlich zu einer Erhöhung dieser Strafzahlungen führen muss, am besten geeignet ist, wird sicher noch ausführlich zu überlegen sein. Eine um­satzorientierte Variante hätte natürlich ihre Vorteile, auf der anderen Seite wissen wir aber von den Medienunternehmen, dass sie natürlich nicht gerne bereit sind, Umsatz­zahlen bekannt zu geben.

Wichtig scheint mir auch, dass wir hier den Medienunternehmen mehr Rechtssicherheit geben. Derzeit haben wir parallel viele Ansprüche, die geltend gemacht werden kön­nen. Ich denke, ein klares Bußsystem, aber dafür das Abgehen von anderen Klags­möglichkeiten könnte eine Variante sein.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Klubobmann Westenthaler, bitte.

 


Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! In den letzten Wochen, Monaten ist vor allem in Ihrem Ressort zu sehen – im Ressort, aber auch in der Staatsanwaltschaft, vor allem in der Staatsanwaltschaft Wien –, dass immer wieder geheime, vertrauliche Akten in den Medien zu lesen sind, in manchen Magazinen, die dann mit Vorverurteilungen auf Basis dieser Veröffentlichungen vor­gehen. Es werden Entwürfe von Anklageschriften vorzeitig veröffentlicht, es werden staatsanwaltschaftliche Vorhabensberichte vorzeitig veröffentlicht, alles unter Amts­missbrauchsdelikten. Und das ist dann besonders tragisch, wenn die privaten Daten und Interessen von betroffenen Opfern, die sich überhaupt nicht wehren können, plötz­lich in Medien abgedruckt sind.

Frau Ministerin! Was werden Sie unternehmen, um diese Löchrigkeit zu beenden und eine Selbstkontrolle in Ihrem Ministerium wirksam durchzusetzen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Ich stimme zu, dass es bedauerns­wert ist, dass immer wieder geheime Akten in der Öffentlichkeit auftreten. Das betrifft alle Behörden, die hier im Ermittlungsverfahren tätig sind. Das ist insbesondere auch im Interesse der Opfer bedauerlich.

Wir haben bei allen Fällen, die bekannt geworden sind, eigene staatsanwaltschaftliche Ermittlungen eingeleitet – natürlich ist es nicht die unter Verdacht stehende Staatsan­waltschaft selbst, die das untersucht, sondern eine andere.

Wir sind dabei, in einer Arbeitsgruppe zusätzliche technische Vorkehrungen zu treffen, dass die Akten besser geschützt sind.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Aspöck, bitte.

 


Abgeordneter Dr. Robert Aspöck (FPÖ): Frau Bundesminister! Könnten Sie sich vor­stellen, dass man gegenüber den Opfern ein deutliches Zeichen der Solidarität da­durch setzt, dass man den Opfern – ich denke da von der Art her zum Beispiel an das Unterhaltsvorschussgesetz – jedenfalls Schadenersatzansprüche zunächst seitens der Republik zukommen lässt und die Ansprüche gegenüber den Verbrechern dann eben auf die Republik übergehen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 17

Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Das ist tatsächlich ein berechtigter Wunsch, dass bei zivilrechtlichen Forderungen der Opfer deren Ansprüche sozusagen an die erste Stelle gestellt werden und andere Ansprüche, Regressansprüche des Staates, andere Gläubigeransprüche, zurückrücken.

Wir verhandeln in diese Richtung, und es wäre das Ziel, das zu erreichen. Aber das können wir als Justizministerium nicht allein verfügen, dazu brauchen wir zum Beispiel auch die Zustimmung des Bundesministers für Finanzen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Zinggl.

 


Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Frau Ministerin! Im Anschluss an die Frage des Kollegen Westenthaler: Ist Ihnen bekannt, dass im Zusammenhang mit dem Fall F. der Bezirkshauptmann beziehungsweise Teile der Polizei wichtige Informa­tionen an die Medien und damit an die Öffentlichkeit gebracht haben? Und inwieweit ist da die Staatsanwaltschaft Ihrer Meinung nach zu Recht involviert beziehungsweise in die Ermittlungen eingebunden?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Im neuen Ermittlungsverfahren ist ja die Staatsanwaltschaft sozusagen die leitende Behörde. Natürlich ist hier die Kriminal­polizei auch sehr gefragt. Ich habe jetzt keine genauen Informationen, dass es hier auch den Vorwurf gibt, dass zu Unrecht Informationen vorweg an die Medien gegeben wurden.

Tatsache ist – das wurde ja auch bei der Enquete mehrfach angesprochen –, dass auf der einen Seite natürlich das Informationsbedürfnis ein hohes ist, dass auch wir in der Justiz lernen müssen, diesem Informationsbedürfnis Rechnung zu tragen, auf der an­deren Seite, dort, wo es um den Opferschutz geht, muss dieses Informationsbedürfnis zurückstehen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir kommen zur Anfrage 71/M des Herrn Ab­geordneten Mag. Donnerbauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Frau Bundesminister! Unter dem Eindruck verschiedener gerichtlicher Entscheidungen im Sexualstrafbereich, die den Eindruck vermittelt haben, dass hier doch schwerwiegende Straftaten vielleicht zu milde beurteilt worden sein könnten, hat Sie der Nationalrat im Vorjahr ersucht, die Rechtsprechung im Bereich der Sexualdelikte einer Evaluierung zu unterziehen, ins­besondere hinsichtlich der tatsächlich ausgemessenen Strafen und auch hinsichtlich der Häufigkeit von bedingten Entlassungen unter Berücksichtigung der Rückfallhäufig­keit.

Werte Frau Bundesministerin, meine Frage:

71/M

„Wann ist mit dem Ergebnis der mit Entschließung vom 22.3.2007 (13/E) verlangten Evaluierung der gerichtlichen Strafenpraxis im Bereich des Sexualstrafrechts zu rech­nen?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Dem Wunsch des Nationalrates, hier eine Evaluierung durchzuführen, sind wir selbstverständlich nachgekommen. Ich habe Herrn Professor Grafl vom Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien damit beauftragt. Die Studie liegt mir in ihrer Gesamtfassung derzeit noch nicht vor, ich


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 18

habe sozusagen eine Zusammenfassung vorweg bekommen. Ich bin gerne bereit, so­bald die gesamte Studie vorliegt, diese auch dem Nationalrat zu übermitteln.

Ich denke, diese Evaluierung war notwendig, weil wir natürlich alle immer unter dem Eindruck einzelner Urteile stehen, aber nur eine systematische Auswertung hier das gesamte Bild geben kann.

Die ersten Ergebnisse zeigen, dass die ausgemessenen Strafen auch im Vergleich zu Vermögensdelikten mit vergleichbarem Strafrahmen durchaus strenger sind, dass wir keine milde Strafpraxis haben und dass wir in der Tendenz eher eine Verschärfung feststellen können.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer.

 


Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Werte Frau Bundesministerin! Auch im letzten Jahr, seit dieser Entschließung, sind wieder einige, auch spektakuläre Fälle in den Medien bekannt geworden, die den Eindruck vermitteln, dass vielleicht doch zu geringe Strafen verhängt werden. Solche Fälle zeigen, dass es doch einen solchen Bedarf gibt, der auch dringlich zu sehen ist, weil es ja doch um den Schutz von Frauen und vor allem auch Kindern geht. Sehen Sie diese Dringlichkeit auch? Wann haben Sie den Auftrag eigentlich erteilt, und warum liegen diese Ergebnisse noch nicht vor?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Wir haben den Auftrag sehr zügig er­teilt. Ich bitte um Verständnis, dass die Erstellung der Studie einige Zeit gebraucht hat, weil doch über einen sehr langen Zeitraum sehr viele Urteile im Einzelnen angeschaut werden mussten, um wirklich ein verlässliches Ergebnis zu bekommen. Noch einmal: Sobald ich die Gesamtstudie zur Verfügung habe, werden wir auch jetzt, nach Auflö­sung des Nationalrates, sicher einen Weg finden, den interessierten Abgeordneten diese Studie zukommen zu lassen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Klubobmann Westenthaler, bitte.

 


Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Sehr geehrte Frau Ministerin! Kinder­schänder sind Mörder an den Seelen unserer Kinder. Wir haben in den vergangenen Monaten als BZÖ hier im Parlament immer wieder Druck gemacht, dass es zu Straf­verschärfungen kommt, weil die Menschen es nicht verstehen, dass Kinderschänder nicht als Mörder der Seelen behandelt werden, nämlich wirkliche Mörder, sondern als Kleinkriminelle oft nur eine Haftstrafe von ein paar Wochen oder Monaten absitzen müssen. Das verstehen auch wir nicht. Daher gibt es auch Delikte wie zum Beispiel den § 92 im Strafgesetzbuch, Quälen von Kindern mit Todesfolge, wo ein Gesamtstraf­ausmaß von maximal zehn Jahren vorgesehen ist. Finden Sie das in Ordnung, dass es im österreichischen Strafgesetzbuch Delikte gegen Kinder mit Todesfolge gibt, die nicht mit „lebenslänglich“ bestraft werden?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Sinn dieser Studie war es ja, zu se­hen, wie die derzeitigen Strafrahmen von den Gerichten genutzt werden. Unabhängig davon, aber natürlich unter der Berücksichtigung dieser Ergebnisse, kann man über die derzeitigen Strafrahmen im Strafgesetzbuch nachdenken. Ich habe ja bei den einschlä­gigen Debatten auch bisher vorgeschlagen, dass wir zum Beispiel zumindest bei zwei Straftatbeständen, die jetzt keine Mindeststrafe kennen, § 202 und § 205, eine Min­deststrafe vorsehen. Im zweiten Gewaltschutzpaket, das ich noch gerne wenigstens im


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 19

Sommerministerrat beschlossen sehen würde, sehen wir einen neuen Tatbestand mit einem sehr, sehr hohen Strafrahmen vor, einen Tatbestand, der insbesondere lang an­haltende Gewaltbeziehungen abbilden und schärfer bestrafen soll, als das derzeit der Fall wäre.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Fichten­bauer, bitte.

 


Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Guten Morgen und alles Gute für die Gesundheit! Das Thema, das erörtert wird, verliert nichts an Aktualität. Wir sind der Auffassung, dass die Strafdrohung per se, ungeachtet dessen, ob sie im Einzelfall und tendenziell ausgeschöpft wird, Ausdruck der Missbilligung der Gesellschaft ist. Daher: Welche konkreten Vorbereitungen in Richtung Anhebung im Bereich des Sexualstraf­täterrechtes gibt es bereits seitens des Hauses?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Ministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Auf Grundlage der Gesamtstudie und natürlich unter Einbeziehung der Überlegungen, die auch hier schon im Nationalrat an­gestellt worden sind, werden wir im Herbst diese Arbeit aufnehmen. Einige Dinge, wie ich schon gesagt habe, wurden ja vorgezogen, eben dieser neue Tatbestand gegen lang anhaltende Gewaltbeziehungen. Ich denke, Sie haben die Notwendigkeit und die Sinnhaftigkeit von Strafen gut beschrieben. Wir müssen aber sehen, dass wir für die konkrete Abschreckung von Tätern mehr brauchen. Deshalb ist es uns zum Beispiel auch wichtig, von Straftaten überhaupt zu erfahren. Im zweiten Gewaltschutzgesetz sehen wir zum Beispiel eine erweiterte Anzeigepflicht vor, um von diesen Gewalttaten überhaupt erfahren zu können.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser.

 


Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Die Studie zur Evaluierung der Strafpraxis, bezogen auf Sexualstraftäter, war sicher ein richtiger Schritt. Wenn es eine öffentliche Debatte gibt, muss man sich anschauen, ob die Strafpraxis ausreichend ist. Klar ist aber auch, Strafen allein, höhere Strafen allein schaffen noch keine Sicherheit. Gibt es andere Maßnahmen, die Sie sich vorstel­len können, die man setzen kann, damit mehr Sicherheit entsteht bezogen auf Sexual­straftaten?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Tatsache ist, dass von 100 Sexual­straftaten 99 von Personen begangen werden, die Ersttäter sind, sprich der Polizei und der Justiz nicht bekannt sind. Wir müssen alles tun, dass wir Rückfälle von Sexualstraf­tätern vermeiden, aber die große Zielgruppe müssen diese Personen sein, die uns ja noch gar nicht bekannt sind. Und wir wissen, dass das oft Personen sind, die im sozi­alen Nahbereich der Kinder leben. Das kann der gute Onkel sein, das kann der Nach­hilfelehrer sein, das kann der Reitlehrer sein.

Ich schaue da immer ein bisschen neidisch nach Deutschland und nach Großbritan­nien. Dort wird sehr viel für die Prävention von Sexualstraftaten getan, indem diese Personen aufgefordert werden, sich freiwillig, bevor es zu einer Straftat kommt, in The­rapie zu begeben.

Als Justizministerium sind wir für diese Form der Primärprävention leider nicht zustän­dig. Ich hoffe, dass ich mit meiner neuen Kollegin im Innenministerium diesbezüglich etwas auf die Beine stellen kann, dass wir eine ähnliche Aktion wie zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland starten.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 20

Und wir müssen die Kinder stärken. Wir müssen die Kinder so stärken, dass sie sich Nein sagen trauen, dass sie sich, wenn etwas passiert ist, ohne Scham und eigene Schuldgefühle Erwachsenen anvertrauen können und dann gute Hilfe finden.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Mag. Grossmann.

 


Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin, Sie haben mir mit Ihrer Antwort aus dem Herzen gesprochen. Sexueller Missbrauch von Kindern ist wohl eines der abscheulichsten Verbrechen, die man sich vorstellen kann. Deshalb hat der energische Kampf gegen den Missbrauch von Kindern im Re­gierungsprogramm, das ich für den Jugendbereich mit verhandeln durfte, einen breiten Raum eingenommen, und ich freue mich feststellen zu können, dass Sie dieses Pro­gramm so engagiert, so konsequent umsetzen.

Die Maßnahmen sind vielschichtig und nicht ausschließlich einem Ressort zuzuordnen, vor allem wenn es um Prävention geht. Und ein Teil des Gesamtpakets zum Schutz von Kindern vor Gewalt und sexuellem Missbrauch war die Errichtung einer Straftäter­datei, die es ermöglichen soll, Ereignissen, wie sie im erschütternden Fall von Amstet­ten bekannt geworden sind, vorzubeugen. Warum ist es bis heute noch nicht zur Um­setzung dieses Vorhabens gekommen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Die Sexualstraftäterdatei ist als Maß­nahme in einem Gesamtpaket vorgesehen. Für 90 Prozent dieses Pakets ist aufgrund des Bundesministeriengesetzes das Justizministerium zuständig. Dafür liegt auch ein fertiger Entwurf vor, der bereits in Begutachtung war und in den die Begutachtungs­ergebnisse auch schon eingearbeitet sind. Hier geht es insbesondere um die Verlän­gerung der Verjährungsfristen, auch um die Verlängerung der Tilgungsfristen, um eine verbesserte gerichtliche Aufsicht über Sexualstraftäter, über die Möglichkeit, Berufsver­bote zu verhängen, durch andere Weisungen diese Personen von Kindern fernzuhal­ten. Also das ist fix und fertig im 2. Gewaltschutzgesetz.

Das Innenministerium hat etwas spät realisiert, dass für die legistische Vorbereitung der Sexualstraftäterdatei, eine Änderung des Strafregistergesetzes, das Innenministe­rium selbst zuständig ist, sodass es nicht genügt, mich dafür sozusagen als Säumige hinzustellen, sondern sie sind selbst zuständig. Das war und ist, glaube ich, derzeit in Begutachtung. Ich warte mit meinem Teil gerne, bis das fertig ist, und hoffe, dass wir für dieses Paket noch gemeinsam den Sommerministerrat schaffen. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur 3. Anfrage, Nummer 77/M, des Herrn Abgeordneten Mag. Steinhauser. – Herr Abgeordneter, bitte.

Die eingereichte Anfrage, 77/M, hat folgenden Wortlaut:

„Erachten Sie die Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft betreffend die 10 Tierschüt­zerInnen, die sich seit 21.5.2008 wegen § 278a StGB – Bildung einer kriminellen Orga­nisation – in Untersuchungshaft befinden, für korrekt?“

 


Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Am 21. Mai 2008 wurden zehn Tierschützer in Untersuchungshaft genommen. Die Un­tersuchungshaft dauert nunmehr sieben Wochen an. Bemerkenswert an dieser Unter­suchungshaft ist, dass den Tierschützern ein Paragraph vorgeworfen wird, nämlich die Bildung einer kriminellen Organisation.

Sie wissen, dass dieser Paragraph damals eingeführt wurde, um schwere Verbrechen zu ahnden. Wir reden dabei von Menschenhändlern, Geldwäschern, Waffenschiebern,


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alles mitunter sehr unsympathischen Figuren. Man kann sich des Eindrucks nicht er­wehren, dass hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird, werden den Tierschüt­zern doch lediglich einige Sachbeschädigungen vorgeworfen, die in keinem Verhältnis zu jenen Straftaten stehen, die ich gerade aufgezählt habe.

Teilen Sie die Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Darf ich vorweg sagen, dass das Strafgesetzbuch, so wie es jetzt ist, ohne Ansehen der Person anzuwenden ist. Ich denke, die österreichische Justiz hat in den letzten Tagen gezeigt, dass sie das sehr ernst nimmt. Es müssen sich Bankgeneraldirektoren, Vorstandsdirektoren, Gräfinnen an das Strafgesetzbuch halten, so wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger auch.

Zum konkreten Verfahren jetzt im sogenannten Tierschutzfall. Da sich dieses Verfah­ren noch im Ermittlungsstadium befindet, möchte ich jetzt keine Einzelheiten verbrei­ten. Alle Beschwerden, Vorwürfe, dass es in diesem Fall zu Unrecht zur Verhängung der Untersuchungshaft, zur Fortführung der Untersuchungshaft gekommen sei, dass es zu Zwangsmaßnahmen gekommen sei, die nicht verhältnismäßig gewesen seien, sind gerichtsanhängig. Die Verhängung der Untersuchungshaft, die Fortführung der Untersuchungshaft ist drei Mal vom Landesgericht Wiener Neustadt überprüft worden. Die Beschwerden sind auch beim Oberlandesgericht Wien anhängig. Ich denke, wir sollten die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Wien abwarten. Ich werde des­halb, solange diese Entscheidungen nicht ergangen sind, keine Maßnahmen aufsichts­behördlicher Natur ergreifen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Frau Bundesminister, jenseits des Verfahrens stellt sich natürlich die Frage, wenn da ein Paragraph angewendet wird, der eigentlich im Kampf gegen die Mafia geschaffen wurde, ob nicht legistischer Reform­bedarf besteht, das heißt, ob man nicht das Gesetz deutlicher formulieren müsste, da­mit eben wirklich Geldwäscher, Waffenschieber, Menschenhändler Adressaten dieses Paragraphen sind und nicht Tierschützer, die ja mitunter, würde ich sagen, oder nicht nur mitunter, sondern die jedenfalls sicher nicht diesen Gruppen angehören.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Für die Zukunft ist die Überarbeitung des Strafgesetzbuches in vielen Bereichen denkbar. Wir haben gerade von den Sexu­alstraftaten gesprochen. Ich bin gerne für eine Debatte offen und dafür, dass wir uns den § 278b StGB genauer anschauen. Vielleicht wäre eine Möglichkeit der Rechtferti­gungsgrund, den es beim § 278c Abs. 3 gibt, dass es nämlich dann, wenn es um hö­herwertige Rechtsgüter und die Ausübung von Menschenrechten geht, hier zu keiner Anwendung dieses Tatbestandes kommen kann. Vielleicht wäre auch das eine Mög­lichkeit, dass die beim § 278b StGB ursprünglich gedachte, sich aber nicht so im Ge­setz niederschlagende Einschränkung möglich wird.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Ja­rolim.

 


Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Frau Bundesminister, wir hatten ja gestern eine Dringliche Anfrage zum gegenständlichen Thema, und es ist hier der Ein­druck entstanden, dass der Tatbestand der kriminellen Organisation möglicherweise so weit formuliert ist und nicht ausreichend präzise, um zu verhindern, dass er auf Sach­verhalte wie etwa die Durchsetzung berechtigter Anliegen angewendet wird, ob das


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jetzt solche von Tierschützern oder andere Aktivitäten sind. Sie haben jetzt schon mit Ausführungen darüber begonnen.

Auf welche Art und Weise könnten wir uns mit diesem Thema auseinandersetzen? Welche Möglichkeiten bietet das Strafgesetz insgesamt, die Verhältnismäßigkeit dieser Norm zu präzisieren?

 



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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Es hat ja zu diesem Tatbestand be­reits mehrmals parlamentarische Beratungen gegeben. Der ursprüngliche Tatbestand wurde aufgrund eines Initiativantrages dieses Hauses eingeführt und hat eben deshalb sehr viel Kritik bekommen, weil er sehr weit gefasst worden ist. Beim Strafrechtsände­rungsgesetz 1996, glaube ich in Erinnerung zu haben, wurde er ja dann eingeschränkt. Es hat eine ausführliche Debatte gegeben. Es steht also sicher nichts dagegen, die Debatte noch einmal aufzunehmen.

Ich möchte aber betonen: In Zeiten organisierter Kriminalität brauchen wir Tatbestände wie diesen, um wirksam gegen organisierte Kriminalität kämpfen zu können. Für eine gänzliche Abschaffung oder Milderung dieser Straftatbestände bin ich daher sicher nicht zu haben.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Auer.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Klaus Hubert Auer (ÖVP): Frau Bundesministerin, Sie ha­ben gestern in der Beantwortung der Dringlichen der Grünen bereits angeführt, dass gegen die zehn inhaftierten Tierschützerinnen und Tierschützer mehrere Anzeigen we­gen Sachbeschädigung, krimineller Vereinigung und krimineller Organisation erstattet wurden. Die Staatsanwaltschaft hat dem stattgegeben, die Richter haben aufgrund von Verdunkelungs- und Tatbestandsgefahr die Untersuchungshaft ja verhängt. Sie haben dann auch ausgeführt, dass für Sie Tierschutz – genauso wie für mich – ein wichtiges Anliegen ist. Sie haben aber auch dazugesagt, dass allerdings kein noch so ehrenwer­tes Motiv einen Rechtfertigungsgrund für schwer wiegende Straftaten darstellen kann, wenn das nicht ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist.

Ich darf daher Sie, Frau Bundesministerin, noch einmal fragen, aufgrund welcher ge­nauen Straftatbestände die Untersuchungshaft verhängt beziehungsweise jetzt ver­längert wurde und ob Sie nicht doch einen Hinweis darauf geben könnten, welches schuldhafte Verhalten der Tierschützer bisher ermittelt wurde.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Ich muss jetzt noch einmal darauf hinweisen, dass wir uns derzeit im Ermittlungsstadium befinden, dass das ein nicht öf­fentlicher Teil des Strafverfahrens ist und ich deshalb hier nur sehr eingeschränkt Aus­kunft geben kann. Ich kann bestätigen, dass das Ermittlungsverfahren nicht nur wegen § 278b geführt wird, sondern auch wegen anderer Tatbestände.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Bu­cher.

 


Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Frau Bundesminister! Wir hatten ja gestern eine Diskussion zu diesem Themenkomplex, und im Zuge dieser Diskussion ist auch der Vorwurf aufgetaucht, dass ein großes österreichisches Textilunternehmen von diesen Tierschützern bedroht wurde und allenfalls auch „Schutzgelder“ – unter Anführungszei­chen – geflossen sind. Gibt es eigentlich Hinweise darauf, dass eine Partei in Öster­reich von diesen Machenschaften profitiert haben könnte?

 



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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Auch hier muss ich meinen Hinweis auf den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit des Ermittlungsverfahrens wiederholen. Ich darf solche Auskünfte hier nicht geben.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Vock, bitte.

 


Abgeordneter Bernhard Vock (FPÖ): Sehr geehrte Frau Minister! In der Öffentlichkeit wird der Eindruck erweckt, dass hier einerseits die Polizei bei der Festnahme und dann die Justiz jetzt bei der Untersuchungshaft die volle Härte des Gesetzes gegenüber zehn harmlosen Tierschützern walten lässt. Die Frage ist hier auch, wie die Bedingun­gen für die Häftlinge sind, ob auf vegane Ernährung Rücksicht genommen wird und ob die Haftbedingungen zureichend sind. Wann und wie wollen Sie die Öffentlichkeit dar­über informieren, was jetzt konkret die Vorwürfe an diese Täter sind – natürlich unter Wahrung der Rechte der Täter?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Zu den Haftbedingungen möchte ich sagen, dass wir natürlich gegenüber allen, die in Untersuchungshaft sind, unsere ge­setzlichen Verpflichtungen voll einhalten. Wir versuchen natürlich auch auf den Ge­sundheitszustand Rücksicht zu nehmen. Wir nehmen auch Rücksicht auf die verschie­densten Essensgewohnheiten. Natürlich gibt es in Haftanstalten gewisse Einschrän­kungen, die es nicht erlauben, auf allzu individuelle Wünsche einzugehen, aber wir versuchen tatsächlich unser Bestes. Ob es zu einer Anklage kommt, wird die Staats­anwaltschaft im Dienstwege zu entscheiden haben. Welche Tatbestände in dieser Anklageschrift enthalten sein werden, werden wir in der Zukunft sehen. Das kann ich jetzt auch noch nicht sagen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir kommen nun zur Anfrage 79/M des Herrn Abgeordneten Dr. Fichtenbauer. – Bitte.

Die eingereichte Anfrage, 79/M, hat folgenden Wortlaut:

„Warum haben Sie als Bundesministerin keine Schritte im Bereich des Sachwalter­rechts ergriffen, um geeignete Regelungen umzusetzen, damit Angehörige, die häufig in besonderer Weise von Unzukömmlichkeiten, einerseits bei der Bestellung von Sach­waltern und andererseits bei der Führung der Sachwalterschaft übel betroffen sind, unterstützt werden?“

 


Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Die Tatsache des Sachwalterwesens, sage ich einmal, führt zu einer zunehmenden Zahl von Beschwerdefällen, die laut werden. Das ist nicht nur in Zeitungen zu lesen, sondern wenn man im Rechtsberuf tätig ist, wird man immer stärker damit konfrontiert.

Die Rechtslage stellt sich derzeit folgendermaßen dar: Nach Sachwalterrechtsge­setz 2006 hat der nahe Angehörige zwar ein Antragsrecht mit Rechtsmittelbefugnis, dies aber nur dann, wenn noch kein Sachwalter bestellt worden ist. Ein Antrag auf Be­stellung oder Änderung des bestellten Sachwalters ist nur von der betroffenen Person selbst möglich – der es aber häufig sehr schwerfällt, weil sie eben besachwaltert ist – oder von Amts wegen.

 


Angehörige haben kein Recht auf Entscheidung, keine Parteistellung, kein Antrags­recht. Es wäre daher – was meinem von der Kanzlei Ihnen schon mitgeteilten Anre­gungsinhalt entsprechen würde – darauf hinzuwirken, dass sich daran zugunsten der Angehörigen etwas ändert. Warum ist vom Justizministerium in diese Richtung noch nichts gemacht worden?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Wir haben im Rahmen des Sachwal­terrechts-Änderungsgesetzes einige Möglichkeiten eröffnet, die Bestellung eines Sach­walters möglichst zu vermeiden, Angehörige zu finden, die bereit sind, diese Tätigkeit zu übernehmen. Mit Zustimmung des Betroffenen können diese Angehörigen in das Vertretungsregister eingetragen werden und haben dann, sollte es trotzdem zur Not­wendigkeit der Bestellung eines Sachwalters kommen, auch Parteistellung.

Wir wissen aus vielen Fällen, dass das Verhältnis zwischen Angehörigen und besach­walteten Personen ein sehr problematisches ist. Oft muss tatsächlich das Gericht einen Sachwalter bestellen, um die betreffende Person vor den eigenen Angehörigen zu schützen. Oft melden sich Angehörige, die mit der betroffenen Person nicht wirklich in Kontakt sind oder die die Parteistellung ausnützen könnten, um zum Beispiel Wissen über den Vermögensstand zu bekommen. Also es sind nicht immer sehr redliche Ab­sichten, die hier Angehörige gegenüber älteren Personen verfolgen, und da ist die Be­stellung eines Sachwalters notwendig. Die Einbindung von Angehörigen könnte da kontraproduktiv sein.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Fichtenbauer.

 


Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Das mag schon stimmen. Aber einen Generalverdacht gegen Angehörige zu erzeugen, geht nicht an. Schließlich und end­lich ist es auch ein gewisses Geschäftsfeld für diverse Vereine. Es gibt konkrete Fälle, wo ich Ihnen darlegen kann, dass sich die Angehörigen überhaupt in keinem Konflikt mit den besachwalterten Personen befinden und trotzdem Vereine vorgezogen wer­den, und dann, wenn die Bestellung vorgenommen ist, der Angehörige nicht einmal mehr ein Parteienrecht hat. Das ist eine Unzukömmlichkeit. Man muss daran denken, ein Antragsrecht und ein Legitimationsrecht der Angehörigen eingeschränkt einzufüh­ren, um einen Teil des Konfliktstoffes zu entschärfen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter, keine Frage? (Abg. Dr. Fichtenbauer – in Richtung Bundesministerin Dr. Berger –: Wie denken Sie dar­über?) – Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Ich will die Angehörigen sicher nicht unter einen Generalverdacht stellen. Und wenn ein gutes Einvernehmen in der Familie herrscht, wird es das Naheliegendste sein, dass eine Angehörigenvertretung stattfin­det, die dann natürlich die entsprechenden Rechte hat.

Ein Anliegen im Rahmen des Sachwalterrechts-Änderungsgesetzes 2006 war es ja auch, die Geschäftemacherei in diesem Bereich zurückzudrängen und eine tatsäch­liche Fürsorge für diese Personen zu erreichen. Es ist jetzt viel genauer geregelt, wie der Sachwalter in der Personensorge vorzugehen hat. Stichworte: Kontaktpflicht; Kon­trollrechte, die über das Gericht gegeben sind.

Ich sehe das Hauptproblem darin, dass wir alle zu kämpfen haben, genug Personen zu finden, die bereit sind, Sachwalterfunktionen zu übernehmen, sodass es wünschens­wert wäre, wenn mehr Angehörige dazu bereit wären.

Wir haben sehr engagierte Vereine in diesem Bereich. Es müssen vom Justizministe­rium für diese Vereine immer größere Beträge aufgewendet werden, damit diese ihre Tätigkeit fortführen können. Es werden in diesem Bereich weitere Steigerungen auf­grund der demografischen Entwicklung in Zukunft notwendig sein.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Haidl­mayr.

 



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Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Frau Ministerin, aufgrund der Änderung im Sachwalterschaftsrecht im Jahre 2006 ist die Klientenzahl pro SachwalterIn be­grenzt worden. Das finden wir ganz, ganz wichtig, weil es früher so war, dass bis zu 400 Personen bei einem Notar oder bei einem Anwalt waren und dieser eigentlich nur mehr einen Akt hatte, aber keine Person, die dahinter stand.

Aufgrund dieser Neuregelung kommt es jetzt zu einem Engpass bei den SachwalterIn­nen. Es ist vorher schon bekannt gewesen, dass es so sein wird, und es hat sich jetzt herausgestellt, dass es so ist.

Meine Frage: Was haben Sie vor, um diesen Engpass zu beseitigen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Ich habe bei der Beantwortung der vorigen Frage schon ausgeführt, dass wir in diesem Bereich sehr, sehr stark auf Ver­eine angewiesen sind, die diese Arbeit sehr gut machen, aber natürlich abhängig von den ihnen gewährten Subventionen nur eine begrenzte Fallzahl übernehmen können, um noch seriös arbeiten zu können.

Mir ist es mit dem Budget 2008 gelungen, hier 4 Millionen € mehr zur Verfügung zu stellen. Ich weiß aber, dass das nicht genug ist und dass damit die Zahl der Fälle, die von den Vereinen betreut werden können, zu niedrig ist. Wir setzen hier sehr stark schon auch darauf, doch wieder Angehörige zu finden, die bereit sind, mit Unterstüt­zung durch diese Vereine wenigstens Teilaufgaben zu übernehmen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Maier, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Das österreichische Sachwalterschaftsrecht hat wesentliche Bedeutung für die Be­sachwalteten, aber natürlich auch für die Angehörigen. Und es gibt Rechtsnormen, die für andere Gruppen eine wesentliche Bedeutung haben. Mit Gruppenklagen beispiels­weise für die Konsumenten könnte jetzt bei Meinl European Land eine Gruppe von Ge­schädigten gegen Meinl vorgehen.

Meine Frage: Warum hat die ÖVP entgegen dem Regierungsübereinkommen Ihre Vor­schläge für eine Gruppenklage in Österreich, um den Schutz der Konsumenten zu ge­währleisten, abgelehnt?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Tatsache ist, dass im Regierungspro­gramm der Auftrag enthalten ist, dass es das Instrument der Gruppenklage geben soll. Das Justizministerium hat diesbezüglich schon vor längerer Zeit einen Entwurf in Be­gutachtung geschickt und sehr viele Debatten dazu abgehalten.

Letztendlich sind einige Fragen offen geblieben, wo wir uns nicht annähern konnten. Das ist insbesondere die Frage der Mindestanzahl von Klägern, die gegeben sein soll. Wir haben ursprünglich 30 vorgeschlagen, sind dann ohnehin schon auf 80 gegangen. Die Zahl 80 würde bedeuten, dass wenigstens ein Viertel der in Frage kommenden Verfahren im Wege der Gruppenklage abgewickelt werden kann.

Wenn man da bei der Zahl der Kläger noch weiter hinaufgeht, so wie es von der Wirt­schaft und von der ÖVP verlangt wurde, nämlich auf 150 und noch mehr, dann hätten wir ein sehr, sehr kleines Anwendungsgebiet dieser Gruppenklage. Ich denke nicht, dass es sinnvoll ist, die Zivilprozessordnung maßgeblich zu ändern für Fälle, die dann vielleicht einmal in fünf Jahren vorkommen.


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Dass wir da ein Instrument dringend brauchen, zeigen die Entwicklungen in den letzten Wochen besonders deutlich. Ich hoffe, dass das letzte Wort hier noch nicht gesprochen ist und dass wir dieses so wichtige Instrument doch noch durchbekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Franz, bitte.

 


Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Frau Ministerin! Im Sachwalterrecht gibt es die An­gehörigenvertreter für Lebenspartner, für Ehegatten, für Eltern, für Kinder, nicht jedoch für Geschwister. Jetzt gibt es die Sorge von Eltern, gerade von Eltern von behinderten Kindern, wer nach ihrem Ableben für ihr behindertes Kind sorgen will oder soll. Es gibt den Wunsch – ich glaube, den berechtigten Wunsch! –, etwa von Behindertenvertre­tungen, aber auch von der „Lebenshilfe“, dass diese Eltern, so wie das bei der Patien­tenverfügung möglich ist, jemanden einsetzen können, und zwar ein Geschwisterteil des Behinderten, der eben dann dieses Angehörigenrecht im Falle ihres Ablebens für ihr Kind wahrnimmt.

Können Sie sich vorstellen, hier eine gesetzliche Regelung zu schaffen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Ich kann jetzt hier nur versprechen, dass ich mir diese Frage gerne noch einmal anschaue, warum Geschwister im Unter­schied zu anderen Angehörigen da ausgeschlossen sein sollen. Das erscheint mir jetzt auf Anhieb nicht wirklich nachvollziehbar.

Aber ich verspreche gerne, dass wir diese Frage überprüfen und Ihnen dann schriftlich eine Antwort geben werden. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dolinschek, bitte.

 


Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Frau Bundesministerin, die Problematik bei der Sachwalterschaft ist die, dass man auf der einen Seite, wie Sie vorhin schon erwähnt haben, nur schwer jemanden findet, und dass man auf der anderen Seite dann, wenn einmal ein Sachwalter bestellt ist und man mit der Abwicklung seiner Tätig­keit nicht zufrieden ist, ihn schwer wieder austauschen kann. Inwieweit sehen Sie Be­darf, dass das Verfahren zum Austausch eines Sachwalters vereinfacht wird?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Mit dem Sachwalterrechts-Ände­rungsgesetz 2006 sind, meine ich, sehr viele Verbesserungen in diesem Bereich einge­führt worden, insbesondere eine verstärkte Kontrolle der Sachwalter durch die Gerich­te. Es werden natürlich auch Beschwerden an uns im Justizministerium herangetragen. Wir stellen aber immer wieder fest, dass fast alles, was es da an Beschwerden gibt, der gerichtlichen Kontrolle unterliegt, und verweisen darauf, dass das zuständige Ge­richt angerufen werden kann.

Ich sehe daher, nachdem das erst 2006 eingeführt worden ist, keine Notwendigkeit, daran etwas zu ändern. Von den bestehenden Kontrollmöglichkeiten wird noch zu we­nig Gebrauch gemacht. Es liegt oft an der Information über das, was jetzt schon mög­lich ist, ob es in Anspruch genommen wird.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur Anfrage 81/M des Herrn Abgeordneten Mag. Darmann. – Herr Abgeordneter, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (BZÖ): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Sie haben als SPÖ-Justizministerin gemeinsam mit der ÖVP Ende des Jahres 2007 das Haftentlastungspaket 2007 ins Leben gerufen. Mit diesem werden Straftäter vor-


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zeitig, noch vor Verbüßung der Freiheitsstrafe beziehungsweise vor Absitzen der Straf­haft, sozusagen auf die Bevölkerung losgelassen, mit der Begründung, die auch aus dem Justizministerium kommt, einige Millionen Euro einzusparen. Von unserer Seite dargestellt: leider auf Kosten der Sicherheit der Bevölkerung!

Ich komme zur Frage, Frau Bundesministerin:

81/M

„Wie viele Häftlinge wurden bis heute seit dem 1.1.2008 aufgrund der Neuerungen des Haftentlastungspaketes 2007 nach nur teilweiser Verbüßung ihrer Freiheitsstrafe vor­zeitig aus der Haft entlassen?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Das sogenannte Haftentlastungspa­ket, das wir voriges Jahr beschlossen haben und das seit 1. Jänner 2008 zur Anwen­dung kommt, hat eine Vielfalt von Maßnahmen vorgesehen, die dazu dienen sollen, die Sicherheit zu verbessern, die Qualität im Strafvollzug zu verbessern und bei den Zu­ständen, die wir hatten, nämlich dass es in übervollen Haftanstalten nicht mehr möglich war, einen gesetzeskonformen Strafvollzug durchzuführen, Abhilfe zu schaffen.

Sicherheit steht im Vordergrund. Wir haben sehr viele Maßnahmen in diesem Paket, die die Sicherheit erhöhen. Ich verweise hier nur darauf, dass wir die Gefährlichkeits­prognosen verbessert haben, dass wir bei bedingten Entlassungen, die tatsächlich erleichtert wurden, gleichzeitig die obligatorische Bewährungshilfe vorgesehen haben. Wir haben eine längere Probezeit, einen längeren Zeitraum, in dem sich der Straftäter kontrolliert in der Freiheit bewähren muss. Wir wissen, dass diese schrittweise Zu­rückführung in das normale Leben wesentlich mehr zur Rückfallvermeidung beiträgt als ein unvermitteltes Auf-die-Straße-Stellen, wo es dann keine soziale Begleitung gibt.

Die konkreten Zahlen, die wir derzeit haben, sind noch nicht sehr aussagekräftig. Wir können sie vor allem nicht den einzelnen Faktoren, die sich geändert haben, zurech­nen. Wir können Ihnen sicher im Herbst ein aussagekräftiges Bild über die Auswirkun­gen dieser Maßnahmen geben.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Darmann, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (BZÖ): Frau Ministerin, es ist natürlich bedau­erlich, hier keine einzige Zahl präsentiert zu bekommen, da es für uns sehr wesentlich ist, das herauszufinden, und zwar gerade aufgrund der Bemühungen des BZÖ, zumin­dest Sexualstraftäter von den vorzeitigen Entlassungen auszunehmen. Leider hat sich das Justizministerium nicht bemüßigt gefühlt, diesen Täterbereich von der vorzeitigen Enthaftungsmöglichkeit auszunehmen.

Meine Zusatzfrage: Wie viele Sexualstraftäter wurden seit Anwendung dieses Haftent­lastungspaketes, also seit 1.1.2008, sozusagen auf die Bevölkerung losgelassen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Ich darf noch einmal darauf verwei­sen, dass wir – dies wird allgemein angewendet, richtet sich aber natürlich speziell gegen Sexualstraftäter – uns sehr bemüht haben, die Gefährlichkeitsprognosen zu ver­bessern. Wir setzen die Möglichkeiten, die wir hier haben, auch breiter ein.

Aber ich verwahre mich gegen den Ausdruck „auf die Bevölkerung losgelassen“. Es wird niemand bedingt entlassen, der sozusagen ein Risiko darstellen würde. Wir haben


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eine sehr erfreuliche Entwicklung bei den Anzeigenzahlen. Die Anzeigen sind in den letzten Monaten um 7 Prozent zurückgegangen. Es gibt also keinerlei Indizien, dass hier die Sicherheit gefährdet wäre. Ganz im Gegenteil: Wir haben einen Rückgang in der Kriminalitätsentwicklung! (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Haim­buchner, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Dr. Manfred Haimbuchner (FPÖ): Frau Bundesministerin! Sie haben es erwähnt, die übervollen Haftanstalten stellen ein großes Problem dar. Auf­grund dessen wurde auch der § 133a Strafvollzugsgesetz geschaffen, der da lautet:

„Hat ein Verurteilter die Hälfte der Strafzeit, mindestens aber drei Monate, verbüßt, so kann vom weiteren Vollzug der Strafe vorläufig abgesehen werden, wenn

1. gegen ihn ein Aufenthaltsverbot besteht,

2. er sich bereit erklärt, seiner Ausreiseverpflichtung unverzüglich nachzukommen ...“

Wie wird die Verpflichtung zur Ausreise bis zur Grenze in der Praxis sichergestellt?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Die Ausreise wird dadurch sicherge­stellt, dass der/die Betreffende von Justizwachebeamten bis zum Abreiseort begleitet wird. Es hat bisher kein einziges Problem in diesem Zusammenhang gegeben.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Stein­hauser, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Frau Bundesministe­rin! Sie haben schon ausgeführt, worin der Vorteil einer vorzeitigen Entlassung liegen kann, dass es nämlich jetzt Nachbetreuung gibt. Früher sind Häftlinge mitunter ohne Nachbetreuung entlassen worden, und die Rückfallsquote war höher. Entscheidend für die Frage des Rückfalls ist daher die Qualität der Nachbetreuung, die Bewährungshilfe.

Meine Frage: Um wie viel sind die Mittel für Bewährungshilfe für den Verein NEU­START aufgestockt worden, da bedingt durch das Haftentlastungspaket jetzt mit mehr Bewährungshilfe zu rechnen ist?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Es stimmt, dass wir einen vermehrten Aufwand bei der Bewährungshilfe haben. Ich denke, dass dieser Aufwand gut einge­setzt ist. Das ist immer noch kostengünstiger als die Betreuung in den Strafanstalten. Wir haben hier eine große Unterstützung des Vereins NEUSTART. Ich habe jetzt die Summe nicht im Kopf, aber es hat eine Erhöhung der Mittel gegeben. Wir sind derzeit mit dem Verein NEUSTART in Verhandlungen, wie sich die Fallzahlen, die Betreu­ungsfälle entwickelt haben, wie wir die Berechnungsmethoden ein bisschen verbessern können und das Geld zielgerichtet einsetzen können, nämlich wirklich in die Betreuung.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Pendl, bitte.

 


Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Ich hoffe, es geht Ihnen den Umständen entsprechend gut. Ich darf mich bei Ihnen, bei Ihrem Team, aber vor allem bei der Kollegenschaft im Vollzug, bei der Justizwache sehr herzlich be­danken. Wir haben die schwierigsten Zeiten im Strafvollzug hinter uns. Das Haftentlas­tungspaket 2007 hat wesentliche, qualitativ hochstehende Verbesserungen im Vollzug gebracht.


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Meine Frage: Sind diese Entlastungsmaßnahmen bereits spürbar? Wie wirken sie sich innerhalb des Strafvollzuges aus, beziehungsweise gibt es bereits Erkenntnisse auch außerhalb des Vollzuges?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Tatsache ist, dass das Haftentlas­tungspaket, wie schon erwähnt, eine Vielzahl von Maßnahmen gebracht hat. Gleich­zeitig sind aber auch andere Entwicklungen eingetreten. Allgemein gibt es einen Rück­gang bei der Kriminalitätsentwicklung. Möglicherweise wird es eine etwas andere Her­angehensweise bei der Verhängung der Untersuchungshaft geben.

Wir können den Rückgang, der tatsächlich gegeben ist, derzeit noch nicht einzelnen Faktoren verlässlich zuordnen. Dafür ist der Beobachtungszeitraum noch zu kurz.

Mir ist wichtig, dass die Qualität der Betreuung im Strafvollzug wieder stimmt, dass da­mit auch zu einer verbesserten Sicherheit beigetragen wird und dass insbesondere auch die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Strafvollzug, so­wohl der Justizwache als auch in den Betreuungsdiensten, wieder menschenwürdige sind. Sie sind alle sehr engagiert. Das konnte ich in den letzten Monaten wirklich fest­stellen. In diesem Bereich wieder halbwegs vertretbare Arbeitsbedingungen zu haben, ist wichtig.

Wo wir leider steigende Zahlen haben, ist im Maßnahmenvollzug. Daher habe ich eben auch Instrumente wie die Justizbetreuungsagentur geschaffen, um dem steigenden Personalbedarf nachkommen zu können.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Glaser, bitte.

 


Abgeordneter Franz Glaser (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2008 wurden die Begleitmaßnahmen für bedingte Entlas­sungen wesentlich erweitert. Internationale Studien zeigen, dass die Rückfallquote bei bedingten Entlassungen wesentlich geringer ist als bei jenen Personen, die die Strafe zur Gänze verbüßen.

Aus diesem Gesichtspunkt heraus stellt sich die Frage: Wie beurteilen Sie die rückfall­präventive Wirkung dieser neuen Regelungen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Auch hier werden wir noch genauere Untersuchungen, die sich auf einen längeren Zeitraum beziehen müssen, um verläss­lich zu sein, durchführen müssen.

Die Ausgangsannahme ist sicher richtig, das zeigt sich jeden Tag – durch eine schritt­weise Überführung wieder in die Freiheit, durch eine Begleitung, vor allem auch durch die Unterstützung in praktischen Fragen, beim Wohnungsfinden, beim Arbeitfinden. Da haben wir manchmal noch ein bisschen Probleme, weil das AMS unsere Strafentlasse­nen nicht wirklich als seine Zielgruppe ansieht.

Es ist einfach sehr, sehr wichtig, dass für diese Menschen Arbeit gefunden werden kann. Wir bilden auch in den Strafanstalten jetzt wieder verstärkt aus, weil wir wieder ein bisschen Luft dafür haben, um eine Resozialisierung – wiederum im Sinne auch der Sicherheit – zu erleichtern. Sowohl an Einzelfällen als auch in der größeren Zahl hat sich dieses Prinzip der Rückfallvermeidung auf diesem Weg sehr bewährt.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Danke schön. – Ich beendige an dieser Stelle die Fragestunde.


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Ich bedanke mich bei der Frau Bundesministerin für Justiz – und für die Disziplin der Abgeordneten für die Durchführung der Fragestunde. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.03.09Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsge­genstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsord­nung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Anfragebeantwortungen: 4351/AB bis 4354/AB;

Anfragebeantwortung (Präsidentin des Nationalrates): 37/ABPR.

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Antrag 861/A der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird;

Außenpolitischer Ausschuss:

Antrag 855/A(E) der Abgeordneten Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Abbruch der Beitrittsverhandlungen der Europäischen Union mit der Türkei;

Finanzausschuss:

Antrag 857/A(E) der Abgeordneten Bernhard Themessl, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Barbewegungsverordnung;

Ausschuss für Menschenrechte:

Antrag 860/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Manfred Haimbuchner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vertriebenen-Gedenktag;

Verfassungsausschuss:

Antrag 856/A(E) der Abgeordneten Dr. Gerhard Kurzmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Neuorientierung der österreichischen EU-Politik,

Antrag 858/A(E) der Abgeordneten Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend verpflichtende Volksabstimmung bei Ratifikation von Staatsverträgen,

Antrag 859/A(E) der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend Widerruf der Ratifikation des „EU-Reformvertrages von Lissabon“.

*****

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 4207/AB

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 4207/AB der Anfrage 4215/J der Abgeordneten Dipl.-


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Ing. Klement, Kolleginnen und Kollegen betreffend Besuchsrecht durch die Frau Bun­desministerin für Justiz abzuhalten.

Diese kurze Debatte findet gemäß § 57a Abs. 4 der Geschäftsordnung nach Erledi­gung der Tagesordnung, jedoch spätestens um 15 Uhr statt.

Zur Geschäftsordnung hat sich Herr Klubobmann Dr. Van der Bellen gemeldet. – Bitte.

 


10.04.02

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Der erste Tagesordnungspunkt, Frau Präsidentin, ist eine Debatte über europäische Angelegenheiten, über die Europapolitik der Bundesregierung und dieses Parlaments. Wie wir alle wissen hat Herr Minister Faymann in den letzten Ta­gen eine wesentliche Kursänderung in der Europapolitik in einem Leserbrief an die „Kronen Zeitung“ dargestellt.

Herr Minister Faymann hatte gestern Gelegenheit, sich zu Wort zu melden. Er hatte zweifellos auch vorgestern Gelegenheit, sich hier im Parlament zu Wort zu melden. Er ist offenbar auf Tauchstation.

Ich gehe davon aus, dass Herr Bundeskanzler Gusenbauer und Frau Außenministerin Plassnik sich in dieser Debatte zu Wort melden werden, aber nicht ein Minister, ein designierter Parteiobmann, jemand, der Bundeskanzler dieser Republik werden will, aber sich hier in diesem Haus offenbar einer Diskussion über europapolitische Fragen verweigert. Ich halte das für eine Brüskierung des Parlaments! (Rufe bei der SPÖ: Na geh!)

Ich beantrage daher nach § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung die Beiziehung von Minis­ter Faymann beziehungsweise verlange ich die Anwesenheit dieses Mitglieds der Bun­desregierung bei dieser Debatte. (Beifall bei den Grünen.)

10.05


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bevor ich über diesen Antrag abstimmen lasse, erteile ich Herrn Abgeordnetem Dr. Graf das Wort zur Geschäftsordnung. – Bitte.

 


10.05.30

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Ich verstehe zwar das Anliegen des Herrn Kollegen Van der Bellen, aber wir halten uns doch an die Geschäftsordnung, würde ich meinen.

Es ist durchaus möglich, Minister Faymann hierher zu zitieren, aber nicht unter dieser Begründung, wie Sie es gesagt haben. Bei dem derzeitigen Zustand der SPÖ ist ja nicht einmal sicher, dass Minister Faymann Parteiobmann der SPÖ wird. (Beifall bei der FPÖ. – Rufe bei der SPÖ: Geh bitte!)

10.06


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zur Geschäftsordnung erteile ich Herrn Klub­obmann Ing. Westenthaler das Wort. – Bitte.

 


10.06.04

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Prä­sidentin! Um dort fortzusetzen, wo meine beiden Vorredner begonnen haben, würde ich den Antrag des Herrn Kollegen Van der Bellen modifizieren und aktualisieren und bitten, den gegenwärtigen Verkehrsminister und SPÖ-Vorsitzenden – wer immer das auch ist! – herbei zu zitieren. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Allerdings bitte ich nicht darum – auch hier eine kleine Abweichung bei der Begrün­dung –, weil Herr Faymann so gerne Leserbriefe an die größte Zeitung des Landes


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schreibt – ich meine, jeder Bürger hat das Recht, Leserbriefe zu schreiben –, sondern ich möchte gerne über den Inhalt diskutieren. Er war es nämlich, der innerhalb von 24 Stunden seine Meinung zu dem Vertrag und den künftigen Volksabstimmungen ge­ändert hat, und das würde ich gerne mit ihm diskutieren.

Wir schließen uns daher dem Antrag an und wollen gerne Herrn Minister Faymann hier haben, wiewohl er auch die letzten Tage durch Abwesenheit geglänzt hat. Offenbar ist ihm das Parlament nichts wert. (Beifall beim BZÖ.)

10.06


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Klubobmann Dr. Cap, bitte.

 


10.07.01

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ich bewundere zu­erst einmal den Optimismus meiner drei Vorredner, die selbst nicht wissen, ob sie das nächste Mal noch da sein werden. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage einfach nichts anderes, als dass das einfach Wahlkampf ist. Melden Sie sich dann zu Wort und diskutieren wir inhaltlich! Es ist einfach lächerlich, jetzt krampfhaft ir­gendeine Thematik herauszuziehen. Das ist ja dieses Hauses nicht würdig. Also, auf in die Diskussion! Stellen Sie sich den Argumenten, dann werden wir richtig debattieren, und machen Sie da nicht so ein Theater! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Brosz: Kommt der Faymann oder kommt er nicht?)

10.07


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zur Geschäftsordnung: Herr Klubobmann Dr. Schüssel, bitte.

 


10.07.37

Abgeordneter Dr. Wolfgang Schüssel (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Ich unter­stütze das, was SPÖ-Klubobmann Josef Cap gesagt. Es sind zwei Erklärungen von Bundeskanzler Gusenbauer und Außenministerin Plassnik angemeldet. An sich ist es Sache der Abgeordneten, dazu Stellung zu nehmen. Das wollen wir auch gerne tun.

Natürlich wäre es schön, wenn Minister Faymann seine Meinung auch kundtut, aber wir werden ihn deswegen nicht zitieren. Es genügt uns der Leserbrief; der gibt uns ge­nügend Stoff zur Diskussion. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

10.08


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich lasse sofort über den Antrag, den Herr Klubobmann Dr. Van der Bellen gestellt hat, die Anwesenheit von Herrn Bundesminis­ter Faymann zu verlangen, abstimmen.

Wer dem die Zustimmung gibt, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist die Minder­heit. Dieser Geschäftsordnungsantrag ist somit abgelehnt. (Unruhe im Saal. – Präsi­dentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) – Meine Damen und Herren, darf ich um etwas mehr Aufmerksamkeit bitten!

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Um den Punkt 9 der Tagesordnung in Verhand­lung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung erforderlich, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des Ausschussberichtes abzusehen.

Beim Punkt 9 handelt es sich um den Bericht des Hauptausschusses betreffend die Erstattung eines Vorschlages für die Wahl eines Mitgliedes der Volksanwaltschaft (667 d.B.).


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Ich bitte jene Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist für die­sen Ausschussbericht ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 7 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ und ÖVP je 102 Minuten, Grüne und Freiheitliche 77 beziehungsweise BZÖ 63 Minuten.

Für die Zeit der Fernsehübertragung nach der Fragestunde von 10.15 Uhr bis 13 Uhr ist folgende Redezeitvereinbarung getroffen worden: Erklärung des Bundeskanzlers mit 15 Minuten, Erklärung der Außenministerin mit 15 Minuten, je eine Fraktionsrunde mit zunächst 10 Minuten, dann 6 Minuten, dann 5 Minuten und dann 4 Minuten.

Der den Vorsitz führende Präsident verteilt jeweils vor Beginn der letzten Runde nach Rücksprache mit den Klubvorsitzenden die für die letzte Runde verbleibende Restrede­zeit zu gleichen Teilen auf die fünf Fraktionen.

Tatsächliche Berichtigungen gelangen erst nach Beendigung der Fernsehübertragung zum Aufruf.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

10.10.291. Punkt

Erklärungen des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zur österreichischen EU-Politik

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Tagesord­nung.

Im Anschluss an diese Erklärungen wird im Sinne des § 81 der Geschäftsordnung ent­sprechend dem vorliegenden Verlangen von fünf Abgeordneten eine gemeinsame De­batte stattfinden.

Ich erteile nun Herrn Bundeskanzler Dr. Gusenbauer zur Abgabe der Erklärung das Wort und mache noch einmal auf die Redezeit von 15 Minuten aufmerksam. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


10.11.06

Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Frau Präsidentin! Mitglieder der Bundes­regierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Österreich ist am 12. Juni des Jahres 1994 zu einer Volksabstimmung über unseren Beitritt zur Europäischen Union aufgerufen worden. Zwei Drittel der österreichischen Bevölkerung haben sich zu die­sem Zeitpunkt für den Beitritt ausgesprochen.

Das war zu diesem Zeitpunkt ein sehr unerwartetes Ergebnis. Ich kann mich noch erin­nern, dass ich ein Jahr davor – ich war junger Abgeordneter – von wohlmeinenden Kol­legen angesprochen wurde, die gefragt haben: Wieso engagierst du dich so für den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union? Das ist eine aussichtslose Sache. Wir


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werden diese Volksabstimmung bei der Skepsis, die in Österreich zu diesem Thema besteht, nie gewinnen!

Ich kann mich erinnern, dass zu diesem Zeitpunkt die Zustimmung zu einem Beitritt unter 30 Prozent gelegen ist. Es ist uns in einer sehr großen Diskussion in Österreich, an der sich viele beteiligt haben – vor allem auch die Sozialpartner, all diejenigen poli­tischen Kräfte, die das für richtig gehalten haben, viele Bürgermeister –, in vielen kri­tischen Diskussionen, wo Ja und Nein, Pro und Contra abgewogen wurden, gelungen, eine große Mehrheit der österreichischen Bevölkerung zu überzeugen, und es haben dann zwei Drittel der Bevölkerung völlig unerwartet dafür gestimmt. Ich sage dazu: Es war eine richtige, es war eine wegweisende und für die Zukunft Österreichs ganz be­deutende Entscheidung, zu der ich auch heute stehe. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn man das im Nachhinein betrachtet: Haben die Österreicherinnen und Österrei­cher richtig entschieden, auch aus ihrer – wenn man so will – eigennützigen Perspek­tive?, und: Wie hat sich Österreich seit dem Beitritt entwickelt?, dann gibt es – so den­ke ich – ein paar sehr interessante Daten.

In der Zeit, seit wir Mitglied der Europäischen Union sind, haben sich die österreichi­schen Exporte mehr als verdreifacht. Das heißt, die österreichische Volkswirtschaft ist eine viel, viel internationalere geworden, als sie es noch 1994 war. Es ist uns gelun­gen, dass wir an die vierte Stelle der Mitgliedstaaten der Europäischen Union vorge­drungen sind, was unser Bruttoinlandsprodukt pro Kopf betrifft, also den gesamten Reichtum unseres Landes. Vor uns liegen Luxemburg, Irland und nur mehr ganz knapp die Niederlande, dahinter kommt bereits Österreich.

Es ist uns in dieser Zeit gelungen, dass die Arbeitslosigkeit – vor allem in den letzten beiden Jahren – dramatisch gesenkt wurde und wir bei der Arbeitslosigkeit in der Zwi­schenzeit mit 4,1 Prozent zu den besten Ländern Europas gehören. Die österreichi­sche Wirtschaft hat sich in dieser Zeit überdurchschnittlich gut entwickelt, denn unsere Wachstumsraten liegen über dem Durchschnitt der Euro-Zone, das heißt, unter den besser entwickelten Staaten der Europäischen Union, und wir sind auch im heurigen Jahr imstande, diesen Wachstumsvorsprung zu halten.

Man muss dazu sagen: Diese gesamte Erfolgsentwicklung Österreichs in der Europäi­schen Union war sehr oft von Befürchtungen begleitet. Das muss man ganz offen zu­gestehen. Ich kann mich erinnern, welche Befürchtungen bestanden haben, bevor wir uns alle gemeinsam dazu entschlossen haben, dass aus der Europäischen Union der 15 die Europäische Union der 27 werden soll. Welche Befürchtungen hat es gegeben, über – wenn man so will – Masseneinwanderung, über Verwerfungen am Arbeitsmarkt und Ähnliches?!

Es hat sich aber herausgestellt, dass Österreich der Hauptprofiteur dieser Erweiterung geworden ist, dass Österreich am allermeisten von den alten 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union von der Erweiterung profitiert hat, und zwar nicht nur politisch, nicht nur in puncto Sicherheit, sondern auch wirtschaftlich.

Ein zweites Beispiel: Erinnern wir uns daran, wie noch vor Kurzem diskutiert wurde, welche Ängste in Bezug auf die Schengen-Öffnung und der Mitgliedschaft unserer Nachbarstatten im Schengen-Raum, nämlich dem Raum von Sicherheit und Freiheit bestehen! Ich kann mich erinnern, noch am Beginn des Jahres wurden auch im nieder­österreichischen Landtagswahlkampf die Verunsicherungsszenarien strapaziert, was denn alles kommen wird, wenn die Grenzkontrolle nicht mehr stattfinden wird.

Haben Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, in den letzten Wochen von ir­gendeinem Vorfall gehört, irgendwo gehört, dass es nach wie vor Gegenstand der Dis-


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kussion wäre, dass die Unsicherheit durch die Schengen-Erweiterung gewachsen wäre? (Abg. Strache: O ja! Selbstverständlich!) – Nein, ganz im Gegenteil. Es hat sich Österreich und Österreichs Sicherheit auch im Zuge des Beitritts unserer Nachbarstaa­ten zu Schengen sehr gut entwickelt.

Das sind zwei Beispiele dafür, dass man vorhandene Befürchtungen zwar immer ernst nehmen muss, aber dass sich in der Geschichte sehr oft nicht die Befürchtungen be­wahrheiten, sondern manchmal das genaue Gegenteil.

Und ich sage Ihnen noch ein drittes Beispiel: Es wird über die europäische Einheits­währung und über ihre Auswirkungen und Effekte viel geredet. Sie könnten sich nun der Mühe unterziehen, unter Anwendung der Grundrechnungsarten eine kleine Rech­nung durchzuführen und sich die Frage zu stellen: Was würde heute ein Liter Diesel in Österreich kosten, wenn der Wechselkurs zwischen dem Euro und dem Dollar nach wie vor der Wechselkurs zum Zeitpunkt der Einführung wäre?, aber ich kann Ihnen das Ergebnis vorweg sagen. Es würde der Liter Diesel nicht zwischen 1,40 € und 1,50 € kosten, sondern es würde der Liter Diesel zwischen 2,30 € und 2,40 € kosten. (Abg. Dolinschek: Das glaubst du ja selber nicht!) Es wäre fast 1 € Unterschied, wenn der Wechselkurs nach wie vor derselbe wäre! (Abg. Ing. Westenthaler: So ein Unsinn! Sie fangen schon wieder an, die Leute für dumm zu verkaufen! Gott sei Dank treten Sie ab!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist kein Grund zur Aufregung, das sind ganz normale Grundrechnungsarten und ein Beispiel dafür, dass es eine starke euro­päische Währung auch zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger in Europa gibt. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Scheibner: Sie wollten doch Nachhilfe geben! Wenn die so ausschaut, ist es aber traurig!)

Über Mathematik braucht man nicht zu diskutieren! Das ist keine Frage der politischen Diskussion, da brauchen Sie sich keiner Mühe zu unterziehen! Rechnen kann man – oder man kann es nicht, Herr Scheibner. Das ist ganz einfach und simpel. (Beifall bei der SPÖ.)

Man muss sich natürlich die Frage stellen, wieso es angesichts einer so positiven Ent­wicklung der Europäischen Union, die zudem historisch gesehen dazu geführt hat, dass einige der wesentlichen Konflikte, die über Jahrzehnte für Erschütterungen auf unserem Kontinent gesorgt haben, gelöst werden konnten, so starke Vorbehalte bei uns in Österreich gibt.

Vor allem wenn man bedenkt, dass die europäische Integration nicht nur imstande war, die klassischen Konflikte vor dem Zweiten Weltkrieg zu lösen – unter anderem den Konflikt zwischen Deutschland und Frankreich –, wenn man daran denkt, dass die europäische Integration imstande ist, die Wunden zu heilen, die der Kalte Krieg in Europa geschlagen hat, und wenn wir sehen, dass wir auch beim dritten ganz großen bewaffneten Konflikt, nämlich dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien heute auf gutem Weg sind, dass die europäische Integration auch all das lösen kann, was dieser Krieg mit sich gebracht hat, dann muss man – so finde ich – auch mit der notwendigen histo­rischen Demut an die Frage herangehen und sagen: Jawohl, diese europäische Inte­gration hat mehr zu Frieden und Stabilität beigetragen als jeder andere Versuch in der Geschichte unseres Kontinents! Das halte ich für einen ganz, ganz wesentlichen Schritt, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Europäische Union beschäftigt sich nun seit dem Vertrag von Nizza mit sich selbst, weil dieser Vertrag von Nizza nach allgemeiner Einschätzung dazu geführt hat, dass viele gesagt haben: So kann es nicht mehr weitergehen, mit dieser klassischen Metho­de der Vertragsentwicklung können wir Europa nicht mehr weiterentwickeln! Es hat


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einen sehr großen Anspruch gegeben, über dem Konvent und danach den Verfas­sungsvertrag Europa auf eine neue Grundlage zu stellen, zu einem Zeitpunkt, als die große Mehrheit in Europa sehr stark pro Integration ausgerichtet war.

Leider haben sich während der Diskussionen zu diesem Verfassungsvertrag die Kräfte­verhältnisse in Europa verändert. Es ist wieder stärker auch das Bewusstsein, mehr auf nationaler Ebene zu lösen, in den Vordergrund getreten, und letztendlich ist dieser Verfassungsvertrag auch an zwei Referenden gescheitert; wir wissen nicht, wie andere ausgegangen wären. (Abg. Strache: Sie haben sie auch nicht zugelassen!)

Daher hat man nach einer Nachdenkpause einen erneuten Versuch unternommen und hat den Reformvertrag von Lissabon beschlossen, der anders ist als der Verfassungs­vertrag und auf einige wesentliche Schritte der weiteren Integration verzichtet, aber trotzdem ein wesentlicher Fortschritt ist für das weitere Zusammenwirken in Europa.

Daher haben wir diesen Vertrag ausverhandelt, wir haben ihn unterschrieben (Abg. Kickl: Bejubelt!), und das österreichische Parlament hat diesen Vertrag ratifiziert. (Abg. Kickl: Bejubelt habt ihr ihn!) Ich halte das für einen richtigen Schritt (Abg. Strache: Dass Sie keine Volksabstimmung gemacht haben!), weil dieser Vertrag von Lissabon erneut einen Meilenstein in der Entwicklung der europäischen Zusammenarbeit dar­stellt. Und ich erachte es als wichtig, dass Österreich zu jenen Ländern gehört, die diesen Vertrag bereits ratifiziert haben (Abg. Strache: Das ist jetzt der Briefinhalt nach Brüssel!); ich hoffe, die anderen werden uns nachfolgen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Strache: Das ist jetzt der Briefinhalt nach Brüssel!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist das Problem, das wir haben, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen?

Das eine Problem ist, dass viele Menschen spüren, dass wir am Beginn einer Zeiten­wende stehen (Abg. Ing. Westenthaler: Bei Ihnen ist eine Zeitenwende!), und die heu­tigen Erdölkurse, die Preise für Nahrungsmittel, die Preise für Rohstoffe sind der Be­ginn sehr großer Umwälzungen, die weltweit stattfinden werden – mit einer Neuvertei­lung von Reichtum, mit einer Neuverteilung von Einfluss (Abg. Strache: Der Armut!) und auch mit einer Neuverteilung der Macht auf der Welt. (Abg. Strache: Und der Ar­mut!)

Die Menschen haben ein sehr feines Sensorium und haben den Eindruck, dass hier die Gefahr besteht, dass sie in diesem gewaltigen Umwälzungsprozess auf der Strecke bleiben könnten. Und das ist, glaube ich, das Hauptmotiv dafür, dass viele Menschen heute Zukunftsängste haben – bei uns in Österreich in einem großen Ausmaß, aber auch der Pessimismus in der Europäischen Union ist ein relativ großer. Und daher glaube ich, dass es eine Hauptaufgabe von Politik auf nationaler und auf europäischer Ebene ist, den Menschen, die verunsichert sind, hier wieder Halt zu geben, Haltegriffe einzubauen, an denen sie sich festhalten können, weil sie diese Stabilität brauchen, um ihr eigenes Leben und ihre eigenen Bedürfnisse entwickeln zu können.

Ich glaube daher, dass an einem sozialeren Europa, das sich darum kümmert, dass nicht nur die Wirtschaft gut funktioniert – und das tut sie zum Glück –, sondern dass mehr Menschen von dem erwirtschafteten Reichtum auch etwas haben, dass an die­sem sozialen Europa kein Weg vorbeiführt, wenn man in Zukunft die europäische Einigkeit erzielen wird. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das Zweite ist: Ich glaube, dass die Menschen den Eindruck haben, es werden manch­mal Entscheidungen weit weg von ihnen, weit entfernt von ihnen getroffen. Das ist ein Problem, das wir auf allen Ebenen der Politik haben, und daher steht Politik immer wie­der unter dem Druck, erneute Legitimation zu erlangen.


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Wir haben in den vergangenen Jahren in Europa gesehen, dass verschiedenste Mit­gliedstaaten immer wieder, auch wenn sie verfassungsrechtlich nicht dazu gezwungen waren, Referenden veranstaltet haben, weil sie das Bedürfnis gehabt haben, über einen solchen Referendumsprozess eine stärkere Legitimation des europäischen Pro­jekts in ihrem eigenen Land zu erreichen.

Glauben Sie, dass im Jahr 2005 die spanische Regierung ein Referendum veranstaltet hat, um zu sagen: Wir wollen raus aus Europa!? – Nein, ganz im Gegenteil: Die haben ein Referendum veranstaltet, um eine große Bewegung in Gang zu setzen, die Men­schen erneut vom europäischen Projekt zu überzeugen. Und 80 Prozent der Bevölke­rung haben dort auch zugestimmt.

Es hat eine Reihe von anderen Mitgliedstaaten gegeben, die Referenden hatten, die dafür und dagegen ausgegangen sind. Mir hat der ehemalige dänische Ministerpräsi­dent Poul Nyrup Rasmussen erzählt, dass er in Dänemark Referenden verloren und gewonnen hat. Aber das Gesamtergebnis der direkten Beteiligung der Bevölkerung ist heute, dass das Europabewusstsein in Dänemark ein höheres ist als in vielen anderen Staaten.

Und ich glaube, das Problem, mit dem wir uns alle befassen müssen, ist, dass wir in Österreich rund ein Drittel der Bevölkerung haben, die harte Gegner des europäischen Einigungsprozesses sind. Wir haben etwas weniger als ein Drittel – in der Zwischenzeit nur mehr 28 Prozent –, die starke Befürworter dieses Prozesses sind. Und dazwischen haben wir viele Menschen, die sehr skeptisch geworden sind. Und was wir nicht zulas­sen dürfen, ist, dass aus diesen Skeptikern in Österreich harte Gegner des europäi­schen Einigungswerkes werden, denn das würde heißen, dass wir auf Sicht die Mehr­heit der Bevölkerung für den europäischen Prozess verlieren.

Ich plädiere daher dafür, diesen Dialog mit jenen Menschen, die skeptisch und kritisch sind, ganz offensiv zu führen, weil wir sie zu denen dazu gewinnen wollen, die schon heute Befürworter des europäischen Einigungsprozesses sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Und manchmal ist es notwendig, den Menschen die Ernsthaftigkeit des Dialogs auch dadurch zu signalisieren, dass man sagt (Abg. Dr. Schüssel: Rubikon, nicht?): Am Ende eines solchen Prozesses entscheidet nicht die Politik alleine, sondern es ent­scheidet gemeinsam die Bevölkerung mit der Politik. (Abg. Dr. Schüssel: Der Rubi­kon! – Caesar: „Alea iacta est!“)

Ich komme zum Schluss, meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Präsidentin. Ich glaube nach wie vor, dass der Satz des großen Europäers Jacques Delors richtig ist, der gesagt hat: „Nichts geht gegen die Menschen und nichts bleibt ohne die Institu­tionen.“

Und daher kann ich Sie nur dazu aufrufen, diese Zustimmung zu Europa in der öster­reichischen Bevölkerung wieder mehrheitsfähig zu machen (Abg. Dr. Schüssel: Fan­gen Sie damit an! Beginnen Sie damit!), den Menschen ein ernsthaftes Angebot zu ma­chen, dass am Ende nicht die Politik alleine, sondern die Politik gemeinsam mit der Bevölkerung über die gemeinsame Zukunft Europas entscheidet. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.26


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich erteile nun Frau Bundesministerin Dr. Plass­nik das Wort zur Abgabe ihrer Erklärung. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


10.27.38

Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Ursula Plassnik: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Diese heutige Debatte hätte unter anderen Vorzeichen stattfinden sollen; sie war geplant als Erklä-


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rung über den letzten europäischen Gipfel. Das kann nun in der vorgesehenen Form nicht stattfinden, und ich bitte Sie daher um Aufmerksamkeit für die Veränderungen, die es zum Thema Europa in Österreich gegeben hat. Und das sind Veränderungen an der Spitze des Koalitionspartners, nicht Veränderungen an der Europapolitik, denn die österreichische Europa- und Außenpolitik ist unverändert. Daran ändert auch ein Schreiben des Bundeskanzlers und des Verkehrsministers nichts. Das hat im Übrigen auch Bundespräsident Heinz Fischer eindeutig klargestellt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Gaßner: Das glauben aber nur Sie! – Abg. Strache: Wie war das mit dem Foto, das Sie Dichand mitgebracht haben?)

Ich schließe, meine Damen und Herren, an den Bundeskanzler an, wenn er sagt: Kein Europa ohne Europäer! – Selbstverständlich, genauso wenig wie ein Österreich ohne Österreicher. Genauso wenig allerdings auch wie eine Politik ohne Politiker, meine Damen und Herren. Denn: Wer österreichische Interessen in Europa und in der Welt vertreten will, der muss sie kraftvoll vertreten (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP), der muss sich profilieren mit Verlässlichkeit, mit Mut und mit Standhaftigkeit! (Abg. Dr. Schüssel: Nicht mit Schwäche: den Zeitungen nachrennen, ...!)

Man kann Verantwortung abgeben. Man kann sie abgeben auch an Zeitungsherausge­ber (Abg. Parnigoni: An das Volk!), wie mächtig sie auch immer sein mögen oder nicht. (Abg. Parnigoni: An das Volk, Frau Außenministerin!) Besser ist es, Verantwor­tung wahrzunehmen, Verantwortung auch persönlich und in erster Linie persönlich wahrzunehmen! Denn, meine Damen und Herren, eines darf man in der Politik nicht (Abg. Ing. Westenthaler: Oberlehrerin!) – und das ist meine feste Überzeugung (Abg. Ing. Westenthaler: Die Oberlehrerin kommt jetzt!) –: Man darf nicht die Bevölkerung für dumm verkaufen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Strache: Und was machen Sie denn? Was machen Sie denn? – Das ist ja unglaublich! – Abg. Parnigoni: Ich bin fas­sungslos! – Weitere Zwischenrufe bei FPÖ, BZÖ und SPÖ.)

Die Menschen in diesem Land – und das haben auch die letzten Tage gezeigt – haben ein sehr feines Gespür dafür, ob es um sie geht, ob es um Sachanliegen geht, oder ob es um ganz andere Motive geht. (Ruf bei der SPÖ: Genau! – Abg. Parnigoni: Ihre Mo­tive kennen wir!)

Österreich, die Österreicherinnen und Österreicher haben Interessen. Diese gilt es wahrzunehmen: in Europa und in der Welt. (Abg. Strache: Dann fangen Sie bitte damit an!) Es sind Interessen nach Sicherheit, die Interessen auch in der sozialen Dimen­sion, die Interessen der Wirtschaft (Abg. Parnigoni: „Der Wirtschaft“!), die Interessen der Jugend, die Interessen der Forschung und Entwicklung. All das sind Themen (Abg. Parnigoni: Die Arbeitnehmer haben Sie vergessen, wie immer!), die es engagiert wahrzunehmen gilt. Dafür muss man sich einsetzen! (Beifall bei der ÖVP.)

Verzagtheit, meine Damen und Herren, Verzagtheit und Kniefälle, auch wenn sie ex post zur Kunstform deklariert werden, bringen uns nicht weiter. (Abg. Strache: Wel­chen Kniefall machen Sie vor Brüssel? Welchen Kniefall machen Sie permanent vor Brüssel?) Ängstliche Politiker werden uns auch nicht weiterbringen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin und bleibe davon überzeugt, dass Kniefälle und Verzagtheit nicht zum Reper­toire verantwortungsvoller Politiker gehören sollen. Ich lade Sie daher ein zu einem anderen Weg. Ich lade Sie daher ein zu einem Weg des Mutmachens und des Mitma­chens, denn der kostbarste Rohstoff, den wir haben, in diesem Land wie in Europa, ist Zuversicht! Wir wollen ein starkes Österreich (Beifall bei der ÖVP), ein starkes, ein selbstbewusstes Österreich in einem starken und in einem geeinten Europa! Das ist es, worauf wir hinarbeiten wollen. (Abg. Mag. Gaßner: Schöne Schlagworte!)


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Die Österreicher als EU-Muffel hinzustellen, meine Damen und Herren, ist ganz ein­fach falsch! Es ist unzutreffend. Selbstverständlich haben die Menschen in diesem Land, wie auch in anderen Teilen Europas, Sorgen, sie haben Zweifel, sie haben Anlie­gen. Auf diese muss man eingehen. Nur: Es kommt darauf an, wie man darauf eingeht und wie man damit umgeht. (Abg. Mag. Gaßner: Ob man darauf eingeht!) Man geht damit – und ich weiß, dass das keine populäre Position ist, aber sie ist richtig (Ruf bei der SPÖ: Das glauben aber nur Sie!) – nicht am besten um, indem man den Ruf nach Volksabstimmungen erschallen lässt, über Themen, die noch nicht einmal am Horizont der Realität aufgetaucht sind, über zukünftige Verträge, von denen niemand, aber auch wirklich niemand redet, außer denjenigen, die Europa und die europäische Idee für ganz andere Zwecke missbrauchen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Menschen in unserem Land sind besorgt über die Preise, über den Anstieg der Preise in so vielen Bereichen des täglichen Lebens. Gerade diejenigen, die ein be­schränktes Einkommen haben, brauchen unsere Unterstützung, nicht nur in Europa, sondern in diesem Land. Und der Ruf nach Volksabstimmung, senkt der auch nur einen Preis bei einem Gut? – Nein, das tut er nicht! Schafft der Ruf nach Volksabstim­mung mehr Sicherheit? – Nein, das tut er nicht! Schafft er mehr Vertrauen? – Nein, meine Damen und Herren! Seien wir doch ehrlich, sagen wir doch, wie es ist (ironische Heiterkeit des Abg. Hursky): Dieser Ruf alleine schafft keinerlei Vertrauen! (Beifall bei der ÖVP.)

Es gibt keinen Weg, der herumführt um die Überzeugungsarbeit (Abg. Mag. Gaßner: Warum haben Sie die nicht gemacht?), die tägliche, mühsame Überzeugungsarbeit (Abg. Binder-Maier: Machen Sie sie doch endlich! – Abg. Mag. Gaßner: Das war Ihre Aufgabe!), der man sich nicht einfach entziehen kann, auch wenn es vordergründig so aussieht, auch wenn selbstverständlich die Menschen für eine Volksabstimmung sind, wenn man ihnen die Frage so hinlegt. (Beifall bei der ÖVP.)

Hand aufs Herz, meine Damen und Herren: Die Sorgen, die Ängste, die Verunsiche­rungen, die die Menschen in unserem Land quälen, haben die etwas mit dem Reform­vertrag zu tun, mit dem Vertrag von Lissabon – oder kommen sie aus ganz anderen Quellen? (Abg. Kickl: Das muss die schlechte Innenpolitik sein!) Und müssen wir uns nicht mit diesen Quellen beschäftigen, genauso wie wir uns beschäftigen mit den insti­tutionellen Fragen, die für ein besseres Funktionieren, für ein demokratischeres und effizienteres Europa notwendig sind?

Ich bin also dafür, dass wir uns nicht auf die Seite der Angstmacher und nicht auf die Seite derer, die Angst haben, stellen, sondern dass wir auf der Seite der Mitmacher und der Mutmacher sind. (Abg. Kickl: Die Bevölkerung auseinanderdividieren! – Abg. Ing. Westenthaler: „Auf der Seite der Haberer“ ist besser! „Auf der Seite der EU-Haberer“, auf gut Wienerisch!) Wir sollten in der Politik, Sie, meine Damen und Herren in der Volksvertretung, auch den Mut haben und den Gestaltungswillen, um uns diesen Fragen, diesen Aufgaben auch wirklich zu stellen.

Die Situation ist – nach dem negativen Referendum in Irland – in Europa, in der Euro­päischen Union nicht einfach. Das wissen wir alle. Aber es gibt nach einem irischen Referendum auch keinen Grund für einen Kopfstand in wesentlichen Fragen der Euro­papolitik in diesem Land.

Daher: Bringen wir uns ein! Engagieren wir uns! Machen wir im Interesse der Jugend sichtbar, welche Fortschritte, welche Erfolge diese Europäische Union bis jetzt schon – auch für Österreich und die Bürger und Bürgerinnen dieses Landes – gebracht hat!

Jetzt, meine Damen und Herren, ist die Aufmerksamkeit vorhanden für ein Thema, das im Alltag und in der politischen Alltagsarbeit nicht immer ganz leicht an den Mann, an die Frau zu bringen ist. Nützen wir diese Chance! Ich lade Sie ein. Ich habe gemein-


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sam mit meinem Team im Ministerium die Europafreunde-Plattform gegründet. Sie richtet sich an alle Menschen in diesem Land, die wieder mit positiver Energie und nicht mit Angstmacherei und dem Schüren von Ängsten und dem vordergründigen Ein­gehenwollen auf populäre Bedürfnisse an diesem Europa arbeiten wollen, die diese Verantwortung auch in Tat und Wahrheit annehmen wollen, die sich dafür engagieren wollen, über die Tagespolitik hinaus, weil es ihnen um ein wirkliches Anliegen geht: um ein starkes, selbstbewusstes Österreich in einem starken, geeinten Europa! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Strache: Da machen Sie genau das Gegenteil davon! Da machen Sie genau das Gegenteil dafür!)

