Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

901. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 13. Februar 2020

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

901. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 13. Februar 2020

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 13. Februar 2020: 9.02 – 17.12 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Grüner Bericht 2019

2. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2018

3. Punkt: Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes (Einführung des Instruments Teileinspruchsrecht des Bundesrates)

4. Punkt: Wahl von Ausschüssen

5. Punkt: Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948

6. Punkt: Wahl eines Ersatzmitgliedes in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Oberösterreichischen Landtages betreffend Mandatsverzicht der Bundesrätin Mag. Doris Schulz und eines Ersatzmitglieds des Bundesrates sowie Wahl eines Mitglieds und eines Ersatzmitglieds des Bun­desrates ........................................................................ 46

Schreiben des Präsidenten des Vorarlberger Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitglieds des Bundesrates ................................................................................................................... 49

Angelobung der Bundesrätinnen Mag. Christine Schwarz-Fuchs und Ing. Judith Ringer                    7

Antrittsansprache des Präsidenten Robert Seeber ................................................... 8


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 2

Erklärung des Landeshauptmannes von Oberösterreich Mag. Thomas Stelzer gemäß § 38 Abs. 3 GO-BR zum Thema „Miteinander Zukunft gestalten“ – Bekanntgabe ........................................ 12

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 38 Abs. 4 GO-BR ....................... 12

Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer ................................................................. 12

Debatte:

Johanna Miesenberger .......................................................................................... ..... 18

Dominik Reisinger .................................................................................................. ..... 20

Thomas Dim ............................................................................................................ ..... 22

Claudia Hauschildt-Buschberger ......................................................................... ..... 24

Dipl.-Ing. Andrea Holzner ....................................................................................... ..... 26

Mag. Bettina Lancaster .......................................................................................... ..... 27

Thomas Schererbauer ........................................................................................... ..... 29

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 31

Schreiben des Bundeskanzlers Sebastian Kurz gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG betreffend Nominierung eines Mitglieds und eines stellvertretenden Mitglieds in den Ausschuss der Regionen .......... 40

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 111

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ....................................................... 133

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ............................... 135

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 7

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers Sebastian Kurz betreffend Amtsenthebung der Bun­­des­ministerinnen ohne Portefeuille Mag. Karoline Edtstadler, Mag. (FH) Christine Aschbacher und MMag. Dr. Susanne Raab bei gleichzeitiger Ernennung zu Bundesministerinnen im Bundeskanzleramt durch den Bundespräsidenten ............................................................................................................................... 36

Schreiben des Bundeskanzlers Sebastian Kurz betreffend Amtsenthebung be­ziehungsweise Ernennung von Mitgliedern der Bundesregierung aufgrund der Änderungen im Bundesministeriengesetz BGBl. I Nr. 8/2020 durch den Bundes­präsidenten ..................................................................... 38

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union .............................................................. 50

Wahlen in Institutionen

6. Punkt: Wahl eines Ersatzmitgliedes in die Parlamentarische Versammlung des Europarates             ............................................................................................................................. 111

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  32, 135

4. Punkt: Wahl von Ausschüssen ............................................................................... 109


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 3

5. Punkt: Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Ständigen gemein­samen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948                  110

Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Angriffe des Bundeskanzlers gegen die Justiz und insbesondere gegen die WKStA“ (3726/J-BR/2020)             ............................................................................................................................. 111

Begründung: Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................. 112

Bundeskanzler Sebastian Kurz ................................................................................ 115

Debatte:

Ingo Appé .................................................................................................................... 119

Karl Bader ................................................................................................................... 120

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................... 122

Claudia Hauschildt-Buschberger ......................................................................... ... 125

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 126

Mag. Christian Buchmann ..................................................................................... ... 129

Christoph Steiner ................................................................................................... ... 131

Verhandlungen

1. Punkt: Grüner Bericht 2019 (III-692-BR/2019 d.B. sowie 10281/BR d.B.) ................ 51

Berichterstatter: Silvester Gfrerer ................................................................................ 51

RednerInnen:

Dr. Peter Raggl ............................................................................................................. 52

Horst Schachner ..................................................................................................... ..... 54

Michael Bernard ...................................................................................................... ..... 57

Andreas Lackner ..................................................................................................... ..... 61

Ing. Isabella Kaltenegger ........................................................................................ ..... 63

Andrea Kahofer ....................................................................................................... ..... 65

Markus Leinfellner .................................................................................................. ..... 69

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .......................................................................................... ..... 71

Silvester Gfrerer ..................................................................................................... ..... 73

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................ ..... 75

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 78

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 79

Michael Bernard (tatsächliche Berichtigung) ............................................................... 79

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „mehr Nachhaltigkeit und Verteilungsgerechtigkeit in der kommenden Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU“ – Ablehnung ......................................................................................................  55, 80

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zum Mercosur-Abkommen“ – Annahme (270/E-BR/2020) ....................................  61, 80

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „verbindliche Vorgaben für die Mitgliedsstaaten zur Verwen­dung von Fördermitteln für soziale Dienste sowie Mobilität im ländlichen Raum sowie für einen eigenen Frauenförderschwerpunkt in der nächsten Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik 2020+“ – Ablehnung .....................................................  67, 80


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 4

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „Nein zum Mercosur-Abkommen in der bis­herigen Form“ – Ablehnung  75, 80

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-692-BR/2019 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 80

2. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus be­tref­fend Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2018 (III-686-BR/2019 d.B. sowie 10282/BR d.B.) ...... 80

Berichterstatterin: Klara Neurauter .............................................................................. 81

RednerInnen:

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ..... 81

Günther Novak ........................................................................................................ ..... 83

Mag. Reinhard Pisec, BA MA ................................................................................ ..... 85

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 88

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner ............................................................................ ..... 91

Rudolf Kaske ........................................................................................................... ..... 93

Josef Ofner .............................................................................................................. ..... 95

Günther Novak (tatsächliche Berichtigung) ................................................................. 98

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ..................................................................... 98

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-686-BR/2019 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 100

3. Punkt: Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, Monika Mühlwerth, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes (Einführung des Instruments Teileinspruchsrecht des Bundesrates) (270/A-BR/2019 sowie 10283/BR d.B.) ................................................ 100

Berichterstatterin: Mag. Elisabeth Grossmann ......................................................... 100

RednerInnen:

Karl Bader ..........................................................................................................  101, 109

Korinna Schumann ................................................................................................ ... 102

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .......................................................................................... ... 105

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 106

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 107

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Gesetzesvorschlag gemäß Art. 41 Abs. 1 B-VG dem Nationalrat zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zu unterbreiten .................. 109

Eingebracht wurden

Antrag der BundesrätInnen

Mag. Reinhard Pisec, BA MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend staatsvertragliche Verpflichtung des Bundes für das Weltkulturerbe „historisches Zentrum der Stadt Wien“ (271/A(E)-BR/2020)

Anfragen der BundesrätInnen

Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ver­fassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Schließung von Bezirksge­richten (3713/J-BR/2020)


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 5

Thomas Dim, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Schließung von Bezirksgerichten (3714/J-BR/2020)

Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ver­fassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Schließung von Bezirks­ge­richten (3715/J-BR/2020)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verfas­sung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Schließung von Bezirksgerichten (3716/J-BR/2020)

Stefan Zaggl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Preise an Lade­sta­tionen für Elektroautos (3717/J-BR/2020)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Schließung von Bezirksgerichten in Tirol und Vorarlberg (3718/J-BR/2020)

Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Einhaltung der Schulpflicht in Wien (3719/J-BR/2020)

Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wis­sen­schaft und Forschung betreffend Einhaltung der Schulpflicht in Kärnten (3720/J-BR/2020)

Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bil­dung, Wissenschaft und Forschung betreffend Einhaltung der Schulpflicht in Salzburg (3721/J-BR/2020)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Einhaltung der Schulpflicht in Tirol und Vorarlberg (3722/J-BR/2020)

Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Einhaltung der Schulpflicht in Nieder­österreich und Burgenland (3723/J-BR/2020)

Thomas Dim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wis­senschaft und Forschung betreffend Einhaltung der Schulpflicht in Oberösterreich (3724/J-BR/2020)

Mag. Bernd Saurer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend unterlassene Einleitung eines Ermittlungsverfahrens der WKStA gegen Organe des Vereins s2arch und gegen Mag. Christoph Chorherr, DDr. Michael Tojner und Mag. Wilhelm Hermetsberger und unbekannte Täter (3725/J-BR/2020)

Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betref­fend Angriffe des Bundeskanzlers gegen die Justiz und insbesondere gegen die WKStA (3726/J-BR/2020)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Massenkeulung im Tötungsgatter Holzrinner (3727/J-BR/2020)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend Massenkeulung im Tötungsgatter Holzrinner (3728/J-BR/2020)


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 6

Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Sozia­les, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Massenkeulung im Tötungs­gatter Holzrinner (3729/J-BR/2020)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Einhaltung der Schulpflicht in der Steiermark (3730/J-BR/2020)

Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Ver­fas­sung betreffend Bekenntnis zur deutschsprachigen Minderheit in Slowenien (3731/J-BR/2020)

Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Bekenntnis zur deutschsprachigen Minderheit in Slowenien (3732/J-BR/2020)

Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Bekenntnis zur deutschsprachigen Minder­heit in Slowenien (3733/J-BR/2020)

Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betref­fend Angriffe des Bundeskanzlers gegen die Justiz und insbesondere gegen die WKStA (3734/J-BR/2020)

 

 

 

 

 


 


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 7

09.02.36Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Robert Seeber, Vizepräsident Michael Wanner, Vizepräsi­den­tin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler.

09.02.37*****


Präsident Robert Seeber: Guten Morgen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne hiermit die 901. Sitzung des Bundesrates.

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 900. Sitzung des Bundesrates vom 14. Jänner 2020 sind aufgelegen, wurden nicht beanstandet und gelten daher als genehmigt.

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Ing. Eduard Köck und Eva Prischl.

09.03.07Mandatsverzicht und Angelobung


Präsident Robert Seeber: Eingelangt sind ein Schreiben des Oberösterreichischen Landtages betreffend Mandatsverzichte und Wahl eines Mitglieds und eines Ersatz­mit­glieds des Bundesrates und

ein Schreiben des Vorarlberger Landtages betreffend die Wahl eines Ersatzmitglieds. (siehe S. 46)

Das neue Mitglied des Bundesrates ist im Hause anwesend.

Ebenso wird auch die Angelobung des in der letzten Sitzung als verhindert gemeldeten Mitglieds des Bundesrates Mag.a Christine Schwarz-Fuchs erfolgen.

Ich werde daher sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein. – Ich ersuche nun die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.


Schriftführerin Mag. Daniela Gruber-Pruner: Ich verlese die Gelöbnisformel für die Mitglieder des Bundesrates: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführerin Mag. Gruber-Pruner leisten die Bundes­rätInnen Mag. Christine Schwarz-Fuchs und Ing. Judith Ringer die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.)

*****

Herzlich willkommen im Bundesrat!


Präsident Robert Seeber: Ich begrüße die neuen Mitglieder des Bundesrates sehr herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 8

09.05.24Antrittsansprache des Präsidenten


Präsident Robert Seeber: Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Thomas Stelzer! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Ga­lerie! Mitglieder der Landesregierung! Mitglieder des Amtes der Landesregierung! Mit­glieder meiner Familie, meine liebe Frau Elfi, auch herzlich willkommen hier im Hohen Hause! Sehr verehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen beziehungsweise jene, die die Sitzung via Livestream verfolgen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, am 1. Jänner des heurigen Jahres habe ich für ein halbes Jahr den Vorsitz hier im Bundesrat übernommen. Ich freue mich natür­lich sehr, dass zu meiner Antrittsrede auch unser Landeshauptmann Thomas Stelzer gekommen ist. Ich darf mich gleich am Beginn meiner Rede herzlich für das in mich gesetzte Vertrauen, hier tätig sein und dich ein Stück des Weges begleiten zu dürfen, bedanken.

Da ich schon beim Bedanken bin, darf ich mich auch sehr herzlich bei meinem Vor­gänger, bei dir, lieber Karl Bader, bedanken, auch für deine hervorragende Präsident­schaft. Du hast mir das Feld, wie man so schön sagt, sehr gut aufbereitet, und mit dem Generalthema ländlicher Raum hast du eine nachhaltige Initiative gesetzt, die wir auch die nächsten Jahre weiter betreiben werden. Den Bürgerinnen und Bürgern können wir hiermit ganz klar vermitteln, wofür der Bundesrat steht. Wir sind eben die Interes­senvertreter der Länder, wir sind die effiziente Vertretung der Länder hier in Wien, und wir müssen dafür sorgen, dass es auch lebenswerte Arbeits- und gute Lebens­be­dingungen in den ländlichen Regionen gibt. Ich darf dir, lieber Karl, an dieser Stelle auch herzlichen Dank für deine sehr gute und hervorragende Präsidentschaft und für diese Initiative aussprechen. (Allgemeiner Beifall.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, gemeinsam die Zukunft zu gestalten lautet das Motto dieses Halbjahres, welches das Land Oberösterreich und ich uns vorgenom­men haben. Landeshauptmann Stelzer als Vorsitzender der Landeshauptleute­kon­fe­renz und ich als Präsident des Bundesrates werden im Gleichschritt Pflöcke für eine gute und erfolgreiche Zukunft einschlagen.

Persönlich, das darf ich hier an dieser Stelle sagen, sehe ich mich auch von meiner Persönlichkeit her als Brückenbauer. Ich habe das gestern am Abend auch ganz kurz ansprechen dürfen: Ich sehe mich als jemanden, der über die Parteigrenzen hinweg sehr gute Kontakte pflegt, ich bin – so möchte ich mich beschreiben – ein Netzwerker, der aber auch weiß, dass es bei allen unterschiedlichen Positionen, die man oft hat, nötig ist, eine klare Sprache zu sprechen, aber im gegenseitigen Respekt und mit Wert­schätzung. Wir haben in Oberösterreich die Devise: Miteinander, nicht gegen­einander!, und das soll auch die Devise meines Vorsitzes sein.

Der Schwerpunkt, meine sehr verehrten Damen und Herren, der oberösterreichischen Präsidentschaft unter meiner Ägide wird natürlich – ich komme aus der Wirtschaft – auf dem Thema Standort- und Arbeitsmarktpolitik liegen. Wir haben es ja heute mit einer Situation zu tun – jeder weiß es –, in der es einen eklatanten Fachkräftemangel gibt, wir haben es mit einem sich anbahnenden und auch schon in Bewegung kommenden Wirtschaftsabschwung zu tun, wir haben eine mangelhafte Infrastruktur – und für all das müssen wir auch praxisgerechte Lösungen für die Zukunft suchen.

Sie alle hier wissen ja: Ich bin als Gastronom in Linz tätig, und ich weiß auch wirklich von der Praxis her gesehen, wo die Leute der Schuh drückt. Ich denke mir oft, wenn ich in meinem Restaurant so zwischen den Gästen herumspaziere – meine Frau macht das öfter als ich, das gebe ich zu (Heiterkeit bei BundesrätInnen der ÖVP) –, dass ich dann schon höre, was den Menschen wirklich Sorge bereitet.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 9

Da sitzt man sich gegenüber – praktisch face to face, wenn ich das so ausdrücken darf – und kann sich nicht hinter einem Computer verstecken, nicht hinter anonymen Postings verstecken, nicht hasserfüllt irgendetwas posten. Da spielt sich das wirkliche, das reale Leben ab. Das – so möchte ich sagen – hilft mir bis jetzt auch sehr oft in meinem Leben, auch in Bezug auf eine gewisse Menschenkenntnis, und das möchte ich nicht missen.

Ich sage das auch deswegen, weil ich gerade hier im Bundesrat – der Vergleich mit einem Restaurant, mit einem Betrieb mag vielleicht hinken –, in diesen drei Jahren, die ich schon hier tätig sein darf, spüren durfte, dass es eine sehr gute Gesprächs­atmosphäre gibt und die Diskussionen von gegenseitigem Respekt getragen sind. Diese parlamentarische Kultur gefällt mir einfach, und deren Fortsetzung würde ich mir auch für meine Präsidentschaft wünschen.

Da ich das so sage, darf ich auch anschließend bemerken, dass es genau das ist, was den Bundesrat ausmacht. Den Bundesrat macht einfach eine hohe Qualität der Ge­setz­gebung aus. Er hat mit diesem Masterplan ländlicher Raum – (in Richtung Bundesrat Bader) lieber Karl – jetzt tatsächlich die Themenführerschaft für die länd­lichen Regionen übernommen, und wir können hier also als Vorbild wirken. Wir zeigen ganz programmatisch klare Perspektiven und Lösungen auf, um ganz einfach die Zu­kunft mit all ihren Facetten auch in den ländlichen Regionen zu verbessern.

Wir wissen alle – im Regierungsprogramm ist es auch festgeschrieben –, es gibt eine Offensive für den öffentlichen Verkehr, es gibt die sogenannte Breitbandstrategie 2030 inklusive Breitbandausbau entlang der Pendlerstrecken – ich würde sagen, das ist ein sehr starkes Signal für die ländlichen Regionen.

Ein wesentlicher Punkt zur Stärkung der Regionen ist aber auch eine voraus­schau­ende Planung der Raumordnung. Wir sagen in Oberösterreich dazu – da schaue ich hinauf zu unserem Landesrat Markus Achleitner, er hat das ja hervorragend gemacht –: ressourcenschonend, überregional und verdichtet. Wir haben in Oberösterreich eine Novelle auf den Weg gebracht: Wir wollen nicht, dass – Sie kennen das alle auch in Ihren Regionen, in euren Regionen – die Supermärkte – Stichwort Kreisverkehr – außerhalb stehen, sondern wir wollen, dass wieder mehr in den Zentren gebaut, in den Zentren angesiedelt wird. Das ist die Belebung des öffentlichen Raumes, wie wir sie uns vorstellen. Es muss auch wieder um die Sicherstellung von leistbarem Wohnraum gehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir wollen aber auch über die Grenzen der Bundesländer hinausschauen, wie dort zukunftsweisende Standort- und Arbeitsmarkt­politik gemacht wird. Ich darf an dieser Stelle sagen: Ich werde mich auch bei einer Reise mit einer Bundesratsdelegation in Polen umschauen. Wir haben ja heute hier auch Professor Hofer, den Honorarkonsul Polens, zu Gast, der mich auch dabei unter­stützt und dessen Kontakte ich auch nützen kann. Wir wissen ja alle, dass es heute in Polen sehr viele knowledge-based Unternehmen gibt. Polen ist auch speziell in Bezug auf Fördermodelle für Start-ups Vorbild, und das möchten wir uns anschauen.

Aber nicht nur das – ich bin ja auch Touristiker und darf auch der Vorsitzende des ober­österreichischen Landestourismusrates sein –: Ich freue mich jedes Mal, wenn ich die Zahlen höre, so wie das letzte Mal – Herr Landeshauptmann! –: 14 Prozent Steige­rung in Bezug auf die polnischen Touristen, nicht nur in Oberösterreich, sondern in ganz Österreich. Speziell in Oberösterreich haben wir mit unseren familiengeführten Unternehmen und auch familienfreundlichen Preisen sehr gute Angebote, die von den Polen sehr geschätzt werden.

Ich möchte aber im Rahmen der Parlamentsreise nicht nur Polen, sondern auch Spanien besuchen, denn dort haben wir tatsächlich ein eklatantes Problem, das natür-


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 10

lich auch Österreich und dessen ländlichen Raum betrifft: Das ist eine gravierende Landflucht. Das möchte ich mir vor Ort einmal anschauen, denn in Bezug auf diese Abwanderungstendenzen sind wir politisch wirklich gefordert, entsprechende Schritte zu setzen.

Aber all das – wir wissen das alle – ist heute eingebettet in das Thema der Klimapolitik, meine Damen und Herren. Mir ist wichtig, aufzuzeigen, dass es – und das ist für mich als Wirtschaftler wichtig – eine Klimapolitik geben muss, die mit Augenmaß und Hausverstand vorgeht – weg von hysterischen Ansätzen! –, denn entscheidend für eine gute Standort- und Arbeitsmarktpolitik ist, dass wir ein lebenswertes wirtschaft­liches Umfeld haben. Ich bin der festen Überzeugung, dass es gerade auch für kleine und mittlere Betriebe ganz große Chancen, die den Klimaschutz betreffen, gibt – und diese gilt es zu ergreifen.

Ökonomie und Ökologie – das ist mein Standardsatz, den ich immer sage – müssen einfach Hand in Hand gehen. Oberösterreich hat als Exportland Nummer eins dies­bezüglich schon einige ganz wichtige Wegmarken gesetzt. Wir haben ja – Sie wissen das alle – einen industriellen Leitbetrieb, die Voest. Dort wird schon seit Langem auf umweltfreundliche und ressourcenschonende Technologien gesetzt. Wir haben da tatsächlich Vorbildcharakter, und auch das gehört zu diesem oberösterreichischen Erfolgsweg. Ich werde – das darf ich hier jetzt auch sagen, und es würde mich freuen, wenn Sie zahlreich kommen würden – am 6. Mai hier im Parlament eine Enquete zu diesem Thema Standort- und Arbeitsmarktpolitik abhalten, in der nicht nur Praktiker aus den Betrieben, sondern auch verschiedene Institutionen in Bezug darauf, wie wir mit diesem Thema in der Zukunft umgehen, vorsprechen können.

Meine Damen und Herren! Was den Klimaschutz betrifft, ist eines klar – wir sind uns hier schon der Verantwortung für die nächsten Generationen bewusst –: Es ist dies das Thema der Zukunft, aber wir müssen bei diesem Thema – und das sage ich auch als Arbeitgeber – für ein sehr ausgewogenes Verhältnis zwischen den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern sorgen, denn ohne den Fleiß und die Motivation unserer aus­ge­zeichneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in all unseren Betrieben – seien es Kleinbetriebe, Mittelbetriebe oder Großbetriebe – und ohne das Engagement der Sozialpartner – das darf ich hier an dieser Stelle sagen – stünde die heimische Wirt­schaft, wie sie sich in Oberösterreich und in ganz Österreich präsentiert, heute nicht so gut da.

An dieser Stelle darf ich mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Unternehmen herzlich bedanken. Es heißt für mich wieder: Miteinander, nicht gegen­einander! Das gilt insbesondere für dieses Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern – und wir müssen hier für einen fairen Interessenausgleich sorgen. (Allgemeiner Beifall.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch dieses Format Bundesrat im Bun­desland, welches wir eingeführt haben – du hast das ja bereits im vorigen Jahr vor­gezeigt, lieber Karl Bader –, werden wir fortsetzen. Ich würde mich freuen, wenn Sie meiner Einladung nach Oberösterreich zahlreich folgen würden. Wir werden einen Oberösterreichtag verbringen, werden uns dort einige Beispiele anschauen, die Vor­bildcharakter haben, werden auch das Linzer Landhaus besuchen und abschließend dann bei mir in der Bar einen Drink nehmen. (Allgemeine Heiterkeit und allgemeiner Beifall.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Funktionieren einer ökologischen Wirt­schaft – das möchte ich auch noch im Rahmen meiner Antrittsrede sagen – kann sich aber nicht nur auf unser Land beschränken, wir müssen schon auch die europäische Dimension mitdenken. Wir haben ja in Europa einen Binnenmarkt mit 500 Millionen


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 11

Ein­wohnern, und wir haben in Oberösterreich, in Österreich, in Europa, sehr viele – Sie kennen den Begriff – Hidden Champions. Von diesen kann man sich etwas abschauen, meine Damen und Herren, wie ökonomische und ökologische Wirtschaft passieren kann. Wir haben da einen Vorbildeffekt. Ich kann mir auch sehr gut vorstellen, wenn man diese Marktchancen erkennt, können wir in Europa, was die Klimapolitik betrifft, zu einem Vorreiter werden und schauen, wie Ökonomie und Ökologie eine harmo­ni­sche Synthese eingehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, als die Europakammer des Parlaments wer­den wir uns aber auch mit europäischen Themen, die die Zukunft betreffen, intensiv befassen. Erstmals – Sie wissen das alle – ist ja die Europäische Union kleiner geworden. Ich hatte die Gelegenheit, am Montag mit Präsident Sobotka bei einer Ver­anstaltung dabei zu sein, die sich mit der Thematik 25 Jahre EU befasst hat. Mit dem Austritt von Großbritannien ist die Europäische Union kleiner geworden; und wir müssen uns die Frage stellen: Was haben wir, die verbleibenden Staaten in der EU, falsch gemacht, wenn die Briten diese EU verlassen? Das Referendum ist zugege­be­nermaßen relativ knapp ausgefallen, aber es ist ein politisches Faktum und wir können nicht einfach so, glaube ich, zur Tagesordnung übergehen.

Das ist nicht der Fall, denn diese strukturellen Probleme, denen die Europäische Union jetzt gegenübersteht, verleiten dazu, dass man vermehrt versucht, nationale Themen, die eben auf EU-Ebene nicht geregelt werden können, selbst zu regeln.

Wie begegnen wir dieser zunehmenden Diversität der Mitgliedstaaten? Probleme der Migration, der Sicherheit und des Klimawandels, soziale Spannungen, Finanzpolitik und Eurostabilität – meine Damen und Herren, diesen und anderen Themen soll sich nun eine EU-Konferenz widmen. Bei der angesprochenen Veranstaltung war schon sehr gut erkennbar, was jetzt wichtig ist. Unter Einbeziehung der Regionen, der Sozial­partner und lokaler Behörden wird eine auf zwei Jahre angelegte Europakonferenz abgehalten, und es ist geplant, daraus Empfehlungen für die weitere Entwicklung der EU abzuleiten. Das wurde natürlich bei der Diskussion auch sehr kritisch gesehen, es wurde gesagt, das werde nicht viel bringen. Ich sage, es ist wichtig, sich auf allen Ebenen mit den Zukunftsproblemen der EU zu beschäftigen, und kann daher diese EU-Konferenz sehr begrüßen.

Wir sind hier im Bundesrat, darum muss ich das erwähnen: Die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips ist für Österreich ein wichtiger Punkt in dieser Diskussion. Der Bundesrat, das kann ich hier mit Fug und Recht behaupten, hat in Sachen Subsidiarität bereits sehr viel geleistet.

Der Bundesrat, meine Damen und Herren, hat sich aber auch sehr viel mit wichtigen nationalen Zukunftsthemen befasst, etwa mit Pflege oder Digitalisierung, also mit Angelegenheiten, die dann später auch Eingang in Regierungsprogramme gefunden haben.

Wir alle hier gehen hinaus in die Regionen, wir haben, wie ich vorhin erwähnt habe, das Ohr nahe bei den Menschen. Es ist mir ein großes Anliegen, Ihnen allen für das Engagement und die Motivation zu danken, Sie alle investieren sehr viel Zeit, um die Probleme der Menschen in den Bundesländern, in den Regionen zu hören und diese Anliegen hierher zu tragen beziehungsweise entsprechend zu vertreten. Ich persönlich als Präsident des Bundesrates lade Sie alle ein, in den nächsten Monaten auch weiter in diese Richtung mit anzupacken, sei es in den Ausschüssen, hier im Plenum oder draußen bei den Menschen in den Ländern.

Ich sage immer: Miteinander zu reden ist auf jeden Fall besser, als übereinander zu reden.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 12

In diesem Sinne, im Geist des gegenseitigen Respekts und der Wertschätzung wün­sche ich uns im Bundesrat alles Gute und viel Erfolg. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

*****

Ich darf an dieser Stelle den ehemaligen Bundesratspräsidenten Edgar Mayer aus Vor­arlberg sehr herzlich begrüßen. Lieber Edgar, herzlich willkommen! (Allgemeiner Bei­fall.)

09.23.09Erklärung des Landeshauptmannes von Oberösterreich zum Thema „Miteinander Zukunft gestalten“


Präsident Robert Seeber: Ich begrüße den Landeshauptmann von Oberösterreich, Herrn Mag. Thomas Stelzer, sehr herzlich bei uns im Bundesrat und gebe bekannt, dass er seine Absicht bekundet hat, eine Erklärung gemäß § 38 Abs. 3 der Ge­schäfts­ordnung des Bundesrates zum Thema „Miteinander Zukunft gestalten“ abzugeben.

Es liegt mir hierzu ein schriftliches Verlangen im Sinne des § 38 Abs. 4 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates vor, im Anschluss an die vom Herrn Landeshauptmann von Oberösterreich abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen. Da das Verlangen ausreichend unterstützt ist, werde ich diesem ohne Weiteres stattgeben.

Ich erteile nun dem Landeshauptmann von Oberösterreich zur Abgabe seiner Erklä­rung das Wort. – Bitte, Herr Landeshauptmann, lieber Thomas, ich erteile dir das Wort.


9.24.24

Landeshauptmann von Oberösterreich Mag. Thomas Stelzer: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Mitglieder des Bundesrates! Liebe Gäste, vor allem auch alle Damen und Herren, die diese Sitzung verfolgen! Ich danke sehr, sehr herzlich, dass ich die Gelegenheit habe, im Bundesrat das Wort zu ergreifen, dass ich eingeladen wurde. Ich darf mir erlauben, dir, lieber Herr Präsident, Herr Kom­merzialrat Seeber, noch einmal herzlich zur Präsidentschaft zu gratulieren und dir alles, alles Gute für diese wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe zu wünschen. Gleichzeitig entbiete ich den heute neu angelobten Mitgliedern des Bundesrates, Kollegin Schwarz-Fuchs und Kommerzialrätin Ringer, einen Gruß und eine Gratulation.

Sehr geehrte Damen und Herren, natürlich liegt es in diesem Haus auf der Hand, gleich mit dem Wort Föderalismus zu beginnen. Mich beschleicht aber das leise Gefühl – und ich nehme an, es geht Ihnen ähnlich –, dass sich unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger unter diesem Fachbegriff nicht allzu viel vorstellen können, dass sie sich nicht vorstellen können, was das konkret bedeutet, und erst recht nicht, welche Bedeutung das für ihr tägliches Leben hat. Wir sprechen da von verteilten Kom­petenzen – auch wieder ein technokratischer Begriff, selbst wenn sie in unserer so eleganten Bundesverfassung grundgelegt sind –, wir nehmen Worte wie Finanz­aus­gleichsverhandlungen in den Mund, sprechen von Artikel-12-Materien, in denen wir auf Grundlage der Grundsatzgesetzgebung des Bundes in den Ländern Gesetze erlassen, und von Vielem mehr. Das alles sind Dinge, die in unserem täglichen Sprachgebrauch vorkommen, die aber unsere Damen und Herren Mitbürgerinnen und Mitbürger, glaube ich, etwas ratlos zurücklassen.

Das ist aber ungerechtfertigt, weil Föderalismus viele, viele Vorteile für das tagtägliche Leben bringt. Die Frage ist daher: Was bedeutet für uns persönlich, für mich persönlich Föderalismus? – Für mich ist es ein ganz klarer Auftrag – das ist in den Worten des


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 13

Herrn Präsidenten Seeber auch schon zum Ausdruck gekommen –, gemeinsam für die Menschen und mit den Menschen in unserem Land zu gestalten.

Wenn also wir oder die Österreicherinnen und Österreicher über Föderalismus reden, dann reden wir davon, dass wir gemeinsam dafür sorgen, dass sich alle in unserem Land, egal wo sie zu Hause sind, zum Beispiel darauf verlassen können, dass sie eine hochqualitative medizinische Versorgung in ihrer Region bekommen; dass sie dann die nötige Unterstützung der Gemeinschaft, der Gesellschaft bekommen, wenn sie sie nötig haben; dass überall in unserem Land das große Versprechen eingelöst wird, das wir geben, nämlich dass ein Altern in Würde, ein selbstbestimmter Lebensabend auch eine Selbstverständlichkeit ist; dass wir Rahmenbedingungen schaffen, dass alle Men­schen in unserem Land, egal, ob sie am sogenannten Land oder in der Stadt zu Hause sind, jung oder alt sind, Frauen oder Männer sind, die besten Möglichkeiten vorfinden, um ein gelingendes Leben zu führen, die besten Möglichkeiten haben, zu lernen, zu leben, zu arbeiten, unternehmerisch tätig zu sein.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir als Ländervertreterinnen und Ländervertreter, wir Länder verstehen uns als eigenständige Teile dieser Republik, aber auch als wesent­liche Mitgestalter unserer Republik.

Gerade in diesem geschichtlich so bedeutsamen Jahr 2020 sollten wir durchaus für uns alle in Anspruch nehmen und auch selbstbewusst festhalten: Wir haben es mit dieser Gestaltung unseres Staates Gott sei Dank weit gebracht. In diesen 75 Jahren, seit wir Frieden und die Zweite Republik haben, haben viele Verantwortung über­nom­men, haben viele angepackt. Österreich ist heute in Europa ein Wirtschaftsmotor, ein Land mit Gott sei Dank hohen Beschäftigungszahlen, verlässlicher Beschäftigungs­lage, aber auch mit einer Lebensqualität, die ihresgleichen sucht – selbst in Europa.