10.37


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Als Erster gelangt Herr Klubobmann Dr. Van der Bellen zu Wort. Redezeit in der ersten Runde der Redner und Rednerinnen: jeweils 10 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Van der Bellen –: Sie müssen doch nicht alles nachsprechen, was Ihnen der Herr Dr. Schüssel sagt! – Abg. Dr. Stummvoll: Sehr „lustig“! – Ruf bei der ÖVP: Ein „super“ Zwischenruf! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

 


10.37.31

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, auch wenn ich die meisten Ihrer Sätze ohneweiters unterschrei­ben würde – das ist gar nicht der Punkt –, haben Sie hier eine Routinevorlesung über die Vorzüge und einige Nachteile der Europäischen Union gehalten, während die Frau Außenministerin immerhin darauf eingegangen ist, dass plötzlich, seit wenigen Tagen, ein Riss durch die österreichische Außenpolitik, durch die österreichische Europapolitik geht, verursacht durch einen Leserbrief von Herrn Minister Faymann, mitunterschrie­ben, aus welchen Gründen auch immer, von Bundeskanzler Gusenbauer.

Frau Außenministerin Plassnik ist freilich nicht darauf eingegangen, ob nicht vielleicht die Politik der ÖVP, ob nicht vielleicht die Politik der zuständigen Europaministerin Plassnik mitverantwortlich ist für die miese Stimmung in diesem Land, in Österreich, gegenüber Fragen der Europäischen Union.

Ich möchte aber trotzdem noch einmal auf die Nichtanwesenheit von Minister Faymann zurückkommen und auf seine Gesprächsverweigerung gegenüber dem Parlament. Die SPÖ scheint nicht zu verstehen, dass es hier nicht so sehr um inhaltliche Fragen geht, sondern um eine symbolische Frage der Unterwerfung unter ein bestimmtes Medium. (Beifall bei den Grünen.)

Über die Volksabstimmung, meine Damen und Herren, ob national oder europaweit, können wir lange diskutieren; auch wir Grünen haben dieses Thema sehr intensiv par­teiintern diskutiert. Da gibt es Pro und Kontra. Ob der Reformvertrag von Lissabon ge­genüber dem Vertrag von Nizza wesentliche Fortschritte bringt oder wesentliche Defizi­te beinhaltet, darüber kann man sehr lange diskutieren und legitimerweise auch unter­schiedlicher Meinung sein.

Aber einen derartigen Leserbrief zu schreiben, meine Damen und Herren, als Geste der Unterwerfung! (Abg. Parnigoni: „Jessas!“) – „Die Zeit“, das ist ein Blatt, das viel­leicht auch Sie hin und wieder lesen, oder zumindest der Kollege Cap. Sie haben es auf die Seite 1 der „Zeit“ geschafft! – Mit ihrem Kotau hat die SPÖ jede Glaubwürdig­keit verloren!, lautete die Titelüberschrift auf Seite 1 der „Zeit“. Das habe ja nicht ich erfunden. Ich werde jetzt nicht alle Epitheta wiederholen, die Ihnen in diesem Zusam­menhang vorgehalten wurden.


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Aber das ist eine symbolische Geste der Anpassung, des Opportunismus, der Unter­werfung eines Mannes – und das ist für mich das Wesentliche –, der einen Führungs­anspruch in dieser Republik erhebt. Wenn das der Herr Strache gemacht hätte oder ein Oppositionspolitiker – das steht auf einem anderen Blatt (Heiterkeit) –, aber von Herrn Faymann, der hier einen Führungsanspruch erhebt, hat das eine völlig andere Qualität! (Abg. Strache: Sie haben recht! Sie haben es auf den Punkt gebracht! Wir erheben den Führungsanspruch!)

Herr Guggenberger ist ein alter Freund von mir. Als wir noch gemeinsam in der SPÖ waren, haben wir uns befreundet, Walter Guggenberger, Nationalratsabgeordneter der SPÖ, Klubobmann im Tiroler Landtag. Beide stammen wir aus dem Bezirk Landeck. Heute schreibt Guggenberger im „Standard“:

„Über Euren quasi handstreichartigen, ohne die geringste innerparteiliche Diskussion vollzogenen Kurswechsel“ – gut, das ist euer Problem, das ist das Problem der SPÖ – „bin ich entsetzt und empört. Dass dieser der Öffentlichkeit und den eigenen Funktio­nären“ – das ist Ihr Problem – „zudem in einem Brief an den Herausgeber einer Zei­tung mitgeteilt wurde, die mit ihrer hysterischen Kampagne die kritisch bis ablehnende Stimmung gegen die europäische Integration mitverantwortet, ist der Gipfel der Ge­schmacklosigkeit. Darüber hinaus ist es ein stilloser Akt der Anbiederung, ...“ – Das schreibt mein guter Freund – ich hoffe, immer noch Ihrer – von der SPÖ, Walter Gug­genberger. Ich habe dem nichts hinzuzufügen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Diesen Kurswechsel in einer Zeitung zu lesen, die uns, zumindest den Abgeordneten von SPÖ, ÖVP und den Grünen, Verfassungsbruch vorgeworfen hat, Verfassungs­bruch in einer riesigen Schlagzeile der „Kronen Zeitung“ – das finden Sie witzig? (Abg. Rädler: „Verräter“!) Das finden Sie okay? (Abg. Dr. Schüssel: Erbärmlich, nicht trau­rig!) Man kann darüber debattieren, ob das verfassungswidrig war oder nicht – ja, si­cher –, aber Minister Faymann hätte ja wohl den Vertrag mitratifiziert, denke ich, wenn er hier als Abgeordneter gesessen wäre, oder vielleicht nicht?! (Abg. Dr. Schüssel: Im Ministerrat hat er zugestimmt!) – Im Ministerrat hat er zugestimmt. Er teilt uns in die­sem Medium mit, dass da vielleicht doch etwas dran ist, dass das verfassungswidrig gewesen sein könnte, ein klarer Verfassungsbruch? Und da regen Sie sich auf, wenn wir Rot-Blau in diesem Zusammenhang am Horizont sehen?

Wer sind denn in diesem Zusammenhang die Kolumnenschreiber in der „Kronen Zei­tung“? Wer hat uns denn da Verfassungsbruch vorgeworfen? – Haargenau die Exper­ten, die dauernd von der FPÖ auch hier im Parlament in diesem Zusammenhang ge­nannt wurden, wobei ich das Wort „Experte“ unter Anführungszeichen gesetzt haben möchte. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Und dann regen Sie sich über Rot-Blau auf? Na was ist denn das für ein Signal? – Das ist ein Annäherungssymbol, nichts anderes, an eine FPÖ, die ja mit dem Austritt aus der Europäischen Union liebäugelt. In jedem Interview wird das deutlich. Sie wollen die Grenzen wieder zumachen statt aufmachen. (Abg. Strache: Flunkern Sie nicht schon wieder! Sie fallen in das alte Flunkern zurück! Jetzt fangen Sie wieder zu flunkern an, Herr Klubobmann Van der Bellen!) Sie wollen die Isolation Österreichs in der Europäi­schen Union. Sie glauben im Ernst, dass die Interessen Österreichs so besser vertre­ten werden können als in der Union? – Das ist ein wirtschaftspolitischer und außenpoli­tischer Unfug! Aber mit diesen Leuten machen Sie gemeinsame Sache – diesen Ein­druck erwecken Sie zumindest.

Kollege Cap wird ja seither nicht müde zurückzurudern, abzuwiegeln, das sei alles nicht so gemeint. Was regt ihr euch denn auf? Es sei ja nur ein Brief. – Es ist ja nur ein


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Brief, sicher. Auch Minister Faymann sagt: Na ja, wer weiß, zu Kroatien machen wir sicher keine Volksabstimmung. – Wenn das seine Linie ist, weiß ich nicht.

Ich bringe nun folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Van der Bellen, Glawischnig-Piesczek, Sburny, Lunacek, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Befassung des Parlaments mit grundlegenden Änderun­gen in der Außenbeziehung bzw. Europapolitik anstelle von Leserbriefseiten“

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Herr Bundeskanzler und der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technolo­gie werden aufgefordert, grundlegende Änderungen in ihrer außen- beziehungsweise europapolitischen Ausrichtung jedenfalls in Erklärungen gegenüber dem Nationalrat darzulegen und damit eine entsprechend seriöse parlamentarische Debatte darüber zu ermöglichen, anstatt sie in Form von Leserbriefen kund zu tun.

*****

(Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Selbstkritisch möchte ich anmerken, dass wir in diesem Antrag vergessen haben, zu sagen: „anstatt sie nur in Form von Leserbriefen kund zu tun“. (Abg. Dr. Graf: Der nächste Schritt ist die Zensur!)

Meine Damen und Herren! Die Grünen sind eine pro-europäische Partei. Wir wollen eine handlungsfähige Union und eine demokratischere Union. Aber dass es Fehlent­wicklungen gibt, das liegt auf der Hand.

Das „Spiegel“-Cover diese Woche lautet: Renaissance der AKWs in Europa. (Der Red­ner hält ein „Spiegel“-Exemplar in die Höhe.) Und auch Österreich beteiligt sich direkt und indirekt an dieser Geschichte (Abg. Strache: Deshalb haben Sie eine Volksab­stimmung verhindert! Deshalb haben Sie der Atomlobby zugestimmt! Das ist grüne Politik!), denn diese österreichische Bundesregierung ist säumig beim Ausstieg aus Öl und Gas und verantwortet daher den zunehmenden Import von Atomstrom nach Ös­terreich mit. Längst hätten Sie den Ausstieg aus Öl und Gas beginnen sollen, längst hätten Sie in der Strompolitik eine entsprechende Energiewende einleiten sollen und der AKW-Industrie, der europäischen AKW-Industrie, auf diese Art den Lebensnerv nehmen sollen. (Abg. Dr. Graf: Dass Sie ein Kontraredner sind, ist unglaublich! – Abg. Strache: Das ist ein Missbrauch der Geschäftsordnung!)

Der Transitverkehr, Frau Außenministerin Plassnik: Sie sind zuständig in diesem Zu­sammenhang und ausgerechnet Minister Faymann ist zuständig in diesem Zusam­menhang. Was ist mit dem Transitverkehr in Österreich? – Über Jahre und Jahre brin­gen es rote, blaue, orange und dann wieder rote Minister nicht zustande, an dieser Le­bensfrage Österreichs etwas zu ändern.

Ja, das sind Sachen, die uns interessieren. Da muss sich etwas in der europäischen Politik ändern. Keine Frage. Und da soll sich auch die ÖVP nicht auf die SPÖ ausre­den, auch wenn es wahr ist, dass in dieser Kernfrage wieder ein SPÖ-Minister zustän­dig ist. (Beifall bei den Grünen.)

Last but not least: Bürgernähe. Ich habe mir erlaubt, das Arbeitsprogramm der fran­zösischen EU-Ratspräsidentschaft für das kommende Halbjahr – Juli bis Dezem­ber 2008 – zu lesen. Eine derartige Aneinanderreihung von Diplomatenkauderwelsch


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und Bürokratenkauderwelsch ist unfassbar! (Abg. Dr. Cap: Willkommen im Klub!) Viel­leicht würden Sie, Frau Außenministerin, bei Gelegenheit der französischen Präsident­schaft mitteilen, dass Bürgernähe nicht darin besteht, französisches Amtsdeutsch mög­lichst wortgetreu und grammatikalisch korrekt, aber in ein unleserliches Deutsch über­setzen zu lassen, von jemandem, dem Bürgernähe vollkommen wurscht ist. (Abg. Strache: Die haben bei Ihnen abgeschrieben!)

Ich weiß nicht, die Zeit läuft mir davon. Na ja, ich erspare Ihnen das. Ich sage Ihnen: Wer an der Europäischen Union wirklich Interesse hat, ist gut beraten, dieses Pro­gramm nicht zu lesen (Abg. Strache: Ungelesen zustimmen!), denn wenn Sie es lesen, denken Sie sich: Herrgott noch einmal, so kann das ja wirklich nicht weiter­gehen! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.47


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Van der Bellen, Glawischnig-Piesczek, Sburny, Lunacek, Freundin­nen und Freunde betreffend „Befassung des Parlaments mit grundlegende Änderun­gen in der Außen- bzw. Europapolitik anstelle von Leserbriefseiten“

eingebracht im Zuge der Debatte über eingebracht im Zuge der Debatte über die Erklä­rungen des Bundeskanzlers und der Außenministerin gemäß § 19 Absatz 2 GOG über die Ergebnisse des EU-Gipfels vom 19. und 20. Juni 2008

Begründung

Am 27.Juni 2008 änderten Bundeskanzler Gusenbauer und der designierte SPÖ-Vor­sitzende Faymann in einem Leserbrief an die Kronen Zeitung die Positionierung der SPÖ zur Europäischen Union grundlegend und verließen mit ihrer Forderung nach na­tionalen Volksabstimmungen den europapolitischen Konsens der Bundesregierung.

Noch im Oktober des vergangenen Jahres meinte Alfred Gusenbauer: „Auf Europa­skepsis kann man nicht wirklich mit Volksabstimmungen antworten“ (zitiert nach „Salz­burger Nachrichten“ vom 27.6.2008).

Am 18. Juni 2008 sagte der designierte SPÖ-Vorsitzende Faymann in einem Interview in der ZIB 2: „Ich habe dafür gestimmt, dass das Parlament abstimmt, und an diese Be­schlüsse kann ich mich erinnern, die habe ich auch mitgetragen."

Und im Zuge der Debatte des Nationalrates über die Ratifikation des Reformvertrages am 9. April 2008 meinte der Bundeskanzler: „Wenn Sie (FPÖ und BZÖ, Anm.) nach Volksabstimmung rufen, dann wollen Sie sich in Wirklichkeit nur hinter einer Forderung verstecken, denn Sie wollen eigentlich keine Volksabstimmung, denn wenn die Volks­abstimmung nicht so ausgeht, wie Sie es wollen dann sagen Sie, Österreich ist wo „hinein manipuliert“ worden, denn die Missachtung der Volksabstimmung des Jah­res 1994 durch Sie zeigt klar und deutlich: Ihnen geht es nicht um das Volk, Ihnen geht es nicht um die Volksabstimmung, Sie wollen nur raus aus der Europäischen Union.“

Drei Monate später verkündeten Werner Faymann und Alfred Gusenbauer in einem Leserbrief an die Kronen Zeitung völlig überraschend und ohne vorhergehende Infor­mation des Nationalrates ihren Schwenk um 180° in der sozialdemokratischen Europa-


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politik: „Auf der Basis einer kontinuierlichen Information und einer offenen Diskussion sind wir der Meinung, dass zukünftige Vertragsänderungen, die die österreichischen In­teressen berühren, durch eine Volksabstimmung in Österreich entschieden werden sol­len.“ (Kronen Zeitung am 27.06.08)

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Herr Bundeskanzler und der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technolo­gie werden aufgefordert, grundlegende Änderungen in ihrer außen- bzw. europapoliti­schen Ausrichtung jedenfalls in Erklärungen gegenüber dem Nationalrat darzulegen und damit eine entsprechend seriöse parlamentarische Debatte darüber zu ermögli­chen, anstatt sie in Form von Leserbriefen kund zu tun.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Klubobmann Dr. Cap zu Wort. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


10.47.44

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Heute war er ganz schön grantig, der Herr Professor (Abg. Dr. Van der Bellen: Mit Recht!), aber ich kann mich daran erinnern, dass in seiner eigenen Partei die Wiener Grünen vehemen­test für eine Volksabstimmung eingetreten sind. Sie müssen mir jetzt einmal erklären: Was ist jetzt eigentlich die Linie der Grünen? Sind Sie jetzt für die Volksabstimmung oder gegen die Volksabstimmung? (Abg. Strache: Gegen Volksabstimmung! – Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Dann halten Sie hier einen Seminarvortrag über die Europäische Union, um am Schluss genau das zu bestätigen, was wir auch sagen, was auch der französische Staatspräsident Sarkozy sagt; er hat es aber in vornehmen Worten formuliert: Die Kommission braucht Coaching. Er hat aber auch gesagt, eigentlich muss er Europa vor der EU-Kommission schützen.

Was meint er damit? – Er meint damit, dass da teilweise eine Abgehobenheit herrscht. (Abg. Strache auf die Regierungsbank weisend –: Abgehobenheit haben Sie auch hinter sich! Sie müssen sich nur umdrehen!) Wenn man den Barroso-Auftritt beobach­tet hat (Abg. Rädler: Barolo!), in dem er seine Punkte präsentiert hat, hatte man den Eindruck, hier unterhält sich einer nur mit den Eliten, nur mit den politischen Ent­scheidungsträgern. Wenn die Bürger aber verspüren, dass es hier diese Distanz gibt, dann werden sie misstrauisch. Es ist unsere Aufgabe, darüber nachzudenken und das zu ändern. (Abg. Dr. Van der Bellen: Zur Sache!)

Aber eigentlich wollte ich mit der Aussage der Frau Außenministerin beginnen. Ich hätte mir erwartet, dass sich die Frau Außenministerin für die Aussage der jetzigen EU-Kommissarin und ehemaligen ÖVP-Außenministerin Ferrero-Waldner entschuldigt, die gesagt hat: Ich schäme mich für Österreich.

Ich bin stolz auf Österreich, und es gibt keinen Grund, sich für Österreich zu schämen! (Lebhafter Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei FPÖ und BZÖ.)

Was wir in Österreich geleistet haben in der Zeit, seit wir Mitglied der Österreichischen Union sind, wo es uns gelungen ist, wirklich wirtschaftlich aktiv zu sein, Investitionen zu


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setzen, Wohlstandsmehrung zu erzielen, wirklich davon zu profitieren, dass wir Mitglied der Europäischen Union sind und dass es diese Erweiterung gegeben hat, die vielleicht zu schnell und zu groß war, aber wirtschaftlich genutzt hat und zur Wohlstandsmeh­rung in Österreich beigetragen hat, ist beachtenswert. Es war durch den Fleiß der Ös­terreicherinnen und Österreicher, es war aber auch durch die Klugheit der Investoren möglich, die hier vorangeschritten sind und diese Chance genutzt haben, und wir alle gemeinsam haben das ja auch mit unserer rot- weiß-roten Außenpolitik unterstützt. Ich finde, wir haben allen Grund, hier auch das Positive herauszustreichen. (Abg. Strache: Wo ist die rot-weiß-rot? Wo sehen Sie rot-weiß-rote Außenpolitik?)

Und jetzt sage ich: Schwarz-Weiß-Zeichnungen haben keinen Sinn. Wir sind nicht in der Bibel, wo man sagt: Sag ja, ja. Oder: Deine Rede sei nein, nein. – Man muss auch dorthin sehen, wo Kritik anzusetzen ist. Da hat es eben Probleme beim Transit ge­geben, wo wir unzufrieden sind. Wir sind unzufrieden, dass es eine Renaissance der Atomenergie gibt, und wir sind unzufrieden damit – und das teilen wir mit vielen Bür­gerinnen und Bürgern –, wie sich die EU darstellt, auch bezüglich ihres mangelnden Demokratieverständnisses. Ich kann mich heute noch daran erinnern, wie die EU-Kom­missare die zwei verlorenen Referenden in Frankreich und in Holland über den Verfas­sungsvertrag kommentiert haben. Da kam dieser ewige Satz: Man muss den Bürgerin­nen und Bürgern Europa besser erklären.

Sehr geehrte Frau Außenministerin, wenn Sie uns vorwerfen, wir sollen die Bevölke­rung nicht für dumm verkaufen, dann sage ich Ihnen als Retourargument, man soll sie nicht für zu dumm halten, um Volksabstimmungen durchführen zu können – diese Mei­nung vertrete ich –, um die Legitimationsbasis hier zu erweitern. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Warum haben Sie hier dagegen gestimmt? Wo waren Sie da? Sie ha­ben die Volksabstimmung hier verhindert! Tun Sie die Leute nicht für dumm verkaufen! Sie verkaufen die Menschen heute für dumm!)

Denn es geht nicht darum, ein Europa der Eliten aufzubauen, es geht darum, dass hier ein gemeinsames Europa aufgebaut wird – auch der Bürgerinnen und Bürger. Und wir als österreichische Abgeordnete sind verpflichtet ... (Ironische Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ.) – Ja, man kann auch klüger werden, und vielleicht hätten wir das früher sagen sollen, das will ich nicht leugnen.

Aber ich sage Ihnen: Es geht um ein Europa der Bürgerinnen und Bürger. Wenn man das will, dann muss man versuchen, hier die Legitimationsbasis zu erweitern. Wenn man sagt, Volksabstimmung zum Beispiel, wenn der Vertrag von Lissabon jemals mo­difizierter kommen sollte – er ist nicht rechtskräftig, es gibt ihn nicht, aber sollte das wirklich in einigen Jahren so sein –, so frage ich: Wer sagt, dass das automatisch zu einer Niederlage führen muss? Ja, wenn man diese Geisteshaltung hat, dass man sagt: Oje, wir haben keine Mehrheit, daher befragen wir die Bevölkerung gar nicht!, so muss ich wieder fragen: Was ist das für ein Demokratiezugang? (Abg. Strache: ..., dann schaffen wir die Wahlen ab!)

Es gilt, darum zu kämpfen, dass es hier eine breitere Zustimmung für die Europäische Union gibt, dass man die Vorteile präsentiert, dass man zugleich auch die Kritik erläu­tert und begreift, hier geht es nicht darum, bloß dafür einzutreten, dass es mehr Folder, mehr Schulbesuche und mehr Propagandafilme gibt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Bei mir im Büro war einmal ein Vertreter der EU-Vertretung in Wien, um mit mir dar­über zu reden, wie man die Stimmung gegenüber der EU verbessern kann. Dann hat er mir so ein Paket Folder, ein Buch und eine DVD auf den Tisch hingelegt. Ich habe ja fast einen Lachkrampf gekriegt und gesagt: Sie glauben doch nicht im Ernst, dass man damit die Stimmung in der Bevölkerung verbessern kann?! Die Leute wollen das Ge­fühl haben, dass die Schutzfunktion der EU stimmt, dass die EU sozialer ist, dass die


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Europäische Union demokratischer ist, dass die österreichischen Politiker die Interes­sen Österreichs in der EU auch nachhaltiger vertreten. Das sind Punkte, die hier zu be­rücksichtigen sind.

Im Endeffekt ist natürlich Österreich der Mittelpunkt, und im Endeffekt ist Österreich Teil dieser Europäischen Union, aber von der Veränderung der Europäischen Union kann auch Österreich profitieren. Es ist keine Lösung, wenn man sagt, 28 Prozent laut Eurobarometer sind ein bedauerlicher Wert, aber wir machen so weiter wie bisher. Das heißt, man negiert eine Grundstimmung, und das, finde ich, ist nicht richtig!

Wenn die ÖVP nachher wieder kommen und sagen wird, ihr habt eure pro-europäische Position verlassen, so ist das nicht richtig. Der wahre Europäer ist der Europäer, der Europa so sieht, wie es ist, und der darum kämpft, dass es sich verbessert, dass es bürgernahe wird und dass es den Politikwechsel gibt. Das ist der wahre Europäer! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe manchmal den Eindruck, dass im Ansprechen dieser Mängel auch das Pro­blem liegt. Das heißt noch lange nicht, dass man sich nicht grundsätzlich zur Europäi­schen Union bekennt. Das heißt noch lange nicht, dass man das Positive nicht heraus­streichen soll, was wir vielleicht zu wenig getan haben. Und wir haben wahrlich davon profitiert. Wir wissen es von den Wachstumsraten, wir wissen, dass wir überdurch­schnittlich gut gegenüber den vergleichbaren Mitgliedsländern der EU liegen. Wir wis­sen das! Wir wissen, dass wir sogar einen Sicherheitsgewinn haben.

Es ist natürlich viel klüger und viel besser, wenn sich das mittlere oder kleine Öster­reich, geographisch betrachtet, in dem Großraum Europäische Union dem Wettbewerb mit Asien, mit Amerika, mit den anderen Kontinenten stellt. Na klar sind wir dann stär­ker. Na klar haben wir dann mehr Möglichkeiten. Na klar hat man dann mehr Schutz. Und selbstverständlich ist es eine Illusion, zu glauben – und das richte ich jetzt beson­ders an die blaue Riege hier im Haus –, dass es, wenn man aus der Europäischen Union austritt, dann für Österreich besser wird. Das ist falsch! Das ist total falsch, denn es geht darum, wenn man drinnen ist, für diese von den Bürgerinnen und Bürgern er­wünschte Veränderung zu kämpfen.

Dass es Ängste gibt, das ist eine Realität. Man hat Angst vor Lohndumping, man hat Angst, dass Standorte nicht mehr sicher sind. Da gibt es Beispiele, wo ein Betrieb von einem Wirtschaftsstandort in Österreich, weil es eben günstiger ist, in ein anderes EU-Land hinüberwechselt, weil man dort niedrigere Löhne zahlen kann, weil man dort günstiger produzieren kann. Und es gibt viele Botschaften aus Brüssel zu Detailfragen, wo man sich oft fragt: Wo leben die eigentlich?

Manchmal hat man wirklich den Eindruck, dass es hier so etwas wie eine eigene Brüs­sel-Welt gibt. Und da muss man halt durch Demokratisierungsschritte versuchen, das aufzubrechen. Ich finde, das ist doch legitim. Man kann sich doch nicht einfach her­stellen und sagen: Jeder, der über mehr Demokratie redet, ist kein Pro-Europäer mehr! (Abg. Rädler: Das weiß die SPÖ seit 14 Tagen!)

Da muss ich abschließend schon sagen: Ich glaube, da gibt es einen ziemlich grund­sätzlichen Unterschied zwischen der SPÖ und der ÖVP. (Abg. Rädler: Gott sei Dank!) Was ich kennengelernt habe, ist, dass die ÖVP in der Politik einen viel hierarchische­ren, autoritäreren Zugang hat. (Abg. Kopf: Ausgerechnet von Ihnen!) Einen hierar­chisch autoritären Zugang. (Abg. Strache: Deshalb hängt der Dollfuß noch im Klub!)

Ich habe das vorhin schon mit dem Zitat der Außenministerin darzustellen versucht. Mit „hierarchisch autoritärem Zugang“ meine ich, man muss quasi – na ja – die Bürger zu ihrem Glück zwingen, wenn sie es schon nicht einsehen, was für sie gut ist. (Zwischen­rufe bei der ÖVP.) Das unterscheidet uns grundsätzlich. Wir wollen mit den Bürgern


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Veränderung für die Bürger im Interesse Österreichs und Europas, und Sie stellen sich hin und sagen: Wir wissen viel besser, was für die Bürgerinnen und Bürger klug ist, und daher werden wir ihnen „aufs Aug’ drucken“, was für sie gut ist. (Abg. Dr. Schüs­sel: Leserbriefe!)

Da sage ich: Das ist ein grundsätzlicher Unterschied. Und da befinden Sie sich ja eigentlich in der postabsolutistischen Tradition, um das einmal so zu formulieren, oder in der Tradition des Habsburger-Absolutismus. Es hängen ohnehin schon so viele Bil­der in Ihren Klubräumen an der Wand. Hängen Sie sich auch das Symbol des Habs­burger-Absolutismus, den Clemens Fürst Metternich, in Ihre Klubräume! Dann ist die Reihe Ihrer Bilder vollständig im Klubvollversammlungsraum! (Abg. Dr. Schüssel: Ihr habt Victor Adler!)

Das bringt es auf den Punkt. Es ist wirklich ein großer Unterschied, den wir hier fest­stellen und den wir hier herausstreichen. Wir sind Pro-Europäer, wir wollen die Verän­derungen im Interesse Österreichs und Europas in der Europäischen Union herbeifüh­ren, aber wir wollen das mit den Bürgerinnen und Bürgern. (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist ein Schauspiel! Das ist unglaublich! Nur ein Schauspiel!)

Und wir wollen es auch mit Ihnen, sehr geehrte Freundinnen und Freunde von der ÖVP! Es ist auch nicht verboten, dass Sie in dieser Frage klüger werden. Sie haben in den nächsten Wochen und Monaten Zeit zum Nachdenken. (Beifall bei der SPÖ.) Be­mühen Sie sich! Wir jedenfalls haben erkannt, was die Österreicherinnen und Österrei­cher wollen, und wir bekennen uns auch dazu. (Beifall bei der SPÖ.)

10.57


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Klubobmann Strache zu Wort. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


10.58.10

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Werte Regierungsmannschaft! Meine sehr geehrten Da­men und Herren!

Am Beginn möchte ich gleich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Strache, Dr. Bösch und weiterer Abgeordneter betreffend Widerruf der Ratifikation des „EU-Reformvertrages von Lissabon“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, alles Erforderliche zu unternehmen, damit die Ratifikation des Vertrages von Lissabon widerrufen wird, zumal der Ratifizierungspro­zess aufgrund des Votums des irischen Volkes gescheitert ist.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Wir werden darüber hinaus noch einen Antrag einbringen. Es hat ja einen segens­reichen Brief gegeben, der heute schon angesprochen wurde. Wir werden den Inhalt dieses Briefes heute als Antrag einbringen und namentliche Abstimmung beantragen, damit wir gleich sehen, wie diese lächerliche Seifenblase zu bewerten ist.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 48

Das wird heute eine interessante Bewährungsprobe sein, denn es handelt sich hier tat­sächlich um eine lächerliche Seifenblase. Wo waren Sie denn, Herr Klubobmann Cap? Wo war denn die SPÖ, als die Österreicher sie gebraucht hätten vor wenigen Wochen hier im Parlament, als es darum ging, unserem österreichischen Verfassungsrecht, dem gegenüber wir als Abgeordnete verantwortlich sind, auch Rechnung zu tragen und eine Volksabstimmung hier in diesem Hohen Haus gemeinsam sicherzustellen, als wir Freiheitliche einen Antrag eingebracht haben, aber alle anderen Fraktionen in diesem Hohen Haus gegen die Interessen der Österreicher diese Volksabstimmung verhin­dert haben? (Beifall bei der FPÖ.)

Wo waren Sie denn, Herr Klubobmann Cap, Herr Klubobmann Van der Bellen,
Herr Klubobmann Schüssel? Wo waren Sie alle? (Abg. Dr. Schüssel: Hier! – Abg. Dr. Stummvoll: Hier waren wir!)

Sie haben Politik gegen die eigene Bevölkerung gemacht; gegen die eigene Bevölke­rung! Sie haben Politik gegen das eigene Volk gemacht, weil Sie immer – genau das, was heute auch die Frau Außenministerin wieder einmal vorgelebt hat – den Eindruck vermitteln: Wir wissen, was g’scheit ist. Wir entscheiden – und wenn wir wissen, dass die Bevölkerung dagegen ist, dann fahren wir drüber über die eigene Bevölkerung. Dann reden wir so lange um den heißen Brei herum, bis wir sie eingelullt haben, die Bevölkerung. Wir schaffen die Fakten, ob es den Österreichern passt oder nicht! (Prä­sident Dr. Spindelegger übernimmt den Vorsitz.)

Das ist Ihre autoritäre Einstellung, aber mit direkter Demokratie oder Ausbau der De­mokratie hat das gar nichts zu tun. Dafür werden Sie beim kommenden Wahlgang auch die Rechnung präsentiert bekommen. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundeskanzler, Sie haben heute vom Beitritt zur Europäischen Union gespro­chen. – Ja, es hat eine Volksabstimmung gegeben, und erinnern wir uns doch zurück, wie damals, vor diesem Beitritt, auch wiederum die Vertreter von Rot und Schwarz Versprechungen gemacht haben, wie – und ich sage das ganz bewusst – Rot und Schwarz die österreichische Bevölkerung teilweise hineinmanipuliert haben in die Europäische Union, indem man gesagt hat: Es wird alles billiger werden! (Beifall bei der FPÖ.) Nur dann, wenn wir beitreten, wird der Schilling erhalten bleiben! – Ich habe die Headline in der „Kronen Zeitung“ noch in Erinnerung. – Nur wenn wir beitreten wird es endlich besser werden! Wir werden mehr Kaufkraft haben, mehr Arbeitsplätze ha­ben, mehr vollwertige Arbeitsplätze haben!

Was sind denn die Realitäten heute? – Genau das Gegenteil ist der Fall! Es ist nichts billiger geworden, es ist alles teurer geworden. Wir haben eine Inflations- und Teue­rungswelle erleben müssen. Der Schilling ist nicht erhalten worden, sondern wir haben heute den Euro, und wir haben einen Wertverlust erleben müssen, den man auf die Rücken der Sparer abgeladen hat. Wir haben erleben müssen, dass all Ihre Verspre­chungen nicht gehalten worden sind, und genau das ist der Grund dafür, dass die Menschen Ihnen heute den Rücken zukehren: weil sie wissen, dass Ihre Versprechun­gen aber auch gar nichts wert sind für die österreichische Bevölkerung! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Dr. Stummvoll: Heißt das, Volksabstimmung ist Manipulation?)

Herr Bundeskanzler, Sie haben heute davon gesprochen, dass natürlich die Euro­päische Union Positives hat. – Ja, selbstverständlich ist ein europäischer Einigungspro­zess etwas Wünschenswertes, selbstverständlich ist die Grundidee Europas, ein Frie­densprojekt für Europa sicherzustellen, eine gute – keine Frage. Wir Österreicher sind ja Teil Europas und bleiben auch immer Teil Europas. Tun Sie bitte nicht so, als wären wir Österreicher erst mit der Vereinsgründung der Europäischen Union Europäer ge­worden! Es handelt sich da um einen Verein – genau darum geht es –, um einen Ver­ein, bei dem Österreich Mitglied ist und der keinen Vorteil oder immer weniger Vorteile


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für uns Österreicher bringt. 800 Millionen € an Nettobeiträgen, Mitgliedsbeiträgen, zah­len wir heute nach Brüssel und wissen nicht, wo die Gelder verschwinden, in welch dunklen Kanälen.

Wir haben immer weniger Vorteile, sondern spüren immer mehr Nachteile – da muss es doch bitte möglich sein, Kritik zu üben, diesen Verein zu ändern, ihn aufzufordern, endlich sozial gerechte Maßnahmen zu setzen in diesem Europa, endlich dafür Sorge zu tragen, dass die Nationalstaaten und die Souveränitäten und auch unsere Neutrali­tät nicht einfach über Bord geworfen werden. Das erwarten die Österreicher von öster­reichischen Politikern! (Beifall bei der FPÖ.)

Aber Sie haben ja heute mit österreichischer Interessenvertretung gar nichts mehr am Hut. Sie rutschen permanent vor den Technokraten in Brüssel auf den Knien herum, weil Herr Schüssel jetzt offenbar glaubt, eine große Karriere in der Europäischen Union machen zu können, und offenbar danach giert, dort endlich einen Karrieresprung erle­ben zu können. Das mag der Hintergrund sein, aber das ist Ihr persönliches Interesse, Herr Klubobmann Schüssel! Unsere Interessenlagen als Volksvertreter haben aber zu sein, Rot-Weiß-Rot in den Vordergrund zu stellen. Mir ist Ihre schwarze und rote Poli­tik, die gegen Österreich gerichtet ist, völlig gleichgültig – ich stehe zu Rot-Weiß-Rot, zu diesem Land und zu den Menschen in diesem Land, die wir vertreten müssen. Das muss unser oberster Grundsatz sein, der von Ihnen aber nicht gelebt wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundeskanzler, Sie haben Vorteile genannt, gemeint, es gibt ein Wirtschafts­wachstum. – Ja, das ist vorteilhaft. Nur, wenn wir uns ansehen, wer den Vorteil hat, dann kommen wir drauf, dass die Industrie den großen Vorteil hat und dass die Mehr­heit der Bevölkerung, weit über 80 Prozent der Österreicher, diese Vorteile, von denen Sie reden, heute nicht mehr spüren, sondern das Gegenteil wahrnehmen. Wer hat denn heute in Österreich etwas von dem Wirtschaftswachstum? – Eine kleine Gruppe; der Rest hat Nachteile. Der Rest hat immer weniger im „Börsl“ aufgrund höchster Steu­erbelastungen, die Sie in dieser Regierung zu verantworten haben.

Den kleineren und mittleren Unternehmern fehlt teilweise schon die Luft zum Atmen, sie können gar nicht mehr mit der Großindustrie mithalten. Angesichts dessen
muss man sagen, die ÖVP ist keine Wirtschaftspartei mehr, keine Mittelstandspartei mehr, nein, sie ist eine Industrielobbyismuspartei geworden. Sie haben weder mit einer Volkspartei noch mit der Wirtschaft etwas am Hut.
(Beifall bei der FPÖ.)

Sie lassen den Mittelstand beinhart im Stich, denken auch noch über Vermögenszu­wachssteuern nach. Aber genau hier erleben wir, dass die Kaufkraft der Österreicher immer schlechter geworden ist. Schlechter als vor 15 Jahren ist die Kaufkraft heute – und da stellen Sie sich hierher und reden über die tollen Vorteile, die wir haben, die jeder Österreicher haben kann?! Dass wir uns heute bei Ihnen dafür bedanken können, dass wir eine schlechtere Kaufkraft als vor 15 Jahren haben, stellen Sie als den groß­artigen, spürbaren Erfolg hin? – Wenn man so versucht, die Menschen für dumm zu verkaufen, dann darf man sich nicht wundern, dass diese Menschen einem den Rücken kehren. Wenn man den Menschen kein Vertrauen entgegenbringt und den Menschen, der eigenen Bevölkerung nichts zutraut, dann darf man sich nicht wundern, dass diese Bevölkerung den Schwarzen und den Roten nichts mehr zutraut. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir trauen der eigenen Bevölkerung zu, in so essenziell wichtigen Fragen selbstver­ständlich auch die richtige Entscheidung zu treffen. Und genau darum geht es. Das ist keine Bittleihe, die wir da einfordern, das ist österreichisches Verfassungsrecht! Daher sage ich, da haben Sie sich einmal ausnahmsweise in dieser Frage außerhalb des ös­terreichischen Verfassungsbogens gestellt. Darum geht es: Das ist ein Recht – und wir


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werden dieses Recht auch einklagen! Wir haben dem europäischen Verfassungsrecht­ler, Herrn Universitätsprofessor Dr. Karl Albrecht Schachtschneider auch den Auftrag erteilt, eine Verfassungsklage beim österreichischen Verfassungsgerichtshof einzubrin­gen, weil Sie hier die österreichische Verfassung, in der nämlich verankert ist, dass bei einer Gesamtänderung der österreichischen Verfassung eine Volksabstimmung vorzu­nehmen ist, nicht eingehalten haben.

Das ist der Hintergrund. Es geht um die österreichische Verfassung, auf die wir stolz sein können. Die Gründerväter der Zweiten Republik – und ich sage das – würden sich im Grabe umdrehen, könnten sie sehen, wie sich ihre Erben von Rot und Schwarz in dieser Frage verhalten haben. – Das ist der Hintergrund der Kritik. Wir werden diese Kritik weiter fortsetzen und sind auch bestärkt darin. (Beifall bei der FPÖ.)

Kein Kniefall vor irgendwelchen anderen Interessenlagen – Österreich zuerst!, das muss das politische Kriterium sein, das wieder in den Mittelpunkt der Politik zurückge­bracht werden muss. – Ein grundlegender Wandel in dieser politischen Auseinander­setzung.

Herr Klubobmann Van der Bellen hat heute von einem Kurswechsel gesprochen. – Den grünen Kurswechsel kennen wir: Mit einem „Hurra“ haben Sie dem EU-Verfas­sungsdiktat hier im Hohen Haus zugestimmt, haben eine Volksabstimmung verhindert, haben direkte Demokratie verhindert. Mit einem „Hurra“ haben Sie ja gesagt zur Ver­doppelung der Atomförderung in der Europäischen Union, weil nämlich im Anhang die­ses EU-Verfassungsvertrages das rechtlich verbindlich angemerkt wurde. (Beifall bei der FPÖ.) Mit einem „Hurra“ haben Sie damit der Gentechniklobby in die Hände gear­beitet. Mit einem „Hurra“ haben Sie auch den Transitwahnsinn, der über Österreich rollt, ermöglicht. Sie haben hier Ihre Umwelt- und Naturinteressen – die Sie nämlich verkaufen – über Bord geworfen. Sie haben nichts mehr mit Umwelt- und Naturschutz zu tun. Da ist die Maske heruntergefallen, Herr Van der Bellen. (Präsident Dr. Spindel­egger gibt das Glockenzeichen.) – Ich komme zum Schluss.

Sie haben davon gesprochen, dass es eine Änderung geben soll. Dazu sage ich: Ja! Österreich kann gestärkt werden mit einer sozialen Österreich-Partei wie der FPÖ. Ich sage, Sie haben recht, Herr Van der Bellen: Wir stellen den Führungsanspruch für ein sozial gerechtes Österreich. Da haben Sie recht. – Um diesen Inhalt geht es uns, und den werden wir stärken in diesem Land! (Beifall bei der FPÖ.)

11.08


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der von Herrn Klubobmann Strache einge­brachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Ver­handlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Strache, Dr. Bösch und weiterer Abgeordneter betreffend Widerruf der Ratifikation des „EU-Reformvertrages von Lissabon“

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1 „Erklärungen des Bundeskanzlers und der Außenministerin gemäß § 19 Abs. 2 GOG über die Ergebnisse des EU-Gipfels vom 19. und 20. Juni 2008“ in der 68. Sitzung des Nationalrates am 10. Juli 2008

In einer Stellungnahme vom 29. Juni 2008 stellt Prof. Karl Albrecht Schachtschneider unter dem Titel „Der Verfassungsrechtsschutz gegen die Unionspolitik in Österreich nach der Ablehnung des Vertrages von Lissabon durch die Iren“ folgendes fest:


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„Die Iren haben am 12. Juni 2008 die nach der Verfassung der Republik Irland vom 1. Juli 1937, zuletzt geändert am 24. Juni 2004, für die Ratifikation des Vertrages von Lissabon nach Art. 29 Verf.Irland erforderliche Verfassungsänderung abgelehnt. Der nach Art. 46 Abs. 2 Verf.Irland notwendige Volksentscheid hat eine Mehrheit gegen den Vertrag von Lissabon ergeben. Damit ist der Vertrag von Lissabon, der nach Art. 54 Abs. 2 EUV nur in Kraft treten kann, wenn alle Mitgliedstaaten ihn nach Maß­gabe ihrer verfassungsrechtlichen Vorschriften ratifiziert haben, gescheitert. Der Ver­such, den Vertrag über die Europäische Union und den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft zu ändern, der zur Unterzeichnung des Vertrages von Lissabon am 13. Dezember 2007 geführt hat und den (u.a.) Österreich aufgrund der Genehmigung des Nationalrates vom 9. April 2008 und der Zustimmung des Bundesra­tes vom 24. April 2008 durch den Bundespräsidenten am 28. April 2008 ratifiziert hat, ist erfolglos beendet.

Dennoch sehen die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausweislich ihrer Bekundungen in der Regierungskonferenz vom 19./20. Juni 2008 den (sogenannten) Reformprozeß als nicht beendet an und sind bemüht, den Vertrag von Lissabon trotz der Ablehnung durch die Iren durchzusetzen. Die Ratifika­tionsverfahren in den Mitgliedstaaten, die den Vertrag von Lissabon noch nicht ratifi­ziert haben, wie insbesondere Deutschland, sollen fortgesetzt werden. Die irische Ab­lehnung hofft man korrigieren zu können. In Betracht kommt

a) eine erneute Abstimmung in Irland über den Vertrag von Lissabon,

b) eine Veränderung des Vertrages von Lissabon, eine erneute Unterzeichnung durch die Vertreter aller Mitgliedstaaten und eine erneute Ratifikation in allen Mitgliedstaaten.

Die Durchführung eines erneuten Volksentscheids in Irland nach Art. 46 Abs. 2 Verf.Irland wäre rechtlich bedenklich. Sie würde einer Organentscheidung, zumal einem Volksentscheid, im Gesetzgebungsverfahren die Verbindlichkeit absprechen. Das ist nach allgemeinem Recht nicht möglich. In Betracht kommt ein erneutes Ge­setzgebungsverfahren zur Änderung der Verfassung aufgrund einer erneuten Geset­zesvorlage. Auch einem solchen Verfahren stehen verfassungsrechtliche Bedenken entgegen, solange sich nicht die Lage derart verändert hat, daß die Bindungswirkung des Volksentscheids seine Kraft verloren hat. Diese irischen Verfassungsfragen, deren einfachgesetzliche Aspekte zu prüfen wären, entscheidet Irland innerstaatlich. Wenn Ir­land entgegen der eigenen Verfassungsordnung diesen Weg geht und der Vertrag von Lissabon in einem erneuten Volksentscheid von den Iren angenommen werden sollte, ist das von den anderen Mitgliedstaaten der Union hinzunehmen. Für die Ratifikation gibt es keine Ausschlußfristen. Die Ratifikationen des Vertrages durch die verschiede­nen Mitgliedstaaten behalten ihre Wirkung, solange, bis der Vertrag aufgehoben ist oder durch einen neuen Vertrag ersetzt worden ist oder auch ein Mitgliedstaat die Ratifikation völkerrechtlich verbindlich gegenüber den Vertragspartnern als gescheitert erklärt hat.

Für eine Vertragsänderung genügt auch die Änderung von Protokollen oder Anhängen (Art. 51 EUV, Vertrag von Lissabon). Es können auch Erklärungen zum Vertrag, wel­che irische Interessen begünstigen, abgegeben werden. Die Erklärungen sind an sich nicht Bestandteil der Verträge, haben aber nach Art. 31 Abs. 2 b WVRK (Wiener Über­einkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969) Bedeutung für die Ausle­gung der Verträge und sind damit nicht nur politisch, sondern auch rechtlich (nach dem Grundsatz von Treu und Glauben) relevant, gemeinsame mehr als einseitige Erklärun­gen, deren Zusammenhang mit dem Vertrag von den Vertragspartnern angenommen wurde. Erklärungen können je nach Wortlaut, Gegenstand und Umständen genügen, um ein erneutes Gesetzgebungsverfahren zur Änderung der Verfassung Irlands zu legitimieren, weil das die politische Lage für Irland hinreichend verändern kann. Diese


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Änderung ist aber zugleich eine Veränderung der Rechtslage, jedenfalls der rechtlich relevanten Interpretationsfrage, für alle Mitgliedstaaten, so daß eine solche Maßnahme wiederum der Zustimmung aller Mitgliedstaaten bedarf“ ().

Weiters meinte Univ.-Prof. Hans Klecatsky in der „Kronen Zeitung“ vom 2. Juli 2008 fol­gendes:

„‚Eine Volksabstimmung kann nicht zunichte gemacht werden. Das irische Volk hat nun einmal rechtsgültig auch für die übrigen EU-Mitglieder zum Lissabonner Vertrag ‚Nein‘ gesagt, daher ist es auch für alle so. Man kann nicht noch einmal abstimmen, denn es handelt sich um eine Frage der Rechtskraft: Auch ein Gericht kann nicht zweimal in derselben Sache ein Urteil fällen’, so Klecatsky. Die bisherigen Varianten der ‚EU-Ver­fassungsmacher’ (= ‚supernationale Konstitutionalisten’) wären nach Nizza am franzö­sischen und niederländischen Volk, nun am irischen abermals gescheitert. Nur über die Volksabstimmung jedes einzelnen Staates bei jeder Änderung der Vertragsgrundlagen wäre es möglich, schließlich eines Tages zu einer ‚rechtlich einwandfreien EU-Verfas­sung’ zu kommen. So müsse es nun auch eine Änderung der österreichischen Verfas­sung geben, die eine verpflichtende Volksabstimmung über jeden neuen EU-Vertrag vorschreibt – nicht zuletzt auch als Konsequenz auf die Verweigerung einer Volksab­stimmung über den ‚Reformvertrag’ durch das Parlament. Ein anderer Weg sei gar nicht mehr möglich, ohne in eine ‚Parlamentsdiktatur’ hineinzugeraten, wie Klecatsky scharf betont.“

Vor diesem Hintergrund erscheint es zweckmäßig, gegenüber der EU und ihren Mit­gliedern in Form eines Widerrufes der Ratifikation festzuhalten, dass das Ratifikations­verfahren des „EU-Reformvertrages von Lissabon“ seitens Österreichs als endgültig gescheitert qualifiziert wird.

Unterfertigte Abgeordnete stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, alles Erforderliche zu unternehmen, damit die Ratifikation des Vertrages von Lissabon widerrufen wird, zumal der Ratifizierungspro­zeß aufgrund des Votums des irischen Volkes gescheitert ist.“

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Klubobmann Dr. Schüssel. 10 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


11.08.55

Abgeordneter Dr. Wolfgang Schüssel (ÖVP): Hohes Haus! Zu Josef Cap: Wir wer­den nicht ein Bild von Metternich aufhängen, aber es könnte sein, dass einige bei Ihnen schon befürchten, dass neben Victor Adler und Bruno Kreisky plötzlich das Bild eines Herausgebers einer österreichischen Tageszeitung aufgehängt werden muss. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.) Und das muss eigentlich nicht sein.

Auch zu dem Vorwurf, wir seien autoritär: Ich würde schon einmal einige bei Ihnen fra­gen, ob dieser berühmte Leserbrief, der eine grundlegende Richtungsänderung darge­stellt hat – das hat auch Sozialminister Buchinger genauso bestätigt – vorher in Ihren Parteigremien je diskutiert wurde, oder ob man danach gesagt hat: Stimmt mit! Ich glaube nicht, dass vorher darüber diskutiert wurde. Da sind wir, glaube ich, mindestens so demokratisch wie Sie. (Beifall bei der ÖVP.)


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Ich weiß nicht, wer zugehört hat, aber die an sich interessante Rede des Herrn Klubob­manns Strache war verräterisch. Er fordert eine Volksabstimmung. Aber wenn diese dann nicht so ausgeht, wie er das will, dann haben alle die Österreicher und Österrei­cherinnen „hineinmanipuliert“. – Entschuldigen Sie vielmals, aber entweder – oder. Man kann das Ergebnis einer Volksabstimmung zur Kenntnis nehmen. Wenn man sie will, dann muss man es zur Kenntnis nehmen. (Abg. Strache: Deshalb verweigern Sie ja jetzt die Volksabstimmung, weil Sie wissen, dass ich in der Frage recht habe! Sie widersprechen sich selbst, Herr Klubobmann!)

Meine Damen und Herren, wir sind der Meinung gewesen – weil das tatsächlich eine Verfassungs-, eine Gesamtänderung der österreichischen Verfassung war –, dass man mit dem Beitritt eine Volksabstimmung verbinden muss, und die haben wir mit zwei Drittel gewonnen. (Abg. Strache: Aber keine Verfassungsänderung ist damals be­schlossen worden!) Sie waren damals dagegen, und wenn Sie heute eine Volksabstim­mung verlangen, dann wissen wir alle, was Sie damit wollen: den Austritt – und den wird es nicht geben. Dass sich Rot und Blau hier beinahe schon in einem Boot gemein­sam rudernd finden, das ist das eigentlich Erbärmliche dieses Richtungswechsels, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin der Meinung, man kann ruhig aufrechten Ganges dafür eintreten und sagen, dass uns die Mitgliedschaft zur Europäischen Union gut tut. Als ich als junger Wirt­schaftsminister angefangen habe, vor dem EU-Beitritt, hatten wir 40 Milliarden Waren­exporte, heute haben wir 122 Milliarden. Wir haben 300 000 Arbeitsplätze mehr als zu der Zeit, als wir noch nicht Mitglied der Union gewesen sind. (Abg. Strache: McJobs gibt es ohne Ende!) Nein, das sind nicht McJobs, das sind ordentliche Arbeitsplätze, und jeder zweite Arbeitsplatz, meine Damen und Herren, Herr Abgeordneter Strache, ist jetzt bereits abhängig vom internationalen Export. Das ist, bitte, die Internationalisie­rung, die wir geschafft haben dank der Europäischen Union, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Und weil Sie auch immer wieder das Beispiel der Schweiz bringen: Es hat schon einen Grund, dass unser Wirtschaftswachstum seit dem Beitritt zur Union im Schnitt doppelt so hoch gewesen ist wie das der Schweiz; also so schlecht waren wir nicht aufgestellt, so schlecht haben die Österreicherinnen und Österreicher damals nicht entschieden. Europa schützt und nützt uns, und das muss man aussprechen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das wird, Herr Abgeordneter Cap, nicht besser, wenn man vom Botschafter der Euro­päischen Union Argumente verlangt. Wir sind gewählte Volksvertreter, wir dürfen auch die Argumente bringen, warum uns Europa schützt und nützt, denn wir sind mit dieses Europa, im Herzen, im Kern, und wir werden uns nicht ins Abseits und nicht an den Rand stellen lassen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Strache.)

Durch Schengen haben wir einen doppelten Sicherheitsring um Österreich, eigene Si­cherheit und einen Schengenaußengrenzen-Schutz.

Wir haben im Konsumentenschutz enorm viel erreicht. Denken Sie an die Chemikalien-Richtlinie, an das Verbot von Kinderspielzeug aus China, weil wir auf die Sicherheit der europäischen, auch der österreichischen Konsumenten achten. Denken Sie an die ver­billigten Banküberweisungen, Roaming-Gebühren. Denken Sie an die Pharmaindustrie, wo ein ganz bitterer Fall aufgetaucht ist: Blutverdünnungsmittel aus China, hundert Tote in Amerika. Die Kommission hat mit den Chinesen Tacheles geredet und dadurch österreichische und europäische Konsumenten und Patienten nachhaltig geschützt.

Meine Damen und Herren, denken wir auch daran – darüber wird zu wenig geredet –: Seit unserem Beitritt haben wir 100 000 einzelne Projekte in Österreich umgesetzt. Das hätte es ohne diesen Beitritt niemals gegeben. Man kann sich die Beispiele anschau-


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en – ich kann sie jetzt aus Zeitmangel nicht aufzählen –, da sind unglaubliche Dinge geschehen.

Wir werden in den kommenden Jahren, bis 2013, durch die Europäische Union über 14 Milliarden € bekommen. Das wäre ein Punkt, ohne Volksabstimmung und ohne Ver­fassungsvertrag, dass wir uns überlegen, wie wir das nachhaltig und optimal einsetzen. Da sind allein 5 Milliarden für die Regionen drin. Jeder Euro, der aus Brüssel kommt, wird versechsfacht, das heißt: 30 Milliarden € Investitionsprogramm für unsere Regio­nen, für unsere Bürger. (Abg. Strache: Ist das wieder ein gebrochenes Versprechen?) Darüber muss man reden, anstatt die Europäische Union immer schlechtzureden und einen Sündenbock zu suchen, Herr Abgeordneter Strache und Herr Josef Cap! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Strache: Echt absurd!)

Sozialunion. – Also ich frage mich wirklich, wo manche hinschauen. Sie brauchen sich nur die Statistik anzusehen! Ist Europa nicht sozial? – Es ist der sozialste Kontinent auf der ganzen Welt! 3 000 Milliarden € werden in Europa jedes Jahr eingesetzt nur für soziale Dienstleistungen, für Sozialleistungen, Pensionen, Gesundheit, und, und, und, durch 27 Mitgliedstaaten. (Abg. Strache: Bei uns in Österreich werden sie radikal ein­gespart!) Das ist das soziale Europa. (Abg. Strache: Bei uns in Österreich sparen Sie Sozialleistungen radikal ein!) Es kann noch besser werden, aber zu sagen, Europa ist nicht sozial, ist absurd, Josef Cap, nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der ÖVP.)

Volksabstimmung. – Warum, Josef Cap, und das jetzt plötzlich so glühend – natürlich weil Werner Faymann und Alfred Gusenbauer die Richtungsänderung per Leserbrief vorgegeben haben –, warum haben Sie eigentlich am 9. April anlässlich der Ratifizie­rung des Lissabon-Vertrags gesagt, dieses Parlament soll gefälligst seine Verantwor­tung wahrnehmen? Wozu sind wir gewählt? Wofür werden wir bezahlt? – Das haben Sie gesagt, und genau das ist auch meine Meinung in einer parlamentarischen Demo­kratie. (Beifall bei der ÖVP.) Wir werden dafür bezahlt und gewählt, dass wir Verant­wortung übernehmen und auch Gesetze, internationale Staatsverträge beschließen. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Warum hat Alfred Gusenbauer damals richtigerweise in der gleichen Debatte gemeint: Wenn Sie nach Volksabstimmung rufen – H.-C. Strache –, dann wollen Sie sich in Wahrheit nur hinter einer Forderung verstecken!? (Abg. Strache: Das ist ein verfas­sungsrechtliches Grundrecht, eine Volksabstimmung!) Ihnen geht es nicht um das Volk, nicht um die Volksabstimmung, Sie wollen nur raus aus der Europäischen Union. (Abg. Strache: Das ist unser Verfassungsrecht, Herr Klubobmann!) Warum, bitte, ha­ben Sie Ihre Meinung geändert, meine Damen und Herren von der SPÖ? Warum hat Alfred Gusenbauer dem Druck von Werner Faymann, der es sich mit der „Kronen Zei­tung“ richten wollte, hier nachgegeben? Sie haben den Rubikon überschritten. Sie ha­ben selbst gesagt: sind ins Lager der Gegner gegangen. – Ihr Zitat.

Jetzt hat Josef Cap – darauf will ich schon hinweisen und auch Respekt bekunden – versucht, hier noch eine Brücke zu bauen. Er hat gesagt, so ist es nicht gemeint. Der ursprüngliche Text war ja: Jeder Vertrag, der österreichische Interessen berührt, ist einer Volksabstimmung zu unterziehen. Dann sind Sie draufgekommen, der nächste Vertrag wird in jedem Fall der Beitrittsvertrag von Kroatien sein, und dann hieß es: So war das ja nicht gemeint, also Kroatien nicht. (Abg. Strache: Wieso, da stimmen die Österreicher doch eh dafür? Wovor haben Sie denn Angst?) Wie ist das dann aber bitte mit Serbien? Wie ist das mit den anderen Balkanstaaten? Dann kamen Sie drauf, dass es gescheiter ist, wenn man sagt: nur grundlegende Änderungen. So steht es aber nicht drin.

Dann hat Josef Cap gesagt, Sie machen das ja nur, wenn die ÖVP mitgeht. Und dann, Herr Abgeordneter Strache, kam die wahre Erpressung durch die neue Bundesge-


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schäftsführerin Doris Bures, die wörtlich erklärt hat, nachzulesen in allen Zeitungen: Wenn die ÖVP solchen Volksabstimmungen nicht zustimmt, wird die SPÖ jede Ratifi­kation, jede Ratifizierung eines künftigen Vertrages verhindern! – Zitatende.

Das ist Blockade, meine Damen und Herren! Und wenn Sie dann noch erklären, das sei proeuropäisch, dann rotiert wirklich der Bruno Kreisky am Zentralfriedhof, dann, bitte, ist das Donnergrollen tatsächlich zu hören und zu spüren innerhalb der SPÖ. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Jetzt bitte nicht Benita Ferrero-Waldner in die Debatte einzubringen! Sie hätte vielleicht sagen sollen, so wie Heinz Schaden, sie schämt sich für die SPÖ für diese Richtungsänderung, die Sie hier vorgenommen haben, die über­haupt nicht verständlich ist, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben bisher eine gemeinsame Linie aller politischen Parteien im Haus gehabt: dass wir für eine europaweite Volksabstimmung eintreten. Das macht auch Sinn, weil dann das europäische Volk abstimmt! (Abg. Strache: Über unsere österreichische Ver­fassung soll doch bitte kein Pole oder sonst wer abstimmen! Das hat doch keinen Sinn, wenn es um unsere österreichische Verfassung geht!) Ein Zurückgehen zum Nationa­len, zu einem Fleckerlteppich von nationalen Volksabstimmungen, meine Damen und Herren, heißt nur, dass es nie mehr einen Vertrag, eine Veränderung, eine Vertiefung oder eine Erweiterung geben wird, weil immer irgendjemand, aus welchen berechtigten oder unberechtigten Gründen auch immer, dagegen stimmt.

Sie sind im Lager der Gegner gelandet. Ich zitiere jetzt nur einiges, das dort angespro­chen worden ist: „EU-Diktatur“, meistens noch mit dem Wörtchen „menschenverach­tend“ versehen, „Verrat an Österreich“, der Vertrag wurde verglichen mit dem Nazi-Ein­marsch im Jahr 1938, „Schleimer“, „Korruption“, „Parasiten“, das „EU-Kasperltheater“ wurde in Kolumnen durch Monate hindurch getrommelt, was mich betroffen gemacht hat.

In der Zeit der österreichischen Präsidentschaft von einem „EU-Kasperltheater“ zu re­den, meine Damen und Herren, das stört mich unheimlich in der Seele. Warum? Weil damit natürlich die parlamentarische Prozedur, das parlamentarische Entscheiden ins­gesamt abgewertet wird, und das, glaube ich, sollten wir als Parlamentarier einfach nicht zulassen. Das gab es schon einmal.

Das Parlament als „Quatschbude“ oder eine wichtige Institution als „Kasperltheater“ abzuwerten, das sollten wir, in welcher politischen Gruppe wir auch stehen, von vorn­herein ablehnen. (Beifall bei der ÖVP.) Das ist ein Außerkraftsetzen des Hausverstan­des, eine Ablehnung des Grundsätzlichen, ein An- und Abschalten von Stimmungsma­schinen. Damit ist Österreich nicht gedient und auch nicht der Europäischen Union. Wir wollen ein starkes Österreich in einer starken Europäischen Union! (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

11.19


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Klubobmann Ing. Westenthaler. Auch für Sie gilt eine Redezeit von maximal 10 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


11.20.03

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Außenministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon zirkusreife Akrobatik, Herr Klubobmann Cap, was Sie hier verbal am Rednerpult hingelegt haben und wie Sie die Rollen vorwärts und rückwärts der SPÖ hier erklären. Aber eine Erklärung war besonders interessant, nämlich die, dass Sie sagen: Wir können ja auch gescheiter werden. – Das ist offenbar ein Dauerprozess in der SPÖ. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Und ich merke – das sollten sich die Wähler


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gut anschauen –, je näher eine Wahl kommt, desto gescheiter wird die SPÖ. (Heiter­keit und Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.) Das ist hochinteressant. Das ist ein hochinteressanter Hinweis für die Wähler.

Wobei, Herr Klubobmann Cap – und das ist dann am Wahltag für Sie vielleicht interes­sant –: Zwischen „gescheiter“ und „gescheitert“ ist nur mehr ein „t“ Unterschied. Das sollten Sie sich hinter die Ohren schreiben. (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Klubobmann Cap, wenn die Wähler das jetzt wirklich ernst nehmen, dann müssen sie alles daransetzen, dass Sie am 28. September abgestraft werden, weil Sie dann wahrscheinlich den Höhepunkt Ihres Gescheiter-Werdens erreicht haben, was die Wähler auch entsprechend berücksichtigen müssen. Denn was Sie in den letzten Wo­chen alles aufgeführt haben, Sie und Ihre Partei, ist beispiellos:

Zuerst haben Sie uns wochenlang von diesem Rednerpult aus belehrt, wie toll doch dieser EU-Vertrag ist und wie – ich sage es jetzt nonchalant – verrückt eigentlich alle sind, die sich für eine Volksabstimmung aussprechen. Die liegen alle falsch, das sind EU-Gegner, und die wollen wir alle nicht haben – wir von der SPÖ sind für diesen Ver­trag! Dann haben Sie mit dem Brecheisen die Ratifizierung hier im Parlament durch­gesetzt. In wenigen Wochen wurde der Vertrag ratifiziert; Österreich musste unbedingt beim ersten Drittel der Länder dabei sein, die rasch ratifizieren.

Und dann hat noch schnell der Bundespräsident seine Unterschrift daruntergesetzt.

Wir haben davor immer gewarnt, in persönlichen Gesprächen, hier im Hohen Haus, wir haben immer gesagt: Warten Sie das Irland-Votum ab, denn das wird entscheidend sein für diesen EU-Vertrag! Und wir haben darüber hinaus in unserem Bundesland Kärnten mit dem Kärntner Landeshauptmann 15 000 Unterschriften für einen Volksent­scheid gesammelt. Das haben Sie alles vom Tisch gewischt!

Und jetzt stehen Sie da, auf einmal sagt Irland nein, der Vertrag zerschellt an der irischen Küste – und der Josef Cap ist schon wieder gescheiter geworden, weil Neu­wahlen vor der Tür stehen. (Heiterkeit bei BZÖ und ÖVP.) Und jetzt ist er auf einmal für eine Volksabstimmung. Aber das ist ein Riesenbluff, es stimmt ja nicht. Und es war auch interessant, Dr. Gusenbauer heute zuzuhören, der das sehr genau erklärt hat: Er hat die Ratifizierung dieses Vertrages noch verteidigt und gesagt, die kommt, das ist in Ordnung, das war so im Parlament, dazu steht er, und das geht alles so weiter – wie das jetzt auf europäischer Ebene auch der Fall ist.

Dieser EU-Vertrag ist an Irland gescheitert; er darf nicht ratifiziert werden! Und ich bin froh, dass verantwortungsvolle Staatschefs und Regierungschefs – zu diesen Ereignis­sen haben Sie überhaupt nicht Stellung genommen –, der deutsche Bundespräsident, aber auch die Staatsmänner von Tschechien und Polen, gesagt haben, wir nehmen das ernst, wir ratifizieren nicht weiter, es muss etwas Neues kommen. Das ist auch un­sere Linie vom BZÖ, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

Ansonsten bleibt es ein leeres Wahlversprechen, das Sie da abgeben. Das reiht sich dann, würde ich sagen, auf Platz drei Ihrer Rangliste ein: Das erste Versprechen war, Sie werden die Studiengebühren abschaffen, das zweite, dass es mit der SPÖ keine Eurofighter geben wird, und jetzt versprechen Sie der Bevölkerung vor der nächsten Wahl, Sie setzen sich für eine Volksabstimmung ein – die aber gar nicht kommen wird, weil Sie noch immer für diesen Vertrag sind und weil eigentlich kein neuer Vertrag in Aussicht ist.

Daher werden wir Sie heute, Herr Klubobmann Cap, auf eine Nagelprobe stellen, in­dem wir einen Entschließungsantrag einbringen, der genau das beinhaltet, was Sie in


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einem Leserbrief und in allen anderen Argumentationen – Faymann, Sie und auch Herr Dr. Gusenbauer – der Öffentlichkeit seit ein paar Tagen mitteilen.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Kollegin und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend einen Gesetz­entwurf zur Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes zuzuleiten, der sicherstellt, dass ein allenfalls geänderter und daher neuerlich zu ratifizierender Lissabonvertrag sowie zukünftige EU-Vertragsänderungen, die die österreichischen Interessen berüh­ren, durch Volksabstimmungen in Österreich entschieden werden müssen.“

*****

Wir werden uns heute ganz genau anschauen, wie Sie hier abstimmen.

Jetzt einen Appell auch an die Redaktion der „Kronen Zeitung“, die jetzt vielleicht vor dem Fernseher sitzt: Schauen Sie sich heute die Abstimmung der SPÖ an, und bewer­ten Sie dann, ob dieser Brief, den Sie bekommen haben, noch immer der Realität ent­spricht oder ob auch Sie, genauso wie die österreichische Bevölkerung, genauso wie wir alle, wieder Opfer eines ganz großen Bluffs der Roten sind. Das werden wir uns heute ganz genau anschauen. Stimmen Sie dem zu mit Ihrer Fraktion, Herr Klubob­mann Cap, Sie haben die Möglichkeit! (Beifall beim BZÖ.)

Jetzt zu unseren Inhalten. Ich bin der Meinung, man soll sich auch über die aktuellen Themen unterhalten. Und jetzt kommt ja der nächste Pakt daher – der ist ja schon in der Pipeline –, den wir uns ganz genau anschauen werden: Frankreich ist drauf und dran, einen Pakt zu beschließen, der die Zuwanderungspolitik in Europa regelt. Und ich sage Ihnen, da geht es nicht darum, Europa abzuschotten oder die Zuwanderung nach Europa zu minimieren, sondern da geht es ganz allein um die Eigeninteressen Frank­reichs und Deutschlands! Die beiden großen Länder wollen sich in der Zuwanderungs­politik abschotten, und was übrig bleibt, das sind wieder die Kleinen am Rand. Und da warne ich schon heute davor, diesen Pakt mit Frankreich und Deutschland zu beschlie­ßen, weil übrig bleiben wird Österreich, und wir werden wieder die Zuwanderungsströ­me auffangen müssen, die Frankreich und Deutschland nicht mehr nehmen wollen. Wir sagen nein zu einer gemeinsamen, europaweiten Zuwanderungspolitik, weil wir be­nachteiligt werden! (Beifall beim BZÖ.)

Da bin ich schon sehr gespannt, Herr Klubobmann Cap, ob Sie dann da auch eine Volksabstimmung verlangen werden. Wird es eine Volksabstimmung geben über eine gemeinsame Zuwanderungspolitik in der Europäischen Union oder nicht? Wir glauben, es wäre notwendig, weil wir letztlich die Opfer einer solchen Zuwanderungspolitik sein werden.

Es wird immer erzählt, es geht wirtschaftlich so toll voran, und wir haben so viele Vor­teile in der Europäischen Union. Der Bürger merkt es nur nicht, es kommt nicht an. Herr Klubobmann Schüssel! Wenn Sie von hunderten Milliarden Euro Sozialgeldern der Europäischen Union sprechen: Ja, die kommen aber nicht an, die verschwinden ir­gendwo! Die Österreicherinnen und Österreicher haben nichts davon, weil sie sich das tägliche Leben nicht mehr leisten können, weil sie sich die Spritpreise nicht mehr leis­ten können, weil sie sich die Lebensmittel nicht mehr leisten können.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 58

Diese Gelder kommen nicht bei den Menschen an, aber wir zahlen brav jedes Jahr 600 Millionen Nettobeitrag an die EU. Das ist etwas, was die Menschen nicht ver­stehen: Dass sie an eine schlechte Europäische Union, die durch Betrug eine Milliarde pro Jahr in ihren Kanälen verschwinden lässt, auch noch Steuergeld zahlen müssen! Das verstehen die Menschen in diesem Land wirklich nicht, meine sehr geehrten Da­men und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

Dritter Punkt nach Zuwanderung und Soziales: die wirtschaftliche Situation. Ja, was ist denn so toll an der Europäischen Union, wenn wir jeden Tag erfahren müssen, dass in diesem Land Arbeitsplätze verloren gehen, weil sich Flaggschiffe, Unternehmungen aus Österreich zurückziehen und sich irgendwo anders ansiedeln!? Das ist auch eine Entwicklung in der Europäischen Union. Und wenn Sie meinen, es sei nicht so, dann trägt die österreichische Regierung die Hauptverantwortung aufgrund schlechter Ar­beitsmarktpolitik.

Sie können noch so tolle Zahlen den Arbeitsmarkt betreffend veröffentlichen: Das nützt nichts, wenn Siemens Österreich 500 Mitarbeiter in die Wüste schickt, und das in den nächsten Tagen, wenn die Bank Austria in Österreich 500 Mitarbeiter abbaut – und kei­nen berührt es; alles normal, das ist Globalisierung, wird gesagt –, wenn IBM sein Headquarter in den Osten verlegt und wieder 500 Mitarbeiter in Österreich abgebaut werden. Durch diesen Globalisierungswahn verlieren Menschen ihre Arbeit! Hier hätte die Europäische Union und hier hätte die österreichische Bundesregierung Verantwor­tung zu übernehmen, dass das nicht passieren kann.

Jawohl, wir solidarisieren uns mit jenen Menschen, die aufgrund der Globalisierung ihre Existenzgrundlage, ihren Arbeitsplatz, ihre Existenz verlieren. Dafür ist das BZÖ selbstverständlich zu haben, meine sehr geehrten Damen und Herren, für den Kampf gegen diese Entwicklung setzen wir uns entschieden ein! (Beifall beim BZÖ.) Das ist nicht die Globalisierung, die wir uns vorstellen: Arbeitsplätze verlieren. Das ist nicht der richtige Weg der Europäische Union.

Auch in Sachen Kriminalität, haben Sie gesagt, sei alles wunderbar. Seit der Schen­gen-Grenzöffnung ist die Kriminalität nicht gesunken, das ist ein Scherz! Gehen Sie in die Grenzregionen und reden Sie dort mit den Menschen! Reden Sie mit den Men­schen! Serieneinbrüche in den Häusern, Autodiebstähle gibt es dort. Das ist auch nicht mein globalisiertes Europa, wo mein Auto dann in Polen ist, wo meine Wertgegenstän­de in Rumänien sind und wo mein Geld, meine Euro in Brüssel sind. Das ist nicht mein Ziel einer Europäischen Union, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ist nicht das Ziel. (Beifall beim BZÖ. – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Wir haben viel größere Probleme in diesem Land, als Sie glauben, mit der Kriminalität, mit der sozialen Frage, als uns über Leserbriefe zu mokieren. Da bin ich übrigens der Meinung, jeder hat das Recht, Briefe zu schreiben, auch an die „Kronen Zeitung“. Und ich verstehe auch nicht, dass man wie von der Tarantel gestochen aufspringt und jetzt die „Kronen Zeitung“ für alles verantwortlich macht – und alle anderen Zeitungen auch gleich. Irgendetwas müssen die auch richtig machen, sonst hätten sie nicht die meisten Leser in Österreich. Das sollte man auch nicht vergessen. (Beifall beim BZÖ.)

Auch die „Kronen Zeitung“ hat, wie alle anderen Medien, das Recht auf Presse- und Meinungsfreiheit, und niemand hat das Recht, dieses Recht einzuschränken – auch wenn einem eine Meinung nicht passt, Frau Außenministerin, auch wenn Sie eine glü­hende Befürworterin der Europäischen Union sind, auch wenn Ihnen einmal eine Linie einer Zeitung nicht passt. Was müssen wir uns jeden Tag anhören, Herr Klubobmann Schüssel, weil Sie vorher Kommentare zitiert haben?! Da darf man nicht wehleidig sein. Was uns schon alles in Kommentaren in Zeitungen ausgerichtet worden ist! – Ihnen auch, allen eigentlich. Da darf man nicht wehleidig sein, auch nicht, wenn es sich


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 59

um die „Kronen Zeitung“ handelt. Da bin ich wirklich dafür, dass man Pressefreiheit und Meinungsfreiheit in den Vordergrund stellt und sich nicht auf einen Kleinkrieg mit einem Medium einlässt, das im Wesentlichen die Meinung der österreichischen Bevöl­kerung sehr, sehr gut vermittelt, denn sonst wäre sie nicht so erfolgreich. (Beifall beim BZÖ.)

11.29


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der von Herrn Klubobmann Ing. Westenthaler eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Ver­handlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Ing. Westenthaler, Kollegin und Kollegen betreffend die generelle Verpflichtung der Durchführung von Volksabstimmungen über EU-Vertragsänderungen sowie grundsätzliche Fragen der Europäischen Integration

eingebracht im Zuge der Debatte zu den Erklärungen des Bundeskanzlers und der Außenministerin gemäß § 19 Abs. 2 GOG über die Ergebnisse des EU-Gipfels vom 19. und 20. Juni 2008 in der Sitzung am 10.07.2008

„Es sieht düster aus für die Europäische Union. () Die EU steckt in einer Krise der Legitimität und des Vertrauens“ (SonntagsZeitung“ Zürich 15.06.2008), und das nicht erst seit dem Nein der Iren zum EU-Reformvertrag:

Denn bereits mit dem Scheitern der Referenden in Frankreich und den Niederlanden war es offensichtlich, dass der am 17. und 18. Juni 2004 politisch akkordierte und am 29. Oktober 2004 in Rom unterzeichnete Vertrag über eine Verfassung für Europa keine Chance auf Inkrafttreten haben würde. Die Ablehnung des Europäischen Verfas­sungsvertrages hat gezeigt, wie groß die Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit der Politik dieser Europäischen Union ist.

Die Europäische Union ist für viele Bürger kompliziert, undurchschaubar und zu zentra­listisch. Die, nicht nur räumliche, Distanz zwischen den Bürgern und dem Entschei­dungszentrum ist offenkundig. Mehr Bürgernähe, erhöhte Transparenz, gelebte Sub­sidiarität sowie Schritte gegen das bestehende Demokratiedefizit sind ein Gebot der Stunde.

Trotz dieses negativen Stimmungsbefundes der europäischen Bevölkerung streute man seitens der Europäischen Union seinen Bürgern Sand in die Augen und legte ihnen neuerlich einen sich nur marginal vom ursprünglichen Verfassungsentwurf unter­scheidenden „EU-Reformvertrag“ vor. Ein Kommentar einer spanischen Tageszeitung auf den im Juni 2007 beim Europäischen Rat erzielten Kompromiss, wonach „das Übereinkommen (Anm. Reformvertrag) es der EU erlaubt einigermaßen weiter zu wurschteln“, stellt eindrucksvoll unter Beweis, dass dieser Reformvertrag nicht geeig­net ist, die wirklichen Probleme und Defizite der Europäischen Union zu lösen. „Europa ist das Herz verloren gegangen, es sind Rückschritte gemacht worden“, ist das wenig ermutigende Resümee des italienischen Ministerpräsidenten Romano Prodi gegenüber der Tageszeitung La Repubblica.

Offensichtlich und vordergründig war die Zielsetzung dieses Werkes:

Um in einem neuerlichen Ratifizierungsverfahren in den Mitgliedstaaten allfällige Refe­renden mit unlieben Ergebnissen hintanzuhalten, „haben sich die Regierungen der EU-Staaten auf kosmetische Änderungen der Verfassung geeinigt, um sie leichter verdau-


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bar zu machen – sprich um Referenden zu vermeiden.“ (Giscard d’Estaing am 17. Juli 2007 Pressedienst des EP) . Zugleich warnte der ehemalige französische Präsident in diesem Zusammenhang davor, „die Bürgerinnen und Bürger mit einer Mogelpackung für dumm zu verkaufen.“

In dieselbe Kerbe schlug angesichts des EU-Reformvertrages der ehemalige italieni­sche Premierminister Giuliano Amato, wenn er ironisch feststellt: „Wenn bei der Regie­rungskonferenz auch so ein Dokument herauskommt, kann jeder Regierungschef zu seinem Parlament sagen: Seht her, das ist absolut unlesbar, ein typischer Brüsseler Vertrag, nichts Neues, kein Referendum notwendig.“ (EU-Observer 16. Juli 2007)

Die Ignoranz auch der österreichischen Bundesregierung durch Verhinderung eines Referendums über den Reformvertrag einerseits und eine gegen den Willen des BZÖ bereits im Mai dieses Jahres erfolgte Ratifizierung andererseits haben sich nunmehr in so fern gerächt, als nach dem Nein der Iren, nach der Unterschriftsverweigerung der Präsidenten von Polen und Tschechien der Lissabonvertrag (einmal mehr) gescheitert und somit Geschichte ist. Bundeskanzler Gusenbauer lehnte damals eine Volksabstim­mung unter anderem mit der Begründung ab, dass man „auf Europaskepsis nicht wirk­lich mit Volksabstimmung antworten könne“.

Nach dem Durchpeitschen des Reformvertrages ohne Volksabstimmung und nach Ab­lehnung einer vom BZÖ beantragten bundesweiten Volksbefragung ließ sich nunmehr das Kurzzeitführungsgespann aus Gusenbauer und Faymann zu einer an Unglaubwür­digkeit nicht zu überbietenden Richtungskorrektur hinreißen, die im diametralen Ge­gensatz zu obigem Gusenbaurschen Zitat steht. Denn wörtlich heißt es in einem dies­bezüglichen Schreiben vom 26. Juni 2008: „Auch in Österreich besteht gegenwärtig eine weit verbreitete Skepsis gegenüber der EU. () sind wir der Meinung, dass künftige Vertragsänderungen, die die österreichischen Interessen berühren, durch eine Volksabstimmung in Österreich entschieden werden sollen.“

Mit den Worten „ohne ÖVP kann es keine EU-Volksabstimmung geben“ leitete jedoch mit 3. Juli 2008 Klubobmann Cap - für politische Beobachter der SPÖ-Strategien der letzten Jahre wohl nicht sehr überraschend - die Beerdigung des Kurzzeitrealismus der SPÖ in Sachen EU-Politik und Volksentscheid ein. Erst mit dem Ende der Zusammen­arbeit von SPÖ und ÖVP fasste man wieder Mut und beschloss im SPÖ-Präsidium am 7. Juli 2008, „künftige EU-Vertragsänderungen, die die grundlegenden Interessen Ös­terreichs berühren, einer Volksabstimmung zu unterziehen".

Im Sinne eines Europas für und nicht gegen die Bürgerinnen und Bürger, im Interesse des Friedensprojektes Europa sowie in der Absicht, insbesondere den Abgeordneten der sozialdemokratischen Fraktion die Möglichkeit zu geben, den EU-Schwenk in Rich­tung nationaler Volksabstimmungen bei künftigen EU- Vertragsänderungen – abseits der Kronen Zeitung - mit Leben zu erfüllen und zu verfestigen, stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend einen Gesetzes­entwurf zur Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes zuzuleiten, der sicherstellt, dass ein allenfalls geänderter und daher neuerlich zu ratifizierender Lissabonvertrag sowie zukünftige EU – Vertragsänderungen, die die österreichischen Interessen berüh­ren, durch Volksabstimmungen in Österreich entschieden werden müssen.“

*****

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 61

Präsident Dr. Michael Spindelegger: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeord­nete Mag. Grossmann zu Wort. Ihre maximale Redezeit beträgt 6 Minuten. – Bitte.

 


11.30.15

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanz­ler! Werte Regierungsmitglieder! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Noch-Kollege Westenthaler! (Abg. Scheibner: Kandidieren Sie nicht mehr?) Ich denke, Ihre Aufgeregtheit ist wohl eher auf den Umstand zurückzuführen, dass künftig vielleicht schon bald ein anderer Handlanger der Kärntner Regionalpolitik hier an Ihrer Stelle sein Unwesen treiben wird. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Werden Sie nicht mehr aufgestellt? – Weitere Zwischenrufe beim BZÖ.)

Wenn es Ihre letzte Rede war, dann werden wir sie mit der entsprechenden Milde be­werten.