Wir wissen aber auch, dass gerade jetzt, aus dieser guten Situation heraus, für uns alle eine große Verantwortung erwächst, dazu beizutragen und alles dafür zu tun, dass die Zwanziger unseres Jahrhunderts auch wirklich Goldene Zwanziger werden, so wie jene des vergangenen Jahrhunderts gerne genannt werden – Goldene Zwanziger im Sinne dessen, dass sich alle in unserem Land gut und sicher entwickeln können.

Sehr geehrte Damen und Herren, dass starke Teile gemeinsam einen Staat, gemein­sam eine Republik tragen, dürfte überhaupt ein Erfolgsmodell sein. Schauen wir uns Europa, unsere Nachbarn, die Bundesrepublik Deutschland, die Schweiz, oder aber auch Nordamerika an! Offensichtlich ist dieses Gefüge, einen Staat zu bilden, Gesell­schaft zu organisieren robuster und auch erfolgreicher als andere, und es macht uns auch stark. Das ist aus meiner Sicht kein Zufall, denn föderale Strukturen bringen viele, viele Vorteile für die einzelnen Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die Gesellschaft und für den Staat.

Ein ganz großer Vorteil, den Sie alle aus persönlicher Erfahrung kennen, ist, dass Zuständigkeit vor Ort, Verantwortungsübernahme vor Ort unbestritten das Gefühl von Orientierung und auch das Gefühl von Zusammengehörigkeit stärkt.

Sehr geehrte Damen und Herren! In Zeiten, in denen uns die technologischen Möglich­keiten in rasender Geschwindigkeit so viele neue Schritte aufzeigen, quasi eine Gren­zen­losigkeit der Möglichkeiten besteht, in denen auch das Zusammenrücken auf der Erde und die Globalisierung sehr schnell voranschreiten, bringt das natürlich viele fas­zinierende Chancen und Möglichkeiten, aber es löst durchaus auch Ängste und Be­sorgnisse aus. Daher ist gerade in einer so modernen Zeit das Bedürfnis nach Nähe, nach Verankerung, nach Vertrautheit ein ganz, ganz großes, und das ist eben ein besonderer Vorteil unserer Strukturen. Das bedeutet nicht, dass wir uns zurückziehen oder gar abschotten, es bedeutet, dass wir durch die Vertrautheit vor Ort Stärke und Mut tanken, um dann auch entsprechend vorangehen zu können.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 14

Ein weiterer Vorteil von Föderalismus ist die Unmittelbarkeit der politischen Mitwirkung, der Partizipation. Das Eingebundensein vor Ort, das Kennen der Themen und der Herausforderungen bringt viele Bürgerinnen und Bürger mehr als auf anderen Ebenen dazu, sich einzubringen, ihre Interessen und Wahlmöglichkeiten wahrzunehmen, sich eben politisch im besten Sinn des Wortes zu beteiligen und ihre Interessen durchzu­setzen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Kenntnis vor Ort, diese unmittelbare Kenntnis der Herausforderungen ist doch auch das Schöne an unser aller Aufgabe, derer, die wir in den Ländern oder für die Länder tätig sind. Wir kennen die Anliegen vor Ort, wir wissen zum Beispiel, wie es in einem Pflegheim ist, wie dort gelebt wird, wie dort gearbeitet wird, welche Anforderungen und Herausforderungen es dort gibt, weil wir eben – Gott sei Dank! – sehr oft vor Ort sein können und daher auch sehr, sehr gut ermessen können, worauf es wirklich ankommt.

Ein weiterer Vorteil eines Bundesstaates, eines föderal organisierten Staates, sehr geehrte Damen und Herren, ist, dass den regionalen Unterschieden besser als anders­wo Rechnung getragen wird. Ein auch noch so effizient organisierter zentralistischer Staat kann niemals die Chancen und Möglichkeiten, die die einzelnen Regionen bieten, in so guter Art und Weise nutzen und vorantreiben, wie wir das im Rahmen unserer Organisation können. Das stärkt natürlich die Region, das stärkt die Bundesländer, aber es stärkt dann in Summe auch den gesamten Staat, unsere gesamte Heimat Österreich.

Bei diesem Thema ist natürlich anzumerken: Es stimmt, es gibt einen Wettbewerb zwischen den Regionen, es gibt einen Wettbewerb zwischen den Bundesländern, aber dieses ständige Schauen auf den anderen, das ständige Sichorientieren an dem Besseren führt auch dazu, dass wir selber vor Ort immer besser werden und damit auch die gute Entwicklung unseres gesamten Heimatlandes vorantreiben.

Unsere Landsleute, sehr geehrte Damen und Herren, sehen das offensichtlich auch so. Auch wenn der Begriff Föderalismus sperrig ist: Wenn er gelebt wird, wenn er gestaltet wird, dann wird er offensichtlich geschätzt. Die Bundesländer haben über das Institut für Föderalismus Ende vergangenen Jahres eine große Umfrage in Auftrag gegeben. Dort sagen beispielsweise 92 Prozent unserer Landsleute, dass sie sich ihrem eigenen Heimatbundesland verbunden fühlen. 71 Prozent sagen, sie sind mit der politischen Arbeit in ihrem Heimatbundesland zufrieden. 65 Prozent der Befragten schätzen auch die Fähigkeit der Bundesländer, Probleme der Zukunft vor Ort zu lösen.

Lassen Sie mich, sehr geehrte Damen und Herren, noch einen großen Vorteil des Föderalismus erwähnen: Das ist die Heimatverbundenheit, die Hand in Hand geht mit einem ganz starken kulturellen Bewusstsein und auch mit einem ganz starken Inter­esse für kulturelles Geschehen und künstlerisches Schaffen vor Ort. Das bringt ein vielfältiges Engagement, das zeigt aber auch die kulturelle Vielfalt unseres Landes. Das ist etwas, was Österreich in Summe prägt, das ist aber auch ein Grund, weshalb Österreich in der Welt sehr erfolgreich dasteht.

Sie erlauben mir daher, dass ich bei diesem Anlass vor allen Vertreterinnen und Ver­tretern der Bundesländer auch sage, dass wir uns sehr freuen, dass wir in Ober­öster­reich gemeinsam mit der Steiermark die Möglichkeit haben, im Jahr 2024 wieder ein­mal eine Europäische Kulturhauptstadt zu stellen. Das wird den internationalen, den europäischen Fokus auf unsere Länder lenken, aber auch insgesamt auf das Kulturgeschehen Österreichs. Natürlich lade ich Sie auch heute schon ein, 2024 zu uns und zu den Steirern ins Salzkammergut zu kommen!

Sehr geehrte Damen und Herren! All das zusammengenommen beweist aus meiner Sicht die Stärken und die Erfolgsfähigkeit unserer föderalen Strukturen. Diese Stärke


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 15

werden wir auch brauchen. Der Herr Präsident hat es angesprochen: Wir leben jetzt in einer Phase, in der – auch wirtschaftlich gesehen – die Dinge nicht mehr so einfach, wie das noch in den letzten Jahren der Fall war, von der Hand gehen, in der über­durchschnittliches Wirtschaftswachstum eben nicht mehr vorhanden ist und in der sich mit Sicherheit die Spreu vom Weizen trennen wird – im Sinne von Regionen, die sich besser aufstellen, stärker gestalten, und jenen, die vielleicht da oder dort den nötigen Schritt nicht rechtzeitig machen.

Darum haben wir für dieses halbe Jahr, für den oberösterreichischen Vorsitz auch das Motto Gemeinsam Zukunft gestalten gewählt, weil es aus meiner Sicht jetzt darum geht, den Willen, aber auch den Mut aufzubringen, nötige Neuerungen durchzuführen, nötige Änderungen zu setzen, damit wir die gute wirtschaftliche Situation unseres Landes, die Beschäftigungssicherheit, aber auch die soziale Ausgewogenheit auf dem hohen Niveau weiterentwickeln, das wir Gott sei Dank haben und auch gewöhnt sind. Wir haben eine starke Basis dafür, und ich bin mir sicher, wir können das auch.

Ich begrüße daher auch das vorgelegte Programm der Bundesregierung und sehe in der Bundesregierung einen Partner gerade auch bei dieser Herausforderung, weil beides enthalten ist und beides erkannt wird: die wirtschaftlichen Herausforderungen auf der einen Seite, die natürlich auch für die Einzelne, für den Einzelnen Auswir­kungen auf den Arbeitsplatz haben, und den Klimaschutz, die Herausforderung Klima­schutz auf der anderen Seite, und weil man hinsichtlich der beiden einen Bogen spannt und versucht, daraus die nötigen Synergien zu ziehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, auch da sollten wir Österreicherinnen und Öster­reicher selbstbewusst sein! Wir müssen Klimaschutz nicht erst von der Pike auf lernen oder bei Stunde null beginnen. Ich kann es von unserem Bundesland sagen: Oberöster­reich, der Großraum Linz wäre heute längst kein industrieller Produktionsstandort mehr, wenn nicht in den letzten Jahren und Jahrzehnten – gerade auch unter Umwelt­schutzgesichtspunkten – massiv investiert, erneuert, geforscht und umgesetzt worden wäre. Wir kennen das, wir können das. Das sollte uns auch den Mut dazu geben, die nächsten Schritte, die erforderlich sind, zu gehen.

Gerade auch in unserem Bundesland Oberösterreich hat sich rund um die soge­nannten neuen Wirtschaftsbereiche – Stichwort: erneuerbare Energieträger – mittler­weile eine große, Tausende Arbeitsplätze schaffende Wirtschaftsszene entwickelt, von der wir uns auch noch viel für den Klima- und Umweltschutz, aber auch für die wirt­schaftliche Stärke erwarten können.

Natürlich, sehr geehrte Damen und Herren, werden wir Ländervertreterinnen und Län­dervertreter in den nächsten Wochen und Monaten vieles gemeinsam mit den Ver­treterinnen und Vertretern der Bundesebene zu lösen und auch zu regeln haben. Ein ganz aktuelles Thema ist beispielsweise die Organisation und die Finanzierung der Pflege in unserem Land. Ich habe es zu Beginn schon angesprochen: Es muss sich einfach jede und jeder in Österreich darauf verlassen können, im Bedarfsfall eine hochqualitative und auch einfühlsame Pflege zu erhalten. Diese wird bei uns im Großen und Ganzen vor Ort zuallermeist von den Gemeinden, von den Gemeinde­verbänden oder von den Regionen organisiert und in hoher Qualität angeboten.

Ich muss erwähnen, dass die Entscheidung des Hohen Hauses, den Pflegeregress abzuschaffen, natürlich zu respektieren ist, aber auch finanzielle Maßnahmen nach sich zieht. Es ist noch nicht alles hinsichtlich des Aus des Pflegeregresses und der finanziellen Abgeltungen, die damit verbunden sind, geregelt. Die Pflege wurde seither geleistet, die Kosten, die es dafür immer gibt, sind angefallen. Es ist vor allem den Gemeinden, die das organisieren, noch nicht alles abgegolten worden. Ich ersuche Sie und bitte Sie auch um Mithilfe, dass wir das in einem guten Gesprächsklima und im


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 16

Rahmen einer guten Partnerschaft, auch im Interesse derer, die die Pflege organisie­ren und finanzieren, regeln können.

Ich begrüße, dass wir in der nächsten Zeit mit den Vertreterinnen und Vertretern der Bundesregierung in Gespräche über die langfristige Organisation der Pflege eintreten werden, und möchte an diesem Punkt besonders hervorheben, sehr geehrte Damen und Herren, dass bei aller Professionalität und bei allen geschätzten Berufen, die es in der Pflege gibt, ein Riesenanteil der Pflege immer noch in familiären Verbänden geleistet wird. Das sollten wir hervorheben, dafür sollten wir uns bedanken und dafür sollte es auch spürbare Anerkennung geben. Kleine Entlastungsmöglichkeiten für die Familienmitglieder, die Pflege leisten, beispielsweise der in Aussicht gestellte Pflege-daheim-Bonus, könnten eine derartige Möglichkeit sein.

Es geht natürlich auch um die vielen – und hoffentlich noch mehr – Persönlichkeiten, die wir dazu gewinnen können, in diese wichtigen Berufe der Pflege zu gehen. Das ist eine große Herausforderung. Es ist eine Frage des Bildungsangebotes – für die Jugendlichen, für die Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger, aber auch für jene, die nach einer wie immer gearteten Pause wieder in den Beruf einsteigen oder auch umsteigen wollen –, es hat natürlich mit Entlohnung, es hat aber natürlich auch mit den Arbeitsbedingungen in der Pflege zu tun.

Die Pflege, sehr geehrte Damen und Herren, ist aber auch grundsätzlich ein gutes Beispiel dafür, wie sinnvoll es ist, dass vor Ort, mit viel Liebe zum Detail, aber auch mit viel Hausverstand, die Begegnung gesellschaftlicher Herausforderungen organisiert wird. Pflege vor Ort wird sehr bedarfsgerecht aufgestellt und organisiert.

Die Pflege ist aber auch ein guter Beleg dafür, dass wir in den Ländern und Regionen Kompetenzen haben, die jetzt schon sehr dynamisch wachsen und die auch in den nächsten Jahren von der Herausforderung her noch viel stärker überproportional wachsen werden, alleine aufgrund der demografischen Gegebenheiten in unserem Land – das betrifft die Pflege, das betrifft die Spitalsangebote.

Damit zu tun hat natürlich auch, dass wir dann in den Regionen, in den Ländern auch die finanziellen Möglichkeiten bekommen müssen, damit wir dieses dynamische Wachstum, das wir auch brauchen, entsprechend unterlegen und entsprechend ent­wickeln können. Ich bedanke mich daher bei den vielen Steuerzahlerinnen und Steuer­zahlern, die ja alle selber in irgendwelchen Regionen unseres Landes zu Hause sind und die dort auch gerne das bestmögliche Angebot haben wollen.

Ich erwähne auch, was uns gemeinsam natürlich in den nächsten Monaten be­schäf­tigen wird, nämlich wie wir mit dem – dieser so schön sperrige Begriff wurde von mir schon genannt – Finanzausgleich umgehen werden, der im nächsten Jahr ja neu zu fassen ist. Es muss einfach eine Möglichkeit geben, dass wir die dynamisch wach­senden gesellschaftlichen Herausforderungen auch mit ausreichenden finanziellen Mitteln aus dem Steuertopf unterlegen können.

Vor Ort gestalten, sehr geehrte Damen und Herren, bedeutet natürlich, dass wir das Leben, Arbeiten, Wohnen, Wirtschaften in den Regionen unserer Republik weiter mög­lich machen und noch stärker voranbringen wollen. Das hat mit regional ge­streuten, vielfältigen Bildungsangeboten zu tun, das hat auch viel mit Forschung und Inno­vation – auch vor Ort in den Regionen – zu tun, das hat aber vor allem auch mit einer modernen und verlässlichen Infrastruktur zu tun. Das bedeutet den zügigen Aus­bau des Breitbands, der einfach für alle Wirtschafts-, aber auch Gesell­schafts­bereiche ein Erfordernis ist. Es hat aber auch mit dem öffentlichen Verkehr zu tun. Gestatten Sie mir, zu sagen – auch wenn ich in unserer schönen Bundeshauptstadt zu Gast bin –,


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 17

dass das auch damit zu tun hat, dass wir auch außerhalb unserer Bundeshauptstadt in einer breiten Form einen öffentlichen Verkehr in einer modernen Art und Weise bauen, anbieten und organisieren können. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Rösch und Schererbauer.)

Sehr geehrte Damen und Herren, ein ceterum censeo, aber es ist ernst gemeint und kommt von Herzen: Es bleibt natürlich von uns allen, die wir die Regionen unserer Republik vertreten, eine Forderung, ein Vorschlag, ein großes Anliegen, dass auch Bundesinstitutionen, Bundeseinrichtungen, Bundesdienststellen in die Regionen kom­men. Wir Länder kennen das, wir können das. Wir haben ja die Ämter unserer Lan­desregierungen schon lange regionalisiert, indem wir vor Ort Teile unserer Verwaltung unter dem Namen Bezirkshauptmannschaften anbieten – ein Erfolgsmodell. Das heißt, man kann sich anschauen, wie das geht. Bundesdienststellen in die Regionen zu bringen heißt natürlich, zusätzliche Arbeitsplätze in die Regionen zu bringen, es heißt aber auch, eine Ahnung zu bekommen und ein Gespür dafür zu entwickeln, was denn in den Regionen los ist, was gebraucht wird und was die Anliegen sind.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben miteinander eine wunderbare Aufgabe: Wir gestalten gemeinsam Österreich, eines der reichsten, schönsten und sichersten Länder auf diesem Erdenrund, was auch damit zu tun hat, dass wir – aus meiner Sicht Gott sei Dank – Teil der europäischen Familie und Teil der Europäischen Union sind. Gerade uns in den Regionen – ich kann das für Oberösterreich mit Fug und Recht behaupten – hat die Mitgliedschaft in der EU einen enormen Schub in unserer Ent­wicklung gebracht, insbesondere, was unsere Exporttätigkeiten anlangt. Dazu gehört aber auch, dass wir Regionen, wir Regionsvertreterinnen und -vertreter, die Mitgestal­tung der EU ernst nehmen und uns dort auch einbringen.

Wenn es so ist, dass wir uns in einigen Ländern wie beispielsweise in Oberösterreich, aber nun auch im Bund vorgenommen haben, dass wir unsere öffentlichen Haushalte ohne neue Schulden organisieren und aufstellen, dann muss es auch in unserer großen gemeinsamen Europäischen Union möglich sein, dass mit dem vorhandenen Geld ausgekommen wird und dass mit dem vorhandenen Geld die großen Aufgaben, die wirklich gemeinsame europäische Anliegen sind, unterstützt werden.

Wenn die Beiträge in der nächsten Zeit etwas mehr werden sollten, muss aber umso mehr eine Fokussierung der Europäischen Union auf die tatsächlich gemeinsamen großen Aufgaben stattfinden – auf die endlich funktionierende Sicherung der Außen­grenzen, auf einen noch viel stärkeren Fokus auf Forschung und Entwicklung –, damit Europa wieder selbstbewusst zwischen den großen Interessenblöcken dieser Erde auftreten kann, aber beispielsweise auch darauf, was Österreich eben besonders macht, nämlich die Art und Weise, wie bei uns sehr erfolgreich Landwirtschaft, bei­spielsweise im Sinne der Produktion regionaler Lebensmittel, organisiert wird.

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist für mich eine sehr große Ehre und es ist auch eine Freude, heute hier zu Gast sein zu dürfen. Ich orte es auch als Signal des Mit­einanders, dass wir Ländervertreterinnen und -vertreter – heute eben ich hier vor Ihnen – auch unsere Sicht der Dinge äußern, unsere Vorschläge darbringen und auch Ergebnisse einfordern können.

Ein moderner, ein erfolgreicher Föderalismus, für den wir alle stehen, ist keinesfalls so gestaltet, dass jede und jeder eifersüchtig nur auf seinen eigenen Bereich schaut und darüber wacht, sondern so, dass wir alle unsere Stärken einbringen, damit wir gemein­sam unsere schöne Heimat, die Republik Österreich, weiterentwickeln können. Ich bitte gerade Sie als Mitglieder des Bundesrates um eine gute Zusammenarbeit und ein gutes Miteinander.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 18

Ich danke noch einmal herzlich Herrn Präsidenten Robert Seeber für die Einladung, gratuliere ihm noch einmal und bitte Sie alle im Sinne unserer Heimat und der Regio­nen, die wir vertreten, um ein gutes und erfolgreiches Miteinander. (Allgemeiner Bei­fall.)

9.47


Präsident Robert Seeber: Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, ich bedanke mich sehr herzlich für deine Ausführungen.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger. Ich erteile dieses.


9.47.37

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Landeshauptmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Vor allem liebe Besucherinnen und Besucher auf der Galerie, besonders aus Oberösterreich! Unter dem Titel „Gemeinsam Zukunft gestalten“ führt mein Heimatbundesland Oberösterreich im ersten Halbjahr den Ländervorsitz im Bundesrat. Genau dieses Motto Gemeinsam Zukunft gestalten ist, denke ich, eine Chance für uns, Themen, die uns in Oberösterreich beschäftigen, Themen, die wir vorantreiben wollen, Themen, mit denen wir etwas bewegen wollen, hier in die Bundesebene herein­zu­tragen.

Gemeinsam die Herausforderungen anzunehmen und an Lösungen zu arbeiten hat uns in Oberösterreich als Bundesland besonders stark gemacht. Unser Landeshaupt­mann Thomas Stelzer führt unser Land, indem er die Menschen und die Themen zusammenbringt, denn ein gemeinsames Arbeiten an diesen Themen verbindet die Politik mit den Menschen und soll ihnen auch weiterhelfen.

Wir haben gezeigt, da wird keine Politik betrieben, die sich mit sich selbst beschäftigt. Gerade das vergangene Jahr mit all seinen Turbulenzen hat uns gezeigt, dass wir in Oberösterreich die Sachpolitik in den Vordergrund stellen, stellen wollen und auch stellen können und für die Menschen in unserem Land arbeiten. Dafür sind wir auch gewählt und das ist für uns ein klarer Auftrag.

Wir sind für eine Politik mit Anstand, Verantwortung und Zusammenarbeit und setzen diese dann auch gemeinsam um. Die Menschen müssen Vertrauen haben können, dass wir als Verantwortungsträger die Probleme erkennen, nach Lösungen suchen und auch vorausschauend handeln.

Mit der neuen Bundesregierung sind die Voraussetzungen einer guten Zusam­men­ar­beit wieder gegeben. Ich bin der Meinung, dass eine starke Republik auch starke Bundesländer braucht, die mit stabilen Rahmenbedingungen gemeinsam an einer Weiterentwicklung und an der Lösung wichtiger Zukunftsfragen arbeiten können.

Sicherlich ist das Wechselspiel zwischen Bund und Ländern – das System des Föde­ralismus – für beide Seiten sehr fordernd, es ermöglicht uns aber, dass Themen mög­lichst vor Ort mit Hausverstand gemeinsam geregelt und Probleme nahe bei den Men­schen gelöst werden können.

In Oberösterreich wurde im heurigen Jahr 2020 sehr bewusst ein besonderer Schwer­punkt auf die Themen Arbeit und Standort gelegt. Bei einer Wirtschaftsentwicklung, die sich vermutlich wieder etwas verlangsamen und normalisieren wird, ist es notwendig, ein solides Umfeld für unsere Unternehmen in Oberösterreich zu bewahren und beson­ders auch die Arbeitsplätze in den Regionen abzusichern.

Die Arbeit zu den Menschen bringen und nicht umgekehrt ist unser Motto. Unser Ziel ist eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, die nicht alleine von Wachstumszahlen ge-


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 19

prägt ist, sondern die auch die Regionen belebt und dabei diese und die Menschen, die dort wohnen, stärkt. Die Bereiche Forschung, Infrastruktur und Klimaschutz sollen wei­ter forciert und es soll in sie auch investiert werden.

Ich denke, eine Chance im Zusammenhang mit der aktuellen Klima- und Nachhaltig­keitsdebatte liegt in einer aktiven Landwirtschaft. Die Landwirtschaft in Oberösterreich steht für Vielfalt und Qualität in der Produktion. Unsere 33 000 bäuerlichen Familien­betriebe wirtschaften in und mit den Kreisläufen der Natur und des Lebens und somit von Natur aus nachhaltig. Gerade beim Thema Klimaschutz, so sehe ich es, ist die Landwirtschaft nicht das Problem selbst, sondern ein Teil der Lösung. Durch die landwirtschaftlich genutzten Flächen – unsere Äcker, unsere Wiesen, unsere Wälder, die wir aktiv bewirtschaften – wird dreimal mehr CO2 gebunden als entsteht.

Gerade durch ihre verantwortungsvolle Arbeit sichern unsere bäuerlichen Familien­be­triebe, unsere Bäuerinnen und Bauern, die Versorgung mit Lebensmitteln, die täglich auf unseren Tisch kommen. Daher, so denke ich, verdienen unsere Bäuerinnen und Bauern nicht den billigsten Preis für ihre Produkte und ihre Leistungen, sondern ein faires Einkommen und eine ehrliche Wertschätzung ihrer Arbeit! (Beifall bei ÖVP, FPÖ und Grünen.)

Wir müssen wissen: Preisdumping und Aktionismus im Handel mit unseren heimischen Lebensmitteln kommen uns und vor allem der Umwelt mittelfristig sehr teuer zu stehen.

Nicht nur die Landwirtschaft trägt im Bereich Klima- und Umweltschutz Verantwortung, auch die Nutzung der nachhaltigen und erneuerbaren Energiequellen sind Teil der Lösung. Oberösterreich ist, wie Österreich generell, reich an Ressourcen und teil­weise – wie wir gehört haben – sogar international führend bei der Energieeffizienz und der Nutzung erneuerbarer Energien, wie zum Beispiel aus Biomasse, Sonnenkraft und Wasserkraft. Diese soll in den nächsten Jahren weiter ausgebaut werden. Ökonomie und Ökologie sind kein Widerspruch, wie unser Präsident bereits angesprochen hat, sondern sollen Hand in Hand gehen können. Dafür gibt es – auch in Oberösterreich – wirklich viele gute Beispiele.

Eine wesentliche Rolle spielen auch die Veränderung der Mobilität und der Ausbau der Infrastruktur in unserem Land. Um den weiteren Ausbau der Infrastruktur und der Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs werden wir nicht umhinkommen, besonders wichtig ist es, die Ballungszentren und die Hauptverkehrsrouten in unserem Land zu entlasten. Im Gegensatz dazu sind in unseren ländlichen Gebieten die Straße und das Auto besonders für Familien, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehr oft einfach notwendig und ein wichtiger Teil der Mobilität, denn es können nicht in jedes entlegene Dorf und in die peripheren Gebiete Schienen führen oder stündlich Linienbusse fahren.

Im Bereich des Güterverkehrs ist für uns auch die Lenkung und der sorgsame Ausbau der Transitrouten enorm wichtig, damit Ballungsräume nicht im Verkehr ersticken und Pendler auf dem Weg in die Arbeit nicht unnötig Zeit verlieren. Dazu brauchen wir auch die Unterstützung der Bundesebene.

Weiters möchte ich noch auf einen besonderen Schwerpunkt – den auch unser Herr Landeshauptmann angesprochen hat –, nämlich die Pflege, und auf einen für mich auch sehr wichtigen Punkt, die Generationen, eingehen. Es gibt ein klares Bekenntnis zu unserer christlich-sozialen Verantwortung: dass wir jenen helfen, die auch wirklich unserer Hilfe bedürfen. Es ist unsere Pflicht, für die Schwächeren und Benachteiligten in unserer Gesellschaft zu sorgen, die nicht beziehungsweise nicht mehr so viel leisten können. Es muss für jene, die ein Leben lang gearbeitet, für sich und auch für andere gesorgt und etwas geleistet haben, gewährleistet sein, dass ein Altern in Würde mög­lich ist.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 20

Ich bin sehr froh, dass die Themen Pflege, Familien und Generationen auch im Re­gierungsprogramm stark verankert sind. Die Familie ist meiner Meinung nach mit all ihren Generationen die Keimzelle unserer Gesellschaft. Die Pflege und Obsorge von Personen egal welchen Alters oder auch von Personen mit Beeinträchtigungen erfolgt größtenteils in der Familie (Bundesrätin Schumann: Von den Frauen ...!) – natürlich auch außerhalb von ihr – und genau dort sind unsere Entlastung und unsere Unter­stützung notwendig. Diese wertvolle Arbeit müssen wir anerkennen und schätzen ler­nen. (Beifall bei der ÖVP sowie der BundesrätInnen Schartel und Schererbauer.)

Wir haben es schon gehört: Die damit verbundenen Herausforderungen, wie zum Bei­spiel das Personal, die Ausbildung, aber auch die damit verbundene, wirklich notwen­dige Finanzierung dürfen nicht allein an den Ländern hängenbleiben. Da müssen wir gemeinsam an Lösungen arbeiten.

Diese von mir angesprochenen Aufgaben und Herausforderungen – und noch viele mehr – stehen uns bevor und müssen vorausschauend und mit Vernunft angegangen werden. Dazu ist es notwendig, dass wir die Chancen sehen, dass wir klug investieren, nachhaltig wirtschaften und den Menschen und dem Land keine neuen Schulden aufbürden. Wir, die politisch Verantwortlichen, werden an unseren Taten gemessen und nicht an den Worten und Ankündigungen, die wir von uns geben.

Unser Selbstverständnis als Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher, unser Bun­des­land zum Land der Möglichkeiten zu machen, soll auch für dieses erste Halbjahr mit Oberösterreich als Vorsitzbundesland hier im Bundesrat gelten. Gemeinsam wollen wir Österreich zum Land der Möglichkeiten machen, denn nur gemeinsam können wir die Zukunft unseres Landes, die Entwicklung der Regionen gestalten. Wir wollen gemeinsam mit den Menschen das machen, was dem Land guttut.

In diesem Sinne bedanke ich mich nochmals herzlich für den gelungenen gestrigen Oberösterreichabend, er war wirklich ein sehr guter Startschuss für das kommende Halbjahr. – Bei dir, Herr Landeshauptmann, möchte ich mich sehr herzlich für deinen Besuch und deine Worte bedanken. Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der FPÖ.)

9.57


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dominik Reisinger. Ich erteile dieses.


9.58.02

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Zu Beginn darf ich die Gelegenheit nutzen, Ihnen, sehr geehrter Landeshauptmann, zum Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz zu gratulieren und für diese Aufgabe alles Gute und Erfolg wünschen – Erfolg im Sinne des Titels Ihrer heutigen Erklärung hier im Bundesrat: „Miteinander Zukunft gestalten“.

Diese drei aneinandergereihten Wörter lassen je nach Interessenlage eine Unmenge an Interpretationsspielräumen hinsichtlich Themen und Arbeitsfeldern sowie vor uns liegenden Herausforderungen zu. Zerlegt man den Slogan aber in seine Einzelteile, wird der Spielraum schon etwas enger.

Das Wort miteinander zum Beispiel gibt klar vor, dass es keine Einbahnstraße sein kann: Miteinander heißt gemeinsam, heißt Bündelung aller Kräfte. Nicht der Bund, nicht die Länder, nicht die Städte und Gemeinden können in Alleinunterhaltermanier die so vielschichtigen Lebensbereiche der Menschen in unserem Land bedienen. Viele der Herausforderungen, die uns in der Lebensrealität der Menschen begegnen, sind


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 21

eben nur gemeinsam und miteinander zu bewältigen. Da fällt mir als Beispiel gleich der große Themenkomplex Pflege ein; dazu aber später noch mehr.

Dann haben wir noch das Wort Zukunft: Der Fokus ist da ganz klar auf das vor uns Liegende gerichtet; da braucht es den Mut, auf Basis der Erfahrungen Bewährtes beizubehalten und allenfalls weiterzuentwickeln, oder wenn es notwendig ist, völlig neue Wege zu gehen. Dabei wird es auf die richtige Mischung ankommen: Gutes bewahren, wo es funktioniert, und Neues vorantreiben, wo es notwendig ist.

Um das Wortspiel zu beenden, komme ich nun zum Gestalten. – Nur wer das Gefühl hat, sich aktiv einbringen zu können, wird und will ein wichtiger Teil des Ganzen sein. Freiräume, Selbst- und Mitbestimmung, ernst genommen werden, das sind die Zauber­wörter einer funktionierenden Gesellschaft, und nur so wird es auch möglich sein, aus dem unendlich großen Potenzial der besten Ideen zu schöpfen.

Beim Thema Gestalten denke ich als Bürgermeister in erster Linie an die Gemeinden und folglich an unsere ländlichen Regionen, das ist nämlich der unmittelbare Lebens­raum, den die Menschen als ihre Heimat empfinden. Auch wenn es dort den eigenen Wirkungskreis, die sogenannte Gemeindeautonomie gibt, hat man gar nicht so selten den Eindruck, dass diese niedergeschriebene Selbstbestimmung in der Praxis noch ausbaufähig ist. Regelwerke und Vorgaben der Länder sind das eine, die meist engen finanziellen Gürtel sind das andere.

Das soll jetzt aber bitte nicht heißen, dass jeder tun und lassen kann, was er will, ganz im Gegenteil! Es braucht Aufsicht, es braucht Kontrolle, aber im richtigen Ausmaß. Manchmal scheitert es an der möglichen Nutzung der Spielräume und an deren Aus­legung – und dann ist da noch die Sache mit dem Geld: Alle wollen und brauchen es, keiner hat es, könnte man hier ironisch bemerken. (Beifall bei der SPÖ.)

Ganz so ist es Gott sei Dank nicht, aber ganz klar ist, dass sich die Gemeinden nach einer finanziellen Stärkung sehnen, um ihren Aufgaben, die nämlich ständig mehr werden, gerecht zu werden und ihre Selbstbestimmung auch in materieller Hinsicht leben zu können.