Herr Kollege Schüssel, ich denke, wenn sich der große Bundeskanzler Bruno Kreisky im Grabe umdreht, dann wohl nur dann, wenn er von Ihnen zitiert wird. (Beifall und Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Mag. Kukacka: Da haben Sie sich einen Blödsinn auf­geschrieben!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der wohl größte Erfolg des europäischen Einigungswerkes ist es, Frieden in Europa geschaffen zu haben. Durch den gelebten Willen zur Zusammenarbeit konnten Krieg und Nationalismus auf unserem leidgeprüf­ten Kontinent überwunden werden, und schon allein deshalb sind wir Sozialdemokra­tinnen und Sozialdemokraten auch überzeugte Europäerinnen und Europäer. Und das lassen wir uns nicht absprechen, von niemandem! (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Bekenntnis zu Europa beinhaltet aber auch die Verantwortung, dafür Sorge zu tragen, dass diese große europäische Idee am Leben bleibt. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Idee lebt in den Menschen, in den Köpfen der Menschen. Wenn sie dort nicht mehr verankert ist, dann müssen bei allen politischen Verantwor­tungsträgern alle Alarmglocken läuten, denn dann droht die europäische Idee zu ster­ben. Wir hören diese Alarmglocken, andere leider nicht. Anders sind die arroganten Reaktionen auf das Eurobarometer und auch auf das irische Nein zum Reformvertrag nicht zu erklären.

Kommissionspräsident Barroso holt zur generellen Österreich-Beschimpfung aus, wenn man hierzulande anders denkt, als er es gerne hätte. Oder: Kommissarin Ferre­ro-Waldner schämt sich für Österreich, für das Land, in dem sie einstmals Staatsober­haupt werden wollte, für das Land, dem sie es verdankt, dass sie heute dort ist, wo sie ist, nämlich in der EU-Kommission.

Das ist ein Indiz, das ist ein bedeutendes Indiz für den Versuch, ein Projekt von Eliten für Eliten zu schaffen, das völlig abgehoben von der Bevölkerung agiert. Und da sagen wir: Stopp! Das kann es nicht sein. Das Vertrauen der Bevölkerung muss wiedererlangt werden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haimbuchner.)

Das kann man nicht erzwingen, Herr Kollege. Das kann man nicht erzwingen, sondern das muss man erwerben, und zwar durch eine Vielzahl von vertrauensbildenden Maß­nahmen. Dazu gehört nicht nur eine Volksabstimmung bei Vertragsänderungen. Das ist wichtig, aber das ist ein Teilaspekt, ein Beitrag, um die demokratische Legitimation der EU zu erneuern und zu bekräftigen und die Skepsis der Bevölkerung abzubauen. Das ist eine Chance, die man durchaus nützen sollte.

Aber noch bedeutender ist es, die alltäglichen Sorgen der Menschen ernst zu nehmen und darauf auch zu reagieren. Und die derzeit wohl größte Sorge der Menschen ist die Preisentwicklung auf dem Rohstoff- und Lebensmittelsektor, denn das bedeutet ja für


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 62

viele nicht nur eine Einschränkung der Lebensqualität, sondern eine existenzielle Be­drohung.

Die Ursachen, das wissen wir, sind vielfältig. Viele sind nicht zu beeinflussen, viele aber sehr wohl. Mehrere Studien haben nachgewiesen, dass die Preissteigerungen weniger auf echte Nachfrage zurückzuführen sind, sondern vielmehr auf Spekulation mit Rohstoffen. Die österreichische Bundesregierung hat daher beim letzten Euro­päischen Rat im Juni eine Spekulationssteuer vorgeschlagen, um hier regulierend ein­zugreifen. Ich sage bewusst: die österreichische Bundesregierung, obwohl sich im Vorfeld dieses Gipfels Außenministerin Plassnik schon etwas reserviert zu diesem Vor­schlag geäußert hat.

Das Ergebnis dieses Gipfels war dann auch entsprechend enttäuschend. Die Konser­vativen und Wirtschaftsliberalen im Europäischen Rat haben diesen Vorschlag abge­schmettert beziehungsweise auf die lange Bank geschoben. Stattdessen wurden halb­herzige Maßnahmen beschlossen, die keineswegs geeignet sind, das Problem an der Wurzel zu packen.

Auch die Agrarspritstrategie wird nicht revidiert, obwohl laut Weltbank die Agrarsprit­produktion der Hauptgrund für die Preissteigerungen auf dem Nahrungsmittelsektor ist.

Bei diesem EU-Gipfel wurde also wirklich eine große Chance vertan, vertrauensbilden­de Maßnahmen zu setzen, vertrauensbildende Maßnahmen, meine Damen und Her­ren, die zeigen, dass die Sorgen der Menschen ernst genommen werden. Aber wenn die Konservativen und Wirtschaftsliberalen und die Gesinnungsgenossen dieser ... (Abg. Scheibner: Jetzt kommt wieder das!) – Genau, Sie melden sich schon an der richtigen Stelle zu Wort. Das sind nämlich Ihre Gesinnungsfreunde vom mittleren Sek­tor, vom rechten Sektor dieses Hauses, die Konservativen und Wirtschaftsliberalen, die in den EU-Institutionen, im Rat, in der Kommission, im Parlament, nach wie vor die Mehrheit stellen.

Wenn diese weiterhin ausschließlich den freien Markt verherrlichen und die dringends­ten Bedürfnisse der Menschen ignorieren, dann müssen sie sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie es sind, die die europäische Idee zerstören, und nicht diejenigen, die konsequent für ein sozialeres und demokratischeres Europa eintreten. (Beifall bei der SPÖ.)

11.36


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. Auch für Sie gilt eine maximale Redezeit von 6 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


11.36.36

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätz­te Regierungsmitglieder! Meine Damen und Herren! Es haben große Politiker in der Vergangenheit mit der europäischen Integration ein Projekt auf die Schiene gesetzt, das zum Ziel hatte, durch wirtschaftliche Verflechtung Friedenssicherung zu betreiben. Daraus ist eine Erfolgsgeschichte geworden, für unser Land, für ganz Europa, eine Erfolgsgeschichte, die sich sehen lassen kann. War die erste Hälfte des letzten Jahr­hunderts von zwei Weltkriegen geprägt, haben wir jetzt Gott sei Dank 63 Jahre lang Ähnliches nicht mehr erleben müssen. Und ich verstehe unsere Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner, wenn sie sich dafür schämt, was die Noch-Kanzlerpartei SPÖ in Österreich mit und aus dieser tollen Idee und aus diesem tollen Friedensprojekt macht. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! 63 Jahre Frieden in Europa, stabiles Wirtschafts- und Wohl­standswachstum nicht nur in Österreich, in ganz Europa, in den alten Mitgliedslän-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 63

dern – sogar ein dynamisches, überdurchschnittliches Wachstum in den neuen Mit­gliedsländern. Die mittel- und osteuropäischen Länder sind inzwischen für uns – wir profitieren davon – zu Wachstumsmotoren in ganz Europa geworden. Die EU ist der weltweit größte einheitliche Wirtschaftsraum geworden, und davon profitieren wir im Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsräumen, mit China, mit den USA in ganz besonde­rer Weise. Denen kann man nicht mehr als kleine Volkswirtschaft, wie Österreich eine ist, entgegentreten, da brauchen wir einen größeren Wirtschaftsraum, da brauchen wir Europa.

Was sind denn die Resultate für Österreich? Wir profitieren davon. Wir sind inzwischen Hauptinvestor in den neuen EU-Ländern. Wir haben unsere Exporte dadurch verdrei­fachen können, und jeder Arbeitsplatz, den wir dort in diesen Ländern schaffen, sichert auch Arbeitsplätze im eigenen Land.

Herr Kollege Westenthaler, es ist schon ein bisschen billig, wenn man hier Einzelbei­spiele herausnimmt, Siemens etwa. Das ist bedauerlich, sehr bedauerlich, aber Fak­tum ist, dass wir unterm Strich in der Bilanz durch den Beitritt zur EU zusätzliches Wirt­schaftswachstum und zusätzliche Arbeitsplätze bekommen haben und dass wir auch – alle Prognosen der Wirtschaftsforscher sagen das – in Zukunft zusätzliches Wachstum und zusätzliche Arbeitsplätze, eben weil wir in der EU Mitglied sind, bekommen wer­den. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, diese wirtschaftliche Verflechtung, Globalisierung und diese politische Friedenssicherung verlangen natürlich nach begleitenden Spielregeln, über­haupt keine Frage.

Das gilt für die innere Sicherheit, die Bekämpfung von organisierter Kriminalität. Und es ist einfach nicht wahr, Herr Kollege Westenthaler, dass die Kriminalität zugenommen hat! Reden Sie mit Bürgermeistern in Grenzregionen, wie etwa dem Hannes Zweytick! Die Sicherheit hat zugenommen, nicht die Kriminalität!

Das gilt für die Justizfrage. Wenn wir ins Ausland gehen, brauchen wir natürlich auch Rechtssicherheit, Durchsetzungsfähigkeit unserer Rechtsposition, unserer rechtlichen Ansprüche im Ausland. Die EU sorgt dafür!

Das gilt in der Wirtschaftspolitik, wo es entsprechende Wettbewerbsregeln gibt. Wir können nicht hinausgehen im Sinne unserer Arbeitsplätze, wenn die Spielregeln im Wettbewerb nicht passen. Die EU sorgt dafür!

Und was den Welthandel angeht – ich habe es schon erwähnt –: Natürlich gibt es auch Probleme, überhaupt keine Frage, und die gilt es zu bekämpfen, die gilt es zu bearbei­ten, aber eines muss uns klar sein: Eine Gemeinschaft macht uns stärker. Der Einzel­ne kann nie so stark sein, wie es die Leistung einer Gemeinschaft ist. Da heißt es dann aber natürlich auch bereit zu sein, den einen oder anderen Kompromiss einzugehen. Daher ist es meiner Meinung nach notwendig, eine Balance zwischen den Eigeninter­essen und den sinnvollen, notwendigen Kompromissen für eine Gemeinschaft herzu­stellen. (Beifall bei der ÖVP.)

Früher, meine Damen und Herren, waren es die portugiesischen Bauarbeiter, die an­geblich kommen, oder die Blutschokolade oder das Schildlausjoghurt oder anderes mehr, jetzt ist es die angeblich mangelnde Einbindung der Bevölkerung, die uns ja für die Entscheidungen gewählt hat, die wir treffen. Man findet, wenn man populistisch sein will, immer Argumente dafür, warum man sich so verhält, wie man sich verhält.

Faktum ist eines, meine Damen und Herren: Staatstragende Parteien – und in der Zwi­schenzeit scheinen offenbar die ÖVP und die Grünen die Einzigen zu sein, die sich darum bemühen ... (Ah- und Oh-Rufe bei FPÖ und BZÖ.) Wir tragen, und die Grünen bemühen sich darum. (Ruf beim BZÖ: Koalitionsverhandlungen auf offener Bühne!) Sie


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 64

bemühen sich um Integration für die Friedenssicherung, sie bemühen sich um Integra­tion für das Wirtschaftswachstum und um Integration für mehr Beschäftigung.

Meine Damen und Herren! Vermeintlich staatstragende Parteien, die sich jetzt offenbar in der „Kronen Zeitung“-Koalition bewegen, sollten eines nicht tun, und die „Salzburger Nachrichten“ haben in einer – zugegeben harten – Karikatur auch ausgedrückt, was man nicht tun sollte: Sich um einen Platz im Allerwertesten der „Kronen Zeitung“ be­mühen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.42


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. 6 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


11.42.36

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Zuerst möchte ich gleich meinem Vorredner antworten: Nur weil ÖVP und Grüne, was die Europa-Politik betrifft, tatsächlich ähnliche Vorstellungen haben, heißt das noch lange nicht, dass es in allen anderen Punkten auch Ähnlichkeiten gibt. Da gibt es massive Unterschiede und auch Kritik von unserer Seite an der ÖVP. (Abg. Kainz: Gott sei Dank!) Lassen Sie sich das nur durch den Kopf gehen.

Nun aber zur Europa-Debatte: Es ist schon interessant, dass die meisten Redner und Rednerinnen, die ich jetzt gehört habe, und gerade auch die der SPÖ alle davon ge­sprochen haben, dass man doch ein anderes Europa, ein besseres, ein sozialeres und so weiter braucht und will, und dass alle – das hat zum Beispiel auch Kollegin Gross­mann gesagt – überzeugte Europäer und Europäerinnen sind.

Wissen Sie, wie das ist mit Träumen? In der Politik wie im realen Leben sind sie wich­tig als Ziel, so wie das auch Martin Luther King formuliert hat, aber die Träume alleine, auch von einem besseren, anderen und schöneren Europa, die Träume ändern am Leben und an der Wirklichkeit noch lange nichts. Wenn ich einen Traum habe und den verwirklichen will, dann muss ich bereit sein, etwas dafür zu tun, mich dafür einzuset­zen und dafür zu kämpfen. Sonst bleibt dieser Traum ein Traum, und es wird nichts daraus.

Was die SPÖ-Führung – Gusenbauer und Faymann – getan hat mit ihrer leserbriefli­chen Unterwerfung unter die „Kronen Zeitung“, das bedeutet, meine Damen und Her­ren von der Sozialdemokratie, dass Sie Ihren Kampf um den Traum, um dieses neue, andere, bessere, sozialere Europa aufgegeben haben. Warum? – Sie sind auch inner­halb der europäischen Sozialdemokratie nicht mehr glaubwürdig, wenn Sie sich für das sozialere Europa einsetzen. Sie sind in Österreich unglaubwürdig geworden, und Sie sind auch unglaubwürdig geworden, wenn Sie mehr soziale Rechte einfordern – denn wie wollen Sie das tun, wenn Ihnen im Rahmen der EU niemand mehr glaubt? –, und wirtschaftsliberalen Konservativen gegenüber, die ständig Arbeitnehmerrechte abbau­en wollen, Flexibilisierung vorantreiben wollen. Sie von den Sozialdemokraten haben diesen Kampf für ein besseres Europa aufgegeben. Sie haben ihn aufgegeben! (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben auch den Kampf für die österreichischen Interessen aufgegeben. Wer glaubt Ihnen denn jetzt noch innerhalb der EU, wenn Sie sagen, Sie wollen ein atomkraftfreies Europa, Sie wollen Atomkraft abbauen, Sie wollen Euratom abschaffen et cetera? Das glaubt Ihnen niemand mehr! Die Spekulationssteuer, die Kollegin Grossmann ange­sprochen hat – nein, Sie sind nicht mehr glaubwürdig damit, denn Sie haben Ihre Glaubwürdigkeit im Kampf um Soziales verspielt mit Ihrer Unterwerfung unter die „Kro-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 65

nen Zeitung“. Und das wird auch in anderen Teilen Europas so gesehen. (Beifall bei den Grünen.) Volksabstimmungen lösen diese sozialen Probleme nämlich nicht.

Der Lissabon-Vertrag hätte die EU nicht zu einem Traum-Europa gemacht, aber zahl­reiche Verbesserungen hätte es gegeben: im Sozialbereich, im Demokratiebereich. Einige Beispiele gefällig? – Die Grundrechte-Charta hat klar formulierte Rechte enthal­ten. Diese enthält sie auch weiterhin, aber rechtsverbindlich wird sie jetzt nicht. Und gerade in Zeiten von neoliberalen, wirtschaftsliberalen Ansagen der Konservativen wäre das wichtig gegen transnationale Konzerne. Wissen Sie, was die enthalten hat? – Das Recht auf Kollektivverhandlungen, das Recht und den Anspruch auf Schutz vor ungerechtfertigter Entlassung, das Recht auf gerechte und angemessene Arbeitsbedin­gungen, auf tägliche, wöchentliche Ruhezeiten, auf bezahlten Jahresurlaub, Verbot von Kinderarbeit, Schutz von Jugendlichen, Anspruch auf bezahlten Mutterschaftsur­laub, Elternurlaub et cetera. All dies wäre rechtsverbindlich geworden. Das wird es jetzt nicht. Und mit Volksabstimmungen auf nationaler Ebene werden diese Dinge schon gar nicht gelöst!

Die Antwort der SPÖ ist eine falsche. Sie haben diesen Kampf aufgegeben, auch, wie ich schon gesagt habe, gegenüber der ÖVP, auch gegenüber den Konservativen, die nur wirtschaftsliberal agieren, die von sozialen Rechten und Arbeitnehmerrechten nicht wirklich viel halten, und davon, dass prekär Beschäftigte mehr Rechte haben, auch nicht.

Was wäre denn möglich gewesen? – Den Sozialminister hat die SPÖ gestellt. Sozial­ministerrat, europaweite Standards für Mindestlöhne, Stärkung der Euro-BetriebsrätIn­nen, überbetrieblicher Arbeitnehmerfonds. Wo war denn Ihr Einsatz dafür? Wo hat sich denn die Sozialdemokratie dafür eingesetzt? – Diesen Kampf, wenn Sie ihn überhaupt geführt haben sollten, haben Sie jetzt auch aufgegeben.

Der zweite Teil: mehr Demokratie in diesem Europa. Der Wunsch, dass nicht mehr die wie Reichsfürsten agierenden Regierungsvertreter in geheimen Sitzungen Entschei­dungen treffen und uns dann, wenn sie zurückkommen, ausrichten: Wir haben damit nie etwas zu tun gehabt.

Diese Rechte würden mit dem Lissabon-Vertrag gestärkt werden. Wenn der jetzt schon nicht in Kraft tritt, dann treten wir Grüne dafür ein, dass wir zumindest einen ersten Schritt in diese Richtung setzen.

Deswegen bringe ich den folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Angesichts der sich ausweitenden Vertrauenskrise wird die Bundesregierung aufgefor­dert, sich in einem ersten Schritt innerhalb der EU auf den Vorschlag eines „European Act for Democracy“ zu verständigen, der die Rechte in einem „Europäischen Vertrag der Bürgerinnen und Bürger“ erweitert und folgendes beinhaltet:

die Charta der Grundrechte,

die Ziele und Werte der Union,

das europäische Volksbegehren,

die gestärkten Mitentscheidungsrechte des europäischen Parlaments sowie der natio­nalen Parlamente,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 66

umfassende Kontrollrechte des EuGH und

die Öffentlichkeit der Gesetzgebung.

(Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.)

Dieser „Europäische Vertrag der Bürgerinnen und Bürger“ soll gleichzeitig mit der nächsten Wahl zum Europäischen Parlament im Juni 2009 einer europaweiten Volks­befragung unterzogen werden.

*****

Wir Grüne werden den Kampf um ein sozialeres und demokratischeres Europa nicht aufgeben! (Beifall bei den Grünen.)

11.49


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der soeben von Frau Abgeordneter Mag. Lu­nacek eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend einen „Euro­pean Act for Democracy“ der die Rechte in einem „Europäischen Vertrag der Bürgerin­nen und Bürger“ erweitert eingebracht im Zuge der Debatte über die Erklärungen des Bundeskanzlers und der Außenministerin gemäß § 19 Absatz 2 GOG über die Ergeb­nisse des EU-Gipfels vom 19. und 20. Juni 2008

Das Scheitern des Referendums in Irland über den Reformvertrag löst eine neue Krise der Europäischen Union aus, die dringend nach konstruktiven Vorschlägen verlangt. Das Scheitern der Regierung Irlands macht den Bruch zwischen den politischen Eliten und der europäischen Bürgerinnen und Bürger sichtbar. Es ist eine Illusion zu glauben, dass jetzt die irische Abstimmung marginalisiert oder isoliert werden könnte. Durch eine alleinige Reparatur aufgrund von Vorschlägen der irischen Regierung wird das Problem der Vertrauenskrise nicht gelöst werden können. Eine Einigung mit der irischen Regierung hat nur dann Sinn, wenn ihre Vorschläge auf einem umfassenden Konsens beruhen, die die Gefahr eines neuerlichen Nein in einer Volksabstimmung ausschließen.

Die Motive der Irinen und Iren stehen nicht für sich alleine, sondern weisen auf ein tie­fes Unbehagen in ganz Europa hin. Nach dem Nein zum EU-Referendum in Frankreich und den Niederlanden hat man die enttäuschten Erwartungen der Menschen offen­sichtlich nicht hinreichend aufgegriffen. Jetzt gilt es das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurück zu gewinnen. Dazu tragen nationale Volksabstimmungen nichts bei, sondern sie gefährden eine Reform der Union in Richtung mehr Demokratie und sozia­ler Gerechtigkeit. Eine europaweite Volksbefragung wäre hingegen das geeignete Mit­tel.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Angesichts der sich ausweitenden Vertrauenskrise wird die Bundesregierung aufgefor­dert, sich in einem ersten Schritt innerhalb der EU auf den Vorschlag eines “European


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 67

Act for Democracy“ zu verständigen, der die Rechte in einem „Europäischen Vertrag der Bürgerinnen und Bürger“ erweitert und folgendes beinhaltet:

die Charta der Grundrechte,

die Ziele und Werte der Union,

das europäische Volksbegehren

die gestärkten Mitentscheidungsrechte des europäischen Parlaments sowie der natio­nalen Parlamente,

umfassende Kontrollrechte des EuGH

und die Öffentlichkeit der Gesetzgebung

Dieser „Europäische Vertrag der Bürgerinnen und Bürger“ soll gleichzeitig mit der nächsten Wahl zum Europäischen Parlament im Juni 2009 einer europaweiten Volks­befragung unterzogen werden.

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Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. 6 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


11.49.29

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren Kollegen, ich unterbreche die schwarz-grünen Koalitionsgespräche ungern, aber ich habe namens der Freiheit­lichen einen Entschließungsantrag einzubringen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, bei den Verhandlungen auf EU-Ebene in den entsprechenden Räten einen sofortigen Abbruch der Verhandlungen über einen Voll­beitritt der Republik Türkei zur Europäischen Union durchzusetzen.“

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Meine Damen und Herren, das ist einer der Punkte, die die FPÖ im Rahmen der De­batte zur Ratifizierung des EU-Reformvertrages eingebracht hat, einer der Punkte, die Sie alle nicht interessiert haben. Es hat da noch mehrere Positionen gegeben, zum Beispiel die endgültige Lösung des österreichischen Transitproblems im Sinne österrei­chischer Interessen. Das hat niemanden von Ihnen interessiert, auch nicht die Grünen, Herr Kollege Van der Bellen.

Die langfristige Einführung eines Verbotes von Gentechnik auf europäischer Ebene – das hat niemanden von Ihnen interessiert, auch die Grünen nicht. Eine langfristige Erwirkung eines europäischen Ausstiegs aus der Atomwirtschaft – das hat niemanden von ihnen Interessiert, auch Sie, Herr Kollege Van der Bellen, und Ihre Partei nicht. (Abg. Dr. Van der Bellen: Unsinn ist das!)

Eine sofortige Abschaffung der Beneš-Dekrete in der Republik Tschechien und der AVNOJ-Beschlüsse in der Republik Slowenien, eine Reduktion der österreichischen Nettozahlungen an die Europäische Union, die Einführung eines Vetos durch die natio­nalen Parlamente gegen europäische Entscheidungen, Einigung auf eine restriktive europäische Migrationspolitik und sofortiger Stopp der Schengen-Erweiterung: Meine Damen und Herren, all diese Punkte haben wir kommuniziert in den Ausschusssitzun­gen, die es im Vorfeld der Ratifizierung des Europäischen Vertrages gegeben hat. Wir Freiheitlichen haben diese Punkte dort argumentiert, aber sie sind bei Ihnen nicht auf


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Gehör gestoßen. Sie haben alle diese Punkte abgelehnt, und das ist bezeichnend für Sie.

Wenn wir heute den Rednern der ÖVP zugehört haben, dann ist wieder einmal klar ge­worden, dass die ÖVP in einer unverzagten Sturheit nicht bereit ist, ihre rosarote Brille in Bezug auf die Europäische Union abzunehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren von der ÖVP, wir bestreiten nicht die einen oder anderen Vorteile, aber Sie müssen doch auch erkennen, dass es Nachteile gibt, mit denen man sich befassen muss als Politiker, also nehmen Sie das doch einmal in den Mund und sprechen Sie es laut aus. Bis jetzt sind wir Freiheitlichen die Einzigen, die das tun! (Beifall bei der FPÖ.)

Und was die SPÖ angeht: Es ist wirklich seltsam, dass der Herr Bundeskanzler als die lahmste Ente, die die österreichische Innenpolitik in den letzten Jahrzehnten hervorge­bracht hat, sich hier herausstellt, um uns, den Abgeordneten des Hohen Hauses, die Zukunft zu erklären. (Abg. Dr. Schüssel: Die ist schon weggeflogen!)

Meine Damen und Herren, das habe ich als seltsam empfunden. Ich habe es auch nicht als ein Manko empfunden, dass sein kongenialer Partner in dieser Doppelcon­ference, die die SPÖ-Spitze derzeit spielt, nicht anwesend ist, denn das hätte in der Argumentation der SPÖ überhaupt nichts Neues gebracht.

Neues hat gebracht, was Kollege Cap gesagt hat, das ist wahr. Kollege Cap hat hier in erstaunlicher Frische freiheitliche Argumente auf den Tisch gelegt, die er ja in den De­batten im Verfassungsausschuss und in den Hauptausschüssen gehört hat. Er hat dort gut aufgepasst – ich gratuliere ihm dazu! (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Kollege Cap, Sie haben damit die freiheitliche Argumentation, die wir im Vorfeld der Ratifizierung des EU-Reformvertrages gebracht haben, eindrucksvoll bestätigt. Sie haben gesagt, dass die Freiheitliche Partei mit ihrer Position auf dem richtigen Weg gewesen ist, dass Sie auf dem Holzweg waren, dass alle Argumente, die Sie in stun­denlangen Debatten erörtert haben, die damals von Ihnen, von Ihren Kollegen und auch vom Herrn Bundeskanzler, geführt worden sind, falsch waren, dass die FPÖ recht hatte, und dass Sie, das jetzt endgültig erkennend, auch auf diesen richtigen Weg ein­geschwenkt sind, Herr Kollege Cap. Das ist aus Ihren Äußerungen hervorgegangen!

Es ist klar erkennbar, dass das, was wir gesagt haben, richtig ist. Wer eine vernünftige europäische Zusammenarbeit, eine vernünftige europäische Entwicklung will, kann diese Entwicklung nicht gegen den Willen der Bürger erzwingen. Daher hat die FPÖ gesagt: Wenn wir den Bürger gewinnen wollen, brauchen wir eine gesamtöffentliche Debatte in dieser Republik. Und eine gesamtöffentliche Debatte gibt es nur durch eine Volksabstimmung. Bei einer Volksabstimmung auf nationaler Ebene werden die politi­schen Eliten dazu gezwungen, die komplizierten Zusammenhänge der Europäischen Union so zu übersetzen, dass sie der Bürger auch verstehen kann. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Dr. Haimbuchner: Jawohl!)

Diese Arbeit haben Sie alle hier verweigert. Wir haben Ihnen das vorgeschlagen und werden interessiert zuschauen, Herr Kollege Cap, wie die SPÖ sich in Zukunft bei diesem Thema verhält.

Grundsätzlich kann ich sagen, dass wir Freiheitliche in der nächsten Zeit nach wie vor die Interessen Österreichs auch auf europäischer Ebene vertreten werden. (Beifall bei der FPÖ.)

11.54


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der von Herrn Abgeordnetem Dr. Bösch einge­brachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.


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Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Bösch, Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abbruch der Beitrittsverhandlungen der Europäischen Union mit der Türkei eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1 „Erklärungen des Bundeskanzlers und der Außenministerin ge­mäß § 19 Abs. 2 GOG über die Ergebnisse des EU-Gipfels vom 19. und 20. Juni 2008“ in der 68. Sitzung des Nationalrates am 10. Juli 2008

Die Fortschrittsberichte der Europäischen Kommission drücken fortlaufend die man­gelnde Europareife der Türkei aus und machen auch deutlich, daß diese Europareife wohl niemals erreicht werden wird. Inzwischen rächt es sich, daß man im Fall der Tür­kei nicht nur einmal, sondern häufig gleich beide Augen zugedrückt hat.

Die türkische Regierung betreibt eine reine Schaufensterpolitik, bei der zwar Reformen beschlossen, jedoch nicht umgesetzt werden, geschweige denn, daß man der Lösung von Problemen mit hoher Sprengkraft, wie dem Zypernkonflikt, der Kurdenfrage oder der Anerkennung des armenischen Genozids einen Schritt näher kommt. All jene Fra­gen hätten schon vor Verhandlungsbeginn abgeschlossen werden – dies umso mehr, als die Türkei in den letzten Jahren über 1,3 Milliarden Euro als Heranführungshilfe an die EU bekommen hat.

Vor allem aber unter Berücksichtigung des grundlegenden Umstandes, daß die Türkei weder geographisch noch kulturell ein europäisches Land ist, sowie der unzureichen­den Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union, ist nur der Schluß zulässig, die Ver­handlungen der EU mit der Türkei über einen Vollbeitritt sofort abzubrechen.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, bei den Verhandlungen auf EU-Ebene in den entsprechenden Räten einen sofortigen Abbruch der Verhandlungen über einen Voll­beitritt der Republik Türkei zur Europäischen Union durchzusetzen.“

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Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheib­ner. 6 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.54.41

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bun­desregierung! Der Herr Bundeskanzler, nehme ich an, schaut uns jetzt auch wie viele andere Österreicherinnen und Österreicher über den Fernsehschirm zu. Das ist viel­leicht ein bisserl bequemer, als sich hier auf der Regierungsbank unseren Diskussio­nen zu stellen. (Zwischenrufe beim BZÖ.) Ja, einige Kollegen meinen, er kann dort ein Gläschen Rotwein trinken. Es sei ihm vergönnt! Ich hätte trotzdem gerne auch mit ihm ein bisschen darüber diskutiert, was er uns hier gesagt hat.

Bundeskanzler Gusenbauer hat gesagt: 1994 gab es eine Zweidrittelmehrheit, eine überraschend hohe Zustimmung, für den Beitritt zur Europäischen Union nach einer sehr intensiven Informationskampagne. – Da hat er recht, zumindest in dieser Frage. Die Frage ist nur: Wie seriös und objektiv war diese Informationskampagne? Hätten


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zwei Drittel der Österreicherinnen und Österreicher auch dann für diesen Beitritt ge­stimmt, wenn sie gewusst hätten, was danach kommt, dass der „Ederer-Tausender“ nicht kommt, dafür aber die Abschaffung der Neutralität 1998 durch eine Verfassungs­änderung oder die Abschaffung des Schillings. Ob das jetzt richtig oder falsch ist, aber wenn man damals objektiv informiert hätte, wäre diese Volksabstimmung möglicher­weise anders ausgegangen.

Der Herr Bundeskanzler hat auch recht, dass es dann, wenn eine Volksabstimmung über eine Frage durchgeführt wird oder werden muss, eine Informationskampagne gibt. Und ich sage: Leider nur dann! Und das ist das Problem auch in der Europäischen Uni­on, denn dann, wenn es das nicht gibt, wenn man weiß, dass die Bevölkerung ohnehin nicht gefragt wird, erspart man sich auch die Informationen, und zwar durchaus auch über das Positive. Wenn ich mir zum Beispiel ansehe, was die Europäische Union etwa über die Charta der Grundrechte hier herausgegeben hat, dieses nette Büchlein (der Redner hält ein Miniaturbüchlein in die Höhe), dann muss ich sagen: Das kann man nicht als objektive, intensive Informationskampagne über ein wichtiges Projekt der Europäischen Union bezeichnen, aber ein bisschen bezeichnend ist das für diese Kampagne ja schon. (Beifall beim BZÖ.)

Ich möchte hier ganz klar sagen, dass ich mich zur Frage und zum Projekt der Euro­päischen Integration voll und ganz bekenne. Das ist unverzichtbar, und es gibt nichts anderes als die Europäische Union. Wir sind dabei. Ein Austritt aus oder ein Zerfall die­ser Union hätte fatale Folgen für Europa und auch für Österreich. Das muss klar ge­sagt werden, vielleicht nicht für diese Generation, aber für kommende Generationen und gerade im sicherheitspolitischen Bereich. Gerade wenn man jedoch diesen euro­päischen Einigungsprozess für wichtig und zukunftsweisend hält, dann muss man diese Europäische Union kritisieren. Nicht so, wie das die Austrittsbefürworter tun, die wirklich mit Falschargumenten auch bezüglich des Lissabon-Vertrages agieren. Das ist der falsche Weg! Dadurch schürt man Ängste, die wir nicht brauchen. Wir brauchen die Unterstützung der Bevölkerung.

Genauso der falsche Weg, Frau Außenministerin, ist es aber auch, zu sagen: Wozu brauchen wir eine Volksabstimmung, die senkt keine Preise! – Ja, das stimmt schon, aber vielleicht wäre eine bürgernähere Politik dazu angetan, die Europapolitik und auch die nationalen Politiker ein bisschen mehr dazu zu bewegen, dass sie selbst dafür sor­gen, dass es Preiskontrollen gibt, dass es Preissenkungen gibt, dass es auch auf der europäischen Ebene entsprechende Initiativen gibt. (Beifall beim BZÖ.)

Es wäre nämlich eine Aufgabe der Europäischen Union, im Bereich der Globalisierung dafür zu sorgen, dass es keine Lohndumpings etwa in Asien gibt, dass es dagegen Im­portschranken gibt, dass es keine ungeprüfte und unkontrollierte Spekulation etwa bei den Energiepreisen gibt. Das wäre die Aufgabe! Und an diesen Punkten muss auch die Kritik ansetzen an der Europäischen Union, dieses Gremiums, oder etwa auch in der Sicherheitspolitik, in der Außenpolitik. Da fehlt es an europäischen Initiativen, und dar­auf sollte man sich konzentrieren.

Deshalb habe ich auch gesagt, weil mir das von der FPÖ einmal vorgeworfen worden ist: Ich bedaure es, dass dieser Lissabon-Vertrag wieder gescheitert ist. Ja, da wird ja alles Mögliche hineingeheimnist in diesen Vertrag. So dramatisch ist der ja gar nicht. Nur: Was ich daran bedauere, ist, dass wir jetzt acht Jahre Selbstbeschäftigung in die­ser Europäischen Union gehabt haben, und diese Selbstbeschäftigung wird jetzt wei­tergehen. Und die wirklich wichtigen europäischen Initiativen, an denen auch wir ein Interesse hätten, werden wieder auf die lange Bank geschoben. Das ist das Problem! (Beifall beim BZÖ sowie des Abg. Morak.)


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Meine Damen und Herren, es ist ja auch interessant, wenn heute Leute hierherkom­men und sagen: Volksabstimmung, Volksabstimmung, Volksabstimmung! – Ja, auch wir sind für dieses Instrument der direkten Demokratie, aber bitte, dann schon auch von Seiten der SPÖ dazuzusagen, dass es derzeit laut österreichischer Bundesver­fassung gar nicht möglich ist, über völkerrechtliche Verträge abzustimmen. (Abg. Dr. Schüssel: Ja genau, das ist richtig!)

Das vergisst man in dieser Diskussion, und auch den Umstand, dass es eine Volksab­stimmung nur dann geben kann, wenn es hier im Parlament eine Mehrheit für eine Initiative gibt. Also, zuerst muss man dafür sein, dann gibt es eine Volksabstimmung. Das sollte man allerdings wissen, wenn man das entsprechend einsetzen will.

Wir haben hier im Parlament diese Möglichkeit beantragt: eine Verfassungsänderung. Die SPÖ hat vor wenigen Wochen dagegengestimmt, dass es diese Initiative gibt. Auch das sei hier klar gesagt.

Wir haben jetzt Gelegenheit, eine Neuordnung Europas anzudiskutieren. Europaweite Volksabstimmungen, Herr Kollege Schüssel, wird es nicht geben, denn zur Einführung dieser Volksabstimmung in den einzelnen Ländern brauchen wir nationale Volksab­stimmungen, die nicht durchgehen werden.

Vielmehr brauchen wir ein neues Europa, nämlich ein Europa der verschiedenen Ge­schwindigkeiten. Darin soll es ein Kerneuropa geben, wobei die Mitgliedschaft in die­sem Kerneuropa von der Bevölkerung per Volksabstimmung entschieden werden soll. Es soll darin auch ein umfassendes Maß an Integration geben. Wer das nicht will – auch das entscheidet die Bevölkerung –, der befindet sich in einem weiteren Bereich, wo es nur einzelne Module gibt. Im äußersten Bereich gibt es eine Partnerschaft für Europa, bei der man auf bilateraler Ebene die Zusammenarbeit regelt.

Das wäre eine wirklich zukunftsweisende Idee, an der man arbeiten sollte. Das ist nicht gegen Europa gerichtet, sondern es ist ein Ausweg aus dieser Krise. Ich sehe keine anderen Auswege. Andernfalls werden Sie immer wieder an einem Land schei­tern, wenn Sie irgendetwas Neues herbeiführen oder herbeidiskutieren wollen.

Deshalb ist weder Austritt und Angstmache noch Schönreden angesagt (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen), sondern eine offene, ehrliche und objek­tive Diskussion über ein künftiges Europa, das föderalistisch organisiert ist und Bürger­nähe bewahrt, aber die europäischen Aufgaben für uns regeln kann. (Beifall beim BZÖ.)

12.01


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort gelangt als Nächster Herr Abgeordne­ter Krainer. Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


12.01.12

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Ich habe hier einen Resolutionsantrag, aus dem ich zitieren darf:

„Der EU-Reformvertrag wirkt sich auf viele Lebensbereiche der hier in Österreich le­benden Menschen aus. Es gibt daher keinen Grund, die Betroffenen nicht selber über dieses Reformwerk entscheiden zu lassen.

Voraussetzung für ein demokratisches Europa sind Information der BewohnerInnen, Möglichkeiten zur Diskussion und Meinungsbildung sowie Mitbestimmung in wichtigen politischen Fragen. Eine Volksabstimmung und damit verbunden eine breite öffentliche Diskussion des EU-Reformvertrages ist daher besonders wichtig.


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Diese Forderung grenzt sich gleichzeitig gegenüber Parteien und Organisationen ab, die die Forderung nach einer Volksabstimmung mit ausländerfeindlichen und nationa­listischen Motiven vermengen.“

Jetzt lautet die Quiz-Frage: Von wem ist dieser Resolutionsantrag? (Abg. Großruck: Von Hans Dichand?) – Nein, er ist nicht von Hans Dichand, sondern er ist von den Grünen – und zwar nicht von irgendwelchen Grünen, sondern von den Grünen in der Josefstadt, aus einer der zwei Hochburgen der Grünen in Wien, wo die Grünen den Bezirksvorsteher stellen. Das sind jene Leute, die diesen Resolutionsantrag in der Be­zirksvertretung eingebracht haben.

Wir sind der Meinung, dass ein Hinwenden zum Bürger nicht gleichzeitig ein Abwen­den von Europa bedeutet. Die Grüne Spitze ist anscheinend der Meinung, dass man sich von Europa abwendet, wenn man sich dem Bürger hinwendet. Da sich die Grünen anscheinend Europa und vor allem der ÖVP hinwenden, wenden sie sich nicht nur vom Bürger ab, sondern auch von der eigenen Parteibasis, die hier nämlich genau das for­dert, was die SPÖ macht. (Zwischenruf des Abg. Brosz.)

Vielleicht sollten die Grünen ein bisschen in sich gehen und überlegen, ob man sich wirklich nur blind der ÖVP und der EU an den Hals werfen soll. Vielleicht sollten die Grünen besser ein bisschen über die Inhalte nachdenken, um die es hier geht, und um die Frage, ob eine Volksabstimmung und mehr Demokratie – die Grünen sind ja immer für mehr Demokratie gestanden – in Österreich wirklich das große Problem sind. Ich weiß nicht, ob die Grünen jetzt plötzlich für weniger Demokratie sind oder wie man das interpretieren soll. Die Grüne Basis und die Wähler der Grünen werden sich jedenfalls einen Reim darauf machen müssen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Grü­nen.)

Wenn eine europaweite Volksabstimmung gefordert wird, dann möchte ich sagen: Das halte ich auch für richtig. Das ist eine Forderung, die von der SPÖ gekommen ist. Wenn es sie gibt, gibt es wahrscheinlich auch keine Notwendigkeit für nationale Volks­abstimmungen mehr, keine Frage. Bis zu diesem Tag soll es aber nationale Volksab­stimmungen geben, damit habe ich überhaupt kein Problem. Und wenn es eine euro­paweite Volksabstimmung gibt, dann brauchen wir auch sicher keine nationalen Volks­abstimmungen mehr. Nur weiß ich nicht, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine europaweite Volksabstimmung bald stattfindet, solange in Europa überwiegend so kon­servative Kräfte das Sagen haben wie Kollege Schüssel früher. (Abg. Dr. Schüssel: Schröder hat das abgelehnt, er ist konservativ!)

Die Kommission ist noch immer mehrheitlich konservativ, und der Europäische Rat ist mehrheitlich demokratisch. Auch das Europäische Parlament ist mehrheitlich konserva­tiv. Insofern können wir, glaube ich, lange auf europaweite Volksabstimmungen warten. Dann machen wir bis dahin eben nationale Volksabstimmungen. (Beifall bei der SPÖ.)

Da wir uns mit der Politik beschäftigen, möchte ich Barroso erwähnen. Er war anläss­lich der österreichischen Präsidentschaft hier im Parlament und hat hier vieles vorge­stellt: die Linie der Kommission, das Arbeitsprogramm der Kommission und was die Kommission so vorhat. Es waren einige inhaltsleere Floskeln dabei – das wurde schon vom Kollegen Van der Bellen kritisiert, irgendein diplomatisches Kauderwelsch interes­siert nicht –, aber es waren dabei auch drei konkrete Dinge, die er ändern will. Die sind ganz spannend: Erstens: Roaminggebühren beim Telefonieren zu senken; zwei­tens: die Möglichkeit, grenzüberschreitend Versicherungen abzuschließen – sein Bei­spiel war, dass ein Portugiese in Irland Versicherungen abschließen kann –; und drit­tens: die Möglichkeit, über das Internet Flugtickets zu buchen.

Es mag schon sein, dass diese drei Punkte entscheidend und wichtig sind, aber für wen sind sie wichtig? Wer zahlt den viel an Roaminggebühren außer wirtschaftliche


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und politische Eliten, die permanent in anderen Ländern unterwegs sind? Wer denkt über so etwas nach? Also, ich habe noch nie in meinem Leben darüber nachgedacht, eine Haushaltsversicherung in Irland abzuschließen. Mag sein, dass das in Portugal wirklich ein Thema ist und dass die Kommission in Portugal damit wirklich gewinnt. Ich sage nur eines – das habe ich auch damals bei der Diskussion gesagt –: Das sind nicht die Themen, die die Menschen berühren!

Was die Menschen berührt, ist steigende Arbeitslosigkeit, steigende Preise und Fragen der sozialen Sicherungssysteme. Darauf hat Barroso sofort gemeint: Für die sozialen Sicherungssysteme sind wir nicht zuständig, das sollen die Mitgliedstaaten machen. – Wobei er nur 5 Minuten später die Mitgliedstaaten darauf hingewiesen hat, dass sie ihre sozialen Sicherungssysteme reformieren müssen, nämlich „downsizen“, sprich: einschränken.

Das ist eine Politik, die man kritisieren darf. Ich sage Ihnen auch Folgendes: Wenn ich die Politik in der Europäischen Union kritisiere, bin ich deshalb kein Anti-Europäer. (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.) Auch wenn die Grünen die Po­litik der Bundesregierung kritisieren, sind Sie deshalb nicht Anti-Österreicher. Es ist le­gitim, die Politik der Europäischen Kommission und des Rates zu kritisieren und trotz­dem Europäer zu sein, und das sind wir. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.06


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Ich begrüße auf der Galerie den erschienenen Herrn Landeshauptmann von Kärnten Dr. Jörg Haider. (Beifall beim BZÖ.)

Zu Wort gelangt als Nächste Frau Abgeordnete Dr. Karl. Redezeitbeschränkung: 5 Mi­nuten. – Bitte.

 


12.06.50

Abgeordnete Mag. Dr. Beatrix Karl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Re­gierungsmitglieder! Hohes Haus! Fast schon reflexartig wird in jeder EU-Diskussion ein soziales Europa gefordert. Wie soll aber dieses soziale Europa eigentlich aussehen? Sollen die Mitgliedstaaten ihre Kompetenzen im Sozialbereich an Europa abgeben? Soll es künftig nur noch eine europäische und keine nationale Sozialpolitik geben? Wollen die Unionsbürger überhaupt eine europäische Sozialpolitik, die für alle 27 Mit­gliedstaaten einheitliche Standards festlegt? Wollen etwa die österreichischen Bürger das gleiche Sozialniveau wie in Portugal, Polen, Tschechien, Rumänien oder Bulga­rien? Soll das dieses vielgepriesene soziale Europa sein?

Ist es den Mitgliedstaaten nicht doch lieber, wenn die Kompetenz im Bereich der Sozi­alpolitik bei ihnen verbleibt und die EU nur unterstützend und ergänzend tätig wird? (Abg. Hornek: Ja!) Wenn es das ist, was mit einem sozialen Europa gemeint ist, dann kann ich Sie alle beruhigen, das haben wir nämlich bereits. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Strache: Das Gegenteil ist der Fall!)

Das Problem besteht darin, dass die meisten, die vehement ein soziales Europa for­dern, gar nicht wissen, auf welchem Ist-Stand sich Europa in diesem Bereich befindet. Ich bin dagegen, ein sozialeres Europa zu fordern und das, was im Sozialbereich auf nationaler Ebene bereits erreicht wurde, einfach auszublenden.

Wahr ist natürlich, dass die EG als Wirtschaftsgemeinschaft gestartet ist. Anfänglich wurden sozialpolitische Maßnahmen nur dann gesetzt, wenn dies der Schaffung und Weiterentwicklung des Binnenmarktes dienlich war. Dies hat sich aber bereits im Jahre 1987 mit Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte geändert. Auch in der Folge wurden durch die Verträge von Maastricht, Amsterdam und Nizza die europäi­schen Kompetenzen im Sozialbereich kontinuierlich ausgebaut. Selbst in jenen Berei­chen der Sozialpolitik, in denen die EU wenig bis gar keine Kompetenzen hat – weil


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große Unterschiede im Hinblick auf politische Interessen, soziale Normen, Werte und Präferenzen bestehen –, ist die Union nicht untätig. Hier versucht die Europäische Union mit dem Instrument der Offenen Methode der Koordinierung die Gratwanderung zwischen einer stärkeren Integration Europas auf der einen Seite und dem Verbleiben der politischen Souveränität bei den Nationalstaaten auf der anderen Seite zu schaf­fen.

All das sollte eigentlich denen, die immer wieder ein soziales Europa fordern, bekannt sein. Aber wissen Sie überhaupt, wie weit der von Europa gewährte soziale Schutz tat­sächlich geht? Der Begriff des sozialen Schutzes umfasst nämlich nicht nur das Sozial­leistungsrecht, sondern zum Beispiel auch die Arbeitsverhältnisse. Wissen Sie zum Beispiel, dass die Europäische Union auf die Entscheidung eines großen international tätigen Konzerns, den geplanten Stellenabbau in jenem Mitgliedstaat vorzunehmen, in dem die Kündigungen am schnellsten und leichtesten vonstattengehen, mit der Erlas­sung der sogenannten Massenentlassungsrichtlinie reagiert hat? Durch diese Massen­entlassungsrichtlinie erfahren die Arbeitnehmer einen Schutz im Falle von Massenent­lassungen.

Wissen Sie, dass sich die Union im Kampf zwischen einer unbeschränkten Dienstleis­tungsfreiheit und dem Schutz vor Sozialdumping für den Schutz vor Sozialdumping entschieden hat? (Beifall bei der ÖVP.)

Was bedeutet das? – Das bedeutet, dass zum Beispiel im Fall einer vorübergehenden Entsendung eines EU-ausländischen Arbeitnehmers nach Österreich auf diesen Arbeit­nehmer der harte Kern des österreichischen Arbeitsrechts zur Anwendung kommt. Das heißt, diese entsandten Arbeitnehmer werden den österreichischen Arbeitnehmern gleichgestellt. Die Union will damit das Risiko des Missbrauchs und der Ausbeutung der entsandten Arbeitnehmer ausschließen.

Wissen Sie, dass dieser Entsenderichtlinie, auf die ich jetzt Bezug genommen habe, eine Reihe von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes vorangegangen sind, zum Beispiel die Entscheidung Rush Portuguesa? Wissen Sie, dass es sehr oft der Europäische Gerichtshof ist, der sozialpolitische Entwicklungen vorantreibt? Kennen Sie zum Beispiel die Entscheidungen Christel Schmidt oder die Abler-Entscheidung, übrigens ein österreichischer Fall, oder den Fall Mahlburg, den Fall Kalanke, Jäger, Simap – und so weiter, ich könnte noch viele nennen –?

Kennen Sie die vielen Richtlinien zum Arbeitnehmerschutz: die Teilzeitarbeitsrichtlinie, die Richtlinie zu den befristeten Arbeitsverhältnissen, Mutterschutzrichtlinie, Gleichbe­handlungsrichtlinie, Betriebsübergangsrichtlinie, Nachweisrichtlinie? Es ist eigentlich schade, denn, wenn Sie die einschlägige Judikatur, Richtlinien und Verordnungen ken­nen würden, wüssten Sie, worin der soziale Charakter Europas heute besteht und wä­ren bei Ihrer Forderung nach einem sozialeren Europa viel glaubwürdiger. (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.) – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.11


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort gelangt als Nächste Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig-Piesczek. Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


12.12.12

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Regierung! Werte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Ja, es wäre jetzt wohl ganz spannend, ein paar inhaltliche Argumente von Seiten der SPÖ zu hören. Es wäre spannend, zu erfahren, was die SPÖ aus Überzeugung heraus dazu motiviert hat, jetzt – nämlich nach der Ratifikation des Lissabonner Vertrages im Parla-


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ment, nach dessen Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten und nach der Ableh­nung einer Volksabstimmung hier im Haus – ihre Meinung zu ändern.

Das einzige Argument, das ich irgendwie verstanden oder mitbekommen habe, besteht darin, dass die Skepsis der Österreicherinnen und Österreicher gestiegen sei. Ich glau­be nur, dass die Analyse in diesem Fall eine andere sein müsste. Anstatt zu sagen, mehr an Information, abstimmen, den Vertrag den Menschen näherbringen et cetera, wäre es vielleicht eine richtige Analyse gewesen, dass man als Regierungspartei so­wohl innerösterreichisch – vor allem sozialpolitisch – als auch innerhalb der Europäi­schen Union einfach mehr oder besser arbeiten muss. (Beifall bei den Grünen.)

Statt dessen kommen immer nur Ausreden, es seien die anderen schuld; in der Regie­rung habe man das und das nicht umsetzen können, man habe aber wegen der ÖVP das und das umsetzen müssen, etwa Stiftungssteuer-Privilegien et cetera; und auf der europäischen Ebene, wie das Kollege Krainer jetzt wieder gesagt hat, habe man nichts durchsetzen können, weil da die Konservativen in der Mehrheit sind. Nicht einmal jetzt im Parlament kann man etwas durchsetzen, weil sie sich bereits im vorbeugenden, vor­auseilenden Gehorsam wieder einer Koalition angedient haben.

Ich glaube, bei der Politik geht es grundsätzlich um etwas ganz anderes: Wenn man eine Überzeugung vertritt, sollte man zumindest in einem Mindestmaß dafür kämpfen, sich in irgendeiner Form dafür einsetzen und zu überzeugen versuchen, anstatt von vornherein sagen: Die Konservativen sind immer an allem schuld, deswegen sind wir genauso schlecht! – Das ist sehr unbefriedigend.

Da hat es schon viele Möglichkeiten gegeben. Die Sozialpolitik ist nach wie vor eine ausschließlich innerösterreichische, innenpolitische Angelegenheit. In den letzten zwei Jahren hätte es Dutzende Möglichkeiten gegeben, Oppositionsanträge anzunehmen und Umverteilungsprobleme, Gerechtigkeitsprobleme sowie Probleme in Bezug auf Männer- und Fraueneinkommen anzugehen, nur haben Sie das eben nicht gemacht. Auf der europäischen Ebene ist es ein ähnliches Problem. Ich glaube, es gibt viele Fra­gen, wo es sowohl von österreichischer Seite als auch seitens der europäischen Bevöl­kerung sehr klare Aufträge gibt, wo aber nichts getan wird.

Eines dieser Themen ist der Widerstand gegen die Risikotechnologie Atomkraft. Hier ist es, glaube ich, sehr klar und deutlich. Aber Probleme nur zu verwalten, darüber zu reden und sich vielleicht in großen Tageszeitungen als jemand abbilden zu lassen, der für das angeblich Richtige einsteht, reicht einfach nicht. Hier ist Arbeit gefordert sowie ein sehr cleveres und hartnäckiges Durchsetzen von guten Positionen. Das vermisse ich. Das vermisse ich im Übrigen aber auch bei der ÖVP.

Ich habe die Stichworte schon gebracht: Risikotechnologie Atomtechnologie. Das ist sicher eines der Themen, bei denen sich die österreichische – wie auch die euro­päische – Bevölkerung sehr viel erwartet, nämlich eine Kehrtwende in der Europäi­schen Union. Hier hätte es auch für die ÖVP-Minister einige Möglichkeiten gegeben. Wir hören seit Jahren, dass Österreich diesen gewaltigen Forschungsprogrammen zu­stimmt, diesen sehr großen Summen, die jährlich ausgegeben werden. Das sind inner­halb der Europäischen Union laut Schätzungen der Energieagentur insgesamt 33 Milli­arden € jährlich für nukleare und fossile Energieträger – und nur 5 Milliarden € für erneuerbare Energieträger.

Wir hören seit Jahren von der ÖVP: Wir stimmen bei diesen Euratom-Forschungs- und Weiterentwicklungsprogrammen nur deshalb mit, weil es um Sicherheit und nicht um neue Kraftwerke geht! – Das Gegenteil ist wahr. Es wird jetzt in Bulgarien ein neues Kraftwerk mit Euratom-Geldern gebaut, und zwar mit österreichischer Zustimmung sowie mit Zustimmung der österreichischen EU-Kommissarin! Es werden neue Reak-


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toren entwickelt. Auf dem gesamten europäischen Kontinent schlagen vor allem Kon­servative, zum Beispiel Sarkozy, aber auch eure Freunde in Bayern, wieder offensiv einen Pro-Atomkurs ein.

Gerade in Bayern ist das besonders bedenklich. Hier wird nicht nur versucht – und das ist Ihre Schwesterpartei, die CSU –, den Atomausstieg Deutschlands wieder rückgän­gig zu machen, sondern es geht sogar darum, in Deutschland neue Atomkraftwerke durchzusetzen. Das ist etwas, wo ich mir Engagement erwarte, oder zumindest einen Versuch, zu überzeugen und sich für österreichische, aber auch europäische Interes­sen – nämlich für den Atomausstieg – einzusetzen! (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte auch noch einen Punkt zur historischen Wahrheit sagen. Da Kollege Wes­tenthaler Kollegen Cap dem Chinesischen Nationalcircus angedient hat, muss man die Dinge beim Namen nennen: Die 18 FPÖ-BZÖ-Abgeordneten aus der letzten Legisla­turperiode können sich bei dieser Truppe zu 100 Prozent gleich anschließen. Sie haben nämlich dieselbe Kehrtwende gemacht. (Abg. Scheibner: Nein!) – Gerade Sie, Kollege Scheibner, Sie waren damals Klubobmann! Sie haben den alten EU-Vertrag begrüßt und zu 100 Prozent unterstützt.

Im Verfassungsausschuss haben alle gegen die Prüfung gestimmt, sprich: dagegen, überhaupt zu schauen und Experten zu fragen, ob vielleicht eine Volksabstimmung zwingend notwendig ist. (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.) Kolle­ge Bösch als Person hat damals sogar zugestimmt. Ich glaube, das ist keine glaub­würdige Politik, sondern dieselbe Salto-mortale-Methode, die Sie Herrn Kollegen Cap vorwerfen – schlicht und ergreifend! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Ich habe etwas anderes gesagt! Sie haben wieder nicht zugehört!)

12.17


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Ich begrüße auf der Galerie den Herrn Präsi­denten des Bundesrates Jürgen Weiss mit einer Vorarlberger Delegation.

Zu Wort gelangt als Nächster Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. Redezeitbeschrän­kung: 5 Minuten. – Bitte.

 


12.17.51

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Re­gierungsmitglieder! Sehr geehrte Kollegen! Ich bringe heute einen Entschließungsan­trag für meine Fraktion, die Freiheitliche Partei, ein, der sich im Wesentlichen damit deckt, was die Herren Faymann und Gusenbauer in den vergangenen Tagen an Hans Dichand geschrieben haben.

Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Fraktion, haben also jetzt die Chance, Ihrem Kanzlerkandidaten demonstrativ Ihre Loyalität entgegenzubringen. (Abg. Parnigoni: Wir brauchen Sie nicht, um unsere Meinung deutlich zu machen!) – Sie haben aber natürlich auch eine andere Möglichkeit, nämlich ihn sprichwörtlich im Regen stehen zu lassen, Herr Kollege Parnigoni.

Namens der Freiheitlichen Fraktion bringe ich daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, alle notwendigen Maßnahmen zu setzen, um sicherzustellen, dass zukünftige Änderungen der Verträge über die Europäische Union und über die Arbeitsweise der Europäischen Union, die die österreichischen Interessen berühren, durch eine Volksabstimmung in Österreich entschieden werden sollen. Das


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gilt auch für den Fall der Ratifizierung eines geänderten Vertrages von Lissabon und insbesondere auch für einen möglichen Beitritt der Türkei zur EU.“

*****

Ich komme damit zu den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers und der Frau Außenminister, die heute Gegenstand unserer Erörterungen sind, und möchte mit einer persönlichen Feststellung beginnen: Diese Ausführungen waren wenig konkret. Sie waren unverbindlich, um nicht zu sagen, nichtssagend. (Beifall bei der FPÖ. – Zwi­schenruf des Abg. Hornek.)

Ich hatte persönlich den Eindruck, dass Sie sich einfach alle Hintertüren offen lassen und auf Zeitgewinn spielen. Was wir Freiheitliche uns von Ihnen erwartet hätten, wäre das Eingeständnis gewesen, dass der EU-Vertrag, also der Vertrag von Lissabon, nach der Volksabstimmung in Irland für Sie endgültig tot ist, denn die Iren haben sehr deutlich nein gesagt. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir hätten gedacht, dass Sie als Demokraten dieses Votum auch ernst nehmen und respektieren. Sie haben das aber nicht getan, sondern Sie versuchen, etwas zu retten, was in Europa einfach keine demokratische Mehrheit findet, meine Damen und Herren.

Wir Freiheitlichen haben immer gesagt, wir sind die Vertreter der österreichischen In­teressen, und unser Motto in den letzten Jahren ist klar: Österreich zuerst!

Ich sage Ihnen, wir wollen keinen zentralistischen europäischen Bundesstaat, sondern wir wollen ein Europa der Vaterländer, so wie das Konrad Adenauer und Charles de Gaulle in den fünfziger und sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts gefordert haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir wollen auch keine EU-Verfassung, keinen Vertrag von Lissabon, der Mehrheitsab­stimmungen und Mehrheitsbeschlüsse gegen Österreich ermöglicht. Wir wollen unsere österreichische Bundesverfassung erhalten, wir wollen, dass Österreich als gleichbe­rechtigter Partner in Brüssel auftritt und nicht als willfähriger Nettozahler.

Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär Winkler hat beim letzten Mal im Außen­politischen Ausschuss gefragt: Was wollen Sie ändern? Legen Sie doch einen neuen Vertrag vor! – Da kann ich nur sagen: Herr Staatssekretär, uns reicht der Vertrag von Nizza, das jetzige Regelwerk, denn der sichert für uns Österreicher das Vetorecht in viel mehr Bereichen als der Vertrag von Lissabon, den Sie uns oktroyieren wollen.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber die Frage, wie es mit der Demokratie in Ös­terreich und mit dem Demokratieverständnis der sogenannten politischen Eliten, die wir Freiheitliche sehr oft und immer wieder als abgehobene politische Eliten bezeichnen, steht.

Meine Damen und Herren, im Mai 2005 hat es eine Volksabstimmung in Frankreich gegeben, die ganz klar und deutlich, nämlich mit 54,7 Prozent, gegen den damaligen Verfassungsvertrag ausgegangen ist.

Im Juni 2005 haben die Niederländer noch deutlicher als die Franzosen dieses Verfas­sungswerk abgelehnt, 61,6 Prozent der Niederländer haben nein gesagt.

Und heuer haben wir erlebt, dass in Irland die Bevölkerung nein zum Vertrag von Lissabon gesagt hat.

Das bedeutet: Wo die Völker abstimmen können, gibt es keine demokratische Mehrheit für einen zentralistischen europäischen Bundesstaat, und daher haben Sie, nämlich


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Sie von der SPÖ, Sie von der ÖVP und auch Sie von den Grünen, in Österreich über­haupt keine Volksabstimmung zugelassen.

In unserer Republik – das wissen Sie auch – sind überhaupt nur mehr 28 Prozent der Österreicher für diese Europäische Union. Wir werden weiter für ein freiheitliches Euro­pa kämpfen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.23


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der von Herrn Abgeordnetem Dr. Kurzmann eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Ver­handlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Kurzmann, Strache, Dr. Bösch und weiterer Abgeordneter be­treffend die Neuorientierung der österreichischen EU-Politik; eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1 „Erklärungen des Bundeskanzlers und der Außenministerin gemäß § 19 Abs. 2 GOG über die Ergebnisse des EU-Gipfels vom 19. und 20. Juni 2008“ in der 68. Sitzung des Nationalrates am 10. Juli 2008

Der neue EU-Vertrag von Lissabon hat in vielen Staaten Europas zu einer sehr kontro­versiellen Diskussion geführt. Auch in Österreich wurde dieser Vertrag vor der Ratifizie­rung im Parlament ausführlich debattiert. In diesen Diskussionen wurde ein Unbehagen mit der Europäischen Union und ihrer Politik artikuliert, das uns allen zu denken geben muss. Dieses generelle Unbehagen fand auch im irischen Referendum über den Lissa­bon-Vertrag seinen Ausdruck.

Auch in Österreich besteht gegenwärtig eine weit verbreitete Skepsis gegenüber der EU. Nachdem eine überwältigende Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher 1994 für einen Beitritt zur Europäischen Union gestimmt hat, begegnen wir heute einer Stimmung der Verunsicherung und manchmal auch Ablehnung. Viele Menschen sind enttäuscht und verärgert über die geringen Fortschritte, die die EU auf dem Weg zu einer Sozialunion erreicht hat.

Viele Menschen beklagen das Demokratiedefizit der EU und die mangelnde Transpa­renz. Und viele Menschen haben den Eindruck, dass sich die EU nicht mit ihren tat­sächlichen Problemen beschäftigt, sondern primär mit sich selbst. Österreich soll sich als aktives Mitglied dafür einsetzen, dass die EU zu einer echten Sozialunion wird. Die Auswirkungen europäischer Entscheidungen auf Arbeitnehmer und klein- und mittel­ständische Unternehmen müssen wesentlich stärker berücksichtigt werden. Der öster­reichische Arbeitsmarkt, der sich nun wieder so positiv entwickelt, muss durch Über­gangsfristen geschützt bleiben. Im Rahmen des Kampfes gegen den Klimawandel muss auch das Transitproblem endlich gemeinsam gelöst werden.

Auf der Basis einer kontinuierlichen Information und einer offenen Diskussion wäre es sinnvoll, dass Vertragsänderungen, die die österreichischen Interessen berühren, durch eine Volksabstimmung in Österreich entschieden werden sollen. Sollte also ein geänderter Reformvertrag neuerlich von Österreich ratifiziert werden müssen, sollte diese Vorgangsweise gewählt werden. Dies gilt auch für einen möglichen Beitritt der Türkei, der die derzeitigen Strukturen der EU überfordern würde. Wir wollen an einem Europa arbeiten, das sich an den Bedürfnissen und Wünschen der Menschen auf die­sem Kontinent orientiert, und damit das Vertrauen in dieses große Einigungswerk wie­derherstellen.


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Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, alle notwendigen Maßnahmen zu setzen, um sicher zu stellen, dass zukünftige Änderungen der Verträge über die Europäische Uni­on und über die Arbeitsweise der Europäischen Union, die die österreichischen Interes­sen berühren, durch eine Volksabstimmung in Österreich entschieden werden sollen. Das gilt auch für den Fall der Ratifizierung eines geänderten Vertrages von Lissabon und insbesondere auch für einen möglichen Beitritt der Türkei zur EU.“

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolin­schek. 5 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.23.22

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bun­desminister! Die Herren Staatssekretäre! Sehr geehrte Damen und Herren! Ge­schätzter Herr Landeshauptmann Dr. Haider, es freut mich, dass du wieder einmal im Hohen Haus zu Besuch bist. Das ist eine interessante Debatte, du weißt, die Erklä-
rung des Bundeskanzlers zur Europäischen Union. (Beifall beim BZÖ. – Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Es ist 14 Jahre her, dass wir über einen Beitritt zur Europäischen Union abgestimmt haben. Ich glaube, das war die größte Kampagnisierung, die ich überhaupt erlebt habe. 30 Prozent waren wahrscheinlich dagegen, 30 Prozent waren dafür, 40 Prozent waren unentschlossen (Zwischenruf des Abg. Strache), und durch die Kampagnisierung war eine Mehrheit von zwei Dritteln dafür gegeben. Wir haben das zur Kenntnis genom­men, es ist auch so. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni.)

Wenn man heute dem scheidenden Bundeskanzler zugehört hat, hat man den Ein­druck erhalten, das könnte eine Rede des ehemaligen Bundeskanzlers Schüssel sein, die er eins zu eins übernommen hat.

Der Herr Bundeskanzler hat davon gesprochen, dass die Exporte um das Dreifache zugenommen haben, dass die Arbeitslosigkeit gesenkt wurde und dass die österreichi­sche Wirtschaft über die Maßen vom EU-Beitritt profitiert hat, dass die österreichische Wirtschaft der Hauptprofiteur der Osterweiterung war. All das kann ich nur unterstrei­chen, war auch so. Die Steuern sprudeln ja nur so, liest man überall. Nur: Wohin fließt das Geld? In dunkle Kanäle, oder wo ist es? Denn die Bevölkerung hat nichts davon! Die Bevölkerung merkt nichts davon! Was hat der Bürger davon? (Beifall beim BZÖ.)

Die EU ist eine Wirtschaftsunion, ja, und ich würde mir auch wünschen, dass Europa auf dem Weltmarkt gemeinsam auftritt, aber das ist eben nicht so. Jeder Staat spielt seine eigene Rolle – das ist leider so. Und die Arroganz, mit der von den österreichi­schen Vertretern auf EU-Ebene agiert wird, genauso wie von den europäischen Vertre­tern, von den EU-Abgeordneten, von den Kommissaren, ist ja unerträglich. Unerträg­lich ist das! (Beifall beim BZÖ. – Zwischenruf des Abg. Parnigoni.)

Wenn Sie heute davon sprechen, dass durch den Vertrag von Schengen alles viel sicherer geworden ist, kann ich nur sagen: Gehen Sie einmal hinaus und fragen Sie die Leute, wie das ist! (Abg. Parnigoni: Was haben Sie gemacht, als Sie in der Regierung waren?) Warum hat in Mistelbach jeder Haushalt einen Hund? – Damit niemand ein-


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bricht! Warum werden ganze Lkw-Züge, Sattelzüge gestohlen und über die Schengen-Grenze ins europäische Inland geführt, und keiner findet mehr etwas? Bleiben Sie bei der Wahrheit! So ist es! (Beifall beim BZÖ. – Abg. Dr. Schüssel: Denk an dein Herz!)

Der Euro ist ein Teuro geworden, das kann man einfach nicht abstreiten. (Abg. Dr. Schüssel: Sigi, pass auf dein Herz auf! – Abg. Steibl: Langsam, ich verstehe nichts!)

Der Herr Bundeskanzler hat uns heute vorgerechnet, dass der Spritpreis, wenn wir heute noch den Schilling hätten, bei – umgerechnet – 2,50 € liegen würde. Woher nimmt er denn das? – Hätte er das vor 14 Jahren gesagt, damals lag der Spritpreis bei 6 S, das sind ungefähr 43, 44 Cent; um 200 Prozent ist der Treibstoff teurer geworden. Wenn man damals den Leuten erzählt hätte, welch ein Spritpreis in 14 Jahren zu er­warten ist, hätte keiner dafür gestimmt, das sage ich Ihnen – obwohl das hausgemacht ist. Und dort könnte die Europäische Union eingreifen. (Beifall beim BZÖ.)

Die EU könnte einen amtlichen Preisstopp verlangen, sodass bei den hohen Spritprei­sen alle Nationalstaaten wie Luxemburg einen amtlichen Preisstopp verfügen müssen. Wir haben hohe Energiepreise, die Leute stöhnen darunter, die Preise für die Waren des täglichen Bedarfs schnalzen in die Höhe, die Preise für die Lebensmittel und die Lebenshaltungskosten insgesamt steigen. Aber was bleibt gleich? – Die Einkommen stagnieren, geschätzte Damen und Herren, die steigen nicht! Und das ist das Problem.

Wenn die Österreicherinnen und Österreicher nicht zufrieden sind, werden sie auch nicht Befürworter der Europäischen Union sein. Wenn in Österreich Zufriedenheit da ist, dann wird man auch mit der Europäischen Union zufrieden sein. Die Arroganz dort muss halt ganz einfach weg.

Noch etwas zur gemeinsamen Währung: Überweisungen im sogenannten Inland: Ein Student hat nach der Überflutung – Niederösterreich – an das Rote Kreuz eine Über­weisung getätigt, an das Rote Kreuz in Österreich und an das Rote Kreuz in Deutsch­land, jeweils 20 €, aber die Gebühren waren unterschiedlich hoch – und das in der Euro-Zone! Von den 20 € nach Deutschland sind kaum noch 10 € übrig geblieben – und das in der Euro-Zone! Da müsste die Europäische Union eingreifen! (Beifall beim BZÖ.)

Unsere Vertreter, Frau Bundesminister, agieren dort nicht! Sie sprechen in Europa die Probleme nicht mit einer Zunge an.

Diese Arroganz ist leider gegeben. Wir haben in Kärnten 15 000 Unterschriften gesam­melt, um eine Volksbefragung darüber durchzuführen, ob die Kärntner Landesregie­rung eine positive Stellungnahme zum Vertrag von Lissabon abgeben soll oder nicht. Aber auch das wurde unterlaufen, die Abstimmung darüber wurde vom 12. Juni auf den 9. April hier in diesem Haus vorverlegt – aber an Irland ist das trotzdem zerschellt. Diese Rechnung wurde Ihnen von Irland präsentiert! (Beifall beim BZÖ.)

Frau Bundesminister, ich habe jetzt nicht viel Redezeit, aber trotzdem: Sie haben ge­sagt, dass man die Bevölkerung nicht für dumm verkaufen darf. – Aber man sollte auch sagen, wie es wirklich ist. Man spricht das, was innerhalb der EU zu verbessern ist, nicht an, und darum geht es.

Wie wird Österreich innerhalb der EU vertreten? – Es gibt dort keine gemeinsame Linie. Beispiel Irland: Man hat nur abgewartet, wie das eine und wie das andere Land reagiert. Österreich hat da keine eigene Linie! (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.)

Wie kann man die EU, Frau Bundesminister – ich komme zum Schlusssatz –, demo­kratischer und bürgernahe gestalten? Darüber muss man nachdenken! Dafür sind Sie


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da! Und das müssen Sie dann auch innerhalb der EU in Brüssel so vertreten! (Beifall beim BZÖ.)

12.28


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Meine Damen und Herren, nach Rücksprache mit den Fraktionen lege ich die Redezeit der Abgeordneten in der nächsten Runde mit je 6 Minuten fest.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. 6 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


12.29.03

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Die Herren Staatssekretäre! Zwei Drittel der Österreicher haben 1994 für den Beitritt Öster­reichs zur Europäischen Union gestimmt; das wurde heute schon gesagt. Es gab da­mals natürlich eine Kampagne, in der dafür geworben und aufgezählt wurde, welche Vor- und welche Nachteile eines EU-Beitritts es gibt. (Abg. Kickl: Nein! Nein! Nein! – Abg. Strache: Die Vorteile, die versprochen wurden, sind alle nicht gekommen! Sind in Schall und Rauch aufgegangen!)

Es ist dann nicht das eingetreten, was von Ihrer Seite immer wieder gesagt wurde. Sie haben zum Beispiel von „Blutschokolade“ gesprochen, davon, dass die Schildlaus im Joghurt verarbeitet werden würde, und, und, und. – Genau das ist nicht eingetreten!

Die Europäische Union ist eines der wichtigsten Friedensprojekte für unseren Konti­nent, das wissen Sie genau und das werden Sie auch nicht bestreiten. (Abg. Strache: Reden Sie einmal mit den Österreichern!)

In dieser Europäischen Union gibt es, Herr Klubobmann Strache, unterschiedliche Si­cherheitspolitiken, es gibt Bündnisfreie, Neutrale und Mitglieder, die der NATO angehö­ren. (Abg. Strache: Die Neutralität werft ihr über Bord die ganze Zeit! Im Tschad zum Beispiel!)

Der jetzige ÖVP-Klubobmann Dr. Schüssel hat einmal gesagt, die Neutralität gehöre nicht in den „Tabernakel der Geschichte“. – Und ich sage: Die österreichische Neutra­lität ist wichtig (Zwischenruf des Abg. Scheibner) – und nicht mit „Lippizanern“ und „Mozartkugeln“ zu vergleichen. Natürlich gibt es in der Europäischen Union auch neu­trale Staaten, und das ist gut so. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Europäische Union ist ein wichtiges Friedensprojekt, und diese Europäische Union hat Österreich auch sehr viel Gutes gebracht, unseren Kindern beispielsweise, die nun die Möglichkeit haben, im Ausland ohne Hürden studieren zu können. Weiters erwähne ich in diesem Zusammenhang die Möglichkeit der Reisefreiheit; wenn man jetzt über den Brenner fährt, sieht man keinen Grenzbalken mehr, was ein großer Vor­teil für uns Tirolerinnen und Tiroler ist. Das darf ich Ihnen schon sagen, Herr Klubob­mann Strache. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Warum treten Sie dann nicht für die Landeseinheit ein?)

Selbstverständlich aber brauchen wir – das ist das, woran wir noch arbeiten müssen – ein soziales Europa; selbstverständlich muss dieses Europa sozialer werden. Selbst­verständlich brauchen wir in diesem Europa die Akzeptanz der Bevölkerung, sodass diese eben mit diesem Projekt Europa mitgehen kann. Natürlich ist das etwas ganz Zentrales. (Abg. Strache: Deshalb fahrt ihr drüber und verhindert die Volksabstim­mung!) Ich jedenfalls habe keine Angst davor, dass die Bevölkerung abstimmen darf. Ganz im Gegenteil! (Abg. Strache: Wer hat denn dagegengestimmt?!)

Ich war lange Zeit Vorsitzende des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen, und immer wieder hatten wir Begehren bezüglich Volksabstimmungen in unserem Aus-


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schuss. (Abg. Strache: Alle Volksabstimmungsanträge habt ihr abgelehnt!) Auch der ehemalige Innenminister Erwin Lanc hat solch ein Begehren gestellt; damals gab es diesbezüglich hier auch schon Diskussionen.

Ich sage Ihnen: Was wir brauchen, ist ein soziales Europa, eines, das weiterentwickelt wird, sodass das für die Menschen spürbar ist (Abg. Strache: Das muss man mit der Lupe suchen, das soziale Europa!), eben etwas, wofür man wieder begeistert eintreten kann. Daher müssen diesbezüglich Verbesserungen geschaffen werden.

Herr Klubobmann Van der Bellen hat heute hier die Frage Alpen-Transit erwähnt. Ös­terreich ist ein Transitland, und selbstverständlich wurde jahrelang, auch in den letzten Jahren, in denen Sie (in Richtung FPÖ und BZÖ) Teil der österreichischen Bundes­regierung waren, über die Wegekostenrichtlinie in Europa gesprochen. Herr Minister Faymann ist es, der sich massiv dafür einsetzt (Zwischenruf beim BZÖ), dass die Maut für Lkws erhöht wird (Abg. Strache: Was macht er da?) und dass es Nachbesserun­gen in Bezug auf die Wegekostenrichtlinie geben muss. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Das ist nicht sichtbar in diesem Bereich! Er fehlt sogar heute auf der Regie­rungsbank! Genauso ist er dort unsichtbar! – Zwischenruf des Abg. Scheibner.)

Das nützt den Menschen in Österreich, das nützt allen Menschen, die dort leben wollen beziehungsweise müssen, wo der Verkehr durchgeht. Sie wissen auch, dass unter die­ser Bundesregierung erstmals wirkliche Schritte gesetzt wurden, dass der Brenner-Ba­sistunnel gebaut werden kann. Das nützt den Menschen in Österreich, das nützt den Tirolerinnen und Tirolern – und das hilft, die Transitlawine einzudämmen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Der Brenner-Basistunnel ist gut, aber da habt ihr nichts wei­tergebracht! Leider!)

Meine Damen und Herren, wir brauchen ein Europa für die Bürger. Und: Wir von der SPÖ haben keine Angst davor, dass die Bürgerinnen und Bürger abstimmen. Ganz im Gegenteil: Wir sind dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger mitreden können! Wir tre­ten auch da für ein Einbinden der Bürgerinnen und Bürger ein (Abg. Strache: Wo denn, ihr habt gegen die Volksabstimmung gestimmt, das verhindert!), die dann dafür auch einstehen.

Wir von der SPÖ sind für ein Europa mit der Bevölkerung, denn ein europäisches Pro­jekt ohne die Völker, ohne die Menschen wird es nicht geben können. (Abg. Strache: Warum habt ihr dann gegen die Volksabstimmung gestimmt? Warum habt ihr die Volksabstimmung abgelehnt?) Das ist das, was wir wollen – und dafür treten wir ein! (Beifall bei der SPÖ.)

12.34


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Groß­ruck. 6 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Parnigoni – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Großruck –: Einen Vierzeiler am Anfang?)

 


12.34.20

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Meine Herren Staatssekretäre! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Liebe Damen und Herren! (Abg. Dr. Cap: Zuerst den Vierzeiler!) – Der kommt zum Schluss; heute wird es übrigens ein Dreieinhalbfacher, was ich hiermit angekündigt habe.

Meine Damen und Herren, es hat den Brauch gegeben – nachzulesen im Alten Testa­ment –, dass sich die Israeliten, wenn sie Sünden begangen hatten, wenn sie Be­schwernisse, wenn sie Wünsche hatten, einen Schafbock gesucht haben. Diesem ha­ben sie dann ihre Hände aufgelegt und haben den Schafbock dann in die Wüste getrie-


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ben. (Ruf bei der ÖVP: Geißbock!) – Ob es ein Geißbock oder ein Schafbock war, das weiß ich nicht; jedenfalls war es ein Bock. (Abg. Strache: Schießen Sie keinen!) Davon kommt ja auch der Ausdruck „Sündenbock“. Das, was die Israeliten laut Altem Testa­ment gemacht haben, findet ja heute auch statt.

Einen Sündenbock zu suchen ist eine menschliche Eigenschaft. Für die Gemeinden sind die Länder schuld, wenn etwas nicht klappt; für die Länder der Bund, das wissen wir, und für den Bund und viele andere ist es die EU. (Abg. Strache: Nein, die österrei­chische Regierung! Für diese Fehlentscheidungen ist die österreichische Regierung verantwortlich! Die hat diese Verträge verhandelt! Die eigene österreichische Regie­rung ist verantwortlich!) Auftretende Probleme werden oft auf die Europäische Union geschoben, weil es viel leichter ist, dagegen zu schimpfen, als in eigener Verantwor­tung Probleme zu bekämpfen und dagegen etwas zu tun. Das ist das Problem.

Jetzt ist aber eine geradezu groteske Situation eingetreten, meine Damen und Herren, denn: Die SPÖ hat sich jetzt selbst zum Sündenbock gemacht – das ist einmalig, dass sich jemand selbst dazu macht –, hat sich sozusagen selbst die Hand aufgelegt und sich mit dem Brief an Herrn Dichand gleich selbst in die Wüste geschickt. Das ist ein­malig, meine Damen und Herren von der SPÖ, das muss Ihnen erst einmal jemand nachmachen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.) – Darauf komme ich dann noch zum Schluss.

Über der ganzen Causa prima, die heute hier diskutiert worden ist, und dem Verhalten der einzelnen Parteien sollten wir, wie ich meine, auch eine Facette, einen Teil der europäischen Politik nicht vergessen zu beleuchten, nämlich das, was am Westbalkan beziehungsweise in Südosteuropa passiert ist.

Meine Damen und Herren, wir alle wissen, wie blutig dort die Geburt der Staaten war, wie blutig und schmerzhaft der Zerfall des ehemaligen Jugoslawien war. Sieben Staa­ten sind daraus entstanden: Serbien, Kosovo, Mazedonien, Slowenien, Kroatien, Bos­nien-Herzegowina und Montenegro. Sieben Staaten sind aus diesem ehemaligen Tito-Jugoslawien entstanden. Die einen haben es leichter gehabt, die anderen haben sich Rechte blutig erkämpfen müssen. Hätte es – ich glaube, darin sind wir uns alle einig – zu diesem Zeitpunkt die Europäische Union, ein gemeinsames Europa nicht gegeben, dann wären diese Konflikte auch auf andere Länder übergeschwappt. (Abg. Strache: Wieso wäre Österreich da in den Krieg hineingezogen worden? Erklären Sie uns das bitte!)