In Oberösterreich hat sich diesbezüglich in den letzten Jahren einiges getan. Mit der Gemeindefinanzierung Neu wurde Transparenz in das System gebracht, und das ist auch gut so, es gibt aber dort und da noch Verbesserungspotenzial. Meines Wissens wird da an einer Evaluierung gearbeitet. Als Gemeindevertreter hoffen wir auf schnelle und gute Ergebnisse, die die Gemeinden auch wirklich spürbar stärken.

Jetzt möchte ich noch drei Themenbereiche ansprechen, die zweifellos zu den großen Herausforderungen der Zukunft gehören.

Erstens – es wurde schon erwähnt – die Pflege: Wir alle kennen die Probleme in der Pflege, die sich exemplarisch auch in meinem Heimatbezirk Rohrbach sehr deutlich zeigen: lange Wartelisten für einen Altenheimplatz bei gleichzeitig leer stehenden Betten, weil das dafür notwendige Personal fehlt und zunehmend auch die Finanzie­rung schwieriger wird.

Was muss geschehen? – Einerseits muss der Pflegeberuf aufgewertet und der Pflege­schlüssel verbessert werden, andererseits müssen bürokratische Hürden durch den Gesetzgeber abgebaut werden. Der Pflegejob bringt eine hohe psychische und körper­liche Belastung mit sich; das Personal braucht Anerkennung und Entlastung. Es ist doch bezeichnend und traurig, wenn in diesen Tagen die Beschäftigten im Pflege­bereich, von denen wir viel zu wenige haben und die wir so dringend brauchen, Kampf­maßnahmen ergreifen müssen, um gehört zu werden.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 22

Ein weiteres finanzielles Problem ist durch den verminderten Mittelfluss als Ersatz für den Pflegeregressentfall entstanden. Da braucht es dringend Nachbesserungen, sonst verursacht das einen Abgang in den Budgets der Gemeinden. Ich weiß, sehr geehrter Herr Landeshauptmann, wir sind naturgemäß nicht immer einer Meinung, aber in diesem Fall sind wir geeint. Sie sind im Kampf ums Geld sehr aktiv; ich kann Ihnen nur wünschen, dass Sie sich nicht abschütteln lassen! (Beifall bei der SPÖ.)

Der zweite Bereich betrifft die hausärztliche Versorgung. – Obwohl wir in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern eine sehr hohe Ärztedichte haben, wird es in der Stadt und am Land immer schwieriger, Nachfolger für die Hausarztpraxen zu finden. Ein zukunftsreicher Ansatz sind da Primärversorgungszentren. Auch in diesem Zusam­menhang ist Oberösterreich Vorbild, nichtsdestotrotz ist es unabdingbar, den Ausbau solcher Zentren flächendeckend voranzutreiben.

Die schwarz-grüne Regierung hat sich meiner Meinung nach wenig ambitioniert 75 solcher Zentren zum Ziel gesetzt – eine Zahl, die schon vor Jahren von der dama­ligen und leider viel zu früh verstorbenen Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser gefordert wurde. In meiner Gemeinde gibt es seit zwei Jahren eine Primärversorgung. Ich kann aus Erfahrung sagen, dass diese moderne Form der Gesundheitsversorgung höchst erfolgreich ist und von den Patientinnen und Patienten sowie von den dort praktizierenden Ärzten und Therapeuten sehr geschätzt wird – umso wichtiger werden der schnelle Ausbau und die finanzielle Unterstützung dieser Initiativen sein.

Als Verkehrssprecher möchte ich als dritten Punkt noch den Ausbau der Infrastruktur ansprechen. Dieser ist nicht nur eine wichtige Maßnahme für den Klimaschutz, er ist auch den Menschen, die leider mehr und mehr Zeit auf der Straße und im Stau ver­bringen müssen, geschuldet. Herr Landeshauptmann, Sie kennen die Situation des öffentlichen Verkehrs in Oberösterreich bestens. Gerade das Mühlviertel ist da, das ist auch belegbar, erheblich benachteiligt. Seit Jahrzehnte warten wir auf die Donau­brücke, seit Jahrzehnte werden Schienenprojekte diskutiert und zig Studien gemacht – die später im Sand verlaufen. Die Situation ist vielerorts unerträglich, das Ende des jahrelangen Stillstands dringend notwendig.

Projekte wie die Modernisierung der Mühlkreisbahn – bitte mit Durchbindung an den Linzer Hauptbahnhof –, die Regiotram nach Gallneukirchen und Pregarten, die Sanie­rung der Summerauerbahn und vieles mehr, liegen auf dem Tisch. Es ist Zeit, sie auch umzusetzen. Die Regierung hat eine Nahverkehrsmilliarde versprochen, ein Teil dieses Geldes muss auch in Oberösterreich ankommen.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, ich ersuche Sie, sich für diese Zukunftsthemen starkzumachen. Es braucht keine Schuldenbremse, es braucht kluge Investitionen in die Zukunft, denn nur das eröffnet Chancen. Wenn Sie mit Ihrem Motto Miteinander Zukunft gestalten die Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verstehen, können Sie sich der Unterstützung vieler Partner sicher sein. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.07


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Thomas Dim. Ich erteile dieses.


10.07.39

Bundesrat Thomas Dim (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrte Gäste auf der Galerie! Lieber Landes­rat Markus Achleitner! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist mir eine große Ehre, zu einer Zeit Mitglied des Bundesrates zu sein, in der mein Heimatbundesland den Vorsitz in diesem Gremium innehat.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 23

Oberösterreich ist einer der Wirtschaftsmotoren in diesem Land und zeichnet sich durch eine sehr hohe Lebensqualität im gesamten Bundesland aus. Oberösterreich ist aber auch geprägt von einer politischen Kultur, in der das Miteinander vor das Tren­nende gestellt wird, einer politischen Kultur, in der alle gewählten Parteien ab einem gewissen Stimmenanteil auch in der Landesregierung vertreten sind und somit Regie­rungsverantwortung übernehmen.

Mir ist schon bewusst, dass vor allem in den Medien sogenannte Konzentrations­regie­rungen oft als antiquiert dargestellt werden, da damit die Auseinandersetzungskultur manchmal etwas schaumgebremst ausfällt. Das wird von manchen Medienvertretern als langweilig empfunden, für unsere politische Arbeit ist es aber durchaus vorteilhaft und ein Erfolgsmodell in vielen Städten und Gemeinden – eben auch im Bundesland Oberösterreich.

Das heißt aber nicht automatisch, dass alle Parteien immer der gleichen Meinung sind. Mit dem Doppelbudget für 2020 und 2021 beispielsweise haben jedenfalls ÖVP und FPÖ gegen die Stimmen der SPÖ und der Grünen sichergestellt, dass in Ober­österreich keine neuen Schulden in diesen Jahren gemacht werden, ja, darüber hinaus auch noch jedes Jahr circa 90 Millionen Euro an Schulden zurückbezahlt werden kön­nen. Unter dem Motto: Chancen schaffen statt Schulden machen, wird Oberösterreich früher als andere Länder vorsorgen können, falls sich die Wirtschaftsentwicklung ein­trüben sollte.

 Auch wird damit für den Fall einer längst überfälligen Zinserhöhung vorgesorgt. Die von der EU und der EZB verordnete Nullzinspolitik hilft den verschuldeten Staaten und Ländern eben nur kurzfristig. Bei ständig steigenden Kapitalerfordernissen der Banken müssen diese à la longue auch über Zinsspannen gedeckt werden können, denn mittels Einsparungen allein und mittels Gebühren, die letztendlich wieder der Konsu­ment zu tragen hat, wird es nicht gehen. Ein weiterer Rettungsschirm für die Banken, der wieder aus Steuermitteln zu finanzieren sein wird, wäre die Folge.

Auch ein anderer Aspekt – und damit komme ich wieder auf unser Bundesland zu sprechen – ist bei der vorgegebenen Nullzinspolitik zu beachten: Baugründe werden für sozialen Wohnbau, aber auch für den kleinen Häuslbauer unerschwinglich. Es gibt in Oberösterreich gut 61 000 Hektar gewidmetes Bauland. Nicht einmal die Hälfte davon ist verbaut, aber größtenteils erschlossen. Gewidmetes Bauland zu erwerben ist beinahe ein Ding der Unmöglichkeit, aus Sicht der möglichen Verkäufer ist das aber auch verständlich: Was sollen sie mit dem Geld dann auch tun? Auf der Bank und auf dem Sparbuch wird es nach Abzug der Inflationsrate jährlich weniger. Die Folge: Grünland wird umgewidmet, und die Aufschließungskosten zahlt zum Großteil wieder der Steuerzahler, und das ist ökologischer Wahnsinn!

Ich bin zu einem geringen Teil ja sogar froh, dass die Grünen jetzt in der Regierung sind. Es geht nicht nur um Worte – wir haben das Bibelzitat heute schon gehört: „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen!“ –, dennoch erfüllt mich die Botschaft, dass eine zusätzliche Milliarde für den Nahverkehr im ländlichen Raum zur Verfügung stehen soll, mit einem gewissen Gefühl der freudigen Erwartung. In meiner Heimatstadt Ried im Innkreis warten wir seit vielen Jahren auf eine Modernisierung des Bahnhofes. Unser Bahnknotenpunkt ist der einzige in ganz Österreich, bei dem man noch immer über die Gleise gehen muss, um zum Zug zu kommen. Das ist nicht nur gefährlich, sondern für Kinderwägen oder Rollstühle auch eine schwer zu überwindende Barriere. Von der Elektrifizierung der Bahnlinie Neumarkt–Braunau–Attnang–Schärding träumen wir seit Jahrzehnten; damit könnte man, ohne umzusteigen, auch unsere Landes­haupt­stadt aus dem Innviertel erreichen. Bei uns fahren immer noch die Dieselloks.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 24

Wenn es dann heißt, dass vermutlich die geringe Zahl an Fahrgästen die Investitionen nicht rechtfertigen würde, kann ich dem nur entgegenhalten, dass vermutlich die Haltestellen am falschen Platz sind. Alleine auf der Strecke Ried–Schärding fährt der Zug direkt an mehreren Großbetrieben vorbei. Die Mitarbeiter können ihrem Arbeits­platz zuwinken, aber dort nicht aussteigen; das geht erst in ein paar Kilometern Entfer­nung. Bedarfsgerechte Haltestellen wären vielleicht die Lösung, denn sonst bleibt es beim jetzigen Zustand: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fahren im Individualverkehr mit dem Auto zur Arbeit und die Bewohner der Durchfahrtsgemeinden ersticken in der täglichen Blechlawine. (Beifall bei der FPÖ.)

Wie gesagt: An den Taten werden wir die Grünen messen, und in diesem Zusam­menhang darf ich noch einen besonderen Aspekt bemerken: Investitionen für die Bevölkerung in Oberösterreich dürfen nicht daran scheitern, dass in der Bundes­regierung eine grüne Ministerin für die Infrastruktur zuständig ist und in Oberösterreich ein freiheitlicher Landesrat. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!) Wir werden sehr genau hinsehen, ob es um parteipolitische Befindlichkeiten oder um die Sache selbst geht. Parteipolitisches Kalkül hätten wir uns in Oberösterreich nicht ver­dient, und die Bundesregierung steht dahin gehend unsererseits unter besonderer Be­obachtung. (Beifall bei der FPÖ.)  

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf erinnern: Oberösterreich ist geprägt von einer politischen Kultur, in der das Verbindende vor das Trennende gestellt wird. Wir sind gewohnt, dass alle Parteien lösungsorientierte Sachpolitik betreiben, und das wünsche ich mir auch in den nächsten Monaten hier im Bundesrat. (Beifall bei der FPÖ.)

10.14


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr dieses.


10.14.59

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehr­ter Herr Landeshauptmann Stelzer! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie! Liebe Zuseher via Livestream! Bevor ich jetzt mit meiner Rede anfange, wollte ich noch ganz kurz ein Wort an die Kollegen von der FPÖ richten: Unsere Umweltministerin schaut natürlich auf ganz Österreich und lässt Oberösterreich nicht aus, insbesondere betreffend den öffentlichen Verkehr! (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Steiner: Das werden wir erst sehen! – Bundesrätin Mühlwerth: Jetzt reden wir aber von Oberösterreich!)

Bevor ich gestern nach Wien aufgebrochen bin, haben wir in der Familie ein bisschen geredet. Ich habe einen 22-jährigen Sohn, und den habe ich gefragt: Was schätzt du eigentlich persönlich an Oberösterreich? – Wie ich meinen Sohn so kenne, hätte ich erwartet, dass er etwas über KTM und über den Standort sagt, denn er ist ein begeis­terter Motorsportler, aber er hat mich überrascht und hat, ohne lange nachzudenken, gesagt, dass er es schätzt, dass er als Lehrling in Oberösterreich so großartige Möglichkeiten bekommen hat. Dann ist es aus ihm herausgesprudelt, und er hat ge­sagt, dass er jetzt nach seiner Lehre fantastische Berufschancen hat: Er hat Aufstiegs­chancen in der Firma, er kann ein Auslandsjahr absolvieren, und er wusste mir zu berichten: Oberösterreich ist das Lehrlingsland Nummer eins. – Das ist tatsächlich so! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Mein Sohn konnte bei einem großen oberösterreichischen Familienunternehmen eine Lehre abschließen und hat so einen sehr guten Grundstein für seinen weiteren Le­bensweg gelegt. – Das führt mich schon dazu, dass ich von wichtigen Grundstein­le-


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 25

gungen und Erfolgen in der zwölfjährigen Regierungszusammenarbeit zwischen ÖVP und Grünen in Oberösterreich berichten möchte. Von diesen Projekten möchte ich jetzt einige kurz erwähnen. Es gibt ja nun auch auf Bundesebene ein ambitioniertes Regierungsprogramm, dessen Umsetzung uns 2040 zur Klimaneutralität führen wird.

Oberösterreich ist meiner Meinung nach ein Vorreiter hinsichtlich eines Green Deal, der nachhaltige Verbesserungen für Mensch, Tier und Umwelt bewirkt hat. Ein ganz wesentlicher Punkt dabei ist die Energiewende. Schon im Jahr 2015 haben sich in Oberösterreich 200 Gemeinden und 17 Regionen dem Ziel der Energiewende, weg von Öl und Gas, hin zu erneuerbaren Energien, verschrieben. Über 60 Prozent aller Haushalte heizen mit Ökowärme, das Ende der Ölheizung ist da. Über 80 Prozent des Stroms in Oberösterreich stammen aus erneuerbaren Energien.

Ein weiterer, ganz wesentlicher Punkt ist: Oberösterreich bleibt gentechnikfrei. Der grüne Widerstand in der europäischen Landwirtschaft hat sich gelohnt. Im Jahr 2003, das jetzt doch schon einigermaßen lange zurückliegt, wurde auf Initiative des Landes Oberösterreich und der Toskana das Netzwerk der gentechnikfreien Regionen Europas gegründet. Nach jahrelangem Ringen ist schlussendlich auch die Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechtes gelungen.

Ökojobs als Arbeitsplätze mit Zukunft: 45 000 grüne Jobs gibt es in Oberösterreich, das ist der Spitzenwert in Österreich. Arbeitsplätze und Wohlstand zu sichern ist eine Kernaufgabe der Politik. Grüne Politik bedeutet, durch verantwortungsvolles Wirtschaf­ten Arbeitsplätze zu schaffen. Es wurde heute schon mehrfach erwähnt, und da schließe ich mich an: Arbeitsplätze, Wohlstand, aber auch Verantwortung und ökolo­gisches Bewusstsein sollen die Kernthemen sein.

Wogegen wir in Oberösterreich auch zu kämpfen hatten: Hochwasser. – 600 Hochwas­serschutzprojekte wurden in Oberösterreich verwirklicht, und diese großen Investitio­nen wurden auch aufgrund der Veränderung der klimatischen Verhältnisse mehr als notwendig, um die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten.

Worauf ich auch als Gemeindepolitikerin besonders stolz bin: Wir haben in Ober­öster­reich eine Mitmachdemokratie. Das war auch ein Schwerpunkt grüner Regierungs­arbeit. Mehr als 500 000 Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher leben in Gemein­den, in denen aktive Gestaltung großgeschrieben wird. Es gibt zahlreiche Energie­spargemeinden, Klimabündnisgemeinden und Agendaprozesse, und das trägt zu einer nachhaltigen Verbesserung der Lebensqualität bei.

Jetzt komme ich zu einem mir persönlich ganz wichtigen Punkt, denn ich lebe am Attersee: Es geht um das Thema der öffentlichen Seezugänge, die sehr rar sind, und gerade in Zeiten der immer heißer werdenden Sommer ist es sehr wichtig, dass die Menschen Erholung in der Nähe finden. Im Hinblick darauf ist es mit grüner Beharr­lichkeit gelungen, in Oberösterreich in der Landesverfassung zu verankern, dass der freie Zugang zu Seen und Naturschönheiten für die Öffentlichkeit sicherzustellen ist.

Das ist nur ein sehr kleiner Ausschnitt dessen, was mit grüner Regierungsbeteiligung möglich ist. Für mich ist das der beste Beweis, dass der Green New Deal nun auch auf Bundesebene – mit sichtbarer grüner Handschrift – vorangetrieben werden kann.

Abschließend möchte ich noch einmal auf meinen Sohn zu sprechen kommen, der die Möglichkeit hatte, in Oberösterreich eine Lehre zu machen. Genau das hat unser langjähriger Landesrat und jetziger Sozialminister Rudi Anschober mit seiner Initiative Ausbildung statt Abschiebung, von Oberösterreich ausgehend, für über 800 junge Menschen aus Drittstaaten möglich gemacht.

In Zeiten eines Mangels an Fachkräften – auch das haben wir heute schon mehrfach gehört; sei es im Tourismus, sei es in der Pflege, eigentlich überall, wir haben einen


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 26

unbestrittenen Fachkräftemangel – würde ich mir wünschen, dass wir solche Initiativen fortführen, erweitern und jungen geflüchteten Menschen ermöglichen, nach dem Abschluss ihrer Lehre weiterhin in Österreich zu bleiben.

Für mich gilt es, diese grünen Wege weiterzugehen und so eine gute Zukunft für alle Menschen zu gestalten. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

10.21


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Andrea Holzner. Ich erteile es ihr.


10.21.23

Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Werte Zuseher auf der Galerie und vor den Bildschirmen zu Hause! Und heute, an diesem besonderen Tag für unser Bundesland: Liebe Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher! Vor ein paar Tagen ist das Sturmtief Sabine über uns hinweggefegt, und ich möchte an dieser Stelle den Feuerwehrleuten für über 1 300 Einsätze danken. Überhaupt ist es großartig, dass in unserem Bundesland so viele Menschen ehren­amtlich tätig sind. (Allgemeiner Beifall.)

Über 56 Prozent der Oberösterreicher über 16 Jahre setzen sich freiwillig für unsere Gesellschaft ein und machen unser Land somit lebens- und liebenswerter. Wie die Seer in „Hoamatgfühl“ singen: „es is des Land des san die Leut“.

Geschätzter Herr Landeshauptmann! Dies ist eine gute Gelegenheit, unser Bundes­land Oberösterreich heute im Bundesrat zu präsentieren. Herzlichen Dank, dass du zu uns gekommen bist. Oberösterreich ist nun gewissermaßen für ein halbes Jahr Sprachrohr der Bundesländer, und ich bin mir sicher, dass unser Herr Landeshaupt­mann als überzeugter Föderalist diese Aufgabe engagiert und zielorientiert wahrnimmt.

Wir gestalten miteinander Zukunft. Dabei stellt der Bundesrat eine Schnittstelle zwi­schen Bund und Ländern dar. Wir Bundesräte kennen unser Zuhause, unsere Ge­meinden, unsere Regionen, und wir bringen die Interessen unserer Länder in die Bun­desgesetzgebung ein.

Ich darf mein Oberösterreichbild aus Sicht einer Grenzgängerin zeichnen. Ich komme aus dem Bezirk Braunau mit den Grenzflüssen Inn und Salzach zum benachbarten Bayern. Ich bin Bürgermeisterin in der Gemeinde Tarsdorf, ich habe an der TU München, Weihenstephan, Agrarwissenschaften studiert und dort meinen Mann kennengelernt. Wir haben zu Hause eine Tischlerei gegründet. Ja, es war für ihn gar nicht so einfach, mitzugehen, in ein Land, das damals noch nicht in der Europäischen Union war, in einen Bezirk, der strukturschwach ist, aber er ist trotzdem mitgegangen. Braunau ist dann zum 5b-Fördergebiet geworden – das kann man sich heute gar nicht mehr vor­stellen –, wodurch der Bezirk und überhaupt das ganze Innviertel eine beispiellose Aufholjagd hinlegen konnte. Heute sind unsere Firmen mit Hightechprodukten oft Vor­reiter auf dem Weltmarkt – und das in einem starken Bundesland, das der Wirt­schafts­motor der Republik ist. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schererbauer.)

Wie der Herr Landeshauptmann schon gesagt hat: Wir sind Industriebundesland. Linz ist eine der saubersten Industriestädte in ganz Europa. Das geht nur in einem Mitei­nander von großen und kleinen Unternehmen, Arbeitgebern, Politik, Forschung und Wissenschaft. Passend dazu der Leitspruch unserer Kammerpräsidentin Doris Hummer: „Wirtschaft ist unteilbar.“ Es kann uns nur in einem Miteinander gelingen, den Standort auch für Zeiten abzusichern, in denen die Konjunktur vielleicht nicht ganz so rosig ist.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 27

Es kann nur miteinander gelingen – mit Ballungszentren und ländlichem Raum –, und ich freue mich sehr, dass heute die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirt­schafts­standort bei uns im Bezirk ist und meine Bürgermeisterkollegen trifft – ich selber kann leider nicht dabei sein –, denn unsere Betriebe brauchen eine gescheite Infra­struktur, Straßen, Verkehrslösungen und Datenverbindungen. Nur bei entsprechender Lebensqualität auf dem Land werden wir die Mitarbeiter in unseren Betrieben halten können. Auch wir Menschen auf dem Land wollen an gesellschaftlichen Entwicklungen teilhaben und diese aktiv mitgestalten.

Wir Bürgermeister sind ja in gewisser Weise Seismografen: Wir spüren sehr schnell, was für die Menschen wichtig und notwendig ist und welche Änderungen es gibt. So begrüßen wir das Maßnahmenbündel der Bundesregierung und des Landes Ober­österreich, um ein Altern in Würde sicherzustellen, sowie die Initiativen im Gesund­heitsbereich – Kollege Reisinger hat es schon skizziert –, zum Beispiel die Primärver­sorgungszentren, von denen wir uns sehr viel versprechen, sehr.

Auch noch ein paar Worte zur Landwirtschaft: Oberösterreich liegt bei der Erzeugung von Milch sowie von Rind- und Schweinefleisch österreichweit an erster Stelle, Ober­österreich ist somit auch Agrarbundesland. Unsere Bäuerinnen und Bauern pflegen nachhaltig unsere schöne Kulturlandschaft – mit ein Grund, warum sich Gäste aus dem In- und Ausland in unserem Genussland Oberösterreich sehr wohlfühlen.

Oberösterreich ist Tourismusland, Industrieland, Agrarland, Kulturland und auch noch Lehrlingsland. Sie sehen, Oberösterreich ist vielfältig, und es ist gute oberöster­reichi­sche Tradition, wie meine Vorredner schon festgestellt haben, einen gemeinsamen Weg zu suchen. Da lernt man, sich zu vernetzen, und das ist eine gute Grundlage, um Vertrauen zu bilden und Neues zu wagen. Es wird zum Beispiel durch die digitale Transformation – da stecken wir eh schon mitten drinnen –, durch künstliche Intelligenz oder durch den Klimawandel noch einiges auf uns zukommen.

Ich darf abgewandelt und sinngemäß einen Schweizer Professor für Biolandbau zitie­ren: „Die einzig unerschöpfliche Ressource ist nämlich das menschliche Gehirn und Wissen. Dazu gehört die jahrhundertealte [...] weiter gegebene Erfahrung. Gleichzeitig auch das explodierende Wissen aus der Forschung.“

Seien wir deshalb traditionell und topmodern gleichzeitig, wenn wir neue Antworten auf neue Fragen suchen! „Hoamatgfühl“: wissen, wo wir herkommen, wer wir sind, und dass wir miteinander gut gerüstet in die Zukunft gehen. – Das ist es, was ich uns allen wünsche. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Schererbauer.)

10.27


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Bettina Anna Lancaster. Ich erteile ihr dieses.


10.27.51

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Geschätzte Kollegen und Kollegin­nen des Bundesrates! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie und via Live­stream! Sehr geehrter Herr Präsident, ich gratuliere Ihnen ganz herzlich zur Über­nahme der Präsidentschaft und wünsche uns gemeinsam ein erfolgreiches Halbjahr im Bundesrat.

Zum Thema Miteinander Zukunft gestalten wurde heute von dieser Stelle aus schon viel referiert. Die drei Säulen der Nachhaltigkeit – Ökologie, Soziales und Ökonomie – wurden ausreichend, obwohl unterschiedlich, adressiert. Je nach ideologischer Aus-


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 28

rich­tung lassen sich unterschiedliche Prioritäten bei der Gewichtung der einzelnen Säulen erkennen. Das ist Demokratie und auch gut so.

Dazu eine wissenschaftliche Gewichtung – ich zitiere aus dem Buch „Plus zwei Grad“ von Helga Kromp-Kolb und Herbert Formayer –: Die drei Komponenten der Nach­haltigkeit sind keinesfalls äquivalent, sondern haben eine ganz klare Hierarchie: Ökolo­gie zuerst, denn das ist die Lebensgrundlage, dann das Soziale, denn es macht das Leben lebenswert. Das Wirtschaftliche ist lediglich ein Hilfsmittel in der Organisation des Sozialen und sollte als Mittel zur Einhaltung der ökologischen Grenzen gestaltet werden. – So weit das Zitat. Ich nehme an, die Mehrheit im Sitzungssaal sieht dies zurzeit noch anders.

Eine weitsichtige Politik ist mehr denn je gefragt, das Miteinander ein wesentlicher Gelingensfaktor, sonst wird der notwendige Systemwandel für ein gutes Leben auf der Strecke bleiben, destruktive Kräfte werden überhandnehmen und Ängste geschürt werden.

Der Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Universitätsprofessor Marcel Fratzscher, zeichnet ein positives Bild für unsere Zukunft. Für Marcel Fratzscher ist wichtig, mit vermeintlichen Tabus zu brechen. In Zeiten, in denen es viele Heraus­for­derungen gibt, um unsere Gesellschaft zukunftsfest zu machen, brauchen wir eine Investitionsoffensive und kein Festhalten an der schwarzen Null.

Von der Verkehrsinfrastruktur bis hin zur digitalen Infrastruktur braucht es kluge Inves­titionen. Investitionen im Bereich der Innovation und der Bildung sind zentral, um im internationalen Wettbewerb nicht ins Hintertreffen zu geraten. Für mich als Sozial­demokratin hat natürlich die Säule Soziales Priorität. Ich setze auf eine Inves­titions­offensive im Bereich Bildung. Wir verlieren nach wie vor viele Kinder am Weg zu einem Lehrabschluss oder zu einem hochwertigen Schulabschluss wie der AHS-Reife­prüfung. Wir brauchen jede und jeden Einzelnen. Auf dieses gemeinsame gesell­schaft­liche Ziel ist unser System aber noch nicht abgestimmt, sagte unser oberöster­reichi­scher Klubchef der SPÖ Makor kürzlich. Bildung ist eine Grundvoraussetzung für die Verbesserung der Lebensqualität und Basis für ein gutes Leben. Investieren wir in unsere Schulen und Kindergärten, gestalten wir attraktive Lernräume für unsere Kinder und zeitgemäße Arbeitsplätze für unsere Pädagogen und Pädagoginnen! (Beifall bei der SPÖ.)

Dazu bedarf es der breiten Unterstützung der Schulstandortgemeinden, nicht nur punk­tuell für Vorzeigeprojekte, sondern flächendeckend. Lassen wir die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister nicht in überlangen Genehmigungsverfahren wertvolle Zeit verlie­ren, wenn es um die Sanierung von Pflichtschulen und Kindergärten geht! Hier ist ein Miteinander von Ländern und Gemeinden gefragt.

Als nächstes Thema möchte ich auf die Energiewende eingehen. Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen findet breite Unterstützung. Eine umfassende Neu­gestaltung des Elektrizitätssystems steht uns bevor. Die erneuerbare Energie erlaubt es Privatpersonen, Kleinbetrieben und so weiter, zu dezentralen Energieproduzenten zu werden. Lokale Selbstorganisation wird gefördert und innovative Potenziale für die Ener­giewende werden geliefert.

Bei der Neugestaltung des Elektrizitätssystems ist neben der Entwicklung von neuen Wirtschaftsmodellen und der Errichtung von Anlagen auch die Innovationskraft bei der Entwicklung von neuen Speicher- und Leitungsinfrastrukturtechnologien gefragt. Mein Anliegen: Investieren wir in die Entwicklung von intelligenten Stromnetzen, deren Leis­tung durch Vernetzung optimiert wird und die in der Erde liegen!


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 29

Letztes Thema: Zukunft ländlicher Raum – mein persönlicher Lebensraum. Wer den kleinstrukturierten ländlichen Raum erhalten und fördern will, muss die Attraktivität erhöhen. Dazu gehören Vorleistungen wie eine umfassende Gesundheitsversorgung. In Abstimmung mit dem extramuralen Bereich sollte ein dichtes Netz für die Ver­sorgung mit medizinischen Leistungen gewebt werden. Dieses soll natürlich auch Großgeräte beinhalten. Jetzt sind Einwohnerrichtwerte und Erreichbarkeit in Minuten ausschlaggebend für die Ausstattung mit einem Großgerät. Für ein Magnetresonanz­tomografiegerät gilt: Erreichbarkeit innerhalb von 45 Minuten und ein Einwohnerricht­wert von 70 000 bis 90 000.

Gesundheitsversorgung ist ein wesentlicher Bestandteil der Standortentwicklung, über die heute schon sehr viel gesprochen wurde, mit einer anderen Perspektive. Ländliche Bezirke kämpfen gegen Abwanderung an, Betriebe suchen händeringend nach Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern. Der Bezirk Kirchdorf, mein Heimatbezirk in Oberöster­reich, liegt mit knapp 60 000 Einwohnern unter den bisherigen Richtwerten. Im neuen oberösterreichischen Regionalen Strukturplan Gesundheit 2025 ist wieder kein MR für den Bezirk vorgesehen, weil auch im Großgeräteplan des Österreichischen Struktur­plans Gesundheit keines vorgesehen ist. Stärken wir den Standort ländlicher Raum tatsächlich und überdenken wir die vorliegende Systematik der Großgerätezuteilung in der Gesundheitsversorgung! (Beifall bei der SPÖ.)

Nun zum Schluss: Apropos: Der Versuch, Omas gegen Rechts ins Rechtsextremis­mus­eck zu schieben, ist einfach nicht richtig und wirft ein falsches Bild auf mein schö­nes Bundesland. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.36


Präsident Robert Seeber: Herr Bundesrat Thomas Schererbauer ist zu Wort gemel­det. Ich erteile dieses.


10.36.45

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzter Herr Landeshauptmann! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Industrieland Oberösterreich ist der Motor für Wertschöpfung und Arbeitsplätze von ganz Österreich. Von der Entwicklung unseres Bundeslandes profitiert die gesamte Republik. Die oberösterreichische Industrie, inklusive der indus­trienahen Dienstleistungen, generiert österreichweit 878 000 Beschäftigungs­verhältnis­se und 60 Milliarden Euro an Wertschöpfung. Zweifelsohne kann Oberösterreich als das industrielle Kraftzentrum bezeichnet werden.

Mit 14,11 Milliarden Euro brutto Wertschöpfung in der Sachgüterproduktion ist die oberösterreichische Industrie in etwa gleich groß wie die der Steiermark und Nieder­österreichs zusammen. Vier von fünf oberösterreichischen Regionen sind unter den top zehn aller 35 österreichischen Regionen bei der Wertschöpfung in der produzierenden Industrie. Meine Heimat, das Innviertel, belegt in diesem Ranking den hervorragenden fünften Platz. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Die oberösterreichische Industrie agiert selbstverständlich auch in puncto Nach­haltig­keit vorbildlich. Die Betriebe der Sachgüterproduktion geben pro Jahr 340 Millionen Euro für den Umweltschutz aus, das sind 45 Prozent der gesamten Umweltschutz­aus­gaben der Industrie Österreichs. Mittlerweile kann sich unser Bundesland wirtschaftlich mit Wirtschaftsregionen wie zum Beispiel Oberbayern messen. Im jüngsten EU-Ranking stieg Oberösterreich vom 51. auf den 34. Platz auf – ein toller Erfolg, der uns aber auch vor weitere Herausforderungen stellt.

Etwas Sorge macht mir aber die europäische Dieselphobie, durch die sehr viele Arbeitsplätze in ernsthafter Gefahr sind. 43 Prozent der Beschäftigten sind in der Fahr-


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 30

zeugindustrie beschäftigt. Die Exportquote dieser Branche beträgt 82 Prozent. Für das Exportbundesland Oberösterreich wird die Entwicklung in der Automobilbranche ent­scheidend werden. Unser Anspruch an den Wirtschaftsstandort Oberösterreich ist be­sonders hoch. Ziel ist jedenfalls, Vorreiter zu bleiben.

Auch beim Thema Infrastruktur übernimmt Oberösterreich eine Vorreiterrolle und geht in manchen Bereichen neue Wege. Mit der Infrastrukturoffensive wurde bereits der Turbo zur Verbesserung der Mobilität in Stadt und Land gezündet. Im Rahmen des 750-Millionen-Euro-Programms zur Attraktivierung der oberösterreichischen Regional­bahnen werden in den kommenden Jahren weitere Maßnahmen gesetzt. Gerade bezüglich der Modernisierung des Fuhrparks auf den landeseigenen Regional­bahn­strecken besteht ein sehr, sehr hoher Bedarf. Mit Cleverness und Hausverstand wer­den hierbei neue Wege bei der Beschaffung moderner Schienenfahrzeuge gegangen. Sogenannte Tramtrains sollen künftig auf den Regionalbahnstrecken zum Einsatz kom­men. Geplant ist, dass die neuen Fahrzeuge über die landeseigene Schiene Ober­österreich in einem Beschaffungsverbund mit fünf deutschen Verkehrsunternehmen gekauft werden.

Gegenüber der Beschaffung als Einzelner kostet ein Fahrzeug mit rund 4,5 Millionen Euro etwa 1,2 bis 1,3 Millionen Euro weniger und die Wartungskosten sinken um rund 1 Euro je Kilometer oder um rund 80 000 Euro pro Jahr und Fahrzeug.

Vorerst werden auf diesem Weg 20 Fahrzeuge um 90 Millionen Euro bestellt. Mit diesem Vorgehen werden etwa 25 Millionen Euro eingespart und die Option, weitere Fahrzeuge auf günstigem Weg zu kaufen, bleibt erhalten.

Das neue Mobilitätspaket für den Grenzraum, das eine gemeinsame Verkehrslösung für die Regionen nördlicher Flachgau und Braunau bringen soll – die Entlastung ver­kehrsgeplagter Anrainerinnen und Anrainer, die unter vielen sogenannten Mautflücht­lingen leiden, sektorale Fahrverbote für Lkws und so weiter –, beinhaltet sinnvolle Maß­nahmen, die zu einer positiven Entwicklung des Verkehrsproblems beitragen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch als Sportland ist Oberösterreich in jeder Hinsicht auf der Überholspur. – Herr Landesrat Achleitner, Herr Sportlandesrat (in Richtung Besuchergalerie), schöne Grüße nach oben. Das neue Sportgesetz, die Sportstrategie Oberösterreich 2025, deren zentrale Leitlinien auf Vereinfachung und Deregulierung abzielen, wird die Dach- und Fachverbände in der Landessportorganisation stärken, Gremien reduzieren und die Strukturen im Sport straffen. Es haben bereits auch andere Bundesländer wie Vorarlberg und Wien Interesse an dem neuen, vereinfachten Sportgesetz bekundet.

Weiters macht das Sportland Oberösterreich auch mit Topveranstaltungen von sich reden. Beispiele sind der alljährliche Linz Marathon, die Skisprungevents in Hinzenbach oder der Skiweltcup in Hinterstoder, wo am 28. Februar die Kombination, am 29. Februar der Super-G und am 1. März der Riesentorlauf stattfinden werden. Ja, es gibt aktuell mit Vincent Kriechmayr auch einen Weltklasserennläufer aus Oberösterreich. Das heißt, lieber Kollege Christoph Steiner, dass nicht alle guten Skifahrer aus Tirol kom­men, sondern mittlerweile auch aus Oberösterreich. Sei mir nicht böse, es ist so. Die Steirer betrifft das natürlich auch. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie Heiterkeit bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Nicht zu vergessen sind auch die Erfolge des Lask im Fußball, der vergangenen Samstag im ÖFB-Cup der Mannschaft von Sturm Graz – auf gut Innviertlerisch – gezeigt hat, wo der Bartl den Most herholt. Der neue Sportminister und Vizekanzler, seines Zeichens bekennender Sturm-Graz-Fan, war ja am Freitag als Ehrengast bei der oberösterreichischen Sportgala im Brucknerhaus anwesend – übrigens eine un­glaub­lich tolle Veranstaltung – und hat dort im Interview – der Herr Landeshauptmann


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 31

ist mein Zeuge – tatsächlich auf einen Sieg seiner Mannschaft spekuliert, aber ich glaube, da war eher der Wunsch Vater des Gedankens, denn ausgegangen ist es natürlich für den Lask, wie wir es erwartet haben. (Heiterkeit der BundesrätInnen Mühlwerth und Steiner.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Geschätzter Herr Landeshauptmann! Es gäbe noch viel über dieses wunderschöne Bundesland zu berichten, aber eines lassen Sie mich bitte noch sagen: Es gibt Kellner und Oberkellner, und es gibt Österreicher und Oberösterreicher. – Vielen Dank. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)

10.43


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile es ihm.


10.43.17

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrte Kolle­ginnen und Kollegen! Ich bin gerade gefragt worden: Marco, du bist doch ein Wiener, warum redest du zum Thema Oberösterreich? – Eine Wiener Biografie verweist meis­tens auf diverse Herkünfte, bei mir sind es eben die niederländische und Bad Ischl. Deshalb erlaube ich mir natürlich, über Salz und über Wasser zu sprechen.

Sie haben es auch schon angekündigt: Ich möchte ganz kurz, weil die Entwicklung des ländlichen Raums ja in den letzten Jahren im Zentrum der Bundesratsarbeit stand und auch in den kommenden Jahren stehen wird, einen ganz wichtigen Aspekt, der meiner Meinung nach oft zu wenig betont wird, in den Vordergrund rücken, nämlich die Kultur. Ich glaube, dass Kultur tatsächlich ein ganz wesentlicher Motor für die Entwicklung eines ländlichen Raums ist.

Ich hatte das Glück – gar nicht in meiner Funktion als Politiker, sondern als Unter­neh­mer –, in drei Podcasts Vertreter aller drei Kulturhauptstadtbewerber interviewen zu dürfen, und ich gestehe, dass ich als Bad Ischler natürlich auf Bad Ischl gehofft habe, aber gewettet habe ich auf Dornbirn, Herr Mayer (in Richtung des auf der Besucher­galerie sitzenden Bundesrates a. D. Edgar Mayer). Es waren natürlich drei tolle Konzepte und alle drei hätten den Zuschlag verdient, sowohl Sankt Pölten als auch Dornbirn als auch das Salzkammergut.

Das Salzkammergut ist ausgewählt geworden, und das ist natürlich eine schöne und große Chance, es erzählt viel über eine ewig lange industrielle Geschichte des Salzes, es erzählt eine lange, tausendjährige Geschichte über die Bedeutung des Wassers – auch für den Verkehr –, es erzählt eine wunderbare Geschichte, wie man mit Tradition umgeht und wie man in dieser Tradition aus der heutigen kulturellen Sicht kom­muniziert. Ich glaube, das ist das besonders Schöne an diesem Projekt, und ich möchte Stefan Heinisch und dem ganzen Team der Kulturhauptstadtinitiative ganz herzlich zu diesem großartigen Konzept gratulieren.

Ich möchte das deswegen so sagen, weil in der Berichterstattung, als dann Bad Ischl gewonnen hat, nahezu alle Medienberichte mit Fotos von des Kaisers Geburtstag illustriert worden sind und diese nostalgischen Glückseligkeitsgefühle sehr betont wurden, die ich gar nicht schlechtreden möchte.

Der allererste Satz im Bidbook Bad Ischl lautet im Übrigen: „The Emperor is still dead“. – Der Kaiser ist immer noch tot. Das finde ich eigentlich eine schöne Einleitung, denn er steht natürlich ganz im Zentrum der Aufmerksamkeit. Das Erste, woran man bei Bad Ischl denkt, ist der Kaiser, und mit dem Zusatz, dass er immer noch tot ist, stellt sich sofort die Frage, wie wir jetzt damit umgehen.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 32

Ich glaube, das ist die Quintessenz, warum es so schön ist, dass der Zuschlag für die Kulturhauptstadt an Bad Ischl und die ganze Region gegangen ist.

Ich möchte auch noch etwas anderes betonen: Es sind ja die Steiermark und Oberösterreich, die gemeinsam eine Kulturhauptstadtinitiative ergriffen haben. Damit steht es im Übrigen, nebenbei bemerkt, vier zu null für diese zwei Regionen gegen die anderen Bundesländer – insgesamt bei den Kulturhauptstädten. Gleichzeitig erzählt uns das auch, dass Regionendenken natürlich nicht nur eine Frage der Bundesländer ist, sondern dass Regionen sich über die Bundesländer hinaus definieren und dass wir Regionen immer anders denken können.

Ganz wichtig werden zwei Aspekte sein, die ich jetzt noch in den Vordergrund rücken möchte. Der eine – darüber werden wir später noch diskutieren, und die Kulturhaupt­stadtinitiative wird diesen Aspekt ganz besonders thematisieren – ist die Frage des Overtourism, das ist die Frage, wie man damit umgeht, dass in einen ganz kleinen Ort wie etwa Hallstatt, wo nur 800 Menschen leben, Abertausende Menschen pro Tag kommen. (Zwischenruf des Bundesrates Saurer.) Wer so wie ich am Sonntagabend manchmal im Zug zwischen Bad Ischl und Attnang-Puchheim ist, weiß, dass man da wirklich wie zur Stoßzeit in der U1 in Wien steht, da steht man wirklich mit dem Koffer eng beisammen.

Damit bin ich beim nächsten Thema, das ist natürlich der öffentliche Verkehr. Es wird eine ganz entscheidende Frage sein – auch in Richtung Kulturhauptstadt –, wie man es schaffen kann, dass man am Abend in Gosau eine Literaturveranstaltung besucht und dann am gleichen Abend noch nach Ebensee kommt oder dass man eine Theater­vorstellung in Altaussee besuchen und am nächsten Tag in Strobl sein kann. Das werden ganz entscheidende Fragen für den öffentlichen Verkehr sein, und ich hoffe, dass man sie im Zusammenhang mit der Kulturhauptstadtinitiative auch beantworten kann.

Deswegen komme ich zu meinem Anfangsstatement zurück. Kultur ist ein ganz wich­tiger Motor für die Entwicklung des ländlichen Raums und stellt dann am Ende auch die Frage, wie ich eigentlich dorthin und wieder nach Hause komme. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen, bei BundesrätInnen der ÖVP sowie des Bundesrates Novak.)

10.48


Präsident Robert Seeber: Weitere Wortmeldungen dazu liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist hiermit geschlossen.

Ich bedanke mich herzlichst bei dir, Herr Landeshauptmann, für deine heutige Anwe­senheit hier im Bundesrat. (Beifall bei ÖVP, FPÖ und Grünen sowie bei BundesrätIn­nen der SPÖ.)

10.49.07Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsident Michael Wanner (den Vorsitz übernehmend): Hinsichtlich des Schrei­bens des Bundeskanzlers vom 8. Jänner 2020 betreffend diverse Enthebungen gemäß Art. 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz bei gleichzeitigen Ernennungen gemäß Art. 70 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 77 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz

sowie des Schreibens des Bundeskanzlers vom 31. Jänner 2020 betreffend Enthebung gemäß Art. 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz von Vizekanzler Mag. Werner Kogler von der Funktion als Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport bei gleichzeitiger Ernennung zum Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport,


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 33

Enthebung gemäß Art. 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz von Elisabeth Köstinger von der Funktion als Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus bei gleich­zeitiger Ernennung zur Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus,

Enthebung gemäß Art. 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz von Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. von der Funktion als Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres bei gleichzeitiger Ernennung zum Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten,

Enthebung gemäß Art. 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz von Rudolf Anschober von der Funktion als Bundesminister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsu­men­tenschutz bei gleichzeitiger Ernennung zum Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz,

Enthebung gemäß Art. 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz von Leonore Gewessler, BA von der Funktion als Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie bei gleichzeitiger Ernennung zur Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie,

Enthebung gemäß Art. 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz von Mag.a (FH) Christine Aschbacher von der Funktion als Bundesministerin im Bundeskanzleramt bei gleich­zeitiger Ernennung zur Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend,

Enthebung gemäß Art. 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz von Dr.in Alma Zadić, LL.M. von der Funktion als Bundesministerin für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz bei gleichzeitiger Ernennung zur Bundesministerin für Justiz,

Enthebung gemäß Art. 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz von Mag.a Ulrike Lunacek von der Funktion als Staatssekretärin im Bundesministerium für öffentlichen Dienst und Sport bei gleichzeitiger Ernennung zur Staatssekretärin im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport,

Enthebung gemäß Art. 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz von Dr. Magnus Brunner, LL.M. von der Funktion als Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innova­tion und Technologie bei gleichzeitiger Ernennung zum Staatssekretär im Bundes­ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie sowie

der Unterrichtungen des Bundeskanzlers gemäß Art. 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungs­gesetz betreffend Nominierung von Landesrat Mag. Christopher Drexler als ordent­liches Mitglied und von MMag.a Barbara Eibinger-Miedl als stellvertretendes Mitglied im Ausschuss der Regionen für die Periode 2020 bis 2025 sowie

eines Schreibens des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt eines Mitglieds der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung, die dem Steno­graphischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 34

A. Eingelangt sind:

1. Schreiben des Bundeskanzlers

betreffend

Enthebung gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz von Bundes-minis­terin ohne Portefeuille Mag.a Karoline EDTSTADLER bei gleichzeitiger Ernennung gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 77 Absatz 3 Bundes-Verfassungs­gesetz zur Bundesministerin im Bundeskanzleramt

und

Enthebung gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz von Bundes-minis­terin ohne Portefeuille Mag.a (FH) Christine ASCHBACHER bei gleichzeitiger Ernen­nung gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 77 Absatz 3 Bundes-Verfas­sungsgesetz zur Bundesministerin im Bundeskanzleramt

sowie

Enthebung gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz von Bundes-minis­terin ohne Portefeuille MMag.a Dr.in Susanne RAAB bei gleichzeitiger Ernennung ge­mäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 77 Absatz 3 Bundes-Verfas­sungs­gesetz zur Bundesministerin im Bundeskanzleramt (Anlage 1)

bzw.

Enthebung gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz von Vizekanzler Mag. Werner KOGLER von der Funktion als Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport bei gleichzeitiger Ernennung zum Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport

und

Enthebung gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz von Elisabeth KÖSTINGER von der Funktion als Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus bei gleichzeitiger Ernennung zur Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus

und

Enthebung gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz von Mag. Alexander SCHALLENBERG, LL.M. von der Funktion als Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres bei gleichzeitiger Ernennung zum Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten

und

Enthebung gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz von Rudolf ANSCHOBER von der Funktion als Bundesminister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz bei gleichzeitiger Ernennung zum Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

und

Enthebung gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz von Leonore GEWESSLER, BA von der Funktion als Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie bei gleichzeitiger Ernennung zur Bundesministerin für Klimaschutz, Um­welt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie

und


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 35

Enthebung gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz von Mag.a (FH) Christine ASCHBACHER von der Funktion als Bundesministerin im Bundeskanzleramt bei gleichzeitiger Ernennung zur Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend

und

Enthebung gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz von Dr.in Alma ZADIĆ, LL.M. von der Funktion als Bundesministerin für Verfassung, Reformen, Dere­gulierung und Justiz bei gleichzeitiger Ernennung zur Bundesministerin für Justiz

und

Enthebung gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz von Mag.a Ulrike LUNACEK von der Funktion als Staatssekretärin im Bundesministerium für öffentlichen Dienst und Sport bei gleichzeitiger Ernennung zur Staatssekretärin im Bundesminis­terium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport

sowie

Enthebung gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz von Dr. Magnus BRUNNER, LL.M. von der Funktion als Staatssekretär im Bundesministerium für Ver­kehr, Innovation und Technologie bei gleichzeitiger Ernennung zum Staatssekretär im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie (Anlage 2)

2. Schreiben des Bundeskanzlers gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG

Nominierung von Landesrat Mag. Christopher DREXLER als ordentliches Mitglied und von MMag.a Barbara EIBINGER-MIEDL als stellvertretendes Mitglied im Ausschuss der Regionen für die Periode 2020 bis 2025 (Anlage 3)

3. Schreiben der Landtage

Schreiben des Oberösterreichischen Landtages betreffend Mandatsverzichte sowie Wahl eines Mitgliedes und Ersatzmitgliedes (Anlage 4)

Schreiben des Vorarlberger Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes (Anlage 5)

4. Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitglieds­staat der Europäischen Union

Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend

den Aufenthalt von Frau Bundesministerin für EU und Verfassung, Mag.a Karoline EDTSTADLER am 13. Februar in Italien (Anlage 6)

B. Zuweisungen

Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder

(siehe Tagesordnung)

*****


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 36

 

*****

 

 

 


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 37


*****


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 38


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 39

*****


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 40


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 41


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 42


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 43


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 44


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 45

*****


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 46


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 47


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 48

*****


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 49

*****


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 50

*****



BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 51

Vizepräsident Michael Wanner: Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Berichte sowie jener Antrag 270/A-BR, die beziehungsweise der Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind beziehungsweise ist.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände, die Wahl von Ausschüssen, die Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Ständigen gemeinsamen Aus­schusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Ver­fassungsgesetzes 1948 sowie die Wahl eines Ersatzmitglieds in die Parlamentarische Versammlung des Europarates auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Vizepräsident Michael Wanner: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der BundesrätInnen Mag.a Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Angriffe des Bundeskanzlers gegen die Justiz und insbesondere gegen die WKStA“ an den Herrn Bundeskanzler vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus. Im Einvernehmen mit den Frak­tionsvorsitzenden wurde festgelegt, dass der Aufruf der Dringlichen Anfrage um circa 15.30 Uhr erfolgen wird.

*****

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

10.55.441. Punkt

Grüner Bericht 2019 (III-692-BR/2019 d.B. sowie 10281/BR d.B.)


Vizepräsident Michael Wanner: Wir gelangen nun zu Tagesordnungspunkt 1.

Berichterstatter ist Bundesrat Silvester Gfrerer. – Ich bitte um den Bericht.


10.56.09

Berichterstatter Silvester Gfrerer: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Grünen Bericht 2019 für das Wirtschafts­jahr 2018.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss stellt nach eingehender Diskussion den Antrag, den Grünen Be­richt 2019 zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich begrüße Frau Bundesministerin Köstinger recht herzlich bei uns im Bundesrat. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dr. Raggl. Ich erteile es ihm.



BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 52

10.57.01

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Ge­schätzte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Wir dürfen heute über den Grünen Bericht 2019 diskutieren. Ich habe ihn in vorliegender Fassung mit (den Grünen Bericht in die Höhe haltend), damit sich jeder etwas darunter vorstellen kann. Der Grüne Bericht ist eigentlich das umfassende Nachschlagewerk über die Situation der Land- und Forstwirtschaft, wie es auch schon im Titel heißt.

Ich möchte am Beginn einen großen Dank aussprechen, und zwar an dich, liebe Frau Bundesminister, für die Erstellung dieses Grünen Berichtes, an deine Mitarbeiter, vor allem aber auch an die nachgelagerten Stellen und die Bundesländer, die da ja alle fleißig zuarbeiten, um dieses umfassende Werk zu erstellen.

Ja, was ist der Grüne Bericht? – Der Grüne Bericht ist Faktengrundlage für die Ent­scheidungsträger und sagt eigentlich alles über die Einkommenssituation, die soziale Situation und die wirtschaftliche Situation in der Landwirtschaft aus. Wie sieht der Be­richt aus, was sagt er zusammengefasst aus? – Der Berichterstatter hat schon gesagt, es geht um das Wirtschaftsjahr 2018, und da muss man wirklich sagen, der Grüne Bericht zeichnet ein schwieriges Bild der Landwirtschaft. Ich will das nicht zu düster darstellen, aber trotzdem kann man entsprechend den Auswertungen des Grünen Berichtes sagen: Der Landwirtschaft geht es nicht besonders gut.

Beinahe über alle Betriebssparten hinweg müssen wir in der Land- und Forstwirtschaft einen starken Einkommensrückgang verzeichnen. Die Landwirtschaft und vor allem die Forstwirtschaft sind das erste Opfer des Klimawandels: Hitze, Wassermangel einer­seits, Starkregen, Sturm, Schneedruck, Käferbefall andererseits führen zu starken Ertragsausfällen; Futterknappheit und damit verbunden erhöhtes Schlachtaufkommen führen natürlich zu sinkenden Preisen im Tierbereich und sinkenden Einkommen über alle Betriebsformen hinweg: vom Bergbauernbetrieb in Tirol bis hin zum Forstwirt im Waldviertel, vom Ackerbauern in Oberösterreich bis hin zum Stiermäster in Kärnten.

Der Schluss daraus ist leider: Alleine aus der Bewirtschaftung der Betriebe kann unter diesen schwierigen Bedingungen in der Landwirtschaft und in der Forstwirtschaft leider kein entsprechendes Einkommen erzielt werden. Daraus folgt: Die Landwirte sind sehr abhängig von den gewährten Leistungsabgeltungen und auch von den Ausgleichs­zah­lungen von EU, Bund und Ländern.

Diese Ausgleichszahlungen waren und sind absolut notwendig und werden das auch zukünftig sein, damit wir in Österreich flächendeckend eine funktionierende bäuerliche Landbewirtschaftung aufrechterhalten können. Ich betone das vor allem deshalb, weil – es ist bekannt – der Entwurf zum Mehrjährigen Finanzrahmen – auch wenn das jetzt unter finnischer Ratspräsidentschaft ein wenig eingeschränkt wurde – massive Kürzun­gen bei den Agrarförderungen vorsehen würde. Wollen wir in Österreich weiterhin eine flächendeckende Landwirtschaft vom Burgenland bis nach Vorarlberg, so brauchen wir weiterhin diese agrarischen Leistungsabgeltungen, und das zumindest in der bishe­rigen Höhe.

An dieser Stelle möchte ich mich bereits jetzt, obwohl der Mehrjährige Finanzrahmen noch nicht beschlossen ist, im Namen der österreichischen Bäuerinnen und Bauern bei dir, liebe Frau Bundesministerin, aber auch bei unserem Bundeskanzler Sebastian Kurz für die unverrückbare Haltung zur Ausstattung der agrarischen Ausgleichs­zah­lungen auf EU- und Bundesebene bedanken.

Danken möchte ich auch für die im neuen Regierungsprogramm vorgesehenen Ent­lastungs- und Entbürokratisierungsmaßnahmen für die heimische Landwirtschaft. Da


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 53

schafft die Politik die notwendigen Rahmenbedingungen zur Absicherung des Fort­bestandes der heimischen Land- und Forstwirtschaft. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Politik kann vieles versuchen, um da die Rahmenbedingungen vorzugeben. Was aber die Politik nur sehr schwer beeinflussen kann, ist das Einkaufsverhalten der heimischen Gastro-Großhändler, der Hoteliers, aber auch der Konsumenten. Ich spreche das wirklich jetzt aus einem aktuellen Anlass bewusst an, weil letzte Woche ein Tiroler Gastro-Großhändler in seinem 4c-Hochglanz-Kundenprospekt Rindfleisch aus Botswana zum Aktionspreis angeboten hat. Ich gebe es ehrlich zu, ich habe einmal googeln müssen, wo genau in Afrika Botswana liegt. Botswana ist ein Bin­nenland im Süden von Afrika, mehr als 10 000 Kilometer von uns entfernt. Ist es nicht absolut schräg, in Zeiten der globalen Klimakrise und bei einem hundertprozentigen Selbstversorgungsgrad von Rindfleisch in Österreich Rindfleisch aus Botswana zu importieren? Die Vorstellung ist für mich absolut absurd, dass wir im hinteren Ötztal, im hinteren Paznauntal, in Ischgl oder in Sölden oder in Hochgurgl Rindfleisch aus Bots­wana essen müssen.

Dazu darf ich auch eine Umfrage des Vereins Land schafft Leben von Hannes Royer aus der Steiermark zitieren, wonach 85 Prozent unserer Gäste, die in unser schönes Land kommen, erwarten und glauben, dass das Schnitzel, das auf ihrem Teller liegt, aus der heimischen Produktion, aus regionaler Produktion stammt. 80 Prozent unserer Wirte und Hoteliers wissen das, und tatsächlich sind leider nur 10 Prozent der servierten Speisen aus der Region, aus Österreich.

Meine Damen und Herren, ich habe es schon gesagt: Der heimischen Landwirtschaft geht es nicht gut, die Einkommenssituation der landwirtschaftlichen Betriebe lässt ein großes Bauernsterben befürchten, wenn sich da nichts ändert. Ich habe gesagt, die Politik ist hinsichtlich des Schaffens von Rahmenbedingungen gefordert, aber wir alle haben es auch selber in der Hand. Wir unterstützen unsere Bäuerinnen und Bauern, indem wir auf ihre Produkte zurückgreifen. Wir brauchen kein Lammfleisch aus Neu­seeland, kein Rindfleisch aus Argentinien oder aus Botswana, keine Kartoffeln aus Ägypten. Mein Appell: Greifen wir im Regal zu hochwertigen heimischen Produkten und fragen wir beim Außerhauskonsum in Kantinen, aber auch bei unserem Wirt nach, woher die verkochten Produkte kommen! (Bundesrat Pisec: Botswana ist nicht so schlecht! ... gilt als Vorzeigeland!)

Um überleben zu können, brauchen unsere Bäuerinnen und Bauern eine ent­sprechen­de Wertschätzung und auch Wertschöpfung, und da haben wir alle eine Mitverant­wortung. Das erreichen wir nur gemeinsam, indem wir qualitativ hochwertigen, heimischen Produkten den klaren Vorzug geben. Wir hören heute, glaube ich, noch – durchaus Gott sei Dank –: Es gibt Rekordzahlen im Tourismus. Es läuft da sehr gut und ich würde appellieren, dass wir unsere heimische Landwirtschaft auch daran partizipieren lassen.

Ich darf noch abschließend auf den vorbereiteten SPÖ-Entschließungsantrag betref­fend Umverteilung der Gelder für die ländliche Entwicklung eingehen. Diese Umver­teilung, wie sie die SPÖ im Entschließungsantrag fordert, würde natürlich eine Kürzung der Gelder für die Landwirtschaft bedeuten. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Interessant ist für mich ja die Begründung dieses Entschließungsantrages durch die SPÖ, die besagt: Die Landwirtschaft bekommt 90 Prozent der Gelder aus dem Pro­gramm für die ländliche Entwicklung, die Landwirtschaft stellt nur 4 Prozent der Erwerbstätigen im ländlichen Raum, 70 Prozent der österreichischen Bevölkerung wohnen im ländlichen Raum, und daher der Schluss: Die Gelder gehen in die völlig falsche Richtung.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 54

Wenn die SPÖ ein bisschen nachdenken würde! Wenn sie sagt, nur 4,5 Prozent der Bevölkerung profitieren von diesen Geldern des Programms für die ländliche Ent­wicklung, dann müsste sie erkennen, dass eigentlich der Rest jener 70 Prozent, die im ländlichen Raum wohnen, genau von diesen Geldern profitiert. Warum leben sie im ländlichen Raum, und warum kommen 150 Millionen Gäste zu uns in den ländlichen Raum?  – Weil dieser ländliche Raum genau von dieser Landwirtschaft so sauber ge­pflegt wird, weil wir für beste Lebensmittel sorgen, weil wir für Beschäftigung im länd­lichen Raum sorgen, und daher leistet die Landwirtschaft einen wesentlichen Beitrag dazu, dass dieser ländliche Raum so ist, wie er sich darstellt. (Bundesrätin Schumann: ... stärken wir den ländlichen Raum! – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Wir leisten, wie ich gesagt habe, wesentliche Arbeit für die Lebensmittelversorgung, für den Katastrophenschutz, denn wenn die Wiesen nicht gemäht werden, die Wälder nicht gepflegt werden, dann muss halt die öffentliche Hand einspringen und diese Arbeiten erledigen, und da sage ich euch: Wenn das die öffentliche Hand machen muss, dann wird es garantiert wesentlich teurer, viel teurer, als wenn das von der Landwirtschaft bewirtschaftet wird, und das muss wieder alles der Steuerzahler bezah­len. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Pisec: Jeder macht das selber! – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

11.06


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Horst Schachner. Ich erteile es ihm.


11.07.03

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Mein Kol­lege hat jetzt etwas angesprochen: Wir sind nicht gegen die Bauern, das möchten wir gleich einmal klipp und klar sagen, wir sind aber für gerechte Verteilung – so schaut näm­lich die Wahrheit aus –, denn diese ist jetzt nicht gerecht. (Bundesrat Preineder:  ... mi­nus sollen die Bauern dann mehr zahlen!)

Trotzdem, der Grüne Bericht ist die jährliche Standortbestimmung für die wirtschaft­liche Entwicklung in der Land- und Forstwirtschaft. Der Grüne Bericht 2019 zeigt auf, wie groß der Anteil der öffentlichen Gelder am landwirtschaftlichen Einkommen ist. Im Jahr 2018 waren dies laut dem Bericht im Durchschnitt 68 Prozent. Dies zeigt eindeutig, wie wichtig die Mittel von Bund, Land und Europäischer Union für unsere Land- und Forstwirtschaft sind.

Besonders wichtig sind in Österreich die Fördermittel für die sogenannte erste Säule der gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union. Da ist die betroffene Fläche des landwirtschaftlichen Betriebes ausschlaggebend, und es ergibt sich eine Ungleich­heit zwischen großen und kleinen Betrieben. „Im Maßnahmenjahr 2018 wurden [...] 1,39 Milliarden Euro an flächenbezogenen Zahlungen [...] ausbezahlt. [...] Während 31 Prozent der Betriebe im unteren Förderbereich“ – das heißt bis 5 000 Euro – „im Durchschnitt nur 2.422 Euro je Betrieb erhielten und einen Förderanteil von nur 6 % hatten, lukrierten 1,8 % der Betriebe im oberen Förderbereich“ – das heißt über 50 000 Euro – „11 % aller Fördermittel und im Durchschnitt 79.965 Euro je Betrieb. In den Genuss von jeweils über 100.000 Euro flächenbezogenen Direktzahlungen kamen 280 Betriebe, die zusammen 48,6 Mill. Euro“ – das sind im Durchschnitt 173 613 Euro je Betrieb – „erhielten. Weitere 359 Millionen Euro wurden für die übrigen Maßnahmen im Rahmen des Programms für die ländliche Entwicklung aufgewendet.“

Die Frage der Verteilungsgerechtigkeit der Agrarfördermittel muss deshalb bei den Verhandlungen auf europäischer Ebene eine starke Rolle spielen. Klein- und Mittel­be-


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 55

triebe, Bergbauernbetriebe und Nebenerwerbsbetriebe müssen gestärkt werden, Über­för­derungen müssen ein Ende haben.

Ich komme aus der Steiermark, aus der Nähe von Graz, und ich kann Ihnen sagen: Dort gab es Bauernbetriebe, die Milch produziert haben. Schauen wir, welchen Milch­preis sie jetzt bekommen! Da darf man sich nicht wundern, wenn diese bäuerlichen Betriebe alle zusperren können, denn bei 35 Cent für 1 Liter Milch, für den wir im Geschäft 1,20 Euro bezahlen, brauchen wir, glaube ich, nicht lange herumzu­dis­kutieren! (Beifall bei der SPÖ.)

Agrarfördermittel sind Mittel, die durch die Steuerzahlerin und den Steuerzahler finan­ziert werden. Die Erwartungen der Gesellschaft an die landwirtschaftlichen Betriebe ändern sich ständig. Die Sorgen rund um die Veränderung unseres Klimas sind groß, und der Wunsch nach Lebensmitteln, die möglichst ohne Pestizide und ohne Über­düngung unserer Böden hergestellt werden, steigt. Es gibt Glyphosat, und es gibt zu Glyphosat glasklare Beschlüsse des Bundesrates und des Nationalrates, aber auf Regierungsebene scheint es niemanden zu berühren. Dieses Thema wird einfach totgeschwiegen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich kann euch nur sagen, im Regierungsprogramm ist das Wort Glyphosat nicht einmal erwähnt. Die Bundesregierung wurde noch vor Weihnachten mit dem Beschluss des Nationalrates aufgefordert, da sofort tätig zu werden. Die Öffentlichkeit muss rätseln, ob die Notifizierung eingeleitet wurde. Und warum? – Ja, weil die ÖVP dagegen ge­stimmt hat. Frau Bundesministerin, sagen Sie uns bitte: Was haben Sie seither gemacht, damit dieser umweltschädliche Stoff in Österreich endlich verboten wird? (Beifall bei der SPÖ.)

Auch der Wunsch nach mehr Tierwohl aller Nutztiere in der Landwirtschaft wird immer häufiger geäußert.

Unsere Kinder und Kindeskinder sollen eine Welt vorfinden, in der sie gut und gesund leben können. In Österreich ist besonders den Vorreitern der biologischen Produktion zu danken, die zu einem Umdenkprozess beigetragen haben und auch die Erwartungs­haltung der Gesellschaft gegenüber konventionell wirtschaftenden Betrieben verändert haben.