Wir wissen aus der Geschichte, dass es da viele Sympathien gegeben hat; die Franzo­sen beispielsweise für die Serben und so weiter. Da war ein einheitliches Vorgehen der europäischen Staaten und der Staatengemeinschaft das einzig Mögliche, um noch mehr Blutvergießen zu verhindern. (Abg. Strache: Wie meinen Sie das? Wieso wäre Österreich da in den Krieg hineingezogen worden? – Abg. Dr. Schüssel: Durch Flücht­linge!) – Ja, durch Flüchtige. (Abg. Strache: Haben wir eh gehabt! Wir haben doch eh geholfen! 70 000 Bosnier haben wir aufgenommen! Ich weiß nicht, was Sie uns da er­zählen! Sie reden völlig an der Realität vorbei!) Glauben Sie nicht, Herr Strache, dass, wenn es keine gemeinsame europäische Politik gegeben hätte, alte Seilschaften dort wieder aufgelebt wären? Lernen Sie ein bisschen Geschichte, Herr Strache, denn dann wüssten Sie, was ich meine. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, die Europäische Union nimmt ihre Verpflichtung mit der Un­terstützung dieser Länder wahr: in Form von Direkthilfe, in Form von Direktzahlungen. Jetzt werden Sie wahrscheinlich auch sagen: Die verschwenden und verschleudern unser Geld! – Nein, wissen Sie, was geschieht? – Es werden dort Infrastrukturmaßnah­men und Bildungseinrichtungen geschaffen, es wird dort die Wirtschaft angekurbelt (Abg. Strache: Bei uns fehlt das Geld! Bei uns wird bei der Bildung gespart! Bei uns


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wird beim Sozialsystem gespart!), und damit wird verhindert, dass Menschen, die dort wohnen, den Drang haben, in ein wirtschaftlich besseres Land zu ziehen, sodass also durch diese Maßnahmen weiterer Zuzug verhindert werden kann. (Abg. Strache: Was verhindern Sie: Zuzug? – Bei der Massenzuwanderung der letzten Jahre?!)

Genau die Politik, die Sie wollen, Herr Strache, betreibt die Europäische Union auf eine andere, eben auf intelligentere und cleverere Art als Sie. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte mich ganz herzlich bei allen österreichischen Initiativen, die dort tätig sind, bedanken, vor allem bei den vielen Freiwilligen, die finanzielle Mittel in Millionenhöhe sammeln, die Millionen an Hilfsgütern in diese armen Staaten geschickt haben, um den Menschen zu helfen. Ich glaube, diesen verschiedenen Initiativen, die es quer durch ganz Österreich gibt, muss man hier auch einmal ein Danke sagen: egal, ob das „Nachbar in Not“ ist, „Pro Albania“ oder ORA in Andorf und so weiter. Meine Damen und Herren, das gehört hier wirklich einmal gesagt: ein Dankeschön all diesen Initia­tiven! (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Schluss kommend, zur Causa prima – und: Wie würde ein solches Schreiben an die „Kronen Zeitung“ in Versform ausschauen?

Auf den Knien flehen wir dich an,

lieber „Kronen Zeitung“-Mann,

wir werden künftig nicht mehr ruhen

und nur mehr das, was du willst, tun.

Europa „ja“, Europa „nein“ –

wie du es willst, so soll es sein.

Willst du den Beitritt der Türkei,

wir sind natürlich mit dabei.

Willst du raus aus der EU,

stimmen wir dem restlos zu.

Gott schenke dir ein langes Leben,

damit du uns noch viel kannst geben!

Drum sei auf uns nicht mehr so sauer –

dein Werni und Fred Gusenbauer.

(Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

12.39


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Mo­ser zum Wort. 6 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


12.40.01

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Außen­ministerin! Werte Staatssekretäre! Liebe ZuschauerInnen aus Vorarlberg beziehungs­weise zu Hause! Herr Präsident des Bundesrates! Meine Damen und Herren! Wir brau­chen sicher ein Europa mit menschlichem Antlitz, wir brauchen ein Europa mit einer unglaublich stark ausgeprägten sozialen Dimension, aber genauso ein Europa, das auch die ökologischen Interessen der Menschen, das die Lebensstandardinteressen der Menschen wirklich ernst nimmt.

Herr Kollege Großruck, Sie haben ja ganz recht, oft dient Europa als Sündenbock. Frau Außenministerin, Sie haben es in der eigenen Wirkung ja durchaus auch gese­hen, es wird oft das, was national nicht ordentlich umgesetzt wird, das, was uns natio­nal ein zu heißes Eisen ist, dann auf EU-Ebene verschoben. Ich kann Ihnen heute dazu ein leider sehr, sehr schmerzliches Beispiel bieten.

Denken Sie daran, Frau Außenministerin, wie intensiv es war, im Zusammenhang mit dem Beitrittsvertrag auch über die Transitbelastung Österreichs zu verhandeln. Wir ha-


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ben heute Menschen aus Vorarlberg hier, die dieses Problem hautnah erleben, täglich erleben. Auch die Tiroler und Tirolerinnen, aber nicht nur die, viele Menschen auch an der Ost-West-Route in Österreich, die unter den massiven Lkw-Kolonnen leiden, sind davon betroffen. Es geht bei diesem Transitproblem um Gesundheitsfragen, es geht um die Atemluft für die Kinder. Und was passiert, Frau Außenministerin, was passiert, Herr Staatssekretär? Wir haben mit österreichischer Duldung jetzt einen neuen Kom­missionsvorschlag, einen Vorschlag der Bürokratie in Brüssel, einen neuen Kommis­sionsvorschlag für eine neue Bemautung der Lkw. Und was glauben Sie, was der bringt? – Der bringt zusätzlich vielleicht die Möglichkeit, die Lkw-Maut in Österreich um 5 Cent zu erhöhen. 5 Cent!

Womit sind zum Beispiel Sie, Frau Außenministerin, oder womit ist der Herr Minister Faymann in die Verhandlungen gegangen, oder was wurde von Ihrer Seite verlangt? Ich kann mich noch erinnern, der Herr Minister Faymann hat eine Verdoppelung der Maut verlangt, sprich mindestens 50 Cent, sprich mindestens 60 Cent, Schweizer Ni­veau in Österreich. Was ist auf EU-Ebene passiert? – Eine Kommission, die einerseits die Vorstellungen der österreichischen Bevölkerung missachtet, andererseits das, was an Regierungsvorstellungen eingeflossen ist, ebenfalls negiert und uns mit einer Situa­tion konfrontiert, die eine Verstärkung des Transits mit sich bringen wird und die vor allem – und das ist jetzt ein neuer Ansatzpunkt – mit neuen Lkws auf uns zuzufahren droht.

Herr Klubobmann Schüssel, Sie haben ja mit verhandelt, Sie haben damals in Brüssel mit verhandelt, als es um den EU-Beitritt gegangen ist. Sie haben auch einen Transit­vertrag unterschrieben, der das Papier nicht wert war, denn er ist ersatzlos ausgelau­fen. Was kommt jetzt auf uns zu? – Jetzt kommen auf uns die Gigaliner zu, 60-Tonnen-Lkws, also praktisch um ein Drittel schwerere Lkws, als jetzt unterwegs sind, 25 Meter lang und ein Schadstoffausstoß, der natürlich auch etwas höher sein wird. Gegen die­se Gigaliner gilt es gemeinsam eine Allianz zu bilden.

Ich weiß, auch die Wirtschaftskammer ist dagegen, ich weiß, die Bevölkerung in ganz Europa ist massiv dagegen, ich weiß, es gibt eine intensive Lobbyströmung in Brüssel selber, auch diese Gigaliner EU-weit zuzulassen. In Schweden fahren sie schon, in Schweden fahren sie im Niemandsland, da wohnt niemand, da ist es vergleichsweise ein geringes Problem. Aber ich ersuche die Bürgermeister, sich vorzustellen, dass sie jetzt in ihren Gemeinden die Straßen für solche Gigaliner umbauen müssen – und es passiert nichts! Deshalb, Frau Außenministerin, verlange ich jetzt von Ihnen persönlich genauso wie von meinen KollegInnen hier im Nationalrat, von der SPÖ massiv, von der ÖVP genauso, von den Freiheitlichen sowieso, dass wir gemeinsam heute hier noch einen Entschließungsantrag beschließen, um dieser neuen Transitbelastung durch Gigaliner wirklich gemeinsam die Stirn zu bieten.

Ich darf deshalb folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nein zum Gigaliner-60-Tonnen-Lkw – Ja zu einer anständigen EU-Transitpolitik

Die Bundesregierung wird aufgefordert, im eigenen Land und in Brüssel konsequent eine entschlossene Anti-Transit-Politik und die Stärkung der Schiene im europäischen Güterverkehr zu vertreten.

In diesem Sinn wird die Bundesregierung aufgefordert, der Zulassung von „Gigalinern“ (60-Tonnen-Lkw mit über 25 Meter Länge) in Österreich und in Europa und auch be-


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reits vorbereitenden Schritten wie tendenziösen EU-Studien und dergleichen schnellst­möglich, vorsorglich und massiv entgegenzutreten.

Weiters wird die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie aufgefordert, sich auf EU-Ebene und mit anderen Mit­gliedsstaaten für eine massive Verbesserung des grob unzureichenden Vorschlages der EU-Kommission für eine neue EU-Wegekostenrichtlinie einzusetzen, sodass die vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie öffentlich angekündigte „Verdopplung der Lkw-Maut“ tatsächlich umgesetzt und so Kostenwahrheit und eine echte Verlagerung auf die Schiene erreicht werden kann.

*****

Bitte, das sind dringend notwendige Forderungen, die wir gemeinsam unterstützen sol­len. (Beifall bei den Grünen.)

Frau Ministerin, diese Forderung, dieser Antrag ist ein Beispiel dafür, wie wir Mut ma­chen können, wie wir mitmachen können. Da nehme ich Sie dezidiert bei Ihrem Wort, das Sie heute Vormittag gesprochen haben: Es gilt, ein gesundes, ein ökologisches, ein soziales Europa zu bauen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

12.46


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der von Frau Abgeordneter Dr. Moser einge­brachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nein zum Gigaliner-60-Tonnen-Lkw – Ja zu einer anständigen EU-Transitpolitik

eingebracht im Zuge der Debatte über die Erklärungen des Bundeskanzlers und der Außenministerin gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates über die Ergebnisse des EU-Gipfels vom 19. und 20. Juni 2008

Entgegen zahlreichen Lippenbekenntnissen hat die Bundesregierung in den Jah­ren 2007 und 2008 keinerlei wirksame Maßnahmen gegen den LKW-Transit und die gewaltigen Zuwachsraten beim LKW-Verkehr zustandegebracht:

Das vielbeschworene Vorbild Schweiz ist in weiter Ferne – Verkehrsminister Faymann hat weder bei einer „Verdopplung der LKW-Maut“ noch bei der „flächendeckende Aus­dehnung der LKW-Maut“ seinen lautstarken medialen Ankündigungen die nötigen Ta­ten folgen lassen.

Beim Bau zusätzlicher Transitstraßen gab es hingegen unter der nun spektakulär ge­scheiterten Regierung neue Rekorde. In den letzten zehn Jahren, in denen in unter­schiedlicher Verteilung SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ im Verkehrsressort die Verantwor­tung trugen, wurden die Ausgaben des Bundes für neue LKW-Rennbahnen nicht weni­ger als vervierfacht!

Bei der für den Klimaschutz dringend nötigen Verlagerung auf die Schiene geht nichts weiter – kein Wunder, haben Faymann & Co doch den LKW-Frächtern Millionenge­schenke gemacht wie die Halbierung (!) der LKW-Kfz-Steuer – die Straße bleibt billig, die Schiene bleibt benachteiligt.

In Brüssel wurde von Bundesminister Faymann außer der Selbstverständlichkeit einer Anpassung der LKW-Mauthöhe nichts erreicht. Gerade in Sachen Transit blieb nur


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Luftblasenpolitik, von der Untätigkeit bei Alpentransitbörse und Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention bis hin zur letzten leeren Beschwörung „Im Rahmen des Kampfes ge­gen den Klimawandel muss auch das Transitproblem endlich gemeinsam gelöst wer­den“ im Rahmen des unsäglichen Faymann-Gusenbauer-Briefs vom 26.6.2008 an den Herausgeber der Kronen Zeitung.

Opfer dieser Nicht-Politik der Regierung sind hunderttausende Menschen an den Hauptverkehrsachsen, die unter immer mehr LKW-Lärm und Schadstoffen leiden – Ge­sundheit und Nachtruhe, Umwelt und Klima kommen ungebremst unter die Räder.

Angesichts des geringen Engagements der Bundesregierung überrascht es nicht mehr, dass der aktuelle Vorschlag der EU-Kommission für eine neue Wegekostenrichtlinie grottenschlecht und weit von den Forderungen und sachlichen Notwendigkeiten in Ös­terreich entfernt ist. Dieser Vorschlag hätte die für echte Kostenwahrheit im Verkehr so wichtige Einbeziehung der „externen Kosten“ (bisher von der steuerzahlenden All­gemeinheit getragene Kosten des LKW-Verkehrs wie Umwelt-, Lärm- oder Unfallfol­gekosten) in die Berechnung der LKW-Mauthöhe in Europa bringen müssen. Dies leistet der am 8.7.2008 vorgelegte Entwurf der EU-Kommission aber nur zum Teil. Statt der bei voller Berücksichtigung der externen Kosten nötigen Mauterhöhung um über 50 Cent pro Kilometer wird im Schnitt nur etwa ein Zehntel davon als Zuschlag übrig­bleiben. Maßgebliche Kreise der EU-Kommission und wichtiger Mitgliedsstaaten hatten sogar krasse Rückschritte, etwa der Entfall der erst vor wenigen Jahren auf Basis der Alpenkonvention erkämpften Zulässigkeit von Mautzuschlägen in sensiblen Berggebie­te, vor. Diese Verschlechterungen wurden zwar zuletzt aus dem Kommissionsentwurf wieder entfernt, bleiben aber natürlich Thema in den weiteren Verhandlungen.

Unter dem Strich wird – wenn der Entwurf nicht im Rat oder EP noch weiter ver­schlechtert wird – keine Erhöhung der Brennermaut und nur eine bescheidene Mautan­hebung zB im Unterinntal möglich sein, wo Österreich schon bisher mit der Umsetzung der geltenden Wegekostenrichtlinie säumig ist. Offenbar hat Österreichs Bundesregie­rung beim Verdeutlichen der für den Schutz der transitgeplagten Bevölkerung so wich­tigen Fakten in Brüssel über weite Strecken geschlafen und versagt.

Kommt die Änderung der Wegekostenrichtlinie in dieser Form, wird Österreich froh sein müssen, wenn die LKW-Maut nicht gesenkt werden muss! Von der von Bundes­minister Faymann angekündigten „Verdopplung der LKW-Maut“ wird keine Rede sein können.

Es könnte jedoch noch schlimmer für Mensch und Umwelt in Österreich kommen:

Seit einiger Zeit wird auf EU-Ebene massiv für die Einführung einer neuen Generation überschwerer (bis 60 Tonnen) und überlanger (bis 25,25m) Lkw, sogenannter „Giga­liner“, lobbyiert. Damit sollen, so die Befürworter, die Kosten im Straßengüterverkehr um bis zu einem Drittel gesenkt werden. Offizielle Studien rechnen für den Fall der europaweiten Zulassung solcher LKW-Monster jedoch mit einer Zunahme der LKW-La­wine von mindestens fünf Prozent über dem ohnehin dramatischen Wachstumsszena­rio ohne 60-Tonner. Zwei Studien im Auftrag des deutschen Verkehrsministeriums pro­gnostizieren, dass ein Drittel des Kombi-Verkehrs und ein Viertel des Wagenladungs­verkehrs von der Bahn auf die Straße verlagert würde. Österreichs Bahnverkehr weist einen besonders hohen Anteil gerade dieser Verkehre auf. Es käme also zu massiven Verlagerungen von Güterverkehr von der Schiene auf die Straße.

Daneben spricht eine Vielzahl an Fakten gegen 60-Tonnen-Gigaliner:

60-Tonnen-LKW würden durch ihre höhere Fahrzeuglänge die Unfallgefahr erhöhen.

Das weit höhere Ladegewicht würde für schwerere Unfälle sorgen.


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Auf Grund der im Fall des Falles weit höheren Brandlast sind auch die derzeitigen Standards der Tunnelsicherheit gefährdet.

Auf die Straßenerhalter – ASFINAG, Länder, Gemeinden – und damit letztlich auf die SteuerzahlerInnen kämen gewaltige Folgekosten zu, denn die Straßeninfrastruktur in Österreich ist für Gigaliner nicht eingerichtet: Brücken, Kurvenradien, Rastplätze, Auf- und Abfahrten sowie Knotenbauwerke sind selbst bei Autobahnen und Schnellstraßen nicht auf eine Gesamtlänge von 25,25 Meter und 60 Tonnen Gewicht ausgelegt. Ab­seits des hochrangigen Netzes wären Abbiegespuren, Kreisverkehre und Kurvenradien teils unüberwindliche Hindernisse. Österreichs hochrangiges Straßennetz besteht auf Grund der Topographie zu rund 15% aus Kunstbauten (Tunnel, Brücken). Ausbau und Straßenerhalt würde sich erheblich verteuern.

Die Bevölkerung steht in Österreich wie europaweit der Einführung von Gigalinern mit überwältigender Mehrheit ablehnend gegenüber, zahlreiche Institutionen sind klar ge­gen die Einführung von Gigalinern in Österreich

selbst der zuständige Fachverband Güterbeförderungsgewerbe in der WKÖ steht Gi­galinern ablehnend gegenüber.

Bislang sind Gigaliner nur in weitgehend unbewohnten Regionen Skandinaviens im Einsatz sowie im Rahmen von Pilotversuchen, etwa in den Niederlanden. Eine potente Lobby aus Großfrächtern und LKW-Herstellern arbeitet jedoch intensiv daran, die EU-Kommission zu einer Änderung der Richtlinie 96/93/EG zu bringen, Gigaliner zumin­dest auf Teilen des EU-Straßennetzes zuzulassen. Eine diesen Wünschen gemäß von der EU-Kommission tendenziös „pro Gigaliner“ beauftragte Studie soll am 10. Juli 2008 präsentiert werden.

Für Österreich besteht dringender Handlungsbedarf, um die Zulassung von Gigalinern auf dem TEN-Netz oder auch „nur“ in anderen Staaten Europas zu unterbinden: Selbst wenn Gigaliner in Österreich selbst nicht fahren dürften, würde durch Verlagerungen zB in Nachbarstaaten massive Rückschläge für den Schienenverkehr und zugleich LKW-Mehrverkehr auch im Land erfolgen – Gigaliner müssten dann ja an Österreichs Grenze geteilt und von zwei LKW getrennt weitergeführt werden.

Zugleich soll jedoch glaubwürdigen Informationen aus Brüssel zufolge von Österreichs Regierung bereits angedeutet worden sein, dass man im Gegenzug zu einer akzeptab­len neuen Wegekostenrichtlinie bereit wäre, bei den Gigalinern über Zugeständnisse nachzudenken.

Dies wäre für die Grünen völlig undenkbar. Ein „Kuhhandel“ in Brüssel, der 60-Tonnen-Lkw-Monster ins Land bringt, wäre geradezu ein Verrat an der LKW-geplagten Bevöl­kerung!

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, im eigenen Land und in Brüssel konsequent eine entschlossene Anti-Transit-Politik und die Stärkung der Schiene im europäischen Güterverkehr zu vertreten.

In diesem Sinn wird die Bundesregierung aufgefordert, der Zulassung von „Gigalinern“ (60-Tonnen-Lkw mit über 25 Meter Länge) in Österreich und in Europa und auch be-


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reits vorbereitenden Schritten wie tendenziösen EU-Studien und dergleichen schnellst­möglich, vorsorglich und massiv entgegenzutreten.

Weiters wird die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Verkehr, Infrastruktur und Technologie aufgefordert, sich auf EU-Ebene und mit anderen Mit­gliedsstaaten für eine massive Verbesserung des grob unzureichenden Vorschlages der EU-Kommission für eine neue EU-Wegekostenrichtlinie einzusetzen, sodass die vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie öffentlich angekündigte „Verdopplung der LKW-Maut“ tatsächlich umgesetzt und so Kostenwahrheit und eine echte Verlagerung auf die Schiene erreicht werden kann.

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haimbuchner. 6 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


12.46.33

Abgeordneter Mag. Dr. Manfred Haimbuchner (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Werte Herren Staatssekretäre! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Herr Kollege Großruck von der ÖVP hat im Zusammenhang mit der Jugoslawien-Krise die EU bemüht. Man sollte hier wirklich Geschichte lernen: Die große Krise war am Beginn der neunziger Jahre. Damals hat es die EU noch nicht einmal in dieser Form gegeben. Damals hat es den Vertrag von Maastricht noch nicht gegeben. Die EU hat damals kläglich versagt, und Österreich hat als Nicht-EU-Mitglied den Flüchtlingsstrom aufgenommen und Menschen eine neue Heimat geboten. Da hat sich die EU nicht gerade mit Ruhm bekleckert. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, stellen Sie sich vor, Sie befinden sich im Paradies, wo Milch und Honig fließen, Sie merken es aber nicht. Die Europadebatten der letzten Jahre weisen immer eine Konstante auf: eine Erfolgsgeschichte, eine tolle Idee, ein tolles Friedensprojekt. Österreich ist ein Hauptprofiteur des EU-Beitrittes – nur die Menschen merken nichts davon! (Abg. Strache: Die Menschen merken nichts da­von, die spüren nichts! – Zwischenruf der Abg. Mag. Hakl.) Noch nie so lange in Frie­den gelebt – aber wir schicken Soldaten in den Tschad. Es ist den Menschen noch nie so gut gegangen – aber der Mittelstand in Europa geht zugrunde und kämpft um das Überleben.

Ich darf hier nur auf eine „Spiegel“-Reportage in den letzten Wochen verweisen, wo zu lesen ist, dass allein in Deutschland Mitte der achtziger Jahre ungefähr noch 66 Pro­zent zum Mittelstand gezählt haben. Nunmehr sind es 49 Prozent.

Was macht die EU gegen diese Entwicklung? Erklären Sie mir das einmal, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es den Menschen in Europa so gut geht, warum gibt es dann eine derartige EU-Skepsis und -Kritik? Die Bürger in Europa sind keine Gegner von Europa, genauso wenig, wie wir Freiheitliche Gegner des europäischen Gedankens sind. Wir können uns nur mit dieser zentralistischen europäischen und bür­gerfeindlichen Union einfach nicht abfinden. Sie tun das, Sie haben andere Aufgaben, Sie müssen Großkonzerne vertreten, Sie müssen ganz andere Interessen vertreten. Wir aber müssen die Bürger vertreten. (Beifall bei der FPÖ.)

Stellen Sie sich einmal vor, wir leben im Paradies, wo Milch und Honig fließen. Aber wieso ist dann das Referendum in Irland gescheitert – in einem Land, das zweifelsohne von dieser Europäischen Union maßgeblich profitiert hat? Aber anstatt dass sich die führenden Politiker darüber Gedanken machen, wie man die Einstellung ändern kann, will man den Vertrag durchpeitschen. Man will ihn durchpeitschen, ohne die Bürger zu


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befragen. Es ist uns egal, was die Iren sagen, wir werden diese Angelegenheit durch­ziehen. Das Motto lautet: Die Iren haben sich geirrt. Und Barroso hat gesagt, die Ratifi­zierung des Vertrages muss weitergehen. Was ist das für eine demokratiefeindliche Sicht der Dinge? (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Klubobmann Schüssel – er kommt ge­rade – hat gesagt, es ist erbärmlich, Rot und Blau in einem Boot. (Abg. Strache: Rot und Schwarz waren in einem Boot gegen die Bevölkerung!) Man ist ja derartige Töne von Ihnen gar nicht gewohnt. Wer war denn in den letzten Jahrzehnten immer mit die­ser SPÖ im Boot? – Die ÖVP! War das also erbärmlich? (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt sage ich Ihnen, Herr Klubobmann Schüssel, was erbärmlich ist: Erbärmlich ist, immer von staatstragender Verantwortung zu sprechen, hier den Oberlehrer gegen­über uns Freiheitlichen zu spielen – aber auf der anderen Seite bei jeder Gelegenheit Regierungen in die Luft zu sprengen. Das ist erbärmlich! (Beifall bei der FPÖ.) Sie tragen keine Verantwortung – und das ist auch nicht staatstragend.

Genauso, wie sich die Iren geirrt haben (Abg. Strache: Das war kein Irrtum, das war sehr bewusst!), so haben sich offensichtlich auch vor einigen Jahren die Bürger in Ös­terreich geirrt, als sie die ÖVP abgewählt und abgestraft haben, denn Sie, sehr geehr­ter Herr Klubobmann Schüssel, haben das von Anfang an nicht akzeptiert. Deswegen wählen wir jetzt wieder neu.

Was die Grünen heute hier geboten haben, meine sehr verehrten Damen und Herren, das war wirklich schon eine billige Anbiederung an eine schwarz-grüne Koalition. Aber das werden wir zum Wohle unserer Heimat, der Republik Österreich, auch verhindern können. (Beifall bei der FPÖ.) Darauf werden wir alles setzen.

Diese tolle EU wird nicht von den Herzen der Menschen getragen, obwohl sie angeb­lich so ein tolles Projekt ist. Aber weil es eben nicht so ist, wollen Sie auch das Volk nicht mitentscheiden lassen. Ihnen ist völlig egal, was dieses Volk denkt.

Was ist so toll an diesen Werten? Ich verweise auf die Beneš-Dekrete. (Abg. Strache: Menschenrechtswidrig!) Was haben Sie da erreicht, sehr geehrte Frau Außenministe­rin? – Gar nichts haben Sie erreicht, untätig sind Sie! Es ist Ihnen peinlich, dieses Thema auf europäischer Ebene anzusprechen. (Beifall bei der FPÖ.) Sie setzen sich hier nicht für die Grundfreiheiten ein, Sie setzen sich nicht für die Menschenrechte ein und Sie setzen sich auch nicht für die Würde der Menschen ein!

Wir Freiheitlichen stehen zu Europa. Wir sind begeisterte Europäer. Wir stehen zu den Bürgern in Europa. Wir sind auch der Meinung, wenn wir die Bürger mitentscheiden lassen, wenn wir sie abstimmen lassen, dann werden sie durchaus mit ihrem Herzen auch ein Europa der Vaterländer tragen, aber kein zentralistisches Europa, kein Euro­pa, wo man über die Menschen drüberfährt, wo man unsozial ist, wo man sich nur mehr den Großkonzernen verbunden fühlt und wo der normale Bürger zu kurz kommt.

Auf uns Freiheitliche können die Österreicher zählen. Wir werden, wie ich meine, auch eine große Freude am Wahltag haben können, denn dann wird diese Politik einmal ab­gestraft werden.

Bei der SPÖ ist es so, da muss man sich einmal überlegen, wer heute die Briefe ge­schrieben hat. Das waren sicherlich nicht Sie selbst, denn das, was hier vorgelesen und vorgetragen wurde, war nicht besonders überzeugend. Ich glaube, da werden Sie noch einen Sonderparteitag brauchen, um diese Sache abschließend zu klären. (Beifall bei der FPÖ.)

12.52



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 91

Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Darmann. Auch für Sie gilt eine maximale Redezeit von 6 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


12.52.49

Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (BZÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bun­desministerin! Werte Staatssekretäre! Hohes Haus! Werte Zuseher zu Hause und auf der Galerie! Es gibt ja keinen besseren Ort und keinen besseren Zeitpunkt, um in die­ser Europadebatte über das Demokratieverständnis von SPÖ, ÖVP und, leider auch im demokratievernichtenden Schlepptau, über das Demokratieverständnis der Grünen zu sprechen, denn eines ist klar: Was sich in den letzten Monaten, vor allem seit Beginn dieses Jahres, in Österreich abgespielt hat, um die österreichische Bevölkerung in der Meinungsbildung bezüglich der Ratifizierung des EU-Reformvertrages auszuschließen, das ist ein Skandal und kam eben genau von diesen drei Parteien.

Ich darf jetzt auf einige Aussagen eingehen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, die heute in den Stellungnahmen von Herrn Bundeskanzler Gusenbauer, Bundesministerin Plassnik und auch von Herrn Klubobmann Van der Bellen gemacht wurden.

Zum einen hat Herr Bundeskanzler Gusenbauer, er ist leider nicht anwesend (Abg. Strache: Der Herr Schieder ist offenbar der neue! Bundeskanzler Schieder!) – der neue Kanzler Schieder wird es dem Herrn Bundeskanzler ausrichten –, hier festgehal­ten, dass es in der Bevölkerung den Eindruck gäbe, Entscheidungen würden weit weg von den Bürgern getroffen. – Ja, so ist es. Aber die Entscheidungen werden nicht nur weit weg von den Bürgern im fernen Brüssel getroffen, sondern auch weit weg von den Herzen der Bürger und, was sehr wesentlich ist, weit weg von jeglichem Menschenver­stand. Denn diese Europäische Union stellt leider nicht den Menschen in den Mittel­punkt ihres Handelns.

Gleichzeitig hat Herr Gusenbauer dann noch festgestellt, er plädiere dafür, den Dialog mit den Menschen ganz offen zu führen. – Ja, sozialdemokratische Fraktion, Herr Bun­deskanzler, was hat Sie denn gehindert, im Zusammenhang mit diesem Reformvertrag endlich auf die Bürger zuzugehen und sie um ihre Meinung zu fragen? Das wäre ein richtiger Schritt gewesen (Beifall beim BZÖ), der noch dazu bei den Bürgern Vertrauen für die Politik geweckt hätte.

Frau Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten Plassnik, Sie haben gesagt: Es geht um ein starkes und selbstbewusstes Österreich in dieser Europäischen Union. – Ich sage: Ja, aber wenn man jetzt allein die Debatte darüber betrachtet, wie sich Österreich im Konflikt zwischen China und Tibet verhalten soll, wenn es dort einen Dialog geben soll und wenn dann von Seiten des Außenministe­riums von Ihnen als außenpolitischer Vertreterin dieser Republik zu hören ist, es wird abgewartet, welche Meinung sich die Europäische Union in diesem Zusammenhang bildet, dann frage ich: Wo ist dieses selbstbewusste Österreich? Österreich hat hier seine eigene Meinung zu vertreten. Und wenn es keine erfolgreichen und konstruktiven Gespräche zwischen China und Tibet gibt, hat Österreich die Konsequenzen zu zie­hen. (Beifall beim BZÖ.)

Herr Klubobmann Van der Bellen – er ist leider jetzt auch nicht hier im Plenum – hat sich über die fehlende Bürgernähe der EU aufgeregt. Das kann ich unterstreichen. Die EU ist wirklich nicht bürgernah. Aber dass sich genau die Grünen darüber aufregen, die wirklich jede Aktion von SPÖ und ÖVP unterstützt haben, um eine Volksbefragung, eine Volksabstimmung in Österreich zu verhindern, also das ist wohl die Höhe! Die Be­völkerung wird schon wissen, was sie mit Ihnen anzufangen hat.

Aber ich möchte auch die Zeit nutzen, um ganz konkret daran zu erinnern, wie diese Bundesregierung und wie die Grünen mit der Demokratie in diesem Land umgegangen


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sind. Das BZÖ hat in unzähligen Initiativen auf Bundesebene versucht, die Bevölke­rung in diesen Entscheidungsprozess mit einzubinden. – Das war in diesem Plenum bei dieser „Mehrheit gegen die Bürger“ nicht möglich.

In Kärnten haben wir intensiv daran gearbeitet und haben mit unserem Landeshaupt­mann Dr. Jörg Haider Initiativen gesetzt, um an die KärntnerInnen und an die Parteien heranzutreten. Auch in Kärnten haben die Vertreter von ÖVP und SPÖ in der Landes­regierung gegen eine Bürgerinitiative gestimmt. Somit hat das BZÖ Kärnten über 15 000 beglaubigte Unterschriften (Beifall beim BZÖ) für diese Volksbefragung gesam­melt. Kärnten war die einzige Region hier in Österreich und europaweit, die das, Irland ausgenommen, noch versucht hat. (Abg. Strache: Ihr habt leider Gottes den Schwanz eingezogen und keine Volksbefragung durchgeführt! Ihr habt die 15 000 Kärntner im Stich gelassen, indem ihr keine Volksbefragung gemacht habt!) Was macht diese Bun­desregierung? – Die Bundesregierung zieht, auch mit terminlicher Hilfe der FPÖ im Verfassungsausschuss, die Ratifizierung vor, sodass diese Volksbefragung wegen ganzer zwei Wochen in Kärnten nicht hat durchgeführt werden können. Das ist ein de­mokratiepolitischer Skandal, der hier nicht unerwähnt bleiben soll. (Beifall beim BZÖ.)

Aber ich nutze auch die Möglichkeit, wenn ich schon die Frau Außenministerin und auch den Herrn Staatssekretär Winkler hier habe, Sie auf Feststellungen Europas, auf festgemachtes Recht in Europa anzusprechen. Beispielsweise hat der Europarat fest­gestellt, Kärnten ist ein vorbildliches Land, ja das Vorzeigeland in Österreich, was den Minderheitenschutz betrifft. Ich würde von Ihnen eine Stellungnahme dazu erwarten, denn es ist immer leicht, auf Kärnten hinzuhauen, aber wenn selbst der Europarat die­se Feststellung trifft, ist es notwendig, hier auch von Ihrer Seite positive Worte zu fin­den.

Auch in der Ortstafelfrage. Die SPÖ hat bereits im Sommer letzten Jahres verspro­chen, hier eine endgültige Lösung durch den Kanzler herbeizuführen. Geschehen ist gar nichts!

Was spricht dagegen, geschätzte Vertreter des Außenministeriums, wirklich daran zu arbeiten, das Europäische Übereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten heran­zuziehen und endlich eine Muttersprachenerhebung als Grundlage für die Minderhei­tenfeststellung und sodann für die Aufstellung der „Ortstafeln“ zu fixieren? (Abg. Stra­che: Eine Volksgruppenerhebung ist notwendig, nicht Muttersprache!) Ich glaube, das wären Wege, um endlich einmal auch in Kärnten diese leidige Debatte zu beenden (Beifall beim BZÖ), damit wir weiterhin in der gewohnt positiven Form in Kärnten in die Zukunft blicken und mit der Bevölkerung die Zukunft gestalten können. – Danke. (Bei­fall beim BZÖ.)

12.58


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Meine Damen und Herren, die Fernsehdirekt­übertragung ist damit beendet. Wir kehren jetzt wieder zum System der freiwilligen Redezeitbeschränkungen zurück.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Fichtenbauer. 3 Minuten wünschen Sie sich. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.58.44

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Der Inhalt oder einer der Hauptinhalte, um den sich die Debatte dreht, der Diskurs, der Streit und schließlich der Brief, ist die Frage der Volksabstimmung, warum es sie nicht gab oder warum es sie künftig geben sollte.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 93

Um die Zeit nicht vorweg oder im Anschluss zu verbrauchen, bringe ich folgenden An­trag der Freiheitlichen Partei ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Fichtenbauer, Strache, Dr. Bösch und weiterer Abgeordneter be­treffend verpflichtende Volksabstimmung bei Ratifikation von Staatsverträgen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Regierungsvorlage einzubringen, die eine Änderung der österreichischen Bundesverfassung dahingehend vorsieht, daß die Zustimmung Österreichs zu wichtigen Änderungen der Europäischen Verträge von einer nationalen Volksabstimmung in Österreich abhängig gemacht wird.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Ich darf daran erinnern, dass die österreichische Bundesverfassung glasklar vorsieht, dass eine Gesamtänderung der österreichischen Bundesverfassung einer Volksabstim­mung zuzuführen ist. Das war die richtige verfassungsmäßige Grundlage angelegent­lich des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union. Richtigerweise handelte es sich bei Erkenntnis der damals handelnden politischen Kräfte um eine Gesamtänderung der österreichischen Bundesverfassung. Daher war eine Volksabstimmung zwingend. (Präsidentin Dr. Glawischnig-Piesczek übernimmt den Vorsitz.)

Wir sind der Auffassung, dass auch der Beitritt Österreichs zum Lissaboner Vertrag ebenfalls eine Gesamtänderung der österreichischen Bundesverfassung darstellt und aus diesem Grund eine Volksabstimmung geboten gewesen wäre. (Beifall bei der FPÖ.)

Mit Mehrheit dieses Hauses, und zwar mit Verfassungsmehrheit, hat man die Verfas­sungsrichtigkeit durch Abstimmung geändert – ich will betont den Ausdruck „gebeugt“ nicht verwenden –, und infolgedessen ist der gebotene Vorgang gemäß der österreichi­schen Bundesverfassung nicht eingehalten worden.

Die Tatsache, dass nunmehr wegen der politischen Stimmungslage die neue Führung der SPÖ sich eines anderen besonnen hat und im Wege eines Leserbriefes dies be­kundet hat, führt zu Schelte und zu innenpolitischem Streit. Ich will nicht zur Tagesord­nung übergehen, sondern möchte darauf hinweisen, dass Frau Dr. Ferrero-Waldner, langjährige Außenministerin dieses Landes und Bundespräsidentschaftskandidatin der Österreichischen Volkspartei, sich bemüßigt gefühlt hat zu sagen, sie schäme sich deswegen für Österreich. – Das ist eine Schande! (Beifall bei der FPÖ.)

In England gibt es den guten alten Grundsatz „It’s my country, right or wrong“. Ich würde sehr bitten, diesen Grundsatz gelegentlich auch in österreichische politische Ge­hirne einfließen zu lassen. (Neuerlicher Beifall bei der FPÖ.)

Frau Außenministerin, Sie haben gemeint, aufgrund einer Volksabstimmung würde kein neuer Arbeitsplatz geschaffen, sofern ich es sinngemäß richtig in Erinnerung ha­be. Verzeihen Sie vielmals, aber ich muss Ihnen schon sagen: Wenn morgen jemand auf die Idee käme, zu sagen: Lasst uns doch die Straßenverkehrsordnung abschaffen, weil es dann mehr Unfälle gibt und das die Umsätze der Kfz-Branche und der Auto­spengler hebt!, was würden Sie dann dazu sagen? Dem liegt die gleiche Logik zu­grunde, auch wenn die ÖVP es nicht erkennt. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 94

Es ist nämlich ein Unterschied, ob bestehende Gesetze einzuhalten sind – und ich spreche jetzt von der Verfassung –, ob es einem nun recht ist oder nicht, dass das Ge­setz im Einzelfall einzuhalten ist, mit gewissen Konsequenzen, oder ob es eine solche gesetzliche Bestimmung nicht gibt. (Abg. Mag. Kukacka: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich!)

Herr Kollege Kukacka, in Anbetracht der Erfassung intellektueller Zusammenhänge bei Vergleichen, ob die hinken oder nicht, würde ich Sie gerne zu einem Duell bitten. Das würde sicher zu einer interessanten Vorstellung vor dem Publikum werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich erinnere mich auch mit großem Vergnügen an die Äußerungen von vorhin in Rich­tung „soziales Europa“. Da darf ich darauf verweisen, dass wir, dass ich persönlich die Inhalte des Vertrages von Lissabon als zum Teil echte Vertragsänderungen und als zum Teil bloße Ankündigungen erkannt habe, die man auch als Luftblase bezeichnen kann. Einer dieser Ankündigungsinhalte war das Propagandawort „soziales Europa“. Genau deswegen, weil Österreich auf diesem Gebiet Spitzenreiter in Europa ist und europäische Strukturen zur Verbesserung des eigenen Sozialstandards bei Gott nicht braucht, sondern es im Prinzip nur darum gehen könnte, eine Abgleichung in Richtung nach unten zu stipulieren, haben wir diesen behaupteten Sachverhalt als Luftblase be­zeichnet. Und von den Rednern der ÖVP wurde das heute ja bestätigt. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Mitterlehner.)

Herr Kollege Mitterlehner, wenn Sie eines Tages in den „Genuss“ kommen, ein Straf­verfahren zu haben, bei dem ich das Vergnügen hätte, Sie zu verteidigen, wird es an Engagement meinerseits nicht mangeln. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, zusammengefasst noch ein kurzer Ausblick oder eine kleine Erinnerung an das heutige Geschehen: Unser Parteiobmann Klubobmann Strache hat eingangs einen Entschließungsantrag eingebracht, der die Aufforderung enthält, es möge die Ratifizierungserklärung durch den österreichischen Bundespräsi­denten aufgehoben werden. Ich habe das leise Lächeln des Herrn Staatssekretärs be­obachtet und dahinter die Gedankenwolke erkannt: Was will er denn mit diesem Ent­schließungsantrag? Das ist doch schon geschehen. Was will er denn da noch zurück­nehmen?

Ich füge dem hinzu: Das Völkerrecht kennt das Prinzip „Clausula rebus sic stantibus“, das heißt: Verträge gelten unter Zugrundelegung der herrschenden Bedingungen. In­teressanterweise haben sich die tollen Denker des Vertrages von Lissabon keinen Plan B ausgedacht, nämlich was dann passiert, wenn in einem Land die Ratifizierung des Vertrages nicht erfolgt, wie das durch das Referendum von Irland geschehen ist.

Die Konsequenz ist Chaos. Das, was von der ÖVP an Zwischenrufen hereingetröpfelt ist, verstärkt dieses Chaos und kann zu keiner Verbesserung der Erkenntnisprozesse beitragen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

13.06


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Der Entschließungsantrag der Abgeord­neten Dr. Fichtenbauer, Strache, Dr. Bösch und weiterer Abgeordneter betreffend ver­pflichtende Volksabstimmung bei Ratifikation von Staatsverträgen ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Fichtenbauer, Strache, Dr. Bösch und weiterer Abgeordneter be­treffend verpflichtende Volksabstimmung bei Ratifikation von Staatsverträgen


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 95

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1 „Erklärungen des Bundeskanzlers und der Außenministerin gemäß § 19 Abs. 2 GOG über die Ergebnisse des EU-Gipfels vom 19. und 20. Juni 2008“ in der 68. Sitzung des Nationalrates am 10. Juli 2008

Eine Volksabstimmung über die Zustimmung der Republik Österreich zu einem Ab­schluß eines völkerrechtlichen Staatsvertrags, der grundlegende Änderungen des Bun­des-Verfassungsgesetzes bewirkt, sollte verpflichtend sein, dies nicht zuletzt deshalb, weil sich in Hinblick auf den EU-Reformvertrag von Lissabon, den Änderungen der Verträge der Europäischen Union also, grundlegende Eingriffe in die österreichische Bundesverfassung ergeben würden. Denn unter anderem wird angestrebt, daß der Europäische Rat weitere Änderungen in Zukunft einstimmig beschließen könnte.

Dabei ist auf die in Österreich lediglich im Nationalrat erfolgte Ratifizierung des „Re­formvertrages von Lissabon“ zu verweisen, was in den Augen namhafter Verfassungs-Experten verfassungswidrig war. Gescheitert ist dieser „Vertrag von Lissabon“ am Re­ferendum der Iren.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Regierungsvorlage einzubringen, die eine Änderung der österreichischen Bundesverfassung dahingehend vorsieht, daß die Zustimmung Österreichs zu wichtigen Änderungen der Europäischen Verträge von einer nationalen Volksabstimmung in Österreich abhängig gemacht wird.“

*****

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Neubauer. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.06.44

Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Namens der freiheitlichen Fraktion bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Neubauer, Hofer, Klement und weiterer Abgeordneter betreffend Volksabstimmung über den Ausstieg Österreichs aus dem Euratom-Vertrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzulei­ten, die im Sinne einer aktiven Anti-Atompolitik Österreichs und des Ergebnisses der Volksabstimmung über Zwentendorf eine Volksabstimmung über einen Ausstieg Öster­reichs aus dem Euratom-Vertrag vorsieht.“

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren, um da gleich etwaige Bedenken wegzuwi­schen, verweise ich auf ein Gutachten des Herrn Universitätsprofessors Dr. Michael Geistlinger, der im September 2005 zu dieser Thematik auch ein Gutachten gemacht


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hat und dabei zu der Erkenntnis gelangt ist, dass man sehr wohl aus der Sicht Öster­reichs aus dem Euratom-Vertrag aussteigen kann, ohne damit grundsätzliche Kriterien des Europavertrages zu verletzen.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass Österreich immerhin mittlerweile mehr als 40 Millionen € in den Topf für Euratom zahlt. Wir finanzieren damit wirklich die Atom­lobby und die wiederaufkeimende Nutzung der Atomenergie in Europa. Das ist für uns ein krasser Widerspruch zu unserer eigenen Energiepolitik. Damit leistet Österreich auch der europäischen Atom-Renaissance, wie zum Beispiel in den Ländern Rumä­nien und Bulgarien, Vorschub.

Vor zwei Tagen haben Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion dieses Thema zum Anlass genommen, den Euratom-Vertrag zu kritisieren. Wir geben Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie, heute die Gelegenheit, durch Unterstützung dieses unseres Antrages Ihrer eigenen Kritik zu entsprechen. Sichern Sie damit die energieautonome Politik Österreichs und auch Europas, und setzen Sie ein Zeichen gegen die Atompolitik und für den Ausstieg aus dem Euratom-Vertrag! (Beifall bei der FPÖ.)

13.09


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Auch dieser Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhand­lung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Neubauer, Hofer, Klement und weiterer Abgeordneter betreffend Volksabstimmung über den Ausstieg Österreichs aus dem Euratom-Vertrag

eingebracht im Zuge der Debatte zur Erklärungen des Bundeskanzlers und der Bun­desministerin für europäische und internationale Angelegenheiten gemäß § 19 Ab­satz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zur österreichischen EU-Politik in der 68. Sitzung des Nationalrates in der XXIII. GP. am 10. Juli 2008

Im Jahr 1956 wurde die Österreichische Studiengesellschaft für Kernenergie gegrün­det. Die Aktivitäten dieser Gesellschaft führten zum Beschluß der Bundesregierung über einen Energieplan, der drei Kernkraftwerke in Österreich vorsah. Das erste davon sollte in Zwentendorf gebaut werden. Am 5. November 1978 haben sich die Österrei­cher im Rahmen einer Volksabstimmung klar gegen die Nutzung von Kernkraft ausge­sprochen. Zwentendorf wurde nicht in Betrieb genommen. Im Herbst dieses Jahres jährt sich diese Volksabstimmung zum 30. Mal.

Unabhängig davon fließen viele Millionen aus dem österreichischen Staatshaushalt an Euratom. Damit finanziert Österreich über diesen Umweg die europäische Atomener­gie. Ein Ausstieg aus dem Euratom-Vertrag und die Verwendung der dafür bisher ge­bundenen finanziellen Mittel für den Bereich Forschung und Entwicklung wären daher ein Gebot der Stunde. Im Geiste des Ergebnisses der Volksabstimmung über Zwenten­dorf und des Mitspracherechts der Österreicher wäre eine Volksabstimmung über den Ausstieg Österreichs aus dem Euratom-Vertrag zielführend.

Der Salzburger Völkerrechtsexperte Univ.-Prof. Michael Geistlinger hat den bedeu­tungsvollen Hinweis geliefert, daß es „Kraft des Völkergewohnheitsrechts, das durch Art. 56 der Wiener Vertragskonvention (WKV) kodifiziert wurde“ möglich ist, aus dem EURATOM-Vertrag auszusteigen ohne die EU-Mitgliedschaft in Frage zu stellen. Ein Umstand, der andersmeinende Gutachten obsolet werden läßt.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 97

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzulei­ten, die im Sinne einer aktiven Anti-Atompolitk Österreichs und des Ergebnisses der Volksabstimmung über Zwentendorf eine Volksabstimmung über einen Ausstieg Öster­reichs aus dem Euratom-Vertrag vorsieht.“

*****

13.09.55


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemel­det. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zu den Abstimmungen.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend Befassung des Par­laments mit grundlegenden Änderungen in der Außen- beziehungsweise Europapolitik anstelle von Leserbriefseiten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend Widerruf der Ratifikation des „EU-Reformvertrages von Lissabon“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Ing. Westenthaler, Kollegin und Kollegen betreffend die generelle Verpflich­tung der Durchführung von Volksabstimmungen über EU-Vertragsänderungen sowie grundsätzliche Fragen der Europäischen Integration.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für diesen Entschließungsantrag ausspre­chen wollen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend einen „European Act for Democracy“, der die Rechte in einem „Europäischen Vertrag der Bürgerinnen und Bür­ger“ erweitert.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Bösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abbruch der Beitrittsverhandlungen der Europäischen Union mit der Türkei.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Dr. Kurzmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Neuorientierung der ös­terreichischen EU-Politik.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 98

Hiezu ist eine namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstim­mung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Die Stimmzettel, die zu benutzen sind, befinden sich in den Laden der Abgeordneten­pulte und tragen den Namen des Abgeordneten oder der Abgeordneten sowie die Be­zeichnung „Ja“ – das sind die grauen Stimmzettel – beziehungsweise „Nein“ – das sind die rosafarbenen. Für die Abstimmung können ausschließlich diese Stimmzettel verwendet werden.

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die für den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Kurzmann, Kolleginnen und Kollegen stimmen, „Ja“-Stimmzettel, jene, die dage­gen stimmen, „Nein“-Stimmzettel in die Urne zu werfen.

Ich bitte nun die Schriftführerin, Frau Abgeordnete Hagenhofer, mit dem Namensaufruf zu beginnen; Schriftführer Abgeordneter Jakob Auer wird sie dann später ablösen.

*****

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Hagenhofer und den Schriftführer Jakob Auer werfen die Abgeordneten die Stimmzettel in die Urne.)

*****

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Die Stimmabgabe ist beendet.

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden nunmehr unter Aufsicht der SchriftführerInnen die Stimmenzählung vornehmen.

Die Sitzung wird zu diesem Zweck für einige Minuten unterbrochen.

*****

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 13.17 Uhr unterbrochen und um 13.21 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt:

Abgegebene Stimmen: 161. Davon „Ja“-Stimmen: 27, „Nein“-Stimmen: 134.

Der Entschließungsantrag des Abgeordneten Dr. Kurzmann ist somit abgelehnt.

Gemäß § 66 Abs. 8 GOG werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenommen.

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Aspöck;

Belakowitsch-Jenewein, Bösch, Bucher;

Darmann, Dolinschek;


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 99

Fichtenbauer;

Gradauer, Graf;

Haimbuchner, Haubner Ursula, Hofer;

Kickl, Klement, Kurzmann;

Lautenschlager;

Mayerhofer;

Neubauer Werner;

Schalle, Scheibner, Strache;

Themessl;

Vilimsky, Vock;

Weinzinger Lutz, Westenthaler;

Zanger.

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Ablinger, Amon, Aubauer, Auer Jakob, Auer Klaus Hubert;

Bauer, Bayr, Becher, Binder-Maier, Brinek, Brosz, Bures;

Cap, Csörgits;

Donabauer Karl, Donnerbauer Heribert, Durchschlag;

Eder Sebastian, Eder-Gitschthaler, Ehmann, Einwallner, Eisenschenk, Eßl;

Faul, Fazekas, Fleckl, Freund, Fuhrmann, Füller, Fürntrath-Moretti;

Gaßner, Glaser, Glawischnig-Piesczek, Grander, Grillitsch, Grossmann, Großruck, Grünewald;

Haberzettl, Hagenhofer, Haidlmayr, Hakl, Haubner Peter, Heinzl, Hell, Hlavac, Höfin­ger, Höllerer, Hörl, Hornek, Hradecsni, Huainigg, Hursky;

Ikrath;

Jarolim;

Kainz, Kaipel, Kapeller, Karl, Keck, Kirchgatterer, Knoll, Köfer, Königsberger-Ludwig, Kößl, Kräuter, Krist, Kukacka, Kuntzl, Kuzdas;

Lapp, Lentsch, Lohfeyer, Lueger, Lunacek;

Maier Ferdinand, Maier Johann, Mandak, Marizzi, Mikesch, Mitterlehner, Morak, Moser, Murauer, Muttonen;

Neugebauer Fritz;

Oberhauser, Obernosterer, Öllinger;

Pack, Parnigoni, Pendl, Pfeffer, Pilz, Pirklhuber, Prähauser, Praßl, Prinz;

Rada Robert, Rädler Johann, Rasinger, Rauch-Kallat, Riener Barbara, Riepl, Rinner Sylvia, Rossmann, Rudas;

Sburny, Schelling, Schittenhelm, Schönpass, Schultes, Schüssel, Sonnberger, Spindel­berger Erwin, Spindelegger Michael, Stadlbauer, Stadler Astrid, Stauber, Steibl Ridi, Steier, Steindl Konrad, Stummvoll;


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 100

Tamandl, Trunk;

Van der Bellen;

Wechner, Weinzinger Brigid, Weninger Hannes, Wimmer, Wittmann, Wöginger, Wurm;

Zwerschitz.

*****

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Moser, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Nein zum Gigaliner-60-Tonnen-Lkw, Ja zu einer anständigen EU-Tran­sitpolitik.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Herr Kollege Niederwieser, stimmen Sie mit? (Abg. Dr. Niederwieser: Ja, jetzt stehe ich schon! – Beifall bei den Grünen.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend verpflichtende Volks­abstimmung bei Ratifikation von Staatsverträgen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit ebenfalls abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Volksabstimmung über den Aus­stieg Österreichs aus dem Euratom-Vertrag.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

13.23.042. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (609 d.B.): Bundes­gesetz über die Finanzprokuratur (Finanzprokuraturgesetz – ProkG) (647 d.B.)

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Ta­gesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Fichtenbauer mit 4 Mi­nuten Redezeit. – Bitte.

 


13.23.23

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Wenn irgendjemand seitens der Regierung auch da sein sollte, grüße ich ihn selbstverständ­lich herzlich (Staatssekretär Dr. Matznetter – auf der Regierungsbank Platz neh­mend –: Entschuldigung!), ohne Sie zu einer übermäßigen Eile antreiben zu wollen! (Staatssekretär Dr. Matznetter: Ich will Ihnen zuhören auch!) – Das ist sehr lieb von Ihnen! Danke schön!

Das Prokuraturgesetz schwebt so im Schatten der großen politischen Dinge, ist aber von meinem Standpunkt aus in spezifischer Weise zu betrachten. Anhand des Proku­raturgesetzes oder dieser Novelle oder des neuen gesetzlichen Inhaltes ist eine massi-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 101

ve Inkonsequenz der prinzipiellen politischen Aussagen, die wir die letzten Jahre hören konnten, festzumachen.

Erster Punkt: Es ist anzuerkennen, dass insbesondere der Gestalt des Herrn Präsiden­ten der Finanzprokuratur als treibender Kraft, der sich um eine Verbesserung des ge­setzlichen Zustandes bemüht hat, nichts entgegenzusetzen ist und dieses Bemühen ehrenwert und anerkennenswert ist.

Zweitens: Dennoch muss festgehalten werden, dass die Verdichtung und die Vermeh­rung gesetzlicher Vorgänge, die sonst in ihrer Tätigkeit den freien Berufen vorbehalten sind, in Konzentration und Verstärkung dieser Tätigkeit bei einer Struktur, die dem ös­terreichischen Ämterwesen zuzuordnen ist, zumindest contre coeur der ÖVP-Philoso­phie der letzten zehn Jahre ist.

Im Zeichen einer Entwicklung, dass für alles, was nicht unbedingt durch den Staat zu besorgen ist, Ausgliederungen, Privatwirtschaftssubjekte ins Leben gerufen worden sind, um diese nicht zwingend durch den Staat zu besorgenden Aufgaben durch diese lösen zu lassen, wird eine spezifische staatliche Organisation in ihrer Funktionalität vermehrt durch Kompetenzen, in gewisser Weise restrukturiert und deren Tätigkeit so­zusagen festgehämmert.

Diese Situation erfordert die kritische Haltung zu diesem Vorhaben dem Grunde nach und ist auch in Ansehung einiger Details als äußerst kritikwürdig zu bezeichnen.

Wenn und insofern eine anwaltliche Tätigkeit für einen Mandanten verrichtet wird, so sind unlösbar mit dieser anwaltlichen Tätigkeit zwei Sachverhaltselemente unabding­bar: Nummer eins ist die Verschwiegenheit; und Nummer zwei, ausschließlich den Kli­enteninteressen zu folgen und im Sinne der Klienteninteressen tätig zu sein.

Schon aus dem Gesetz und einigen Inhalten, die im Vorfeld und in der Diskussion aus­reichend beleuchtet wurden, ist die mangelnde Fähigkeit der Verwirklichung dieser Grundsätze offenkundig. Ein dem Finanzministerium nachgeordnetes und eingeglie­dertes Amt kann den von den frei gewählten Anwälten zu erbringenden Leistungen der Verschwiegenheit und der völligen Unabhängigkeit von sonstigen staatlichen Interes­sen und dem ausschließlichen Dienen des Klientenwohles nicht gerecht werden.

Ferner sind kollisive Situationen, also Abwägung, ob bei Vertretungseventualität einer staatlichen Struktur gegen die andere in der möglichen Situation, dass einander wider­streitende Interessen zu Gebote stehen, die Prokuratur sich aussuchen kann, welche der beiden staatlichen Stellen, sei es Bund, Länder oder Gemeinden, sie zu vertreten hat, in einem auf anwaltliche Tätigkeit bezogenen Vorgang undenkbar. In einem sol­chen Fall dürfte kein Anwalt eines der beiden Mandate übernehmen.

Aus diesem Grund, weil die Grundstruktur der subintelligierten Tätigkeit, quasi anwalt­lich funktionell tätig zu sein, nicht stimmen kann, nicht erbracht werden kann, weil ein Amt niemals einen frei gewählten Rechtsanwalt ersetzen kann, werden wir dieses Ge­setz ablehnen.

Wenn es dennoch heute beschlossen werden sollte, verspreche ich für die politische Zukunft, dass wir diesen Sachverhalt nicht vergessen werden, sondern neuerdings ins Spiel bringen werden.

Schließlich und endlich beantrage ich die Rückverweisung der Materie in den Finanz­ausschuss, weil hinreichende Gelegenheit zur ausführlichen Diskussion bei Gott nicht gegeben war.

Ich bitte, diesen Anträgen zuzustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.29



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 102

Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Abgeordnetem Mag. Ikrath das Wort. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.29.17

Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Staatssekre­tär! Hohes Haus! Anschließend an Kollegen Fichtenbauer müssen wir schon eine Vor­frage stellen, nämlich: Wollen wir in diesem Land eine exzellente Finanzprokuratur als Anwalt und Berater der Republik, als eine Wissensplattform und Koordinierungsstelle für die Gebietskörperschaften und staatsnahen Rechtsträger und – last but not least – auch als Servicefunktion und unbürokratische Anlaufstelle für die Bürgerinnen und Bür­ger haben?

Wir von der ÖVP sagen dazu ein ganz klares Ja; wir wollen so eine Finanzprokuratur haben. Wenn man dieses Ja sagt, dann muss man auch diesem Gesetz zustimmen, das eine grundlegende und – wie ich glaube – qualitativ erstklassige Reform der Fi­nanzprokuratur bringt. Diese stellt sicher, dass gerade die von sehr vielen Anwälten – und das werden alle anwesenden Anwälte bestätigen – anerkannte juristische Kompe­tenz der Finanzprokuratur erhalten und weiter gesteigert wird, und zwar zum Nutzen der Republik und zum Nutzen von Bürgerinnen und Bürgern. Man darf nicht vergessen, dass die jetzige gesetzliche Grundlage auf das Jahr 1945 zurückgeht und daher durch­aus eine gewisse Reform und Verjüngung braucht.

Eine unlautere Konkurrenz – und da haben wir schon im Ausschuss unsere Diskussion gehabt – sehe ich nicht, denn mit denselben Argumenten, die jetzt verwendet wurden, müsste ich einem Unternehmen untersagen, eine eigene Rechtsabteilung zu beschäf­tigen und sich von dieser vertreten zu lassen. (Abg. Dr. Fichtenbauer: Das ist der hinkendste Vergleich ...!) Und da möchte ich auch ganz klar für die ÖVP feststellen: Zwangsmaßnahmen jedweder Art sind sicher nicht unsere Sache, denn wir glauben eben an den Wettbewerb.

Da darf ich hinzufügen: Dass wir bei der Gestaltung dieses Gesetzes sehr viel Bedacht auf den fairen Wettbewerb genommen haben, zeigt sich daran, dass jedem Ministe­rium völlig freigestellt ist, von wem es sich beraten lässt und von wem es sich vertreten lassen will. Das haben wir sogar noch mit einer Abänderung unterstrichen, die das noch einmal präzisiert.

Das Zweite ist: Gemeinden und Länder dürfen die Finanzprokuratur nur gegen Zahlung des Anwaltstarifes in Anspruch nehmen, um gerade zu vermeiden, dass es da zu einer unlauteren Konkurrenz mit den Anwälten und freien Berufen kommt.

Im Gegensatz zur FPÖ sehen wir es schon als ein vitales Interesse gerade der finan­ziell schwach gestellten Bürgerinnen und Bürger an, wenn sie in einen Prozess gegen den an sich immer mächtigen Staat eintreten – und das sind ja vor allem Enteignungs­verfahren, Amtshaftungsverfahren, Entschädigungsverfahren –, dass sie dann nicht auch noch das Prozesskostenrisiko der Anwaltskosten der gegnerischen Seite tragen müssen, sondern wir ihnen dieses Risiko weitgehend abnehmen.

Für uns ist das deswegen wichtig, weil wir für die sogenannten kleinen Leute auch wirklich etwas tun, während die FPÖ einfach nur immer darüber redet und, wenn es darauf ankommt, das Gegenteil macht. Das finde ich eigentlich traurig. (Abg. Dr. Fich­tenbauer: Wenn der Bürger verliert, muss er die Prozesskosten ersetzen!)

Die Interessenkollision, die befürchtet wird, sehe ich auch als sehr theoretisch an, da die Tätigkeitsfelder exakt beschrieben und abgegrenzt sind.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 103

Und zuletzt – auch das ist ein Aspekt, der für den Steuerzahler sicherlich Bedeutung hat –: Mit dieser Reform wird sich der Finanzminister bis in das Jahr 2012 1,8 Millio­nen € ersparen können. Ich glaube, das ist kein Lapperl.

Ganz zum Schluss möchte ich an die FPÖ und an dich, Kollege Fichtenbauer, appellie­ren: Gebt euch in dem Fall einen Ruck! Stellt Gemeininteresse über Standesinteresse und stimmt dem Gesetz zu! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Jarolim: Sie sind drei Mo­nate zu früh!)

13.33


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Abgeordnetem Weinzinger das Wort. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.33.31

Abgeordneter Lutz Weinzinger (FPÖ): Geschätzte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist ein schwieriges Unterfangen: Die Bundesregierung will die Finanzproku­ratur ausbauen, und meine Partei, die FPÖ, ist für die Abschaffung der Finanzproku­ratur. Wir haben gerade von meinem Vorredner gehört, er will, dass wir uns einen Ruck geben, dass wir hier doch zustimmen.

Nun, es gibt gewisse Gründe, dass wir einfach nicht zustimmen können, weil wir eben anderer Ansicht sind und weil wir auch wissen, dass gewisse Argumente einfach nicht stimmen. Wenn der Bürger gegen den Staat verliert, muss er tatsächlich für die Pro­zesskosten aufkommen. Das ist so. Also, da hilft ihm die Finanzprokuratur nicht.

Es ist also nicht diese bürgerfreundliche Institution, sondern die Finanzprokuratur soll laut Regierungsentwurf den Bund und die von ihm ausgegliederten Rechtsträger in allen Bereichen vertreten und als Vertrauensanwalt beraten. Sie erhält die Möglichkeit, ihr Arbeitsgebiet nach den Bedürfnissen ihrer Mandanten systematisch und dynamisch zu erweitern und zu spezialisieren.

Wir sehen hier schon einen Eingriff in die Vorbehaltstätigkeit eines anderen Berufs­standes, eines freiberuflichen Berufsstandes. Und der freiberufliche Berufsstand – ganz egal, aus welchem Bereich er kommt – ist ein Teil des Mittelstandes. Und wer ist heute besonders gefährdet? – Der Mittelstand.

Durch diese Änderung, die offensichtlich noch immer nicht in den ehemaligen Koali­tionsparteien völlig klar ist, weil man noch herumdiskutiert – jetzt noch! –, wird der Be­rufsstand der Rechtsanwälte – also ein freiberuflicher Stand – zumindest der Möglich­keit beraubt, wesentlich intensiver als bisher oder zumindest in dem Ausmaß wie bisher Gemeinden und andere Gebietskörperschaften und staatsnahe Rechtsträger zu vertreten. Das sollte doch das Ziel sein: Weniger Staat, mehr privat! – Halten wir uns daran! (Beifall bei der FPÖ.)

13.36


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.36.23

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wir haben hier eine Materie zu behandeln, die sich mit der Finanzprokuratur auseinandersetzt. Ich denke, dass es grundsätzlich so sein sollte, dass die Finanzprokuratur die Möglichkeit hat, sich entsprechend im Markt darzustel­len, und daher auch eine Erweiterung der Kompetenz dahin gehend benötigt, dass hier eine Beratung stattfinden kann.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 104

Wir waren ursprünglich damit befasst, dass es eine Obligation sein soll, dass also im Bereich der Republik – nicht in der Vertretung, die ohnehin obligatorisch ist, sondern auch in der Beratung – Befassungen zwangsläufig durch die Prokuratur stattfinden sol­len. Das wollen wir nicht, weil wir glauben, dass es notwendig ist, sich durch entspre­chende Qualitätsnachweise zu empfehlen.

Die Finanzprokuratur ist die Rechtsanwaltskanzlei des Bundes und steht daher natür­lich auch in Konkurrenz mit allen anderen Anwälten und rechtsberatenden Berufen. Daher ist es notwendig, dass man sich den jeweiligen Bedürfnissen entsprechend an­passt.

Wie wir wissen, gab es seinerzeit im Finanzministerium eine üble und völlig überzo­gene, nicht notwendige – weil ja im Finanzministerium an sich jede Menge Know-how vorhanden war – Beauftragung zahlreicher Anwaltskanzleien. Dadurch ist jetzt auch die Diskussion entstanden, dass man bei externen Beratungen sehr kritisch ist.

Bei der Finanzprokuratur sollte das jetzt ein wenig anders sein. Soweit ich sehe, sind die Gespräche noch im Gange. Wir werden daher sehr gerne dieser Vorlage zustim­men oder sie an den Ausschuss zurückverweisen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.38


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Rossmann. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.38.17

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Staatssekre­tär! Es ist schon kurios, dass man sich zu einem an sich guten Projekt der Verwal­tungsreorganisation, einem der wenigen, die wir in dieser Legislaturperiode gehabt haben, nicht einigen konnte, obwohl ja die Einigung durch den Herrn Staatssekretär im Finanzausschuss angekündigt worden ist. Aber offensichtlich wird bis zur letzten Minute noch darum gerungen, ob man in § 3 Abs. 2 das Wort „bereits“ streicht und ob man in § 3 Abs. 6 – wenn ich das jetzt richtig in Erinnerung habe – das Wort „oder“ durch das Wort „und“ ersetzt. Ich hoffe doch, dass man in der verbleibenden Zeit, die die Debatte noch lässt, eine Einigung finden kann.

Warum finde ich das positiv? – Positiv finde ich diese Vorlage deshalb, weil es in den letzten Jahren doch derart zu einem Unwesen gekommen ist, dass viele Beratungsleis­tungen nach außen vergeben worden sind. Insbesondere war das beim Finanzministe­rium der Fall – das ist ja schon angesprochen worden. Ich finde, dass es dort, wo es um Beratungsleistungen geht, grundsätzlich so sein sollte, dass dies die Finanzpro­kuratur übernehmen sollte. Diesem Anliegen sollte an sich auch dieser Gesetzentwurf Rechnung tragen.

Viele der Vorwürfe, die von der FPÖ erhoben worden sind, die sich hier ja als der ver­längerte Arm der Rechtsanwaltskammer erweist ... (Abg. Dr. Fichtenbauer: Bitte nicht! Wenn Sie bei den Tierschützern ...!) – Herr Dr. Fichtenbauer, Sie haben im Ausschuss eine Lesung der Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer gemacht; das haben Sie uns heute ja Gott sei Dank erspart, muss ich sagen. Aber da haben Sie sich schon so­zusagen als jemand offenbart, der der verlängerte Arm der Rechtsanwaltskammer und damit im Übrigen der verlängerte Arm jener 20 bis 25 Rechtsanwaltskanzleien ist (Abg. Dr. Fichtenbauer: Bin ich nicht!), die von dieser Reorganisation betroffen sind, weil sie eben um ihr Geschäft fürchten müssen.

Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass es im Vorfeld dieser Reorganisation der Finanzprokuratur doch auch einerseits eine Evaluierung gegeben hat, andererseits


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 105

aber auch eine Prüfung durch den Rechnungshof, der sich – wie auch ich – sehr klar gegen diese Ausbreitung des Berater-Unwesens ausgesprochen hat.

Ich finde es daher insgesamt sehr positiv, und wir werden diesem Antrag zustimmen, dass sich die Finanzprokuratur mit dieser Reform zu einem Hilfsorgan der Exekutive entwickelt, entwickeln kann, ebenso wie ja der Rechnungshof ein Hilfsorgan der Legis­lative ist. Was ich positiv finde, ist auch das Zusammenspiel dieser beiden Organisatio­nen, das es ja im Vorfeld dieser Reorganisationsbemühungen auch schon gegeben hat.

Aber eine Voraussetzung ist zentral, nämlich diejenige, dass man der Finanzprokuratur auch in personeller Hinsicht die Chance geben muss, sich so zu positionieren, dass sie sich tatsächlich der Konkurrenz, die von den externen Beratern gegeben ist, stellen kann. Eine Voraussetzung dafür wäre unter anderem nicht nur die personelle Aufsto­ckung – diese ist ja vorgesehen –, sondern auch, als zweite Voraussetzung, eine No­velle des Gehaltsgesetzes.

Diese Novelle des Gehaltsgesetzes haben Sie, Herr Staatssekretär, uns im Ausschuss in Aussicht gestellt, allerdings liegt diesbezüglich kein Abänderungsantrag vor. Wie ich im Vorfeld dieser Beratungen gehört habe, hat es Einigung zwischen dem Bundes­kanzleramt und dem Finanzministerium gegeben. Ich frage mich daher, warum Sie die­sen Abänderungsantrag nicht mehr geschafft haben. Es ist offensichtlich wohl darauf zurückzuführen, dass in den letzten Tagen rein gar nichts mehr gegangen ist.

Was ich im Übrigen auch sehr positiv finde, ist der § 19, in dem sich eine Konkurrenz­klausel befindet, die besagt, dass für Beschäftigte der Finanzprokuratur, welche die Fi­nanzprokuratur verlassen, ein einjähriges Verbot gilt im Hinblick auf Mandanten, die sie beraten haben. Wir haben ja Ähnliches im Zuge der Finanzmarktreform vorgeschlagen, sind damit aber nicht durchgekommen.

Ich hoffe also – noch einmal –, dass heute auf der einen Seite dieses Projekt eine Zu­stimmung findet. Auf der anderen Seite wünsche ich mir schon, dass die Finanzpro­kuratur, wenn sie jetzt zu einem Hilfsorgan der Exekutive wird, auch ein unbeugsamer Staatsdiener in dem Sinn wird, dass sie sich gegen Begehrlichkeiten, die sicherlich vor­handen und gegeben sind, zur Wehr setzen kann.

In diesem Sinne wünsche ich dem Präsidenten, der sich ja sehr darum bemüht hat, dieses Projekt auch umzusetzen, alles Gute und gutes Gelingen! – Danke sehr. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Hagenhofer.)

13.43


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Abgeordnetem Bucher das Wort. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.43.30

Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Regierungsvorlage ist, wie wir wissen, auch ein Prüfbericht des Rechnungshofes vorausgegangen, des Rechnungshofes als des Beratungs- und Kontrollorgans des Hohen Hauses, auf das wir immer so stolz sind, das wir immer so sehr loben und mit dem wir sehr zufrieden sind, weil es der Sache wirklich auf den Grund geht, weil es für uns immer wieder gewisse Optionen gegen­überstellt und uns die Entscheidungen erleichtert.

Wir haben uns daher die Frage zu stellen gehabt: Braucht Österreich eine Finanzpro­kuratur, oder kann es darauf verzichten? – Herr Dr. Fichtenbauer, ich glaube, das war die zentrale Frage. Der Rechnungshof ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die österrei­chische Finanzprokuratur moderner, schlagkräftiger und leistungsfähiger ausgestaltet werden muss, weil er sich davon auch verspricht, dass wir gewisse Entscheidungspro-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 106

zesse schneller, kostengünstiger und effizienter gestalten können, und dies der öster­reichischen Verwaltung dienen kann.

Ich stehe auf dem Standpunkt, dass es richtig ist, eine Finanzprokuratur zu haben. Ich glaube, wenn wir alle ein Bekenntnis dazu ablegen, dass die österreichische Verwal­tung und die Vertretung der Staatsgewalt in den unterschiedlichsten Bereichen und Ebenen dem Zeitgeist der Modernität entsprechen soll und muss, dann brauchen wir eine solche Finanzprokuratur mit allen Möglichkeiten, die sie braucht, um wirklich die Vertretung der Interessen des Staates und auch der Verfassung, auf die wir angelobt sind, entsprechend ausüben zu können. Daher werden wir dieser Regierungsvorlage unsere Zustimmung geben, weil das ein grundsätzliches Bekenntnis im Hinblick darauf ist, ob wir für einen leistungsfähigen, modernen Staat sind oder ob wir für eine Liberali­sierung auf allen Ebenen eintreten.

Es sind auch die horrenden Beraterverträge angesprochen worden, die es beispiels­weise in der ÖIAG im Zuge der Privatisierungen gegeben hat. Dem geht ja auch etwas voraus, nämlich dass es zu Veränderungen gekommen ist. Privatisierungen sind sehr wichtige Schritte, bei denen man sich absichern muss im Hinblick darauf, ob sie sinn­voll sind oder nicht, was sie dem Staat wirklich bringen oder ob sie einen Nachteil dar­stellen. Da waren wichtige Beratungen notwendig. Natürlich hat die jetzige Bundes­regierung solche Beratungen nicht gebraucht oder nicht davon Gebrauch machen müs­sen, weil sie in den letzten zwei Jahren keine großartigen Veränderungen durchgeführt hat.

Wir stehen auf diesem Standpunkt: Es braucht eine starke, auf das Ausmaß des Not­wendigen beschränkte Prokuratur, die den österreichischen Staat leistungsfähiger macht und die der Verwaltung alle Hilfsmittel an die Hand gibt, damit sie effiziente Ent­scheidungen treffen kann. – Danke. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.46


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staats­sekretär Dr. Matznetter. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


13.46.43

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Christoph Matznetter: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben hier eine Materie, die komplex ist und in ein sehr kompliziertes Spannungsverhältnis zwischen dem Staat, der öffentli­chen Hand, und sonstigen interessierten Parteien eingreift, seien es Bürgerinnen und Bürger, die eine Rechtsauseinandersetzung mit der öffentlichen Hand zu führen haben, seien es Firmen, die unter Umständen im zivilrechtlichen Bereich ebenfalls Auseinan­dersetzungen mit dem Staat als in seiner Dualität privatrechtlicher Rechtsperson zu führen haben.

Es gibt dazu grundsätzlich zwei denkbare Modelle. Modell eins: Es lässt sich der Staat wie jeder andere durch einen Rechtsanwalt vertreten. Aus gutem Grund, sage ich, ist es in Österreich eine lange bewährte Tradition, dass dies nicht durch einen privaten Vertreter erfolgt, sondern durch einen eigenen, gesonderten Rechtsanwalt, wenn man so will, aber beamteten Anwalt im Rahmen der Behörde. Wenn Sie die Erläuterungen durchlesen: Seit dem 13. Jahrhundert haben wir diese Vertretung in ähnlicher Form organisiert, bereits seit dem Jahr 1851 in der Form der heutigen Finanzprokuratur. Nur in der Zeit zwischen 20. Juni 1939 und 20. Juli 1945 hat es die Prokuratur nicht gege­ben, jedoch wurde, ebenfalls aus gutem Grund, dieses Instrument nach dem Ende des Faschismus und mit der Wiedererrichtung der Republik wieder eingesetzt.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 107

Was sind die Vorteile? – Ich möchte es an einem Beispiel erläutern: Den AMIS-Fall haben wir hier oft genug diskutiert. Es gibt Tausende Geschädigte, die in der Situation sind, dass für sie einiges fraglich ist: Wie viel an Prozesskosten schieße ich vor? Wie sehr gehe ich jetzt bei ungewissem Ausgang in ein Verfahren hinein, in dem ich von der Gegenseite her naturgemäß eine hohe Abwehrhaltung erfahre?

Eine private Anwaltskanzlei muss, wenn sie als Beklagten die Republik Österreich oder die Finanzmarktaufsicht vertritt, alles tun, um die Gegenseite möglichst daran zu hindern, es in einem Verfahren einfach zu haben. Sie würde daher nicht – wie die Pro­kuratur – hergehen und unter Rücksichtnahme auf die Probleme der Anleger Verjäh­rungseinredeverzichte abgeben. Sie würde auch nicht sagen: Führen wir nur die Mus­terverfahren durch, weil so möglichst geringe Kosten anfallen, auch für dich als Anle­ger, sodass du dranbleibst.

Die Finanzprokuratur bemüht sich, sofort – unter Einbeziehung der Masseverwaltung in Österreich, der Masseverwaltung in Luxemburg – alle an einen Tisch zu bringen, dass wir in einem freiwilligen Interessenausgleichsverfahren auch darauf achten, möglichst zu einer Einigung zu kommen, mit der alle leben können. Das ist ein Beispiel dafür, wie eine Prokuratur im besten Sinn des Wortes bester Anwalt nicht nur der Republik, son­dern auch der Steuerzahlerin und des Steuerzahlers, der Bürgerin und des Bürgers ist.

Oder ein anderes Beispiel: Kaprun. Die Auseinandersetzung mit Geschädigten kann nicht nur so geführt sein, wie das bei einem Parteienvertreter normal ist – ich weiß das, weil ich selbst zweieinhalb Jahrzehnte lang als solcher tätig war –, nämlich einseitig nur zugunsten einer Seite, sondern da geht es darum, mit dem Blick aufs Ganze Lö­sungen zu finden, die für den öffentlichen Haushalt tragbar sind, die aber auch Lösun­gen sind, die endgültigen Rechtsfrieden herstellen. Auch in Sachen Kaprun ist gute Arbeit gemacht worden. Dieses Gesetz ist die Voraussetzung dafür, dass diese gute Arbeit auch künftig weitergehen kann und soll, und es ist ein wichtiger Beitrag dazu, dass wir die Modernisierung der Prokuratur voranbringen.

Es gab eine lange Diskussion darüber: Wie schaut es mit dem Beratungsmonopol aus? Ich sage es ganz ehrlich, nachdem ich selbst als Abgeordneter dieses Hauses oft ge­nug Kritik geübt und Anfragen zu diesem Thema gestellt habe: Wie viel Honorar fließt denn für externe Beratung hinaus? Kann das nicht im Rahmen des öffentlichen Diens­tes gemacht werden? – Wir haben diese Anfragen gemacht, und daraus haben wir eines gelernt: Der Anspruch, dass die öffentliche Hand auch im Bereich der Rechtsbe­ratung in ihren eigenen Dienststellen kompetitiv tätig ist, erfordert eine solche Reform. Wir versetzen mit diesem Gesetz die Prokuratur in die Lage, das auch in den nächsten Jahrzehnten hervorragend qualifiziert zu machen, und – das war ein Ergebnis der Verhandlungen – wir schließen im Einzelfall nicht aus, dass ein Ministerium auch einen anderen Anwalt, weil er in der Sache spezialisiert ist, heranzieht. Das ist gut und richtig so.

Wir haben im Ausschuss Probleme mit dem Wörtchen „bereits“ gehabt; ich weise auf § 3 Abs. 2 hin. Ich glaube, hier bahnt sich eine entsprechende Lösung an. Wir haben im Ausschuss auch ein zweites Kapitel diskutiert – das möchte ich hier nicht verheimli­chen –, und zwar die Frage: Ist es nicht gescheit, jene angedachte Reform im Gehalts­schema vorzuziehen, die im Rahmen der Dienstrechts-Novelle sowieso stattfinden wird? – Wir haben uns lange darum bemüht, auch unter Mithilfe der Experten: Können wir das nicht vorziehen und heute schon in einem Abänderungsantrag gestalten?

Der Grund für die Nichteinbeziehung des neuen Besoldungsschemas ist nicht die Neu­wahl, der Grund ist ein anderer: Im Gesamtsystem der Besoldung gibt es eine Reihe besonderer Dienststellen mit einer besonderen Herausforderung; ob das die Justiz und die Richter sind, ob das die Staatsanwälte sind, es gibt da eine Reihe von Bereichen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 108

In dem Moment, in dem man einen Bereich vorzieht, erschwert man die Gesamtreform, die ohnehin – und zwar unabhängig von der Frage der Nationalratswahlen – von der Regierung und vom Parlament, sei es auch in neuer Zusammensetzung, gelöst werden muss. Das ist in Wirklichkeit der Grund dafür, dass die Besoldungsreform in der Proku­ratur heute noch nicht beschlussfertig ist. Es bestünde sonst die Gefahr, dass man jetzt einen Vorgriff macht, der, wenn Sie so wollen, Ergebnisse einer Dienstrechtsreform, die stattfinden muss, bereits vorbestimmt und damit den Bewegungsspielraum für künf­tige Verhandlungen einschränkt.

Ich weiß, für den Präsidenten der Prokuratur ist die Situation nicht einfach. Er muss qualifiziertestes Personal nachbesetzen, er investiert viel Geld in die Ausbildung – denn in unserer Prokuratur sind wirkliche Spitzenleute tätig – und ist gleichzeitig im al­ten Schema gefangen. Ich bitte um Geduld für die Monate, die es dauert, bis wir diese Dienstrechtsreform durchführen können, in welcher Zusammensetzung auch immer.

Fair wäre es nicht, diesen Teil zu prädisponieren, wenn er noch nicht endgültig – wenn man so will – fix ist. Das ist er noch nicht! Ich bitte, in diesem Sinne die grundvernünf­tige Position des neuen zuständigen Staatssekretärs Mag. Schieder durchaus wohlwol­lend zur Kenntnis zu nehmen. Er sagt mit dem Blick aufs Ganze: Bitte, machen wir das wie vereinbart zusammen mit der großen Dienstrechtsreform.

Ich glaube, dass die Prokuratur den Anwälten kein Geschäft wegnehmen wird. Ich ver­stehe, dass in diesem Haus, in dem natürlich auch viele Anwälte sind, die Angst be­steht, dass mit dem Gesetz eine Situation geschaffen wird (Abg. Dr. Fichtenbauer: „Angst“ ist der falsche Ausdruck!), in der ein Teil möglicher Umsätze mit der öffentli­chen Hand wegfällt. Ganz ehrliche Antwort, Herr Abgeordneter – meine erste habe ich im Ausschuss gegeben, ich wiederhole sie auch hier –: Auch ich bin lange hier geses­sen. Man ist in der Situation, dass man einen Berufsstand sehr gut kennt, immer dazu verführt, durchaus bis ins Detail zu sehen, was sich negativ entwickeln könnte. Es bedeutet ein hohes Maß an Selbstdisziplin, diesen Teil in seinem Hirn – man lebt ja in seinem freien Beruf – auf die Seite zu geben und ihn ganz nüchtern zu sehen.