Wir müssen aber auch darauf achten, dass unser Trinkwasser in seiner besonders guten Qualität erhalten bleibt. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Wenn wir weiterhin gutes Trinkwasser haben wollen, müssen wir schauen, dass sowohl der Einsatz von Pestiziden als auch die Ausbringung von Düngemitteln in einem verträglichen Maß erfolgen. Das Land Steiermark hat vorgezeigt, wie durch konsequenten Grundwasser­schutz die Qualität gehoben werden kann.

Ich darf daher folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „mehr Nach­haltigkeit und Verteilungsgerechtigkeit in der kommenden Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU“

Der Bundesrat möge beschließen:

„Die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, wird aufgefordert, sich bei den Verhandlungen für die rechtlichen Grundlagen der nächsten Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik dafür einzusetzen,


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 56

1. dass flächenbezogene Zahlungen vor allem kleineren, mittleren und Nebenerwerbs­betrieben zugutekommen und daher eine wirksame verpflichtende Kappung der EU-Direktzahlungen für Großbetriebe, die Einführung einer starken Degression der Direkt­zahlungen bei Großbetrieben und eine Ausweitung der Umverteilungsprämie umge­setzt werden,

2. dass, falls das Zwei-Säulen-Modell weitergeführt wird, es zumindest zu einer Ver­schiebung der Budgetmittel von Säule 1 auf Säule 2 in einem größeren Ausmaß kommt, da der Rückgang der Agrarbetriebe EU-weit im zuletzt veröffentlichten 10-Jahres-Zeitraum bei 27% liegt,

3. dass wirksame und messbare Nachhaltigkeitskriterien inklusive Kriterien für den Klimaschutz als Voraussetzung für die Abrufbarkeit von EU-Fördermitteln definiert werden mit dem Ziel, Klimaschutz und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft zu stärken,

4. dass nur jene Betriebe Agrarfördermittel erhalten, die sich zu einer messbaren Reduktion chemisch-synthetischer Pestizide verpflichten,

5. dass Agrarfördermittel, die im Rahmen eines Umweltprogrammes abrufbar sind, nur dann beansprucht werden dürfen, wenn auf den Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden verzichtet wird,

6. dass Betriebe, die auf die Fütterung mit gentechnisch veränderten Futtermitteln verzichten, besonders gefördert werden,

7. dass die Sozialen Dienstleistungen im Maßnahmenprogrammeine viel stärkere finanzielle Berücksichtigung finden,

8. dass Bergbauernbetriebe der Kategorien 3 und 4, also mit hoher und höchster Erschwernis bei der Förderung noch stärker als bisher berücksichtigt werden,

9. dass in der EU generell die Unterstützung und Förderung der Betriebe in den Berggebieten verstärkt wird,

10. dass die Biolandwirtschaft mit dem Ziel mittelfristig 50% Biolandwirtschaft in Österreich zu erreichen in einem noch stärkeren Ausmaß als bisher bei Förder­maß­nahmen berücksichtigt wird,

11. dass die Arbeitsplatzschaffung im Ländlichen Raum auf Grund der Tatsache, dass laufend Höfe zusperren, im Rahmen der Förderprogramme zumindest im Verhältnis zum Prozentsatz der Abwanderung berücksichtigt wird,

12. dass die Verwendung der standardisierten Arbeitszeit anstatt des Flächenbezuges der Direktzahlungen der 1. Säule der GAP neben Nachhaltigkeits- bzw. Klimaschutz­kriterien als Basis für die Zahlungen der 1. Säule herangezogen werden kann und in Österreich herangezogen wird.“

*****

Sehr geehrte Damen und Herren, danke für die Aufmerksamkeit und Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

11.15


Vizepräsident Michael Wanner: Der von den Bundesräten Horst Schachner, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „mehr Nachhaltig­keit und Verteilungsgerechtigkeit in der kommenden Periode der Gemeinsamen Agrar­politik der EU“ ist genügend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile es ihm.



BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 57

11.16.26

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Bun­desrates! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Als freiheitlicher Bundesrat begrüße ich natürlich, dass es den Grünen Bericht gibt, da er eine wichtige Arbeitsgrundlage darstellt und einigermaßen die Situation der öster­reichischen Land- und Forstwirtschaft widerspiegelt. Wichtig ist natürlich für uns Frei­heitliche, dass aufgrund der katastrophalen Zahlen für die Zukunft Maßnahmen vorge­schlagen und gesetzt werden.

Im Zuge der Ausschusssitzung vom 11.2.2020 gab es unterschiedliche Ansichten, was mit dem Bericht „Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2020“ sei und weshalb dieser nicht auf der Tagesordnung des Ausschusses aufscheine. Obwohl ihn der Vorsitzende und die Experten am Tisch liegen hatten, wurde uns erklärt, dass die Diskussion darüber, weil er ja nicht auf der Tagesordnung steht, nicht vorgesehen ist. Trotz mehrmaligen Ersuchens meinerseits wurde keine Diskussion über die Maßnah­men zugelassen.

Es ging so weit, dass uns gestern noch per Mail um 15.27 Uhr mitgeteilt wurde, dass eine Überprüfung ergeben hat, dass bis dato weder im Nationalrat noch im Bundesrat ein Bericht über die Maßnahmen eingelangt ist. (Bundesrätin Mühlwerth: Na bravo!) Um 18.27 Uhr kam dann das Mail, dass der Bericht doch übermittelt wurde – anders als im Vorjahr als Anlage – und in der heutigen 901. Sitzung des Bundesrates mit in Verhandlung steht und nur gemeinsam mit dem Grünen Bericht erledigt werden kann. Dass der Bericht über die Maßnahmen im September 2019 gemeinsam mit dem Grünen Bericht eingelangt ist, wurde unsererseits bereits nachgewiesen.

Weiters wurde mir in der Ausschusssitzung, weil mir von den Experten auf meine Fragen zu diesem Themenbereich auch keine Zahlen genannt werden konnten, ver­sichert, dass diese Fragen schriftlich beantwortet werden. Die Beantwortung und die Übermittlung an die Bundesratskanzlei haben bis jetzt leider noch immer nicht stattgefunden.

Nun zu den so geheimen Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft 2020, wo unter Punkt 3 Folgendes steht: „Die Bundesregierung bekennt sich zu einer nachhaltigen, multifunktionalen und flächendeckenden Landwirtschaft. Dies soll auch in Zukunft ein Schlüsselbereich der Gemeinschaftspolitik und damit des Gemeinschaftshaushalts sein.“ – Schöne Worte!

Nun zu den Tatsachen nach 30 Jahren ÖVP in der Verantwortung: Der vorliegende Grüne Bericht 2019 dokumentiert für den Zeitraum 2018 einen deutlichen Einkom­mensrückgang in der Land- und Forstwirtschaft, nämlich um 10 Prozent. Die sinkenden Einkünfte reichen quer über alle Betriebsformen. Den höchsten Rückgang – minus 26 Prozent – verzeichneten die Veredelungsbetriebe, bei denen vor allem niedrige Erzeugerpreise für Ferkel, Zuchtsauen und Mastschweine das Bild prägten. Auf diesen Punkt werde ich zu einem späteren Zeitpunkt nochmals zu sprechen kommen.

Nun zur aktuellen Situation der Zuckerrübe in meiner Heimat, dem Weinviertel: Nach nunmehr drei Jahren, in denen der Rübenrüsselkäfer im Raum Stockerau, Tulln, Holla­brunn, Mistelbach und dem Marchfeld, also in den Hauptanbaugebieten, bis zu 10 000 Hektar Rüben unmittelbar nach dem Feldaufgang vernichtete, hören die Bauern in diesen Regionen scharenweise mit dem Rübenanbau auf. Bei Biorüben wurden sogar fast 90 Prozent der Fläche vernichtet. Ursache: laufende Verbote von Pflanzen­schutzmitteln, von Wirkstoffen aus der Gruppe der Neonicotinoide, und schließlich de­ren gänzliches Verbot.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 58

Die ersatzlose Aufhebung der EU-Zuckermarktverordnung vor ebenfalls circa drei Jahren führte zusätzlich zu einem Preisrückgang bedingt durch die Zuckerimporte aus Nicht-EU-Ländern und einem Verdrängungswettbewerb zwischen den Mitgliedsländern innerhalb der EU, um sich Marktanteile auf Kosten anderer zu sichern. Der Preisverfall: bis zu 50 Prozent. Selbst bei vollen Erträgen ist der Zuckerrübenanbau nicht mehr rentabel. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Novak.)

Wenn dann der Rüsselkäfer die Pflanzen bereits beim Aufgang vernichtet, verursachen diese beiden Faktoren den Ausstieg der Bauern aus der Rübenproduktion. Die Agrana kann die beiden Zuckerfabriken in Tulln und in Leopoldsdorf im Marchfelde nicht mehr auslasten und sucht nach Flächen in anderen Anbaugebieten – Mostviertel, Mühlviertel et cetera –, kann aber bislang die verlorenen Flächen nicht kompensieren. Die Ent­wicklung bleibt abzuwarten.

Kartoffel: Bedingt durch den laufenden Wirkstoffverlust in der Drahtwurmbekämpfung kam es bei den Kartoffeln in Weinviertel und Waldviertel – hier werden über 80 Prozent der österreichischen Kartoffeln produziert – bei der Ernte 2018 zu einem unglaublichen Verlust von circa 110 000 Tonnen Kartoffeln, die vom Drahtwurm befallen waren und daher nicht für den Verkauf geeignet waren und anderweitig entsorgt werden mussten. Der Speisekartoffelanbau ist seit einigen Jahren im Weinviertel defizitär, das Defizit beträgt 500 bis 2 000 Euro pro Hektar.

Zwiebel: Durch den Wirkstoffverlust in den nächsten drei Jahren in der Saatgutbeize werden sich Auflaufschädlinge explosionsartig vermehren. Es wird zu großflächigem Kahlfraß kommen, ähnlich der Situation, die wir bereits bei der Rübe haben, und auch der Zwiebelanbau wird in Gefahr geraten.

Raps: Durch das Verbot der Pflanzenschutzwirkstoffe aus der Gruppe der Neo­nicoti­noide in der Saatgutbeize wurde es notwendig, beim Raps im Jugendstadium alle paar Tage bis zu drei zusätzliche Insektizidspritzungen durchzuführen. Auch die Rapsfläche geht deutlich zurück.

Traubenpreise von 30 Cent sind viel zu niedrig. Die Preise müssten mindestens 50 bis 70 Cent betragen.

Nun zum Vergleich ein anderes EU-Land, Beispiel Polen: Die Betriebsmittel Saatgut, Dünger, Ersatzteile, Versicherungen und Handwerker sind deutlich billiger. Die Per­sonalkosten sind im Vergleich zu Österreich circa halb so hoch, die Sozialversiche­rungsbeiträge sind ebenfalls niedriger. (Beifall bei der FPÖ.)

Der polnische Landwirt unterliegt nicht der Einkommensteuer. Mit einem erhöhten Grundsteuersatz ist die Einkommensteuer abgegolten. Investitionen aller Art, Ge­bäude, Maschinen, werden nach wie vor großzügig gefördert. Zusätzlich zu den EU-Ausgleichszahlungen gibt es lukrative nationale Flächenprämien bei Raps, Rübe und Kartoffel: 600 Euro pro Hektar. Mit diesen EU-Subventionen und ohne die vielen Produktionseinschränkungen, die wir in Österreich haben und kennen, erlebt die polnische Landwirtschaft einen sehr starken Aufschwung. Auch wenn die dortigen Produktpreise nicht immer zufriedenstellend sind, verdrängen polnisches Obst und Gemüse aber österreichische Produkte aus unseren angestammten Exportmärkten.

Nun zu den Folgen von über 30 Jahren ÖVP in der Verantwortung für die Bauern: 1970 gab es in Österreich 366 000 land- und forstwirtschaftliche Betriebe. 1990 waren es 282 000 Betriebe, 2017 nur noch 162 000 Betriebe. (Bundesrat Pisec: Ein Skandal! – Bundesrat Novak: Ein Skandal!) Diese Zahlen beweisen eindrucksvoll, dass die ÖVP-Bauernvertretung nicht funktioniert. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Bei der letzten Plenarsitzung des Nationalrates haben unsere freiheitlichen Kollegen einen Antrag betreffend „Erhalt des ‚Dieselprivilegs‘“ eingebracht. Von den 18 Bauernbünd-


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 59

lern, die für die ÖVP im Nationalrat sitzen, waren 17 bei der Abstimmung anwesend. Sie haben alle gegen den Erhalt des Dieselprivilegs gestimmt. Ins Stammbuch der ÖVP und der Grünen sei geschrieben, dass unsere Landwirte in Österreich nicht mit dem Elektrotraktor ihre qualitativ hochwertigen Produkte produzieren und die Pflege unseres wunderschönen Heimatlandes gewährleisten können. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir Freiheitlichen stehen für eine zukunftsorientierte Landwirtschaftspolitik als Gegen­maßnahme, um dem sogenannten Bauernsterben entgegenzuwirken. Darunter ver­ste­hen wir zum Beispiel – und fordern dies auch von Ihnen als Bundesministerin ein, auch wenn Sie mit dem Handy spielen (Bundesministerin Köstinger: Na, na! – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ja, hallo!) – Regionalisierung und Stärkung der regionalen Pro­duktion als wichtigen Schritt. Dazu gehört die klare Regelung der Herkunftskenn­zeich­nung der Lebensmittel. Diese muss lückenlos sein und schafft Mehrwert für die hei­mischen Bauern und Konsumenten.

Wir Freiheitlichen lassen uns auch von Personen von der ÖVP-Fraktion, die das Thema, warum auch immer, miesmachen wollen – vielleicht, da sie diesen Begriff teilweise im Namen tragen –, nicht abbringen und fordern die nötige Ernsthaftigkeit ein. Wir können mit Vergleichen – ich zitiere –: Den Kaiserschmarren macht auch nicht der Kaiser!, nichts anfangen. (Beifall bei der FPÖ.) Solche Bemerkungen sind für mich in einer für den Bauernstand so entscheidenden Situation nicht tragbar, zeigen aber das wahre Gesicht der ÖVP. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.)

Weitere Punkte sind die Planungssicherheit, flexible Rahmenbedingungen und inno­vative Lösungen für Landwirte und landwirtschaftliche Unternehmen.

Nun zum Abschluss meiner Rede: Im Grünen Bericht 2019 ist, wie vorher schon erwähnt, für den Zeitraum 2018 der höchste Rückgang bei den Veredelungsbetrieben ausgewiesen: Minus 26 Prozent verzeichneten die Betriebe, vor allem niedrige Erzeu­gerpreise für Zuchtsauen, Ferkel und Mastschweine prägten das Bild.

Aufgrund dessen wollte ich die geplanten Maßnahmen in diesem Bereich, aber auch in anderen Bereichen, im Ausschuss von den Experten des Bundesministeriums erfahren und mit ihnen besprechen, um entgegenwirken zu können. Als Antwort bekam ich, dass es im Bereich der Veredelungsbetriebe keine Maßnahmen benötige, da das Jahr 2019 einen einzigartigen Erfolg und großartigen Erlös gebracht habe.

Nun zur Aufklärung, warum ich diese Äußerung für nicht angebracht halte und die Aussage als Benzin-ins-offene-Feuer-Gießen sehe: Nach 25 Jahren bescherte das Jahr 2019 den Schweinebauern endlich eine erfreuliche Bilanz, so steht es online auf der Homepage der Landwirtschaftskammer Niederösterreich: Der durchschnittliche Basispreis liegt mit 1,60 Euro im Zeitraum der letzten 25 Jahre auf Platz Nummer eins.

Der Preisanstieg gegenüber den normalen 1,25 bis 1,30 Euro Basispreis kommt aber nicht aufgrund einer umgesetzten Maßnahme des Bundesministeriums, sondern daher, dass laut Berichten ein Drittel bis zur Hälfte des chinesischen Schweinebestands der Afrikanischen Schweinepest zum Opfer gefallen sind. Im Vergleich hatten wir – und das war das, was ich von den Experten auch eingefordert hatte, darum habe ich es jetzt selbst ausgearbeitet – in den Jahren 1970 bis 1995 pro Kilo Schweinefleisch einen Basispreis von 28 bis 36 Schilling – das sind 2 bis 2,61 Euro –, bei einem Dieselpreis von 7,20 bis 8 Schilling – das sind 0,52 bis 0,58 Euro. Der durchschnittlich um 50 Pro­zent gesunkene Basispreis des Produktes Schweinefleisch bei gleichzeitiger Verdop­pelung des Treibstoffpreises ist ein Grund für massive Betriebsschließungswellen der viehhaltenden Betriebe.

Dieselben massiven Einbußen hatten in den letzten Jahren die Getreidebauern – um­ge­rechnet von 300 Euro pro Tonne auf 150 Euro pro Tonne, plus 40 Euro Direktförde-


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 60

rung – und die Rübenbauern – 60 Euro pro Tonne waren es früher, wie vorher schon erwähnt, jetzt sind es 34 Euro.

Sehr geehrte Frau Minister, da ich meine Fragen, wie vorher schon erwähnt, von den Experten nicht beantwortet bekomme habe, habe ich die Antworten hiermit selbst ausgearbeitet und dem Bundesrat zur Kenntnis gebracht.

Ich hätte aber trotzdem ein paar Fragen an Sie, und es wäre wichtig, diese zu beant­worten – für den Bauernstand in Österreich, meiner Meinung nach aber auch für die gesamte Bevölkerung, da der Landwirt ja der Beschützer, der Pfleger unserer Umwelt, der Produzent unserer qualitativ hochwertigen Lebensmittel und auch Energieprozent ist –:

Welche Maßnahmen setzen Sie, damit in Österreich nicht die Afrikanische Schweine­pest ausbricht? Warum haben Sie die Verordnung zur Bioweidehaltung in dieser Form erlassen? Wann werden Sie mit dem Lebensmittelhandel Gespräche dahin gehend führen, dass der Landwirt einen gerechten Produktpreis erhält, ohne dass der Konsu­ment mehr bezahlen muss? (Heiterkeit bei der ÖVP.) Warum haben Sie dies nicht schon in den letzten zwei Jahren gemacht? Wann starten Sie eine Aufklärungs­offen­sive darüber, dass der Landwirt zum Beispiel pro Hektar angebauter Zuckerrüben 26 000 Kilo CO2 aus der Luft bindet und dabei gleichzeitig den jährlichen Sauerstoff­bedarf von 60 Menschen freisetzt? (Beifall bei der FPÖ.)

Meine letzte Frage, bevor ich zur Einbringung meines Entschließungsantrages komme: Auf www.agrarholz.com wird berichtet, dass aufgrund des wirtschaftlichen Drucks viele Landwirte, die nichts anderes kennen als zu funktionieren und zu arbeiten, auf ihre Psyche wenig Rücksicht nähmen und sich nichts anmerken ließen, bis es zu spät sei.

Nun zur Frage, die das sogenannte, durch die ÖVP mitverursachte Bauernsterben – damit waren bis jetzt die Betriebe gemeint – in ein anderes Licht rückt: In Frankreich wird davon berichtet, dass die Selbstmordzahlen unter Landwirten seit einigen Jahren zunehmen, während sie in der übrigen Bevölkerung eher zurückgehen. Mindestens alle zwei Tage nimmt sich in Frankreich ein Landwirt das Leben, wie eine Untersuchung der staatlichen französischen Gesundheitsbehörde SPF zeigt. Gibt es in Österreich auch solche Untersuchungen? Und wenn ja, welche Zahlen sind bekannt und welche Maßnahmen werden von Ihnen ergriffen, um dem entgegenzuwirken?

Nun zum Nein betreffend Mercosur-Abkommen: Vorweg ist festzuhalten, dass Frei­handel an sich für Österreich als Exportnation und seine Unternehmen sehr wichtig ist. Freihandelsabkommen dürfen allerdings nicht zu einer Absenkung von nationalen Lebensmittel-, Umwelt- und Sozialstandards führen und auf Kosten von Klimaschutz und nachhaltiger Entwicklung gehen. Ein unregulierter Freihandel mit Südamerika würde den europäischen Markt mit 100 000 Tonnen Rindfleisch und weiteren Agrarroh­stoffen überschwemmen. Das wäre zweifelsohne eine Gefahr für unsere kleinstruk­turierte österreichische Rinderlandwirtschaft. Die Standards an Tier- und Pflanzen­schutz, unter denen Südamerika aktuell produziert, sind hierfür noch nicht ausreichend.

Allein in Brasilien sind mehr als 500 Pestizide genehmigt, darunter befinden sich 150, die in der EU verboten sind. Hinzu kommt: Ist ein Pestizid in Brasilien einmal registriert, verfällt die Lizenz nie und es ist auch keinen verpflichtenden periodischen Neube­wertungen wie in der EU unterworfen.

Angesichts der Waldbrände in Brasilien wäre es auch fragwürdig, ein Abkommen abzu­schließen, das etwa die Abholzung von Regenwald zur Produktion von Wirtschafts­gütern aktiv fördert. Im Sinne unserer heimischen Landwirtschaft ist es das Gebot der Stunde, dem Mercosur-Abkommen eine klare Absage zu erteilen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 61

Ich bringe hiermit folgenden Entschließungsantrag an:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zum Mercosur-Abkommen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, sich klar gegen das Mercosur-Abkommen auszusprechen und auf Europäischer Ebene alle Maß­nah­men zu ergreifen, um einen Abschluss des Mercosur-Abkommens zu verhindern.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

11.32


Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön, auch für die freiwillige Einhaltung der Redezeit. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Der von den Bundesräten Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Nein zum Mercosur-Abkommen“ ist genügend unter­stützt und steht somit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Bitte.


11.33.21

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Sehr geehrter Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister! Geschätzte ZuseherInnen auf der Galerie und via Live­stream! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es schon gehört, den Bäuerinnen und Bauern geht es schlecht.

Die Hauptursache der miserablen Einkommenssituationen eines Großteils der Bäue­rinnen und Bauern liegt in den globalisierten Agrarhandelsströmen und in der Klima­krise. Gerade das Jahr 2018 war von österreichweiter Dürre gekennzeichnet, und dort, wo Niederschlag fiel, fiel er in Form von Starkregen. Die Wachstums- und Exportpolitik, sowohl einzelstaatlich als auch auf europäischer Ebene, stellt sich immer mehr als fehlgeleitet dar. Es gibt immer weniger Betriebe, und jene, die überleben, werden immer größer. Dennoch, trotz des angeblichen für das Überleben notwendigen Wachs­tums zeigt die Einkommensentwicklung in den letzten 15 Jahren mit ganz wenigen Ausnahmen stark nach unten. Es wird immer mehr produziert, es bleibt aber immer weniger übrig.

Die Einkommensschere zwischen Berg- und Nichtberglandwirten wird sich vergrößern, weil die Alpenregionen stärker von den Temperaturanstiegen betroffen sein werden und die Vegetation dort viel empfindlicher reagiert. Die Landwirtschaft der Berg­regio­nen erwirtschaftet große Anteile ihres Ertrages aus der Forstwirtschaft, und da werden die Erträge aufgrund des Fichtensterbens und des notwendigen Waldumbaues deutlich abnehmen beziehungsweise überhaupt negativ sein.

Der geringere Einkommensrückgang der Biobetriebe gegenüber allen Betrieben erklärt sich hauptsächlich mit dem geringeren Wareneinsatz seitens der Biobetriebe. Die Nichtbiobetriebe hatten mit der Teuerung daher mehr zu kämpfen. Ein weiterer Grund liegt in der Entkopplung der Biomarktpreise von den konventionellen Marktpreisen.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 62

Was ist zu tun? Wo können wir ansetzen? Ich möchte drei wesentliche Werkzeuge erwähnen: die gemeinsame Agrarpolitik, kurz GAP, die Forschung und die Abgaben.

Zur GAP: Auf europäischer Ebene muss ein Umdenken hin zu einer Agrarwende statt­finden. Der Gedanke: je freier der weltweite Wettbewerb auch bei Agrargütern stattfin­det, umso mehr Nutzen für die europäische Bevölkerung, ist überholt, wenn nicht sogar grundsätzlich falsch. Globaler Agrarhandel emittiert enorm viel CO2 und heizt damit die Klimakrise an. Er fördert die Produktion in Ländern mit weniger Umwelt- und Sozial­auflagen und übt Druck auf die hochwertigen Produkte, aber auch auf benachteiligte Gebiete aus. Der ungleiche Wettbewerb durch den globalen Agrarhandel verschlech­tert die Lebensbedingungen, und zwar auf beiden Seiten. Gleichzeitig werden die Überproduktion angeheizt und die Weltmarkpreise teilweise unter den Produktions­kos­ten gehalten.

Eine Kehrtwende ist mit einer Neuausrichtung der GAP und einer geänderten Marktordnung herbeizuführen. Das Prinzip öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen ist anzuwenden. Es soll dabei bereits die erste Säule mit Umweltauflagen verbunden sein und die zweite Säule soll sich mit dem Ausbau des Biolandbaus, dem Erhalt der kleinstrukturierten Landwirtschaft, dem Erhalt der Bewirtschaftung benachteiligter Berggebiete beschäftigen. Wir müssen die Entwicklung der letzten Jahre, dass nämlich bei Budgetkürzungen der GAP automatisch auch die Umwelt- und Klimamaßnahmen gekürzt werden, umkehren. 2012 wurden noch 30 Prozent der Gelder für Umwelt-, Natur- und Tierschutz ausgegeben, 2016 waren es nur mehr 25 Prozent.

Wir Grüne fordern, dass angesichts der immer größer werdenden Herausforderungen in der nächsten Periode mindestens 40 Prozent der Mittel, über beide Säulen gerech­net, für Umwelt-, Klima-, Natur- und Tierschutz gebunden werden. Alle Maßnahmen müssen sich einem Klimascreening unterziehen. Umwelt- sowie Sozialstandards sind bei Freihandelsabkommen sowie in der Marktordnung zu verankern.

Auf österreichischer Ebene soll der Ausbau des Biolandbaus vorangetrieben werden. Aufgrund der Topologie unseres Landes und dem grundsätzlichen Bekenntnis zur kleinstrukturierten Landwirtschaft werden wir nie zu Weltmarktpreisen produzieren können. Die größtmöglichen selbst erwirtschafteten Deckungsbeiträge bietet aber die Qualitätserzeugung wie der Biolandbau, mit dem Zusatznutzen, am klimaverträg­lichs­ten zu sein. Eventuelle Kürzungen der GAP-Zahlungen sollen aus nationalen Mitteln kompensiert werden. Das oft getrommelte 1-Prozent-Dogma hinsichtlich der öster­reichischen Beitragszahlungen wird hierbei nicht hilfreich sein.

Zum Entschließungsantrag der SPÖ zur Verwendung der Fördermittel möchte ich an­merken, dass ich hier inhaltlich sehr viel teilen kann, dass aber die Frage der Finan­zierung etwas offen ist (Bundesrat Steiner: Nun, ihr seid mit der ÖVP in einer Koali­tion!) beziehungsweise dass es nicht sein kann, dass Gelder angesichts der prekären Einkommenssituation von der Landwirtschaft in andere Bereiche verschoben werden.

Zur Forschung: Derzeit wird Forschung nahezu ausschließlich von Konzernen betrie­ben. Das ist ein Problem, denn aufgrund der Interessen des Kapitalmarktes ist diese Forschung der Entwicklung patentierbarer Pflanzen sowie chemischer Mittel vorbe­halten.

In Österreich wurden die forschungsbetreibenden Abteilungen des Landwirtschafts­ministeriums sowohl personell als auch finanziell geschrumpft. Wir Grüne fordern den Ausbau der Bundesanstalt für Bergbauernfragen und ausreichend Mittel für die For­schung hinsichtlich klimafitter Pflanzen, Böden, Wälder und Bodenbearbeitung.

Wir brauchen Mittel für die Forschung, um die europäische und die österreichische Ei­weiß­lücke schließen zu können. Hierzu zählt zum Beispiel mehr Forschung hinsichtlich


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 63

Insekteneiweiß als Tierfutter in dezentralen, hofeigenen Zuchtanlagen. Auch die im Regierungsprogramm angekündigte Erarbeitung einer nationalen Eiweißstrategie ist ein Schritt in die richtige Richtung. (Ruf bei der FPÖ: Wir brauchen das ganze Geld für ...!)

Zu den Abgaben: Der Grüne Bericht sollte maßgeblich zur Feststellung des Einheits­wertes sowie zur Berechnung der Beitragskurve der Sozialversicherungsbeiträge heran­gezogen werden. Dies würde kleine landwirtschaftliche Betriebe deutlich entlasten.

Abschließen möchte ich mit einem konkreten positiven Beispiel für ein Miteinander von Klimaschutz und Landwirtschaft. Die Ökoregion Kaindorf bei Hartberg bietet seit einigen Jahren ein Humusaufbauprogramm. Bei einem zusätzlichen Humusgehalt auf Acker und Wiese werden die Anstrengungen der Bauern mit Geld, das aus CO2-Zertiftikaten stammt, abgegolten. Wir haben hier eine Win-win-Situation: Die Bäue­rinnen und Bauern bekommen Geld und fruchtbarere Böden und die Allgemeinheit profitiert ebenso, denn ein höherer Humusgehalt ist der effektivste Hochwasserschutz, verhindert Bodenerosion und vor allem speichert mehr Humus mehr CO2 im Boden. Wenn wir die Pariser Klimaziele erreichen und damit auch drohende Strafzahlungen vermeiden wollen, ist die vermehrte CO2-Speicherung im Boden ein ganz wichtiger Faktor.

Es sind Programme dieser Art, die wir in Zukunft verstärkt fördern und publik machen sollten. Klimaschutz und Landwirtschaft sind nicht als Gegensätze zu sehen. Eine Klimaschutzpolitik wird ohne die Landwirtschaft mit an Bord zu haben scheitern, ebenso würde eine Landwirtschaftspolitik ohne Klimaschutz den Ast, auf dem sie sitzt, absägen. Lassen wir uns Klimaschutz und Landwirtschaft zusammendenken, denn nur so können wir einer guten Zukunft entgegensehen! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.42


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Isabella Kaltenegger. Ich erteile es ihr.


11.43.15

Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Vize­präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause via Livestream! Als Aller­erstes möchte ich mich für die herzliche und positive Aufnahme in den Bundesrat bedanken. Es ist heute meine erste Rede. Ich bin glücklich darüber, dass hier im Bundesrat so ein guter Stil gepflegt wird, denn ich bin fest davon überzeugt, dass die Menschen unseres Landes die ständigen Untergriffe satthaben. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.) Ich freue mich auf ein gutes Miteinander und verspreche auf jeden Fall von meiner Seite einen respektvollen und wertschätzenden Umgang mit Ihnen allen. (Allgemeiner Beifall.)

Ich darf heute über den Grünen Bericht 2019 sprechen. Hierbei geht es um 1 936 Be­triebe, um die Auswertung auf 299 Seiten. Wie schauen nun die Rahmenbedingungen aus? – Nach einer wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung in den vorangegangenen zwei Jahren ist das Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft 2018 um 10 Prozent gesunken.

Exemplarisch einige Gründe dafür: Die Produktionskosten, die Preise für Futtermittel sind gestiegen. Ein durch Futtermangel erhöhtes Schlachtaufkommen führte zu sinken­den Erzeugerpreisen bei den Rindern. Es gab preisbedingte Einbußen auf dem Schweinemarkt, hitze- und trockenheitsbedingte Mindererträge im Acker- und Futter­bau. Enormer Rüsselkäferbefall setzte der Zuckerrübe zu. Stark gestiegene Schad-


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 64

holzmengen aufgrund von Sturm und erhöhtem Borkenkäferbefall brachten auch die Forstwirtschaft sehr unter Druck. Die Holzpreise lagen um 1,7 Prozent unter denen von 2017.

Die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2018 betrugen durchschnittlich 28 035 Euro je Betrieb; 28 035 Euro! – Das ist nicht viel. Manche werden aber sagen: Verglichen mit dem Durchschnittseinkommen ist es auch nicht wenig. Ohne eine Debatte über den zeitlichen Arbeitsaufwand zu führen, möchte ich Ihnen einige Beispiele aus der Praxis bringen, die zeigen, dass ein Vergleich mit den unselbst­ständigen Einkommen schwer möglich ist. Heute sind schon viele Zahlen gebracht worden, und ich möchte daher einige praktische Beispiele aus der täglichen Realität von meinem Hof bringen: Austausch einer kaputten Heizungspumpe einer Hackschnit­zelheizung: 900 Euro; ein Wiegebalken einer elektronischen Viehwaage:1 200 Euro; die Renovierung einer Fassade eines Stallgebäudes: ab 15 000 Euro; und ich rede hier noch lange nicht von den Landmaschinen.