In diesem Sinne appelliere ich an alle Anwälte in allen Reihen, die sich vielleicht nicht ganz leicht tun: Ich glaube, es ist ein wirklich guter Kompromiss! Im Bereich des Bun­des tritt die Prokuratur als Erstes auf. Bei Kollisionen ist klar, dass zuerst die gesetz­liche Vertretung greift und daher mögliche sonstige Mandanten der Prokuratur nicht be­treut werden können; das kann man nicht anders lösen. Im Bereich anderer Gebiets­körperschaften ist aber der Rechtsanwaltstarif zur Anwendung zu bringen – bei Ge­meinden und Ländern –, und dort ist die Finanzprokuratur einfach ganz normal eine weitere Rechtsanwaltskanzlei, die beauftragt werden kann.

In diesem Sinne kann ich den Kolleginnen und Kollegen aus dem Rechtsanwaltsbe­reich nur sagen: Keine Angst vor einer normalen Marktwirtschaft! Das kennen wir alle: Wir müssen uns um ein Mandat bewerben. Es ist die gleiche Honorarordnung, die dem zugrunde liegt, und wenn man gute Arbeit macht, habe ich überhaupt keinen Zweifel, dass gute Anwältinnen und gute Anwälte in dem Fall sagen: Da bin ich schneller, fixer und vielleicht sogar billiger als die Prokuratur. Aber dieser Bereich sollte zulässig blei­ben. In diesem Sinne verstehe ich, dass viele Abgeordnete sagen: Das ist eine Erwei­terung der Möglichkeiten, das ist kein Zwang und eine nicht so schlechte Lösung.

In diesem Sinne würde ich es begrüßen, wenn wir dieses Gesetzesvorhaben heute er­ledigen können. Sonst würden wir für viele Monate die Chance auf weitere Neustruktu­rierung der Prokuratur hintanstellen. Ich würde mich freuen, wenn das Gesetz heute schon die Zustimmung finden könnte. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.56



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 109

Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Abgeordneter Tamandl das Wort. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.56.07

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich möchte an die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs an­schließen und Herrn Präsidenten Peschorn auch danken, einerseits für sein Engage­ment und auch für seine Akribie, jetzt für dieses Gesetz zu werben. Natürlich sind auch wir jetzt hier in der Ziehung, auch aufgrund des Rechnungshofberichtes, weil es nicht so sein kann, dass der Rechnungshof, den wir ja ernst nehmen, Empfehlungen gibt, dann aber einige dieser Empfehlungen gar nicht umgesetzt werden können, sofern es nicht zu dieser Reform kommt. Das heißt: Danke für Ihre Arbeit! Es hat sich ja schon im Rechnungshofbericht gezeigt, wie viele Fälle Sie mit Erfolg beenden können. Das halte ich wirklich für einen sehr guten Ansatz, und ich hoffe auch, dass wir dieses Gesetz heute verabschieden können.

Aber ich muss schon zu Herrn Kollegen Fichtenbauer und natürlich auch zu Herrn Kol­legen Weinzinger Folgendes sagen. Ich selbst komme auch aus der Steuerberatung. Sie haben schon im Ausschuss gesagt, Herr Kollege Weinzinger: Na ja, da könnte sich ja der Staat auch eine Steuerberatungskanzlei oder eine Wirtschaftsprüfungskanzlei halten, und das tut er nicht.

Aber der Herr Staatssekretär hat es richtig festgestellt – ich habe es schon damals im Ausschuss zu meinem Nachbarn hingeflüstert, der Herr Staatssekretär hat es dann ge­sagt –: Natürlich hat der Staat auch eine Steuerberatungskanzlei, nämlich die Bun­desbuchhaltungsagentur – diese haben wir selbst in der vergangenen Legislaturperi­ode beschlossen –, und der Staat hat auch eine Wirtschaftsprüfung. (Staatssekretär Dr. Matznetter: Den Rechnungshof!) Das ist nämlich der Rechnungshof; danke fürs Einflüstern, aber ich habe es gewusst. – Das heißt, wir haben das. Darum denke ich mir, wir müssen da nicht Unwahrheiten verbreiten. (Abg. Lutz Weinzinger: Das hat das Parlament! – Abg. Dr. Graf: Die Wirtschaftsprüfung hat das Parlament!)

Dazu muss man natürlich auch noch sagen: Herr Kollege Fichtenbauer, irgendwie ha­ben Sie sich heute entlarvt als FPÖ! Ich weiß, Sie bauen sich schon auf. Aber nur: Sie sind immer für die Kleinen (Abg. Dr. Graf: Wir haben uns als FPÖ entlarvt, das ist ganz richtig, ja!), Sie sind für den kleinen Mann auf der Straße, Sie sind für die kleinen Un­ternehmen. Aber in dieser Frage, in der vielleicht 20 Kanzleien davon betroffen sind, dass sie Aufträge vom Bund nicht nur erhalten, sondern sie auch durchführen können, da haben Sie sich heute entlarvt. Denn Sie kämpfen für ein paar Große! Wir wissen ganz genau ... (Abg. Dr. Fichtenbauer: Ich habe mich nicht „entlarvt“, sondern Sie ver­stehen den Grundsatz der freien Berufe nicht!)

Ich bin auch für die freien Berufe, weil das mein Arbeitgeber ist. (Abg. Dr. Fichten­bauer: Der Arbeitgeber!) Aber ich möchte Ihnen eines sagen. Sie werfen uns immer Lobbyismus vor, Sie werfen uns Lobbyismus für die Industrie, für die Großbetriebe und für die große Wirtschaft vor. Was Sie hier heute und auch im Ausschuss getan haben, das, muss ich sagen, trifft in diese Richtung! Sie sind eben nicht die Vertreter der kleinen Unternehmen, weil eine kleine Rechtsanwaltskanzlei diese Aufträge oft nicht einmal annehmen und bekommen kann. Das ist eine Sache, in der ich sage: Da sind Sie in dieser Formulierung unglaubwürdig. (Abg. Dr. Fichtenbauer: Sie verstehen nicht ...!)

Wie gesagt, ich appelliere an Sie, dass wir heute dieses Gesetz beschließen, sodass Herr Präsident Peschorn auch die restlichen Empfehlungen des Rechnungshofes er­folgreich umsetzen kann. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.59



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 110

Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Ich erteile Ihnen das Wort.

 


13.59.16

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Das ist eben der Unterschied in der Argumentation zwi­schen uns – das muss man so festhalten –, dass Sie schlichtweg die Grundbegriffe eines freien Berufsstandes in Wirklichkeit nicht erkennen wollen. So sage ich es jetzt einmal. Es gibt nun einmal den freien Berufsstand, und dieser ist seit Implementierung nach dem Jahre 1848 de facto immer in Bedrängnis gewesen, sei es vom Kammer- und Sozialstaat, von der Obrigkeit oder von wem auch immer. Er war bis zu einem gewissen Grad auch immer ein lästiger Berufsstand.

Wenn man heute hergeht – und das ist für mich das wirklich Frappante: es braucht auch immer die Freiberufler, um Freiberufler umzubringen; das nennt man in anderer Sprache: „das eigene Nest “ – und eine staatliche Organisation in den Wettbewerb setzt mit einem freien Berufsstand, dann brauchen wir gar nicht wirklich nachzudenken, um zu wissen, wer diesen Wettstreit im Wettbewerb gewinnt.

Und dass eine staatliche Institution nach anderen Mechanismen funktioniert, wird ja wohl in diesem Hohen Haus niemand bestreiten. Wie funktioniert denn dort die Posten­vergabe in der Regel, wie wir als gelernte Österreicher wissen? – „Ganz sicher nach Kriterien, die ein freier Berufsstand an sich hat!“, werden Sie mir jetzt sagen, so nehme ich an. – Ich sage Ihnen, es wird nicht so sein!

Wie funktioniert das am Ende? – Na selbstverständlich, wenn man die Kompetenzen in einer Hand bündelt, dann ist es gar nicht so schwer, auch fachlich relativ und sehr gut zu sein. Und natürlich wird die Finanzprokuratur auch gute Arbeit leisten – es sagt ja niemand, dass das nicht so wäre. Aber am Ende gibt es den Sog zur staatlichen Agen­tur! Ganz selbstverständlich wird es den geben, und es wird kaum mehr Aufträge ge­ben, die im Wettbewerb vergeben werden.

Es stimmt ja überhaupt nicht, dass nur große Kanzleien in der Lage sind, diese abzu­arbeiten! – Daran sieht man ja schon, dass Sie sich überhaupt nicht profund damit be­schäftigt haben, weil Sie sich offensichtlich die derzeitigen Auftragsvergaben im Be­reich der Gemeinden gar nicht angesehen haben.

Das Ganze zu vergleichen mit der Bundesbuchhaltungsagentur ist überhaupt die größ­te Chuzpe! (Abg. Tamandl: Ich habe es nicht verglichen!) Zu sagen, dass man dort einen Steuerberater des Bundes hat!? – Man muss ja einmal davon ausgehen: Was hatte man denn bis dahin? – Bis dahin hatte man in jedem Ministerium eine Buchhal­tungsabteilung! – Und diese hat man zusammengefasst. Das ist ja ganz etwas anderes als das, was jetzt hier passiert: Da ist es schon ausgelagert, und man holt das jetzt in Wirklichkeit in der ersten Tranche herein! – Genau das ist es. Und dann kommt es auch zu diesem Sog.

Dass die Rechtsanwälte seit 1945 – vielleicht sogar schon länger – permanent in ihren Befugnissen eingeschränkt wurden, zeigt ja schon alleine der Umstand, dass sich Hinz und Kunz – überhaupt, wenn die Republik Österreich dabei ist – „Anwalt“ nennen darf: „Patientenanwalt“, „Volksanwalt“ und weiß Gott, was es noch alles gibt! Es ist doch ohnedies schon jeder ein „Anwalt“! Es ist ja nicht einmal mehr ein Markenzeichen übrig geblieben – nur „Rechtsanwalt“ dürfen sie sich nicht nennen.

Von den Berufsfeldern wurde scheibchenweise mit jeder Legislaturperiode ein Feld ab­getrennt: die Vertretungsbefugnis im Arbeits- und Sozialgericht, die Vertretungsbefug­nis in Insolvenzangelegenheiten, und, und, und – scheibchenweise sind der angeblich noch freie Wettbewerb und der Markt weggenommen worden.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 111

Das interessiert natürlich alle Anwälte und Rechtsanwälte nicht, die in Wirklichkeit be­auftragt werden von der Staatsnahen und von ähnlichen Institutionen. Die sind natür­lich dafür! Die sind ja auch dann am Ende diejenigen, die sich willfährig zur Verfügung stellen und sagen: Ist ja eh nicht so schlimm!, Ist ja nur ein kleiner Teil!, und Ähnliches mehr. – Aber es ist die nächste Scheibe, die abgeschnitten wird vom freien Berufs­stand.

Das ist ja nicht nur bei den Rechtsanwälten zu bemerken, es geht ja bei den Ärzten weiter! Überall ist es doch zu erkennen – egal, wo man hinsieht –, dass dieser freie Be­rufsstand ein Dorn im Auge der Obrigkeit ist. – Dass das in Wirklichkeit immer Doktrin der SPÖ gewesen ist, wissen wir, und es ist auch nicht wirklich verwunderlich. Dass jetzt aber die Bürgerlichen auch auf diesen Karren aufspringen, das ist verwunderlich! (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist der weitere Schritt zum Abgesang, um den freien Berufsstand in Wirklichkeit zu vernichten. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.04


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Abgeordnetem Mag. Gaßner das Wort. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.05.00

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! Als Ergebnis der Hektik hinter dem Rednerpult darf ich folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Günter Stummvoll, Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage 609 d.B., in der Fassung des Ausschussberichtes 647 d.B. betref­fend Bundesgesetz über die Finanzprokuratur (Finanzprokuraturgesetz – ProkG)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der im Titel bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

In § 3 Abs. 2 wird das Wort „bereits“ gestrichen.

*****

So weit der Abänderungsantrag. (Abg. Dr. Graf: Den haben Sie uns nicht 24 Stunden vorher geschickt! Diesen „schwierigen“ Antrag! – Staatssekretär Dr. Matznetter – in Richtung Abg. Dr. Graf –: Ich bin Zeuge, dass ihr es gewusst habt!) – Der „Schwierig­keit“ bin ich mir natürlich ganz bewusst. Aber, Herr Kollege, Sie haben sich ja ohnedies gerade in die Rednerliste hineingedrängt und mit einem Ohr mitverfolgt, wie hektisch verhandelt wurde.

Zum Prokuraturgesetz: Ich glaube, die Finanzprokuratur ist ja nichts Neues. Sie soll nur auf neue Füße gestellt werden. Und der Bund hat sicher das Recht, sich ein Organ zu schaffen, um hier bestens beraten und auch vertreten zu sein.

Ich war ganz begeistert – Sie werden es verstehen –, als Bürgermeister hier zu lesen, dass auch die Gemeinden sich in Zukunft der Finanzprokuratur bedienen können. – Wunderbar! Ich dachte mir: Endlich ein Organ des Bundes, das auch den Gemeinden hilft! – Na ja, helfen werden sie uns schon. Ich war dann auch ganz begeistert, als ich im Vorblatt unter „Finanzielle Auswirkungen“ gelesen habe:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 112

„... werden die Länder und Gemeinden sowie alle anderen von diesem Bundesgesetz genannten Rechtsträger auch zukünftig durch die Kosten für den Personal- und Sach­aufwand nicht belastet ...“

Na, fein! – Dann lese ich aber im § 8 Abs. 3, dass gerade die Gemeinden sehr wohl marktkonforme Gebühren und Abgaben beziehungsweise einen marktkonformen Preis zahlen müssen.

Jetzt taucht für mich natürlich als Gemeindevertreter die Frage auf: Ist es da wirklich gescheiter, zur Finanzprokuratur zu gehen? Denn: Mit denen werde ich wahrscheinlich keine Absprachen über den Preis treffen können, sind sie doch ein Organ des Bundes! Jetzt werden vielleicht ein paar sagen: Das geht doch nicht, und das ist ungesetzlich!, aber sehr wohl ist es gängige Praxis, sich mit einem Anwalt des Vertrauens über die Vertretung über längere Zeit einen ordentlichen Preis auszumachen. (Abg. Dr. Graf: Das ist eh gesetzeskonform: Preisverhandeln darf ich!) Daher bin ich mir jetzt gar nicht mehr so sicher, ob ich diesem Antrag zustimmen soll oder nicht.

Eines ist allerdings schon klar: Im Budget wird es hoffentlich zu Einsparungen kom­men. Nur: Wie Herr Kollege Ikrath auf die 1,4 Millionen € bis ins Jahr 2012 kommt, frage ich mich gerade unter dem Aspekt, dass die Finanzprokuratur ja auch mit mehr und besseren Fachkräften ausgestattet werden soll und ein neues Besoldungssystem geschaffen werden soll! Das ist auch korrekt, das hätte gemacht werden müssen dazu. Es ist aber leider nicht mehr dazu gekommen, weil die ÖVP aus der Koalition geflüch­tet ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Fichtenbauer: „Was sollen wir jetzt machen?“ – Die Abgeordneten Dr. Fichtenbauer und Dr. Graf: Hätten Sie unserem Rückverweisungsantrag zugestimmt! – Staatssekretär Dr. Matznetter: Der Dr. Fichten­bauer übernimmt die Vertretung für Schwertberg?)

14.08


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jakob Auer. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.08.42

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Standort bestimmt offensichtlich den Standpunkt! Diesen Eindruck hat man, wenn man dem Kollegen Fichtenbauer und den anderen Kollegen zugehört hat.

Herr Kollege Fichtenbauer, sagen wir ein bisschen freundlich – ich möchte nicht sagen „spöttisch“: Da sehen Sie das große Herz der Gemeinden, welches hier vom Bund ver­ordnet wurde, dass wir als Gemeinden Ihnen oder Ihren Standesvertretern auch wei­terhin die Tarife so zu zahlen haben, wie Sie sich das vorstellen (Abg. Dr. Graf: Das ist ja zynisch!) – weil wir auf der untersten Ebene leider, wie es Kollege Kurt Gaßner zu Recht gesagt hat, wieder einmal ein bisschen nachteiliger behandelt werden. – Aber sei’s drum! Wichtig ist mir, dass wir so wenige Streitfälle wie möglich haben, dann wird sich das Honorar auch in mehreren Jahren in Grenzen halten.

Wie auch immer! Man kann, glaube ich, durchaus einmal festhalten: In Österreich ist es offensichtlich Mode, dass man sich gegen die Bürokratie, gegen Beamte, gegen derartige Institutionen immer sehr kritisch äußert. Man findet damit bei jeder Diskussion sofort Applaus. Tatsächlich wird diese Diskussion aber zu Unrecht negativ geführt. Jene Firmen, Institutionen, auch Banken, die im Ausland zu tun haben, und sei es nur in der Bundesrepublik Deutschland, sehnen sich nach der Rechtsordnung, nach den klaren Bestimmungen und nach der hervorragenden Beamtenschaft, wie sie in Öster­reich gegeben sind. Das ist unbestritten: Wir sind in Österreich da tatsächlich hervorra-


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gend bedient und unterstützt! – Das sei auch einmal festgehalten. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Niederwieser.)

Meine Damen und Herren, man könnte sagen: Es ist zu diesem Gesetz zwar schon alles gesagt, nur nicht von mir! – So einfach möchte ich es mir nicht machen. Ich möchte auch dem Präsidenten der Prokuratur sehr herzlich Danke schön sagen und zum Werden dieses Gesetzes gratulieren, aber dann vielleicht doch ein paar Dinge an­sprechen.

Weil ja gerade Ihre Fraktion (in Richtung FPÖ) – zu Recht, sage ich – sehr oft den Rechnungshof als jene Institution darstellt, die für uns das wichtigste Instrument hier im Parlament ist: Was sagt der Rechnungshof? – Er streicht die Bündelung von Prozess­vertretung und Beratungskompetenz positiv hervor; dass die Finanzprokuratur als Be­standteil der Bundesverwaltung mit den Verwaltungsabläufen und dem Verwaltungs­aufbau bestens vertraut ist und man sich hier als Einschreiter nicht zeitaufwendige In­formationen besorgen muss. Weiters: Die Finanzprokuratur arbeitet nicht gewinnorien­tiert und eröffnet die Möglichkeit, dass in aussichtslosen Fällen prozessvermeidend und damit kostensparend im Interesse des Mandanten agiert wird. (Abg. Dr. Graf: Aber geh! Das stimmt ja nicht!)

Meine Damen und Herren! Die Finanzprokuratur wird hier vonseiten des Rechnungs­hofes sehr positiv dargestellt. (Abg. Dr. Graf: Das ist ja nur, weil der Moser selber ein Beamter ist!) Daher stimmen wir diesem Gesetz gerne zu. Es hat allerdings Kollege Rossmann recht: Es wäre dringend notwendig – auch wenn es begründet wurde, war­um das jetzt nicht vorgezogen wird –, die Möglichkeit der besseren Bezahlung zu schaffen, denn: Wenn wir Experten haben wollen, Experten und Fachleute brauchen – und das ist unbestritten –, dann werden wir uns gerade beim Gehaltsschema, bei der Bezahlung dringend etwas anderes einfallen lassen müssen, ansonsten werden diese Experten und Fachleute immer abgeworben werden.

Damit ich es nicht vergesse, meine Damen und Herren: Nachdem ich mit Herrn Staats­sekretär Matznetter, solange er in Opposition war, sehr oft durchaus einige Sträuße ausgefochten habe, möchte ich ihm ausdrücklich Danke schön sagen für die hervorra­gende Arbeit als Staatssekretär. Sie war kompetent, sie war zuverlässig und seriös. Und das sei auch angesichts einer Partei, die jetzt offensichtlich Schwierigkeiten hat in der Koalition (Abg. Dr. Graf: Die in Opposition steht!), einmal gesagt.

Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär Matznetter! Herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Der Präsident Moser ist gefärbt davon, dass er selber ein Beamter ist! Unter einem Broesigke hätte es das nie gegeben! – Abg. Dr. Fichtenbauer – in Richtung des Abg. Jakob Auer –: Ich wün­sche ein Mal die richtige Erfahrung! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen den Ab­geordneten Dr. Graf und Jakob Auer.)

14.12


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zunächst gebe ich bekannt, dass der von Herrn Abgeordnetem Gaßner eingebrachte Abänderungsantrag Stummvoll, Krai­ner ordnungsgemäß eingebracht ist, ausreichend unterstützt ist und daher mit in Ver­handlung steht.

Als nächster Rednerin erteile ich Frau Abgeordneter Hagenhofer das Wort. 2 Minu­ten. – Bitte.

 


14.12.56

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es ist unter uns allen unbestritten, dass die Bediensteten und die Anwälte der Finanzprokuratur eben durch ihre Arbeit


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diese Finanzprokuratur sozusagen zu einem hervorragenden Anwalt des Staates ge­macht haben.

Es ist aber auch unbestritten, dass genau diese Finanzprokuratur, die ja eigentlich ihre Wurzeln im 13. Jahrhundert hat, jetzt auf neue Beine gestellt werden soll, weil sie den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht werden können wird müssen.

Wesentlich bei der Novelle ist natürlich – und das ist auch der große Streitpunkt –, dass für diese neue, moderne Dienstleistungseinrichtung, wie sie die Finanzprokuratur werden soll, auch die Einführung der obligatorischen rechtlichen Beratungsbefugnisse für die Finanzprokuratur gegenüber dem Bund gegeben ist, und das ist besonders wichtig. Denn, liebe Kollegen von der Freiheitlichen Partei, ich verstehe, dass Sie für die freien Berufe eintreten, aber: Nicht alles, was Beamte machen, ist schlecht! (Abg. Dr. Graf: Das sagt ja niemand!) Ich weiß schon, dass Sie das nicht gesagt haben, aber das muss man auch zugestehen, dass auch der Staat etwas führen kann, das für alle zur besten Zufriedenheit führt. (Abg. Dr. Graf: In zehn Jahren privatisieren wir sie!)

Wenn ich an die Zeit des Finanzministers Grasser zurückdenke, dann muss ich darauf hinweisen: Damals hat es besonders exzessive Beratungszukäufe gegeben – neben den Beamten, den guten Beamten, die wir gehabt haben! (Abg. Dr. Graf: Aber das hat ja mit der Finanzprokuratur nichts zu tun!) Und wenn das eingeschränkt werden kann, weil man den Bediensteten jetzt das Recht in die Hand gibt, dann soll das so sein. (Abg. Dr. Graf: Das hat ja mit der Finanzprokuratur nichts zu tun!)

Ein Wermutstropfen ist auch für mich, dass das Besoldungssystem nicht nachgezogen oder nicht gleichgezogen worden ist, weil den Bediensteten das einfach zusteht, wenn sie ordentliche, perfekte Arbeit leisten, dass sie sich auch im Sinne des Gehaltes mit der Privatwirtschaft messen können. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Weil der Grasser einen Blödsinn macht, braucht man nicht das Finanzminis­terium zuzusperren!)

14.15


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Ing. Schultes mit einer Redezeit von 3 Minuten. – Bitte.

 


14.15.14

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätztes Hohes Haus! Die Finanzprokuratur als Ein­richtung des Staates gehört zu den Guten. Sie gehört zu denen, die dem Staat zu seinem Recht verhelfen, und das ist, glaube ich, eine ganz wesentliche Grundlage dafür, dass unser Glaube an den Staat überhaupt erhalten bleibt, in einer Zeit, in der sehr viele den Staat auch ein bisschen so als Selbstbedienungsladen sehen, nach dem Motto: Solange es die anderen zahlen, ist mir alles recht; und was der Staat zahlt, das steht mir auch zu!

Es ist schon ganz richtig, dass der Staat, unsere gemeinsame Einrichtung, dort, wo es darauf ankommt, auch wirklich dafür sorgt, dass es rechtmäßig zugeht, und so dafür sorgt, dass es nicht darum geht, lange Prozesse zu führen um des Prozesses willen – weil eben jemand davon lebt –, sondern rasch zu Lösungen zu kommen, weil der Bür­ger Klarheit braucht und klare Lösungen eben wichtig sind im Sinne eines guten Funk­tionierens unseres Gemeinwesens.

Für die Finanzprokuratur geht es also darum, Probleme zu lösen – und nicht den Pro­zess zu verlängern. Und das ist etwas, das für all jene, die die Finanzprokuratur beauf­tragen, eine wichtige Grundlage der Entscheidung ist.

Weil jetzt der Rechnungshof die Finanzprokuratur durchleuchtet hat und gesehen hat, dass sie gut funktioniert, muss man zuerst einmal den Mitarbeitern und der Führung,


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auch dem Dr. Peschorn, recht herzlich Danke dafür sagen, dass diese Einrichtung des Staates so gut beurteilt wird.

Dass in der heutigen Zeit alles schlanker organisiert werden kann, effizienter gemacht werden kann, das ist dabei herausgekommen. Unsere Aufgabe ist, das Gesetz dem­entsprechend anzupassen – nicht herumzutun und herumzunudeln, sondern etwas Or­dentliches zu beschließen.

Ich glaube, dass der alte Grundsatz „Strenge Rechnung, gute Freundschaft“ auch für die Finanzprokuratur gelten muss. Und ich kann Ihnen sagen: Ich kann Ungerechtigkeit einfach nicht leiden. Ich bin sehr froh, wenn auch der Staat eine Einrichtung hat, die ihm dazu verhilft, dass es gerecht zugeht, denn auch die Staatsbürger haben im Um­gang mit dem Staat ein Recht darauf, Gleiches zu erleben.

Ich denke, Kompetenz und Fairness, das gilt für uns alle, das muss man auch gelten lassen. Der Rechnungshof hat das auch so gesehen. Und mehr Gerechtigkeit für uns und für den Staat ist für uns alle gut. (Beifall bei der ÖVP.)

14.17


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.17.52

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Staatsse­kretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, Gesetzgebung kann wahnsinnig spannend sein. Wir haben im Finanzausschuss ausführlich beraten, haben dann im Fi­nanzausschuss vereinbart, dass wir bis zur zweiten Lesung ebenfalls noch auf Beden­ken eingehen – das haben wir alles gemacht bis zuletzt. Wir haben hier, glaube ich, ein schönes neues Gesetz zur Beschlussfassung vorliegen. Ich bedanke mich bei allen, die bis zuletzt daran mitgewirkt haben, dass diese Beschlussfassung möglich ist.

Ich bin aber auch so ehrlich zu sagen, dass wir ein Problem noch nicht gelöst haben, nämlich: Wir haben jetzt zwar ein schönes Gesetz, aber wir haben noch nicht jene Rahmenbedingungen, die sicherstellen, dass für jene Personen für den Anwaltsdienst, die gemäß Erläuterungen im heurigen Jahr und im nächsten Jahr aufgenommen wer­den sollen – insgesamt zwölf Bedienstete –, die Bedingungen auch so attraktiv sind, dass sie der Herr Präsident auch auf dem Markt finden wird.

Man kann dieses Problem aber natürlich nicht isoliert lösen. Ich habe mit unserem Kollegen Fritz Neugebauer gesprochen, der auch mit dem zuständigen Staatssekretär über den Sommer diesbezüglich Gespräche angekündigt und vereinbart hat, weil wir natürlich für den gesamten Bundesdienst das Problem haben: Wie können wir durch Umschichtungen, durch Reformen des Besoldungsschemas so attraktive Rahmenbe­dingungen schaffen, dass wir für diese hoch qualifizierten Tätigkeiten auch entspre­chend hoch qualifizierte Personen finden? – Das ist noch offen, das ist die Arbeit für den Herbst.

Ich wünsche Herrn Kollegem Fritz Neugebauer und dem Herrn Staatssekretär gutes Gelingen über den Sommer, damit wir dann nicht nur ein schönes Gesetz haben, sondern auch die Rahmenbedingungen gut sind. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Fichtenbauer: Herr Neugebauer! Die Betonmischmaschine nicht ver­gessen! – Abg. Dr. Graf: So nennt man das jetzt, wenn man sechs Rote und sechs Schwarze sucht!)

14.19


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemel­det.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 116

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zu den Abstimmungen.

Zunächst ist über den eingebrachten Rückverweisungsantrag abzustimmen.

Hinsichtlich des Gesetzentwurfes in 609 der Beilagen liegt ein Rückverweisungsantrag des Abgeordneten Dr. Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür eintreten, den Entwurf betref­fend ein Bundesgesetz über die Finanzprokuratur (Finanzprokuraturgesetz – ProkG) in 609 der Beilagen an den Finanzausschuss zurückzuverweisen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen somit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 609 der Beilagen.

Hiezu liegt ein gemeinsamer Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Krainer, Kolleginnen und Kollegen vor, der sich auf § 3 des Gesetzentwurfes bezieht.

Da nur dieser eine gemeinsame Antrag gestellt wurde, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang unter Berücksichtigung des gemeinsamen Ab­änderungsantrages der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Krainer, Kolleginnen und Kolle­gen abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem vorliegenden Gesetz­entwurf zustimmen möchten, um ein Zeichen. – Das ist wiederum mehrheitlich. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

14.21.033. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (586 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Grundsteuergesetz 1955, das Alkoholsteuergesetz, das Biersteuergesetz 1995, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Tabaksteuerge­setz 1995, das Mineralölsteuergesetz 1995 und das IAKW-Finanzierungsgesetz geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2008) (648 d.B.)

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Wir kommen nun zum 3. Punkt der Ta­gesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. 4 Minuten Rede­zeit. – Bitte.

 


14.21.26

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Staatsse­kretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das vorliegende Abgabenänderungs­gesetz ist im Vergleich zu Abgabenänderungsgesetzen früherer Jahre, die sehr um­fangreich waren, eigentlich eine sehr kleine Novelle, sie enthält im Wesentlichen nur drei Änderungen.

Erstens werden bei den Verbrauchssteuern die Voraussetzungen für elektronische Verbrauchssteueranmeldungen geschaffen. Zweitens werden im Sinne der Abkommen mit internationalen Organisationen die entsprechenden Ausnahmen bei der Grundsteu-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 117

er geregelt. Drittens geht es darum, dass wir den Vertrag mit der Stadt Wien betreffend IAKW-Novelle hier auch in das Gesetz einbringen.

Das sind also keine sehr spannenden Dinge. Viel spannender, Herr Kollege Ross­mann, wird in den nächsten Wochen und Monaten werden, welche steuerpolitischen Perspektiven sich für die Zukunft ergeben. Da werden wir uns noch entsprechend im Wettbewerb dem Wähler stellen – gar keine Frage.

Ich darf nur sagen: Von allen Dingen, die mir besonders am Herzen liegen – daraus mache ich als Obmann des Finanzausschusses keine Mördergrube –, sind das erstens die Familien, zweitens der Mittelstand.

Bei den Familien wird es darum gehen, wie wir sicherstellen können, da es sehr wohl ein Unterschied ist, ob ein Einkommen für eine Person reichen muss oder ob von einem Einkommen vier, fünf oder sechs Personen leben müssen. Wir treten, egal, wie man das bezeichnet, für ein ausgewogenes System von Absetzbeträgen für Kinder, von Freibeträgen und von der steuerlichen Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten ein.

Ich glaube, hier kann man ein Gesamtpaket schnüren, wo wir sagen: Okay, mehr Kin­der heißt weniger Steuer! Ich glaube, das ist ein Prinzip der Fairness, das wir für die Zukunft in der Steuerpolitik anwenden müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweitens: der Mittelstand. Sofort kommt die Frage: Wer ist Mittelstand? – Auch hier mache ich kein Geheimnis daraus: 45 Prozent aller Steuerpflichtigen zahlen heu-
te keine Lohn- und Einkommensteuer. Daher sind der Mittelstand automatisch jene 55 Prozent, die überhaupt Lohn- und Einkommensteuer zahlen. Das ist der Mittelstand. (Abg. Riepl: Gibt es auch einen Hochstand?) Und den müssen wir zweifellos entlasten.

Ich gebe gerne zu, Herr Kollege Riepl, dass es auch bei den unteren Einkommensbe­ziehern, die keine Lohn- und Einkommensteuer zahlen, gewisse Bedürfnisse gibt. Da­her haben wir ab 1. Jänner als Entlastungsmaßnahme die Arbeitslosenversicherungs­beiträge gesenkt.

Ich gebe gerne zu, wenn wir dort Probleme haben, so ist das kein Problem der Steu­erpolitik, sondern ein Problem der Sozialpolitik. Und dann ist der Herr Sozialminister – egal, wer das in Zukunft sein wird – aufgefordert, die soziale Treffsicherheit zu überprü­fen, denn immerhin hat das Sozialsystem 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Da ist viel Geld im System. Mag sein, dass es heute nicht überall effizient eingesetzt ist, aber das ist keine Aufgabe der Steuerpolitik, sondern eine Herausforderung für die Sozial­politik. Auch der wird sich die nächste Regierung, das nächste Parlament stellen müs­sen, meine Damen und Herren (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP), denn es kann nicht sein, dass wir sagen: Wir haben eine Sozialquote, die zu den höchsten in der EU zählt, und zusätzlich machen wir Sozialpolitik über die Steuerpolitik! Das kann es nicht sein. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Riepl: Wo endet für Sie der Mittelstand?)

14.24


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Bayr. Auch 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.24.32

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Das Abgabenänderungsgesetz umfasst auch die Finanzierung des Internationalen Amtssitz- und Konferenzzentrums, sprich: des Austria Center Vienna. Dieses Gebäude ist quasi die Manifestation der Bedeutung Wiens in der internationalen und multilatera­len Politik. Es steht für das Ansehen Wiens in der Welt. Es zeugt von der Lebensquali­tät, die Wien bietet, die ja immer wieder auch in internationalen Studien zu Tage tritt – erst zuletzt, als wir international den zweiten Platz in einem Lebensqualitätsranking


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 118

eingenommen haben. Es steht für viele wichtige hochqualifizierte Arbeitsplätze. Es ist der Kristallisationspunkt unterschiedlicher Kulturen, unterschiedlicher politischer Zu­gänge und der Ausdruck eines friedlichen Miteinander in Europa und in der Welt.

Diese Novelle beschäftigt sich auch mit der asbestmäßigen Sanierung dieses Gebäu­des, die läuft. Es freut mich natürlich auch als Umweltpolitikerin, dass wir aufgrund dieser Gesetzesnovelle künftig einer internationalen Schar von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gesunde, asbestmäßig sanierte Arbeitsplätze zur Verfügung stellen können. Es freut mich, dass diese Renovierungsmaßnahmen auch durchaus den Ruf der Umweltmusterstadt Wien weiter untermauern.

Wir werden dieser Novelle ebenfalls zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.25


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächstem erteile ich Herrn Abgeord­netem Mag. Rossmann das Wort. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.26.05

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Staatssekre­tär! Hohes Haus! Die Inhalte dieses mageren Gesetzes hat ja schon mein Vorredner, Herr Kollege Stummvoll, skizziert. Was überhaupt das IAKW-Finanzierungsgesetz im Abgabenänderungsgesetz 2008 verloren hat, da werden wir vielleicht einmal ein Priva­tissimum darüber machen müssen. (Abg. Dr. Stummvoll: Gerne!)

Die elektronische Steuererklärung für Verbrauchsabgaben ist okay, aber ich hätte mir schon erwartet, dass man sich auch im Gesetz über ein paar Details der Implemen­tierung äußert auf der einen Seite, und auf der anderen Seite gerade im Hinblick auf Plausibilitätskontrollen im Gesetz einige Bestimmungen festlegt.

Vor wenigen Tagen hatte ich Gelegenheit, bei einer Veranstaltung über die Vermö­genszuwachssteuer den Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts zu hören, der dort ge­sagt hat: Österreich ist jenes Land mit der schlechtesten Abgabenstruktur. – So hat er sich dort ausgedrückt.

Ich hätte mir daher erwartet, dass im Abgabenänderungsgesetz eigentlich nach zwei­jährigem Nachdenken oder nach eineinhalb Jahren – so lange war ja diese Regierung im Amt – etwas steht. Auch angesichts einer sehr kurzen Begutachtungsphase von acht Tagen – ich habe gedacht, da wird etwas ausgebrütet – hätte ich gedacht, dass ein wirkliches Abgabenänderungsgesetz eingebracht wird, dass das zum Inhalt hat, was Sie uns in den letzten Tagen und Wochen immer wieder erklärt haben, nämlich dass Sie etwas gegen die Teuerung, gegen die Inflation im Lande tun wollen.

Was tun Sie aber? – Nichts tun Sie! Sie haben das Ganze immer in das Jahr 2010 ver­legt. Auch jetzt kündigen Sie wieder an: Wir werden Gelegenheit haben, uns im Wahl­kampf zu deklarieren, was wir tun werden!

Wir von den Grünen haben uns längst deklariert. Ich habe im Übrigen am Dienstag hier im Rahmen der Erklärung zur Regierungsumbildung einen Entschließungsantrag ein­gebracht, in dem ich die Regierungsparteien aufgefordert habe, ihr Modell der Steuer­entlastung auszuarbeiten und einzubringen. Denn noch besteht ja die Chance: Wir haben am 24. September noch eine Plenarsitzung, da können Sie also unseren Wäh­lerinnen und Wählern rechtzeitig vor dem 28. September (Abg. Dr. Stummvoll: Ein Wahlgeschenk!) – ja, was auch immer, ein Wahlgeschenk – deklarieren, was Sie tun wollen. – Einerseits. (Abg. Dr. Stummvoll: Wir machen keine Wahlgeschenke!) – Das wäre nur das Einlösen von dem, was Sie in den letzten Monaten im Zusammenhang mit der Teuerung versprochen haben. Das können Sie tun – gemeinsam mit der SPÖ im Übrigen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 119

Ein Zweites: Wir haben gestern lange über den finanziellen Zustand der Gebietskran­kenkassen diskutiert. Wir wissen, dass einige davon im Herbst bankrott sein werden, wir wissen aber auch, dass keine Lösung zustande gebracht wird. Wir wissen auch, dass es zwischen den Regierungsparteien im März eine Einigung auf eine Vermögens­zuwachssteuer zur Finanzierung des Gesundheitswesens gegeben hat.

Was ist denn aus dieser Vermögenszuwachssteuer geworden? – Eigentlich sollte man ja sagen „Bewertungsgewinnsteuer“, denn es ist ja in Wirklichkeit nicht eine Besteue­rung des Vermögens, sondern es geht um Bewertungszuwächse, die zu besteuern sind.

Da erwarte ich mir etwas und werde diesbezüglich einen Entschließungsantrag einbrin­gen. Und auch da haben Sie noch einmal die Chance, rechtzeitig zu zeigen, dass Ihnen an der Sanierung der Gebietskrankenkassen und des Gesundheitswesens wirk­lich etwas liegt. Das kann ja wohl nur im Sinne aller hier im Saale Anwesenden und auch jener Abgeordneten sein, die nicht im Saal sind. Noch haben Sie Zeit.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend die im März von SPÖ und ÖVP angekündigte Vermögenszuwachssteuer (Capital Gains Tax)

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, dem Nationalrat bis spätestens 1. September 2008 eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die die Details zur paktierten Vermögenszuwachssteuer per 1.1.2009 beinhaltet.“

*****

(Beifall bei den Grünen.)

14.29


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Der soeben verlesene Entschließungs­antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit zur Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend der im März von SPÖ und ÖVP angekündigten Vermögenszuwachssteuer (Capital Gains Tax)

eingebracht im Zuge der Debatte über Bericht des Finanzausschusses über die Re­gierungsvorlage 586 d.B.: Bundesgesetz, mit dem das Grundsteuergesetz 1955, das Alkoholsteuergesetz, das Biersteuergesetz 1995, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Tabaksteuergesetz 1995, das Mineralölsteuergesetz 1995 und das IAKW- Finan­zierungsgesetz geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2008) (648 d.B.)

Im März 2008 wurde die Einführung einer Vermögenszuwachssteuer – u.a. nach Dar­stellung von Bundeskanzler Gusenbauer und Sozialminister Buchinger – zwischen der ÖVP und der SPÖ fix paktiert, umstritten war nur noch die Frage der Umsetzung. Es sollte hiermit eine Besteuerungslücke in Österreich geschlossen werden, und das Steueraufkommen sollte der Finanzierung des Gesundheitssystems dienen. Mit einer


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 120

Capital Gains Tax würde Österreich zu international weit verbreiteten Besteuerungs­standards von Kapitalerträgen aufschließen.

„Gusenbauer zu Vermögenszuwachssteuer: Zusätzliches Geld im Gesundheitssystem notwendig

Utl.: Buchinger: Einsparungspotentiale decken Finanzierungsbedarf nicht ab

Wien (SK) - "Es ist ganz klar vereinbart: Im Jahr 2008 wird es eine Einigung über die Gesundheitsreform in inhaltlicher, struktureller und finanzieller Hinsicht geben", erläu­terte Bundeskanzler Alfred Gusenbauer am Mittwoch im Anschluss an den Ministerrat im Pressefoyer. Hauptverband und Krankenkassen seien angehalten, Vorschläge zur Effizienzsteigerung und zu Einsparungen vorzulegen. "Diese Potentiale wollen wir na­türlich heben. Uns ist aber auch völlig bewusst, dass angesichts der finanziellen Si­tuation des Gesundheitssystems, zusätzliches Geld nötig sein wird", so Gusenbauer. Auch Sozialminister Erwin Buchinger bekräftigte diese Sichtweise. Damit stehe fest, dass die Vermögenszuwachssteuer kommen wird.()“

Auch die Aussagen von Regierungskoordinator BM Faymann lassen keine Zweifel über die Paktierung einer Vermögenszuwachssteuer zur Finanzierung des Gesund­heitswesen zu:

„() In Sachen Vermögenszuwachssteuer ortete Faymann keinen Widerspruch zwi­schen

SPÖ und ÖVP: "Die Vermögenszuwachssteuer ist ein fixer Bestandteil zur langfristigen Sicherung und Finanzierung des Gesundheitswesens und sei dringend notwendig, wenn man Leistungskürzungen und Beitragserhöhungen vermeiden wolle.“

Seit dieser Paktierung wurde jedoch von Seiten der SPÖ/ÖVP-Regierung kein konkre­tes Konzept erarbeitet, das dem Parlament zur Diskussion hätte vorgelegt werden kön­nen. Vielmehr führten die beiden Regierungsparteien eine mediale Auseinanderset­zung über die Deutungshoheit der im März paktierten Einführung der Vermögenszu­wachssteuer:

Zur Illustration:

Eine Aussendung des SP-Finanzstaatssekretärs Ende Juni betitelt der SPÖ-Presse­dienst so: „Matznetter: Spekulanten und Euro-Millionäre sollen Beitrag zur Finanzie­rung der Gesundheit leisten“. Krainer unterstützt Matznetter mit eigener Aussendung mit dem Titel: „Krainer: Vermögenszuwachssteuer unumgänglich - Zahl der Millionäre steigt in Österreich stark an / Utl.: Schere zwischen Arm und Reich geht immer stärker auf – Beitrag der Millionäre zum Gemeinwohl muss eingefordert werden“. ÖVP-Finanz­sprecher Stummvoll kontert postwendend via Presseaussendung theatralisch: „Stumm­voll an Krainer: SPÖ ist die Belastungspartei Österreichs / Utl.: Vermögenszuwachs­steuer ist Raub am Eigentum der Menschen“

Angesichts der dadurch aufgetretenen unterschiedlichen Interpretationen der Vereinba­rung fordern wir Klarheit über die Details der Besteuerung von Vermögenszuwäch­sen – insbesondere vor dem Hintergrund des bereits beschlossenen Auslaufens der Erbschafts- und Schenkungssteuer und der Ausweitung von steuerlichen Privilegien für die rund 3.300 Privatstiftungen in Österreich.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 121

„Die Bundesregierung und der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, dem Nationalrat bis spätestens 1. September 2008 eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die die Details zur paktierten Vermögenszuwachssteuer per 1.1.2009 beinhaltet.“

*****

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächstem erteile ich Herrn Abgeord­netem Weinzinger das Wort. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.30.19

Abgeordneter Lutz Weinzinger (FPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Meine Damen und Herren! Es werden nicht einmal 2 Minuten.

Eine Vorlage: Abgabenänderungsgesetz. – Kurz, bündig: Es wurde ausreichend dar­über gesprochen, es wurden auch Zukunftsvisionen gebracht.

Hoch geschätzter Obmann des Finanzausschusses! Die Worte hör’ ich wohl – und Sie hätten auch meine Unterstützung –, allein mir fehlt der Glaube. Wollen wir sehen, ob wir es vielleicht in den nächsten Jahre zustande bringen. Ihre Ziele sind auch meine Ziele. (Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Stummvoll.)

Ziel dieser Regierungsvorlage ist das Grundsteuergesetz 1955, die Gleichstellung der internationalen Organisationen mit Botschaften auf bilateraler Ebene bezüglich der Grundsteuerbefreiung. – Ja, kann man dazu nur sagen, vor allem, wenn man weiß, wer die internationalen Organisationen sind oder wenn man es sich vorstellen kann.

Alkoholsteuergesetz, Biersteuergesetz, Schaumweinsteuergesetz, Tabaksteuergesetz, Mineralölsteuergesetz. – Ich höre schon auf. Es gibt noch viele, viele, viele Steuerge­setze mehr. Aber im Bereich dieser Gesetze wird nun eine anwenderfreundliche elek­tronische Möglichkeit geschaffen, die Verbrauchssteueranmeldungen und -vergütun­gen vorzunehmen.

Die Anwendungsmöglichkeiten der Finanz Online-Verordnung 2006 in den einzelnen Verbrauchgesetzen werden verankert. – Auch dazu kann man nur ja sagen. Es ist eine Verwaltungsvereinfachung, sowohl für meinen Berufsstand als auch für alle Unterneh­mungen.

Bezüglich des IAKW-Finanzierungsgesetzes hat meine Vorrednerin ausreichend ge­sprochen.

Wir von der FPÖ werden diesem Abgabenänderungsgesetz unsere Zustimmung ertei­len. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.32


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster hat Herr Abgeordneter Bucher das Wort. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.32.19

Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden diesen drei Novellen des Abgabenänderungsgesetzes auch unse­re Zustimmung geben. Keine Frage, das sind sinnvolle Gesetzesmaterien, allerdings sind wir sehr skeptisch beziehungsweise ablehnend gegenüber dem Entschließungs­antrag der Grünen hinsichtlich der Einführung oder Klarstellung einer Vermögenszu­wachsbesteuerung, die wir strikt ablehnen, weil wir der grundlegenden Überzeugung sind, dass es bereits genug Vermögenssteuern in Österreich gibt. – Das ist das Erste.

Zweitens wären wir verhandlungsbereit, darüber nachzudenken, ob wir die Spekula­tionsfrist bei privaten Spekulationsgewinnen auf Wertpapiere abschaffen sollen. Das


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 122

wäre ein Bereich, der im privaten Wertpapierhandel für uns vorstellbar wäre. (Abg. Dr. Graf: Das Pendant zu privat wäre öffentlich, oder?)

Der Kollege Stummvoll, dem ich von dieser Stelle aus für seine Vorsitzführung im Fi­nanzausschuss danke, der immer sehr ausgewogen und fair den Finanzausschuss ge­leitet hat, hat auch die verschiedenen Steuermodelle angesprochen. Erinnern Sie sich daran, dass wir im Zuge der Budgetdebatte auch davon gesprochen haben, dass die Steuerreform vorgezogen werden sollte. Jetzt stehen wir vor dem Dilemma, dass sich die Regierungszeit dem Ende nähert und eine spürbare Entlastung der Österreicherin­nen und Österreicher auf die lange Bank geschoben wird.

Ich habe damals schon prognostiziert, dass diese Regierung nicht bis 2010 halten wird und somit dieses ehrgeizige Ziel, eine große Steuerreform zustande zu bringen, leider Gottes an der Lebenswirklichkeit der Abgeordneten in diesem Haus vorbeigehen wird.

Aber ich darf auch dem Herrn Staatssekretär danken. Es wurde auch von dir, Günter (in Richtung des Abg. Dr. Stummvoll), schon für dessen sehr objektive und sehr kom­petente Art und Weise gedankt, mit der er uns über weite Teile Gesetzesmaterien nahegebracht hat, die auch die Zustimmung der Opposition gefunden haben.

Ich glaube, dass in Summe der Finanzausschuss ein sehr konstruktiver Ausschuss war, an dem sich viele andere Ausschüsse im Hohen Haus ein gutes Beispiel nehmen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.34


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Der soeben eingebrachte Abänderungs­antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Bucher, Dolinschek, Kollegin und Kollegen zum Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (586 d.B.):

Bundesgesetz, mit dem das Grundsteuergesetz 1955, das Alkoholsteuergesetz, das Biersteuergesetz 1995, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Tabaksteuerge­setz 1995, das Mineralölsteuergesetz 1995 und das IAKW-Finanzierungsgesetz geän­dert werden (Abgabenänderungsgesetz 2008) geändert werden (648 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

1.) Vor die jetzige Z 1 des Artikels 6 (Änderungen des Mineralölsteuergesetzes) wer­den die folgenden Z 1 bis 6 eingefügt.

1. § 3 Abs. 1 Z 1 wird ergänzt um folgende lit. d:

„d) wenn die Steuerschuld nach dem 31. Juli 2008 entsteht,

aa) mit einem Gehalt an biogenen Stoffen von mindestens 44 l und einem Schwefel­gehalt von höchstens 10 mg/kg 412 €;

bb) ansonsten 445 €;“

2. § 3 Abs. 1 Z 2 wird ergänzt um folgende lit. d:

„d) wenn die Steuerschuld nach dem 31. Juli 2008 entsteht,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 123

aa) mit einem Gehalt an biogenen Stoffen von mindestens 44 l und einem Schwefel­gehalt von höchstens 10 mg/kg 484 €;

bb) ansonsten 517 €;“

3. § 3 Abs. 1 Z 3 wird ergänzt um folgende lit. c:

„c) 325 €, wenn die Steuerschuld nach dem 31. Juli 2008 entsteht;“

4. § 3 Abs. 1 Z 4 wird ergänzt um folgende lit. c:

„c) wenn die Steuerschuld nach dem 31. Juli 2008 entsteht,

aa) mit einem Gehalt an biogenen Stoffen von mindestens 44 l und einem Schwefel­gehalt von höchstens 10 mg/kg 297 €,

bb) ansonsten 325 €;“

5. § 3 Abs. 1 Z 7 wird ergänzt um folgende lit. d:

„d) ansonsten für 1 000 l, wenn die Steuerschuld nach dem 31. Juli 2008 entsteht,

aa) mit einem Gehalt an biogenen Stoffen von mindestens 44 l und einem Schwefel­gehalt von höchstens 10 mg/kg 297 €;

bb) ansonsten 325 €;“

6. § 3 Abs. 2 lautet:

„(2) Die Mineralölsteuer für Kraftstoffe beträgt 445 € für 1 000 l, wenn sie anstelle von Benzin als Treibstoff verwendet werden sollen, ansonsten 325 €.“

2.) Die bisherige Z 1 des Artikels 6 wird zu Z 7.

3.) Nach Z 7 (neu) wird folgende Z 8 eingefügt.

8. Im § 7 Abs. 1, § 7a Abs. 3 und § 8 Abs. 1 wird der Betrag „0,249“ durch den Betrag „0,199“ ersetzt.

4.) Die bisherigen Z 2 bis 9 des Artikels 6 erhalten die Bezeichnungen Z 9 bis 16.

5.) Die bisherige Z 10 des Artikels 6 erhält die Bezeichnung Z 17 und wird um folgen­den Satz ergänzt:

17. „§ 3 Abs 1 Z 1 lit. d, Z 2 lit. d, Z 3 lit. c, Z 4 lit. c, Z 7 lit. d, Abs 2, § 7 Abs. 1, § 7a Abs. 3 und § 8 Abs 1 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. xxxx/2008, treten mit 1. August 2008 in Kraft.“

Begründung

Durch die vorgeschlagenen Änderungen sollen die durch das Budgetbegleitge­setz 2007 (43 d.B.) erfolgten Mineralölsteuererhöhungen rückgängig gemacht werden, um die damit verbundenen Mehrbelastungen der Bürger schnellstens zu senken und die Konjunktur nicht weiter zu gefährden. Angesichts von Steuermehreinnahmen von 20 Mrd. Euro bis zum Jahre 2010 kann es auch kein Problem sein, ohne Mehreinnah­men aus der MÖSt den Klimafond zu finanzieren.

*****

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rinner. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 124

14.35.10

Abgeordnete Sylvia Rinner (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Im Abgabenänderungsgesetz 2008 werden Änderungen im Grundsteuergesetz beziehungsweise Anpassungen im Alkoholsteuergesetz, im Bier­steuer-, im Schaumweinsteuer-, im Tabaksteuer- und im Mineralölsteuergesetz vorge­nommen.

Durch die gesetzlichen Befreiungsbestimmungen wird für Grundbesitz, der von einer internationalen Organisation als ständiger Amtssitz benutzt wird, die Gleichstellung der internationalen Organisationen mit den Botschaften auf bilateraler Ebene erreicht. Der Amtssitz einer internationalen Organisation ist ein Bereich, der grundsätzlich unverletz­lich ist. Daher ist die Grundsteuerbefreiung sachgerecht und leicht nachvollziehbar, wenn es sich um einen ständigen Amtssitz handelt. Damit wird es für die internationa­len Organisationen sicherlich interessanter, in Österreich einen ständigen Standort ein­zurichten.

Die Forcierung von E-Government bei den Verbrauchssteuern ist der Hauptgrund der Gesetzesänderung, wobei der Service-Gedanke der Finanzverwaltung gegenüber den Wirtschaftsbeteiligten im Vordergrund steht. Damit wird es möglich, dass im Ver­brauchssteuerbereich Anmeldungen, Ansuchen und Erstattungen nicht mehr in Papier­form eingereicht werden, sondern elektronisch über FinanzOnline. Diese Abänderung ist zeitgemäß und führt zu einer einfacheren und praxisnahen Bearbeitung sowie zur Reduzierung des Verwaltungsaufwandes seitens des Steuerpflichtigen und der Abga­benbehörde. Durch Verwaltungsvereinfachung ist es möglich, laufend eine Plausibili­tätsprüfung, eine statistische Auswertung der Verbrauchssteuerdaten automatisch und auf Abfrage durchzuführen.

Das Hauptaugenmerk dieses Gesetzes gilt der Vereinfachung und Reduzierung des Verwaltungsaufwandes gegenüber Bürgerinnen und Bürgern, aber auch gegenüber den Abgabenbehörden. Das ist also ein weiterer Schritt zum Abbau der Bürokratie. (Beifall bei der SPÖ.)

14.37


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächstem erteile ich Herrn Abgeord­netem Dr. Mitterlehner das Wort. Ich entschuldige mich, ich habe Sie vorher überse­hen. Wie konnte mir das passieren? – Bitte.

 


14.37.38

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Staatssekre­tär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat sich nicht wirklich etwas Wesent­liches zwischenzeitlich geändert. Es ist über das Abgabenänderungsgesetz ja inhaltlich schon einiges gesagt worden. Die Frau Kollegin vor mir hat jetzt auch die elektronische Anmeldung angesprochen, die FinanzOnline ermöglicht und damit zu mehr einfache­ren Anwendungen beitragen soll. Das wird die Firmen sicherlich freuen.

Da wir jetzt aber auch das Alkoholsteuergesetz und vor allem das Biersteuergesetz än­dern, würde die Firmen etwas anderes wesentlich mehr freuen, nämlich, wenn wir uns auch in der Substanz einmal anschauen würden, wie denn die internationale Besteue­rung ist. Da haben wir gerade, was die Biersteuer anbelangt, folgende Situation: Wir haben in Österreich pro hundert Liter 12-grädiges Bier 24 € in der Besteuerung, in Deutschland sind es 9,44 € und in Tschechien 11,54 €. Jetzt kann man sagen: Na ja, der Unterschied ist egal!

Was bewirkt das im Endeffekt? – Das bewirkt nach Schätzungen, dass zirka 300 000 Hektoliter in Kofferraumtransporten nach Österreich kommen. Da kann man immer noch sagen: Das ist mir egal!


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 125

Was bewirken Sie aber im Endeffekt damit? – Es werden in diesem Bereich Arbeits­plätze gefährdet. Daher würde ich sagen: Das wäre eigentlich ein Anlass, da einmal eine Gleichstellung zu bewirken.

Noch dazu ist Bier ein Grundnahrungsmittel. Wir diskutieren ja immer nur darüber, dass Öl und anderes teurer wird. Da wäre in diesem Bereich eine spürbare Ermäßi­gung wirklich ein Ansatz, um auch die Inflation zu bekämpfen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweitens: Wir sollten uns auch die Biersteuermengenstaffel anschauen. Die ist auch nicht zeitgemäß. Da wäre gerade für den Mittelstand etwas möglich. Es würden etwa zehn bis 15 Firmen davon profitieren. Das würde den Finanzminister gar nicht sehr viel kosten. (Abg. Riepl: Was sagt der Molterer zur Steuersenkung?)

Aber das Dritte – und das ist wirklich nicht einzusehen –: Es wird immer wärmer, jetzt trinken wir gerne einen Radler, und es ist nicht einzusehen, warum beim Radler ausge­rechnet auch der Limonadenanteil mit Biersteuer belegt werden muss. – Herr Staats­sekretär, im Sommer gibt es wichtige Änderungen auch für die Bierwirtschaft, die man nicht belächeln sollte, sondern die die Konkurrenzfähigkeit steigern würden. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Stummvoll: Das war eine sehr volksnahe Rede!)

14.40


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.40.29

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Mitterlehner, ich komme aus einer Grenzregion, Sie von der ÖVP, ihr habt einen Finanzminister: Gehen wir heute noch zum Finanzminister und sagen ihm das, was Sie jetzt gesagt haben, und ich hoffe, da Ihre Fraktion jetzt ja mitgeklatscht hat, dass wir das erreichen werden! Das ist wirklich ein Problem, ich würde Sie da gerne unterstützen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Das ist ganz wichtig. (Abg. Dr. Mitterlehner: Brauerei Schlägl ...!) Brauerei Schlägl, Brauerei Wurmhöringer in Altheim, ja, okay, ganz in der Nähe von Braunau.

Ich wollte nur noch anfügen – diese Regierungsvorlage bringt Verwaltungsvereinfa­chungen, aber das ist schon angesprochen worden –, was mir ganz besonders wichtig ist: dass wir auch in Zukunft darauf achten, dass sowohl die elektronische als auch die Erklärung auf Papier möglich bleibt, denn es gibt immer wieder kleine Geschäftsleute, die nach wie vor noch gerne auf Papier arbeiten und sich daher nicht so rasch umstel­len wollen.

In diesem Sinne danke ich für die Zustimmung – ich hoffe, Sie stimmen zu. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.41


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächstem erteile ich Herrn Abgeord­netem Hell für 2 Minuten Redezeit das Wort. – Bitte.

 


14.41.53

Abgeordneter Johann Hell (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Meine geschätzten Damen und Herren! Mit dem Abgabenänderungsge­setz 2008 sollen verschiedene, aus unterschiedlichen Gründen notwendige Anpassun­gen in den einzelnen Gesetzen vorgenommen werden. So notwendig diese techni­schen Anpassungen auch sein mögen, muss ich an dieser Stelle doch ein paar Worte


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 126

zur Struktur des Steueraufkommens im Allgemeinen und über die unbedingte Notwen­digkeit, die ArbeitnehmerInnen mit kleinen und mittleren Einkommen durch eine Re­form der Lohn- und Einkommensteuertarife zu entlasten, sagen.

Die Arbeiterkammer hat in den letzten Wochen darauf hingewiesen, dass der Finanz­minister über die Lohnsteuer von Jänner bis Mai 2008 rund 633 Millionen € mehr ein­genommen hat als im letzten Jahr. Das ist eine Steigerung um plus 8 Prozent. Die ArbeitnehmerInnen haben damit fast die Hälfte der gesamten Steuermehreinnahmen des Staates erarbeitet. Im Vergleich dazu sind die Mehreinnahmen bei Unternehmen eher bescheiden.

Klares Fazit: Das österreichische Steuersystem belastet die ArbeitnehmerInnen einsei­tig, und wir von der SPÖ wollen diese Schieflage korrigieren. Der erste Schritt wurde bereits gesetzt. Auf Druck der SPÖ werden die Bezieher niedrigerer Einkommen bis 1 350 € monatlich ab 1. Juli bereits entlastet. Angesichts des abgeschwächten Steuer­wachstums und der Inflationsentwicklung ist eine weitergehende Entlastung der Bezie­her kleiner und mittlerer Einkommen aber dringend notwendig.

Die hohen Nahrungs- und Energiepreise stellen ein großes Problem für viele Men­schen dar und belasten ebenfalls vor allem die Bezieher kleiner und mittlerer Einkom­men. Für diese müssen weitere Schritte gesetzt werden, sonst wird der Konsum der Bezieher kleinerer Einkommen völlig einbrechen, und Tatsache ist, dass dann vor allem die Wirtschaft den Schaden, der dadurch entsteht, tragen wird.

Die letzte Steuerreform hat vor allem Unternehmen entlastet, deshalb müssen nun Lohn- und Einkommensteuer gesenkt werden, mit einem klaren Fokus auf Einkommen zwischen 1 300 € und 4 000 € monatlich.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Wir wollen, dass die Steuer- und Abgabenlast fair verteilt wird. Wir ersuchen daher, hinkünftig darauf zu achten, dass gerade die Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer mit kleinem Einkommen hier auch eine Entlastung erfahren. (Beifall bei der SPÖ.)

14.44


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Von der Regierungsbank aus hat sich Herr Staatssekretär Matznetter zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.44.53

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Christoph Matznetter: Ganz kurz, weil die Bierfrage aufgeworfen wurde.

Feststellung Nummer 1: Bier trinke ich selber gerne.

Feststellung Nummer 2: Wir haben ein dringendes Problem der Entlastung sozial Be­dürftiger bei einem breiten Teil der Bevölkerung, und wir müssen große Anstrengungen unternehmen, dort für mehr Kaufkraft zu sorgen.

Ich wusste noch nicht, dass die Brauereien, vor allem die Großbrauereien, wenn sie in Holland situiert sind, in dieselbe Notlage gekommen sind. Ich glaube, dass wir den Schwerpunkt daher bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und Kleinunterneh­men ansetzen sollten, und würde auch dringend empfehlen, dies zu berücksichtigen.

Die kleinen Brauereien fördern wir, indem wir weiter deren Bier trinken. – Ausgemacht? (Ruf bei der ÖVP: Ja!) – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.45


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemel­det.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 127

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 586 der Beilagen.

Dazu liegt ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Kollegin und Kollegen vor.

Ich lasse zunächst über die von diesem Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen.

Die Abgeordneten Ing. Westenthaler, Kollegin und Kollegen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung neuer Ziffern 1 bis 6 sowie 8 in Artikel 6 des Gesetzentwurfes samt der sich daraus ergebenden Umnummerierungen bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein entsprechen­des Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Weiters haben die Abgeordneten Ing. Westenthaler, Kollegin und Kollegen einen Abän­derungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel 6 Ziffer 10 des vorliegenden Gesetzent­wurfes bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesen Abänderungsantrag unterstützen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Ich komme sogleich zur Abstimmung über Artikel 6 Ziffer 10 des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dazu ihre Zustimmung geben möchten, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes, samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvor­lage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Bejahung. – Das ist einstimmig. Der Gesetzent­wurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend die im März von SPÖ und ÖVP angekündigte Vermögenszuwachssteuer (Capital Gains Tax).

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

14.48.004. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 837/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz geändert wird (649 d.B.)

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Ta­gesordnung.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 128

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hörl mit 4 Minuten freiwilli­ger Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.48.23

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Tourismussprecher, Wirt und begeisterten Bier­trinker freut es mich natürlich sehr, dass sich nunmehr die große Koalition auch mit un­seren Sorgen, nämlich dem hoch besteuerten Bier, mit Radler und Limo beschäftigt. Ich danke dafür Frau Hagenhofer und natürlich unserem Reinhold Mitterlehner. Herr Staatssekretär, es denkt natürlich keiner daran, Heineken und derartige Brauereien zu entlasten, aber Zillertal Bier zum Beispiel hätte schon Entlastungen notwendig. Daran sollten wir im Herbst arbeiten. Ich glaube, das wäre notwendig. (Beifall bei der ÖVP. – Staatssekretär Dr. Matznetter: Da bin ich ja dafür!)

Seit letztem Jahr gibt es eine Regierungsvorlage, mit der man vorhatte, eine große Re­form des Glücksspielgesetzes durchzuführen. Bei der nunmehr vorliegenden Novelle, die über einen Initiativantrag eingebracht wurde, geht es nur mehr um die Umsetzung der notwendigsten Punkte der Dritten Geldwäscherichtlinie, die wir zum Beispiel in der Gewerbeordnung und im Bankwesengesetz bereits umgesetzt haben.

Es gibt natürlich immer ausführliche Diskussionen über das Glücksspiel, wobei man zwischen dem großen und dem kleinen Glücksspiel unterscheiden sollte. Die Sicher­heitsstandards beim großen Glücksspiel sind bundeseinheitlich geregelt. Nur volljähri­ge Personen, die ihre Identität nachgewiesen haben, dürfen in die Spielbank. Personen in Uniform haben dort nur in Ausübung ihres Dienstes etwas zu suchen. Besondere Aufmerksamkeit unsererseits ist natürlich darauf zu legen, dass jedwede Art von Transaktionen, Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und so weiter verhindert und un­terbunden wird. Das ist eine gute Sache, die wir natürlich gerne unterstützen können.

In Österreich gibt es zwölf Casinos, die inzwischen mehr als reine Glücksspielräumlich­keiten sind; sie sind Kongress-, Seminar-, Ballsäle, viele Veranstaltungen finden in die­sen Räumlichkeiten statt. Nicht zu vergessen ist, dass es dort auch Restaurants gibt, die teilweise Haubenqualität haben. Die Casinos sind zu Highlights, zu touristischen Leitbetrieben für ihre jeweilige Region avanciert. Die Frage, ob es vor Ort ein Casino gibt, wird immer öfter auch von Reisenden und Veranstaltern gestellt, wenn es um Pla­nung von Urlaub und Städtetrips geht. Namhafte Tourismuszentren müssen heute fast auch ein Casinostandort sein. Das erhöht natürlich den Druck auf aufstrebende Orte. Beispielsweise ist der enorme Zuwachs an italienischen Gästen bei uns in Innsbruck oder in Seefeld auch auf die Casinobetriebe zurückzuführen.

Bei uns in Mayrhofen im schönen Zillertal gibt es ein kleines Casino, das WIN WIN – übrigens im Haus unseres hoch geschätzten Kommerzialrates Kröll, des Kramer-
wirts –, das von den Casinos Austria betrieben wird. Dieses Angebot wird von den Gästen sehr gut in Anspruch genommen. Das zeigt, wie ich vorhin schon angemerkt habe, dass die Gäste inzwischen großes Augenmerk auch auf Zusatzleistung in touris­tischen Gebieten legen und ein geordneter Spielbetrieb ein Highlight im Tourismusan­gebot geworden ist. Deshalb auch der Druck ... (Zwischenruf des Abg. Zanger.) – Wie­der eine unqualifizierte Äußerung eines freiheitlichen Abgeordneten; das sind wir schon gewöhnt. – Deshalb auch der Druck auf kleine Betriebe, sogenannte Pseudocasinos zu installieren und zu betreiben.

Dieses „kleine Glücksspiel“, das davon betroffen ist, ist Landessache. Hier kommt es immer wieder zu Übertretungen, die in der Praxis, obwohl gesetzeswidrig, toleriert wer-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 129

den. Sie sehen, meine Damen und Herren, in diesem Bereich gibt es noch zusätzliche Probleme, die wir lösen müssen.

Das offizielle Glücksspiel, also zum Beispiel die Casinos, wird mit immer schärferen Auflagen belegt, und das inoffizielle Glücksspiel fällt heraus – eine Problematik, die wir schon aus Gründen der Chancengleichheit regeln müssen. Rein technisch ist das heute kein Problem mehr. Für den Herbst war eine große Reform vorgesehen, und ich hoffe, sie kommt.

Man sollte versuchen, die Angebotspalette der Glücksspielbetriebe durch die Casinos Austria oder durch private Betreiber zu erweitern, damit auch kleine Tourismusstand­orte die Möglichkeit haben, Casino-Standort, vielleicht auch in einer variierten Form, zu werden.

Sie sehen, es gibt genug Arbeit im Hohen Haus – hoffentlich seid ihr dann alle dabei –, daher bitte ich um rasche Aufnahme unserer parlamentarischen Arbeit nach der Wahl, denn das ist sicher im Sinne unserer Bürger und Bürgerinnen. – Ich wünsche Ihnen einen schönen Sommer, gehen Sie viel auf Urlaub! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.52


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Es wurde zwar ein umfangreicher Abän­derungsantrag angekündigt, der aber jetzt noch nicht eingebracht ist.

Als nächste Rednerin bitte ich Frau Abgeordnete Sylvia Rinner zum Pult. – Bitte, Sie haben das Wort.

 


14.52.57

Abgeordnete Sylvia Rinner (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Mit 15. Dezember 2007 ist die Frist zur Umsetzung der Dritten Geldwäscherichtlinie abgelaufen. Diese Dritte Geldwäscherichtlinie wurde fast schon zur Gänze ins österreichische Recht umgesetzt; ausständig ist nur noch der Vollzug der Richtlinie im Bereich der Casinos. Daher hat die Europäische Kommission bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet.

Um die Wichtigkeit dieser Richtlinie hervorzuheben, wurde auch seitens der Europäi­schen Kommission darauf hingewiesen, dass diese Geldwäscherichtlinien für den Schutz des Finanzsystems, das Funktionieren des Binnenmarktes und der öffentlichen Ordnung in der Europäischen Union sind. Österreich ist Mitglied der FATF, Financial Action Task Force on Money Laundering. In diesem Gremium haben die Experten den Auftrag, die Methoden der Geldwäsche zu analysieren und Maßnahmen, die der Be­kämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung dienen, zu entwickeln.

Im September 2008 wird Österreich durch den Internationalen Währungsfonds auf die Einhaltung dieser Empfehlungen der FATF zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung hin geprüft werden. Für eine positive Bewertung und damit den Erhalt der Reputation Österreichs müssen diese Bestimmungen der Richtlinie um­gesetzt werden.

Die Geldwäsche hat in der Regel den Zweck, die Herkunft des Geldes zu verschleiern, das Geld vor dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden und des Finanzamtes zu ver­bergen und Gewinne aus der Schattenwirtschaft in den legalen Bereich zu überführen.

Die Novelle des Glücksspielgesetzes verlangt von den Besucherinnen und Besuchern einer Spielbank, dass sie volljährig sind und ihre Identität mit einem gültigen amtlichen Lichtbildausweis nachweisen. Diese Daten sind zur Überprüfung mindestens für fünf Jahre vom Spielbankbetreiber aufzubewahren. Mit dieser Maßnahme der Änderung des Glücksspielgesetzes erfüllt Österreich nun den internationalen Standard. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Graf.)

14.55



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 130

Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Rossmann, und zwar für 4 Minuten. – Bitte.

 


14.55.37

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Staatssekre­tär! Hohes Haus! Vor wenigen Minuten ist uns ein Abänderungsantrag auf den Tisch gelegt worden, ein Antrag in der Größenordnung von mehr als vier Seiten, und das ist natürlich an sich schon eine Zumutung. Sie haben sich erst noch lustig gemacht über einen Abänderungsantrag zur Finanzprokuratur – aber das ist nicht mehr so lustig, wenn man solch einen Antrag 20 Minuten vor der Abstimmung bekommt.

Soweit ich das überfliegen konnte und noch werde überfliegen können, handelt es sich ohnehin um Dinge, die nicht böse sind, sondern die auch in unserem Sinne sind, näm­lich einerseits um eine Ausweitung des Spielerschutzes auch auf Bürger des EU- und EWR-Raumes, auf der anderen Seite um eine Gleichbehandlung des Werbeverbotes, um eine Gleichstellung des Werbeverbots zwischen In- und Ausländern.

Zum vorliegenden Initiativantrag: Dieser Initiativantrag kommt schon reichlich spät. Es geht um die Umsetzung der Dritten Geldwäscherichtlinie, und es wurde bereits ein Ver­fahren gegen Österreich durch die Europäische Kommission eingeleitet. Die „Eile“ kann vielleicht verstanden werden vor dem Hintergrund der Prüfung durch den Inter­nationalen Währungsfonds, die ja in wenigen Wochen ins Haus stehen wird.

An sich ist diese Novellierung des Glücksspielgesetzes natürlich eine wichtige Novelle, die längst fällig ist. Allerdings schließt sie nicht die Lücke, was dringend notwendig wäre, um überhaupt das Glücksspielwesen in seiner Gesamtheit neu zu regeln. Das wäre, glaube ich, eine eminent wichtige Aufgabe. Es hat ja bereits einen Entwurf im November des Vorjahres gegeben. Dieser wurde aber wieder zurückgezogen, weil er eben die Dinge nicht zureichend regeln konnte, weder in der Frage des Glücksspiel­monopols noch in der Frage des Kleinen Glücksspielwesens.

Ich meine, die Lösungen sind nicht trivial, das muss man schon sagen. Es ist nicht ein­fach, weder die Beantwortung der Frage: Wie verfährt man mit dem Glücksspiel?, noch: Wie tut man beim Kleinen Glücksspiel? Aber eines ist klar: Lösungen sind drin­gend notwendig, insbesondere beim Kleinen Glücksspiel. Beim Kleinen Glücksspiel geht es darum, dass es vom Monopol des Bundes ausgenommen ist und die Länder sozusagen autonom Glücksspielautomaten aufstellen können. Einige Länder tun das und tun das sehr exzessiv, denn diese Cafés schießen wie Schwammerl aus dem Bo­den; fast stündlich schießen Cafés mit Glücksspielautomaten wie Schwammerl aus dem Boden.

Das Problem, das damit verbunden ist, ist jenes, dass es sich eben um kein Bagatell­spiel mehr handelt, wie das ursprünglich gedacht war. Das Problem ist, dass in ver­steckten Hinterkammern von Caféhäusern Menschen, die spielsüchtig sind – und de­ren gibt es immer mehr –, innerhalb von kürzester Zeit Hunderte, ja Tausende von Euros verlieren können. Das hat dann natürlich Folgewirkungen auf die materielle Si­tuation der betreffenden Spieler und, soweit Familien vorhanden sind, natürlich auch auf deren Angehörige.

Ein Ausweichen ist natürlich schwierig, gerade vor dem Hintergrund, dass diese Auto­matencafés eben wie Schwammerl aus dem Boden schießen. Auf der anderen Seite ist beim Kleinen Glücksspiel – wie etwa beim Großen Glücksspiel – nicht vorgesehen, dass man ausgesperrt werden kann.

Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit dem Kleinen Glücksspiel ist der Jugend­schutz, die mangelnde Kontrolle des Jugendschutzes. Es zeigt sich etwa bei der Bera­tungsstelle AS, dass etwa 40 Prozent aller Spielsüchtigen, die sich im Übrigen über


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alle Bevölkerungsschichten quer verteilen, mit dem Spielen bereits vor dem 18. Le­bensjahr begonnen haben. 20 Prozent der heute Spielsüchtigen hatten also schon ein Problem damit.

Natürlich ist es auch so, dass das kleine Glücksspiel dazu führt, dass die Länder, die diese Automatencafés haben, sehr gut daran verdienen. Auf der anderen Seite ver­dient natürlich auch insbesondere die Firma Novomatic sehr gut und macht enorme Umsätze.

Daher ist vor diesem Hintergrund eine Lösung des Glücksspielwesens dringend erfor­derlich, keineswegs aber trivial. Die Regierung hat in diesem Zusammenhang Lösun­gen verschlafen, die wir aber alle dringend brauchen, und ich denke, es braucht eine Kraftanstrengung aller Fraktionen, um hier zu einer befriedigenden Lösung zu kom­men. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

15.00


Präsident Dr. Michael Spindelegger (den Vorsitz übernehmend): Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über den Punkt 4 der Tagesordnung.

15.00.42Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 4207/AB

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Wir gelangen nun zur kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung der Bundesministerin für Justiz mit der Ordnungszahl 4207/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verle­sung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundes­regierung oder zum Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minu­ten dauern.

Ich ersuche nunmehr Herrn Abgeordneten Dipl.-Ing. Klement als Antragsteller des Ver­langens, die Debatte zu eröffnen. Maximal 10 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


15.01.28

Abgeordneter Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minis­ter! Werte Kollegen des Hohen Hauses! Bis vor Kurzem waren Trennungsopfer völlig auf sich alleine gestellt, bis im Jahre 2007 eine Plattform eingerichtet worden ist, eine Plattform, die sich dieser Trennungsopfer annahm und eine Stimme für diese Tren­nungsopfer sein will.

Bei Trennungen sind vor allem Kinder betroffen, aber auch viele Männer, und um diese Männer hat sich bis jetzt niemand gekümmert. Selten sind es Frauen, aber vielfach sind es vor allem Großmütter, die nach Trennungen ihre Enkel nicht mehr sehen. Ein Problem, das leider Gottes völlig unter den Tisch gekehrt wird, und deswegen war auch diese Anfrage so wichtig, und deswegen, Frau Minister, ist es auch gut, dass wir jetzt darüber reden und Ihre Antworten kurz beleuchten.

Zur ersten Frage: Wie viele Verfahren über Besuchsrechtsstreitigkeiten gab es? – Von 2005 bis 2007, allein in zwei Jahren, eine Zunahme von 6 Prozent, von 4 900 auf 5 280.

Eine nächste Frage war: Wie lange dauern solche Verfahren im Durchschnitt? – 155 Tage, fünfeinhalb Monate. Das heißt, bei einer Trennung sehen die Kinder von


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heute auf morgen ihre Eltern nicht mehr, sehen die Kinder ihren Vater oder ihre Mutter nicht mehr, sehen die Großeltern nicht mehr und müssen aufgrund dieser langen Obsorgeverfahren sehr oft von heute auf morgen mit einer völlig neuen Situation fertig werden.

Weiters habe ich gefragt: Wie lange dauerte das längste Verfahren? – Das glaubt man nicht: vom September 1996 bis zum Jänner 2007. Ein Obsorgeverfahren, das sich über mehr als zehn Jahre hinzog. Ich glaube, da erübrigt sich jeder weitere Kommentar.

Wie viele Kinder, wie viele Minderjährige waren betroffen? – In den Jahren 2005 bis 2007 waren es 15 800 Kinder. Da sind diejenigen Kinder, die aus Lebensgemeinschaf­ten kommen, noch nicht mit eingerechnet; die sind in der Statistik nicht enthalten.

Und jetzt kommt das Kurioseste überhaupt: Auf die Fragen 7 bis 51 konnte überhaupt keine Antwort gegeben werden, weil es nämlich keine Antworten gibt, weil die Justiz, der Staat Österreich nicht in der Lage ist, wesentliche Fragen überhaupt zu erheben. Und wesentliche Fragen sind in meinen Augen schon, wie vielen Vätern eine Besuchs­regelung zuerkannt wurde, wie viele Zwangsmaßnahmen verhängt worden sind oder wie oft ein Besuchsrecht gewährt oder eben nicht gewährt wurde.

Frau Minister, wenn solche Zahlen nicht vorhanden sind, dann kann man auch nicht gegensteuern. Es ist eben Aufgabe der Politik, Fehlentwicklungen gegenzusteuern, und ich fordere Sie auf, auch die kommende Regierung, diese Zahlen endlich zu erhe­ben, damit wir wissen, was los ist in Österreich. Ohne Statistiken kann man keine Poli­tik machen. Ohne zu wissen, was in diesem Land überhaupt passiert, kann man nicht reagieren.

Die Fragen 52 und 53: Wie viele Sachverständige wurden in diesen drei Jahren be­stellt? – In Summe 37 000 Verfahren mit Sachverständigen. Das heißt 37 000 Verfah­ren, wo der Richter sich nicht zutraute, selbst zu entscheiden, nicht selbst entscheiden wollte und die Verantwortung für seine Entscheidung auf Gutachter abschob – wieder verbunden mit Zeitverzögerung, wieder verbunden mit Kosten für die Beteiligten.

Die letzte Frage: Entspricht es dem Kindeswohl, wenn solche Verfahren länger als sechs Monate dauern? – Und da ist wirklich eine gute Antwort von Ihnen gekommen, und ich bin dankbar für diese Antwort, weil Sie ganz klar sagen, dass natürlich alle Par­teien, Kind, Vater, Mutter und auch Großeltern, das Recht haben, ihre Stellungnahmen abzugeben und gehört zu werden.

Ich möchte auf diese Punkte jetzt einzeln eingehen und auf ganz problematische Punk­te eingehen, vor allem auf die Gutachter. Ich zitiere aus parlamentarischen Anfragen:

„Einige betroffene Männer gaben Berichte ab, dass eine Gerichtssachverständige na­mens Dr. Eva Mückstein“ den „Sachverständigeneid offenbar mehrmals nicht eingehal­ten hat. Nach Angaben von betroffenen Vätern manipulierte sie Gutachten, damit die Kinder den Müttern zugesprochen werden. Es wurde auch bekannt gegeben, dass ein Gutachten von zwei Kindern eines geschiedenen Paares innerhalb von 16 Minuten durch Auswertung von Fragen, Zeichnungen und Tests entschieden wurde.“

Meine Damen und Herren! Innerhalb von 16 Minuten wird von Gutachtern in dieser Republik entschieden, was mit den Kindern zu geschehen hat! Dem gegenüber stehen Verfahren, die ein halbes Jahr und noch länger dauern, Gutachterprozesse, in denen Gutachter länger als zwei Monate brauchen, solche Gutachten weiterzuleiten, damit sie überhaupt behandelt werden können. Und hier wird in 16 Minuten über das Kindeswohl entschieden. Der Gutachter entscheidet in 16 Minuten: Du kommst zum Vater, du kommst zur Mutter. – Das kann es ja wohl nicht sein, Frau Minister! Ich denke, hier ist dringender Handlungsbedarf gegeben. (Beifall bei der FPÖ.)