Um die Existenz bäuerlicher Betriebe einigermaßen sicherzustellen, sind zwei Punkte wichtig. Zum einen brauchen wir faire Preise für gesunde Lebensmittel, zum anderen ist die Aufrechterhaltung einer familiengeführten Landwirtschaft ohne Ausgleichs­zah­lungen nicht möglich – daher ein Danke an unsere Frau Bundesministerin und an das gesamte Team, das sich in den Regierungsverhandlungen wirklich sehr stark für die Interessen der Landwirtschaft eingebracht hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Der nationale Ausgleich der GAP-Mittel ist enorm wichtig. Alleine am Öpul-Programm nehmen 80 Prozent der Bäuerinnen und Bauern teil, auch die verpflichtende Herkunftsbezeichnung fördert die Bewusstseinsbildung. Außerdem ein Danke, Frau Ministerin, für die erst kürzlich gestartete Initiative für faire Preise.

Ich denke, dass es einen Schulterschluss zwischen Bäuerinnen und Bauern und be­wussten Konsumenten geben kann. Fairere Preise sind nicht nur ein Schlüssel zur Verbesserung des bäuerlichen Einkommens, faire Preise sind auch ein wichtiges Zeichen der Wertschätzung der Bäuerinnen und Bauern. Es gibt nichts Schlimmeres für einen hart arbeitenden Menschen, als das Gefühl zu haben, dass seine Arbeit nicht wertgeschätzt wird. Das gilt für Bauern genauso wie für jeden Arbeiter und Angestell­ten in einem Betrieb.

Wie schwierig die Lage ist, zeigt, dass es seit der letzten Hauptfeststellung 2010 um 6,5 Prozent weniger landwirtschaftliche Betriebe gibt, und dieser Trend setzt sich fort. Wir müssen verhindern, dass immer mehr potenzielle Hofnachfolger abwandern und in andere Berufe wechseln, wo sie geschätzte und gern gesehene Arbeitskräfte sind, weil sie arbeiten gelernt haben, vielseitig einsetzbar, fleißig und geschickt sind.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Landwirtschaft stellt auch einen wesentlichen Faktor in den vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereichen dar. Nur zwei Beispiele: Allein im Jahr 2018 betrug der Wert der abgesetzten Produktion für Landmaschinen 2,45 Milliarden Euro. Dies allein zeigt die Bedeutung dieses Sektors, und ich rede noch gar nicht von der regionalen Wertschöpfung bäuerlicher Betriebe. Ein weiteres Beispiel: 2018 wurden 1 200 Traktoren weniger zugelassen, das ist ein Minus von 21 Prozent.

Ich möchte Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ganz persönlich um etwas bitten: Führen wir eine faire und offene Debatte über die Zukunft und die Bedeutung unserer Landwirtschaft! Was meine ich damit? Österreich gehört zu den lebenswertes­ten und reichsten Ländern der Welt. Warum? – Weil wir eine starke Wirtschaft, starke Unternehmen und hervorragend ausgebildete Arbeitskräfte haben; weil wir ein gutes soziales Netz und eine hervorragende Gesundheitsvorsorge haben; weil wir Kultur­institutionen von Weltruf haben; weil wir eine intakte, wunderschöne Kulturlandschaft


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 65

haben und weil wir gesunde, wertvolle Lebensmittel vor Ort produzieren. Jede dieser Säulen ist prägend für unser Land. Die Landwirtschaft mit den Bäuerinnen und Bauern und ihren Betrieben ist eine dieser prägenden Säulen unseres Landes.

Helfen wir gemeinsam mit, dass das auch in Zukunft so sein wird und wir unseren Kindern ein Land hinterlassen, in dem die Kulturlandschaften als Erholungsraum für unsere Bevölkerung, aber auch als wesentliche Grundlage unseres Tourismus liebevoll gepflegt und erhalten werden können, ein Land, in das die Lebensmittel nicht aus Fabriken von irgendwo aus der Welt hergeholt werden müssen, sondern wo sie regio­nal, gesund und ökologisch sinnvoll vor Ort produziert werden können!

Ich bin dazu erzogen worden, den Menschen mit Respekt und Wertschätzung gegen­überzutreten, und ich habe ehrlichen und höchsten Respekt vor Arbeitern und Ange­stellten, vor Unternehmern und Wirtschaftstreibenden, die für einen wesentlichen Teil des Wohlstandes unseres Landes verantwortlich sind. Ich habe ehrlichen Respekt vor der Arbeit von Beamten, ob in Verwaltung, Justiz oder Polizei, vor Lehrerinnen und Lehrern, Ärztinnen und Ärzten, vor dem Pflegepersonal und allen anderen Berufs­gruppen. Ich bitte Sie, darüber nachzudenken, was Bäuerinnen und Bauern jeden Tag leisten. Bringen wir ihnen gemeinsam jenen Respekt und jene Wertschätzung ent­gegen, die sie verdienen! – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Lackner.)

11.51


Vizepräsident Michael Wanner: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Bun­des­rätin Andrea Kahofer. – Bitte.


11.51.55

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werte Frau Minister! Werte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und vor den Bildschirmen zu Hause! Der Grüne Bericht 2019 ist ja jener Bericht, der die Einkommensentwicklung in der Landwirtschaft aus dem Jahr 2018 in Zahlen widerspiegelt. Jetzt ist das nicht sehr zeitnah. Die Präsentation im Jahr 2020 ermöglicht natürlich keine kurzfristigen und zeitnahen Reaktionen.

Zusätzlich – es wurde vorhin schon die Ausschusssitzung angesprochen – möchte ich Sie, Frau Minister, ersuchen, in die Ausschusssitzung bei so einem wirklich ernsthaften und wichtigen Thema wie dem Grünen Bericht eine breiter aufgestellte Vertretung zu entsenden, damit wir auch wirklich Fragen in einer großen Breite beantwortet bekom­men. Das wäre von sehr, sehr großer Bedeutung. Wir nehmen den Grünen Bericht sehr ernst und wollen ihn daher auch wirklich fundiert und gut aufgearbeitet wissen.

Es wurde viel über den Grünen Bericht gesprochen, es wurde viel über die Ursachen des Einkommensrückgangs gesprochen, und ich möchte das auch nicht alles wie­derholen. Festzuhalten ist auf jeden Fall, dass der Berufsstand der Bäuerinnen und Bauern, der Landwirtinnen und Landwirte, der Forstwirtinnen und Forstwirte ein ordent­lich durchgeschüttelter ist. Es ist für alle, die in diesem Bereich tätig sind, keine einfache Zeit gewesen. Ich glaube, man kann da schon fast sagen: Das ist nicht nur ein Berufsstand, das ist ein Berufungsstand, denn jeder Bauer und jede Bäuerin muss schon wirklich eine Berufung haben.

Wir haben viel über die Ursachen des Einkommensrückgangs gehört. Definitiv ist ein Einkommensrückgang von im Durchschnitt 10 Prozent sehr, sehr beachtlich. Es ist ja ganz eindeutig, dass dieser Einkommensrückgang nicht auf weniger Leistung, nicht auf weniger Arbeitseinsatz basiert. Die Bäuerinnen und Bauern haben nach wie vor die gleiche Arbeit, die gleiche Beanspruchung. Es ist nicht ihre Leistung, die ausschlag­gebend ist.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 66

Allerdings führt der Einkommensrückgang natürlich dazu, dass Höfe stillgelegt werden, landwirtschaftliche Betriebe stillgelegt werden. Wir haben im Ausschuss die Auskunft bekommen, dass es im Jahr im Schnitt 1 500 sind, gegen Ende einer Förderperiode sogar 6 000 im Jahr. Das führt auch dazu, dass immer mehr Bäuerinnen und Bauern in eine Situation gedrängt werden, in der es notwendig wird, einen zusätzlichen Erwerb anzunehmen. Die Nebenerwerbsbetriebe sind ja nicht nur Hobbybetriebe, das ergibt sich oft aus der finanziellen Notwendigkeit und eben aus dieser Berufung heraus, trotz­dem LandwirtIn sein zu wollen. Das heißt, das ist eine enorme Mehrbelastung in allen Bereichen.

Neueinsteiger in dem Bereich – das ist mir sehr positiv aufgefallen – sind vor allem Frauen, und zwar vor allem junge Frauen.

Es ist ganz eindeutig, dass die Förderungen aus der Gemeinsamen Agrarpolitik, aus der GAP, für die Bäuerinnen und Bauern in allen Bereichen höchst notwendig sind, denn nur mit diesen Förderungen ist es möglich, dass sie auch die gesellschaftlichen Erwartungen, die an sie gerichtet sind, erfüllen. Ausgleichszahlungen, Mittel aus dem Öpul, sind wichtig. Sie müssen auch weiterhin für den Agrarbereich zur Verfügung stehen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Raggl.)

Das ist die erste Säule der GAP: die Direktzahlungen. Es gibt aber auch noch eine zweite Säule, diese zweite Säule, bei der es ganz stark um die ländliche Entwicklung geht. Ich glaube, es war Kollege Raggl, der vorhin gemeint hat, wir reden immer von den „nur 4,5 Prozent“, die in der Landwirtschaft arbeiten. Es ist halt tatsächlich so. Österreich ist ein Land, in dem 90 Prozent der Fläche im ländlichen Bereich liegen, in dem 70 Prozent der Menschen auf dem Land leben, aber halt 95,5 Prozent nicht im landwirtschaftlichen Bereich beschäftigt sind. Auch diese Gruppe muss in der länd­lichen Entwicklung Berücksichtigung finden. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht da ganz viel auch um die Frauen. Wir wissen, wenn die Frauen abwandern, dann stirbt der ländliche Bereich. Wir wissen, dass Frauen im ländlichen Bereich vor allem soziale Dienstleistungen benötigen, dass Infrastruktur notwendig ist. Genau das ist mit der zweiten Säule möglich, nämlich mit dem Eler-Fonds, dem Fonds für die ländliche Entwicklung. Es ist der SPÖ in dieser Förderperiode gelungen, dem damaligen Regierungspartner, der ÖVP, abzuringen, dass ein Teil – was im rechtlichen Rahmen ja möglich ist – tatsächlich für soziale Projekte, für soziale Dienstleistungen verwendet wird. (Beifall bei der SPÖ.)

90 Prozent der Mittel des Eler-Fonds fließen ohnedies nach wie vor direkt in die Agrar­betriebe. Gerade Niederösterreich, das Bundesland, aus dem ich komme, hat sehr von dieser Möglichkeit profitiert – und die soziale Inklusion ist eine der sechs Prioritäten –, Eler-Mittel zu verwenden. Ich darf nur an eine Pressekonferenz unserer Landes­haupt­frau – ich glaube, es war im Jahr 2017 – gemeinsam mit Landesrätin Schwarz erin­nern, als sie sehr froh darüber war, 30 Millionen Euro für die Errichtung von Kin­dergärten im ländlichen Bereich verwenden zu können. Diese Summe wurde in Nieder­österreich dann mit 30 Millionen Euro aus den Mittel des Landes aufgestockt.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass gerade Niederösterreich neben Oberöster­reich und Salzburg ganz enorm davon profitiert hat, dass aus den Eler-Mitteln, aus dem Programm Access Eler, der Breitbandausbau finanziert wurde. Das ist nicht un­wichtig, und es ist vor allem für die Frauen wichtig.

Zur Frauenpolitik: Die ländliche Entwicklung ist auch ein wichtiges frauenpolitisches Thema. Bei einem meiner Vorredner, er ist von den Grünen, habe ich das Thema Frauenpolitik ein bisschen vermisst. Da gibt es aber diese tolle Idee: „Entwickeln und Fördern des Konzepts ‚Bauernhof als Zentrum der Dörfer, insbesondere die Möglich-


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 67

keit von Kinder- bzw. Nachmittagsbetreuung von Schulkindern auf dem Bauernhof, Altenpflege, Nachhilfe“.

Das kommt jetzt nicht von Monika Gruber, das kommt auch nicht aus einer Sitcom (Bundesrat Rösch: Ist aber gut!), das kommt von hier. (Die Rednerin hält die ent­sprechende Seite des Regierungsprogramms in die Höhe.) Unter dieser großen Über­schrift im Regierungsprogramm findet sich dieser Absatz auf Seite 162. So viel war die ländliche Entwicklung den Verfassern des Regierungsprogramms wert. (Vizeprä­siden­tin Eder-Gitschthaler übernimmt den Vorsitz.)

Jetzt richte ich direkt an die Grünen folgende Frage: Wo ist hier der frauenpolitische Ansatz? In den Betrieben gibt es durchschnittlich 1,43 betriebliche Arbeitskräfte, 93 Pro­zent werden nicht entlohnt. Sogar in den Dauerkulturbetrieben werden von 2,01 durchschnittlichen betrieblichen Arbeitskräften 70 Prozent nicht entlohnt.  – Das spricht eine eindeutige Sprache. Es arbeiten die Familienmitglieder, die Bäuerinnen und Bauern. Die Bäuerinnen selbst haben dabei wirklich schon einiges zu leisten. Sie sind Spezialisten in einem ganz breiten Feld. Zusätzlich sollen sie jetzt auch noch Päda­goginnen sein, zusätzlich sollen sie Pflegerinnen sein, zusätzlich sollen sie Lehrerinnen sein? (Bundesrätin Mühlwerth – erheitert –: Ja, weil sie so multitaskingfähig sind! – Bundesrätin Schumann – ebenfalls erheitert –: Multitasking!) Das heißt, der neue Weg der Unterstützung der Frau am Land ist, dass man den Bäuerinnen noch zusätzliche Aufgaben gibt, anstatt sie zu entlasten, anstatt soziale Inklusion voranzutreiben. (Beifall bei der SPÖ.)

Da es uns wichtig ist, dass die Eler-Fondsmittel für soziale Dienstleistungen zum Einsatz kommen, bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „verbind­liche Vorgaben für die Mitgliedsstaaten zur Verwendung von Fördermitteln für soziale Dienste sowie Mobilität im ländlichen Raum sowie für einen eigenen Frauenför­derschwerpunkt in der nächsten Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik 2020+“, einge­bracht im Zuge der Debatte zu TOP 1

„Der Grüne Bericht liefert alljährlich wichtige Daten, die auch die Verteilung der Förder­mittel der sog. Säulen 1 und 2 der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) betreffen.

Auf EU-Ebene läuft die Diskussion rund um die gesetzlichen Vorgaben für die nächste Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik 2020+. Das Verteilungsvolumen der derzeitigen Periode 2014-2020 beträgt in Österreich insgesamt 12,5 Milliarden Euro (Direktzahlun­gen und kofinanzierte ELER-Mittel).7,7 Milliarden Euro EU-Fördermittel inklusive natio­naler Kofinanzierung stehen in der laufenden Programmperiode innerhalb des Pro­grammes für die ländliche Entwicklung (ELER-Fonds) zur Verfügung, die zu 90% an Agrarbetriebe verteilt werden.

90%der Gesamtfläche Österreichs ist ländlicher Raum - über 70% der Menschen leben dort, jedoch nur 4,5% der Erwerbstätigen in Österreich sind in der Land- und Forst­wirtschaft tätig (Agrarquote). Die Bundesregierung ist aufgerufen, sich dafür einzu­setzen, dass in der nächsten Förderperiode alle Menschen im ländlichen Raum vom Programm für die ländliche Entwicklung profitieren. Es war ein wichtiger Verhandlungs­erfolg der SPÖ, dem damaligen Regierungspartner ÖVP abzuringen, dass erstmalig die im Rechtsrahmen enthaltene Möglichkeit, EU-Fördergelder auch für soziale Dienst­leis­tungen (Kinderbetreuung, Pflege und Gesundheit) zu verwenden, von Österreich genutzt wurde. 3% wurden in Österreich für diese Maßnahme für die laufende GAP-Periode -und damit 118 Millionen Euro EU-Gelder (ELER-Mittel) - gewidmet.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 68

Es braucht auf EU-Ebene eine konkrete Vorgabe, damit in der nächsten Periode ab 2021 ein deutlich höherer Anteil vom Mitgliedstaat für soziale Dienste verwendet werden muss.

Die Entwicklung des ländlichen Raums hängt maßgeblich von den Rahmen­bedin­gun­gen für Frauen ab - wandern die Frauen ab, stirbt die Region. Fördermittel, die für den ländlichen Raum zur Verfügung stehen werden, müssen auch dafür eingesetzt werden, dass es für Frauen attraktiv ist, in ihrer angestammten Region zu bleiben.

Es müssen alle Anstrengungen dahingehend unternommen werden, damit in den der­zeit laufenden Verhandlungen erreicht wird, dass den Mitgliedstaaten vorgeschrieben wird, einen gewissen - hohen - Prozentsatz für soziale Dienstleistungen und Mobilität veranschlagen zu müssen und, dass es einen eigenen Frauenförderschwerpunkt im Programm für die ländliche Entwicklung gibt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

‚Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regio­nen und Tourismus, wird aufgrund der Tatsache der fehlenden sozialen Infrastruktur und ausreichenden Möbilitätsmöglichkeiten im ländlichen Raum, was insbesondere junge Frauen zur Abwanderung bewegt, aufgefordert, sich bei den Verhandlungen zu den inhaltlichen Vorgaben der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) für die Periode 2020+ dafür einzusetzen, dass

1. die Fördermittel des Fonds für die ländliche Entwicklung (ELER) gerechter verteilt werden und daher mindestens 50% der Mittel für sektorübergreifende Maßnahmen eingesetzt werden, so dass alle Menschen im ländlichen Raum davon profitieren, wobei

a) die Hälfte dieses Anteiles der Mittel für eine zeitgemäße soziale Infrastruktur ver­wendet werden muss, also für soziale Dienstleistungen gebunden wird, damit unter anderem der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen, Pflegeeinrichtungen, Ge­sundheits­vorsorge und anderer dringend nötiger Maßnahmen vorangetrieben werden kann - vor allem für Frauen und junge Menschen ist eine gut ausgebaute soziale Infrastruktur maßgeblich für die Entscheidung, in den Regionen zu bleiben;

b) die andere Hälfte dieses Anteiles der Mittel für andere sektorübergreifende Maß­nahmen eingesetzt werden muss, wovon ein Teil für Maßnahmen im Zusammenhang mit Mobilität, wie für öffentlichen Verkehr, Verbesserung der Erreichbarkeit von Haltestellen und Bahnhöfen (Radwegenetz ausbauen, Radabstellanlagen), deren Aufenthaltsqualität und Sicherheit sowie für Anschlusssicherheit, Direktverbindungen und kurze Wartezeiten verwendet werden soll - leistbare, flächendeckende und qualitätsvolle Mobilität sind ein entscheidender Faktor insbesondere für Frauen, um am Erwerbsleben teilhaben zu können und Beruf und Familie im ländlichen Raum besser vereinbaren zu können, sowie

2. ein eigener Frauenförderschwerpunkt im Rahmen des Programmes für die ländliche Entwicklung als Maßnahme vorgesehen wird.‘“

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.08



BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 69

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Der von den BundesrätInnen Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „ver­bindliche Vorgaben für die Mitgliedsstaaten zur Verwendung von Fördermitteln für soziale Dienste sowie Mobilität im ländlichen Raum sowie für einen eigenen Frauen­förderschwerpunkt in der nächsten Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik 2020+“ ist genügend unterstützt und steht damit mit in Verhandlung.

Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Markus Leinfellner zu Wort. Ich erteile es ihm.


12.09.33

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer hier im Hohen Haus und zu Hause vor den Bildschirmen! Gesellschaft, Wirtschaft und Politik wurden in den vergangenen Jahren von globalen Krisen auch im Agrarbereich geprägt und das hat deutliche Spuren hinterlassen.

Die österreichische Landwirtschaft setzt seit vielen Jahren auf eine konsequente Quali­tätsstrategie. Unsere Produkte sind besonders innovativ, von außergewöhnlicher Qua­lität und vielfältig. Schaut man sich den Grünen Bericht 2019, insbesondere das Vor­wort, genauer an, dann liest man da: Es gilt, „Stabilität und Planungssicherheit für unsere Familienbetriebe weiterhin zu garantieren: vom Kampf gegen den Klimawandel über die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik bis hin zum Schutz der heimischen Wälder.“ Es „müssen optimale Rahmenbedingungen für den weiteren Ausbau von erneuerbaren Energien geschaffen werden.“ Weiters heißt es, dass „höhere Zuschüsse für den Abschluss von Ernteversicherungen und ein Aktionsprogramm für den Forst­sektor“ vorgesehen sind.

Wie schaut es in Bezug auf diese Statements jedoch in der Realität aus? – Kurz zusammengefasst könnte man sagen: alle Jahre wieder. Das Bauernsterben geht weiter, die Einkommenseinbußen in der österreichischen Landwirtschaft setzen sich fort. Es gibt auch im Jahr 2019 wieder einen Einkommensrückgang in der Land- und Forstwirtschaft – wir haben es heute schon gehört – von 10 Prozent. Betroffen davon sind alle Betriebsformen, begonnen von den Veredelungsbetrieben bis hin zur Bio­landwirtschaft. Das heißt, die Einkommenssituation der heimischen Land- und Forst­wirtschaft ist weiterhin angespannt.

Wie aus dem aktuellen Grünen Bericht hervorgeht, lagen die Einkünfte aller Betriebe im Jahr 2018 im Durchschnitt bei 28 035 Euro. Noch im Jahr 2017 lag das Einkommen bei 31 133 Euro pro Betrieb. Geschuldet ist der Rückgang einerseits den höheren Aufwendungen für die Tierhaltung, andererseits der vorherrschenden Hitze und Trockenheit. Auch wenn die Milchproduktion weiter zugenommen hat, so ging der Milchpreis dennoch weiter nach unten. Den höchsten Rückgang, nämlich ein Minus von 26 Prozent, verzeichnen unsere Veredelungsbetriebe, wo vor allem die niedrigen Erzeugerpreise für Ferkel, Zuchtsauen, Mastschweine das Bild prägen.

Bei den Dauerkulturbetrieben sank das Einkommen im Vergleich zu 2017 um 13 Pro­zent – durch die gestiegenen Aufwendungen für Personal, Bodennutzung und darüber hinaus durch die Tatsache, dass es keine Entschädigungszahlungen bei Frostschäden gab. Bei Futterbetrieben und landwirtschaftlichen Gemischtbetrieben führten die höhe­ren Aufwendungen in der Tierhaltung zu Einkommensrückgängen von 10 beziehungs­weise 5 Prozent. Die Hitze und Trockenheit hat sich auch auf die Marktfruchtbetriebe, nämlich mit einem Minus von 1 Prozent, beziehungsweise auf die Forstbetriebe, näm­lich mit ein Minus von 2 Prozent des Einkommens, ausgewirkt.

Schaut man sich die Bergbauernbetriebe an, so erkennt man, dass auch diese ein Minus von 8 Prozent hinnehmen mussten. Die Einkünfte betrugen bei den Bergbauern-


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 70

betrieben noch 23 795 Euro pro Betrieb. Das bedeutet zwar, dass sich der Einkom­mensunterschied, die Einkommensschere zwischen Bergbauernbetrieben und Nicht­bergbauernbetrieben verringert hat, es sind aber trotzdem immerhin noch 8 645 Euro. Die Biobetriebe verzeichneten im Jahr 2018 Einkommensrückgänge in der Höhe von 2 Prozent. Sie liegen mit 30 110 Euro pro Betrieb noch um 7 Prozent über dem Durch­schnitt aller Betriebe.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schaut man sich die Entwicklung im Bereich der Landwirtschaft an, so sieht man Folgendes: Im Jahr 1995 haben wir 239 000 land- und forstwirtschaftliche Betriebe gehabt; im Jahr 2010 waren es noch 173 000, 2013 166 000 und im Jahr 2016 noch 162 000 land- und forstwirtschaftliche Betriebe. Schaut man sich den gesamten Zeitraum ab 1995 an, so sieht man, dass bereits mehr als ein Drittel der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe ihren Betrieb eingestellt haben.

Wie geht das Ganze im Jahr 2020 weiter? – Das ist eine Frage, die wir uns alle stellen sollten. Faktum ist, im Schnitt sterben am Tag rund vier Betriebe, im Jahr also 1 400 Betriebe. Ich glaube, über diese Zahlen sollte man sehr wohl nachdenken und auch entsprechende Initiativen im Bereich der Landwirtschaft ergreifen. (Beifall bei der FPÖ.)

Beim Außenhandel entstand im Jahr 2018 ein Defizit von 6 Milliarden Euro, 5,4 Mil­liarden Euro im Bereich der EU und 0,6 Milliarden Euro beim Handel mit Nicht-EU-Staaten. In diesem Zusammenhang sollte man aber auch das Tierwohl nicht außer Acht lassen. Tierwohl, höhere Standards und Billigpreise, das ist ein Widerspruch in sich. Tierwohl ist ein gemeinsames Anliegen, und die Landwirtschaft gestaltet da das Wohlbefinden. Billigpreise setzen Grenzen. Höhere Standards müssen erwirtschaftet werden.

Wie schaut es im Bereich der Puten aus? – Heute liegen in den Regalen der Han­delsketten deutlich mehr Puten aus dem Ausland als entsprechende heimische, öster­reichische Produkte. Das Ergebnis: Die österreichischen Bauern haben Millionenver­luste. Das Steigern des Tierwohls zählt nicht und der Konsument ist der, der da ge­täuscht wird.

Täglich werden zweieinhalb Millionen Essen in Regierungsgebäuden, Schulen, Inter­naten, Kasernen, Krankenhäusern, Pflegeheimen, Altersheimen und so weiter ausge­geben. Wenn uns das Tierwohl wirklich ein Anliegen ist, dann müssen wir die höheren österreichischen Standards auch bei der Anschaffung und beim Einkauf dieser Produkte einfordern. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir müssen wieder auf Qualität setzen und nicht auf den Billigstbieter. Eine Produktion im Ausland wird den österreichischen Bauern und der österreichischen Wirtschaft nicht helfen. Da stellt sich die Frage: Kleinbäuerliche Landwirtschaft, quo vadis? Kleinbäu­erliche Landwirtschaft, wohin gehst du? Man muss sich diese Fragen stellen: Wie viele Bauern braucht dieses Land? Wie viele Bauern will dieses Land? Oder: Wie viel ist dem Steuerzahler die österreichische, heimische Landwirtschaft überhaupt noch wert? Ziel muss es sein, Arbeitsplatz und Unternehmen Bauernhof auf neue Beine zu stellen. Alle bisherigen Modelle müssen überdacht werden. Dem Bürokratie- und Förder­wahn­sinn sollte man entgegentreten, da sollte man vereinfachen.

Einem Dutzend Konzernen gehören schon jetzt zwei Drittel des Weltmarktes. Handels­ketten drücken einerseits den Preis für Produzenten, steigern ihn andererseits jedoch für unsere Konsumenten. Das bedeutet zwar höhere Gewinne für unsere Konzerne, aber auch eine Abhängigkeit unserer Produzenten von diesen Konzernen. Die Selbst­versorgungsfähigkeit des Staates Österreich geht zugrunde; der Nährboden für Versor­gungsengpässe wird damit aufbereitet. Die Selbstversorgungsfähigkeit des Staates Österreich muss uns etwas wert sein. Eine nationale Vision der Agrarpolitik mit leist-


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 71

baren Preisen für die Produkte und einem gesicherten Einkommen für unsere Produ­zenten muss – unabhängig von der EU – als Ziel eine verantwortungsvoll gestaltete und autonome Ernährung haben. Dazu gehören aber auch neue Vertriebswege. Es gibt auch sehr viele innere und äußere Bedrohungen: der weltweite Klimawandel, Hunger- und Dürrekatastrophen, Überschwemmungen und Raubbau am Boden und an der Natur.

Ich habe es bereits vorhin erwähnt, die Frage lautet: Wie geht es im Jahr 2020 weiter? – Die Bundesregierung ist aufgefordert, sinnvolle Initiativen zu setzen, um dem Bauernsterben entgegenzuwirken. – Sehr geehrte Frau Bundesminister, ich kann Ihnen nur sagen: Sie haben bei sinnvollen Initiativen zur Stärkung der heimischen Landwirtschaft die vollste Unterstützung unserer Fraktion. Wir Freiheitliche sind für sinnvolle Initiativen! Was wir uns erwarten, sind Initiativen von Ihrer Seite. Die Abschaffung des Dieselprivilegs ist jedenfalls keine sinnvolle Initiative. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.19


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte, Herr Kollege, ich erteile Ihnen das Wort.


12.19.40

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Ministerin! Zweifelsfrei haben Land- und Forstwirtschaft eine besondere Bedeutung, sie sind ein bissl anders als andere Wirtschaftszweige. Es geht in der Landwirtschaft ja nicht nur um Produktionswerte, sondern immerhin um die Sicherung einer nachhaltigen Lebensmittelversorgung – und das zu sozial verträg­lichen Preisen.

In der Forstwirtschaft geht es nicht nur um die Festmeter an Holz, sondern auch um die Erhaltung ganz wichtiger Funktionen für das Ökosystem bis hin zu wichtigen Schutzfunktionen. Das wird auch alles im Grünen Bericht angesprochen.

Allerdings werden genau diese Funktionen nun menschengemacht zunehmend gefähr­det. Der Grüne Bericht spricht ja ausführlich von hitze- und trockenheitsbedingten Min­dererträgen im Acker- und im Futterbau. Zu den großen Verlierern 2018 zählte die Zuckerrübe. Durch den Rüsselkäferbefall musste ein großer Teil der Fläche früher umgebrochen werden, und das führte zu einem Rückgang der Anbaufläche um ein Viertel.

In der Forstwirtschaft gibt es ja leider Ähnliches zu berichten. Ich zitiere kurz: „In der Forstwirtschaft prägten extreme Wetterereignisse in Form von Hitze, Stürmen und Trockenheit, gepaart mit einer massiven Ausbreitung des Borkenkäfers vor allem im Nordosten Österreichs, die Entwicklung im Jahr 2018. Stark gestiegene Schadholz­mengen führten zu einem gesteigerten Holzeinschlag von“ fast 20 Millionen Fest­metern. „Gleichzeitig gerieten die Holzpreise unter Druck.“

Warum ist das so? Werfen wir einen Blick auf die Wettersituation – immerhin sind ja das Wetter und das Klima die entscheidendsten, jedenfalls zwei der entscheidendsten, Rahmenbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft –: Im Jahr 2018 lag die Tempe­ratur in Österreich um 1,8 Grad über dem langjährigen Durchschnitt. Es hat einen sehr milden Jänner gegeben, einen sehr, sehr warmen Frühling – es war der zweitwärmste Frühling der Messgeschichte, also seit rund 150 Jahren –, dann einen überdurch­schnittlich warmen Sommer und Herbst. Es gab Rekorde an Sommertagen, an vielen Orten in Österreich wurden doppelt so viele Sommertage registriert wie in einem Durchschnittsjahr. Die Trockenheit war im Jahr 2018 markant – der Bericht führt das


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 72

aus –, vor allem in Vorarlberg, aber auch in den nördlichen Regionen Tirols und Salzburgs, in Oberösterreich und in Niederösterreich. Es gab in diesem Jahr 20 bis 40 Prozent weniger Niederschlag als in einem Durchschnittsjahr. Ich kann mich gut erinnern, jede zweite Alm in Vorarlberg hat zum Beispiel unter Wassermangel gelitten, man hat mit Tankwagen Wasser auf Almen bringen müssen – und das in einem eigentlich so wasserreichen Land. Die Trockenheit hatte auch zur Folge, dass das Gras nicht mehr hinreichend nachgewachsen ist und es so zu Futtermangel auf den Almen kam. Im Süden war es wieder ganz anders: Da lagen die Niederschlagsmengen weit über dem Durchschnitt, mit Hochwasser und so weiter.

Die Folgen blieben, wie schon angeschnitten, nicht aus. Die eine Geschichte betrifft die Zuckerrübe, die massiv durch den Rübenrüsselkäfer betroffen war. In der Forstwirt­schaft kam es zu einer massiven Vermehrung des Buchdruckers. Der bisherige Rekordwert, der nur ein Jahr vorher erreicht wurde, wurde um fast die Hälfte über­troffen. Sie alle kennen die Bilder von braunen Waldstücken, die dann abgeholzt wer­den müssen.

Dabei lag das Jahr 2018 – in Klammer – nur 1,8 Grad über dem langjährigen Mittel, und alle Prognosen der Klimaforschung sagen uns, dass das zur Gewohnheit werden wird; viel mehr noch: Wir werden uns, es wird nicht so lange dauern, in wenigen Jahr­zehnten glücklich schätzen, wenn wir so kühle Sommer haben wie jenen im Jahr 2018, der ein besonders heißer war.

Leider sind wir auf einem ganz anderen Weg. Die UNO führt aus, dass wir, wenn man alle Klimaschutzpolitiken der Länder zusammenzählt, auf einem Pfad in Richtung 3 Grad Celsius Temperaturerhöhung im weltweiten Mittel sind. Das hieße für Öster­reich ein Plus von 4,5 Grad. Jetzt haben wir bei 1,8 Grad vor 2 Jahren diese Probleme gehabt! Auch wenn es gelingt – und das hoffen wir sehr –, die 2 Grad Celsius global einzuhalten – dazu braucht man schon einen gewissen Optimismus –, werden es bei uns über 3 Grad sein. Das wäre eine Situation, die im Bereich des Doppelten von 2018 liegt.