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Aber es geht weiter: Die Rechtsanwaltskammer Salzburg hat eindeutig festgestellt, dass Gerichtssachverständige, einer davon Dr. Bachler, eindeutig mütterfreundlich und keinesfalls neutral arbeiten. Ich zitiere wieder:

Diese Gutachten „seien offenbar manipuliert, gesteuert und geben auch nicht den In­halt des Gesagten wieder. Die Rechtsanwaltskammer Salzburg kritisiert wiederholt in seinem Wahrnehmungsbericht, dass in Salzburg fast von einem Auftragsmonopol ge­sprochen werden kann, da der Gutachter allem Anschein nach befangen ist.“

Das ist eine Situation, die unerträglich ist, Frau Minister!

Besonders pikante Fälle – ich möchte zwei davon auflisten – sind vor Kurzem passiert: Ein Mann wurde beschuldigt, sein Kind sexuell missbraucht zu haben. Er wurde sofort eingesperrt und konnte erst nach langem Kampf eine Wiederaufnahme seines Verfah­rens erreichen.

Ein Friedrich-Gutachten, dieser – unter Anführungszeichen – „Stargutachter“ Friedrich, wurde verworfen, weil er gar kein Psychologe ist, der hier urteilen durfte. Und dann kam es, Frau Minister, und das muss auch Ihnen zu denken geben: Dann mussten deutsche Gutachter herangezogen werden, und diese erst konnten es erwirken, dass der Mann freigesprochen wird. Ein Mann, der völlig unschuldig im Gefängnis saß!

Ich zitiere wieder aus dem Bericht des Oberlandesgerichtes Linz:

„Entgegen der vom Erstgericht beschriebenen ,österreichischen forensischen Tradition‘ (...) kann wohl nicht der geringste Zweifel daran bestehen, dass der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis auch in Österreich zu gelten hat. Betreffend die Metho­dik und den Inhalt der Glaubhaftigkeitsbeurteilung, insbesondere die Begutachtung von Kindern nach sexueller Misshandlung, haben daher die in der Bundesrepublik Deutsch­land anlässlich der ,Wormser Prozesse‘ (...) entwickelten wissenschaftlichen Grund­prinzipien auch für den österreichischen Strafprozess Gültigkeit.“

Ich frage Sie, Frau Minister: Leben wir in der rechtlichen Steinzeit, wenn uns der Nach­bar Hilfestellung geben muss, wie wir mit forensischen Gutachten umzugehen haben? Das kann ja nicht sein. Und mit falschen Gutachten ist offenbar alles möglich hier. Da können Männer ohne sachliche Begründung eingesperrt werden, ohne dass sie wirk­lich etwas verbrochen haben. Auch dazu bitte möchte ich gerne eine Antwort von Ihnen haben.

Ein ganz kurioser Fall ist passiert, und da darf ich auch den Namen nennen, das ist Herr Roman Rusy, der sich auch an unsere Plattform gewandt hat: Ein Mann wurde vier Mal nach dem Sicherheitspolizeigesetz weggewiesen und bekommt einmal ein ge­richtliches Betretungsverbot nach § 382b Exekutionsordnung. Drei Wegweisungen wurden durch den Bescheid des UVS Niederösterreich aufgehoben, die vierte Wegwei­sung von der Sicherheitsbehörde selbst aufgehoben und das gerichtliche Betretungs­verbot vom OGH aufgehoben. – Fünf Vorfälle, fünf Aufhebungen wegen Rechtswidrig­keit!

Und jetzt kommt’s: Da sind Strickmuster zu erkennen, auch von Frauenberatungsver­einen, die ganz klar sagen: Wenn du dich trennen willst, wenn du dem Mann Schuld zukommen lassen willst, gehe ganz einfach vor: Täusche sexuellen Missbrauch vor, täusche Gewalt in der Familie vor! – Der Mann bekommt dann die Wegweisung, er hat dann praktisch eine Vorverurteilung mitzumachen, und er hat dann im Scheidungsver­fahren Nachteile zu gewärtigen.

Das sind Beratschlagungen, die in Frauenvereinen in Österreich vorgenommen wer­den, und das ist keine Gerechtigkeit! Bitte, so kann es nicht gehen! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei den Grünen.)


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Und es geht weiter: ein weiterer Fall aus der Trennungsopferplattform; den Namen die­ses Vaters kann ich nicht nennen, er ist leider Gottes im Staatsdienst. Dieser Vater hat gekämpft um sein Kind. Die Mutter ist schwer drogensüchtig. Er hatte keine Chance, das Kind zu bekommen. Und Herr Professor Friedrich hat dem Gericht empfohlen – ich zitiere –:

„Dem Kindesvater sollte dringend vonseiten des Gerichts eine Grenze in seinem Um­gang mit Rechtsmitteln gesetzt werden ...“

Das heißt, vonseiten eines Gutachters in Österreich wird empfohlen, den Vater in sei­nen Rechten zu beschneiden. Ja, wo sind wir denn angelangt? Das kann doch kein Rechtsstaat mehr sein!

Deswegen die klaren Forderungen seitens der Freiheitlichen Partei: Es muss hier et­was geändert werden. Wir müssen Kinderrechte akzeptieren, wir müssen auch das Recht des Kindes auf beide Elternteile akzeptieren. Wir müssen auch akzeptieren, dass es eine gemeinsame Obsorge geben muss ab der Geburt des Kindes, für beide ledige Eltern.

Es muss möglichst rasche und klare Obsorgeverfahren geben. Es muss ein aktives Unterhaltsrecht geben, das zuallererst die Interessen der Kinder wahrnimmt. Es darf nicht sein, dass wir in Österreich willkürliche und unnachvollziehbare Gutachten haben. Wir dürfen Väter nicht reduzieren auf Bankomaten- und Besuchspapas. Wir brauchen keine Verstaatlichung der Familie, und wir brauchen keine Scheidungsindustrie, die aus dem Ganzen noch ein Geschäft macht.

Wir brauchen neue Obsorgegesetze, wie es sie in Deutschland, in Luxemburg schon gibt. Und wir brauchen auch eine Neuregelung hinsichtlich der Alimente, sodass nach­gewiesen werden muss, dass Alimente zweckgebunden verwendet werden.

Das ist eine Riesenfülle an Dingen, die zu erledigen sind. Frau Ministerin, es gibt hier viel Arbeit zu erledigen. Es ist gut, dass diese Regierung geht, sie war nicht in der Lage, das zu lösen. Auf die neue kommt einiges an Aufgaben zu, und ich hoffe, dass Sie uns auch schon Ansätze erläutern werden. – Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Mag. Steinhauser: Keine Ahnung haben Sie!)

15.11


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu einer Stellungnahme von der Regierungs­bank aus hat sich Frau Bundesministerin Dr. Berger zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.

 


15.11.16

Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich habe das so wahrgenommen, dass das die Besprechung einer von Ihnen gestellten schriftlichen Anfrage ist, die wir, so gut wir konnten, beantwortet haben. Ich sage dazu, dass wir alle Daten zur Verfügung gestellt haben, die uns zugänglich sind. Das, was Sie noch wissen wollten, ist in 15 000 Gerichtsakten, verteilt auf 141 Bezirksgerichte, enthalten. Sie werden verstehen, dass es für die Zwecke der Beantwortung einer parla­mentarischen Anfrage nicht möglich war, diese 15 000 Akten dahin gehend durch­zusehen, wer denn jetzt welchen Antrag wann gestellt hat und welche Maßnahmen im Einzelnen das Gericht verfügt hat.

Ich möchte darauf hinweisen, dass durch verschiedenste Neuerungen, die in den letz­ten Jahren vorgenommen worden sind, seitens des Gesetzgebers versucht worden ist, aber auch durch organisatorische Maßnahmen, Konflikte um die Obsorge für die Kin­der möglichst hintanzuhalten, eine möglichst reibungslose Abwicklung des Besuchs­rechtes zu ermöglichen. Ich erwähne hier nur die Einführung der Obsorge beider Eltern.


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Wir haben das ja untersuchen lassen. Tatsächlich hat sich diese Obsorge beider Eltern sehr bewährt, sehr bewährt vor allem auch im Hinblick darauf, dass es zu einer Ver­minderung von Konflikten allgemein und speziell auch von Konflikten bei der Ausübung des Besuchsrechts gekommen ist. Diese konfliktvermeidende Wirkung der Obsorge beider Eltern ist aber nur dann möglich, wenn sich auch tatsächlich beide freiwillig für diese Obsorge entscheiden. Dann kann das auch sozusagen konfliktvermindernd wir­ken. In 57 Prozent aller Fälle wird davon jetzt schon Gebrauch gemacht.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass es durch verschiedenste Einrichtungen der in­stitutionalisierten Besuchsabwicklung – Besuchscafés, Besuchsbegleitung – ebenfalls dazu gekommen ist, dass die Ausübung des Besuchsrechts weniger konfliktanfällig ist.

Wir haben auch einen Modellversuch durchgeführt mit dem Kinderbeistand, sprich: einer Person, die in Rosenkriegen zwischen den Eltern ausschließlich die Rechte des Kindes wahrnimmt. Das hat sich sehr bewährt, und die Richter fühlen sich dadurch ent­lastet. Es ist damit eine Person vorhanden, die ausschließlich die Rechte des Kindes wahrnimmt, damit die Kinder nicht in diese Konflikte zwischen Vater und Mutter über­mäßig hineingezogen werden können.

Ich weise auch darauf hin, dass wir derzeit daran arbeiten, die Familiengerichtsbarkeit insgesamt zu stärken. Tatsache ist, dass der Beruf der Familienrichterin, des Familien­richters in der Hierarchie der Justiz derzeit kein sehr angesehener ist, das müssen immer die Jüngeren machen. Es kommt dadurch häufig zu einem Richterwechsel, was sich auch oft negativ, das gestehe ich zu, auf die Länge der Verfahren auswirkt. Wir wollen diese Berufsgruppe innerhalb der Richterschaft attraktiver gestalten. Wichtig sind Aufstiegsmöglichkeiten. Wir haben derzeit zum Beispiel keinen familienrechtlichen Senat am Obersten Gerichtshof. Das heißt, dass Richter, die auf Familienrecht spezia­lisiert sind, weniger Aufstiegsmöglichkeiten haben als in anderen Fachgebieten spezia­lisierte Richter.

Wir wollen die Familiengerichtshilfe ausbauen. Wir haben eine Jugendgerichtshilfe der­zeit nur in Wien und nur für den Bereich der Strafjustiz. Ich denke, dass das ein sehr sinnvolles Element wäre, dass den Richterinnen und Richtern hier auch geschulte Sozialarbeiter zur Verfügung stehen, die ihnen in der Arbeit mit den Familien helfen.

Ein bekanntes Problem ist das mit den Sachverständigen, dass hier ein Mangel an Sachverständigen gegeben ist. Wir haben eine eigene Datenbank eingeführt; da kann der Richter immer sehen, welche Sachverständige es in welchem Bereich gibt, und auch sehen, wie ausgelastet derjenige ist. Das hat zu einer Verkürzung, wie Sie in der Anfragebeantwortung auch sehen können, der Dauer dieser Gutachtenserstellungen geführt.

Wenn Sie hier aus Ihren eigenen und auch anderen Anfragen Kritik an Gutachten be­ziehungsweise Gutachtern anbringen, dann ist Ihnen das unbenommen. Sie müssen verstehen, dass ich erstens die Unterlagen dafür, da es sich ja eigentlich um die Be­sprechung einer anderen Anfrage handelt, nicht zur Verfügung habe. Und es wird immer so sein, dass die Partei, deren Antrag abgewiesen wurde, die ein Recht nicht bekommen hat, natürlich Zweifel am Gutachter und am Gutachten äußert.

Sie haben auch eine strafrechtliche Konstellation angesprochen. Ich freue mich, wenn Sie der Meinung sind, dass auch dann, wenn der Vorwurf von Sexualstraftaten gege­ben ist, die Rechtsstaatlichkeit gewahrt sein muss, dass auch hier davon auszugehen ist, dass primär einmal die Unschuldsvermutung gilt. Das ist ja etwas, was im Zusam­menhang mit der Debatte über Sexualstraftaten nicht immer im Vordergrund steht.

Zur Statistik noch ein Wort. Das ist jetzt schon Gegenstand vieler Bemühungen, dass wir unsere Justizstatistik ganz allgemein verbessern. Ich habe gelernt, dass das ein


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mehrjähriges, jahrzehntelanges Problem in der Justiz ist, dass wir sowohl im Bereich der Strafjustiz als auch im Bereich zum Beispiel der Familiengerichtsbarkeit zwar vieles automationsunterstützt erfassen und auch viele Auskünfte geben können, aber dort, wo es um bestimmte Konstellationen zwischen den beiden Parteien geht, Vater/Mutter-Kind-Beziehungen, oder darum, ob die Straftaten sozusagen spezifisch unter häusliche Gewalt fallen, da haben wir einen gewissen – „gewissen“ ist untertrieben –, einen gro­ßen Nachholbedarf. Das gebe ich gerne zu. Wir arbeiten gemeinsam mit dem Bundes­ministerium für Inneres, dem Bundesrechenzentrum und vielen anderen auch daran, dass wir hier tatsächlich eine bessere Datengrundlage bekommen.

Aber das ändert nichts daran, dass auch ohne diese spezifischen Auswertungen der Weg sehr klar sein muss, nämlich festzuhalten: Die Obsorge beider Eltern hat sich bewährt. Wir brauchen dort, wo es bei der Ausübung des Besuchsrechts Konflikte gibt, noch mehr Unterstützung, mehr Projekte, Besuchscafés und Ähnliches. Und es wäre sicher wünschenswert, wenn das Geld dafür vorhanden wäre, dass wir dieses Modell des Kinderbeistands tatsächlich flächendeckend in Österreich einsetzen könnten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.19


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Die Redezeit der nunmehr zu Wort gemeldeten Abgeordneten beträgt gemäß der Geschäftsordnung 5 Minuten.

Zum Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.19.09

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich glaube, man kann nicht mehr viel mehr dazu sagen, als die Frau Bundesminister jetzt dazu ausgeführt hat. Ich glaube auch, dass man immer wieder darauf hinweisen muss, dass gerade im Familienrecht selten so viel weiterge­gangen ist wie in den letzten Jahren unter Bundesministerin Berger.

Es ist natürlich eine sensible Materie, die wir hier anschneiden, so wie alle familien­rechtlichen Themenstellungen, Beziehungsthemen nicht einfach mit Schwarz, Weiß oder Rot zu lösen sind. Das ist, glaube ich, uns allen bekannt.

Gerade weil Sie sagen, Herr Kollege Klement, es passiert so rasch, dass ein Verdacht auf sexuellen Missbrauch ausgesprochen wird, möchte ich Sie an die Diskussion von heute Vormittag erinnern. Kollege Westenthaler hat sich hier in der Fragestunde maß­los – aus meiner Sicht überzogen – aufgepudelt und erklärt, es passiere nichts gegen sexuellen Missbrauch.

Ich meine, man muss schon berücksichtigen, dass wir mit diesem Komplex sehr sorg­sam umgehen müssen. Es muss, so meine ich, wenn es auch nur den kleinsten Hin­weis darauf gibt, dass sexueller Missbrauch vorliegen könnte, das untersucht werden. Dass es dann im einen oder anderen Fall zu viele Untersuchungen gibt, ist ein gutes Zeichen, denn ich denke, es ist besser, es gibt zu viele Untersuchungen, als es gibt zu wenige.

Wir können auch nicht einerseits sagen, wir wollen gegen sexuellen Missbrauch kämp­fen, aber andererseits überall dort, wo Familienkonstellationen dahinterstehen, be­haupten, dass das dann nicht geht. Wir wissen nämlich leider Gottes auch, dass sexu­eller Missbrauch gerade in Familien und familiennahen Verhältnissen am stärksten ausgeprägt ist. Das ist ein Umstand, den man zur Kenntnis nehmen und von dem man ausgehen muss, ob man sich das nun so wünscht oder nicht.

Konkret zur aufgeworfenen Frage: Das Allerletzte, was stattfinden sollte, ist, dass bei Ehestreitigkeiten, wenn zwei Menschen nicht mehr miteinander können, auseinander­gehen, das Kind zu einer Art Waffe wird und vom einen oder vom anderen Partner


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instrumentalisiert wird. Daher ist es aus meiner Sicht, auch aus unserer Sicht die einzig wirklich sinnvolle Chance, die Kinderrechte in den Vordergrund zu rücken und, wie die Frau Bundesministerin hier vorgeschlagen und modellhaft auch schon eingeführt hat, eine Art Schiedsperson die Kinderbetreuung übernehmen zu lassen, wenn Eltern ihrer Verpflichtung offensichtlich nicht nachkommen. Gott sei Dank sind das ja nicht allzu viele Fälle, aber dort, wo das der Fall ist, ist es dann gleich besonders heftig, und da muss man einfach einschreiten.

Genauso ist auch in jenen Fällen, in denen Besuchsrechte zustehen und nicht ausge­übt werden können, weil das Kind dann auch nachträglich teilweise, das muss man auch zugeben, als Waffe eingesetzt wird, indem manches Mal wider besseres Wissen das Besuchsrecht beim Kind vorenthalten wird. Es gibt hier also sehr unbefriedigende Situationen, und auch darum muss man sich kümmern. Keine Frage!

Es gibt also hier nicht nur heiß oder kalt, sondern es gibt die unterschiedlichsten Kon­stellationen, wobei die jeweils auch wieder ihre eigenen Vorgeschichten haben, und die können dann ja durchaus auch mit Gewalt oder sonstigen üblen Dingen zu tun haben. Man kann sich das also nicht so leicht machen und behaupten, es ist alles gut oder es ist alles schlecht. Wichtig ist, dass sehr sorgsam geschaut wird, was stattfindet, sehr sorgsam, mit Sachverstand mediatisiert wird. Das ist der richtige Weg, und das ist das, was Frau Minister Berger hier auch aufgezeigt hat.

Hier kann man natürlich mit Kennzahlen die Plausibilität von Erklärungen prüfen, und dort, wo es noch keine Daten gibt, sind wir ja jetzt dabei, wo immer das möglich ist, Rechtstatsachenforschungen zu ermöglichen, also ausgehend davon, was wir uns von einem Gesetz wünschen, welche Zustände herbeigeführt werden sollen, zu untersu­chen, ob das dann tatsächlich auch so funktioniert hat. Dazu sollen diese ganzen Da­teien und Kennzahlen dienen.

Nur noch eines, da davon am Vormittag und auch jetzt in diesem Zusammenhang über Sexualstraftäter gesprochen und danach gefragt wurde, warum da nicht entsprechend vorgegangen wird: Wenn das Bundesministerium für Inneres nicht in der Lage ist, die Sexualstraftäterdatei so auszuarbeiten, dass wir das in einem Gesetzesvorhaben um­setzen können, dann kann man dem nicht abhelfen.

Ich finde es eben nicht gerade wahnsinnig nett, wenn die Kollegen von der ÖVP heute Vormittag in der Fragestunde gegenüber der Frau Bundesminister den Vorwurf erhe­ben, dass das Bundesministerium für Justiz dafür verantwortlich ist, dass die Sexual­strafrechtsreform nicht kommt, während gleichzeitig die notwendigen Unterlagen aus dem Bundesministerium für Inneres nicht kommen, offensichtlich, weil man dort noch gar nicht erkannt hat, dass man da einen Arbeitsauftrag hat. – Ich meine, das spricht ohnehin für sich selbst.

Wer auch immer hier in der nächsten Legislaturperiode tätig sein wird, wird also im Fa­milienrecht sicherlich ein Betätigungsfeld vorfinden, und, so ist zu hoffen, mit Vernunft und mit Sachverstand vorgehen. Im Sexualstrafrecht gilt das Gleiche. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.23


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wögin­ger. Auch für ihn gilt eine maximale Redezeit von 5 Minuten. – Bitte.

 


15.24.01

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Hohes Haus! Die gesamte Thematik Besuchsrecht ist ein wichtiger Bereich, der auch im Rahmen der gesamten Familienpolitik eigentlich mehr Aufmerksamkeit


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verdient. Die Anzahl der Verfahren wegen Besuchsrechtsstreitigkeiten steigt ständig an; rund 5 300 waren es im Jahr 2007.

Das zeigt uns, meine geschätzten Damen und Herren, dass das Zusammenleben in der Familie – also Eltern und Kinder im gemeinsamen Haushalt – leider oftmals nicht mehr funktioniert. Dafür gibt es sicher viele Gründe, und es ist nicht immer einfach, als Elternteil immer das Richtige zum richtigen Zeitpunkt zum Wohle der Kinder und der Familie zu tun. Das ist für mich eigentlich der Punkt in dieser Debatte: Es geht um das Wohl des Kindes, meine sehr geehrten Damen und Herren. Als zweifacher Familienva­ter weiß ich, dass es auch in funktionierenden Familien oft unterschiedliche Ansichten zwischen Vater und Mutter gibt, wenn es darum geht, was gut für das Kind ist und was nicht.

Dabei sollte man auch Qualität vor Quantität reihen: Es geht nicht um die Anzahl der Stunden, die man mit dem Kind verbringt, sondern darum, wie man die Zeit mit den Kindern verbringt. Man soll auch keine Rivalitäten entstehen lassen zwischen Mutter und Vater, wenn ein Elternteil dem Kind alles verspricht und alles gibt und der andere Elternteil das zurückhalten muss. Und wenn die Elternteile nicht im gemeinsamen Haushalt leben, dann sind die Differenzen oft noch größer. Partnerschaft ist das eine, Eltern sein ist das andere.

Es muss den Eltern, egal ob im gemeinsamen oder im getrennten Haushalt, klar sein, dass es um das Wohl des Kindes geht, und jedes Kind hat grundsätzlich auch ein Recht auf Mutter und Vater. Natürlich gibt es bei Scheidungen oder Streitfällen auch Ausnahmen, wenn zum Beispiel für das Kind Gefahr im Verzug ist oder sexueller Miss­brauch droht. Das ist bereits angesprochen worden. Dann ist klar, dass es zu diesem Recht nicht kommen kann.

Es kann aber auf der anderen Seite auch nicht so sein, dass die Mutter oder der Vater aus persönlichen Gründen gegen den anderen Elternteil bestimmt, was für das Kind gut ist und was nicht, oder ob der Vater oder die Großeltern die Kinder sehen dürfen oder nicht.

Das Problem liegt oftmals schon in der Scheidung selbst begründet. Ich möchte hier eigentlich diesen Bereich ansprechen, weil die ganze Problematik Besuchsrecht eigentlich erst dann zum Tragen kommt. Es liegt die Ursache also oftmals schon dort, beim Schlussmachen, beim Auseinandergehen oder wie auch immer. Oftmals erfolgt die Trennung auch wegen Kleinigkeiten. Jeder, der in einer Lebensgemeinschaft lebt, der verheiratet ist, weiß, dass man unterschiedliche Ansichten haben kann, dass es auch einmal zu einem Streit kommt, aber das geht leider oft gleich so weit, dass man sagt, man kann nicht mehr miteinander, man will nicht mehr miteinander, es wird nur noch gestritten und man geht auseinander. Und auf der Strecke bleiben eigentlich die Kinder.

Daher ist es wichtig, dass man schon dort ansetzt und eine Mediation einführt – eine Art Beistand, wie die Ministerin das auch angekündigt hat – und versucht, zwischen den Eltern wieder eine Basis herzustellen, damit man die Partnerschaft gemeinsam fortsetzen kann. Dies wäre aus meiner Sicht notwendig und sinnvoll, denn Kleinigkei­ten kann man auch ausreden, und man muss auch einmal verzichten und vor allem verzeihen können. Verletzungen, die die Elternteile einander zugefügt haben, müssen verarbeitet werden können. Schon dort sind aus meiner Sicht die Schritte zu setzen, damit es in vielen Fällen gar nicht so weit kommt, dass die Frage Besuchsrecht geklärt werden muss.

Wenn es dazu kommt, Frau Bundesministerin – da beziehe ich mich dann schon auf die Anfrage –, dass die Frage des Besuchsrechts geklärt werden muss, dann muss schon auch genauestens recherchiert und erhoben werden, denn dann muss, wenn es


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Vorwürfe gibt, klargestellt werden, ob diese berechtigt sind oder nicht und ob es zum Besuchsrecht kommen kann oder nicht. Persönliche Empfindlichkeiten zwischen den Elternteilen haben da eigentlich wenig verloren. Und, das möchte ich hier abschließend noch betonen, die große Überschrift, unter der man sich diesem Bereich nähert, muss lauten: Im Mittelpunkt steht das Kind! – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Lentsch: Bravo!)

15.28


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Frau Abgeordnete Zwerschitz ist die nächste Rednerin. 5 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


15.28.56

Abgeordnete Barbara Zwerschitz (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! – Herr Abgeordneter Klement ist jetzt leider hinausgegangen. (Abg. Mag. Stein­hauser: Interessiert ihn nicht!) Ich weiß, dass es ein persönliches Steckenpferd von ihm ist, die „armen Männer“ gegen die „bösen Frauen“ zu verteidigen. – So einfach ist es allerdings nicht, denn es gibt immer dort und da Opfer. Ich kenne genauso Frauen, die von Scheidungen betroffen sind, wie Männer. Ich halte die Vorgehensweise, immer anonym von irgendwelchen Beratungsstellen zu reden, die angeblich dahin gehend beraten, dass ..., ohne dass Sie sagen, welche Beratungsstelle das tut oder wo das der Fall ist, ich halte diese Anschuldigungen, durch die immer irgendwelche Institutionen absichtlich in Misskredit gebracht werden, für unzumutbar und für nicht richtig. (Beifall bei den Grünen.)

Worum es mir bei diesen Scheidungsfällen geht, sind die Kinder. Von da her kann ich diesem Anliegen selbstverständlich sofort zustimmen. Das ist mir auch sehr wichtig. Es wurden 2006 immerhin über 20 000 Ehen geschieden, und davon waren 15 000 min­derjährige Scheidungswaisen betroffen.

Diesen Kindern geht es nicht gut. Darüber gibt es mittlerweile auch zahlreiche Studien. Vor allem geht es ihnen während der Trennungsphase nicht gut, weil es in Österreich leider immer noch in vielen Familien so ist, dass Scheidungskrisen über die Kinder ausgetragen werden, dass es Eltern gibt, die sich um das Kind streiten, als ginge es um Besitz. Natürlich sind emotionale Bindungen von beiden Elternteilen gegeben, und natürlich wollen beide Elternteile diese Verbindung nicht abbrechen – eigentlich eine ganz logische Geschichte.

Daher ist ein Kinderbeistand die optimale Methodik, um genau diesen Kindern zu hel­fen. Der hört dem Kind zu, er ist für das Kind da, er ist auch das Sprachrohr des Kindes bei Gericht, weil sich Kinder altersgemäß auch oft anders ausdrücken, als das vor Ge­richt brauchbar oder erwünscht ist. Er ist die Vertrauensperson, die wirklich nur für die­ses Kind da ist.

Dass es Zeit kostet und Zeit braucht, bis dieser Kinderbeistand beim Kind entsprechen­des Vertrauen gewinnt, ist logisch. Alleine deswegen werden wir die Verfahren nicht allzu kurzfristig abschließen können.

Außerdem ist es mir gerade bei Kindern wichtig, dass man sich jeweils sehr ernsthaft anschaut, was die beste Lösung für ein Kind ist. Dass es Streitfälle gibt, dass es immer wieder Ungerechtigkeiten sowohl Müttern als auch Vätern gegenüber gibt, dass vor allem auch die Großeltern betroffen sind – ja, das ist so. Und daran müssen wir etwas ändern.

Herr Abgeordneter Klement, Sie haben aber nicht wirklich viele Vorschläge dafür ge­macht, denn das, was Sie gesagt haben, waren Forderungen, die hier in diesem Haus schon sehr zahlreich erhoben worden sind. (Abg. Mag. Steinhauser: Er hat gar keinen Vorschlag gemacht!) Es wären Maßnahmen gefragt, und diese möchte ich Ihnen jetzt


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vorschlagen, nämlich Maßnahmen, mit denen den Kindern wirklich geholfen werden kann.

Der Kinderbeistand ist ein tolles Projekt, funktioniert hervorragend, wie das auch die Frau Ministerin schon gesagt hat. Er kommt bei den Gerichten gut an, er kommt bei den Eltern gut an und hilft den Kindern wirklich.

Dem Kinderbeistand geht das Geld aus! Es sind viel zu wenig Menschen, die in diesem Bereich arbeiten können, es sind viel zu wenig Ressourcen vorhanden und es gibt viel zu wenig Kinder, die diesen Kinderbeistand in Anspruch nehmen können. Hier kann die Politik sehr wohl ansetzen.

Was kann die Politik noch tun? – Wir haben gehört: Besuchscafés. Auch das ist ein Problem. Die Ressourcen dafür sind nicht vorhanden, damit gerade am Wochenende, wo natürlich Überstunden bezahlt werden müssen, diese Besuchscafés entsprechend betreut werden können. Wenn Väter beim Besuch begleitet werden sollen, wenn es möglich sein soll, dass Väter in einem Besuchscafé ihr Kind treffen können, dann sind das normalerweise, üblicherweise Wochenendtermine. Das muss man finanzieren, das ist teuer. Auch hier fehlt es in Österreich eklatant an Ressourcen.

Was gibt es noch? – Kinderrechtskonvention. Wir haben sie noch immer nicht im Ver­fassungsrang. Hier würde auch das Kontaktrecht der Kinder und Jugendlichen zu bei­den Elternteilen drinnenstehen. Hier steht auch drinnen, dass das Kind ein Partizipati­onsrecht hat, ein Mitbestimmungsrecht bei dem, was mit ihm geschieht. Und ebenso, dass auch der Staat zu Beistand verpflichtet ist.

Was brauchen wir noch? Was ist noch eine effektive Maßnahme? – Das Jugendwohl­fahrtsgesetz. Wir waren ja dabei, ein neues zu entwickeln. Auch darin findet sich sehr viel, das in den Obsorgebereich hineinspielt. Hier findet sich sehr viel, was an Ressour­cen, an Betreuung zur Verfügung gestellt werden kann, gerade auch für Kinder nach Scheidungen. Es gibt Vereine wie zum Beispiel „Rainbows“, die sehr wohl die Kinder begleiten, die Kinder betreuen. Auch diese Vereine, auch die Institutionen der Jugend­wohlfahrt haben viel zu wenig Geld, und wir brauchen endlich eine neue gesetzliche Grundlage.

Ich hoffe, dass sich, wer immer die nächste Regierung stellen wird, da schnellstens da­zu bewegen lassen wird, im Jugendwohlfahrtsbereich zu arbeiten. (Präsident Dr. Spin­delegger gibt das Glockenzeichen.) – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

15.34


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Fichtenbauer. 5 Minuten. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.34.09

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Wir befinden uns in einer Anfragebesprechung, und ich bitte um Pardon: Frage 7 bis 51, steht hier, „können mangels statistischer Erfassung nicht ohne unver­tretbar hohen Verwaltungsaufwand beantwortet werden“. – Das ist ein bisschen gar ab­schassig, das muss ich schon sagen.

Ich kenne nämlich schon ein wenig die Qualität der EDV in der Justiz, und die ist eigentlich besser, als da steht. Also, vielleicht steckt da ein bisschen die Absicht dahin­ter, etwas doch nicht so deutlich zu machen, was als politisches Argument verwendet werden könnte, das einem nicht recht wäre, weil Klement ein so berühmter Mensch ist, der um Väterrechte streitet, und das mag manchem nicht recht sein. (Abg. Mag. Stein­hauser: „Berühmt“ ist übertrieben! – Abg. Dr. Jarolim: Berüchtigt!)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 141

Ich bitte Sie, dass man vielleicht doch noch einmal nachfasst, weil es natürlich schon interessant wäre. In der Gerichts-EDV sehe ich selbstverständlich mit einem Knopf­druck, wer Antragsteller und wer Antragsgegner ist. Also, da hätte man zumindest eini­ge Fragen beantworten können, aber vielleicht kann das ja noch nachgeholt werden. Oder wir formulieren vielleicht eine neue Anfrage mit weniger als 50 Punkten. Wir wer­den der Sache schon noch auf den Grund gehen.

Das ist eine Geschichte, die ja leider permanent Gegenstand der notwendigen politi­schen Befassung ist, weil sie ernst und weil sie wichtig ist. Einige wichtige Aspekte:

Erster Punkt: Kinder sind immer Scheidungsopfer. Keine Frage!

Zweitens: Kinder haben ein Schicksal, und zwar auch das Schicksal, wer ihre Eltern sind. Wenn diese Eltern nicht verantwortungsvoll handeln, dann verwenden sie die Kin­der zum Teil als Waffe, sei dies schon bei der Scheidung oder wenn die Scheidung er­ledigt ist, dann gibt es die Nachscheidungskriege. Das kennen wir alle.

Selbstverständlich gibt es ein eingeführtes System, wie man sich günstig positioniert. Es gibt selbstverständlich das Know-how. – Und jetzt spreche ich wirklich geschlechts­neutral, um da ja keine Verdachtsmomente aufkommen zu lassen, die den Blick auf die wahren Sachverhalte verstellen. – Man kann sich eine günstige Ausgangsposition ver­schaffen, indem man zuerst die Wegweisung schafft, und die Wegweisung schafft man natürlich mit der Gewaltbehauptung, und die Gewaltbehauptung steht leider Gottes häufig mit der Falschbehauptung des sexuellen Missbrauches im Zusammenhang.

Jetzt haben Sie natürlich recht, diese Behauptung kann auch richtig sein, und das Teuflische existiert natürlich. Hier geht es darum, mit der strengsten rechtsstaatlichen Verfahrensmethode sorgsam den wahren Sachverhalt zu erheben. – Das ist eine Bau­stelle.

Die zweite Baustelle: Wir haben zu unterscheiden Streitigkeiten über das Obsorge­recht – wenn es nicht zur gemeinsamen Obsorge kommt, was natürlich die Erfüllung eines Sehnsuchtstraumes der letzten 10, 15 Jahre war; Gott sei Dank gibt es jetzt die Möglichkeit zur gemeinsamen Obsorge – oder über das Besuchsrecht.

Der Herr Vizekanzler ist nicht da; er spricht immer von Klarheit. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Nein, das ist ein Thema, das ihn nichts angeht, weil er Finanzminister ist. Wir sprechen heute über Familien- und über Justizangelegenheiten, sodass er seine Zeit nicht über Gebühr für Dinge, die er kompetenzmäßig nicht am Halse hat, strapazieren muss. Ich borge jetzt jedoch ein Wort von ihm aus, das heißt „Klarheit“. – In aller Klar­heit muss man erkennen, dass die besten materiell-rechtlichen Bestimmungen in einem Staat nichts nützen, wenn sie nicht von hervorragenden prozessrechtlichen, ver­fahrensrechtlichen Methoden begleitet werden.

Anders gesagt: Die Qualität des Rechtsstaates bemisst sich immer an der Qualität des Verfahrensrechtes. Und eine Todsünde gegen die Verwirklichung des Rechtsfriedens ist verzögerter Verfahrensverlauf. Und gerade bei Besuchsrechtsstreitigkeiten ist es so, dass wie beim „Om mani padme hum“ mit der Gebetsmühle die Richter jetzt seit vielen, vielen Jahren die Sache de facto an die Sachverständigen delegieren. Die Richter re­duzieren sich in hohem Maße – in erster Instanz natürlich – auf einen Entscheidungs­apparat, der selbst nicht mehr konstitutiv handelt, sondern rezeptiv die Mehrheit der vielleicht von mehreren Sachverständigen abgegebenen Meinungen wiedergibt – und damit hat es sich.

Jetzt haben wir natürlich zu wenige Sachverständige, und die Akten liegen sehr lange bei Sachverständigen. (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 142

Schlusssatz: Es müssen Sachverständige, die in der gebotenen Zeit nicht das Gutach­ten abgeben, aus der Liste gestrichen werden – dann nehmen es die anderen ernst –; und zweitens – bitte, nehmen Sie meinen Antrag ernst! – sind solche Streitigkeiten mit einer unbedingten Entscheidungspflicht in erster Instanz binnen sechs Monaten zu ver­sehen, ungeachtet dessen, ob es ein Gutachten gibt oder nicht; da muss dann eben der Richter selbst die Entscheidung verantworten. Das wäre ein erster Schritt im Ver­fahrensrecht, um diesen Dingen ein bisschen abzuhelfen. (Beifall bei der FPÖ.)

15.39


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Frau Abgeordnete Haubner ist die nächste Rednerin. Auch für sie gilt eine maximale Redezeit von 5 Minuten. – Bitte, Frau Kolle­gin.

 


15.40.01

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Zu Be­ginn meiner Ausführungen muss ich Herrn Kollegen Jarolim – er ist jetzt leider nicht im Saal – ein bisschen widersprechen. Kollege Jarolim sagte, in dieser Legislaturperiode sei so viel in Familienrechtsangelegenheiten weitergegangen. Gerade das – Frau Bun­desministerin Berger hat das richtigerweise gesagt –, was gut funktioniert, nämlich die gemeinsame Obsorge, wurde seinerzeit von Justizminister Dr. Böhmdorfer eingeführt. Der Kinderbeistand wurde von Justizministerin Gastinger eingeführt, und zwar als Pilot­projekt. Besuchscafés wurden vom damaligen Sozialminister Herbert Haupt eingeführt.

Ich bin sehr froh darüber, dass Sie diese drei Einrichtungen so lobenswert erwähnen, sie weitergeführt haben und es in diesem Bereich keine Veränderungen gegeben hat. (Beifall beim BZÖ.)

Wenn wir auf diese Anfragebeantwortung des Kollegen Klement eingehend feststellen müssen, dass von 2005 bis 2007 15 871 Minderjährige von Besuchsrechtsanträgen betroffen waren, dann ist das ein erschütterndes Bild, das leider der Realität entspricht. Wir haben die Situation, dass sich leider Gottes immer mehr Eltern trennen. Es ist kein Geheimnis, dass meistens Kinder die Leidtragenden sind. Daher ist Folgendes beson­ders wichtig – meine Vorgängerinnen und Vorgänger haben das schon gesagt und ich wiederhole es noch einmal –: Wenn sich Paare trennen, dann treffen sie eine Entschei­dung für sich, aber wenn sie Kinder haben, sind sie ein ganzes Leben lang Vater und Mutter. Kinder haben ein Recht auf beide Elternteile! (Beifall beim BZÖ.) Das sollte in allen Maßnahmen, die wir von staatlicher Seite unterstützen, zum Ausdruck kommen.

Daher möchte ich auch kurz auf das Thema Besuchsbegleitung eingehen, nämlich auf die Besuchscafés. Sie wurden 2003 eingeführt. Ich habe es mir ein bisschen ange­schaut. Damals waren es österreichweit acht Besuchscafés, und es wurde ein biss­chen belächelt. Minister Haupt hat die „Männerpolitische Grundsatzabteilung“ gegrün­det. Da hat man gesagt: Was macht man in der männerpolitischen Grundsatzabtei­lung? Das ist alles nichts Gescheites! – Dann hat er das eingeführt, und ich sage Ihnen: Es ist bis heute ein wunderbares Angebot, und zwar für jene Eltern, die sich nicht einigen können und ihre Streitereien sonst neben dem Kind beziehungsweise auf dem Rücken des Kindes austragen würden, sodass das Kind überhaupt keine Chance hätte, auf den betreffenden Elternteil unbelastet zuzugehen und dessen Gesellschaft zu genießen.

Im Jahre 2006 waren es schon 72 Besuchscafés. Bis zum Jahr 2006 haben wir die Fördermittel aus dem Sozialministerium für diese 72 Besuchscafés gegeben. Ich stehe nicht an, zu erwähnen – das habe ich hier schon x-mal gesagt –, dass der jetzige Mi­nister erhöhte Mittel zur Verfügung gestellt hat, sodass wir jetzt 120 Besuchscafés ha­ben.


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Das ist richtig und gut so, aber ich sage: Wenn das so erfolgreich ist – warum hat man es nicht gleich auf eine gesetzliche Basis gestellt? Warum hat man unserem Antrag vom Mai 2007, der noch immer irgendwo in einer Schublade liegt, nicht zugestimmt? Warum hat man nicht gesagt: Das ist etwas, das wir für unsere Kinder brauchen; ver­knüpfen wir es mit einer klaren gesetzlichen Regelung, damit es einen Rechtsanspruch gibt (Beifall beim BZÖ), damit es nicht ständig vom Ermessen eines Ministers – wel­cher Farbe auch immer – abhängig ist, ob ein Trägerverein diese Besuchsbegleitung, dieses Besuchscafé weiterführen kann!? – Das ist eine Forderung seitens des BZÖ, auch an die nächste Regierung.

Es ist genauso unsere Forderung, den Kinderbeistand auf eine klare gesetzliche Basis zu stellen. Frau Ministerin, Sie haben das in Ihrer Anfragebeantwortung an uns sehr begrüßt und ganz klar gesagt, dass es ein Erfolgsmodell ist. Es war zwar, wenn ich mich recht erinnere, bis zum 30. Juni ein Projekt in vier oder fünf Bezirksgerichten, aber jetzt steht das Ganze. Es soll zwar bis zum Herbst ein Evaluierungsbericht kom­men, der sicher interessant sein wird, aber auch das sollte jetzt rasch gemacht wer­den! Was unsere Kinder brauchen, sind nicht nur irgendwelche Förderungen und wei­tere Pilotprojekte, sondern Rechtsanspruch auf Kinderbeistand! (Beifall beim BZÖ.)

Daher sage ich zum Abschluss: Zum Thema Familienrecht gibt es viele gute Ideen. Jetzt muss aber endlich die Phase dieser Pilotprojekte enden und das, was für unsere Kinder gut ist, muss nachhaltig und gesetzlich verankert werden!

Das gilt auch für das Unterhaltsrecht: Der Unterhaltsvorschuss wurde in dieser kurzen Legislaturperiode sehr lange diskutiert (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glocken­zeichen), aber eigentlich sind die Unterlagen schon da, nämlich von den Arbeitsgrup­pen der letzten Legislaturperiode. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

15.45


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

15.45.18Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Ich nehme die Verhandlungen über den Punkt 4 der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Lutz Weinzinger. Freiwillige Redezeitbeschrän­kung: 4 Minuten. – Bitte.

 


15.45.30

Abgeordneter Lutz Weinzinger (FPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir sind also wieder beim Punkt 4, Antrag 837/A der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz geändert wird.

Wenn ich Sie daran erinnern darf: Der erste Redner hat das Casinowesen und die da­mit verbundene Gastronomie mit bewegten Worten geschildert, gelobt und uns klarge­macht, dass das grundsätzlich etwas Gutes ist und vor allem dem Lande Tirol dient. Der zweite Redner, eine Dame, hat uns erklärt, was diese EU-Richtlinie eigentlich will. Der dritte Redner hat – wie immer in gekonnter Art und Weise – die späte Erledigung dieser Richtlinie gerügt und uns die Novelle sowie die Art der Glücksspiele erklärt. (Ruf bei den Grünen: Was bisher geschah!)

Und dann flatterte noch ein Abänderungsantrag von Stummvoll und Krainer auf den Tisch. Ich hatte jetzt die Möglichkeit, diesen Abänderungsantrag durchzusehen. Er


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bringt, wie Kollege Rossmann schon sagte, nichts Böses, sondern vielleicht eine weite­re Verbesserung.

Natürlich ist die ganze Angelegenheit der Glücksspiele mit dieser Novelle, mit dieser Abänderung beziehungsweise mit dieser Gesetzwerdung nicht erledigt. Hier muss eine Gesamterledigung kommen. Wir hören aber, dass die diesbezügliche Regierungs­vorlage, die sich überdies mit komplexen Fragen zur zukünftigen Ausgestaltung des Glücksspielwesens befasst, bislang noch nicht abgeschlossen werden konnte. Viel­leicht gelingt das in der nächsten Gesetzgebungsperiode.

Ich persönlich bin kein Freund des Glücksspieles. Ich bin – wie in vielen Dingen – der Meinung, dass man die Menschen zwar selbst entscheiden lassen, aber trotzdem eine Kontrolle einziehen sollte. Es muss kontrolliert werden, dass junge, zu junge Menschen durch Glücksspiele nicht in irgendeinen Strudel hinein geraten, aus dem sie sich mögli­cherweise ihr Leben lang nicht mehr befreien können. Menschen sollen im Glücksspiel keine Möglichkeit einer Lösung ihrer wirtschaftlichen Probleme sehen, und – das ist auch der Hintergrund der Geldwäsche-Richtlinie – diese Möglichkeiten sollen nicht be­nutzt werden, um Geld zu waschen.

Geld zu waschen hört sich so leicht an, wird auch so leicht hingesprochen. Was heißt denn das? Das ist Geld, auf dem sehr oft Blut klebt. Das ist Geld, das durch Erpres­sung, Mord, Entführungen und durch alle möglichen Dinge gemacht wird und dann in offizielles Geld umgewandelt wird. Hier muss eingegriffen werden, hier muss es Kon­trollen geben! Um diese entsprechenden Kontrollen zu machen, wurde dieser Antrag eingebracht. Soll hier eine Gesetzgebung erfolgen, ist der Abänderungsantrag einge­bracht worden. Es ist ein Anfang, aber mit Sicherheit noch nicht das Ende aller Tage – um eine Floskel zu verwenden, die wir in den letzten Tagen sehr oft gehört haben.

Wir werden diesem Abänderungsantrag und dem Antrag insgesamt zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

15.49


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Bucher. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

 


15.49.30

Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Weinzinger war der fünfte Redner. Er fasste zusammen und stellte fest, dass das eine EU-Richtlinie ist, die schon längst zur Beschlussfassung anstand, und es wurde, wie Kollege Rossmann schon gesagt hat, bereits ein Verfahren gegen Österreich ange­strengt.

Wir halten diese Richtlinie und auch den Abänderungsantrag, obwohl er uns in letzter Sekunde zugegangen ist, für sinnvoll, weil wir aus den bereits erwähnten Gründen nicht zusehen können, dass es hier zu einzelnen Lücken und Schwachstellen in der Kontrolle und im Bereich des Schutzes von Spielern sowie von Casinos kommt.

Es gibt aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, einen Bereich, der uns in nächster Zukunft noch beschäftigen sollte, nämlich der gesamte Komplex der Internet­wetten und Internetspiele, die mit diesem Gesetz noch nicht abgehandelt sind. Das ist bestenfalls eine erste Etappe. Ich halte die Bedrohung, die hier durch das Internet be­steht, für sehr, sehr bedenklich, zumal auch Kinder sehr leicht Zugang zu Internetspie­len haben.

Durch diesen leichten Einstieg, der nicht unmittelbar mit monetären Konsequenzen verbunden ist, werden Kinder zu späteren potentiellen Spielern sozusagen herange­züchtet. In späterer Folge, wenn diese Menschen selbst über ein Einkommen verfügen, können sie diese vielen Möglichkeiten aufgreifen und im Internet irgendwelchen Wett-


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anbietern oder Spiel-Homepages erliegen. Es ist daher, glaube ich, wichtig, dass wir uns im Kontext mit der Europäischen Gemeinschaft auch um diesen Bereich kümmern und im Hinblick auf die Zukunft dafür Sorge tragen, dass das Spielen über das Internet nicht so einfach ermöglicht wird. (Beifall beim BZÖ.)

15.51


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kirchgatte­rer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

 


15.51.44

Abgeordneter Franz Kirchgatterer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich möchte auf den ersten Teil der Diskussion Bezug nehmen und natürlich die Notwendig­keit der Entlastung des Mittelstandes sowie von Investitionsanreizen für Klein- und Mit­telbetriebe betonen. Das sind wesentliche Punkte für die Steuerreform, die wir mit 1. Jänner 2009 umgesetzt haben möchten, wobei die Partner leider nicht mitgegangen sind.

Zum vorliegenden Antrag: Die Bekämpfung der Geldwäsche macht natürlich auch ste­tige Anpassung der einschlägigen Gesetzesbestimmungen notwendig. Mit der heutigen Änderung des Glücksspielgesetzes kommen wir zeitgerecht der Umsetzung der dritten EU-Geldwäscherichtlinie nach.

Wir haben bereits jetzt eine Rechtslage, die Geldwäsche in Casinos ganz erheblich erschwert. Ich nenne hier die strengen Kriterien für die Konzessionsvergabe durch den § 21 des Glücksspielgesetzes. Die dritte Geldwäsche-Richtlinie sieht nun weitergehen­de Kontrollmaßnahmen für die Spielbanken vor.

Die Betreiber von Casinos werden unter anderem bei der Identitätsprüfung der Spieler strengeren Regelungen unterworfen. Österreich bekennt sich damit zur umfassenden Bekämpfung von Geldwäsche und zur Bekämpfung von Terrorismusfinanzierung.

Meine Damen und Herren! Es geht auch um die Reputation, um den Ruf unseres Lan­des. Es ist daher sehr wichtig, dass das vorliegende Glücksspielgesetz hier mit großer Mehrheit beschlossen wird. Es ist ein Bekenntnis für die Sicherheit in unserem Land und in der Europäischen Union! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.53


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Krainer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

 


15.54.03

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Ich darf den bereits von meinen Vorrednern zitierten Abänderungsantrag einbringen und in den Eckpunkten erläutern.

Das sind im Wesentlichen bereits Teile aus einer Regierungsvorlage, die im Ausschuss liegt.

Darin geht es zum einen darum, dass Bürger des europäischen Wirtschaftsraumes be­ziehungsweise der Europäischen Union, was die Spielerschutzbestimmungen betrifft, genauso behandelt werden wie Inländer. Das heißt, dass sie, wenn sie viel spielen, genauso ihren Ausweis herzeigen müssen. Wenn sie viel spielen, oft spielen und viel verlieren, müssen sie genauso nachweisen, dass sie sich das leisten können – verbun­den mit Beratungsgesprächen et cetera. Es handelt sich hier also um eine Gleichstel­lung.

Das Zweite ist das Werbeverbot. Das heißt, dass Spielbanken, die sich im Ausland be­finden, auch in Österreich für den Besuch Werbung machen dürfen. Das war bisher


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verboten, aber die Europäische Union ist der Meinung, dass das gemeinschaftswidrig ist. Das wird jetzt möglich sein, allerdings mit der Einschränkung, dass diese Werbe­möglichkeit im Finanzministerium beantragt werden muss, und zwei Dinge werden vorausgesetzt:

Erstens wird vorausgesetzt, dass die Konzessionserteilung den europäischen Richtli­nien entspricht, und zweitens, dass die Spielerschutzbestimmungen im jeweiligen Land zumindest den Standard haben wie in Österreich – sonst dürfen sie nicht werben. Man kann also nicht werben, indem man sagt: Aha, Sie sind im Casino in Österreich ge­sperrt, dann kommen Sie doch über die Grenze und spielen Sie bei uns! – Das ist nicht möglich, weil die Sicherungs- beziehungsweise die Spielerschutzmechanismen die gleichen sein müssen.

Neu ist auch eine andere Strafbestimmung. Diese bezieht sich auf Banken und derglei­chen, die direkt mitwirken, also einen vertraglichen Zusammenhang mit Spielbanken haben, die im Ausland ihren Sitz haben, keine Konzession haben, aber über Internet zum Beispiel in Österreich Spiele anbieten. Wenn Banken hier direkt beteiligt sind, dann gibt es hier Strafbestimmungen, dass das klar verboten ist – weil es nämlich ver­boten ist, vom Ausland aus ohne Konzession in Österreich Spiele anzubieten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.56


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der von Herrn Abgeordnetem Krainer einge­brachte Abänderungsantrag wurde in den Kernpunkten erläutert, ist ausreichend unter­stützt und steht daher mit in Verhandlung.

Im Hinblick auf den Umfang des Antrages wurde dieser gemäß § 53 Abs. 4 der Ge­schäftsordnung vervielfältigt und verteilt.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Günter Stummvoll, Jan Krainer und Kollegen

zum Antrag 837/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspiel­gesetz geändert wird, idF 649 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIII. GP

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

1. In der Z 1 (Änderung des Glücksspielgesetzes) wird nach der lit. a folgende lit. aa eingefügt:

„aa) Abs. 3 lautet:

„(3) Entsteht bei einem Staatsbürger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes die begründete Annahme, dass Häufigkeit und Intensität seiner Teilnahme am Spiel für den Zeitraum, in welchem er mit dieser Intensität und Häufigkeit spielt, das Existenzminimum gefährden, hat die Spielbankleitung wie folgt vorzugehen:

1. Es sind Auskünfte bei einer unabhängigen Einrichtung einzuholen, die Bonitätsaus­künfte erteilt (unabhängige Bonitätsauskünfte).

a) Wird durch diese Auskünfte die begründete Annahme, dass die fortgesetzte und un­veränderte Teilnahme am Spiel das konkrete Existenzminimum dieses Spielers gefähr­det, bestätigt, hat die Spielbank durch besonders geschulte Mitarbeiter mit dem Spiel­teilnehmer ein Beratungsgespräch zu führen, in welchem der Spielteilnehmer auf die


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Gefahren der Spielteilnahme und der möglichen Gefährdung des Existenzminimums hingewiesen wird und sind dem Spielteilnehmer Informationen über Beratungseinrich­tungen anzubieten.

b) Nimmt der Spielteilnehmer trotz dieses Beratungsgespräches unverändert häufig und intensiv am Spiel teil oder verweigert er dieses Beratungsgespräch, ist die Spiel­bankleitung verpflichtet, ihm den Besuch der Spielbank dauernd oder auf eine be­stimmte Zeit zu untersagen oder die Anzahl der Besuche einzuschränken.

2. Ist die Einholung unabhängiger Bonitätsauskünfte nicht möglich oder sind diese nicht aussagekräftig, so hat die Spielbank

a) durch besonders geschulte Mitarbeiter mit dem Spielteilnehmer ein Beratungsge­spräch zu führen, in welchem der Spielteilnehmer auf die Gefahren der Spielteilnahme und der möglichen Gefährdung des Existenzminimums hingewiesen wird und sind dem Spielteilnehmer Informationen über Beratungseinrichtungen anzubieten.

b) Im Anschluss daran ist der Spielteilnehmer zu befragen, ob seine Einkommens- und Vermögenssituation derart ist, dass durch seine Teilnahme am Spiel sein konkretes Existenzminimum gefährdet ist.

c) Wird durch das Beratungsgespräch und die Befragung des Spielteilnehmers über eine allfällige Gefährdung seines Existenzminimums die begründete Annahme bestä­tigt, dass die fortgesetzte und nach Häufigkeit und Intensität unveränderte Teilnahme am Spiel sein konkretes Existenzminimum gefährden würde, oder verweigert der Spiel­teilnehmer das Beratungsgespräch oder die Auskunft, ob eine Gefährdung seines Exis­tenzminimum vorliegt, ist die Spielbankleitung verpflichtet, ihm den Besuch der Spiel­bank dauernd oder auf eine bestimmte Zeit zu untersagen oder die Anzahl der Besu­che einzuschränken.

Eine über die Einholung der unabhängigen Bonitätsauskünfte, das Beratungsgespräch oder die Befragung des Spielteilnehmers hinausgehende Überprüfungs- und Nachfor­schungspflicht der Spielbankleitung besteht nicht.

Verletzt die Spielbankleitung die nach Z 1 und 2 vorgeschriebenen Pflichten und beein­trächtigt der Spielteilnehmer durch die deshalb unveränderte Teilnahme am Spiel sein konkretes Existenzminimum, haftet die Spielbankleitung für die dadurch während der unveränderten Teilnahme am Spiel eintretenden Verluste. Die Haftung der Spielbank­leitung ist der Höhe nach mit der Differenz zwischen dem nach Verlusten das Existenz­minimum unterschreitenden Nettoeinkommen des Spielers unter Berücksichtigung sei­nes liquidierbaren Vermögens einerseits und dem Existenzminimum andererseits ab­schließend beschränkt; höchstens beträgt der Ersatz das konkrete Existenzminimum. Das Existenzminimum ist nach der Exekutionsordnung in der jeweils geltenden Fas­sung (allgemeiner monatlicher Grundbetrag) zu ermitteln.

Die Haftung ist innerhalb von sechs Monaten nach dem jeweiligen Verlust gerichtlich geltend zu machen. Die Spielbankleitung haftet nicht, sofern der Spielteilnehmer bei seiner Befragung nicht offen-sichtlich unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder wenn ihr bei der Erfüllung ihrer Pflichten nur leichte Fahrlässigkeit vorwerfbar ist.

Dieser Absatz regelt abschließend alle Ansprüche des Spielteilnehmers gegen die Spielbankleitung im Zusammenhang mit der Gültigkeit des Spielvertrages oder mit Ver­lusten aus dem Spiel.“

2. Die Z 4 (Änderung des Glücksspielgesetzes) lautet:

„4. § 52 lautet:

„§ 52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit Geld­strafe bis zu 22.000 Euro zu bestrafen,


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1. wer Glücksspiele entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes zur Teilnahme vom Inland aus veranstaltet, organisiert, anbietet oder unternehmerisch zugänglich macht;

2. wer gewerbsmäßig ohne Berechtigung Spielanteile eines von diesem Bundesgesetz erfassten Glücksspieles oder Urkunden, durch welche solche Spielanteile zum Eigen­tum oder zum Gewinnbezug übertragen werden, veräußert oder an andere überlässt;

3. wer die Bewilligungsbedingungen eines genehmigten Glücksspieles nicht einhält;

4. wer ein Glücksspiel trotz Untersagung oder nach Zurücknahme der Spielbewilligung durchführt;

5. wer Glücksspielapparate oder Glücksspielautomaten, die dem Glücksspielmonopol unterliegen, außerhalb einer Spielbank betreibt (Veranstalter) oder zugänglich macht (Inhaber);

6. wer Verwaltungsübertretungen nach Z 1 insbesondere durch die Vermittlung der Spielteilnahme, das Bereithalten von Eingriffsgegenständen oder die unternehmerische Schaltung von Internet-Links fördert oder ermöglicht;

7. wer in einer Spielbank technische Hilfsmittel (z.B. eine entsprechend geeignete Fernbedienung) mit sich führt oder einsetzt, die geeignet sind, sich selbst oder anderen einen Spielvorteil zu verschaffen oder den Spielablauf an Glücksspielapparaten oder an Glücksspielautomaten zu beeinflussen;

8. wer als Verantwortlicher des Konzessionärs die Pflichten gemäß § 25 Abs. 6 und 7 oder § 25a verletzt;

9. wer Ausspielungen, für die keine Konzession des Bundesministers für Finanzen er­teilt wurde, im Inland bewirbt oder deren Bewerbung ermöglicht, es sei denn es liegt eine Bewilligung des Bundesministers für Finanzen gemäß § 56 Abs. 2 vor;

10. wer als Kreditinstitut die Vermögensleistung eines Spielers zur Teilnahme an einem bewilligungspflichtigen Glücksspiel, für das keine Bewilligung des Bundesministers für Finanzen vorliegt, weiterleitet, wenn dies im unmittelbaren Zusammenwirken mit dem Veranstalter oder Anbieter geschieht;

11. wer bei der Durchführung von Ausspielungen Trinkgelder direkt annimmt.

(2) Gegenstände, mit deren Hilfe in das Glücksspielmonopol eingegriffen wurde, sind gemäß § 54 einzuziehen.

(3) Die Teilnahme an Elektronischen Lotterien, für die keine Konzession des Bundes­ministers für Finanzen erteilt wurde, ist strafbar, wenn die erforderlichen Einsätze vom Inland aus geleistet werden. Der Verstoß gegen dieses Verbot wird bei vorsätzlicher Begehung mit einer Geldstrafe bis zu 7.500 Euro, ansonsten mit einer Geldstrafe bis zu 1.500 Euro geahndet.

(4) Die Verjährungsfrist (§ 31 Abs. 2 VStG 1950) für Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 1 beträgt ein Jahr.““

3. Die Z 5 (Änderung des Glücksspielgesetzes) lautet:

„5. § 56 samt Überschrift lautet:

„Zulässige Werbung

§ 56. (1) Die Konzessionäre und Bewilligungsinhaber nach diesem Bundesgesetz ha­ben bei ihren Werbeauftritten einen verantwortungsvollen Maßstab zu wahren.

Die Einhaltung dieses verantwortungsvollen Maßstabes ist ausschließlich im Aufsichts­wege durch den Bundesminister für Finanzen zu überwachen und nicht dem Klags-


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wege nach §§°1 ff UWG zugänglich. Abs.°1 Satz 1 stellt kein Schutzgesetz im Sinne des §°1311 ABGB dar.

(2) Spielbanken aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder Staaten des Euro­päischen Wirtschaftsraumes dürfen im Inland den Besuch ihrer ausländischen, in Mit­gliedstaaten der Europäischen Union oder Staaten des Europäischen Wirtschaftsrau­mes gelegenen Betriebsstätten gemäß den Grundsätzen des Abs. 1 bewerben, wenn dem Betreiber der Spielbank dafür eine Bewilligung durch den Bundesminister für Finanzen erteilt wurde. Eine solche Bewilligung ist zu erteilen, wenn der Betreiber der Spielbank dem Bundesminister für Finanzen nachgewiesen hat, dass

1. die für den Betrieb der Spielbank erteilte Konzession § 21 entspricht und im Kon­zessionserteilungsland, das ein Mitgliedstaat der Europäischen Union oder ein Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes ist, ausgeübt wird, und

2. die gesetzlichen Spielerschutzbestimmungen dieses Mitgliedstaates der Europäi­schen Union oder Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes den inländischen zu­mindest entsprechen.

Entsprechen die Werbemaßnahmen nicht den Anforderungen nach Abs. 1, kann dem Betreiber der ausländischen Spielbank die Werbung durch den Bundesminister für Fi­nanzen untersagt werden.““

4. Nach der Z 5 (Änderung des Glücksspielgesetzes) wird folgende Z 6 angefügt:

“6. In § 59 wird nach Abs. 19 als Abs. 20 angefügt:

„(20) Die Änderungen in § 25 Abs. 3, § 52 Abs. 1 Z 9 und 10 und § 56 jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. xxx/2008, treten mit 1. Jänner 2009 in Kraft.““

Begründung

Zu Z 1 (Änderung des Glücksspielgesetzes, § 25 Abs. 3 GSpG):

Das österreichische Glücksspielgesetz wurde im Zuge des Vertragsverletzungsverfah­rens Nr. 2005/4906 und 2006/4265 von der Europäischen Kommission einer Überprü­fung unterzogen. Dabei hat Österreich im Sinne der Rechtssache Placanica die grund­sätzliche Konsistenz seines Glücksspielrechts im Hinblick auf Spielerschutz und Ver­hältnismäßigkeit ausführlich begründen und darlegen können. Aus dem Verfahren ergeben sich lediglich zwei Anpassungserfordernisse: die bislang auf Inländer be­schränkte Spielerschutzbestimmung des § 25 Abs. 3 und das Werbeverbot für auslän­dische Spielbanken.

§ 25 Abs. 3 stellt bislang nur auf Inländer ab. In Hinkunft sollen auch Staatsbürger des EU/EWR-Raums unter ihren Anwendungsbereich fallen. Mit dieser Spielschutzbestim­mung, die der Spielbankleitung ein stufenweises Warnsystem von der Beratung bis hin zur Sperre vorschreibt und dieses System über die zivilrechtliche Einklagbarkeit des Existenzminimums absichert, nimmt Österreich im internationalen Vergleich eine Vor­reiterrolle ein. An diesem System soll weiterhin festgehalten werden. Es sollen jedoch die Bestimmungen für den Rechtsanwender klarer und übersichtlicher gefasst werden.

Zu Z 2 (Änderung des Glücksspielgesetzes, § 52 GSpG):

Die Bestimmung wurde sprachlich überarbeitet, um sie klarer und verständlicher zu fassen sowie um Umgehungen von einzelnen Straftatbeständen entgegenzuwirken.

In Übereinstimmung mit Europarecht (Rs Placanica) sollen verbotene Ausspielungen weiterhin dann mit Verwaltungsstrafe belegt sein, wenn sie zur Teilnahme vom Inland


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aus angeboten oder veranstaltet werden (Z 1). Auch Förderungshandlungen werden in Z 6 ausdrücklich als verwaltungsstrafbar statuiert.

Unter die Strafbestimmung fallen nach Z 9 schließlich auch das Bewerben von verbote­nem Glücksspiel sowie die Ermöglichung der Bewerbung, wenn keine Bewilligung durch den Bundesminister für Finanzen nach § 56 erteilt wurde.

Die direkte Annahme von Trinkgeld bei der Durchführung von Ausspielungen ist aus ordnungspolitischen Gründen (insb. Unterbindung von Manipulationsanreizen) unter­sagt (Ausnahme Cagnotte gemäß § 27 Abs. 3). Dieses Verbot wird nun in Z 11 auch verwaltungsstrafrechtlich abgesichert.

In Übernahme der Bestimmung des bisherigen § 56 Abs. 3 GSpG soll die Teilnahme an verbotenen Elektronischen Lotterien angesichts der besonderen kriminalitäts- und suchtbezogenen Risken im Bereich des Remote Gamblings aus ordnungspolitischen Gründen weiterhin strafbar bleiben (Abs. 3).

Zu Z 3 (Änderung des Glücksspielgesetzes, § 56 GSpG):

Zu Abs. 1:

Abs. 1 schreibt einen verantwortungsvollen Maßstab für die Werbung von Konzessio­nären und Bewilligungsinhabern fest. Diese Regelung ist eine programmatische Be­stimmung des öffentlichen Rechts aus ordnungspolitischen Gründen im Interesse des Spielerschutzes, stellt allerdings keine Schutzbestimmung im Sinne des § 1311 ABGB dar. Das bedeutet, dass keine schadenersatzrechtliche Klagen auf Verletzungen des § 56 Abs. 1 gestützt werden können. Die Einhaltung des Abs. 1 ist im Aufsichtswege zu überwachen. Das Vorliegen eines verantwortungsvollen Maßstabes für die Bewer­bung von Glücksspielen wird beispielsweise dann nicht anzunehmen sein, wenn be­sonders hohe Einsatzleistung, Glücksspiel mit Fremdkapital oder progressives Spiel zum Ausgleich allfälliger Verluste beworben wird

Zu Abs. 2:

Das österreichische Glücksspielgesetz wurde im Zuge des Vertragsverletzungsverfah­rens Nr. 2005/4906 und 2006/4265 von der Europäischen Kommission einer Überprü­fung unterzogen. Dabei hat Österreich im Sinne der Rechtssache Placanica die grund­sätzliche Konsistenz seines Glücksspielrechts im Hinblick auf Spielerschutz und Ver­hältnismäßigkeit ausführlich begründen und darlegen können. Aus dem Verfahren ergeben sich lediglich zwei Anpassungserfordernisse: die bislang auf Inländer be­schränkte Spielerschutzbestimmung des § 25 Abs. 3 und das Werbeverbot für auslän­dische Spielbanken.

Ungeachtet des Umstandes, dass Österreich im Lichte der Rechtssache Placanica ein Werbeverbot für ausländische Glücksspielanbieter weiterhin nicht als gemeinschafts­widrig einstuft, soll dem Wunsch der Europäischen Kommission nach einer Adaption der geltenden Rechtslage entsprochen werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass jeder Mitgliedstaat innerhalb der Europäischen Union bzw. im EWR seine besondere gesellschaftliche Verantwortung im Glücksspielbereich dadurch wahrnehmen darf, dass er für Glücksspiele, bei denen die Teilnahme vom Inland aus erfolgt, auch eine effektive eigene staatliche Aufsicht gewährleistet. Reist ein Inländer allerdings physisch in den EU/EWR-Raum und nimmt damit nicht mehr vom Inland aus an ausländischen Glücksspielangeboten teil, so ist ihm bewusst, dass er sich damit auch auf Vollzie­hungsebene in die hoheitliche Verantwortung der staatlichen Glücksspielaufsicht des anderen Staates begibt.

Aus seiner gesellschaftlichen Verantwortung heraus muss Österreich für die Zulassung von Werbemaßnahmen auf seinem Hoheitsgebiet jedoch weiterhin sicherstellen kön-


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nen, dass eine solche Bewerbung nur dann erfolgen darf, wenn für das beworbene ausländische Angebot auf gesetzlicher Ebene die gleichen Mindeststandards betref­fend Spielerschutz wie in Österreich gelten.

Durch die Neufassung soll daher die inländische Bewerbung von Standorten von Spiel­banken aus dem EU/EWR-Raum und einem dortigen Vor-Ort-Besuch zur Spielteilnah­me nach Bewilligung durch den Bundesminister für Finanzen erlaubt sein. Vorausset­zung für die Zulässigkeit der Werbung ist, dass diese Spielbanken eine aufrechte Spielbankkonzession im EU/EWR-Raum haben und die gesetzlichen Spielerschutz­bestimmungen in ihrem Heimatkonzessionsland den inländischen entsprechen.

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

 


15.56.44

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, dass die bisherigen Erläuterungen und Ausführungen deutlich gezeigt haben, dass in dieser Richtung ein richtiger Schritt gesetzt wird. Hier werden einerseits die Richtlinien der EU umgesetzt, andererseits wird hier auch der Geldwäsche ein Riegel vorgeschoben und eine Verbesserung der Schutzbestimmungen bewirkt.

Ich möchte aber festhalten, dass dennoch irgendwann eine Grundsatzdebatte darüber stattzufinden hat, wie hoch eigentlich der Spieltrieb des Menschen ist. Es gibt einen Kunsthistoriker, der meint, dass für den Homo ludens, den spielenden Menschen, im Spiel sehr viel Kreativität steckt; gefährlich wird es aber, wenn das Spielen mit Geldein­satz verbunden ist und letztlich nicht mehr das Spiel, sondern der Spielgewinn im Vor­dergrund steht – das führt zu den eigentlichen Katastrophen.

Daher bin auch ich davon überzeugt, dass man entsprechende Schutzmaßnahmen einbauen muss, um Menschen sozusagen vor sich selbst zu schützen – beziehungs­weise davor, dass sie in jenes Out gedrängt werden, das viele erleben, bis hin zur Kri­minalität. Daher muss das Spielen in einem bestimmten Rahmen organisiert sein.

Es gibt aber nicht nur Spieler, die am Roulettetisch oder beim Automaten spielen, son­dern es gibt in der Gesellschaft auch Spieler in der Politik sowie andere Formen von Spielern. Einer spielt zum Beispiel besonders gern mit Neuwahlen, ein anderer sagt, dass er, wenn er Dritter wird, in Opposition geht – und wird dann Bundeskanzler. Kaum geworden, stellt er wieder den Spieltrieb in den Vordergrund. Es dreht sich also immer wieder um den Spieltrieb.

An dieser Stelle möchte ich Dostojewski zitieren. In „Der Spieler“ hat Dostojewski ge­schrieben: „Morgen, morgen wird sich alles wenden!“

Spieler sind eben so. Aber am Tag der Entscheidung wird es anders sein, als die Spieler es annehmen. – Alles Gute! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

15.59


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Von der Regierungsbank aus hat sich Herr Staatssekretär Dr. Matznetter zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


15.59.26

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Christoph Matznetter: Herr Präsident! Ich wollte die Gelegenheit ergreifen, etwas zu sagen. Ich weiß, dass


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ein umfangreicher Abänderungsantrag in zweiter Lesung nicht jene Form der Behand­lung ist, die sich jeder wünscht. Ich war selbst lange genug Mitglied dieses Hauses, um zu wissen, dass man sich die Dinge in so einem Fall in Minuten durchschauen muss. Ich möchte daher ein paar Dinge dazu sagen.

Teil eins: Wieso kommt es dazu, dass ein zweiter, relativ umfangreicher Abänderungs­antrag vorliegt? – Es hat nach der Sitzung des Finanzausschusses, in der ja der Teil betreffend Geldwäscherei vom Ausschuss bereits angenommen wurde, ein Gespräch unserer Beamten mit jenen der Europäischen Kommission gegeben, in dem diese sehr vehement verlangt haben, dass die zwei Regelungen, gleichartiger Spielerschutz für alle Bürgerinnen und Bürger des EWR und Werbeverbot, jetzt gelöst werden müssen, widrigenfalls droht uns – in einer Verschärfung des Verfahrens, bis hin zur Klage – eine entsprechende weitere Verfolgung.

Der Auflösungsbeschluss des Nationalrates führt dazu, dass wir nicht mehr bis zur nächsten Glücksspielreform, die an sich im Laufen ist, zuwarten können, weil die Zeit zu knapp ist. Das ist der Grund dafür.

Zur Beruhigung der Abgeordneten möchte ich darauf hinweisen, dass der überwiegen­de Teil der Bestimmungen, die jetzt im Abänderungsantrag enthalten sind, bereits in der Regierungsvorlage, die seit November 2007 im Ausschuss liegt, enthalten war, und zwar in den wesentlichen Punkten. Ich möchte jene Punkte hervorheben, die anders sind als im ursprünglich zugrunde liegenden Antrag und in der ursprünglichen Regie­rungsvorlage.

Das ist erstens im § 52 im Rahmen der Strafbestimmungen, die schon in der Regie­rungsvorlage enthalten waren, die Ziffer 10, die – das hat Herr Abgeordneter Krainer erläutert – dann, wenn ein unmittelbares Zusammenwirken zwischen Bank und illegal Glücksspiel Durchführenden gegeben ist, eine Bestrafung vorsieht. Das heißt nicht, das möchte ich an dieser Stelle klarstellen, dass eine Bank, die eine Überweisung durchführt, wovon es ja Millionen gibt, in irgendeiner Form betroffen ist. Aber dort, wo ein Vertrag mit einem Glücksspielanbieter abgeschlossen wird, muss in Hinkunft genau überprüft werden, ob dies ein bewilligtes oder ein nichtbewilligtes Glücksspiel ist.

Ich halte diese Bestimmung für vernünftig und möchte an dieser Stelle nicht verschwei­gen, dass der Herr Vizekanzler und ich der Branche zugesichert haben, dass seitens des Bundesministeriums für Finanzen alles in die Wege geleitet werden wird, um eine unbürokratische Abwicklung zu ermöglichen, durch entsprechende Listenführung, durch Listen, in denen man sozusagen bekannte schwarz geführte Firmen aufführt und solche, die bewilligt sind, sodass auch ein EDV-technischer Abgleich möglich wird.

Wir haben auch zugesichert, dass wir, wenn uns bis zum 1. Jänner etwas Gescheite­res einfällt, das den gleichen Missbrauchsschutz bringt, eventuell mit der Glücksspiel­novelle diesen Teil noch entsprechend anpassen. Ich möchte das an dieser Stelle nicht verschweigen.

Kurz zur Glücksspielnovelle: Meine Damen und Herren, alle Fraktionen haben sich dar­über geäußert, dass wir mehrere Dinge zu erfüllen haben. In der nächsten Gesetzge­bungsperiode müssen wir uns mit Sicherheit Folgendem widmen: verstärktem Spieler­schutz; Schutz unserer Jugendlichen vor dem Zugang zum Glücksspiel; Einschränkung eines Wildwuchses, wo hinter jeder Wirtshaustür dann schon ein Automat steht, wo man aufgrund der Schnelligkeit des Spielens heute nicht mehr davon ausgeht, dass das ein Spaß, ein Spiel ist, sondern wo die Gefahr besteht, dass Menschen wirklich wesentliche Einbußen ihres Vermögens erleiden.

Dass wir das noch nicht herausgegeben haben, liegt nicht an den Wahlen, sondern an dem Umstand, dass wir diesen Teil in einer Art regeln wollten, die Bedacht nimmt auf


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die gesamte EU-Rechtssituation, auf die Besonderheiten des Marktes und auch auf den Übergang desselben zu dem neuen Regelungssystem. Wir wollen das auch in Be­gutachtung schicken. Das heißt, wir werden uns bemühen, noch rasch und vielleicht schon sozusagen als Vorgriff auf die nächste GP die entsprechenden Grundlagen aus­zuarbeiten, wobei natürlich alle Fraktionen herzlich eingeladen sind, ihre Vorschläge diesbezüglich einzubringen. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Diese Kritik an Vizekanzler Molterer aus den Reihen der ÖVP weise ich zurück! Wir haben an diesem Teil sehr intensiv gearbeitet, Herr Abgeordneter. Sie mögen in ande­ren Bereichen mit Ihrer Kritik am eigenen Parteiobmann möglicherweise recht haben (Abg. Dr. Stummvoll: Hat er nicht!), in dieser Frage jedoch nicht, denn da hat er näm­lich gearbeitet und sich vorbereitet!

Ich möchte diese Gelegenheit in der Plenardebatte nützen, weil das Glücksspiel auch in seinen weiteren Bereichen, beispielsweise Wetten, angegangen wurde: Hier haben wir wirklich etwas vor uns – losgelöst von den Wahlen –, wo eine Verantwortung aller besteht. Es ist dies eine extrem heikle Materie, wo wir aber dringend Bürgerinnen und Bürger davor schützen müssen, oft in einer Art und Weise gelockt zu werden, dass dort Geld, und zwar viel Geld, abgezogen wird für etwas, was jeder von uns als Glücksspiel bezeichnet. Aber dann ist das Ganze eine Internetwette, dann ist das Ganze angeblich ein Finanzpaket, dann ist das Ganze angeblich eine ganz ordentliche Finanzanlage. Oft genug stehen hinter den Bewegungen auf den Finanzmärkten nur noch reines Glücksspiel und reine Wette. Wir müssen in diesem Bereich sehr sauber trennen, und dieser Teil der Aufgabe wird der übernächste Schritt sein. Ich bitte – den heutigen Aus­führungen folgend – jeden Einzelnen von Ihnen, sich da einzubringen. Da haben wir auch noch einiges vor uns.

In diesem Sinne danke ich für das Verständnis für diesen kurzfristig eingebrachten um­fangreichen Abänderungsantrag und danke in diesem Fall der Opposition auch dafür, dass sie ihre Zustimmung erteilt. Ich glaube, dass ein geschlossenes Auftreten in die­sen Fragen vernünftig ist. – Danke, meine Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

16.05


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der vorläufig letzte Redner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


16.05.32

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär, Sie sagen es: Es ist halt nicht immer gleich, auf welche Weise und zu welchem Zweck ein Abänderungsantrag eingebracht wird. Auch wenn er umfangreich ist, stimmen wir in diesem Fall eigentlich recht gerne zu, weil, den Intentionen der EU-Richtlinien folgend, dadurch die besseren Schutzbestimmungen erzielt werden und jedenfalls auch die Gleichbehandlung über die Grenzen erreicht wird – das ist ja durchaus ein Wert an sich, jedenfalls in diesem Zusammenhang.

Sie haben selbst von Banken und vom Glück gesprochen, wenngleich in einem an­deren Zusammenhang, und ich möchte eigentlich an die Ausführungen des Kollegen Bauer anknüpfen: Wir haben schon ein paar Defizite im Bereich „Geldeinsackeln“, we­nig kontrollieren.

Ich wundere mich, warum bis heute – und das würde durchaus zur Materie gehören – keine Regierungsvorlage vorliegt, die endlich auf einen Missstand reagiert, der seit Wochen die Wirtschaftsseiten sprengt. Immerhin hat es aber dazu gereicht, dass Sie in der „Presse“ annonciert haben, Herr Maier, dass sich Grasser diskreditiert hat. Dieses


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 154

Vernunftsignal ist schon gekommen, aber was ist denn passiert? Was ist in unserem Land ohne Weiteres möglich?

Da wird – unter vorgegaukeltem Kleinanlegerschutz – groß inseriert: So sicher wie ein Sparbuch, aber tolle Renditen. Natürlich kann man fragen, warum die Leute so unge­schickt sind und das glauben – diese Frage ist durchaus berechtigt –, aber es wird ja in diesem Land so getan, als hätten wir einen besonderen Kleinanlegerschutz. Aber wir haben keinen Kleinanlegerschutz, sondern einen Schutz für große Reinleger. Und die finden Sie in verdächtiger Nähe zur ÖVP, und zwar immer wieder. (Ruf bei der ÖVP: Jetzt reicht’s!) Das reicht nicht, jetzt geht’s erst los. Hören Sie zu!

Das ist ein Vorgang, der bis zum heutigen Tag ohne Reaktion seitens der Wirtschafts- und Finanzpolitik bleibt. Es wird das Geld von vielen Kleinanlagern eingesammelt und eingesackelt. Die Meinl-Bank und Herr Grasser kassieren, sofern es um die MIP geht, im Ausmaß von dreistelligen Millionenbeträgen quasi Fixbeträge vorne ab, und dann landet das Ganze sozusagen in einem Agglomerat, in einem Fonds, wenn man so will. Dort muss man dann versuchen, die Kurse künstlich hoch zu halten, damit alle noch an das Spiel glauben. Um diese Kurse künstlich hoch halten zu können wird gekauft, muss die Meinl-Bank selbst kaufen. Weil sie das nach den bankrechtlichen Vorschrif­ten in diesem Ausmaß aber gar nicht darf, muss in Wirklichkeit eine andere Gesell­schaft kaufen, die immer wieder in Verbindung mit der Meinl-Bank steht. Und woher hat die das Geld? – Diese Gesellschaft begibt irgendwo, karibikverdächtig, eine An­leihe. Und wer kauft die Anleihe, das heißt, wer lässt das Geld „rüberwachsen“? – Die Meinl European Land.

In Wirklichkeit ist das, wenn man das durchschaut, ein einziges Betrugskarussell. Und nach dem kritischen Notenbankbericht ist es gar nicht einmal so schwierig, das zu durchschauen. Wenigstens hat die jetzt einmal etwas zusammengebracht, wenigstens dieser Teil der Kontrolle hat funktioniert. Aber was hat denn die FMA gemacht? Was macht denn die Börse?

Das Kontrollversagen kann man extra betrachten, aber wenn das ein legistisches Pro­blem ist, was durchaus sein könnte, dann sind wir hier zur Reparatur aufgerufen. Es ist wirklich schade, dass in dieser Legislaturperiode diese Vorlage nicht mehr gekommen ist. Ich glaube, ich bin mit dem Herrn Staatssekretär diesbezüglich gar nicht so uneins, dass hier etwas geschehen müsste.

Das Simpelste und Primitivste wäre es doch, zu sagen: Alle, die an der Wiener Börse notieren, müssen den gleichen Bestimmungen genügen, nämlich den österreichischen, und dürfen nicht auf eine seltsame Insel flüchten, die nur dafür bekannt ist, betrüge­rische Finanzsysteme und Steuerhinterziehungen zu forcieren – und das mit freiem Auge erkennbar. (Zwischenruf des Abg. Hornek.) – Jetzt schreit der Herr Oberkontrol­lor der ÖVP wieder herein, weil er es nicht versteht. So sind Sie aufgestellt!

Das geht so nicht weiter, sage ich Ihnen. In Wirklichkeit schützen Sie die Jachtgesell­schaft, die Meinls, die Grassers, die Flöttls – denn zu guter Letzt sind auch wieder vier Flöttl-Konten aufgetaucht in diesem Zusammenhang. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Und wenn Sie das jetzt noch verteidigen wollen, dann gratuliere ich Ihnen dazu. Gehen wir mit diesem Thema in den Wahlkampf!

Ich sage Ihnen: Von Kleinanlegerschutz kann keine Rede sein. Sie schützen Großbe­trüger! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: ... BAWAG! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Krainer: Da ging es aber nicht um Glücksspiel, sondern um Betrug!)

16.10



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 155

Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 649 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dkfm. Dr. Günther Stummvoll, Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Da nur dieser gemeinsame Antrag gestellt wurde, lasse ich sogleich über den Ge­setzentwurf in 649 der Beilagen, samt Titel und Eingang, unter Berücksichtigung des gemeinsamen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Krainer, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist Einstimmigkeit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

16.11.355. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (585 d.B.): Bundes­gesetz über die Haftungsübernahme für die Ausstellung „Vincent van Gogh. Gezeichnete Bilder“ (650 d.B.)

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Wir kommen zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen daher in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Zinggl. 4 Minuten freiwillige Redezeitbe­schränkung. – Bitte.

 


16.11.59

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatsse­kretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es geht bei dieser Gesetzesvorlage um die Haftung für eine einzige Ausstellung in einem Museum in der Größenordnung von 500 Millionen €. Es ist das eine klassische Anlassgesetzgebung im negativen Sinn mit wahrscheinlich wilden Auswirkungen auf die Museumspolitik.

Ich habe im Finanzausschuss probiert, das zu erläutern, aber der Vorsitzende Stumm­voll (Abg. Dr. Stummvoll: Na was hat der denn gemacht?) – ja, was hat er gemacht? – hat gesagt, ich solle den Kulturausschuss damit befassen. Das habe ich auch ge­macht. Der Kulturausschuss wiederum hat gesagt, das gehöre in den Finanzaus­schuss – wo ich ja vorher war. Mit einem Wort: Es war niemand dafür zuständig. Jetzt ist das Plenum damit befasst (Abg. Dr. Stummvoll: Im Finanzausschuss war es schon!), und ich möchte meine Kritik erläutern. – Ja, wir haben es besprochen, aber Sie wissen ohnehin, was war. Ich brauche Sie nicht daran zu erinnern. (Abg. Morak: Aber das täte uns interessieren!)

Ich kann es Ihnen nachher in einem Privatissimum noch extra erklären, Herr Morak, oder Sie kommen das nächste Mal in den Finanzausschuss oder in den Kulturaus-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 156

schuss, dort waren Sie auch schon lange nicht mehr, für den Fall, dass Sie es nicht wissen.

Worum geht es bei diesem Gesetz? Worum geht es überhaupt bei der Bundeshaf­tung? – Der ursprüngliche Sinn der Bundeshaftung war es, den eigenen Besitz abzu­decken – „abzudecken“ kann man nicht sagen, denn genau genommen verzichtet man ja auf die Versicherung. Man sagt: Okay, wenn irgendetwas verschwindet oder zerstört ist, ist es eben weg. Das ist so ähnlich wie eine Familie, die ein Gartenhäuschen hat und das Gartenhäuschen nicht versichert. Wenn es abbrennt, ist es einfach weg, dann kann man eben nichts machen.

So weit ist das ja in Ordnung, was Kunstwerke betrifft. Aber 2006 sind die Museumsdi­rektoren, allen voran Direktor Seipel, auf die Idee gekommen, dass es ja Ausstellungen gibt, für die von auswärts Bilder, Werke geliehen werden – und wer haftet für die? Diese Haftung müsste eigentlich von der Basisabgeltung finanziert werden. Da hat man dann versucht, eine Bundeshaftung geltend zu machen. Wir waren damals schon dagegen, es ist aber durchgegangen.

Das heißt, seit 2006 gibt es 1 Milliarde €, die für alle Bundesmuseen zusammen als Haftung für ausgeliehene Werke zum Tragen kommen. Das bedeutet, wenn jetzt solch ein Werk verschwindet, dann zahlen wir dafür, dann zahlen wir mehr oder weniger bar dafür. (Abg. Dr. Graf: Das hat es vorher auch geheißen!) – Na ja, nicht bar. Natürlich, genau genommen zahlen wir voll. (Abg. Dr. Graf: Ob jetzt das Bundesmuseum zahlt oder – das ist dasselbe!) – Nein, das stimmt ja nicht. Das Bundesmuseum müsste es privat versichern – Herr Kollege, ich erkläre es Ihnen dann auch noch einmal im De­tail –, und dann würde das die Versicherung übernehmen.

Genau darum geht es nämlich. Das Museum erspart sich diese Übernahme durch die Versicherung und damit die Versicherungsprämie, und jetzt haften wir alle gemeinsam dafür. Das wäre bei unserem Vergleich mit der Familie so, dass die irgendwo ein Gar­tenhaus mietet, dieses brennt ab, und wir müssen es dann ersetzen! Das ist noch ein­mal etwas anderes.

Zum Glück ist seit 2006 nichts passiert. Jetzt kommt aber neuerlich eine ganz große Ausstellung in der Albertina von Direktor Schröder, die mit der gesamten Milliarde nicht abzudecken ist, und nun haften wir sozusagen für diese zusätzlichen 500 Millionen; der Gesetzesvorschlag geht in diese Richtung. (Zwischenruf des Abg. Morak.)

Auch wieder mit der Begründung im Vorblatt: Bis jetzt ist nichts passiert. – Diese Be­gründung erinnert mich sehr stark an eine Argumentation dahin gehend: Seit zwei Jah­ren ist rund um Österreich kein AKW eingegangen und war kein Unfall, daher können wir in aller Ruhe auch eines bauen! Ein bisschen wird da, Herr Kollege Morak, an Schillers Ballade „Der Taucher“ erinnert und nichts daraus gelernt.

Museumspolitisch ist das sowieso eine Katastrophe, weil damit das ganze Blockbuster-Karussell ordentlich angeheizt wird und weil jetzt automatisch andere Museen auch kommen und sagen können: Wir wollen eine riesige Andy-Warhol-Ausstellung, wir wol­len eine Leonardo-Ausstellung, wir wollen eine Oldtimer-Ausstellung! – Und der Bund haftet in jedem Fall.

Das heißt, wenn nichts passiert, ist ein Museumsdirektor, wie in diesem Fall Klaus Al­brecht Schröder, der Held, hat er den vollen Erfolg, wenn aber etwas passiert, zahlen wir voll. Genau genommen ist es naiv zu sagen: Es wird nichts passieren, es ist ja auch bisher nichts passiert!, denn wenn etwas passiert, werden bis zu 500 Millionen schlagend, und das ist das Fünffache der Basisabgeltung pro Jahr, die wir insgesamt ausgeben. (Zwischenruf des Abg. Kainz.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 157

Ich sage Ihnen etwas, gerade euch von der ÖVP kann ich dazu etwas sagen: Es ist das nämlich auch eine Wettbewerbsverzerrung gegenüber all den privaten Anbietern von Ausstellungen. (Abg. Kainz: Würden wir es nicht machen, wären Sie auch dage­gen!)

Eine zweite Geschichte in diesem Zusammenhang ist die Argumentation: Wir wollen
ja tolle Ausstellungen machen, ziert euch doch nicht! – Ja, natürlich, als Hochrisiko-
akt kann man alles Mögliche machen, aber ich glaube, man sollte, wenn man schon etwas machen möchte, damit mehr Leute in die Museen gehen, den freien Eintritt for­cieren. Diesbezüglich hat die SPÖ einiges versprochen, da gibt es eine Regierungs­erklärung, aber es wurde nichts gemacht. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Zwi­schenruf des Abg. Kainz.)

16.17


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Lentsch. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


16.17.21

Abgeordnete Edeltraud Lentsch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ge­schätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Kollege Zinggl, allen Unkenrufen zum Trotz wird diese wunderschöne Ausstellung in der Albertina, diese Van-Gogh-Ausstellung, sicherlich wieder ein kultureller Höhepunkt in Wien werden.

Ich freue mich, dass alle Österreicherinnen und Österreicher die Gelegenheit haben, eine derartige Ausstellung zu besuchen. Daher verstehe ich die Reaktionen der Grü­nen absolut nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Ausstellung hat sicherlich das Zeug – davon bin ich felsenfest überzeugt –, an­dere große Ausstellungen in der Albertina noch zu übertreffen; derartige gab es ja in letzter Zeit einige.

Van Gogh garantiert ja nicht nur in Österreich volle Häuser. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass sehr viele Touristinnen und Touristen wegen dieser Ausstellung nach Wien beziehungsweise nach Österreich kommen werden, so wie schon zuletzt bei Dürer, Picasso im Kunsthistorischen Museum.

Wir unterstützen natürlich sehr gerne die Erweiterung der Haftung des Bundes für diese Ausstellung, denn die Exponate dieser Ausstellung, die gezeigt werden, haben immerhin einen Wert in der Höhe von 1,75 Milliarden €.

Der Bund übernimmt diese Haftungen bekanntlich schon seit dem Jahre 2004, und seither sind diese Haftungen nie schlagend geworden. Wir hoffen das natürlich auch für diese Ausstellung.

Ich möchte von dieser Stelle aus dem Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder nicht nur zu dieser Ausstellung, sondern auch zu seiner Wiederbestellung bis zum Jahre 2014 recht, recht herzlich gratulieren.

Gleichzeitig möchte ich mich bei Generaldirektor Seipel bedanken. Dass das Kunsthis­torische Museum von der Oberliga in die Weltliga aufgestiegen ist und dort einen Fix­platz erhalten hat, ist ganz allein sein Verdienst. (Beifall bei der ÖVP.)

Und dass er von einigen linken Journalisten nicht geliebt wurde, das möge ihm zur Auszeichnung gereichen. (Beifall bei der ÖVP.)

16.19


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kirch­gatterer. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 158

16.20.21

Abgeordneter Franz Kirchgatterer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Die Ausstellung „Vincent van Gogh. Gezeichnete Bilder“ ist eine außergewöhnliche Ausstellung mit hohem kulturellem Wert. In rund 50 Gemälden und 120 Zeichnungen stellt Van Gogh unter anderem das harte Leben der Bauern und Arbeiter seiner Zeit dar.

Die Ausstellung wird Menschen ins Museum bringen, die üblicherweise nicht in ein Mu­seum gehen oder in das Van Gogh-Museum nach Amsterdam fahren. Das ist uns wichtig. Es handelt sich dabei um die erste Van-Gogh-Schau in Österreich seit 50 Jah­ren. Wegen ihrer besonderen Bedeutung ist die Ermöglichung dieser einzigartigen Ausstellung ein sehr wichtiges kulturpolitisches Anliegen.

Da die Kosten für die Versicherungsprämie von der Albertina nicht getragen werden könnten, ist es unerlässlich, dass der Bund mit diesem Gesetz die Haftung bis zu einem Gesamtrahmen von 500 Millionen € übernimmt. Ich möchte betonen, dass die­ses Gesetz nicht zu Lasten anderer Museen geht. Wenn andere Museen Ausstellun­gen in ähnlicher Größe machen, dann sollte auch für diese die Haftung übernommen werden.

Für den Bund erwachsen aus dieser Haftungsübernahme keine unmittelbaren Kosten. Es ist nicht zu erwarten, dass es zu Schadensfällen kommt. Die notwendigen Vorkeh­rungen müssten auch im Versicherungsfall getroffen werden.

Abschließend verweise ich darauf, dass eine staatliche Haftungsübernahme internatio­nal gesehen keine Besonderheit darstellt. Auch in der Bundesrepublik Deutschland hat es in den letzten Jahren für zwei Ausstellungen eine Haftung dieser Art gegeben.

Die touristische und wirtschaftliche Bedeutung dieser Ausstellung steht, wie ich meine, außer Zweifel. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.22


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


16.22.56

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (FPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Freiheitliche Partei wird diese Regierungsvorlage selbstverständlich unterstützen. Vincent van Gogh ist nicht nur der bedeutendste Ex­pressionist und nach Rembrandt mit Sicherheit der bedeutendste holländische Meister. Aus unserer Sicht ist es ein Glücksfall, dass diese Meisterwerke in Österreich zu sehen sein werden. Wir begrüßen deshalb die Ausstellung in der Albertina, die von Septem­ber bis Dezember dieses Jahres geöffnet sein wird.

Wenn wir uns, meine Damen und Herren, dazu bekennen, dass Österreich eine Kultur­nation ist, dann gibt es meiner Ansicht nach keine Alternative dazu, das geringe Risiko einer teilweisen Haftungsübernahme einzugehen. Das Risiko ist also kalkulierbar; ich sehe darin kein Problem. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.23


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Bucher zu Wort. Ebenfalls 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


16.24.00

Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde eigentlich schon alles zu dieser Haftungsübernahme gesagt. Ich möchte jetzt auch keine sogenannten rechten oder linken Beurteilungsstandpunkte abwägen. Klar


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 159

ist, dass sich Wien international als Kunst- und Kulturstandort positioniert hat und im Wettbewerb zu Rom, London oder New York steht und dass das ein wichtiges Asset für die WienTourismus GesmbH ist, auch international zu reüssieren und ihr Image auf­zupolieren.

Ich glaube, dass es eine sehr enge Betrachtung ist, Herr Kollege Zinggl, wenn man die Kosten-Nutzen-Analyse nur für ein Museum anstellt. Sie wissen, dass über den Weg der Umwegrentabilität sehr viel an Wertschöpfung erzielt werden kann, wovon letztend­lich der gesamte Standort Wien lebt, nicht nur der Tourismus, für den wir uns alle hier im Hohen Haus sehr oft und konzertiert einsetzen, sondern auch andere Geschäfts- und Wirtschaftsbereiche. – Danke schön. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.25


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Herr Abgeordneter Steier ist der nächste Red­ner. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


16.25.20

Abgeordneter Gerhard Steier (SPÖ): Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Die Ausstellung „Vincent van Gogh. Gezeichnete Bilder“ soll, wie schon gesagt, von September bis Dezember 2008 in der Albertina stattfinden, und sie wird sicherlich eine der außergewöhnlichsten Ausstellungen, die Wien je erlebt hat, sein. Sie ist von hohem kulturellem Wert. Ich glaube, darin sind wir uns in der Ein­schätzung einig: Es handelt sich um etwas, das wir alle gutheißen.

Diese Ausstellung wird Menschen ins Museum bringen – und da, glaube ich, ist auch Kollege Zinggl dabei –, die üblicherweise nicht ins Museum gehen beziehungsweise sich Vincent van Gogh auch nicht in Amsterdam anschauen können.

Wegen ihrer besonderen Bedeutung ist die Ermöglichung dieser einzigartigen Ausstel­lung ein wichtiges kulturpolitisches Ansinnen und Anliegen. Es handelt sich dabei auch um die erste Van-Gogh-Schau in Österreich seit 50 Jahren.

Da die Kosten für die Versicherungsprämie von der Albertina nicht allein zu tragen sind, ist es unerlässlich, dass der Bund mit diesem Gesetz die Haftung bis zu einem Gesamtrahmen von 500 Millionen € übernimmt.

Wichtig ist, dass wir dieses Gesetz nicht zu Lasten anderer Museen beschließen, son­dern dass alle Museen im wiederholten Sinne diese Haftungsübernahme des Bundes beantragen können. Ich möchte betonen, für den Bund erwachsen aus dieser Über­nahme keine unmittelbaren Kosten.

Ein besonderes Anliegen ist es mir, festzuhalten, dass eine staatliche Haftungsüber­nahme international mittlerweile üblich geworden ist und wir im Grund genommen unseren Bürgerinnen und Bürgern etwas ermöglichen, nämlich eine außerordentliche Kunstschau.

Lassen Sie uns gemeinsam hier zu neuen Ufern aufbrechen, stimmen Sie dieser Haf­tungsübernahme zu! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.27


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Die vorläufig letzte Rednerin in dieser Debatte ist Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


16.27.29

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Mit diesem Bundesgesetz wird also der Finanzminister er-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 160

mächtigt, für die in der Albertina im Herbst 2008 geplante Ausstellung „Vincent van Gogh. Gezeichnete Bilder“ die Haftung zu übernehmen. Es handelt sich, das wurde schon erwähnt, um die erste große Ausstellung zu Vincent van Gogh in Österreich. Rund 50 Gemälde und 120 Zeichnungen werden einen doch sehr beeindruckenden Querschnitt von seinem Schaffen zeigen.

Der Gesamtwert dieser Ausstellung bewegt sich bei einer Summe, die die Albertina aufgrund des bisherigen Rahmens nicht bezahlen kann, nicht nur aufgrund des bisheri­gen Rahmens, sondern auch, weil die Versicherungswerte auf dem Kunstmarkt derzeit so extrem hoch sind. Daher muss es diese spezielle Haftungsübernahme für diese Ausstellung geben.

Aus kulturpolitischer Sicht möchte ich diese Haftungsübernahme befürworten, denn ohne diese Regelung wäre die Ausstellung nicht möglich oder nur reduziert machbar. Allerdings, man muss beachten, es hat innerhalb der Museumsszene durchaus Kritik gegeben, denn es gibt sehr viele andere Museen, die auch prominente Ausstellungen machen würden, sich aber die Versicherungsprämien nicht leisten können. Daher, glaube ich, ist es ganz wichtig, dass wir in Zukunft eine Lösung suchen, die es ermög­licht, dass alle Institutionen ähnlich gute Bedingungen für Ausstellungen vorfinden.

Ich glaube, dass es durchaus im Sinne des Kulturlandes Österreich ist, dass möglichst viele Menschen an der Kultur und auch an Ausstellungen, an den Werken, die die Museen präsentieren, teilnehmen können. Dafür müssen wir allerdings die Rahmenbe­dingungen schaffen. Das gilt jetzt für die Haftungsübernahmen im Speziellen hier, aber auch besonders für ein zukünftiges Kunst- und Kulturbudget, damit ein Blühen der Viel­falt im kulturellen Raum auch möglich wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.29


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Dann bitte ich alle Damen und Herren, Platz zu nehmen, denn wir kommen zur Ab­stimmung.

Ich lasse über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 585 der Beilagen abstim­men.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehr­heit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

16.30.516. Punkt

Antrag der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Dkfm. Dr. Hannes Bauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wärme- und Kälte­leitungsausbaugesetz erlassen und das Energie-Regulierungsbehördengesetz geändert wird (853/A)

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesord­nung.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 161

Hinsichtlich dieses Antrags wurde dem Ausschuss für Wirtschaft und Industrie eine Frist bis 9. Juli 2008 zur Berichterstattung gesetzt. Die Verhandlung über diesen Ge­genstand ist daher in dieser Sitzung aufzunehmen.

Ein Wunsch auf eine mündliche Berichterstattung im Sinne des § 44 Abs. 4 der Ge­schäftsordnung liegt nicht vor.

Wir gehen daher in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenecker. 5 Minuten freiwillige Redezeit­beschränkung. – Bitte.

 


16.31.43

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Da­men und Herren! Schnell sein hat ja manchmal etwas Gutes. In diesem Fall ist es aber demokratiepolitisch schlichtweg eine Zumutung, innerhalb von wenigen Tagen hier das in dieser Form mit Fristsetzung abzuführen, sozusagen den letzten Schnaufer der Re­gierung in diesen Fragen zu machen und mit völlig unausgegorenen Konzepten jetzt hineinzugehen.

Herr Kollege Bauer, Herr Kollege Kopf, ich glaube, dass es etwas Gescheites ist, hier fachlich über die Gestaltung eines Wärme- und Kälteleitungsausbaugesetzes zu reden. Aber in dieser Form, so wie es jetzt vorliegt, ist es schwierig zuzustimmen und ist es uns damit auch nicht möglich. Warum? (Zwischenruf des Abg. Dr. Bauer.)

Kollege Bauer, es ist schlichtweg einfach Folgendes – und das ist nicht nur unsere Meinung, sondern auch die in vielen Stellungnahmen dazu –: Es fehlen echte Quali­tätskriterien, nach denen diese Mittel in einer doch sehr hohen Anzahl auch vergeben werden. Da diese Qualitätskriterien fehlen, wird es schwierig sein, mit einem Len­kungseffekt dafür zu sorgen, dass es tatsächlich nur um effiziente Anlagen geht.

Der nächste Bereich ist der, dass letztendlich die fossilen Energieträger in diesem Kon­text höher gefördert werden als die erneuerbaren, wenn Sie das mit dem Umweltförde­rungsgesetz vergleichen. Das kann ja nicht das Ziel sein, das kann so in dieser Form im Hinblick auf eine nachhaltige Energie- und Klimaschutzpolitik nicht wirklich ein effi­zienter und richtiger Schritt sein. Letztendlich, wenn Sie die Kältenetze anschauen, dann meine ich, das mag für sich eine Idee sein, aber zuerst muss man doch einmal hergehen und die Gebäude, die einen Kühlbedarf haben, entsprechend dämmen, damit möglichst wenig Energie zum Einsatz kommen muss.

Sie haben hier eine Menge von Punkten, die Sie in dieser Form nicht berücksichtigt ha­ben. Einer der Punkte ist natürlich auch, dass es Schwierigkeiten mit der Abgrenzung zum Umweltförderungsgesetz gibt. Wo wird was in welcher Form gefördert oder auch nicht gefördert und wie wird effizient gefördert?

Wenn Sie sich die Stellungnahmen zu dem hier vorliegenden Gesetz anschauen, das Sie jetzt mir nichts, dir nichts, huschpfusch im letzten Atemzug noch durchbringen wol­len, dann sagt zum Beispiel das Umweltministerium dazu: „In sachlicher Hinsicht er­scheint der Vorschlag insbesondere im Hinblick auf die Errichtung von Fernkältenetzen unausgegoren“.

Oder: „Vor Errichtung aufwändiger Fernkältenetze wäre zudem zu prüfen, wieweit im jeweiligen Versorgungsgebiet eine Eindämmung des Kühlungsbedarfs durch bauliche Maßnahmen möglich wäre“. – Das Umweltministerium sogar, Ihr politischer Partner merkt das auch an.

Oder: „Zunächst ist festzuhalten, dass der vorliegende Entwurf unvollständig, teilweise in sich widersprüchlich ist, sowie mangelhaft strukturiert ist und daher in jedem Fall einer Überarbeitung zumindest im Sinne dieser Ausführungen bedarf.“


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 162

Meine Damen und Herren, diese Überarbeitungen sind nicht erfolgt. Das ist mir nichts, dir nichts jetzt so hereingekommen. Und genau das ist es auch, was wir hier kritisieren.

Wenn Sie die Stellungnahme der Landwirtschaftskammer betrachten, jetzt sind es die Herren und Damen von der ÖVP, dann sagt sie schlichtweg:

„Keinesfalls sinnvoll ist es aus der Sicht der Landwirtschaftskammer Österreich, den Gesetzesentwurf primär für den fossilen Energieträgereinsatz bei großen EVUs auszu­richten.“

Eine ganz klare Kritik, dass letztlich die Mittel, die hier eingesetzt werden, in die großen Strukturen führen.

Weiteres Zitat daraus: „Einerseits erzielen die meisten großen EVUs durch die aktuelle Energiemarktentwicklung ohnehin überdurchschnittlich hohe Gewinne. Andererseits steht das in diesem Gesetzesentwurf vorgesehene jährliche Förderungsvolumen von 60 Mio. Euro im klaren Missverhältnis zu den jährlichen Förderungsvolumen im Öko­strombereich.“

Ja, Herr Kollege Kopf, das, was Sie dort verbockt haben, können Sie auf diese Art und Weise keinesfalls in einem anderen Bereich so, in dieser Form gutmachen.

So gehen die Kritiken weiter, das Finanzministerium, das Land Kärnten, andere Bun­desländer.

Summa summarum, mit Verlaub, geschätzte Damen und Herren von der SPÖ und von der ÖVP, es riecht nach Kuhhandel, und wenn es nicht ein Kuhhandel ist, Ökostromge­setz gegen das hier vorliegende Gesetz, wenn es das nicht ist, dann würde das unter die Kategorie „Am Abend wird der Faule fleißig“ fallen. Und da sollten Sie sich dann auch noch Zeit nehmen, das endgültig noch einmal zu überarbeiten und dann in sau­berer Form auch beschließen zu lassen. (Beifall bei den Grünen.)

16.37


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


16.37.11

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Lichtenecker, Heizung und Kühlung finden statt, und ich denke, wir müssen den damit verbundenen Energieverbrauch beziehungsweise auch natürlich den damit verbundenen CO2-Ausstoß von beiden Seiten her bekämpfen: zum einen vom Verbrauch her, da haben Sie völlig recht, natürlich über Wärmedäm­mung in den Gebäuden, aber auf der anderen Seite habe ich schon gesagt, Heizung und Kühlung finden statt. Also macht es durchaus auch Sinn, gleichzeitig die Anstren­gungen zu erhöhen zu substituieren, nämlich die ineffizienten Anlagen, die Einzelanla­gen durch Fernwärme, durch Fernkühlung zu ersetzen. Nichts anderes tun wir mit die­sem Gesetz.

Und zum anderen, wenn Sie das Fördervolumen von 60 Millionen dem Ökostromge­setz gegenüberstellen, dann muss ich sagen, da haben wir immerhin schon 300 Millio­nen jährlich an Ausgaben, auf die wir jetzt jährlich noch einmal 21 Millionen drauf­packen. Also wenn, dann bitte nicht mit den 21 Millionen vergleichen, sondern mit den 60 Millionen pro Jahr, die wir dafür ausgegeben haben. (Abg. Dr. Lichtenecker: Das war die Landwirtschaftskammer!) Auch wenn es von dieser Seite kommt, muss es nicht richtig sein.

Zum Inhalt des Ganzen. Ich glaube, es macht Sinn, dass wir ein bestehendes Förder­regime oder bestehende Förderregime, in diesem Fall die Umweltförderung nach dem UFG auf der einen Seite, das Ökostromgesetz auf der anderen Seite, das wir am


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 163

Dienstag gerade novelliert haben, jetzt durch dieses Gesetz ergänzen, da wir den Aus­bau von Leitungen, Fernwärme, Fernkälte, unterstützen, weil er sich natürlich auch in Ballungszentren, wenn man an die Peripherie kommt, nicht mehr in dem Maße rech­net. Insofern geht auch Ihr Vorwurf ins Leere, was die Rentabilität der Unternehmen anbelangt. Es fände halt einfach nicht statt ab einer bestimmten, nicht mehr gegebe­nen Anschlussdichte in der Peripherie, wenn wir hier nicht unterstützend eingriffen. Das ist schlichtweg ökonomisch logisch. Und deswegen gilt es Anreize zu setzen, ge­nau das, was man mit Förderung tun sollte, Anreize zu setzen, damit eben bestimmte Handlungen erfolgen.

Ich gebe zu – Sie haben da sicherlich recht –, demokratiepolitisch gibt es schönere Vorgangsweisen, als am Dienstag einen Initiativantrag einzubringen und eine Frist bis Donnerstag zu setzen. – Pardon, aber es ist in der Demokratie eben auch möglich, dass sich der Nationalrat auflöst und Neuwahlen beschlossen werden, wodurch die ur­sprünglich für Herbst vorgesehene Beschlussfassung praktisch nicht mehr möglich ist.

Wir wollten diesen Förderimpuls trotzdem setzen, weil er ökologisch sinnvoll ist, und nicht womöglich ein halbes, ein dreiviertel oder gar ein ganzes Jahr warten. (Abg. Dr. Lichtenecker: Es hätte sich ausgezahlt!)

Ich denke, man kann daher über diese vielleicht nicht ganz alltägliche Vorgangsweise hinwegsehen. Ich bitte jedenfalls um Zustimmung zu diesem Gesetz.

Fast hätte ich es vergessen: Einen kleinen Abänderungsantrag hätte ich auch noch. (Abg. Dr. Lichtenecker: Das überrascht uns jetzt aber!)

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Kopf, Dr. Bauer, Kolleginnen und Kollegen zum Initiativantrag 853/A der Abgeordneten Kopf, Dr. Bauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Wärme- und Kälteleitungsausbaugesetz erlassen und das Energie-Regulierungsbehördengesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der im Titel bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Im Artikel 1 werden die Worte „förderbar“ beziehungsweise „förderbaren“ in der je­weiligen grammatikalischen Form durch die Worte „förderfähig“ beziehungsweise „för­derfähigen“ in der jeweilig grammatikalisch korrekten Form ersetzt.

2. Im Artikel 1 § 15 wird die Wortfolge „bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. xxx/2009“ durch die Wortfolge „bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgeset­zes, BGBl. I Nr. xxx/2008“ ersetzt.

Begründung:

Diese Änderung dient der Vereinheitlichung der in diesem Gesetz verwendeten Termi­nologie.

Bei Z 2 des Abänderungsantrags handelt es sich um die Berichtigung eines Druckfeh­lers.

*****

Ich hoffe auf Ihre Zustimmung und bedanke mich bereits dafür. (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit bei den Grünen. – Abg. Dr. Lichtenecker: Das ist ein guter Scherz!)

16.41



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 164

Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der von Herrn Abgeordnetem Kopf einge­brachte Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Klement. 4 Minuten freiwillige Rede­zeitbeschränkung. – Bitte.

 


16.41.53

Abgeordneter Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS (FPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Werte Kollegen! Karlheinz Kopf, ich wusste gar nicht, wie schnell du lesen und reden kannst. Ich bin ganz begeistert! Verstanden habe ich zwar nichts, aber es wird sicher richtig gewesen sein. (Abg. Kopf: Ich gebe es dir nachher!)

Zum Schluss ist es etwas lustig gewesen, aber der Inhalt ist ja sehr ernst. Meine Vor­rednerin Kollegin Lichtenecker hat es bereits gesagt: Es ist schon sehr erstaunlich, was hier passiert. Wir müssen ob dieser Unverfrorenheiten wirklich den Kopf schütteln. (Ruf bei der ÖVP: Bitte nicht!)

Interessant ist wieder einmal die Haltung der SPÖ: Da macht die ÖVP unverhohlen Klientelpolitik – denn worum geht es da? – Es geht um Großunternehmen, um Energie­konzerne und nicht um das, was wir eigentlich wollen, nämlich eine Dezentralisierung der Energie und die Förderung der erneuerbaren Energie. – Das ist ganz interessant. (Abg. Kopf: Es geht um effiziente Versorgung!)

Das heißt, große Konzerne sind da, um gefördert zu werden. Da ist die ÖVP sehr schnell dabei, und die SPÖ spielt mit. – Das ist mir völlig unverständlich, aber es ist Faktum.

Innerhalb von zwei Tagen schafft es die ÖVP, ein zweites Gesetz mit einer Zweidrittel­mehrheit in den Verfassungsrang zu heben. Ich frage mich: Was bitte hat Energie im Verfassungsrang zu suchen? – Das möge mir bitte irgendjemand erklären! (Abg. Kopf: Weil es Länderkompetenz ist, bitte!)

Diese Unsinnigkeiten, die die ÖVP verbreitet, werden einbetoniert und einer Änderung praktisch entzogen. – Das ist das Schlimme dabei. Man kann jetzt sagen, wenn die ÖVP einen Blödsinn macht, macht nichts, sie wird ohnehin abgewählt werden, beim nächsten Mal wird es eine bessere Regierung wieder ändern. Aber mit diesem Vehikel der Zweidrittelmehrheit betoniert ihr euren energiepolitischen Unsinn ein, und das ist das wirklich Dramatische an dieser Vorgehensweise!

Die Kollegin ist auch auf diese 60 Millionen € an Förderungen eingegangen. – Das ist irrwitzig! Für große Konzerne stehen 60 Millionen € sofort bereit, und für die erneuerba­ren Energien, die wirklich förderungswürdig wären, bleiben 21 Millionen € übrig. (Abg. Kopf: Das haben wir heute schon ...!)

Diese 300 Millionen €, Kollege Karlheinz Kopf, sind aus den Fingern gesogen. Das ist möglicherweise eine Zusammenzählung aller Beiträge aus der Zählpunktpauschale. (Abg. Kopf: Stimmt doch überhaupt nicht!) Keine Ahnung, wo du diese Zahl her­nimmst, aber das sind Zahlenspielertricks, die einfach nicht stimmen.

Normalerweise dürfte überhaupt keine fossile Energie mehr gefördert werden. Wenn ihr schon davon sprecht, dass wir etwas Nachhaltiges tun wollen – „nachhaltig“ ist so­wieso euer Lieblingswort –, wenn ihr nachhaltig handeln wolltet, dann müsstet ihr schauen, dass wir aus dieser Problematik mit Peak Oil, Peak Gas und Peak Coal ein wenig lernen und wirklich auf die Zukunft setzen – auf erneuerbare Energien.

Da gibt es eben nur eine einzige Möglichkeit, nämlich die Förderung der erneuerbaren Energien. Da hat Österreich wunderbare Chancen – ich habe es vor Kurzem auch


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 165

beim Ökostromgesetz gesagt –, nämlich deshalb, weil es eine ausgezeichnete Aus­gangssituation mit Wasserkraft, mit Biomasse, mit Sonnenenergie hat.

Und den einen Bereich, den man eben nicht zentralisieren kann, den man nicht in Konzerne pressen kann, den lässt die ÖVP nicht groß werden, nämlich den Bereich der Sonnenenergie, den Bereich der Photovoltaik. Da sind keine Monopole möglich, da sind keine Zugriffe über Konzerne möglich, und deswegen gibt es da keine Förderun­gen. – Und das ist wirklich dramatisch.

Lieber Karlheinz Kopf, wenn wir schon über diese wirklichen Probleme in Österreich reden: Es gibt ein Problem, das die ÖVP interessanterweise nicht in Angriff genommen hat, nämlich das der Voest. Die Voest überlegt aufgrund dieser schlechten Wirtschafts- und Energiepolitik ernsthaft, sich aus Österreich zu verabschieden.

Die Voest hat hier in Österreich 20 000 Arbeitsplätze. Sie ist ein Leitbetrieb, ein wirklich guter Betrieb, und überlegt, sich aufgrund der Zertifikatskosten und aufgrund der nicht gegebenen Hilfe der Regierung abzusiedeln und Österreich dadurch einen massiven wirtschaftlichen Schaden zuzufügen. (Abg. Kopf: Von wann ist diese Presseaussen­dung? Die ist sicher drei Jahre alt!)

Die Ursache, lieber Herr Kollege Kopf, liegt in eurer verfehlten Energiepolitik! (Abg. Dr. Mitterlehner: Wann ist das herausgekommen?) Es wäre eure Aufgabe gewesen, gut zu arbeiten und gut zu reagieren, aber das ist nicht passiert. Es ist in Summe also wirklich eine Peinlichkeit, was ihr da abliefert. (Abg. Dr. Mitterlehner: Was Sie da sa­gen, ist eine Peinlichkeit!)

Liebe ÖVP, mit Klientelpolitik wird nichts mehr zu machen sein; das wird zu wenig sein. Eure Energiepolitik ist gescheitert, und der Beweis dafür ist heute wieder vollbracht worden, indem ihr mit einer Zweidrittelmehrheit eine alte, überholte Energiedinosaurier­politik einbetoniert habt. Damit werden wir in Zukunft nichts erreichen. (Beifall bei der FPÖ.)

16.46


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bauer. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


16.46.17

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren! Das war wieder einmal ein Muster­beispiel: Beim Ökostromgesetz bedauert man, dass eine Deckelung für die energie­intensiven Betriebe erfolgt, und heute beklagt man, dass die Betriebe abwandern, weil Ihnen die Energiepolitik nicht die nötigen Rahmenbedingungen zur Verfügung stellt. – Ihr müsst euch einmal darauf einigen, was ihr wollt!

Es ist nun einmal so: Wenn man es mit energieintensiven Betrieben zu tun hat, dann muss man bestimmte Rahmenbedingungen schaffen, wenn man nicht eine Ent-Indust­rialisierung einleiten möchte. Dazu gehört zum Beispiel die Deckelung. Sie wurde aus­führlich kritisiert; heute wird jedoch genau das Gegenteil kritisiert. So kann man mit­einander nicht umgehen, das möchte ich schon sagen! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Zweiten: Es wurde von den großen Konzernen gesprochen. Ich kann Ihnen sa­gen: Die großen Konzerne produzieren die Energie vielleicht – auch kleinere, weil ja auch dezentrale Anlagen durchaus förderwürdig und förderbar sind. Aber die kleinen Leute beziehen die abfallende Wärme. Die haben dann geheizte Wohnungen mit si­cherer und sauberer Energie, einer Energie, die durchaus 3 Millionen Tonnen CO2-Ein­sparungspotential beinhaltet. Das bedeutet dann aber in Wirklichkeit, dass im Rahmen


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 166

unserer Klimastrategie ein wichtiger Beitrag geleistet wurde – um das auch einmal klar zu sagen! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn wir auf dem Weg der Energieeffizienz weitergehen, dann müssen wir feststellen, dass 3 bis 4 Millionen Tonnen CO2-Einsparungspotential allein aus der Energieeffizi­enzsteigerung vorhanden ist. Ich habe das schon angeführt: 10 Millionen Tonnen Re­duktion – 3 Millionen aus Ökostrom, 3 Millionen aus diesem Leitungsausbaugesetz und 4 Millionen aus der Energieeffizienz. Das ist in Summe ein Beitrag von 10 Millionen Tonnen bei derzeit insgesamt 90 Millionen Tonnen CO2-Emissionen. Das ist wahrlich ein Klimaschutzprogramm für Österreich, und darauf könnten wir auch gemeinsam stolz sein! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. Abg. Dr. Lichten­ecker: Na geh, das stimmt doch nicht!)

Es wurde gesagt, es werden die sogenannten Qualitätskriterien nicht erfüllt. (Abg. Dr. Lichtenecker: Das Ministerium kritisiert, dass es keine Qualitätskriterien gibt!) – In § 4 steht unter Förderungsvoraussetzung klar und deutlich zum Thema energieeffizi­ente Fernwärme: „Fernwärme, die in Bezug auf die Erzeugung entweder die Kriterien für hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplung erfüllt oder die bei ausschließlich wärmeer­zeugenden Kesselanlagen den Referenzwerten für die getrennte Wärmeerzeugung gemäß der Entscheidung 2007/74/EG der Kommission entspricht.“

Das bedeutet in Wirklichkeit, dass es sich da um hocheffiziente Anlagen handeln muss, um die Förderwürdigkeit zu erreichen. (Abg. Dipl.-Ing. Klement: Was verheizen Sie?)

Das alles ist – das sei zugegeben – vielleicht etwas schneller vollzogen worden, aber nur deshalb, weil es notwendig war, dieses Gesamtpaket für Österreich, was die Klima­strategie betrifft, noch zu ergänzen. So können neben dem Ökostrom auch der Lei­tungsausbau und die Energieeffizienz als Dauerauftrag an die Industrie und an jeden Einzelnen gerichtet werden.

Wichtig bleibt aber auch das Sparen, denn das – da bin ich ganz Ihrer Meinung – muss ja als Gesamtaufgabe gesehen werden. Trotz allen Zurverfügungstellens von Energie sind wir keineswegs der Aufgabe enthoben, weiterhin das Energiesparen als wichtigs­tes Ziel unserer Energiepolitik zu verfolgen. Wenn wir nämlich nicht sparen und ener­gieeffizient handeln, werden wir die Anforderungen der Menschen hinsichtlich Versor­gungssicherheit nicht erfüllen können. Daher ist Sparen das oberste Prinzip, um die Strategie überhaupt erfüllbar zu machen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.49


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schalle. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Kollege.

 


16.50.31

Abgeordneter Veit Schalle (BZÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Antrag der Lobbyisten der Energiewirtschaft, der Abgeordneten Kopf und Dr. Bauer, betreffend das Bundesgesetz, mit dem das Wärme- und Kälteleitungsausbaugesetz erlassen und das Energie-Regulierungsbehördenge­setz geändert wird:

Meine Damen und Herren, dieser Antrag geht in eine völlig falsche Richtung. Nach eineinhalb Jahren der Untätigkeit dieser Bundesregierung wird nun in einer Nacht- und Nebelaktion ein Gesetz mittels Initiativantrag und Fristsetzungsantrag ohne Aus­schussvorbereitungen durchgepeitscht. (Abg. Dr. Bauer: ... war in der Begutach­tung!) War nicht.

Es wird da der E-Wirtschaft wieder einmal Steuergeld zugeschanzt – auf Kosten der Steuerzahler. Ich darf Sie nur daran erinnern: Die Gemeinde Wien kann die Fern­wärme, die derzeit produziert wird, gar nicht abnehmen. Die hat angefragt, was denn


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 167

eigentlich damit getan werde. Und das ist das größte Ballungszentrum in Österreich überhaupt.

Mit diesem neuen Wärme- und Kälteleitungsausbaugesetz sollen Investitionsfördermit­tel von – ich kann es ja gar nicht glauben – 60 Millionen € bewegt werden – ohne eine Bedarfsprüfung, ob es überhaupt genug Abnehmer für die Kälte gibt.

Im Antrag steht, es genüge ein Abnehmer. Das ist ja ein richtiger Witz! Genügt eine Wohnung? Genügt eine Schule? (Ruf bei der ÖVP: Stadtwerke!) Was genügt? Ein Abnehmer! (Ruf bei der SPÖ: Krankenhaus!) Zahlen werden es wieder die Konsumen­ten, und zwar über höhere Energiepreise. (Abg. Kopf: Das tut weh!)

Was besonders schlimm ist: Laut § 2 sind gerade solche Anlagen von der Förderung ausgeschlossen, die ausschließlich auf Basis erneuerbarer Energieträger betrieben werden. Also so etwas gibt es ja überhaupt nicht! Und da reden Sie von CO2-Reduktion und Umweltschutz? – Damit haben Sie aus meiner Sicht jede Kompetenz verloren. (Abg. Bucher in Richtung des Abg. Kopf : Karlheinz, ich bin enttäuscht!)

Dass dies auch massiv von Ihrer eigenen Organisation kritisiert wird, zeigt beispiels­weise die Stellungnahme der Landwirtschaftskammer. Dort heißt es, der Gesetzent­wurf sei eigentlich primär für fossilen Energieträgereinsatz für große EVS ausgerichtet. Es sollte aber vielmehr auf den effizienten Einsatz erneuerbarer Energieträger eine eindeutige Priorität gesetzt beziehungsweise diese zumindest erhalten werden. – Das ist also eigentlich ganz schlimm.

Frau Staatssekretärin Marek, der Antrag lässt auch einen Hinweis darauf vermissen, woher die 60 Millionen € überhaupt kommen sollen. Darüber hinaus ist fraglich, ob diese Förderung nicht zu Lasten anderer Förderungen, insbesondere solcher für er­neuerbare Energieträger geht.

Weiters wird hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen und der Auswirkungen auf den Bundeshaushalt und die Planstellen des Bundes und der Gebietskörperschaften nur angeführt, dass sich die Kosten für die Abwicklung der Förderung durch die Abwick­lungsstelle sowie den Einsatz an Arbeitszeit im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit in Ermangelung von Erfahrungswerten noch nicht abschätzen lassen.

Der Rechnungshof, aber auch das Bundesministerium für Finanzen kritisieren in die­sem Zusammenhang, dass nicht einmal eine grobe Schätzung über die finanziellen Auswirkungen in der Erläuterung zu finden ist.

Was aber eigentlich noch viel schlimmer ist: Die Bürokratie wird wieder aufgebläht. Es wird für diese Förderung eine eigene Stelle im Wirtschaftsministerium eingerichtet, was generell abzulehnen ist, zumal die Förderung im Sinne der Nutzung von Synergien über bereits bestehende Stellen abgewickelt werden kann. (Abg. Kopf: Ich glaube, Sie haben noch den Begutachtungsentwurf in der Hand! Das sollten Sie austauschen, Herr Kollege!) – Schon, ich habe ihn ganz genau gelesen! So gesehen kann man ja nur heil­froh sein, Herr Kopf, dass die Regierung Rot-Schwarz endlich zu Ende geht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einige Worte zu den Teuerun­gen sagen. Wir haben gestern einen Antrag von Herrn Abgeordnetem Maier bezüglich Konsumentenschutz angenommen. Man sollte aber auch Folgendes dazusagen: Es werden hier im Parlament auch Gesetze beschlossen, die Teuerungen für den Endver­braucher mit sich bringen.

Gestern ist das Thema Eier und Käfighaltung besprochen worden. Ich bin auch dafür, dass keine Hühner mehr in Käfigen gehalten werden. Dass das für den Konsumenten aber eine Auswirkung von mindestens plus 20 Prozent auf Eier und alle Produkte, die daraus produziert werden, bedeutet, sollte man auch immer dazusagen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 168

Wir wundern uns immer, woher die Teuerung kommt. Teilweise sind wir aber selbst die Ursache dafür. Wir sollten das schon immer dazusagen, gerade wenn die Arbeiterkam­mer immer die Preise vergleicht und sagt, die Eier kosten im Ausland im Schnitt we­sentlich weniger als in Österreich. Das wollte ich nur dazugesagt haben. Danke.

16.55


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Von der Regierungsbank aus hat sich Frau Staatssekretärin Marek zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.56.03

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Christine Marek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte gleich auf meine Vorrednerinnen und Vorredner eingehen. Frau Abgeordnete Lichten­ecker! Sie haben auch heute wieder – wie vorgestern, vor der Beschlussfassung des Ökostromgesetzes – von einem „Kuhhandel“ gesprochen. (Abg. Dr. Lichtenecker: Stimmt nicht!) Ich habe es im Protokoll gelesen. (Abg. Dr. Lichtenecker: Weil das absehbar war, dass das der Kuhhandel von heute ist!)

Sie haben diesen Zwischenruf auch damals schon gemacht, als der Herr Bundesminis­ter hier war. Frau Abgeordnete – und das gilt auch für Herrn Abgeordneten Klement, der gesagt hat, es sei eine Unverfrorenheit, wie wir dieses Gesetz angeblich durchpeit­schen –: Ich darf schon daran erinnern, dass es sich – Herr Abgeordneter Kopf und Herr Abgeordneter Bauer haben es gesagt – um ein Gesetz handelt, das in Begutach­tung war und einfach eine wichtige Ergänzung zum Ökostromgesetz bedeutet. Es geht um eine stärkere Effizienznutzung.

Herr Abgeordneter Klement, Sie haben gesagt, wir würden damit fossile Energie för­dern. Da haben Sie etwas falsch verstanden. Es geht darum, dass wir ohnehin einge­setzte fossile Energieträger noch effizienter nutzen, indem wir jenes Potential der Ener­gieeffizienz einsetzen, stärken und ausbauen. Ich glaube, gerade auch unter diesem Aspekt ist dieses Gesetz durchaus zu begrüßen.

Wir haben sehr große bestehende Energie- und CO2-Einsparungspotentiale, die wir damit nutzen können. Mit dem 60-Millionen-€-Budget jährlich wollen und werden wir eine dauerhafte CO2-Emissionsreduktion erreichen.

Wichtig ist auch die Beschleunigung des Fernwärmeausbaus in Ballungszentren wie natürlich in Wien. Herr Abgeordneter Schalle hat sich da die Antwort gleich selbst gegeben. Er hat nämlich gesagt, Wien weiß nicht, was es mit der Fernwärme tun soll. Genau deswegen ist es wichtig, den Infrastrukturaufbau zu forcieren und zu beschleu­nigen: um bestehende Potentiale stärker nutzen zu können. (Abg. Schalle: Das haben Sie falsch verstanden!) Das haben Sie gesagt, Herr Abgeordneter! (Abg. Schalle: Nein!) Dann haben Sie es vielleicht nicht ganz so ausgedrückt, wie Sie es gemeint haben.

Meine Damen und Herren, es geht nicht nur um Wien, wenn wir von Ballungszentren reden, sondern ich darf auch einen Blick in die Steiermark werfen: Der Bürgermeister von Graz, Siegfried Nagl, hat sich das Ziel gesetzt, 25 000 Haushaltsäquivalente in Graz und 15 000 Haushaltsäquivalente in Graz Umgebung mit Fernwärme auszustat­ten. – Das sind insgesamt 40 000 Haushaltsäquivalente. Wir sprechen da von einer thermischen Leistung von etwa 200 Megawatt, meine Damen und Herren.

Ich glaube, das ist etwas, wo selbst die Grünen nicht dagegen sein können, die das ja mit beschlossen haben und dahinter stehen. (Abg. Dr. Lichtenecker: Sie müssen ge­nauer zuhören bei der Kritik!)


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Meine Damen und Herren, wir wissen, dass diese Haushaltsanschlüsse in der Bevöl­kerung eine sehr hohe Akzeptanz haben. (Abg. Dr. Lichtenecker: In Graz funktioniert es halt!)

Aber es geht natürlich auch um Krankenhäuser, es geht um öffentliche Gebäude, die einen sehr hohen Energiebedarf gerade für Klimaanlagen haben. – Es geht ja auch um Kälteeinsatz. Ich denke, es war ein richtiger Schritt, dass wir das jetzt noch rechtzeitig umgesetzt haben, denn es kann den Grünen nicht recht sein, dass wir eine wichtige Förderung in dieser Energieeffizienzsteigerung auf die lange Bank schieben, meine Damen und Herren von den Grünen. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Dr. Lichtenecker: Auch das Lebensministerium sagt, das ist ein unausgegorenes Gesetz!)

16.59


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Glaser. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Kollege.

 


16.59.46

Abgeordneter Franz Glaser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zum vor zwei Tagen beschlossenen Ökostromgesetz kommt heute mit dem Wärme- und Kälteleitungsausbaugesetz ein weiterer wichtiger Schritt zur Erfüllung der Kyoto-Ziele dazu. Ich glaube, dass die scheidende Koalition in diesem Bereich noch einen guten und wichtigen Schritt zur weiteren Stärkung des Klimaschutzes gesetzt hat.

Vor allem müssen wir dafür zwei Personen, nämlich Minister Pröll und Minister Barten­stein, danken, die hier einen Kraftakt vollbracht haben, indem es ihnen gelungen ist, das umzusetzen – natürlich gemeinsam mit unseren Partnern auf SPÖ-Seite. (Präsi­dentin Mag. Prammer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Die Ziele in diesem Gesetz sind ambitioniert, und ich habe daher die Kritik der Op­position schon lange so wenig verstanden wie gerade in diesem Bereich, denn all
das, was hier mit diesem Gesetz kommen soll, kommt zusätzlich. (Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenecker.)

Frau Abgeordnete, wir wollen zusätzlich 3 bis 4 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Wir wollen die Energieeffizienz erhöhen. Es geht nicht darum, neue Wärmequellen zu schaffen, sondern es geht darum, Energie effizienter zu nutzen. Es geht darum, dass wir vorhandene Wärme- und Abwärmepotentiale entsprechend besser nutzen. Was soll daran schlecht sein?

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ambitioniert ist auch die finanzielle Anstren­gung: 60 Millionen € zusätzlich! Das ist absolut nicht wenig, da gebe ich Ihnen recht. Seien wir doch froh, dass wir das zusätzlich zur Erreichung des Kyoto-Zieles zur Verfü­gung haben. Was gibt es daran zu kritisieren? Das verstehe ich absolut nicht.

Wir müssen in diesem Bereich auch dazusagen, dass das ja zusätzlich kommt. Wir ha­ben nach wie vor die Mittel aus der ländlichen Entwicklung, die EU cofinanziert sind, zur Verfügung. Hier wird ja nichts weggenommen, sondern das kommt zusätzlich dazu. Ich sehe hier absolut keinen Anlass zur Kritik.

Was mir schon noch fehlt, das sind zwei Initiativen vom Minister Pröll, die leider nicht mehr vollständig verwirklicht werden können. Das ist zum einen die Artikel-15a-Verein­barung zur Wärmedämmung im Bereich der Wohnbauförderung der Länder und das ist zum anderen das Bundesklimaschutzgesetz. Ich glaube, dass in beiden Punkten ge­rade die Länder massiv gefordert sind. (Abg. Dr. Lichtenecker: Minister Pröll hat fünf Jahre lang Zeit gehabt!) Ich glaube, auch wir Abgeordnete sollten hier mitwirken, wir sollten in den Ländern dahingehend einwirken, dass mehr Verständnis für diese Not­wendigkeit vorhanden ist und dass wir möglichst bald in einer neuen Legislaturperiode


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diese beiden Punkte auch beschließen können und damit einen noch weiteren Schritt zur Erreichung des Kyoto-Zieles setzen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.02


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Muchitsch zu Wort. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


17.02.51

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mehr Menschen in un­serem Land heißt auch mehr Bedarf an Wohnraum, heißt auch mehr Arbeitsplätze bei dementsprechend guter Konjunktur, heißt aber auch mehr Mobilität und damit mehr Autos und folglich natürlich auch mehr Energieverbrauch. Mehr Energieverbrauch ohne Zurverfügungstellung und Lieferung von zusätzlichem Ökostrom heißt natürlich auch mehr Produktion von Treibhausgasen in Österreich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie viele Treibhausgase werden in Öster­reich eigentlich freigesetzt? Wir haben das hier im Hohen Haus schon öfter gehört. Ich habe mir nur die zwei größten Verursacher angeschaut, was die steigenden CO2-Emis­sionen gemessen an prozentuellen Steigerungen betrifft. An der Spitze liegt nach wie vor der Verkehr. Von 1990 bis 2005 ist im Verkehrsbereich der CO2-Ausstoß um plus 91,2 Prozent auf 24,4 Millionen Tonnen gestiegen.

Nun das Interessante: Die zweitgrößte Steigerung bei den Treibhausgasen haben wir jedoch schon bei der Energieaufbringung, und zwar von 1990 bis 2005 plus 16 Pro­zent. Auf 16 Millionen Tonnen sind in diesem Bereich die CO2-Emissionen gestiegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das vorliegende Wärme- und Kälteleitungs­ausbaugesetz ist ein positiver Beitrag zu einer dauerhaften CO2-Emissionsreduktion. Es geht hier um ein Ausmaß von bis zu 3 Millionen Tonnen, wie es auch Kollege Johnny Bauer bereits angedeutet hat. 3 Millionen Tonnen weniger CO2-Emissionen be­deuten, dass wir beim CO2-Ausstoß im Bereich der Energieaufbringung wieder positive Werte erreichen, bessere, als wir sie 1990 gehabt haben.

Mit diesem Gesetz können wir einerseits bestehende Fernwärmenetze ausbauen und erweitern – allein in der Steiermark gibt es zurzeit 14 Fernwärmeversorgungsgebiete –, und andererseits haben auch kleinräumige regionale Projekte die Möglichkeit, mit In­krafttreten dieses Gesetzes erneuerbare Energieträger zu ihrer regionalen Versorgung dementsprechend besser zu fördern und zu nutzen. Neben den bestehenden Fernwär­meversorgungsgebieten werden auch neue Gebiete mit thermischer Energie versorgt werden können.

Aber auch für den industriellen Bereich gibt es nun aufgrund der Förderung einen we­sentlich größeren Anreiz, Abwärme zu nutzen. Es ist ein guter und richtiger Schritt, denn es bietet Möglichkeiten, die Abwärme zu nutzen. Es ist auch ein guter und richti­ger Schritt, da er ermöglicht, weiter CO2-Emissionen zu reduzieren, und die Möglichkeit bietet, die städtische Versorgung mit Fernwärme auszubauen.

Ein Dankeschön an all jene, die dabei mitgewirkt haben, dass dieses Gesetz in dieser Form jetzt hier vorliegend ist. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.06


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Lueger zu Wort. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


17.06.15

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatsse­kretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Eigentlich kann ich naht-


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los anschließen an meine Rede zum Ökostromgesetz, denn bereits bei dessen Be­schlussfassung habe ich gesagt, dass es einen Schritt zur weiteren Verbesserung der Energieeffizienz darstellt und weitere zusätzliche Maßnahmen notwendig sind.

Speziell für die Stadt Wien ist sowohl der Fristsetzungsantrag, der eingebracht wurde, als auch das Wärme- und Kälteleitungsausbaugesetz ein wichtiger Aspekt für den Lei­tungsausbau und für Nah- und Fernwärmenetze. Es gibt Prognosen, dass Wien in den nächsten Jahren um 300 000 Menschen wachsen soll. Dazu ist es erforderlich, ein si­cheres, gutes Netz der Versorgung weiter auszubauen. Derzeit hat die Fernwärme in Wien zirka 1 000 Kilometer Rohrleitungen. Angeschlossen daran sind Wohnungen, Schulen, Krankenhäuser und öffentliche Gebäude. Die Fernwärme bietet große Ver­sorgungssicherheit und höchsten Komfort.

Besonders intelligent ist die Kombination von Kraft-Wärme-Kopplung, thermischer Ab­fallbehandlung und erneuerbaren Energieträgern. Mit diesen drei Energieträgern der Fernwärme ist eine umweltverträgliche sichere Alternative zu herkömmlichen Einzel­öfen geschaffen. Man schont wertvolle Ressourcen und verursacht geringere CO2-Emissionen.

Die CO2-Emission pro Megawattstunde genutzter Energie beträgt bei der Fernwärme nur 140 Kilo. Das Leitungsausbaugesetz bedeutet eine nachhaltige kostengünstige CO2-Reduktion im Ausmaß von 3,4 Millionen Tonnen pro Jahr. Gleichzeitig bietet die­ses Gesetz auch die Grundlage für die Fernwärmeleitungen. In Amerika sind 80 Pro­zent aller Büroflächen klimatisiert. In Europa sind es im Augenblick erst 50 Prozent. Das wird sich bei uns in den nächsten Jahren ändern, und der Bedarf an Kühlenergie wird ansteigen. Da wird sich auch Wien nicht entziehen können.

Die Erzeugung der Fernkälte kommt zum größten Teil aus Absorptionskältemaschinen. Ein zwischen vier- und zehnfach geringerer Verbrauch an fossilen Brennstoffen ist durch die Anwendung von Abwärme für diese Maschinen und damit auch ein wesent­lich geringerer Gehalt an Emissionen vorgezeichnet.

Entscheidend ist natürlich die Umweltfreundlichkeit der Anlagen, von denen die Wärme herkommt. In Wien sind es die Kraft-Wärme-Kopplungs-Kraftwerke, Abfallverbren­nungsanlagen und ein Wärmepotential aus dem Wald-Biomassekraftwerk Simmering.

Ab Herbst 2008 soll die jetzt im Bau befindliche dritte Mühlverbrennungsanlage Pfaf­fenau in Betrieb gehen. Und ab 2011 gibt es auch noch die Geothermiewärme in Aspern.

Dieses Gesetz ist für eine gesicherte Förderung wichtig. Es stellt eine gute Kombina­tion zwischen Fernwärme und Fernkälte dar und ist ein weiterer Schritt für ganzjährige Energieeffizienz. Daher wird meine Fraktion für diesen Antrag stimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.09


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag 853/A der Abgeordneten Karl­heinz Kopf, DKfm. Dr. Hannes Bauer, Kolleginnen und Kollegen.

Dazu haben die Abgeordneten Kopf, Bauer, Kolleginnen und Kollegen einen gemein­samen Abänderungsantrag eingebracht.

Da der vorliegende Gesetzentwurf eine Verfassungsbestimmung enthält, stelle ich zu­nächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Ziffer 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung


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erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeord­neten fest.

Die Abgeordneten Kopf, Bauer, Kolleginnen und Kollegen haben einen gemeinsamen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel 1 des Gesetzentwurfes bezieht.

Da nur dieser gemeinsame Antrag gestellt wurde, lasse ich sogleich über den Ge­setzentwurf in 853/A samt Titel und Eingang unter Berücksichtigung des gemeinsamen Abänderungsantrages der Abgeordneten Kopf, Dr. Bauer, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mit Mehr­heit angenommen.

Ausdrücklich stelle ich wiederum die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehr­heit fest.

17.11.567. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 780/A(E) der Abgeordneten Wolfgang Großruck, Christian Füller, Kolleginnen und Kollegen betreffend weltweit zunehmende Verfolgungen von Christen und Sicherung der Religionsfreiheit (661 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen daher sogleich in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Hagenhofer mit einer Wunschredezeit von 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


17.12.30

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Entschließungsantrag zielt unter anderem auch darauf ab, die Einhaltung und die Durchsetzung des Menschen­rechtes auf Religionsfreiheit und Religionsausübungsfreiheit im Rahmen der internatio­nalen Menschenrechtsarbeit auf europäischer Ebene und in bilateralen Beziehungen verstärkt in die Diskussion miteinzubeziehen.

Bei der Ausarbeitung dieses Antrages hat meine Fraktion besonders darauf geachtet, dass man nicht nur weltweit für Menschenrechte und Religionsfreiheit eintritt, sondern dass in der Begründung auch klar hervorkommt, dass man nur dann das moralische Recht hat, Menschenrechte in anderen Ländern einzufordern, wenn man im eigenen Land seine Hausaufgaben gemacht hat und möglichst vorbildlich in Erscheinung tritt.

Gerade was die Religionsfreiheit betrifft, steht Österreich international sehr gut da. Bereits seit dem Jahre 1867, seit dem damals verabschiedeten Staatsgrundgesetz, ist die gemeinsame öffentliche Religionsausübung für gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften garantiert. Seit 1912 gilt diese Garantie auch für den Islam, der


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bereits unter der Regierungszeit Kaiser Franz Josephs eine anerkannte Religionsge­meinschaft geworden ist. Österreich hat in dieser Hinsicht einen gewissen Vorbildcha­rakter, und das wird auch in vielen Teilen der Welt sehr positiv aufgenommen und so auch gesehen.

Leicht kritisch muss ich schon anmerken, dass es in den letzten Jahren immer wieder Versuche einzelner Gruppen gegeben hat, die Religionsfreiheit doch einzuschränken, indem man etwa die gemeinsame öffentliche Religionsausübung von Moslems durch allerlei Tricks erschweren wollte. Es muss aber auch erfreulicherweise dazugesagt werden, dass die klare Mehrheit in unserer Gesellschaft, insbesondere auch der Erz­bischof von Wien, Kardinal Dr. Christoph Schönborn, solche Versuche immer eindeutig zurückgewiesen hat.

Wie gesagt, wir können uns nur dann besonders glaubwürdig in der Welt für die Religi­onsfreiheit und insbesondere für die Rechte der Christen einsetzen – natürlich auch für die Rechte der anderen Religionen –, wenn wir zu Hause in Österreich eine dement­sprechende Gesinnung an den Tag legen und auch in diesem Sinn Handlungen set­zen.

So scheint es mir beispielsweise wirklich wichtig, dass die Europäische Union klar dar­auf aufmerksam macht, dass die Zahl der Christen im Irak seit dem Beginn des von den USA begonnenen Irak-Krieges die Hälfte ihrer Mitglieder verloren hat, überwie­gend durch Vertreibung und Einschüchterung. Leider sind auch schlimme Morde an Christen geschehen.

Ich glaube, dass wir alle eine moralische Verantwortung für die Einhaltung der Men­schenrechte universell haben und dass wir eben das, was realistisch möglich ist, dazu tun sollten, dass die Verletzung von Menschenrechten zurückgedrängt wird.

In diesem Sinne würde es mich sehr freuen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wenn dieser Antrag so wie im Ausschuss auch hier einstimmig angenommen werden würde. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der SPÖ.)

17.16


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Sieber zu Wort. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


17.16.58

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatsse­kretär! Wir haben kürzlich im Menschenrechtsausschuss durchaus engagiert über die unglaublichen Vorgänge und die Situation in Tibet und vor allem in China gesprochen, wirklich Zustände, die wir alle miteinander zutiefst ablehnen. Aber auch andere Reli­gions- und Völkervolksgruppen haben massive Probleme. Und auch die Christen in der Welt haben unter Verfolgung und Unterdrückung zu leiden.

Meine Damen und Herren! Die Verfolgung von Christen nimmt weltweit immer größere Ausmaße an. Sie findet weltweit statt, vor allem aber in muslimisch dominierten Län­dern. Es sind in über vierzig Ländern Menschen, die an Jesus glauben und dazu ste­hen, staatlich unterstützter oder staatlich tolerierter Gewalt ausgesetzt. In insgesamt hundert Ländern ist die Religionsfreiheit eingeschränkt. Christen machen Schätzungen zufolge rund 80 Prozent all jener Menschen aus, die wegen ihres Glaubens bedroht, misshandelt, eingesperrt oder gar getötet werden. Oder in absoluten Zahlen gesagt: 200 bis 250 Millionen Christen werden diskriminiert, rund 175 000 werden jedes Jahr getötet. Christen sind damit die größte von Verfolgung betroffene Religionsgemein­schaft.

Die Christenverfolgung hat viele Gesichter. Sie reicht vom Verbot, auf offener Straße eine Bibel zu tragen, über die Vergewaltigung durch einen Andersgläubigen bis hin


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zum Mord durch radikale Moslems oder Exkommunisten. Die Dauerentrechtung der Christen in Saudi-Arabien oder Pakistan ist quasi zum Normalzustand geworden.

Am schlimmsten ist derzeit jedoch die Lage der Christen im Irak. Aus dem Irak ist seit dem Jahr 2003 bereits die Hälfte der damals noch eineinhalb Millionen Christen ausge­wandert. Andere befinden sich auf der Flucht aus dem Süden in vermeintlich sichere Gegenden des Nordens. Diese Form der Verfolgung der Christen im Irak ist durchaus mit ethnischen Säuberungen und Völkermorden anderswo in der Welt zu vergleichen. Trauriger Höhepunkt diesbezüglich war die Ermordung eines chaldäisch-katholischen Bischofs, dessen Leichnam auf einem Müllhaufen gefunden wurde.

Als zweiter Hauptschauplatz der Christendiskriminierung gilt das stalinistisch geführte Nordkorea. Dort sollen zirka 200 000 Christen in Arbeitslagern eingesperrt sein, weil sie nicht bereit waren, Kim Jong II. als „Gottkönig“ zu verehren.

Die weltweite Christenverfolgung ist leider in der westlichen Öffentlichkeit kein Thema, bei näherer Betrachtung fast sogar ein Tabu. Sowohl Politik als auch die Kirche geben sich diesbezüglich mehr als zurückhaltend. Daher begrüße ich es, dass auf europäi­scher Ebene dafür eingetreten wird, dass die in der EU-Charta verankerten Grund­rechte zu Leitlinien der internationalen Beziehung gemacht werden und dass man sich für die Opfer von Verletzungen des Menschenrechts auf Religionsfreiheit einsetzt.

Die Einhaltung und die Durchsetzung des Menschenrechts auf Religionsfreiheit und Religionsausübungsfreiheit müssen in politische Debatten einbezogen werden – gera­de auch in Bezug auf den möglichen Beitritt der Türkei zu Europäischen Union.

Österreich kann innerhalb der EU und auch weltweit den Anspruch erheben, in Bezug auf Religionsfreiheit vorbildhaft zu sein. Seit dem Staatsgrundgesetz 1867 ist die ge­meinsame öffentliche Religionsausübung für gesetzlich anerkannte Kirchen und Religi­onsgemeinschaften garantiert.

Wenn in Österreich selbstverständlich Glaubensfreiheit herrscht, darf man doch auch fragen, warum in moslemischen Ländern die Christen nicht dieselben Rechte haben wie die Moslems hier bei uns und warum Christen dort ihren Glauben nicht unbehindert ausüben dürfen! Vom Kirchenbau braucht man in den meisten dieser Länder ohnehin nicht zu reden. Die Frage, ob mit oder ohne Kirchturm stellt sich dort gar nicht.

In der Türkei wird nicht einmal die Errichtung einer kleinen Kapelle in Tarsus, dem Ge­burtsort des heiligen Paulus gestattet. Darf man nicht verlangen, dass auch in islami­schen Ländern die elementaren Menschenrechte der Religionsfreiheit gelten, die hier­zulande selbstverständlich sind? Oder wie es der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Karl Lehmann formuliert hat:

„Die Moslems sollen ruhig in Rom eine Moschee bauen“! Und weiters: „Ich möchte dann aber im Gegenzug nicht verhaftet werden, wenn ich in Saudi-Arabien“ oder der Türkei „eine Messe lese“. – Dass dies freilich nur ein frommer Wunsch ist, versteht sich von selbst. (Zwischenruf der Abg. Mandak.)

Um auf solche Missstände hinzuweisen und sie auch zum Thema zu machen, wurde dieser Antrag eingebracht – und, meine Damen und Herren, ich begrüße ihn ausdrück­lich! (Beifall bei ÖVP, FPÖ und BZÖ.)

17.20


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Weinzin­ger zu Wort. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


17.21.08

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Das war ja jetzt eine nachgerade alttestamentarische Rede meines Vor-


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redners. Aug um Aug, Zahn um Zahn!, das ist offenbar Ihre Devise. Das wird ja wohl nicht ihr Ernst sein? (Abg. Dr. Schüssel: Na bitte, wirklich nicht! Das war eine ausge­sprochen tolerante Rede!) – Herr Klubobmann Schüssel, wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie gemerkt, dass hier sinngemäß argumentiert wurde: Solange es in muslimi­schen Ländern nicht möglich ist, Kirchtürme zu bauen, sehen wir uns offenbar nicht verpflichtet, dass in Österreich Minarette gebaut werden dürfen. – Auf das läuft doch die Argumentation hinaus. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Schüssel: Nein!)

Das, was als Religionsfreiheit gefordert wird, wird doch hoffentlich selbstverständlich in Österreich vorgelebt! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Sieber: Wir fordern das auch ein! – Abg. Dr. Schüssel: Woanders ist es nicht selbstverständlich!) Daran möchte ich Sie messen. Herr Klubobmann Dr. Schüssel, Sie sollten das mit Ihren Parteikollegen ganz genau diskutieren. Sollte nicht Ihre allererste Sorge dem gelten, dass Ihre eigene Gesinnungsgemeinschaft zum Beispiel in Niederösterreich Religionsfreiheit so weit auslegt, wie wir das von anderen Staaten fordern? Sollte nicht die erste Sorge zum Beispiel Ihrem Landeshauptmann Pröll gelten, der Minarette als artfremd bezeichnet hat, bevor Sie sich darüber Gedanken machen, was in allen anderen Ländern der Welt als Religionsfreiheit nicht vorhanden ist? (Abg. Dr. Schüssel: Religionsfreiheit in Ös­terreich ...!)

Ich sage nicht, dass das nicht ein Thema ist – absolut! Menschenrechte sind unteilbar. Das Recht auf Religionsfreiheit ist damit unteilbar und hat in allen Ländern der Welt zu gelten, auch in Niederösterreich, auch in Vorarlberg oder in Kärnten, wo man über die Bauordnung versucht, den Bau von Minaretten abzudrehen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Lutz Weinzinger: ... islamische Einwanderer!) Eine eingeschränkte Religions­freiheit für Österreich finde ich inakzeptabel. Das kann nicht Ihr Ernst sein.

Was mir auch wichtig ist, genau an dieser Stelle zu erwähnen, ist, dass es aber keinen Vorrang für die Religionsfreiheit vor der Meinungsfreiheit geben darf, egal für welche Religion. Da gab es in letzter Zeit unerfreuliche Entwicklungen, und wir müssen sicher­stellen, dass wir nicht unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit den Fundamentalis­men das Wort reden, egal, ob es muslimischer, christlicher, katholischer oder sonstiger Fundamentalismus ist.

Wir werden gerade in den nächsten Wochen und Monaten die Gelegenheit haben, zu sehen, inwieweit es die jeweiligen Parteien hier im Hohen Haus mit der Religionsfrei­heit tatsächlich ernst nehmen und inwieweit sie es in Österreich für alle Religion garantieren wollen.

Letzte Anmerkung – das betrifft eher die Geschichte dieses Antrags –: Er ist ja eigent­lich aus der Diskussion über Menschenrechte in China entstanden. Die längste Zeit sah es so aus, als wäre Religionsfreiheit für Falun Gong in China zum Beispiel kein Thema und als wäre die einzige Erwähnung des Wortes „China“ in einem Dokument des Menschenrechtsausschusses dieser Antrag im Zusammenhang mit der Christen­verfolgung. Ich bin sehr froh, dass es gelungen ist, doch noch einen anderen Antrag auch zustande zu bringen, weil die Menschenrechtsverletzung sich ja wohl nicht auf die Christenverfolgung beschränkt. (Beifall bei den Grünen.)

17.24


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Kurz­mann. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


17.24.24

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Freiheitliche Partei unterstützt selbstverständlich diesen Antrag. So wie wir uns als Österreicher selbstverständlich zu den christlich-


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abendländischen Grundwerten und christlich-abendländischen Traditionen Europas bekennen, so achten wir auch jede andere Kultur und jede andere Religion, vor allem natürlich dort, wo sie einheimischen oder autochthonen Ursprungs ist.

Meine Damen und Herren, wir wissen natürlich, dass unserer Lebensweise, unserer Kultur nicht in allen anderen Erdteilen dieselbe Toleranz entgegengebracht wird, wie das bei uns der Fall ist. Es gibt eben in vielen anderen Erdteilen nicht die Kenntnisse über Lessings „Nathan der Weise“.

Wir haben erst vor Kurzem darüber Informationen erhalten, unter welchen Umständen Mitteleuropäerinnen oder -europäer etwa in Saudi-Arabien leben, welchen Beschrän­kungen in der Lebensweise sie dort unterworfen sind.

In der heutigen Ausgabe einer Tageszeitung können Sie nachlesen, wie beispielsweise AsiatInnen in Saudi-Arabien gehalten werden. Da heißt es in einer Schlagzeile „Millio­nen Fremdarbeiter werden laut neuer Studie in Saudi-Arabien wie Sklaven gehalten“.

Wenn Sie dann diesen Bericht lesen, werden Sie sehen, dass es in Saudi-Arabien allein zwischen 1,5 Millionen und 6 Millionen Fremdarbeiter geben soll, bei einer Bevöl­kerung von 27 Millionen.

Ich zitiere weiter: „Die Ausländer müssen sich den rigiden Koran-Interpretationen der Sekte der Wahhabiten unterwerfen. Wie alle anderen auch müssen sie auch fünf Mal am Tag beten, bei Zuwiderhandeln“ – steht in dieser Zeitung – „werden sie von der Re­ligionspolizei in die Moscheen gepeitscht.“

Das sind also die Verhältnisse, die wir in anderen Bereichen vorfinden.

Auch in der Türkei gibt es immer wieder zahlreiche Übergriffe gegen Christen. Herr Abgeordneter Sieber hat das sehr ausführlich dargelegt. Es ist vor allem dem Verein Christliche Solidarität International zu danken, dass solche Vorfälle immer wieder sau­ber dokumentiert und auch öffentlich gemacht werden.

Meine Damen und Herren! Die europäischen Staaten haben die Verpflichtung, nicht nur auf Menschenrechtsverletzungen etwa in China, was in letzter Zeit Mode geworden ist, hinzuweisen, sondern natürlich nach dem Gleichheitsprinzip auf alle Verstöße in allen Staaten dieser Welt zu reagieren. (Beifall bei der FPÖ.)

17.27


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Dar­mann. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


17.27.32

Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (BZÖ): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Das BZÖ wird natürlich diesen Antrag unterstützen, denn der Punkt eins dieses Antrages, „dass die Rechte und Garantien, wie sie in der EU-Grundrechte-Charta verankert sind, auch verstärkt zu Leitlinien der Politiken der EU im Rahmen der internationalen Beziehungen und des weltweiten Eintretens für die Siche­rung der Menschenrechte gemacht werden sollen“, ist zu unterstützen. Dagegen ist nichts einzuwenden.

Es ist zu unterstützen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wenn in diesem Antrag geschrieben steht, dass „die Einhaltung und die Durchsetzung des Menschenrechts auf Religionsfreiheit und Religionsausübungsfreiheit im Rahmen der internationalen Menschenrechtsarbeit“ und in den internationalen und bilateralen Diskussionen mit ein­zubeziehen sind.


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Zu guter Letzt steht der Punkt: „sich für Opfer von Verletzungen des Menschenrechts auf Religionsfreiheit einzusetzen“. Keine Frage, das BZÖ wird auch diesen Punkt un­terstützen.

Richtig ist, Frau Kollegin Weinzinger – das haben Sie ganz korrekt festgestellt –, dass es in Kärnten eine neue Bauordnung gibt. Ich kann Sie beruhigen: Diese Bauordnung ist für alle Bauten für alle anerkannten Religionen anzuwenden und wird keine Religion in ihrer Religionsausübung benachteiligen. – Danke schön. (Beifall beim BZÖ. – Zwi­schenruf der Abg. Mag. Brigid Weinzinger.)

17.28


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun hat sich Herr Staatssekretär Dr. Winkler zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


17.29.01

Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angele­genheiten Dr. Hans Winkler: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur ganz kurz einen Beitrag zu diesem Thema leisten. Ich möchte mich zuerst sehr herzlich bedanken: Diese Entschließung ist eine wesent­liche und wichtige Unterstützung für die österreichische Außenpolitik. Wie Sie wissen, ist der Schutz der Menschenrechte, das Eintreten für die Menschenrechte seit jeher ein ganz zentraler Punkt in der österreichischen Außenpolitik und wird das auch in Zukunft sein. Selbstverständlich ist es von Bedeutung, wenn auch das Hohe Haus, das Parla­ment sich hinter diese Bemühungen der Regierung stellt, denn es kann ja nicht nur die Regierung alleine sein, die für die Menschenrechte eintritt.

Eines der wesentlichen Grundprinzipien beim Eintreten für die Menschenrechte ist die Unteilbarkeit und die Universalität der Menschenrechte. Das ist für uns ein ganz beson­ders wichtiges Prinzip, denn es kann nicht so sein, dass ein Menschenrecht ein ande­res beeinträchtigt oder behindert. Selbstverständlich muss das gesamte Menschen­rechtsgebäude der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und des Europarates als Gesamtheit gesehen werden.

Religionsfreiheit ist ein ganz wesentliches Menschenrecht, steht im Zentrum dieser Bemühungen des Eintretens für die Menschenrechte, gerade in der letzten Zeit auch das Eintreten für die Rechte der Christen in aller Welt. Es ist zweifellos richtig und be­dauerlich und alarmierend, dass die Rechte der Christen in vielen Ländern einge­schränkt werden.

Selbstverständlich kann die Gewährung von Menschenrechten nicht daran geknüpft werden, dass andere Menschenrechte gewährt werden oder dass ein anderer Staat auch die Menschenrechte gewährt. Die Unteilbarkeit ist hier wirklich im Vordergrund.

Lassen Sie mich nur eines noch dazu sagen, wie die Methoden sind, die wir zum Schutz der Menschenrechte einsetzen: Da möchte ich ganz besonders betonen, dass selbstverständlich das Gewicht der Europäischen Union hier eingesetzt wird. Es ist ein wesentlicher Unterschied, ob sich ein Land alleine oder 27 Länder, ein wichtiger Block in der Weltpolitik für die Menschenrechte einsetzen. Es ist das Anliegen jeder Präsi­dentschaft im Namen der gesamten Europäischen Union über verschiedene Methoden: das geschieht in der stillen Diplomatie, das geschieht durch öffentliche Erklärungen, das geschieht durch Demarchen, das geschieht in Einzelfällen auch durch Übergabe von Listen.

Ich darf zum Abschluss noch daran erinnern, dass morgen, am 11. Juli 2008, die Kop­tische Gemeinschaft in Österreich zu einem Schweigemarsch aufgerufen hat. Wir un­terstützen das sehr, denn die Koptische Kirche kommt gerade in Ägypten in letzter Zeit zunehmend unter Druck. Ich glaube, es ist wichtig, dass man diese Sorge manifestiert


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und dass man auch seitens der Regierung – und ich bin sicher, auch seitens des Par­laments – hinter diesen Bemühungen steht. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und BZÖ.)

17.31


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Knoll zu Wort. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


17.32.11

Abgeordnete Mag. Gertraud Knoll (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Solidarität zu üben heißt, sich grundsätzlich auf die Seite derer zu stellen, die es sich selbst nicht richten können, die keine Lobby haben, die keine Stimme haben, für sich selbst zu sprechen, und de­ren Würde mit Füßen getreten wird. Und das völlig unabhängig davon – das ist mir sehr wichtig! –, ob sie an einen Gott glauben, ob sie nicht an einen Gott glauben und an welchen Gott sie glauben.

Menschenrechte sind unteilbar, universell, und deshalb versteht es sich von selbst, dass es keine besonderen Menschenrechte für besondere religiöse oder ethnische Zu­gehörigkeiten geben kann. Vielmehr gehört es zum kostbaren Gut der Aufklärung, von Demokratie und Rechtsstaat, dass freie Religionsausübung ein Grundrecht ist. Da be­danke ich mich auch für die Richtigstellung des Herrn Staatssekretärs.

Selbstverständlich beinhaltet dieses Recht für anerkannte Kirchen und Religionsge­meinschaften das Recht auf Ausübung ihres öffentlichen Bekenntnisses, unabhängig von Mehrheitsverhältnissen. Wo immer Diskriminierung, Ausbeutung oder gar Verfol­gung geschehen, ist es für die betroffenen Leidtragenden eine Frage von Leben, Wür­de und manchmal auch von Tod, ob andere für sie ihre Tragödien sichtbar machen, zur Sprache bringen, ins öffentliche Bewusstsein rücken und dagegen notwendige Solidari­tät organisieren, um menschenverachtende Politik und deren Folgewirkungen bekämp­fen zu können. Schöne Worte sind da ein Hohn.

Umso wichtiger ist es, dass es breite Allianzen in der globalen Zivilgesellschaft – auch quer durch alle Weltreligionen – in diesem Kampf für eine andere Welt gibt, für eine Weltordnung, in der Arbeit am Frieden untrennbar mit realpolitischen Bemühungen um Gerechtigkeit zu tun hat.

Ich hoffe, dass es in diesem Sinn noch viele menschenrechtspolitische Anträge in die­sem Hohen Haus gibt, die von allen Fraktionen mitgetragen werden, auch wenn es um Atheisten geht, auch wenn es um Jüdinnen und Juden geht und auch wenn es um Muslime geht. (Beifall bei der SPÖ.)