Das heißt aber zum Beispiel für die Waldwirtschaft, dass eine aktive Waldbewirt­schaf­tung unumgänglich ist, da kann man nicht einfach zuschauen. Durch den Tempera­turstress wird sich die Waldstruktur massiv verändern. Da muss man auch im Anbau, in der Aufzucht von Bäumen, die die Hitze besser aushalten, nachhelfen.

Die Ergebnisse einer Konferenz, die vor rund zwei Wochen in Graz stattfand, der Mitteleuropäischen Biomassekonferenz, zeigen übrigens sehr eindrücklich, was das bedeutet. Dieser Temperaturstress wird vor allem die Fichte zum Aussterben bringen, jedenfalls in tiefen Lagen. Das wird sehr massiv Niederösterreich, besonders das Waldviertel, und das Burgenland betreffen. Eine neue Erkenntnis, von der man bisher noch nicht gehört hat, ist: Wenn man jetzt nicht hergeht und diese Umstrukturierung des Waldes mit anderen Baumsorten aktiv betreibt, dann wird der Wald zu einer Kohlenstoffquelle werden. Das ist schon sehr alarmierend. Bis jetzt ist der Wald im Rahmen der Klimaschutzstrategien eine wichtige Kohlenstoffsenke, eine Hoffnung auch für die Zukunft, Emissionen kompensieren zu können – und das droht verloren zu gehen. Man sieht daran, wie wichtig es auch in der Forstwirtschaft ist, sehr, sehr aktiv und sehr schnell gegenzusteuern.

Ein Effekt dieser Transformation – Fichte raus – wird sein, dass sehr, sehr viel Holz auf den Markt kommen wird. Dadurch wird der Preisdruck höher werden, und genau durch diesen Preisdruck, durch die sinkenden Holzpreise, wird wiederum die Umstruk­turie­rung erschwert. Deswegen sind Konzepte gefragt, und zwar Konzepte, die dem Klima­schutz nützen, die aber auch die Forstwirtschaft durch eine Preisstabilisierung unter­stützen können.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 73

Ein solcher Zugang, den ich kurz skizzieren möchte, ist eine kaskadische Nutzung von Holz, das heißt übersetzt in etwa: eine ganz kräftige Forcierung des Holzbaus. Durch Holzbau wird Kohlenstoff langfristig gespeichert, nämlich so lange, wie das Haus – die Außenmauern und Wände – steht; und es steht mitunter 100 Jahre oder mehr. Gleich­zeitig werden Emissionen durch Reduktion der Zementproduktion für Betonbau oder Ziegelbau vermieden. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Nach der Nutzungsphase kann man das wieder energetisch nutzen, Wärme erzeugen, ohne dass mehr Emissionen entstehen, wenn man nachhaltig wirtschaftet. Das ist ein Aspekt, der für die Forstwirt­schaft nicht unerheblich ist. Im Regierungsprogramm wird das sehr klar formuliert.

Das Wichtigste ist allerdings – das sage ich immer wieder –: Damit das nicht voll­ständig entgleitet, muss einer Reduktion der Klimagifte wirklich eine sehr hohe Priorität eingeräumt werden, denn irgendwann bekommen wir das sonst nicht mehr in den Griff. Das wird auch etwas kosten. Was heute etwas kostet und uns vielleicht teuer vor­kommt – Sie alle kennen die Debatten, ich kenne sie auch sehr gut –, ist immer noch viel, viel billiger, als später Schäden zu beheben, und ab einer gewissen Schwelle geht das ohnehin nicht mehr, ist das nicht mehr finanzierbar. Ich bin mir sicher, dass künftige Generationen wenig Verständnis haben werden, wenn Klimaschutz nicht im nötigen Ausmaß betrieben wurde, weil wir vielleicht 1 Prozent des BIP hätten aufwen­den müssen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.28


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. – Herr Kollege, ich erteile Ihnen das Wort.


12.28.26

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Geschätzte Frau Vizepräsidentin! Werte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte in meinem Redebeitrag an das Thema der äußeren Einflüsse, die uns Jahr für Jahr ereilen und eigentlich in der Landwirtschaft oft so nicht einplanbar sind, anknüpfen. Die Lebensmittelproduktion und das Einkommen aus der Produktion der Lebensmittel sind schon erörtert und diskutiert worden. Betrachten wir die letzten beiden Jahre: Ich traue mir zu sagen, dass das Jahr 2019 nicht besser war als das Jahr 2018, die äußeren Einflüsse waren auch derart groß, daher haben wir sicherlich auch keine positiven Zahlen zu erwarten. Ich denke an den letzten Winter mit diesen Schneemengen, ich denke an die Trockenheit, ich denke an die Unwetter im letzten Herbst, daher möchte ich das Jahr 2019 eigentlich ein bisschen mitnehmen.

Es sind riesengroße Schäden, wobei auch großer Dank der Bundesregierung, den Landesregierungen gilt, die schnell zu Hilfe sind – und auch wir alle sind schnell zu Hilfe –, um über den Katastrophenfonds vieles abzuwehren, und trotzdem bleibt sehr viel an den bäuerlichen Familienbetrieben hängen – trotz niedriger Einkommen. Salz­burg zum Beispiel hat im Jahr 2018 7 Millionen Euro aufgrund von Katastrophen­schä­den ausgegeben, im Jahr 2019 werden es geschätzt 17 bis 18 Millionen Euro sein. Wenn die bäuerlichen Familien 10, 20, 25 Prozent dieses Beitrages leisten müssen, ist es bei diesen Einkommen trotzdem sehr, sehr viel Geld, das zurzeit sehr schwer zu erwirtschaften ist.

Ganz eng verbunden sind damit – das wurde von meinem Vorredner angesprochen – das Klima, der Klimaschutz, die Klimaveränderung. Diese sind sehr stark mit der Land­wirtschaft verknüpft, und ich möchte dazu auch ein paar Zahlen nennen. Ich bin gerade dabei, das Buch des Erfinders der ökosozialen Marktwirtschaft, Josef Riegler, zu lesen, und da steht drinnen, dass die Menschheit bis zum 18. Jahrhundert gebraucht hat, damit es eine Milliarde Menschen gibt, und in den darauffolgenden 300 Jahren sollte sich diese Zahl auf zehn Milliarden vermehren. Was das bedeutet, muss man sich


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 74

eigentlich durch den Kopf gehen lassen: eine Verzehnfachung innerhalb von 300 Jah­ren!

Täglich werden circa 260 000 mehr Menschen geboren als sterben, das entspricht im Jahr etwa der Einwohnerzahl Deutschlands – und das Jahr für Jahr. Dass dies Aus­wirkungen auf das Klima hat und dass wir Menschen eine große Wirkung auf das Klima haben und alle Menschen Verursacher dieser Klimaveränderung sind, stellt uns, glaube ich, vor sehr, sehr große Herausforderungen. (Bundesrat Schennach: Nur nicht für Europa ...!)

Ich denke, die österreichische Landwirtschaft kann dazu einen großen Beitrag leisten und leistet eigentlich schon in den letzten 30, 40 Jahren einen großen Beitrag mit einer nachhaltigen und standortangepassten Landwirtschaft und Bewirtschaftung. Ich kenne sonst keine Produktionssparte, die durch Produktion eine positive Klimabilanz erreicht. Die österreichische Landwirtschaft macht das: Grünland hat eine positive Klimabilanz, die Forstwirtschaft hat eine positive Klimabilanz. Darauf aufbauend, glaube ich, müssen wir uns einbringen. Ich danke auch der Bundesregierung für die in den letzten Jahren schon ambitionierten Ziele, die wir gesetzt haben, nämlich eine positive Klima­bilanz und eine nachhaltige Landwirtschaft zu ermöglichen und mit dem Öpul-Pro­gramm, der AZ und der Einheitlichen Betriebsprämie die bäuerlichen Familien zu unterstützen.

Eines muss ich, da die zweite Säule angesprochen worden ist, dazu sagen, dass ein großer Teil von diesem Geld in andere Richtungen gehen soll: 600 000 Arbeitsplätze in der ländlichen Region sind durch die Landwirtschaft im vor- und nachgelagerten Be­reich gesichert. Ich glaube auch, diese Zahl auf „nur“ – unter Anführungszeichen – 4,5 Prozent der Bevölkerung, was die Landwirtschaft betrifft, herunterzubrechen, ist zu kurz gegriffen. Ich bin auch dafür, dass viele Familien unterstützt werden, aber ich muss darauf hinweisen: Man sollte da andere Finanztöpfe anzapfen, um aus anderen Bereichen Geld zu lukrieren, aber bei der Einkommenssituation, die in der Land­wirtschaft derzeit vorherrscht, noch Geld wegzunehmen, wird sicherlich nicht funktio­nieren und den Strukturwandel nur beschleunigen.

Wo findet der Strukturwandel statt? – Meist in den Gebieten, in denen der ländliche Raum auch wirtschaftlich schwach ist. In unserer Region mit starkem Tourismus, mit starkem Handwerk, mit vielen Arbeitsplätzen ist der Strukturwandel wesentlich schwächer ausgeprägt. Das Pendeln der Nebenerwerbsbauern spielt eine wesentliche Rolle. Wenn man tagtäglich 100 Kilometer oder mehr pendeln muss, dann ist es nicht mög­lich, eine Landwirtschaft im Nebenerwerb zu betreiben. Es gibt viele Gründe, warum Landwirte die Stalltüren zusperren, und da wiederum schließt sich der Kreis mit der Bewirtschaftung, mit dem Klimawandel, mit dem Naturschutz und mit all diesen Dingen, die wir in der Praxis eigentlich schon lange betreiben.

Was kann man Positives tun, um das Einkommen zu verbessern, um eine Trendwende herbeizuführen? – Regionalität ist ein sehr strapaziertes Wort, würde ich sagen. Es wird viel von Regionalität gesprochen, aber in der Praxis wenig getan, sowohl bei den Konsumenten als auch beim Tourismus. Kollege Peter Raggl hat das schon erwähnt, und ich glaube, da gibt es großen Handlungsbedarf. Ich denke, wenn die Land­wirtschaft, so wie wir sie in Österreich betreiben, Zukunft haben soll und wenn die Menschen wollen, dass wir dieses Bild der traditionellen Naturlandschaft und Kultur­landschaft so beibehalten, dann müssen wir einen Schulterschluss erreichen, um auf diesem Gebiet mehr Regionalität und wirklich auch bessere Preise erzielen zu können.

Ich danke der Bundesregierung und auch den Grünen, die bei den Regierungs­ver­handlungen auch positive Signale für die Landwirtschaft – im steuerlichen Bereich, im Sozialversicherungsbereich (Bundesrat Pisec: Ist noch nichts umgesetzt!), in der


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 75

Herabsetzung des fiktiven Ausgedinges für die landwirtschaftlichen Pensionen und bei vielem mehr – gesendet haben. Es ist noch viel zu tun, aber die Richtung bezie­hungs­weise dieses Übereinkommen gibt gute Chancen, und dies jetzt in Umsetzung zu bringen ist, glaube ich, ein wesentlicher Beitrag, um gemeinsam gut voranzukommen.

Wir leben alle in einem so ungemein hohen Wohlstand, der meiner Wahrnehmung nach – je mehr Wohlstand – doch auch ein bissl Unzufriedenheit schafft. Ich denke, dass wir eine große Leistung für diesen Wohlstand und für die Gesellschaft erbringen, die den Erholungsraum in der ländlichen Region sucht, die aus den Ballungszentren zu uns kommt. Ich spüre ab und zu, dass wir schon die Lieferanten dieses Wohlstandes sind, aber dabei selber zum Opfer werden. Wenn man diesen Wohlstand weiterhin haben will, dann darf uns das wirklich nicht passieren. In diesem Sinne, glaube ich, müssen wir uns alle bemühen, damit wir eine gute Zukunft haben.

Ich möchte zum Abschluss einen Entschließungsantrag (Zwischenruf des Bundesrates Novak) einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Nein zum Mercosur-Abkommen in der bisherigen Form“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, sich gegen das Mercosur-Abkommen in der bisherigen Form auszusprechen.“

*****

Ein Beisatz noch: Wir hätten das wirklich gerne mit der FPÖ gemeinsam eingebracht, es war aber leider nicht verhandelbar. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.38


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Der von den Bundesräten Bader, Schreuder, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Nein zum Mercosur-Abkommen in der bisherigen Form“ ist genügend unterstützt und steht damit mit in Verhandlung.

Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesminister Elisabeth Köstinger zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Minister, ich erteile Ihnen das Wort.


12.38.43

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich freue mich sehr, heute wieder hier zu Gast sein zu dürfen und auch dieser Aussprache zum Grünen Bericht 2019 beiwohnen zu dürfen. Vielleicht auch dazu ein Wort: Das ist immerhin der 60. seit Bestehen des Landwirtschaftsgesetzes, und es gibt so gut wie keine Branche, die jedes Jahr ein derart umfangreiches und vor allem auch beständiges Nachschla­gewerk erstellt. Er ist sehr wichtig für den Agrarsektor, weil somit immer vor allem ein Überblick über die wirtschaftliche, aber auch soziale Situation unserer bäuerlichen Familienbetriebe in Österreich vorliegt.

Im Kernbereich geht es natürlich um die Einkommenssituation; diese ist am heutigen Vormittag auch schon eingehend beleuchtet worden. Ich darf ein herzliches Danke­schön an die rund 2 000 freiwillig Buch führenden Betriebe in Österreich aussprechen,


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 76

die die Grundlage dafür liefern, dass wir auch im Bundesministerium die ent­sprechen­den Zahlen, Daten und Fakten einholen und verarbeiten können.

Das Jahr 2017 war laut des Grünen Berichts etwas positiver; im Jahr 2018 mussten wir doch ein anschauliches Minus von 10 Prozent in der Land- und Forstwirtschaft, was die Einkünfte betrifft, hinnehmen. Laut den ersten Vorschätzungen zur Landwirtschaft­lichen Gesamtrechnung ist für das Jahr 2019 aber immerhin wieder mit einem leichten Einkommensplus zu rechnen.

Das darf uns aber nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass unsere Landwirte seit Jahren mit steigendem wirtschaftlichen Druck zu kämpfen haben. Die Gründe dafür – ich glaube, das ist heute auch schon hinlänglich beleuchtet worden – sind sehr viel­fältig. Es gibt 2018, bedingt durch niedrige Produktpreise, einen deutlichen Ertrags­rückgang bei der Schweinehaltung. Es ist heute die Frage bezüglich Afrikanischer Schweinepest aufgetaucht. Wir haben ja bereits 2018 gemeinsam mit dem Gesund­heitsministerium umfassende Maßnahmen ergriffen, um das Näherrücken zu verhin­dern. Wir sind da mit unseren europäischen Partnerländern durchgehend in Kontakt. Sie alle haben wahrscheinlich auch die massiven Wildschweinentnahmen in Ländern wie Deutschland, Tschechien und der Slowakei verfolgen können. Da sind wir in sehr intensivem Kontakt. Vor allem Hygienemaßnahmen und Transit sind ein ganz großes Thema. Aus österreichischer Sicht haben wir auch schon massive Vorkehrungen ge­troffen und wir werden diese in Zukunft weiter intensivieren.

Es gibt höhere Ausgaben im Bereich der Tierhaltung, vor allem bei den Futtermitteln. Die zurückgehenden Erträge bei Zuckerrüben und Erdäpfeln sind genannt worden; da ist die massive Schädlingssituation zu nennen, denn aufgrund des doch sehr bemer­kenswerten Hitze- und Dürresommers haben sich die Schädlinge massiv ausgebreitet. An dieser Stelle vielleicht auch die Bemerkung: Es muss natürlich auch in Zukunft ausreichend Pflanzenschutzmittel geben, damit wir die Schädlingssituation vor allem aufgrund der Dürre und der Trockenheit besser in den Griff bekommen. Die Aufwände für Energie und Personal sind gestiegen.

Alles in allem war das Jahr 2018 für die Land- und Forstwirtschaft mit Sicherheit ein Ausnahmejahr, ein außergewöhnliches Jahr. Die Dürreereignisse und damit einher­gehend auch die Starkregenereignisse haben zu einem Einkommensrückgang geführt.

Vor allem Bergbauernbetriebe stehen besonders in unserem Fokus. Das ist ja ein sehr sensibler Bereich, wenngleich man sagen muss, dass der Einkommensrückgang spe­ziell bei den Marktfruchtbetrieben und in den Ackerbauregionen noch stärker war. Auch bei den Biobetrieben haben wir einen Einkommensrückgang von rund 2 Prozent. Das sind alles Bereiche, auf die wir in den Verhandlungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik, aber natürlich auch bei unseren nationalen Weichenstellungen versuchen ent­sprechend Rücksicht zu nehmen.

Für uns wird ganz zentral sein, auch weiterhin eine starke erste Säule im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik zu haben. Vor allem dann, wenn wir mit Unwettern und Dürreereignissen zu kämpfen haben, brauchen unsere Betriebe ein Maximum an Sicherheit, und das kann eben auch mit einer stabilen ersten Säule gewährleistet werden. Dazu brauchen wir natürlich auch unsere bewährten Programme im Bereich der ländlichen Entwicklung, wie das Öpul-Programm, aber auch die Ausgleichs­zahlun­gen im Berggebiet und vor allem auch die Bioprogramme, die Investitionsprogramme, um die Zukunft unserer bäuerlichen Familienbetriebe sichern zu können.

Herr Bundesrat Bernard hat ja doch einen umfassenderen Rundumschlag geleistet: Ich hoffe, das war nur dem Landwirtschaftskammerwahlkampf in Niederösterreich geschul­det, weil speziell das Jahr 2018 doch auch während einer gemeinsamen Regierungs­zeit vonstattengegangen ist. Speziell im Jahr 2018 haben wir gemeinsam mit dem


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 77

Koalitionspartner in der Land- und Forstwirtschaft umfassende Maßnahmen ergriffen, um den bäuerlichen Familienbetrieben zu helfen. (Bundesrätin Steiner-Wieser: ... seit den Siebzigerjahren ...!) Ich habe vor allem in Niederösterreich vernommen, dass durchaus auch Vertrauen verloren gegangen ist. (Neuerlicher Zwischenruf der Bun­desrätin Steiner-Wieser.) Ich hoffe, dass vieles von dem, was Sie heute gesagt haben, dem Wahlkampf geschuldet war. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Alles in allem haben wir nämlich im Jahr 2018 die Weichen in eine neue Richtung gestellt. Wir haben vor allem auch dafür Sorge getragen, dass den Bauern mit der Erhöhung der Prämienbezuschussung eine massive Entlastung angediehen worden ist. Wir haben auch das erste Entlastungspaket – vor allem abzielend auf unsere Seniorinnen und Senioren und auf eine Reduktion der Sozialversicherungsbeiträge – noch gemeinsam beschlossen, und zwar als sichtbares Signal, dass wir die bäuer­lichen Familienbetriebe entlasten wollen, weil diese die Zukunft der Lebensmittelpro­duktion, aber auch des ländlichen Raums in Österreich insgesamt darstellen.

Wir haben für das Jahr 2020 mit dem Koalitionspartner, den Grünen, einiges geplant, das die Wertschöpfung der Betriebe erhöhen soll. Zum einen soll das Entlastungspaket wirklich vollständig umgesetzt werden. Da ist das Thema der Gewinnglättung ein ganz zentrales. Dieses ist auch für die Region Niederösterreich ganz entscheidend, weil die Ernteeinbußen und die Dürreereignisse vor allem dort ganz besonders auftreten. Zum anderen haben wir uns auf eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung verständigt, vor allem im Bereich der Großküchen, der Kantinen, aber auch bei den verarbeiteten Produkten. Dazu sei gesagt, dass das der ganz, ganz große Hebel ist, weil in diesen Bereichen die Konsumentinnen und Konsumenten zum Teil einfach nicht sehen, woher die Rohstoffe kommen. Das wollen wir gemeinsam mit Gesundheitsminister Rudi Anschober, der federführend dafür zuständig ist, umsetzen. (Beifall der Bundesrätin Miesenberger.)

Wir haben ein klares Nein zum Mercosur-Abkommen verankert; auch das ist ganz wichtig für unsere bäuerlichen Familienbetriebe. Wir werden die Handelsketten noch viel stärker in die Pflicht nehmen. Schauen Sie sich die Situation an: In Österreich stehen 150 000 bäuerlichen Familienbetrieben circa drei große Handelsketten gegen­über, die sich 90 Prozent des Marktes aufteilen. Da ist wirklich der Kampf David gegen Goliath angesagt. Wir als Bundesregierung werden weitere Maßnahmen setzen, damit es eine Partnerschaft auf Augenhöhe geben kann, damit nicht der große Konzern aus den bäuerlichen Familienbetrieben in den Verhandlungen permanent mehr oder weniger noch das Letzte betreffend die Preise herausquetscht. Das liegt uns wirklich sehr am Herzen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Wir sehen sehr viel Potenzial im Bereich der Energiewende; auch das ist etwas, zu dem wir etwas vereinbart haben. Biomasse ist ein enorm wichtiger Rohstoff der Zukunft. Wir haben ein wirklich großes Potenzial, Biogas zu gewinnen und damit Stück für Stück die fossile Abhängigkeit zurückzudrängen. Nicht zuletzt werden uns auch Innovation und Technologie vorwärts bringen, wenn man sich beispielsweise den Holz­diesel anschaut, der mit der Fischer-Tropsch-Synthese hergestellt wird: Das kann in Zukunft wirklich ein Treibstoff der neuen Generation sein, mit dem wir wieder einen Beitrag dazu leisten, dass die Landwirtschaft im Bereich des Klimaschutzes nicht Teil des Problems ist, sondern einen massiven Teil der Lösung darstellt. All das werden wir entsprechend in Angriff nehmen.

Da von Frau Bundesrätin Kahofer Green Care genannt worden ist, das Teil des Regie­rungsprogramms ist, noch ein Wort dazu: Auch ich sehe den Schlüssel für unsere bäuerlichen Familienbetriebe im ländlichen Raum ganz stark in der Rolle der Frauen. Die Situation hat sich aber in den letzten Jahrzehnten doch um einiges verändert. Sehr oft heiraten junge Frauen in bäuerliche Familienbetriebe ein, die nicht direkt aus der


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 78

Landwirtschaft kommen, die oft einem Pflegeberuf nachgegangen sind, die Pädago­gin­nen sind, die ein umfassendes Spektrum an Qualifikationen mitbringen, und diese zu nutzen soll ihnen dann auch entsprechend auf einem bäuerlichen Familienbetrieb ermöglicht werden, und zwar in einer Erwerbskombination mit Green Care. Wir ver­knüpfen dabei beispielsweise soziale Dienstleistungen mit einem aktiven landwirt­schaft­lichen Betrieb. Das kann in Zukunft noch viel stärker zur Lösung von vielen Problemen, denen wir im ländlichen Raum gegenüberstehen, dienen. Entsprechend wichtig ist es, dass die Wertschöpfung in den Betrieben bleibt, dass es aktive land­wirtschaftliche Betriebe gibt und dass sich vor allem die Frauen selbst verwirklichen können und damit einen wichtigen Beitrag zur Zukunft unserer Familienbetriebe und vor allem des gesamten ländlichen Raumes leisten.

Wir als Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus werden uns auf den verschiedensten Ebenen weiterhin intensiv dafür einsetzen, dass unsere von Familien geführte, multifunktionale, nachhaltige und vor allem auch wettbewerbsfähige flächendeckende Land- und Forstwirtschaft in Österreich in Zukunft Bestand hat. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von FPÖ und Grünen.)

12.49


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Zu einem weiteren Redebeitrag ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth zu Wort gemeldet. – Frau Bundesrätin, ich erteile Ihnen das Wort.


12.49.37

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Einmal mehr kann man zuschauen, wie die Grünen zugunsten einer Regierungsbeteiligung ihre Haut zu Markte tragen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Was nicht unbekannt ist! Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie stehen auf einem Antrag zu einem für Sie so wichtigen Thema mit einer nichts­sagenden Formulierung, zu der man nur sagen kann: No na! – Bei der ÖVP überrascht uns das ja nicht, sie hat ja bei Ceta und TTIP nicht nur einmal klargemacht, wie wichtig ihr Freihandelsabkommen sind.

Ich möchte schon sagen: Grundsätzlich sind Freihandelsabkommen ja nichts Schlech­tes (Bundesrätin Zwazl: Danke!), sie sind durchaus positiv zu bewerten. Die Frage ist nur: Wie und was wird abgeschlossen? Die Grünen, die sich beim Thema Klimawandel immer in den Vordergrund geschoben haben, die über Ökologie reden, die über Um­weltschutz, der ihnen angeblich so wichtig ist, reden (Bundesrat Schennach: Genau!), die über den Ausstoß von CO2 und die Abholzung der Regenwälder im Amazonas­gebiet – die für 15 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich ist – reden, ducken sich jetzt weg und sagen: Na gut, das gilt jetzt nicht mehr, denn wir sind ja in einer Regierung und daher sind wir halt leider von unserem Koalitionspartner abhängig. So konnte auch die ÖVP – leider, muss ich sagen, aber gut, das ist nichts Neues für uns – unserem Antrag nicht zustimmen, der dezidiert sagt: Wir sind gegen dieses Abkom­men. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Im Zusammenhang mit dem Grünen Bericht ist ja heute wirklich sehr viel und auch sehr viel Richtiges über die heimische Landwirtschaft gesagt worden, über unsere kleinen Bauern und darüber, wie wichtig deren Überleben ist. Und jetzt sind Sie dafür, dass im Amazonas Regenwälder abgeholzt werden (Bundesrat Bader: Das ist eine Unterstellung, Frau Kollegin!), um dort weitere Landwirtschaftsflächen zu schaffen, mit keinem anderen Ziel, als auch Österreich mit den entsprechenden Produkten zu über-


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 79

schwemmen?! Also einmal mehr, sehr geehrte Damen und Herren der ÖVP, aber auch von den Grünen: Was wollen Sie jetzt eigentlich? Sie sind offensichtlich ständig in der Spannung, sich selbst fragen zu müssen: Wer ist jetzt stärker, ich oder ich? (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Nationalratsabgeordneter Michel Reimon hat im September 2019 noch gesagt, dass das Mercosur-Abkommen das klimafeindlichste Abkommen ist, das er überhaupt je gesehen hat. (Bundesrat Schennach: Das ist richtig!) – Na gut, okay, wir kennen ja die ÖVP von früher, die in der Koalition mit der SPÖ nicht nur einmal im Liegen umgefallen ist, und jetzt erleben wir, dass die Grünen genau das gleiche Kunststück wiederholen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Bader und Zwazl.)

12.52


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Es liegt noch eine Wortmeldung vor. – Bitte, Kollege Marco Schreuder. (Bundesrätin Mühlwerth: Das kann er jetzt sicher ... erklären!)


12.53.11

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolle­ginnen und Kollegen! Es ist mir eine Freude, Frau Kollegin Mühlwerth beruhigen zu dürfen. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.) Das ist doch das Schöne am Bundes­rat, dass das möglich ist. (Bundesrätin Mühlwerth: ... ein Versuch!)

Sie können sich getrost davon überzeugen lassen, dass wir das ganz, ganz klar ablehnen, und das haben wir (in Richtung ÖVP) jetzt auch in einem gemeinsamen Antrag formuliert. Ich lese das vor. (Bundesrätin Mühlwerth: Da steht aber nichts drin!) Da steht ausdrücklich drin (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, ja!), dass in den Fragen der Landwirtschaft, der Umwelt und des Klimaschutzes keine weitere Belastung stattfinden darf (Zwischenrufe der BundesrätInnen Mühlwerth, Schartel und Steiner) und wir deshalb Mercosur in der bisherigen Form auf jeden Fall ablehnen werden. (Bundes­rätin Mühlwerth: Das steht in dem Antrag nicht drinnen! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Steiner.) Das steht nicht nur in dem gemeinsam mit der ÖVP formulierten Antrag, das steht auch im Regierungsprogramm so, und zwar zweimal, wenn Sie genau schauen. (Bundesrätin Mühlwerth – ein Schriftstück in die Höhe haltend –: ... abzuleh­nen! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Da steht ganz klar: Nein zu Mercosur!, da hat sich nichts geändert. (Heiterkeit bei Bundesräten der FPÖ.)

Sie können davon überzeugt sein, dass die Grünen in dieser Regierung auf jeden Fall mehr zum Klimaschutz beitragen werden, als es die FPÖ in der letzten Legislatur­periode getan hat. – Vielen Dank! (Beifall bei Grünen und ÖVP. Bundesrat Steiner: Gut, dass wir momentan Faschingszeit haben! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

12.54


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer tatsächlichen Berichti­gung hat sich Kollege Bernard zu Wort gemeldet. – Ich erteile Ihnen das Wort.


12.54.42

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundes­minister, ich muss Sie leider enttäuschen! Ich vertrete die Bauern seit 1995 aus gan­zem Herzen und mit vollster Überzeugung. Ich tue das nicht nur wegen des Wahl­kampfs, sondern durchgehend von 1995 bis jetzt aus ganzem Herzen – nicht so wie die ÖVP. (Beifall bei der FPÖ.)

12.54

12.55.02


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 80

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „mehr Nachhaltigkeit und Verteilungs­gerech­tigkeit in der kommenden Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen. Ich bitte jene Bundes­rätin­nen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit, der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt. (Bundesrat Schabhüttl: ... noch einmal nachzählen! Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Es haben nicht alle aufgezeigt. Es hast nur (in Richtung FPÖ) du aufgezeigt und hinten einer. (Rufe bei der FPÖ: Nein, nein! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Nein, ihr habt nicht aufgezeigt. Es war aus meiner Sicht nicht erkennt­lich. (Ruf bei der FPÖ: Dann braucht man Brillen! Bundesrat Bader: ... Abstimmungs­ergebnis ist festgestellt!)

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist abgelehnt.

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Nein zum Mercosur-Abkommen“ vor.

Ich lasse über den Entschließungsantrag abstimmen. Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein deutliches Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (270/E-BR/2020)

Es liegt weiters ein Antrag der BundesrätInnen Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kolle­gen auf Fassung einer Entschließung betreffend „verbindliche Vorgaben für die Mit­gliedsstaaten zur Verwendung von Fördermitteln für soziale Dienste sowie Mobilität im ländlichen Raum sowie für einen eigenen Frauenförderschwerpunkt in der nächsten Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik 2020+“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen. Ich bitte jene Bundes­rätin­nen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Nein zum Mercosur-Abkom­men in der bisherigen Form“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen. Ich bitte jene Bundesrätin­nen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

12.58.542. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2018 (III-686-BR/2019 d.B. sowie 10282/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 81

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir kommen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Frau Bundesrätin, ich bitte um den Bericht.


12.59.12

Berichterstatterin Klara Neurauter: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Aus­schusses für Tourismus, Kunst und Kultur über den Bericht der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Tourismus und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2018.

Der vorliegende Bericht dokumentiert die positive Entwicklung der Tourismus- und Freizeitwirtschaft im Jahr 2018. Das Nächtigungsvolumen erreichte knapp 150 Millionen, was einer Steigerung von 3,7 Prozent gegenüber 2017 entspricht. Damit konnten das vierte Jahr in Folge Nächtigungszuwächse erzielt werden. Insgesamt ist die dynamische Nächtigungsentwicklung der vergangenen Jahre aber vor allem auf die Auslandsnachfrage zurückzuführen. Zudem ist neben einer höheren Steigerungsrate das aktuell realisierte hohe absolute Nächtigungsniveau zu berücksichtigen. (Die Bun­desrätInnen Grimling und Schennach: Das liegt vor! Das liegt vor!) Neben der men­genmäßigen Nachfragesteigerung wurde auch bei den Gesamteinnahmen im öster­reichischen Tourismus im Jahre 2018 eine deutliche Zunahme verzeichnet.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor (Bundesrat Schennach: Ja, eben, bravo!), daher komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Tourismus, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 11. Februar 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den Bericht der Bundes­minis­terin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Tourismus und Freizeitwirtschaft in Österreich 2018 zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank, Frau Bundesrätin, für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


13.01.13

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsident! Frau Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Von der Berichterstatterin ist ja schon angesprochen worden, dass der Touris­musbericht 2018 sehr erfreulich ist, und ich denke, wir können jetzt schon sagen, dass der Tourismusbericht 2019, der ja bald vorliegen wird, auch wieder sehr erfreulich sein wird.

Jedes Jahr gibt es Höchstwerte, verzeichnet wurden 150 Millionen Nächtigungen und 45 Millionen Gäste, und sehr schön ist auch – in der Wirtschaft schaut man immer, wie man im Ranking steht –, Österreich ist an sechster Stelle hinter Frankreich, Spanien, Italien, Großbritannien und Deutschland und wir sind auf dem elften Platz weltweit.