17.34


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Au­bauer. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


17.34.51

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Sehr geehrter Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich bin dankbar und glücklich, hier in diesem schönen Österreich leben zu dür­fen. Österreich kennt keinen Kampf der Kulturen. Wir leben eine Partnerschaft, die von wechselseitiger Anerkennung geprägt ist.

Die Religionsgemeinschaften respektieren einander, sie befolgen die staatlichen Ge­setze. Der Staat respektiert im Gegenzug die innere Autonomie der anerkannten Reli­gionsgemeinschaften – ein gedeihlicher Dialog. Wir tragen gemeinsam die Verantwor­tung, dass wir diesen Dialog hegen und pflegen.


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In Österreich kann jeder seine Weltanschauung, sein Wertefundament haben. Wir tre­ten dafür ein, dass auch in anderen Staaten Toleranz gelebt wird.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen vor einem Wahlkampf. Ich wünsche mir, dass Respekt und gegenseitige Anerkennung, gegenseitige Achtung auch das Funda­ment für den Wahlkampf sein werden. Ich werde das Meine dazu beitragen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

17.35


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Vock. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


17.36.13

Abgeordneter Bernhard Vock (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Herr Staatssekre­tär! Hohes Haus! Im Antrag werden zahlreiche Länder genannt, in denen die Verfol­gung der Christen und die Nichteinhaltung der Religionsfreiheit verurteilt werden. Be­sonders schlimm ist, dass auch die Türkei unter diesen Ländern genannt ist.

Sie hätten heute die Chance gehabt, unseren Antrag mitzutragen, die Verhandlungen mit der Türkei sofort zu stoppen. Die Türkei hat in den letzten Jahren 1,3 Milliarden € zur Heranführung an die EU bekommen, und trotzdem tritt sie noch immer die Men­schenrechte und die Religionsfreiheit mit Füßen.

Hier hätten wir die Chance gehabt, den finanziellen Hahn zuzudrehen. Ich glaube, dann könnten wir sehr schnell mit der Türkei über Religionsfreiheit sprechen. (Abg. Großruck: Das glaubst du!) Denn gerade wir in Österreich leben diese Religionsfrei­heit vor. Bei uns ist es kein Problem, wenn eine Studentin mit Kopftuch auf die Uni geht. In der Türkei ist das nicht so selbstverständlich.

Man muss natürlich auch eines sagen – und da richte ich meine Augen auf die Grü­nen –: Es kann natürlich Religionsfreiheit nicht falsch verstanden werden. Es kann nicht dort Religionsfreiheit gelebt werden, wo ich die Freiheit der anderen einschränke. Man kann nicht auf der einen Seite verlangen, dass die Symbole der Christen, wie zum Beispiel die Kreuze in den Schulen, abgenommen werden, und gleichzeitig den Chris­ten Machtsymbole wie die Minarette und die Kuppeln von den Moscheen aufzwingen lassen. Das kann es nicht sein. Das wäre falsch verstandene Religionsfreiheit. (Zwi­schenruf der Abg. Mandak.)

Ich unterstütze die Meinung des Herrn Staatssekretärs, der im Ausschuss sinngemäß gesagt hat, dass natürlich eine Einschränkung der Religionsfreiheit gegeben sein muss, wenn sie die Aufhebung unteilbarer Menschenrechte oder Frauenrechte bedeu­tet. Auch das ist es. Wir erleben es hier immer wieder.

Es kann auch nur falsch verstandene Religionsfreiheit sein, wenn man in Mödling ver­folgen musste, dass zwei Islamisten mit Baseballschlägern einen Christen niederge­prügelt haben, nur weil er in ihren Augen den Koran beleidigt hat. Das geht so nicht.

Wir Freiheitlichen sagen daher Ja zur Religionsfreiheit, wir sagen aber Nein zur falsch verstandenen Religionsfreiheit und zur Islamisierung in Österreich, wo uns Christen die Suren aufgezwungen werden sollen. (Beifall bei der FPÖ.)

17.38


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Füller ist der nächste Red­ner. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


17.38.57

Abgeordneter Christian Füller (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatsse­kretär! Hohes Haus! Selten vergeht ein Tag ohne Berichte oder Nachrichtenmeldungen


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von Zwischenfällen, Auseinandersetzungen, Anschlägen aufgrund sehr oft religiös mo­tivierter Intoleranz. Sehr, sehr oft sind die Opfer Angehörige religiöser Minderheiten. Die Anwendung von Gewalt geschieht sehr oft auch unter staatlichen Deckmänteln und wird oft genug von autoritären, diktatorischen Regierungen geduldet, gefördert oder selbst angewandt. Opfer sind dabei weltweit gesehen quer durch alle Weltreligionen und Religionsgemeinschaften zu finden.

Menschenrechte müssen für alle gelten – unabhängig davon, welcher Religionsge­meinschaft jemand angehört, genauso wie für die Menschen ohne religiöses Bekennt­nis. Es kann kein Monopol einer einzelnen Religion auf Einhaltung der Menschen­rechte nur für ihre eigenen Angehörigen geben. Besonders zeigen das die Gescheh­nisse im Irak, wie sie uns täglich via Fernsehgerät ins Wohnzimmer geliefert werden und – wir haben es zuvor schon von Kollegin Hagenhofer gehört – mittlerweile eine Halbierung der Zahl der dort seit Jahrhunderten ansässigen christlichen Bevölkerung mit sich gebracht haben.

Auch in anderen Ländern sind Angehörige religiöser Minderheiten Repressionen aus­gesetzt. Ich denke zum Beispiel an die Bahá’i, eine religiösen Minderheit in Ägypten und im Iran, deren Mitgliedern, wenn sie sich an ihre Religion klammern beziehungs­weise zu ihrer Religion bekennen, öffentlich von Behörden Dokumente und Ausweise verweigert werden. Oder ich verweise auf die Situation in Sri Lanka, einen jahrzehnte­langen Bürgerkrieg zwischen Singhalesen und Tamilen mit sehr stark religiösem Hin­tergrund.

Dafür gäbe es, weltweit gesehen, sehr viele weitere Beispiele. Ich denke auch an eine besorgniserregende Entwicklung bei so manchen evangelikalen Gruppen in den Ver­einigten Staaten.

Die Mitglieder der österreichischen Bundesregierung mögen, soweit es in ihren Mög­lichkeiten liegt, sich ständig für folgende drei Punkte einsetzen:

Erstens sind die Inhalte der EU-Grundrechtecharta verstärkt zur Leitlinie der EU-Politik zu machen; zweitens sind diese Fragen der Religionsfreiheit international auf allen Ebenen zu thematisieren und anzusprechen; und drittens soll man sich für die Opfer von Verletzungen des Menschenrechts auf Religionsfreiheit einzusetzen.

Ich bedanke mich bereits jetzt bei allen Kolleginnen und Kollegen für die einhellige Zu­stimmung zu diesem Entschließungsantrag trotz – wie die Debatte gezeigt hat – teil­weise weltanschaulich unterschiedlicher Zugänge. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Obernosterer zu Wort. – Bitte. (Abg. Großruck: Jetzt erfahren wir wieder einmal, wie es in Osttirol zugeht! – Abg. Mag. Darmann: Im Gailtal, heißt das!)

 


17.41.48

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Thema Christenverfolgung und Sicherung der Religionsfreiheit: Es wurde schon gesagt, und jeder weiß auch, dass Österreich nicht nur in Europa, in der Europäische Union, sondern weltweit wirklich ein Vorbild beim Thema Religionsfreiheit ist. Wir wissen aber, dass es in vielen, vielen anderen Ländern nicht so der Fall ist, sondern dass die Christen in sehr vielen Ländern verfolgt werden und dass in mehreren Ländern das Christentum überhaupt verboten ist.

Ich möchte hier einen Bericht zitieren, und zwar aus „Die Presse“ vom 14. Mai 2008, geschrieben von dem wirklich anerkannten Herrn Hans Winkler: „Ein europäisches Tabu: Die weltweite Christenverfolgung“. „In der westlichen Öffentlichkeit ist das


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Schicksal der verfolgten Christen rund um die Welt kein Thema. Einer internationalen Solidarität wie die Tibeter können sich Christen nicht erfreuen.“

Weiters schreibt Hans Winkler: „Weil in Österreich selbstverständlich Moscheen mit und ohne Minarett gebaut werden dürfen, darf man vielleicht fragen, warum in den moslemischen Ländern die Christen nicht dieselben Rechte haben wie die Moslems bei uns und ihren Glauben nicht unbehindert ausüben dürfen. Von Kirchenbau braucht man in den meisten dieser Länder ohnehin nicht zu reden. Die Frage, ob mit oder ohne Kirchturm, stellt sich dort gar nicht. In der Türkei, die der Europäischen Union beitreten will, wird nicht einmal die Errichtung einer kleinen Kapelle in Tarsus, dem Geburtsort des Heiligen Paulus, gestattet.“

Ich glaube, Meinungsfreiheit muss vor Glaubensfreiheit stehen, das ist ganz klar. Glau­bensfreiheit steht außer Streit, darüber brauchen wir überhaupt nicht zu diskutieren. Die Religionsfreiheit für jeden in allen Ehren, aber wenn man sieht, wie mit dem Chris­tentum in der Welt umgegangen wird, können wir über etwas ruhig nachdenken: über die Machtsymbole! Darüber, glaube ich, können wir noch nachdenken. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

17.44


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Kle­ment zu Wort. 3 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Wieder ein Kärntner! – Abg. Dipl.-Ing. Klement – auf dem Weg zum Rednerpult –: Kärnten ist überall!)

 


17.44.17

Abgeordneter Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS (FPÖ): Frau Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Kollegen! Dieser Antrag ist lobenswert. Wir sprechen über Men­schenrechtsverletzungen, wir sprechen davon, dass Christen in aller Welt verfolgt wer­den.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit aber auch allgemeine Gedanken zu Menschenrech­ten äußern, und vor allem zu Aufgaben, die der Menschenrechtsausschuss auch hier in Österreich hätte. Es gibt nämlich nicht nur Menschenrechtsverletzungen außerhalb Österreichs; es gibt sehr, sehr starke und grobe Menschenrechtsverletzungen in Ös­terreich! (Zwischenruf des Abg. Mag. Steinhauser.)

Wir müssen nicht nur in die Ferne schweifen, um Gutes zu tun, wir können auch hier Gutes tun. Ich denke daran, dass die Menschenrechtsindustrie, die die Grünen sehr gern pflegen, auch in Österreich ein gutes Betätigungsfeld hätte. Dazu gebe ich einige Beispiele, werte Kollegen. (Zwischenruf der Abg. Mag. Weinzinger.) Sie treten sehr gerne für den Moscheenbau in Österreich ein; Sie treten für Asylansuchende ein; Sie treten für Drogendealer ein, und so weiter. Das ist schon klar, wir kennen Ihre Klientel.

Aber vielleicht denken Sie darüber nach, dass es auch andere Möglichkeiten für Sie gäbe, in Österreich tätig zu sein. Ich denke an das bereits angesprochene Menschen­recht der Kinder, das Recht auf beide Eltern. Es gibt die UNO-Menschenrechtskon­vention, die umzusetzen ist. Es gibt eine Christenverfolgung auch in Österreich. Es gibt Beschneidungen von Mädchen und auch von Buben in Österreich. Das wäre auch ein Thema für Sie; denken Sie einmal darüber nach!

Es gibt auch ein Menschenrecht auf ungeborenes Leben. Sie kennen die Problematik der Abtreibung in Österreich, und Sie wissen auch, dass hier die Grauzonen schon längst überschritten sind, dass hier noch vieles an Menschenrechtsdiskussion nötig wäre.

Ich möchte auch noch etwas vorbringen, was solche Vereine wie ZARA immer wieder vergessen. Es gibt auch Attacken auf die Würde und Rechte der Österreicher! (Zwi-


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schenruf des Abg. Mag. Steinhauser.) Ich zitiere hier etwas von einer Gruppe, die in Wien tätig ist; das ist nicht sehr appetitlich, ich möchte es aber trotzdem tun. Sie haben dort in großem Ausmaß Zugriff auf YouTube und punkten mit Texten wie folgt – ich zi­tiere –:

„Pass gut auf, wenn du in meinen Block musst, Ottakringer Straße – Klick-Klack Kopf­schuss.“ „Meine Freunde schießen oft mit der Pumpgun, die meisten von ihnen kom­men direkt vom Balkan.“ Etwas weiter: „Renn mit dem Kopf gegen die Kante, deine Schwester ist eine Gemeindebauschlampe.“

Das ist Kultur, die auf dem grünen Boden wächst. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Ich glaube, hier ist auch einiges zu tun, was wir machen könnten. Der Ausschuss hätte viel, viel mehr Sinn, wenn Sie nicht auf einem Auge blind wären, sondern auch die Menschenrechtsverletzungen in Österreich betrachten würden. Ich glaube, das wäre ein guter Weg für die neue Gesetzgebungsperiode. Wir müssen den Menschenrechts­ausschuss ein bisschen schärfen, auch für die Menschenrechtsverletzungen hier in Österreich. (Beifall bei der FPÖ.)

17.46


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Klement, ich gehe davon aus und möchte das an dieser Stelle festhalten, dass es für mich inakzeptabel ist, dass Sie jemandem hier im Haus die Unterstützung von Drogendealern unterstellen. Ich erwarte von Ihnen die Zurücknahme dieser Unterstellung. (Abg. Dipl.-Ing. Klement: Nehme ich zurück!) – Danke schön.

Es liegt dazu keine weitere Wortmeldung mehr vor.

Die Debatte ist geschlossen. (Zwischenrufe bei der ÖVP in Richtung des Abg. Dipl.-Ing. Klement.)

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 661 der Beilagen ange­schlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 90.)

17.47.468. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 806/A(E) der Ab­geordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Men­schenrechte in China vor den Olympischen Spielen 2008 – Freilassung von Ge­wissensgefangenen (660 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. 2 Minuten ge­wünschte Redezeit. – Bitte.

 


17.48.15

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Staatssekretär Winkler hat zu Recht gesagt: Die Menschenrechte sind unteilbar. Diese Menschenrechte sind in erster Linie Produkt der europäischen Aufklärung, und sie entsprechen typisch europäischem, individualisti­schem Denken. Sie sind aber, wie wir heute wissen, nicht in aller Welt durchzusetzen.


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Manchmal ist es verschleiert, dass diese Menschenrechte nicht allen wirklich zugestan­den werden.

Meine Damen und Herren, so, wie wir uns gegen die Verfolgung von Christen und für die Religionsfreiheit aussprechen, ist es nur konsequent, auch diesen Antrag zu unter­stützen, obwohl wir nicht alle zehn Anlassfälle, die die Grünen in ihrem Antrag aufge­führt haben, jetzt im Einzelnen überprüfen oder nachprüfen können.

Ich weiß, dass es unter Politikern – vor allem unter Staatspräsidenten und Bundes­kanzlern – nicht immer nur den Blickwinkel der Menschenrechte gibt; da gibt es andere Argumente. Ich verstehe auch bis zu einem gewissen Grad die Meinung eines wirkli­chen China-Kenners, nämlich des Alt-Bundeskanzlers Helmut Schmidt, der den Wes­ten immer wieder auffordert, mehr Respekt für China aufzubringen.

Auf der anderen Seite ist es natürlich ein Faktum, dass es viele chinesische Men­schenrechtsverletzungen, vor allem gegenüber den Tibetern, gibt. Es ist auch eine nicht zu leugnende Tatsache, dass die chinesischen Behörden vor allem bei Umsied­lungen ganzer Dörfer ebenfalls nicht zimperlich vorgehen. – Dass aber die US-Ameri­kaner, die Abu Ghraib und Guantánamo zu verantworten haben, die Letzten sind, die mit dem Finger auf China zeigen dürfen, das merke ich nur am Rande an.

Die Freiheitliche Partei wird diesem Antrag zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

17.50


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Bayr zu Wort. 3 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


17.50.23

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Dass Menschenrechtsdialoge mit China prinzipiell ein Unterfangen sind, das sehr viel an Beharrlichkeit erfordert und eines langen Atems bedarf, ist klar. Trotz sehr vieler Rückschläge, auch aktueller wie zum Beispiel jetzt im Vorfeld der Olympischen Spiele – wiederum zeigt sich eine Einschränkung der Meinungsfreiheit für chinesische Journalistinnen und Journalisten – oder der blutigen Niederschlagung des Aufbegehrens von Tibetern oder Uiguren – aber auch das Problem der sehr massiven, immer mehr zunehmenden Hanisierung von sehr weiten Teilen des Territoriums Chi­nas ist uns bewusst –, ist dieser Menschenrechtsdialog mit all jenen, die in China dazu bereit sind, seien es Beamte, seien es Politiker oder Politikerinnen, auf jeden Fall wei­terzuführen.

Dass das mühsam ist, weiß ich aus eigener Erfahrung. Wir haben auf einer Reise, bei der es um Menschenrechte ging, vor ungefähr eineinhalb Jahren unendlich oft nachge­fragt, was denn mit dem Bericht des UN-Sonderbeauftragten gegen Folter, Manfred Nowak, über die Lage der Gefangenen in China passiert ist und welche Schlüsse die chinesische Regierung daraus zieht. Wir haben immer die Antwort bekommen: Wir haben ihn leider nicht gelesen.

Das zermürbt natürlich! Aber ich glaube, es ist trotzdem notwendig und wichtig, weiter dranzubleiben. Mit dem Weiter-Dranbleiben meine ich – und das steht natürlich auch im Antrag – alle Mitglieder der Bundesregierung. Erfolgreiche Menschenrechtspolitik ist, so wie auch viele andere Politikbereiche, eine Frage von kohärenter Politik.

Lassen Sie mich zwei Beispiele aus der Umweltpolitik bringen, an denen sich zeigt, wo das nicht geklappt hat. Es ist problematisch, wenn wir über das Umweltministerium im Rahmen des JI/CDM-Mechanismus – da kaufen wir CO2-Verschmutzungszertifikate im Rahmen des Kyoto-Protokolls – Projekte fördern, wodurch zum Beispiel aufgrund des­sen, dass Wasserkraftwerke gebaut werden, Menschen abgesiedelt werden und die Kriterien, unter denen sie abgesiedelt werden – sprich Entschädigungen, sprich neue


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Unterkünfte, sprich andere Arbeitsplätze –, nicht wirklich klar sind und aus unserer ös­terreichischen Sicht auch kaum zu monitoren sind.

Oder es ist sehr problematisch, wenn zum Beispiel wie in der letzten Sitzung der JI/CDM-Kommission Projekte beschlossen werden, durch die in der Inneren Mongo­lei – entschuldigen Sie diesen sehr sinozentrischen Ausdruck, aber es stand auch so im Antrag – ein Betrieb mit hunderttausend Rindern gefördert wird, wobei es darum geht, die Gülle dieser Rinder zu verstromen, wenn man weiß, dass die traditionelle Rin­derzucht in der Gegend eine ganz, ganz andere ist. Da werden nicht hunderttausend Rinder in einem einzigen Betrieb gehalten, sondern man weiß, dass für sehr viele Mon­golen, Mandschu und Hui als nomadische Bauern in Wirklichkeit die Lebensgrundlage wegfällt, und die Rinderzucht kann nicht mehr mit dieser übermächtigen, sehr industria­lisierten Rinderzucht konkurrieren.

Es gibt also sehr viele Möglichkeiten dafür, dass auch in China und natürlich überall anders Menschenrechtspolitik sehr kohärent gemacht werden kann. Ich glaube, nur wenn wir es schaffen, wirklich alle Politikbereiche mit einzubeziehen, werden wir auch einen kleinen österreichischen Beitrag zu dieser Entwicklung liefern können. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

17.54


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Ing. Kapeller zu Wort. 4 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


17.54.01

Abgeordneter Ing. Norbert Kapeller (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Natürlich ist das ein sehr wichtiger Antrag. Die Men­schenrechte werden in China nicht eingehalten. Es ist ein bedauerlich langer Weg nö­tig – wie es die Vorredner schon angesprochen haben –, um in China etwas weiterzu­bringen. Natürlich ist jede Initiative, um Menschenrechtsverletzungen auf unserer Welt anzuprangern, gerade von Österreich aus sehr wichtig, ausgehend von diesem Haus, ausgehend vom Menschenrechtsausschuss.

Ich möchte aber die Gelegenheit hier und heute auch dazu nutzen, für die zukünftige Arbeit des Menschenrechtsausschusses etwas einzufordern. Nicht immer im Fernen Osten, nicht immer im Süden von Afrika werden Menschenrechte mit den Füßen getre­ten und wirklich schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begangen, sondern auch vor der Haustür Österreichs, mitten in der Europäischen Union! Ich möchte be­wusst zwei Dinge ansprechen: die Beneš-Dekrete in Tschechien und in der Slowakei sowie die AVNOJ-Bestimmungen auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

In einer Studie, die kürzlich gemacht wurde, ist es um die Untersuchung der Lebensbe­dingungen der heimatverbliebenen Sudetendeutschen gegangen, heute: der deutsch­sprachigen Minderheit in Tschechien und in der Slowakei. Das sind heute tschechische Staatsbürger, die sich bei der Volkszählung 2001 zur deutschen Minderheit gezählt ha­ben. Hier möchte ich anführen, wie die Beneš-Dekrete noch heute menschenrechts­widrig, menschenverachtend und Grundrechtswerte verletzend wirken.

1945 sind nach der Vertreibung der Sudetendeutschen einige wenige zu Hause geblie­ben, sie haben bleiben dürfen, müssen und können. Der Besitz – ein Haus, eine kleine Firma, eine Landwirtschaft – wurde konfisziert, nationalisiert und Tschechen überge­ben. 1948 wurde eines dieser Häuser dem tschechischen Kurzzeit-Besitzer aufgrund der kommunistischen Machtübernahme durch Gottwald wieder weggenommen. Nach der Wende 1992 stellten beide, der ehemalige deutsche Besitzer bis 1945 und der tschechische Kurzzeit-Besitzer, Restitutionsansprüche, und der Brünner Gerichtshof


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und die Prager Regierung gaben dieses Haus dem tschechischen Kurzzeit-Besitzer zu­rück. Da wirken die Beneš-Dekrete menschenverachtend und Grundwerte verletzend!

Ähnlich ist es mit den AVNOJ-Bestimmungen, vor allem in unserem Nachbarstaat Slo­wenien. Slowenien macht im Grundsätzlichen eine hervorragende Minderheitenpolitik für die kroatische Minderheit und die italienische Minderheit. Es gibt dort aber für die deutsche Minderheit – das sind slowenische Staatsbürger in einem Umfang von etwa 2 500 Personen (Abg. Dolinschek: Es gibt auch eine ungarische Minderheit in Slowenien!), gleich stark wie die Italiener, gleich stark wie andere Minderheiten – kein derartiges Gesetz, und diese Menschen werden nicht als autochthone Minderheit anerkannt.

Genau dafür soll sich der Menschenrechtsausschuss in der nächsten Legislaturpe-
riode entsprechend einsetzen, natürlich auch für die 500 000 Heimatvertriebenen,
die in Österreich eine neue Heimat gefunden haben, und auch dort, wo es mit den Menschenrechten noch im Argen liegt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des
Abg. Vock.)

17.57


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


17.57.26

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Herr Abgeordneter Kapeller, das waren jetzt sehr beeindruckende Ausführungen zum Tagesordnungspunkt Menschenrechtsverletzungen in China! (Beifall bei den Grünen.) Man hat gesehen, wie sehr Sie das interessiert. Im Übrigen verweise ich darauf, dass genau das Thema letztes Jahr auch im Menschenrechtsausschuss war. Sie hätten sich ja damals an der Diskussion beteiligen können. (Abg. Dr. Mitterlehner: Menschen­rechte sind unteilbar!)

Sie haben in einem Punkt recht. Es ist immer ein bedauerlich langer Weg, bis in Sachen Menschenrechtssituation in China etwas weitergeht. Nicht nur in China, offen­kundig auch in diesem Hohen Haus, Herr Abgeordneter Kapeller, und Ihre Rede war der beste Beweis dafür! (Zwischenruf des Abg. Kößl.)

Es gab schon mehrere Anläufe, zum Thema Menschenrechte und Menschenrechtsver­letzungen in China einen Beschluss im Hohen Haus zustande zu bringen, in den letz­ten Jahren auch schon von meiner Vorgängerin in der Funktion, Terezija Stoisits. Es wurde nie etwas daraus! Es gibt eine ganz merkwürdige Zurückhaltung – ein Abbiegen in plötzlich andere Themen, wie es mein Vorredner gemacht hat, ein Ausweichen in irgendwelche vagen Formulierungen, dann kommen plötzlich Christenverfolgungsan­träge als Ausweichroute daher –, bis man tatsächlich einmal dazu bereit ist, sich mit der Frage auseinanderzusetzen: Wie steht es denn um Menschenrechtsverletzungen in China?

Gerade jetzt, im Vorfeld der Olympischen Spiele, wo China zugesagt hat, dass es zu Verbesserungen in der Menschenrechtssituation kommen wird, sollten wir uns wohl ernsthaft damit auseinandersetzen, auch um eine Entscheidung richtig treffen zu kön­nen, nämlich die Entscheidung darüber: Werden Vertreter oder Vertreterinnen der ös­terreichischen Bundesregierung an der Eröffnungszeremonie dieser Olympischen Spiele teilnehmen? – Das sollte ja keine Entscheidung schlicht nach Protokoll sein, so wie die internationale Diskussion gelaufen ist, sondern das sollte eine Entscheidung aufgrund einer Beurteilung der Situation der Menschenrechte sein. Oder wollen Sie unbesehen jedem Regime durch die eigene Anwesenheit eine Legitimation verleihen?

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, dass es da nicht um ein paar kleine Menschenrechtsverletzungen geht. Da geht es um die systema-


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tische Verletzung grundlegender Rechte querbeet durch den Menschenrechtskatalog! Ich nenne Ihnen nur ein paar der Stichwörter.

Es gibt in China ein groß angelegtes System von Arbeitslagern, die sogenannten Laogais, in denen Menschen ohne jegliches korrekte Verfahren jahrelang eingesperrt und einer Umerziehung – dieses Wort sagt ja schon alles! – unterzogen werden. Es gibt organisierten Organhandel. Es gibt die Verfolgung von Falun Gong – also eine Meditationspraxis – Praktizierenden. Es gibt im Gerichtswesen gröbste Mängel bis hin zu systematischer Folter und Todesstrafen; Meinungsfreiheit und Gewissensgefangene sind ein häufig diskutiertes Thema. Und es gibt nicht zuletzt das Thema Menschen­rechtsverletzung gegenüber Gruppen wie den Tibetern oder den Uiguren.

Die Situation in Tibet war ja eigentlich auch Anlass dafür, genauer hinzusehen, wie sich die Sache gerade vor den Olympischen Spielen entwickelt. Da gibt es gerade bei der SPÖ eine seltsame Haltung, die der heute schon angesprochene ehemalige Kanz­ler Schmidt in Deutschland in einem Zeitungsartikel zum Ausdruck gebracht hat, und zwar insofern, als offensichtlich in der sozialdemokratischen Gesinnungsgemeinschaft zumindest international die Auffassung bestand, Tibet war immer schon Teil Chinas und hat daher keinerlei Anrechte auf Autonomie nach chinesischer Verfassung oder auf Wahrung der kulturellen und religiösen Meinungsfreiheit.

Ich verstehe das nicht! Ich verstehe nicht, warum es in diesem Hohen Haus eine sol­che Zurückhaltung gibt, die Dinge beim Namen zu nennen, wenn sie China betreffen, und klarzumachen im Menschenrechtsdialog mit China, in Gesprächen mit der Bot­schaft, bei Wirtschaftsdelegationen: Unser Bekenntnis zu den Menschenrechten, das der Herr Staatssekretär angesprochen hat, beschränkt sich nicht auf die Rede hier im Hohen Haus, sondern wird wahrhaftig aufgegriffen und vertreten, überall dort, wo es notwendig ist! – Es gibt Prinzipientreue, es gibt so etwas wie Rückgrat in der Men­schenrechtspolitik, logischerweise auch gegenüber Staaten wie China. Das hat mir bis­lang gefehlt, und ich vermisse auch ein klares Bekenntnis, das man jetzt mit verschie­densten Themen und Anträgen hätte ablegen können.

Ich bin froh, dass es in letzter Minute – nicht zuletzt dank der Bemühungen von amnesty international – noch einen gemeinsamen Antrag geben wird, und würde mir jetzt von Ihnen, Herr Staatssekretär, eine Erklärung erwarten, ob österreichische Ver­treter zur Eröffnungszeremonie fahren werden, ja oder nein. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.02


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Mag. Darmann ist der nächste Redner. Gewünschte Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


18.02.11

Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (BZÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Natürlich wird auch das BZÖ den Antrag 806/A(E) der Grünen zur Freilassung chinesischer Menschenrechtsaktivisten und Dissidenten vollin­haltlich unterstützen. Und ich kann auch meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, dass wirklich alle Parteien sich durchgerungen haben, diesen Antrag zu unterstützen, denn es ist Tatsache – und Kollegin Weinzinger hat es angesprochen – und weltweit bekannt, dass es in China Menschenrechtsverletzungen, grobe Menschenrechtsverlet­zungen gibt, ob das jetzt die Arbeits- und Umerziehungslager sind oder auch die Aus­einandersetzungen gerade im Zusammenhang mit Tibet, über die die Berichte um die Welt gegangen sind, sofern sie gesendet werden konnten. Das heißt, hier gibt es Ver­letzungen, auf die eingewirkt werden muss in dem Sinne, dass China sich in diesem Zusammenhang zu bessern hat – wiewohl natürlich klar ist, dass es von Österreich aus nur einen „begrenzten“ Einfluss auf China geben wird.


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Tatsache ist aber: Die Politik ist gefordert, unsere Außenpolitik ist gefordert. Es wurde auch vorhin gesagt, die Wirtschaftstreibenden sind gefordert, um entsprechenden Ein­fluss auf die chinesischen Entscheidungsträger auszuüben.

Und, was auch wichtig ist – und in diesem Zusammenhang kann ich unterstützen, was der Präsident des IOC, Jacques Rogge, gesagt hat, der in einem BBC-Interview am 24. April 2002 – schon damals! – wortwörtlich festgestellt hat: Wir sind überzeugt, dass die Olympischen Spiele die Menschenrechtslage in China verbessern werden. Ich glaube das auch! Mehr und mehr Medien aus aller Welt werden Fernsehteams vor Ort haben, viele Journalisten vor Ort sein, und es wird sich dadurch natürlich ein großer in­ternationaler Druck aufbauen, indem diese Themen, die dort natürlich aufgegriffen werden, weltweit transportiert werden.

In diesem Sinne darf ich nun diese Wortmeldung auch dazu nutzen, unseren Olympio­niken alles Gute für Olympia zu wünschen! – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

18.04


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Staatssekretär Dr. Winkler hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


18.04.24

Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angele­genheiten Dr. Hans Winkler: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist in diesem Hohen Haus, aber auch außerhalb des Parlaments unbestritten, dass die Menschenrechtslage in China unbefriedigend ist und verbessert werden soll. Ich glaube, darüber sind sich alle einig. Das ist auch in den bisherigen Debattenbeiträgen zum Ausdruck gekommen.

Nicht ganz einig ist man sich – und das wird in verschiedenen Gremien auch disku­tiert –, was die beste Methode ist, um zu dieser Verbesserung der Menschenrechts­situation in China zu kommen. Ich glaube und ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass ein fortgesetzter Dialog mit China die beste Methode ist.

Ein Abbrechen dieses Dialoges nämlich würde für keinen einzigen politischen Gefan­genen die Freilassung bedeuten, es würde auch nicht die Schließung eines Umerzie­hungslagers bedeuten. Und man muss feststellen, auch wenn diese Fortschritte viel­leicht klein sein mögen, aber es sind doch schon ganz konkrete Verbesserungen erzielt worden, vor allem – auch hier wieder, ich habe es schon beim anderen Tagesord­nungspunkt gesagt – wenn die Europäische Union als Europäische Union in ihren Kon­takten auf den verschiedensten Ebenen mit China die Sorgen und die Anliegen der Europäischen Union, der Staatengemeinschaft vorbringt und zum Ausdruck bringt.

Wichtig erscheint mir – und das wurde auch in der Debatte bereits gesagt –, dass ein Mainstreaming dieser Debatte, dieses Dialoges stattfindet. Der Menschenrechtsdialog an sich, alleine, für sich gesehen, ist eine gute Sache und soll auch fortgesetzt werden. Er wird auch jetzt anhand einer Checkliste auf seine Effizienz hin überprüft werden, und man wird sehen, ob das die richtige Methode ist.

Ich glaube aber auch, dass es besonders wichtig ist, dass man auf anderen Ebenen, wenn Gespräche stattfinden, wenn zweimal im Jahr die Gespräche zwischen der Präsi­dentschaft und der chinesischen Staatsführung stattfinden, wenn der Kommissionsprä­sident nach China reist, wie er dies jetzt getan hat, dass bei all diesen Gelegenheiten auch die Frage der Menschenrechte deutlich auch nach außen hin sichtbar und hörbar angesprochen wird.

Selbstverständlich bin ich auch der Meinung, dass auch bei den Kontakten österreichi­scher Wirtschaftstreibender oder dann, wenn Minister Kontakte mit chinesischen Minis-


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tern haben, die Frage der Menschenrechte immer angesprochen werden soll, und das geschieht selbstverständlich auch, und das erscheint mir doch auch sehr wichtig.

Die Olympiade ist zweifellos eine Gelegenheit, besonders auf die Lage der Menschen­rechte, aus gegebenem Anlass auf die Lage in Tibet hinzuweisen. Diese Gelegenheit wurde auch benützt, und diese Gelegenheit hat auch zu einigen doch immerhin kon­kreten Zusagen seitens der chinesischen Regierung geführt, zum Beispiel zur Zustim­mung, mit dem Dalai Lama eine Diskussion zu führen.

Wir wissen noch nicht – das muss noch ausgewertet werden –, wie weit diese Gesprä­che gediehen sind oder noch gedeihen werden. Sie haben alle gehört, dass der derzei­tige Ratsvorsitzende Sarkozy angekündigt hat, dass er als Ratsvorsitzender nach Peking fahren wird, vorausgesetzt dass in der Tat hier Fortschritte auch in den Gesprä­chen mit dem Dalai Lama erzielt werden können. Das Gleiche gilt auch für die Frage, die noch zu klären sein wird, denn es werden sich unmittelbar vor dem Beginn der Spiele auch zum Beispiel noch die Sportminister treffen, um auch im europäischen Rahmen die Frage zu erörtern, wie man jetzt mit der Eröffnung umgehen wird.

Daher kann ich Ihnen derzeit noch keine endgültige Antwort erteilen, wer österreichi­scherseits oder seitens anderer europäischer Länder zur Eröffnung der Olympischen Spiele nach Peking fahren wird. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abge­ordneten der SPÖ.)

18.08


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Kirchgatterer zu Wort. Gewünschte Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


18.08.15

Abgeordneter Franz Kirchgatterer (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Die Menschenrechtssituation in China macht es notwendig, dass dieser Entschließungs­antrag hier behandelt wird. Es wird die Bundesregierung aufgefordert, sich für die Freilassung aller Menschenrechtsaktivisten und Dissidenten einzusetzen. In vielen demokratischen Ländern befassen sich das Parlament und die Regierung damit. Ich bin froh über die Bemühungen im Menschenrechtsausschuss und möchte stellvertre­tend für alle Mitglieder des Menschenrechtsausschusses der Vorsitzenden Mag. Wein­zinger dafür herzlich danken. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen sowie der Abg. Mag. Aubauer.)

Für die Menschenrechte weltweit – und jetzt vor den Olympischen Spielen in Peking speziell in China – setzt sich amnesty international ein, unter dem Motto: „Menschen­rechte aufs Podest“. Die Aktivisten von amnesty international zeigen die Menschen­rechtsverletzungen auf und geben den Betroffenen, den Angehörigen Mut.

Ich möchte den österreichischen Mitgliedern von amnesty international meinen herzli­chen Dank aussprechen. Sie leisten eine wertvolle Arbeit. Und so, wie Staatssekretär Winkler zu Recht eingeladen hat zu dem Schweigemarsch der Koptischen Kirche, möchte ich auch einladen zu amnesty, zu „Menschenrechte aufs Podest“, und ich würde mich freuen, wenn viele der in der heutigen Sitzung Anwesenden auch dort aktiv werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

18.10


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Glaser zu Wort. Gewünschte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


18.10.24

Abgeordneter Franz Glaser (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! Die Punktation des Entschließungsantrages zeigt sehr


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deutlich die verschiedensten Missstände in Menschenrechtsfragen in China auf. Ich möchte ebenfalls anerkennen, dass die Opposition hier zweifellos mit ihren Anträgen zunächst eine Vorreiterrolle übernommen hat, damit wir diese Probleme diskutieren. Ich glaube aber trotzdem, dass es sehr vernünftig war, dass wir schließlich zu einem gemeinsamen Entschließungsantrag gekommen sind, denn nur in der Übereinstim­mung hat man überhaupt eine Chance, gehört zu werden. Und ich möchte sagen, Gott sei Dank ist diese Übereinstimmung europaweit ebenfalls gegeben.

Ich glaube, es muss uns aber ebenfalls klar sein, dass China davon unbeeindruckt seine Machtstellung nach innen und außen weiter demonstrieren wird. So wie man gegenüber Tibet relativ wenig Sensibilität aufbringt, so verfolgt man in Afrika einseitig eigenständige wirtschaftliche Interessen, ohne auf die Entwicklung dieser Interessen im Sinne Afrikas Rücksicht zu nehmen.

Die Frage ist: Wie bringt man China wirklich zu einer Änderung seiner Politik? Und hier sind die Mittel und die Möglichkeiten absolut begrenzt, denn ein Boykott Chinas, egal auf welcher Ebene, ohne irgendeine Perspektive zu haben, ist nicht wirklich vielver­sprechend. Das Rezept, das der Herr Staatssekretär dargelegt und zum Ausdruck ge­bracht hat, ist sicherlich das einzig richtige: den Dialog zu suchen – auch wenn Fort­schritte, so wie er es im Ausschuss gesagt hat, wirklich nur zentimeterweise erreichbar sind.

Ich glaube, dass der Zeitpunkt ein günstiger ist, denn offensichtlich sucht China öffent­liche Anerkennung und glaubt, diese unter anderem auch mit der Durchführung der Olympischen Spiele erreichen zu können. Und deswegen, glaube ich, ist es unsere Pflicht, dass wir im Vorfeld dieser Spiele diese Punkte im Bereich der Menschenrechts­fragen ansprechen, versuchen, den Dialog zu führen und gegen diese Missstände an­zukämpfen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.12


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete Mag. Lunacek kommt nun zu Wort. Ich stelle die Redezeit auf 4 Minuten ein. – Bitte.

 


18.12.45

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ein kurzes Wort zu meinem Vorredner, Herrn Glaser: Sie haben – ganz richtig – gemeint, dass ein Boykott, ein allgemeiner Boykott sinnlos wäre, dass so etwas keinen Sinn macht. Ich möchte nur klarstellen, dass das auch, soweit ich weiß, niemand hier im Haus fordert. Das Einzige – wie ich immer argumentiere –, was diesbezüglich in der Vergangenheit Sinn gemacht hat, wo ein Boykott tatsächlich etwas genützt hat, war der des südafrikanischen Apartheid-Regimes, und das war des­halb der Fall, weil Organisationen im Land ganz massiv auch für diesen Boykott waren. Das ist für mich das einzige Beispiel, wo es tatsächlich auch etwas genützt hat. Anders funktioniert Boykott nicht und macht deswegen auch keinen Sinn. (Beifall bei den Grü­nen sowie der Abg. Mag. Trunk.)

Zum Antrag, der heute vorliegt: Auch ich freue mich, dass es uns gelungen ist, zumin­dest einen gemeinsamen Antrag zum Thema Menschenrechte in China zu erreichen, mit durchaus sinnvollen, auch an amnesty international angelehnten Forderungen. Ich finde es ein bisschen schade, dass der Begriff tibetische Autonomie, der ja in der Verfassung drinnen steht, nicht mehr vorkommt. Deswegen sage ich das auch hier. Das hätte ich sinnvoll gefunden, denn darum ginge es ja, dass das, was in der chinesi­schen Verfassung vorgesehen ist, auch den Tibetern gewährt wird.

Ich finde es auch etwas schade, dass bei dem Antrag zur Freilassung von Gewissens­gefangenen, wo ganz konkrete Fälle aufgezählt wurden – wo ja einer nach Information


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des Außenministeriums auch schon wieder auf freien Fuß gesetzt wurde –, diese kon­kreten Vorschläge nicht die gemeinsame Zustimmung gefunden haben.

Ich bin aber, wie gesagt, sehr froh über diesen Antrag. Und schließlich hat auch Staatssekretär Winkler im Ausschuss gesagt, dass auch Entschließungsanträge des Parlaments eine Unterstützung für die Politik des Außenministeriums sind.

Herr Staatssekretär, nun zur Frage der Teilnahme österreichischer Politikerinnen und Politiker an der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele in Beijing. Sie haben im Ausschuss gesagt, dass sich Österreich, die Bundesregierung, nach der französischen Präsidentschaft richten wird, dass diese das vorgeben wird. Das haben Sie auch jetzt wiederholt. – Präsident Sarkozy hat meines Wissens gesagt, er wird auf jeden Fall teilnehmen. Und wir hatten gestern ein Gespräch mit dem französischen Botschafter in Wien, Herrn Viaux, den ich deshalb auch gefragt habe, ob er das wirklich für sinnvoll hält, wenn Präsident Sarkozy auf jeden Fall an der Eröffnung teilnimmt. Botschafter Viaux hat uns dann gestern erklärt, dass die Teilnahme von Sarkozy an der Eröffnung der Olympischen Spiele mit allen anderen 26 EU-Mitgliedstaaten abgesprochen ist und es dazu eine Einigung gegeben hat.

Herr Staatssekretär, jetzt würde ich gerne von Ihnen wissen, ob das so stimmt. Das heißt: Hat auch das österreichische Außenministerium, haben Sie, hat Frau Ministerin Plassnik der französischen Präsidentschaft, dem französischen Staatspräsidenten ge­sagt: Ja, wir sind dafür, dass Präsident Sarkozy auch als Vertreter der EU-Ratspräsi­dentschaft an der Eröffnung der Spiele teilnimmt!? – Wenn das so ist, dann halte ich das für mehr als falsch, und dann kann auch das, was Sie jetzt gesagt haben, nicht stimmen, denn Sie haben jetzt gesagt, Sie warten erst ab, was noch beim Dialog pas­siert.

Und, ehrlich gesagt, bei dem Dialog der chinesischen Führung mit dem Dalai Lama war es in der Vergangenheit auch so, dass es ein paar Schritte vor gab und dann meis­tens wieder mehr Schritte zurück. Und der jetzige Dialog, der hat einmal kurz stattge­funden, und seitdem nichts mehr. Glauben Sie denn wirklich – ich meine, ich würde es mir wünschen –, dass in den nächsten eineinhalb Monaten – nicht einmal –, die noch verbleiben bis zum Beginn, tatsächlich ein Fortschritt zu verzeichnen sein wird?

Die Hauptfrage an Sie, Herr Staatssekretär, ist: Hat es diese Einigung mit Sarkozy ge­geben? Haben Sie zugestimmt, dass Präsident Sarkozy im Namen der EU-Ratspräsi­dentschaft an der Eröffnung teilnimmt? – Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie uns das jetzt noch sagen könnten. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Lunacek spricht mit Staatssekretär Dr. Winkler.)

18.17


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Lapp zu Wort. Gewünschte Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


18.17.22

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich denke, der Antrag, den wir im Ausschuss gemeinsam beschlossen haben und auch hier im Plenum heute gemeinsam beschließen, ist ein wichtiger Baustein in einem Kampf, der sehr intensiv und lang ist, dem Kampf für die Erreichung von Menschenrechten auf der ganzen Welt. In diesem Antrag geht es um die Menschenrechte in China, und auch das ist ein stetiger Kampf, wo wir auf der einen Seite als Politikerinnen und Politiker kämpfen müssen, wo es aber Gott sei Dank auch Zusammenschlüsse gibt auf der Ebene von kirchlichen Organisationen, gewerkschaftli­chen Organisationen und verschiedenen anderen Nichtregierungsorganisationen. Ich denke, in einer Gesellschaft kann sich nur dann etwas in Richtung mehr Menschen-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 191

rechte, mehr Selbstbestimmung bewegen, wenn sich viele Organisationen zusammen­schließen.

Wichtig finde ich in dem gemeinsamen Antrag auch, dass wir darin die Freilassung aller Gewissensgefangenen verlangt haben und nicht nur einzelne Namen aufgezählt haben, denn wir sollten natürlich auch den Überblick bewahren und die Stoßrichtung für alle Gewissensgefangenen oder alle Menschen, die Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind, unterstützen und uns für die Freilassung dieser Menschen ausspre­chen.

Eine sehr gute Initiative hat es auch im Sportausschuss gegeben, wo darauf hingewie­sen wurde, dass es sozusagen ein Briefing in Menschenrechtsfragen für die teilneh­menden Sportlerinnen und Sportler gibt.

Ein sehr wichtiger Aspekt ist auch, dass wir auf bilateraler Ebene und auf europäischer Ebene alle unsere Anstrengungen auf dieses Anliegen fokussieren; dass wir sozusa­gen nicht sagen, das schicken wir an die EU weiter, und was dort passiert, das ist uns egal, sondern dass wir uns im ständigen Austausch auch mit anderen Ländern darum bemühen.

Und am Schluss meiner Rede möchte ich auch den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Paralympics alles Gute und viele Erfolge wünschen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.19



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 192

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Fürntrath-Moretti zu Wort. Gewünschte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


18.20.01

Abgeordnete Adelheid Irina Fürntrath-Moretti (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Hohes Haus! Der Antrag ist ja schon entsprechend kommuniziert worden. Zusammenfassend ist zu sagen: Wir haben mehrere Möglichkeiten, wirklich auf die Menschenrechte in China oder auf die Menschenrechte allgemein Einfluss zu nehmen, nämlich über den Dialog – das hat der Herr Staatssekretär ja erwähnt –, über die Wirt­schaft und über den Sport. Deswegen bin ich wirklich sehr froh darüber, dass diese Olympischen Spiele in Peking stattfinden.

Herr Kollege Darmann hat es schon erwähnt: Es werden sehr viele Sportler dorthin kommen. Es werden sehr viele Betreuer in China sein. Es werden sehr viele Besucher dort sein, sehr viele Politiker. Ich wünsche mir, dass unsere Politiker ausreichend und zahlreich dort vertreten sein werden, auch bei der Eröffnung, Frau Kollegin Lunacek, auch sehr viele Journalisten und Journalistinnen und viele Kameramänner.

Es ist einfach unmöglich, dass China diese vielen Menschen abschotten kann. Diese Menschen werden in China sehr viel sehen. Sie werden sehr viel hören. Sie werden mit vielen Menschen sprechen. Und deswegen wird auch China in der ganzen Welt zeigen müssen, wie es wirklich ist. Das ist die Chance dafür, dass China auch die Men­schenrechte anders handhaben muss.

Ich freue mich auf diese Spiele, ich wünsche wirklich und hoffe, dass viele unserer Po­litiker auch bei der Eröffnung anwesend sein werden, denn alle Blicke werden sich dorthin richten, und dann wird sich sehr viel ändern. China wird sich sicher nicht von Österreich etwas sagen lassen, aber das bietet uns eine Möglichkeit, und wir werden die Menschen beeinflussen können. Ich bin überzeugt davon: Es wird nicht von heute auf morgen gehen, aber eine Öffnung wird kommen. Und wenn ein Stein ins Rollen kommt, ergibt sich möglicherweise eine Lawine. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

18.21


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Trunk zu Wort. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


18.21.43

Abgeordnete Mag. Melitta Trunk (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Im Zusammenhang mit der Frage der Menschenrechte international und in Österreich ist es mir ein ganz persönliches Bedürfnis, insbesondere der Parlaments­präsidentin ein herzliches Dankeschön und Anerkennung für ihre Tätigkeit im interna­tionalen und nationalen Raum auszusprechen, weil Barbara Prammer so etwas ist wie die personifizierte Botschafterin von Menschenrechten im Ausland, aber auch vor allem in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich teile die Auffassungen und Einschätzungen der Frau Kollegin Lunacek uneinge­schränkt, ich teile auch ihre Auffassung, dass der Dialog in jedem Fall aus der Erfah­rung der Historie und auch in verschiedenen Staaten immer demokratie- und friedbrin­gender ist als allfällige Boykotts – mit Ausnahmen. Wir wissen aber alle – und darüber sollten wir nachdenken –, wenn es internationale Delegationen mit Wirtschaftsleuten und Konzernen gibt, ist der Angelpunkt, Bewusstsein für Menschenrechte zu schaffen, und das könnte vielleicht noch etwas stärker geschehen; mit Zwang und Verordnung wird man hier nichts erreichen.

Wir wissen, dass Menschenrechte und Haltung sehr oft bei Geschäftsabschlüssen nicht auf der Agenda stehen. Das ist eine Realität und ein Faktum. Vielleicht sollten wir dieses Thema in einem besonderen Privatissimum vor internationalen Delegationen, vor allem auch mit den Wirtschaftstreibenden, stärker aktualisieren, wenngleich ich die prekäre Situation bei solchen Geschäftsverhandlungen durchaus nachvollziehen kann.

Dieser Antrag beinhaltet, wie gesagt, Empfehlungen wie Freilassung aller Gewissens­gefangener, keine willkürliche Haft oder Einschüchterung von Menschenrechtsaktivis­ten, Gewährleistung von fairen Verfahren und so weiter. Das habe ich jetzt ganz be­wusst vorgelesen, denn ich denke, wir sollten bei unseren internationalen Bemühungen auch immer einen eigenen Check machen: Wie schaut es in uns selbst aus, wie schaut es in Österreich aus?

Da frage ich mich: Haben wir alles erledigt in den Fragen Menschenrecht als Frauen­recht – ich sage nein –, Menschenrecht als Fremdenrecht, Menschenrecht in der Frage der freien Ausübung von Religion – erinnern wir uns da an innerösterreichische Diskus­sionen –, Menschenrecht als Minderheitenrecht, und das nicht nur die Volksgruppen in Kärnten betreffend, und Menschenrecht in der Frage der Selbstbestimmung?

Ich denke, der nächste Nationalrat wird in der Zukunft, wir alle werden gemeinsam, ob hier innen oder außen, noch sehr viele Steine aus dem Weg räumen müssen auf dem Weg zu einem offenen Bewusstsein für Menschenrechte in Österreich und internatio­nal, denn Menschenrechte sind unteilbar und grenzenlos! Und wenn wir Menschen­rechte für China einfordern, dann sollten wir Vorbild gebend sein in der zivilisierten De­mokratie der Republik Österreich. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordne­ten der ÖVP sowie der Abg. Mag. Lunacek.)

18.25


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 660 der Beilagen an­geschlossene Entschließung.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 193

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 91.)

18.25.069. Punkt

Bericht des Hauptausschusses betreffend die Erstattung eines Vorschlages für die Wahl eines Mitgliedes der Volksanwaltschaft (667 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster gelangt Herr Abgeordneter Pendl zu Wort. 3 Minuten gewünschte Rede­zeit. – Bitte.

 


18.25.29

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine geschätzten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen Volksanwältinnen auf der Gale­rie! Ich darf hier ein freudiges Ereignis zum Anlass nehmen: Wir haben ja heuer bereits mehrmals über unsere Volksanwaltschaft, auf die wir gemeinsam sehr stolz sind, eini­ges zum Ausdruck gebracht.

Ich möchte aber auch die Gelegenheit nützen, noch einmal den Damen und Herren der Volksanwaltschaft und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre wichtige Arbeit für die Österreicherinnen und Österreicher sehr herzlich zu danken. Wir sind alle stolz auf unsere Volksanwaltschaft. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Wir alle wissen, dass Frau Dr. Fekter einen Wechsel vorgenommen hat. Sie wurde mit der Leitung des Bundesministeriums für Inneres betraut, und daher ist es notwendig, eine neue Volksanwältin, einen neuen Volksanwalt zu wählen. Wir kennen den Vor­schlag.

Ich darf namens meiner Fraktion und persönlich Ihnen, Frau Noch-Abgeordnete Dr. Brinek, sehr herzlich gratulieren. Ich gehe davon aus, dass das alles nur mehr ein formaler Akt ist. Ich wünsche Ihnen alles erdenklich Gute. Ich glaube, wir hier im Haus sind aufgefordert, euch allen und euren Mitarbeitern in der Volksanwaltschaft im Inter­esse der Österreicherinnen und Österreicher die notwendige Unterstützung zukommen zu lassen. – Alles erdenklich Gute! (Allgemeiner Beifall.)

18.27


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Neugebauer zu Wort. 5 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


18.27.20

Abgeordneter Fritz Neugebauer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen VolksanwältInnen, die zu Besuch sind! Herzlich willkommen!

In meiner Welt sind Kompromisse ein Synonym für das Wort „Leben“. – Das ist das Motto, das sich Gertrude Brinek gegeben hat und das sie mit lebendigem Inhalt erfüllt. Wer Kompromisse und Kompromissfähigkeit zur Maxime seines Handelns macht, ist eigentlich prädestiniert, auf Menschen zuzugehen, ihnen zuzuhören und dann ver­ständnisvoll zu handeln.

Gertrude Brinek ist auf gutem Boden und auf gutem Grund geboren, im Weinviertel. (Heiterkeit.) Von Grund auf hat sie auch den Bereich Bildung durchlebt, von der Grund­schulpädagogin – von dort kennen wir einander, aus der Leopoldstadt (Aha-Rufe bei


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 194

der FPÖ) – bis hin zur Assistenzprofessorin am Institut für Bildungswissenschaften. Sie hat vom Grund auf auch ihre politische Laufbahn gestaltet, von der Bezirksrätin, Ge­meinderätin, Landtagsabgeordneten bis hin zum Mitglied dieses Hohen Hauses.

Der Hauptausschuss hat heute – das hat Kollege Pendl schon zum Ausdruck ge­bracht – diese Nominierung einstimmig bestätigt. In den Wortmeldungen von den Re­präsentanten aller Fraktionen des Hauses ist ihr eine ganz hohe Anerkennung zuteil geworden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Helfen wir jenen, die Hilfe brauchen – das ist eigentlich die vornehmste Aufgabe in der Politik. Das Instrument der Volksanwaltschaft ist für jene Hilfesuchenden ein erprobtes Mittel.

Wir wünschen dir, liebe Gertrude, in deiner neuen Aufgabe als Anwältin des Volkes viel Freude, eine gute Kondition und viel Erfolg. – Alles Gute! (Beifall bei ÖVP, SPÖ, FPÖ und BZÖ.)

18.29


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Zinggl. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


18.30.01

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Frau Präsidentin! Auch ich möchte mich im Namen meiner Fraktion in den Chor der Gratulierenden einreihen, gratuliere aber nicht nur dir, liebe Abgeordnete Brinek, zu dieser neuen Aufgabe, sondern auch dem ÖVP-Klub zu seiner guten Entscheidung. Wir schätzen die Kollegin Brinek wegen ihres politischen Engagements, besonders wegen ihrer streitbaren Rolle in den Aus­schüssen. Mir persönlich tut es irgendwie leid, dass du jetzt nicht mehr dabei bist, dann können wir uns nicht mehr matchen. Aber auch dem ÖVP-Klub wird es noch leidtun, so eine wichtige Fachfrau zu verlieren, dass der ÖVP-Klub jetzt auf sie verzichten muss. (Abg. Neugebauer: Das ist das lachende und das weinende Auge!) – Ja, für uns ist es vielleicht in dem Fall ein lachendes Auge, aber die jetzt Noch-Abgeordnete Brinek wird dafür die Volksanwaltschaft stärken, da bin ich ganz sicher.

Die Volksanwaltschaft muss gestärkt werden – das ist eine lange Forderung der Grü­nen – in ihren Möglichkeiten, die Gesetze zu überprüfen. Sie ist ein Hilfsorgan des Na­tionalrates, das diese Aufgabe hat. Wenn das irgendwie besser gelingen kann, dann wären wir wirklich sehr froh: wenn die Gesetze erstens in ihrer Effizienz gut überprüft werden und, zweitens, dann auch das Parlament gebeten wird, dort, wo es notwendig ist, diese Gesetze zu ändern, zu novellieren.

Ministerin Fekter hat ja ein kurzes Gastspiel in der Volksanwaltschaft gehabt. Ich bin gespannt, ob sie die Erfahrungen nutzen wird, um dafür ein Verständnis in der ÖVP zu schaffen, also eine Stärkung der Volksanwaltschaft gegenüber dem Parlament und mit dem Parlament, um die Gesetze zu novellieren. Das wäre ganz wichtig.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch die fraktionsübergreifende Arbeit aller Volks­anwälte hier loben. Ich bin überzeugt davon, dass sich die neue Volksanwältin in die Reihe sehr gut einfügen wird und gratuliere noch einmal abschließend. (Allgemeiner Beifall.)

18.32


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Dr. Graf ist der nächste Red­ner. 2 Minuten. – Bitte.

 


18.32.11

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Liebe Gertrude Brinek, namens meiner Fraktion beglückwünsche ich dich, dass du diese Funktion erreicht hast! Wir werden das auch gerne mittragen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 195

Ich habe zwei Wünsche, die ich auch dir persönlich mitgebe. Der eine ist, dass du auch eine Lobbyistin beim Lobbying in deinem Nationalratsklub wirst, aus dem du kommst, nämlich zur Umsetzung der legistischen Anregungen der Volksanwaltschaft an das Hohe Haus. Wir haben ja auch die Erfahrung gemacht, dass das, meist auch in der ÖVP, aber auch in der SPÖ, nicht so sehr berücksichtigt wird. Ich hoffe, dass du in dei­ner neuen Funktion dies verinnerlichst und hiefür eine Lobbyistin wirst. Ich gehe auch davon aus, weil ich dich als kritischen Geist sehr gut kenne.

Zweitens sind wir froh, dass wieder das Los auf jemanden gefallen ist, der aus unseren eigenen Reihen kommt und daher auch den Parlamentarismus versteht. Das ist gut so, und diese Tradition wollen wir auch aufrechterhalten.

Wie gesagt: Namens meiner Fraktion wünsche ich dir alles erdenklich Gute. Ich per­sönlich verabschiede mich von dir aus einer Reihe von vielen Jahren des gemeinsa­men, aber auch oftmals widerstreitenden Diskurses. Ich habe das sehr genossen, es war recht interessant. Du bist hartnäckig, und das wirst du in der Volksanwaltschaft brauchen. Ich gehe davon aus, dass du eine gute Volksanwältin wirst. (Allgemeiner Beifall.)

18.34


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun kommt Herr Abgeordneter Scheibner zu Wort. Ich stelle die Uhr auf 2 Minuten. – Bitte.

 


18.34.10

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen und Her­ren! Es behaupten ja manche, die Volksanwaltschaft ist so ein bisschen ein Abschiebe­gleis für Leute, die man nicht mehr braucht oder nicht mehr will, weil das so eine Tätig­keit ist, die man nicht so ganz ernst nimmt. Ich sage: behaupten manche; ich tue das nicht.

Wie wir an Frau Kollegin Fekter gesehen haben, kann das durchaus auch ein Sprung­brett für höhere Weihen sein. Ich hoffe nur, dass das jetzt nicht Schule macht, dass man sozusagen die Volksanwaltschaft als Zwischenstufe für irgendetwas anderes ver­wendet. Also, Frau Kollegin, bleiben Sie dann dort in der Volksanwaltschaft, die gan­zen sechs Jahre zumindest – nicht dass wir bei der nächsten Regierungsbildung wie­der darüber diskutieren müssen.

Ich glaube wirklich, dass die Volksanwaltschaft eine bedeutsame Institution ist. Ich möchte auch allen Ideen hier einen Riegel vorschieben, die meinen, drei Volksanwälte seien zu viel. Ganz im Gegenteil! Wir müssen die Volksanwaltschaft mehr ausstatten, mit mehr Ressourcen, denn die Beschwerden werden immer mehr und massiver. Und die Leute wollen nicht nur mit einem Beamten reden, sondern auch mit dem Volks­anwalt oder mit der Volksanwältin.

Ich kann Ihnen sagen, Frau Kollegin Brinek, die Unterstützung meiner Fraktion, des BZÖ, haben Sie. Ich hoffe, Sie haben auch die ungeteilte Unterstützung Ihrer Fraktion. Man hat ja gehört, dass es die eine oder andere Auseinandersetzung gegeben hat, aber da sieht man auch wieder die Bedeutsamkeit und die Wichtigkeit dieser Position. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ja, auch in der SPÖ hat es, glaube ich, Streitereien gegeben und Kampfabstimmungen um Klubobmann-Stellvertreterinnen. Nicht um Sie, Frau Kollegin (in Richtung der Abg. Mag. Muttonen); gratuliere zu diesem tollen Ergeb­nis und zu dieser wichtigen Positionen – die Sie verdient haben, sage ich jetzt ganz offen und ehrlich. Ich hoffe, dass Sie uns auch erhalten bleiben in dieser wichtigen Funktion, sage ich auch ganz ehrlich. Bei anderen in Ihrer Fraktion würde ich das nicht so ehrlich sagen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 196

Noch einmal: Frau Kollegin Brinek, ich gratuliere Ihnen jetzt noch nicht, denn das soll man nicht tun vor der Wahl, aber ich bin sicher, dass das auch eine gute Wahl sein wird, und hoffe, dass Sie dieses Amt die gesamten sechs Jahre mit der entsprechen­den Dynamik ausfüllen werden.

Es war ja leider auch ein bisschen ein Versäumnis der jetzigen Bundesregierung: Im Österreich-Konvent waren wir uns eigentlich schon einig über mehr Kompetenzen für die Volksanwaltschaft, über andere Möglichkeiten auch für die Volksanwälte und dar­über, dass wir uns zumindest in der nächsten Legislaturperiode auch über diese Fra­ge – das ist ja wirklich eine Institution des Nationalrates – einig werden. – Alles Gute für Ihre Funktion! Unsere Unterstützung haben Sie. (Beifall bei BZÖ, ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

18.36


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir kommen – trotz Vorausgratulation – zur Abstimmung über den Antrag des Haupt­ausschusses in 667 der Beilagen, Frau Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek für den Rest der Funktionsperiode zu einem Mitglied der Volksanwaltschaft zu wählen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. Frau Dr. Gertrude Brinek ist somit zu einem Mit­glied der Volksanwaltschaft gewählt.

(Anhaltender allgemeiner Beifall. – Die Abgeordneten Dr. Schüssel, Rauch-Kallat und Neugebauer überreichen Abg. Dr. Brinek jeweils einen Blumenstrauß.)

Frau Dr. Brinek, auch ich erlaube mir, Ihnen alles Gute zu wünschen, Ihnen herzlich zu gratulieren. Ich habe die Arbeit der Volksanwaltschaft in den letzten zwei Jahren dop­pelt kennengelernt, die enge Kooperation mit dem Haus, mit dem Parlament. Ich kann vieles von dem, was jetzt auch in den Wortmeldungen gesagt wurde, unterstreichen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg! (Allgemeiner Beifall.)

18.38.5710. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) geändert wird (753/A)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesord­nung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Aspöck mit 5-minütiger Wunschrede­zeit. – Bitte. (Abg. Dr. Graf – auf die Abgeordneten, die Abg. Dr. Brinek zur Wahl gratu­lieren, weisend –: Wir warten, bis die Aufmerksamkeit ungeteilt ist!) – Herr Dr. Graf, Sie wissen, diese Garantie kann ich Ihnen nicht geben.

Herr Dr. Aspöck, Sie sind am Wort. (Abg. Dr. Aspöck – auf dem Weg zum Redner­pult –: Wie viel Zeit habe ich?) – Sie haben 5 Minuten, das steht bei mir auf der Red­nerliste.

 


18.40.02

Abgeordneter Dr. Robert Aspöck (FPÖ): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! § 44 ABGB lautet:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 197

„Die Familienverhältnisse werden durch den Ehevertrag gegründet. In dem Ehever­trage erklären zwei Personen verschiedenen Geschlechtes gesetzmäßig ihren Willen, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen, und sich gegenseitigen Beistand zu leisten.“

Wir Freiheitlichen sind der Meinung, dass man diesen Paragraphen um einen Satz er­weitern sollte, nämlich: Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung!, und diesen Paragraphen in den Verfassungsrang heben sollte. (Beifall bei der FPÖ.)

Angesichts der Tatsache, dass nun offensichtlich gleichgeschlechtlichen Partnerschaf­ten die Möglichkeit einer eheähnlichen Verrechtlichung ihres Zusammenlebens eröffnet werden soll, ist es notwendig, die Begriffe „Ehe“ und „Familie“ verfassungsrechtlich ab­zusichern. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Verrechtlichung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft erfolgt einzig und allein aufgrund einer seit Jahren und Jahrzehnten erfolgreichen Lobbyarbeit, der organisier­ten Homosexualität. Vorhandene Diskriminierungen in diesem Bereich dürften offen­sichtlich bloß behauptet sein.

Ich komme jetzt zu zwei ganz wesentlichen Fachmeinungen.

Frau Universitätsprofessor Dr. Constanze Fischer-Czermak hat in einem sehr beachtli­chen, langen Artikel in der April-Ausgabe der Notariatszeitung Folgendes dazu ausge­führt:

„Weder nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes noch nach der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist ein Staat verpflichtet, eine Ehe unter Gleichgeschlechtlichen zu ermöglichen.“

Für uns Freiheitlichen ist ein öffentliches Interesse an dieser Gleichstellung mit ehe- und familienrechtlichen Gegebenheiten nicht erkennbar. Es handelt sich daher nicht um eine familienrechtliche Gleichstellung, sondern vielmehr um eine personenrecht­liche Privilegierung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gegenüber anderem nichtehelichen Zusammenleben.

Nicht zuletzt stellt die Einführung einer „Ehe light“ auch eine Aufweichung der bisheri­gen Ehe dar. Ich zitiere wiederum Frau Professor Dr. Constanze Fischer-Czermak:

„Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist nur für gleichgeschlechtliche Paare vorgese­hen. Die Ehe soll also keine Konkurrenz durch eine ,Ehe light‘ bekommen und“ – worüber offenbar Konsens besteht – „weiterhin Personen verschiedenen Geschlechts vorbehalten bleiben.“

Diese Vorgaben – und jetzt kommt der Punkt, meine Damen und Herren – führen aber in ein legistisches Dilemma. In Wahrheit, meine Damen und Herren, ist mit dieser „Ehe light“ eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft privilegiert – privilegiert gegenüber einer verschiedengeschlechtlichen nichtehelichen Partnerschaft. Ginge man damit zum Verfassungsgerichtshof, dann wäre die „Ehe light“ auch für verschiedengeschlechtliche Partnerschaften in Bälde gang und gäbe.

Meine Damen und Herren, ich hätte da noch einen weiteren Herrn, den ich hätte zitie­ren wollen – habe aber schon gesehen, dass sich das mit der Zeit nicht mehr ausge­hen wird. Es handelt sich um Dr. Jakob Cornides, Verwaltungsrat der Europäischen Kommission, einen Zehn-Seiten-Artikel in den Juristischen Blättern vom Mai 2008. Er kommt zum gleichen Schluss.

Wir Freiheitlichen glauben, dass diese Diskriminierung, die „Ehe light“ nicht für normale verschiedengeschlechtliche Partnerschaften gelten soll. Daher sind wir der Meinung:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 198

Die Ehe, so wie sie im österreichischen ABGB definiert ist, gehört geschützt und daher in den Verfassungsrang. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.44


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Ablinger zu Wort. 3 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


18.44.46

Abgeordnete Sonja Ablinger (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Hohes Haus! Die FPÖ spricht vom legistischen Dilemma; als „Dilemma“ würde ich da jetzt etwas anderes bezeichnen. – Sie wollen klarmachen, dass Sie offensichtlich in Verfassungsrang heben wollen, dass nur jene Menschen Anerkennung finden sollen, die sich für Ehe und möglichst viele Kinder entscheiden. (Abg. Dr. Fichtenbauer: Also wenn Sie es nicht verstehen, dann reden Sie auch nicht so einen Unsinn!) Daran wird relativ gut sichtbar, wie rückwärtsgewandt Ihre Politik ist und wie wenig Sie in der Wirk­lichkeit angekommen sind. Gleichzeitig interpretiert man damit ganz eindeutig hinein, dass Anerkennung nicht verdienen sollen: AlleinerzieherInnen, Lebensgemeinschaften mit oder ohne Kinder, Ehepaare mit oder ohne Kinder oder homosexuelle Paare. – Das ist der Geist dieses Textes, den ich ziemlich genau gelesen habe. (Abg. Dr. Fichten­bauer: Dann lesen Sie doch, was dort steht!)

Sie sprechen darin von organisierter Homosexualität. – Ich frage mich, was ist zum Beispiel organisierte Heterosexualität? (Zahlreiche Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ein bisschen runter vom Gas! (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Sie schreiben von heterosexuellen Lebensgemeinschaften, die keine Handlungen set­zen, welche im staatlichen Bereich keine Beachtung verdienen. Besonders auffällig: heterosexuelle Lebensgemeinschaften, die zu Spaßbeziehungen entarten. – Hört, hört, welcher Geist da dahintersteckt!

Sie schreiben, dass Untreue, Promiskuität zu verminderter Fruchtbarkeit führt. – Ich weiß nicht, welche scheinwissenschaftlichen Studien Sie da zitieren. Das kenne ich nicht.

Jahrzehntelang war es doch so, dass homosexuelle Menschen, AlleinerzieherInnen, Geschiedene immer von Diskriminierung bedroht waren, auch diskriminiert waren. Jetzt bricht das endlich auf, langsam bricht das endlich auf – und Sie wollen wieder dahin zurück! Das ist der entscheidende Punkt. Ich sage Ihnen: Nicht mit uns!

Dieser Antrag, der dafür steht, dass all jene Menschen, die sich gegen Ehe und gegen Kinder, aus welchen Gründen auch immer, entscheiden, als „entartet“ bezeichnet wer­den und weniger Beachtung verdienen sollen, wird von uns entschieden abgelehnt. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

18.46


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer. 3 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


18.47.00

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Familie und Ehe sind nach wie vor aktuell. Das zeigen auch viele Umfragen gerade unter jungen Menschen. Es gilt nach wie vor als Ideal bei 80, 90 Prozent der jungen Menschen, zu heiraten und Kinder zu bekommen. Natürlich sind die Familie und die Ehe damit auch eine wesentliche Grundlage, eine Überlebensfrage auch unserer Gesellschaft. Überhaupt keine Frage! (Demonstrativer Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 199

Unabhängig davon gibt es natürlich auch andere Formen des Zusammenlebens, und diese sind auch anzuerkennen, wenngleich es für die Ehe und für die Familie als Grundlage der Kindererziehung gerechtfertigt ist, auch eine entsprechende Sonderstel­lung und Förderung staatlicherseits zu erfahren. Dazu stehen wir, und das ist auch unser Konzept. (Beifall bei der ÖVP. – Rufe bei den Grünen: Warum?) Warum? – Ganz einfach deswegen, weil das eine Überlebensfrage für die Gesellschaft ist, weil das einfach die beste Form ist, Kinder zu haben, Kinder zu erziehen und vorzubereiten für die Zukunft. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, es ist nicht notwendig, hier ganz aufgeregt etwas hineinzuinterpretieren. Wir stehen dazu, auch in den Verhandlungen über eine eingetragene Partnerschaft, dass dieser Schutz der Ehe und der Familie verfassungsrechtlich abgesichert werden soll. Vielleicht nicht in dieser Form, sondern wir wären dafür, das direkt in der Bundes­verfassung zu verankern. Wir haben das auch in die Verhandlungen mit unserem Koalitionspartner miteingebracht. Eine definitive Stellungnahme der Sozialdemokrati­schen Partei steht hiezu aus.

Es ist aufgrund der Verkürzung der Legislaturperiode nicht mehr dazu gekommen, mit einem endgültigen Gesetzesbeschluss eine Verfassungsbestimmung zu verankern. Wir stehen aber den weiteren Verhandlungen in der nächsten Legislaturperiode positiv gegenüber. Ich meine, wir sollten uns gemeinsam bemühen, Ehe und Familie auch für die Zukunft abzusichern. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.48


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Mag. Stein­hauser zu Wort. 3 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


18.49.11

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Die FPÖ hat sich offensichtlich der Pflege der Rechtsgeschichte verschrieben, denn nur so ist zu erklären, dass sie eine Bestimmung aus dem Jahre 1811 in den Verfas­sungsrang heben will; eine Bestimmung, die der Realität schon lange nicht mehr ge­recht wird. Wenn wir von „unzertrennlich“ reden, dann meinen wir in Österreich durch­schnittlich sieben Jahre, so lange dauert nämlich eine Ehe. Ich erinnere außerdem daran: 50 Prozent aller Ehen werden geschieden. Auch wenn wir davon ausgehen, dass laut dieser Definition zu einer Ehe Kinder gehören, wissen wir, dass das nicht mehr der Realität entspricht.

Gott sei Dank leben wir heute in einer Zeit, in der gleichgeschlechtliche Liebe ohne Diskriminierung und ohne strafrechtliche Verfolgung möglich ist! (Beifall bei den Grü­nen.)

Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten. Die eine ist jene der FPÖ, die sieht, dass diese Defi­nition der Realität offensichtlich nicht mehr standhält und den sensationellen Vorschlag macht, das Ganze in den Verfassungsrang zu heben. – Glauben Sie, dass es deswe­gen eine Scheidung weniger geben wird? Sicher nicht!

Ich mache einen Gegenvorschlag: Schauen wir, wo Reformbedarf gegeben ist, versu­chen wir, die Gesetze so anzupassen, dass sie den Lebensrealitäten der Menschen näherkommen und für all jene Formen, die es heute praktisch gibt, auch das richtige Rechtsinstitut abbilden, damit die Rechtsordnung auch der Lebensrealität gerecht wird!

Ich glaube nicht, dass wir eine Definition von „Ehe“ im Verfassungsrang brauchen, son­dern wir brauchen eine neue Definition von „Ehe“. Ich möchte Ihnen Folgendes vor­schlagen, denken Sie darüber nach! Folgende „Ehe“-Definition wäre sinnvoll: Die Ehe wird zwischen zwei Menschen geschlossen, um in Gemeinschaft einander beizustehen und die daraus entstehenden Rechte und Pflichten gemäß diesem Gesetz zu regeln. – Das wäre eine vernünftige „Ehe“-Definition.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 200

Ich glaube, es steht uns als Gesetzgeber nicht zu, darüber zu richten, welche Art von Beziehung wir wollen und welche Art von Liebe wir wollen. Seien wir froh, wenn es Menschen gibt, die zueinander stehen, das auch vor dem Gesetz bezeugen wollen, die sozusagen gemeinsam einen Pakt eingehen wollen! (Beifall bei den Grünen.)

Letzter Punkt: Wenn Sie etwas für Eltern mit Kindern machen wollen, so gibt es genug Möglichkeiten. Machen wir die Arbeitswelt kindergerechter! Ich sage nur: flexible Ar­beitszeiten, Überstundendruck, Lohndruck – das sind Betätigungsfelder, wo wir etwas für Eltern mit Kindern machen können.

Oder reden wir über Gewalt in der Familie! Da können wir etwas für Familien machen, da gibt es Handlungsbedarf. 20 Prozent aller Frauen, heißt es, erleben zumindest ein­mal Gewalt seitens eines nahen männlichen Angehörigen. Da gibt es Handlungsbe­darf.

Irgendwelche abstrakten, ideologisch motivierten Verfassungsbestimmungen haben in der heutigen Realität nichts verloren. Daher gehen wir einen anderen Weg. Wir versu­chen, den Menschen entgegenzukommen, damit sie ihr Leben so gestalten können, wie sie das wollen. Wir bieten ihnen Lösungen an und halten nicht aus irgendwelchen ideologischen Gründen irgendwelche Lehrformeln hoch. – Danke. (Beifall bei den Grü­nen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.52


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Darmann. 2 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


18.52.22

Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (BZÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Es sei mir gestattet, in dieser ersten Lesung in einigen wenigen Punkten auf diesen Antrag der FPÖ einzugehen.

Zum einen sei mir erlaubt, festzustellen, dass die Politik geradezu gefordert ist, auf die bestehenden gesellschaftlichen Realitäten einzugehen und diese im Gesetzestext auch entsprechend abzubilden, entsprechend zu reagieren, und nicht – und das darf man jetzt, bitte, nicht falsch verstehen – auf, unter Anführungszeichen, „überkommene“ Gesellschaftsformen zu replizieren und diese sogar in den Verfassungsrang zu heben; „überkommen“ nämlich in dem Sinn, dass das Familienrecht und Teile des ABGB, Herr Kollege Graf, wirklich reformbedürftig sind.

Das sieht man nicht nur an der Rechtschreibung – das Ursprungsjahr wurde bereits genannt –, sondern auch, weil dieser Paragraph, den Sie jetzt in den Verfassungsrang heben wollen, eben vorsieht, dass eine Familie gerade dann besteht, wenn Kinder ge­zeugt werden. Tatsache, gesellschaftliche Tatsache ist aber, dass es heutzutage auch Patchworkfamilien gibt, einen Zusammenschluss von Personen, die auch somit ebenso eine Familie gründen, weil auch dort Kinder dabei sind. Das heißt, von „Zeugung“, wie in diesem Paragraphen, sollte nicht ausschließlich die Rede sein.

Im Übrigen gilt es natürlich auch für uns, gegen eine Zerfledderung der Verfassung zu arbeiten und – im Gegenteil – eine Verfassungsbereinigung zu erwirken und nicht mehr und mehr Regelungen in den Verfassungsrang zu erheben. Wir haben erst heute wie­der gesehen, wir haben in den letzten Monaten gesehen, was nicht alles in der Verfas­sung abgesichert wurde. (Zwischenruf des Abg. Dr. Graf.)

Schlussendlich – letzter Punkt, Herr Kollege Graf – sei mir erlaubt, klarzustellen, dass natürlich unserer Meinung nach die Familie und erst recht die Kinder im Mittelpunkt des Wirkens der Politik stehen müssen. – Danke schön. (Beifall beim BZÖ.)

18.54



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 201

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Dr. Brinek zu Wort. 2 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Brinek –: Reden Sie schon als Volksanwältin oder noch als Parlamentarierin?)

 


18.54.33

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Das überlasse ich Ihrer Interpretation, Herr Abgeordneter! – Ich bitte bei der Gelegenheit, liebe Frau Präsidentin, um größtmög­liche Offenheit in der Interpretation der Geschäftsordnung, damit ich mich in ein paar Sätzen hier von diesem Rednerpult aus verabschieden kann.

Es waren viele spannende Jahre, und ich werde in der Tat Sie alle, meine streitbaren Kollegen aus der Wissenschaftspolitik vermissen. Ich habe Bildungs- und Wissen­schaftspolitik, eingebettet in Kulturpolitik, in Gleichbehandlung, immer als die schönste Materie, die es je gibt, aufgefasst. Fast habe ich auch ein bisschen ein tränendes Auge, wenn ich daran denke, aber das ist so.

Ich habe heute daran gedacht, dass die Institution Volksanwaltschaft eigentlich vom ersten Tag an mit meiner politischen Arbeit verbunden war. Ich bin nämlich im Jah­re 1988 überraschend das erste Mal nachgerückt, weil Dr. Herbert Kohlmaier Volksan­walt wurde; auch in einer Abstimmung mit einer Stimme Mehrheit. Also das ist offenbar ein Kreis, der sich hier schließt.

Ich möchte Ihnen sagen, dass ich hier ein Lebensmotto und ein Arbeitsmotto hatte, das ich mit in die Volksanwaltschaft nehmen werde. Das sind zum einen die Prinzipien der katholischen Soziallehre, Personalität, Subsidiarität und Solidarität, das sind sehr mo­derne Ansprüche an Arbeit und Leben, und zum anderen das Prinzip, das Immanuel Kant sozusagen der Zeit aufgeprägt hat: „Sapere aude“, „Habe Mut, dich deines eige­nen Verstandes zu bedienen!“ – ohne fremde Hilfe. Das ist ein wichtiges Motto, mit dem ich mich eigentlich nur auf ein anderes Plätzchen (auf die Regierungsbank wei­send) hier im Parlament verabschieden will. Ich werde Sie alle wiedersehen, weshalb das gar kein Abschied ist. – Alles Gute und vielen herzlichen Dank für die guten Wün­sche! (Allgemeiner Beifall.)

18.56


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 753/A dem Justizausschuss zu.

*****

Die Tagesordnung ist erschöpft.

18.57.00Beschluss auf Beendigung der ordentlichen Tagung 2007/08

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich lege dem Hohen Haus folgenden Antrag vor:

„Der Herr Bundespräsident wird ersucht, die ordentliche Tagung 2007/2008 der XXIII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates mit Ablauf des 18. Juli 2008 für been­det zu erklären.“

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Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 202

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

18.57.30Anträge auf Permanenterklärung eines Ausschusses

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weiters liegen mir jeweils ein Antrag gemäß § 46 Abs. 4 der Geschäftsordnung der Abgeordneten Strache, Kolleginnen und Kol­legen sowie der Abgeordneten Dr. Pilz, Kolleginnen und Kollegen vor, den Unter­suchungsausschuss hinsichtlich der Vertuschung von Polizeiaffären und des Miss­brauchs der politischen Macht insbesondere im Bundesministerium für Inneres, aber auch in den Bundesministerien für Justiz, für Finanzen und für europäische und inter­nationale Angelegenheiten zu beauftragen, seine Arbeiten während der tagungsfreien Zeit fortzusetzen.

Ich lasse sogleich darüber abstimmen und bitte jene Damen und Herren, die sich da­für aussprechen, dass der genannte Untersuchungsausschuss seine Arbeit während der tagungsfreien Zeit fortsetzt, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minder­heit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

18.58.22Einlauf

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 862/A bis 887/A(E) eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 4766/J bis 4814/J eingelangt.

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Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 18.59 Uhr, das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.

18.58.57Schluss der Sitzung: 18.58 Uhr

 

 

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