Man sieht, die Aufenthaltsdauer ändert sich immer mehr, die Gäste bleiben immer kürzer. Es gibt einen kleinen Unterschied zwischen den ausländischen und den inlän­di­schen Gästen, die ausländischen bleiben ein bisschen länger; derzeit liegt die durch­schnittliche Verweildauer bei 3,3 Tagen.

Der Tourismus und die Freizeitwirtschaft trugen 15,3 Prozent zum BIP bei und be­schäftigten 11 Prozent aller unselbstständig Beschäftigten. Als Niederösterreicherin


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 82

freue ich mich nicht nur über die österreichweit großartigen Zahlen, auch in Nieder­österreich haben wir erfreulicherweise wieder Höchstwerte: Verzeichnet wurden 3 Mil­lionen Gäste und 7,7 Millionen Übernachtungen.

Der Tourismus – das sieht man an den Zahlen – ist eine wichtige Säule für die wirt­schaftliche Stärke unseres Landes. Bei aller Freude über den positiven Tourismus­bericht 2018 dürfen wir aber nicht vergessen, vor welchen Herausforderungen unsere Tourismusbranche steht und welche Probleme sie hat. Problem Nummer eins ist der Fachkräftemangel: 60 Prozent der offenen Stellen im Tourismus und in der Freizeit­wirtschaft bleiben länger als sechs Monate unbesetzt, vor allem Küchenpersonal und Köche werden dringendst gesucht.

Die Branche verzeichnet jedes Jahr Beschäftigungszuwächse – von 2017 auf 2018 gab es wieder um 1,3 Prozent mehr unselbstständig Beschäftigte. Ich habe mir auch angeschaut, wie es denn mit der Ausbildung des Nachwuchses ausschaut. Die Schülerzahlen in den Tourismusschulen steigen leider nicht. Sie fallen leicht, was wahr­scheinlich auch der demografischen Entwicklung geschuldet ist. Im Schul­jahr 2010/2011 gab es 10 778 Schülerinnen und Schüler, 2016/2017 waren es nur mehr 8 935. Leider ist es so: Sie bekommen eine großartige Ausbildung, sind daher in anderen Branchen natürlich auch sehr gefragt und wechseln ganz einfach die Branche.

Gerade bei den Lehrlingen – Sie wissen das alle; das ist mir auch ganz wichtig, ich habe es mir angeschaut – sieht man, dass die Schere zwischen der Zahl der Lehr­stellensuchenden und der der offenen Stellen ungeheuer auseinanderklafft – das geht wirklich weit auseinander. Im Herbst 2019 gab es 463 Lehrstellensuchende, ihnen standen 2 320 offene Lehrstellen gegenüber – das ist also fünf Mal so viel, als es junge Leute gibt, die da gerne einsteigen wollen. Schauen wir uns an, wie es zum Beispiel aussieht, wenn jemand Bürokauffrau, Bürokaufmann werden will: Da gibt es 900, die sich bewerben, und 423 offene Stellen.

Es wäre vielleicht wichtig, den jungen Leuten auch aufzuzeigen, welch große Chancen und welche Möglichkeiten sie im Tourismus und in der Freizeitwirtschaft haben. Des­halb sage ich dir, Frau Minister, und der Bundesregierung ein herzliches Dankeschön für die Fachkräfteoffensive, weil diese gerade im Tourismus und der Freizeitwirtschaft ganz wichtig ist.

Nachhaltigkeit und Klimaschutz stellen natürlich auch den Tourismus vor Herausfor­derungen und sind mir ein Anliegen. Vor allem An- und Abreise sind ganz einfach ein Thema; der Verkehr in der Tourismusbranche verursacht drei Viertel der CO2-Emis­sionen im Tourismus. Da müssen wir noch schauen, wie wir das ändern können – vielleicht könnten wir mit Kooperationen mit der Bahn, kostenlosem Shuttledienst oder dem Ausbau der Infrastruktur für E-Mobilität ganz einfach Abhilfe schaffen.

Nachhaltigkeit ist aber gerade auch im Zusammenhang mit dem Klimawandel – Stich­wort Wintertourismus – ein Thema, an das zu denken ist. Da sind umweltgerechte und wirtschaftliche Strategien gefragt. Begrüßenswert ist der „Plan T – Masterplan für Tourismus“. Das ist die Grundlage für die Tourismuspolitik der Bundesregierung für die nächsten Jahre, die eine nachhaltige Weiterentwicklung des Tourismusstandortes Österreich sicherstellen möchte.

Was ist im Jahr 2018 auf politischer Ebene für den Tourismus erreicht worden? – Regionalisierung der Mangelberufsliste; das ist ganz wichtig: Seit 1.1.2019 sieht die Fachkräfteverordnung neben den Mangelberufen auf Fachebene auch Mangelberufe auf Bundeslandebene vor. Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte: Da geht es ganz einfach um die Beseitigung der kritisierten Altersdiskriminierung von über 40-Jährigen im Be­reich der Schlüsselkräfte. Die Gewichtung des Alters ist nunmehr geringer, die Gewich­tung der Kriterien Sprachkompetenz und Berufserfahrung ist stärker. Wie gesagt, diese


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 83

Reform ist seit 1.1.2019 in Kraft. Auch noch ein Erfolg: Seit Juli 2018 ist für bestimmte Beherbergungsbetriebe – unter 30 Betten – keine Betriebsanlagengenehmigung mehr erforderlich.

Das sind Themen, bei denen es wichtig ist, dass sie auf Schiene gebracht wurden, um hinsichtlich der Zahlen im Tourismus auch weiterhin Erfolge wie im Berichtsjahr 2018 – und wie sie auch für 2019 vorhergesehen werden – erreichen zu können. Insbeson­dere ist es aber ganz einfach wichtig, dass wir verstärkt schauen, wie wir zu mehr Fachkräften kommen.

Ich sage dir, Frau Bundesminister, und deinem Team ein herzliches Dankeschön für den Bericht. Ich sage aber vor allem allen, die im Tourismus und in der Freizeit­wirt­schaft beschäftigt sind, ein herzliches Dankeschön, weil sie diejenigen sind, die so erfolgreich wirtschaften und damit einen wesentlichen Beitrag für unsere Wirtschaft leisten. Außerdem, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, sind sie diejenigen, die uns ganz einfach ein Wohlfühlerlebnis bereiten, uns mit ihrer Arbeit sehr viel Freude machen und dazu beitragen, dass vielleicht doch auch weiterhin mehr ausländische Touristen zu uns kommen, weil sie so besonders aufmerksam und gut betreut wer­den. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

13.08


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. – Ich erteile es Ihnen.


13.08.37

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren, die Sie hier im Sitzungssaal und zu Hause zuhören! Wir haben den Grünen Bericht be­sprochen und reden jetzt über den Bericht über die Tourismus- und Freizeitwirtschaft, weil es ja einen unmittelbaren Zusammenhang gibt: Das eine kann es meiner Meinung nach ohne das andere nicht geben. Angesichts der Tatsache, dass wir heute über das Jahr 2018 reden, sage ich aber: Wenn die Tourismus- und Freizeitwirtschaft heute darüber reden würde, was sie 2018 getan hat und wohin es geht, dann wäre sie wahrscheinlich schon pleite.

Tatsache ist, dass die dynamische Entwicklung und das weltweite Wachstum erneut stärker ausgefallen sind – das hat die Welttourismusorganisation so eigentlich nicht ge­sehen. Wir liegen ja 2018 bei 150 Millionen Nächtigungen. Kollegin Zwazl hat ja schon auf das Jahr 2019 verwiesen, in dem es 153 Millionen Nächtigungen gab. Es ist also wiederum – von 3,7 Prozent – eine zusätzliche Steigerung um 2 Prozent gekommen. Da kann man wirklich nur jenen gratulieren, die in diesem Tourismusbereich arbeiten.

Tatsache ist aber auch: Vor zehn Jahren gab es rund 124 Millionen Nächtigungen. – Das ist also schon eine gewaltige Entwicklung, die wir da sehen. Dass vor allem auch der Städtetourismus zugelegt hat, ist bemerkenswert. In Wien war es im Vorjahr eine Steigerung um 6,8 Prozent. Wien liegt schon an der dritten Stelle, Tirol und Salzburg liegen mit jeweils 50 und 30 Millionen Nächtigungen noch davor; also der Städtetouris­mus boomt in jedem Fall. Wir müssen auch wissen, dass der Hauptherkunftsmarkt immer noch der deutsche Markt ist; rund 37 Prozent der Gäste sind aus Deutschland.

Heute ist schon einmal ein bisschen kritisch angemerkt worden – Kollege Schreuder, glaube ich, hat das gesagt –, dass es vielleicht irgendwann einmal den Aufstand der Bereisten geben wird. Das ist ein Spruch, den es schon seit zehn oder 15 Jahren gibt. Wir alle wissen, wenn wir uns Venedig, Barcelona und so weiter anschauen, was dort los ist. Das ist bei uns noch nicht der Fall, aber in einzelnen Gebieten, wenn man an die Salzburger Altstadt oder an Hallstatt denkt, könnte das unter Umständen auch in


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 84

diese Richtung gehen. Man sollte das auf jeden Fall beachten und in die zukünftigen Überlegungen miteinfließen lassen.

Was meiner Meinung nach auch richtig und wichtig ist, ist nicht nur die Zahl der Nächtigungen, sondern sind vor allem die Gesamteinnahmen. Frau Zwazl hat ja auch schon gesagt, die Zunahme von nominell 5,2 und real 2,2 Prozent ist schon sehens­wert und herzeigenswert – was der Tourismus in Österreich in diesem Bereich leistet. Das macht immerhin 8,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. Zusammen mit der Freizeitwirtschaft erwirtschaftet der Tourismus einen BIP-Anteil von 15,3 Prozent – wie auch immer, das hat schon seinen Rang und seinen Namen in der österreichischen Wirtschaft.

Und – das wurde vorhin auch erwähnt – der Tourismus ist ein Beschäftigungsmotor; mein Kollege Rudi Kaske wird das dann näher beleuchten. Ich frage mich persönlich schon auch, wenn man sagt, dass es einen Fachkräftemangel gibt, ob das nicht auch damit zusammenhängt, dass Menschen halt am Wochenende freihaben wollen, dass sie keine geteilte Arbeitszeit haben wollen, am Vormittag und am Nachmittag. Wie ich höre, gibt es noch genug Köche – die auch nicht so schlecht verdienen, muss man bei dieser Gelegenheit sagen –, die aber trotzdem nicht greifbar sind; oder sind sie einfach nicht von einem Bundesland ins andere verschiebbar? Die Qualitätsgastronomie muss da bluten, nachlassen und kann ihr Angebot nicht mehr so weiterführen, wie es bis jetzt gemacht worden ist.

Der Frauenanteil liegt bei 50 Prozent, das ist auch gewaltig in diesem Bereich. Wir beschäftigen immer mehr Ausländerinnen und Ausländer. Das sollte man im Grunde genommen auch wissen.

Die Qualitätssteigerung in der Hotellerie ist, glaube ich, auch ein wichtiges Thema. Wir wissen alle, dass Zwei-Stern-Betriebe mehr oder weniger auf der Strecke bleiben, gute Drei-, Vier- und Fünf-Stern-Betriebe natürlich in weiterer Folge zulegen. Wir wissen auch von der Tourismusbank, dass gerade in diesem Bereich das Geld dafür zur Verfügung gestellt wird, mit allen Maßnahmen, die möglich sind, um da tätig zu werden. Gerade die Vier- und Fünf-Stern-Betriebe erbringen eine Wirtschaftsleistung, die bei einer Eigenkapitalquote von 30 Prozent liegt.

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man in den letzten Wochen die Zeitungen gelesen hat, dann hat man ja auch gesehen, dass es doch einige Dinge gibt, über die man vielleicht nachdenken sollte: zum einen – das ist zwar meiner Meinung nach eine Falschmeldung gewesen –, dass man gesagt hat, ein Teil des Gebietes des Pitztaler und des Ötztaler Gletschers sollte weggesprengt werden, damit man diese zusammenführt. – Das ist so nicht richtig, wie das in den Medien verbreitet worden ist. Wir wissen aber alle, dass das ein Großprojekt ist und dass es dort, wenn man in dieser Größenordnung in die Tourismus- und Freizeitwirtschaft, in diesem Fall ins Skifahren, weiter investiert, UVP-Verhandlungen gibt, also dass diese mitberücksichtigt werden müssen – das ruft natürlich auch den ÖAV, also den Alpen­verein, die Naturfreunde und den WWF auf den Plan –, damit das in weiterer Folge begutachtet wird. Weitere NGOs wurden ja ausgeschlossen. Es wurde ja mit der letzten Gesetzesänderung, die unter Schwarz-Blau eingebracht worden ist, leider Gottes beschlossen, dass diese keine Stellungnahmen mehr abgeben können. (Bun­desrätin Mühlwerth: Letzte gute Tat!)

Was mir in letzter Zeit aufgefallen ist – ich weiß nicht, ob Ihnen das auch aufgefallen ist –, ist, dass man das Thema Alkohol beim Skifahren in den Vordergrund spielt. Gesundheitsarbeiter erleben sozusagen täglich die direkten und indirekten Folgen davon – mit Gesundheitsarbeiter sind die Ärzte gemeint. Sie sehen, was Alkohol auf Pisten anrichtet, sie fordern, dass man von diesem Alkoholkonsum wegkommen sollte.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 85

Ich bin aber der Meinung – und das ist eher positiv gedacht –, dass den Gastronomen in keinem Fall die alleinige Schuld am Alkoholkonsum auf den Hütten angelastet werden kann. Man muss nur Mühe walten lassen und versuchen, die Menschen mit Erklärungen dorthin zu bringen, wo wir auch schon in der Vergangenheit waren.

Noch etwas war für uns in Kärnten sehr wichtig, um im Tourismus weiterarbeiten zu können: Es wurde die Markenphilosophie, das Standortmarketing verändert. Wir haben ja in der Vergangenheit Urlaub bei Freunden propagiert, zum Schluss Lust am Leben. Da haben sich die Industrie, die Wirtschaft und der Tourismus endlich zusam­men­geschlossen, um unter dem Titel – und das, glaube ich, ist eine große Chance – It’s my life! zu reüssieren. Wir hoffen, dass sich da auch das Standortmarketing besonders in Verbindung mit dem Tourismus super auswirken wird.

Kärnten als solches war in den letzten Jahren auch erfolgreich und hat aus 3 245 000 Ankünften 13 Millionen Nächtigungen erwirtschaftet. Unser Geschäftsführer der Kärnten Werbung Christian Kresse stellt auch immer fest, das, was uns fehlt, sind die qualitativ guten Betten. Wir haben im Bereich der Zwei- und Drei-Stern-Hotellerie gewaltig verloren; dieses Segment ist ja, wie wir wissen, auf dem Markt nicht mehr zu verkaufen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bericht zeigt einmal mehr, dass der Tourismus eine sich rasch ändernde Branche ist. Erfolge der Vergangenheit – deswegen habe ich gemeint, dieser 2018er-Bericht ist überholt – sind keine Garantie für die Erfolge der Zukunft. Es bedarf ständiger, ja fast monatlicher, Anpassungen und Veränderungen. Wie sensibel dieser Markt reagiert, ist derzeit am Coronavirus und seinen Folgen zu sehen, denn der asiatische Markt boomt ja im Grunde genommen. Wenn ich heute durch Wien gehe, wo man vorher viele Asiaten gesehen hat, so sehe ich momentan keine, aber wir hoffen ja alle, dass man das wieder in den Griff be­kom­men wird.

Ich wünsche mir natürlich wieder positive Zahlen und hoffe, dass der Bericht 2019 in zwei Monaten auf dem Tisch liegen wird, damit wir bald und nicht erst in zwei Jahren darüber sprechen können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.19


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec. – Ich erteile es Ihnen.


13.19.44

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Bundes­minis­terin! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Was sich zurzeit in China – der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt, das darf man nicht ver­gessen – ereignet, ist nicht ganz so von der Hand zu weisen. Wie wir auch im Bericht nachlesen können, weist China jährlich zweistellige Zuwachsraten sowohl im Touris­mus als auch bei den Geschäftsreisenden – diese sind interessanterweise auch Teil des Tourismusreports – hier in Österreich auf. Das zeigt, wie schnell ein an und für sich peripheres Ereignis, dieses Coronavirus – man sagt auch, es ist eine Form der Lungenpest; das ist noch nicht ganz klar –, eventuell zu einem exogenen Schock führen kann.

Darauf sollten auch die österreichische Hotellerie und die Beherbergungsstätten vorbereitet sein – das sind sie jedoch nicht, das muss man sagen, nicht weil sie es nicht wollen, sondern weil sie es nicht können, weil ihnen oftmals das Geld dafür fehlt –, dass eventuell Touristen aus der asiatischen Region ausbleiben. Sie werden aber aus­bleiben, und daher ist es ganz wichtig, die Eigenkapitalquote unserer österreichischen Betriebe zu stärken.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 86

Die Pestsäule in Wien am Graben erinnert an die große Epidemie beziehungsweise Pandemie, die sich hier im 17. Jahrhundert ereignet hat. Den letzten Pesttoten gab es 1898 in Wien. Ich hoffe nicht, dass man die Geschichte in dieser Hinsicht neu schrei­ben muss, aber entsprechende Befürchtungen sind nicht ganz von der Hand zu wei­sen.

Ich möchte das, was die Regierung auf Papier – Papier ist geduldig, das muss man ganz ehrlich sagen – oder im Internet propagiert, einem Faktencheck unterziehen. Be­reits nach zwei Wochen – diesen Mut muss man in einer Regierung einmal aufbrin­gen – verabschiedete sich die Regierung von ihrem Programm, was die Wirtschaft betrifft. Sie haben vor zwei Wochen ein Steuerreformprogramm öffentlich präsentiert – ursprünglich, in der alten Koalition mit der FPÖ, waren es 17 Seiten, jetzt sind es nur mehr fünf Seiten –, in dem überhaupt nichts für die Wirtschaft und überhaupt nichts für die Hotellerie und Beherbergungsbetriebe drinnen steht! Für diesen Mut, so ein Pro­gramm zu präsentieren, haben Sie sicherlich meine Bewunderung, aber im negativen Sinne.

Wenn Bundeskanzler Kurz bei seiner letzten, vor wenigen Wochen stattgefundenen Reise nach Deutschland in Berlin die Deutschen nach Österreich zum Skifahren einlädt und das propagiert, dann ist das unfair. Er weiß aber sehr wohl, was er damit tut, denn die Deutschen haben einfach mehr Geld als wir Österreicher. Warum haben sie mehr Geld? – Das lässt sich leicht eruieren: Die Deutschen zahlen eine Lohnsteuer von 15 Prozent im niedrigsten Bereich und von 45 Prozent im höchsten Bereich. Die ge­schröpften Österreicher und Österreicherinnen beginnen mit einer Quote, mit einem Satz von 25 Prozent und enden bei einem Satz von 55 Prozent. (Bundesrat Schabhüttl: ... das 13. und 14. Monatsgehalt! Das musst du schon alles mitzählen!) Klar, dass man da die Deutschen lieber hat als die Österreicher, obwohl der österreichische Inlands­tourismus eine ganz wichtige Position darstellt.

Wer kann sich Skifahren in Österreich eigentlich noch leisten? Ich war vor Kurzem in der Skiwelt Amadé. Zu meiner Überraschung wurde mir gesagt, 50 Prozent der Ski­lehrer – das muss man sich vorstellen! – für die Skikurse können nicht mehr mit Öster­reichern besetzt werden. Die kommen alle aus den Niederlanden und aus Deutsch­land, weil es in Österreich zu wenig Nachwuchs gibt. Wer kann sich denn einen Skipass von 60 Euro am Tag leisten? (Bundesrat Schabhüttl: Die verlangen einfach zu viel!) Ein Skiurlaub mit einer Familie kostet, wenn man nicht im Heustadl wohnt, circa 2 000 Euro für sechs bis sieben Tage Skifahren. Da muss man etwas machen, da stimmt offensichtlich einiges nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Was den Sport betrifft, so ist der jetzige Vizekanzler, aber vor allem Sportminister Kogler, der dafür ausgewählt wurde, sichtlich der falsche Mann. (Heiterkeit des Bun­desrates Steiner.) Er wird da sicherlich nicht entsprechend ansetzen können, um das zu beseitigen, und die Skiweltcupergebnisse zeigen ja, in welche Richtung es geht – leider nicht in die richtige Richtung.

Wie sieht es mit Österreichs Tourismus im internationalen Vergleich aus? – Der Welt­tourismus steigt um 6 Prozent, das ist ein entscheidender Faktor. In Österreich – und damit relativiert sich das Ganze schon – steigt der Tourismus nur um 3,7 Prozent, und der Marktanteil Österreichs unter den europäischen Ländern ist sinkend. So gut ist es also um unseren Tourismus offensichtlich nicht bestellt. (Zwischenruf der Bundesrätin Hackl.)

Ganz interessant ist, und das hat mich sehr verwundert, dass die Bettenauslastung im Drei-Sterne-Hotel-Bereich gerade einmal ein Drittel beträgt – zwei Drittel sind frei –, und 50 Prozent bei Vier- bis Fünf-Sterne-Hotels. 50 Prozent aller Beherbergungs­be­triebe sind überhaupt hoch verschuldet. Diese freien Kapazitäten, diese Leerstände


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 87

muss man sich als Hotelier und als Unternehmer auch erst einmal leisten können. Offensichtlich können es viele österreichische Betriebe, vor allem Familienbetriebe, leider nicht.

Ein Vergleich mit Deutschland ist auch deswegen interessant, weil in Deutschland ein Hotelbetreiber viel kürzere Abschreibungszeiten und damit eine viel geringere Nut­zungs­dauer hat. In Österreich ist vorgeschrieben, dass ein Wellnessbereich, ein Be­trieb im Thermensektor nur alle 40 Jahre umgebaut werden darf und soll. Na, wer möchte sich in ein Bett, in ein Badezimmer aus den Siebzigerjahren legen? Jene Politi­ker, die das gefordert haben – vor allem im Zuge der Steuerreform 2016 –, sollten ver­pflichtet werden, selbst eine Sanitätseinrichtung aus den Siebzigerjahren zu ver­wen­den, damit dieses völlig absurde Gesetz über die Nutzungsdauer obsolet gemacht wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Daher haben Österreichs Betriebe auch keine Investitionen getätigt, um sich den qua­litativen Anforderungen des Welttourismus anzupassen – der Wettbewerb ist brutal. Bankkredite sind die Lösung, hohe Verschuldung und Liquiditätsengpässe das Ergeb­nis, und letztlich fehlen die Anreize, dem entgegenzuwirken.

Wien hilft sich schon, da sind die großen Hotelgruppen: Falkensteiner – gut, die sind mittlerweile leider auch schon am Land –, Hyatt, Kempinski, Ritz-Carlton und so weiter und so fort. Die verdienen ihr Geld aber nicht in Wien, sondern im Ausland, damit sie hier in Wien investieren können, weil es auch denen nicht ermöglicht wird, hier Jahres­ergebnisse abzuliefern, um diese Investitionen zu finanzieren. Das Geld kommt aus dem Ausland.

Familienbetriebe haben es schwerer, in diesem Wettbewerb zu reüssieren. Daher ist Folgendes wichtig: mehr Geld für unsere Bevölkerung durch mehr Netto vom Brutto, endlich runter mit den Steuern und vor allem mehr Geld für unsere Familienbetriebe. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Dann gibt’s halt keine Sozialleistungen mehr, aber das ist ja wurscht, das ist der FPÖ ganz egal!)

Ich möchte noch über etwas berichten, was im Bericht nicht steht, aber stehen sollte: Warum kommen Touristen nach Österreich und warum kommen sie nach Wien? Es geht immer nur um Nächtigungszahlen. Einer, der nach Österreich oder nach Wien kommt, kommt ja nicht hierher, um den ganzen Tag im Hotel zu verbringen, also er wird etwas unternehmen. Es geht um das Warum: Was passiert hier? Welche Sight­seeingideen und -vorstellungen haben diese Touristen? – In Wien ist es eindeutig, denn in Wien ist es das kulturelle Erbe der Habsburgermonarchie. Das kann man nicht oft genug betonen. Das hat die Anziehungskraft, das ist der Treiber, das befeuert den Tourismus vor allem in Wien.

Vier Millionen Besucher pro Jahr hat das Schloss Schönbrunn, Millionen Besucher haben der 800 Jahre alte Stephansdom, die Hofburg – wir befinden uns gerade in einem Teil davon – und der Tiergarten Schönbrunn, der sogar der älteste Zoo der Welt ist; diese stehen auf den vordersten Plätzen im Millionenbereich. Alleine an den Gäste­zahlen lässt sich leicht nachvollziehen, warum diese Touristen nach Wien kommen: Es ist das historische Wien.

Und jetzt komme ich einmal zum Roten Wien (Bundesrätin Schumann: Gott sei Dank! Das Wienbashing vom Kollegen!), denn Sie von der SPÖ sind ja immer so stolz auf dieses Rote Wien. Was sind Ihre Assets? Der Karl-Marx-Hof vielleicht? (Heiterkeit bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Der Karl-Marx-Hof ist ein historisches ..., ohne Zweifel! Ohne Zweifel!) Die Twin Towers aus Glas oder irgendwelche völlig verfehlten Glasobjekte und Hochhäuser, die Sie ja jetzt so gerne bauen, die die Sonnenein­strahlung exponentiell verstärken? Wohin führt das?!


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 88

Was von diesem alten, schönen Wien haben Sie abgerissen? – Das Palais Rothschild, das Palais Engelskirchner – Palais jüdischer Kaufleute – und sogar der Heinrichshof, ein Ringstraßengebäude von Theophil von Hansen, wurden vom Roten Wien abgeris­sen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Aber die Stadtmauern haben wir nicht abgerissen!)

Die Touristen kommen wohl kaum nach Wien, um sich den Karl-Marx-Hof und diese ganzen Gebäude, die seit 100 Jahren von der SPÖ errichtet werden, anzusehen. (Bun­desrätin Schumann: Die FPÖ spricht gegen den sozialen Wohnbau! Genau!) Offen­sichtlich hat sie es nicht geschafft, in 100 Jahren irgendetwas Bleibendes für diese Touristen zu schaffen, sodass ihr im Ranking ganz unten seid.

In diesem Sinne ist auch interessant, was der jetzige amerikanische Präsident mit einem geplanten Dekret in den USA bewirken will, nämlich dass es keine mit Steuer­geldern finanzierten hässlichen Gebäude mehr geben soll. Zurück zur Ästhetik und zur Schönheit der Architektur im Allgemeinen! Die Architekten sollen nicht mehr der Bevölkerung Dinge aufoktroyieren, die einfach nicht gewünscht sind. Die griechische Demokratie: dēmos, das Staatsvolk, und krátos, die Herrschaft, und diese geht vom Volk aus und in Wien sicher nicht von einer sozialistisch-grünen Herrschaftsclique! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Die Bevölkerung war gegen die Ring­straßenbauten, aber ganz stark!)

Wir Freiheitliche haben davon definitiv genug. Ein Ende des 100-jährigen Roten Wien ist angesagt. Der deutsche Aufklärer und großartige Philosoph Immanuel Kant hat sich in seiner „Kritik der Urteilskraft“ intensiv mit dem (Bundesrätin Schumann: Roten Wien beschäftigt!) Thema, mit der Terminologie der Schönheit beschäftigt. Kant frei zitiert: Als schön ist ein Ding dann zu bezeichnen, wenn kein Interesse im Spiel ist und es von den Augen aller als schön wahrgenommen wird. – Das ist Schönheit, und mit diesem Punkt werde ich auch schließen. (Bundesrätin Schumann: Darum haben die Wiener so viel geschimpft über die Ringstraßenbauten: weil sie so ...!)

Im Fazit zusammengefasst: Steuern und Abgaben für unsere Tourismusindustrie müs­sen runter. Frau Ministerin, Sie bezeichnen ja den Tourismus interessanterweise auch als Industrie, das ist ja nicht so schlecht: industria, der Fleiß. Die Tourismus­betriebe sind sehr fleißig. Gönnen Sie ihnen, dass sie ihre Gewinne thesaurieren und vor allem investieren dürfen, müssen, können und sollen, das kommt uns allen zugute!

Und: Erhaltung der traditionellen Baukultur und des traditionellen Erbes in Wien! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.30


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Ich erteile es Ihnen.


13.30.23

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Kollege Pisec, ich finde das bemerkenswert und wir waren wirklich erstaunt, denn wir haben noch nie einen freiheitlichen Redebeitrag mit einem Kantzitat gehört. Das finde ich beeindruckend und toll. (Präsident Seeber übernimmt den Vorsitz.)

Ich finde Ihren Redebeitrag auch toll, weil ich sehr lange in der Wiener Tourismus­kom­mission saß und all die Umfragen kenne, die bei Touristinnen und Touristen, die Wien besuchen, gemacht werden. Diese werden immer gefragt: Was hat Sie in Wien am meisten überrascht? – Und was, glauben Sie, war die häufigste Antwort der Touristin­nen und Touristen in Wien? Was hat die TouristInnen am meisten überrascht? (Bun­desrat Steiner: Die Radwege wahrscheinlich!) – Nein, am meisten hat sie die Moder­nität der Stadt (Bundesrat Steiner: Der Radfahrbeauftragte der Stadt Wien!) und das


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 89

gute, zeitgenössische Design überrascht, dass man eine moderne Stadt besucht, die vielfältig ist und tolles Design hervorbringt. – Das war wirklich so, das ist objektiv. (Beifall der BundesrätInnen Novak, Schumann und Wanner.)

Herr Pisec, was glauben Sie, was die TouristInnen auf die Frage, was sie in Wien am meisten stört, geantwortet haben? (Bundesrat Steiner: Die Radwege!) – Das war in der Zeit, als man in der Gastronomie noch rauchen durfte, und das hat die TouristInnen am meisten gestört. Dafür wart ihr und die TouristInnen nicht. So gesehen kann ich Ihnen also Ihren Einsatz für die TouristInnen in Wien nicht ganz abnehmen, es tut mir leid.

Tourismus: Reden wir über den nicht mehr ganz so aktuellen – die neueren Zahlen sind ja schon da –, aber aktuell vorliegenden Tourismusbericht, denn tatsächlich sind in den sehr intelligenten und etwas gescheiteren Beiträgen der VorrednerInnen super Sachen gesagt worden. Darüber sollten wir tatsächlich sprechen, denn ja, der Fach­kräftemangel, Frau Kollegin Zwazl, ist tatsächlich eine der großen Herausforderungen.

Ich kenne das, ich habe das gerade zufällig im Pinzgau bei einem Projekt kennen­gelernt. Da werden tatsächlich zwischen den Hotels, bei denen gerade Peaks sind, die MitarbeiterInnen ausgetauscht, weil einfach nicht genug da sind. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das schauen wir uns aber genau an in Salzburg!) Das ist in vielen Touris­musbetrieben tatsächlich ein Problem. Ich habe es selbst erlebt. Ich bin Tourismus­schulabsolvent (Bundesrat Steiner: Gratuliere!), und diese Schule, in die einmal 1 200 Schülerinnen und Schüler gegangen sind, weil das in den Achtzigerjahren ein erstrebenswerter Beruf war, besuchen jetzt weniger als 500 Leute. Das bedeutet natür­lich auch, dass die Attraktivität dieses Berufs – da sind wir alle gefragt – erhöht werden muss.

Sprechen wir aber von Tourismus, sollten wir wahrscheinlich nicht nur ausschließlich von der Wirtschaft sprechen. Was ist Tourismus, wenn man ihn sich genauer an­schaut? – Es gibt gerade eine große Änderung. Bis jetzt haben wir in den Touris­musdiskussionen und bei den Zahlen immer auf die Anzahl der Nächtigungen und darauf, wie viel ausgegeben worden ist, geschaut und gesagt, dass es gut ist, wenn die Zahlen steigen, steigen, steigen. Jetzt ist etwas passiert: Das ist gekippt, und das in vielen Regionen.

Das ist nicht nur in Österreich so, das gibt es auch woanders. Ich kenne diese Diskus­sionen, die gibt es auch in Amsterdam, die gibt es auch in Venedig, die gibt es auch in Dubrovnik. Die Frage ist, wie wir die Bevölkerung mitnehmen. Was bedeutet es, wenn eine Touristenregion, ein Ort, eine Stadt oder auch ein Teil einer Stadt immer mehr zu einem Museum wird, das nur noch besucht wird und wo keiner mehr leben will? – Das ist tatsächlich eine der größten Fragen, die wir uns stellen müssen.

Es wird notwendig sein, und das wäre auch meine Bitte an das zuständige Ministerium, dass wir gemeinsam eine noch stärkere Strategieentwicklung dahin gehend machen, in welche Richtung der Tourismus sich entwickelt. Wir sollten vielleicht auch weniger von einer Tourismuswirtschaft als von einer Tourismuskultur sprechen. Welche Identität wir haben, wie wir selbst unser Land, unsere Region definieren und wie wir dort leben wollen, das ist auch ein Grund, weswegen uns Menschen besuchen, denn die Men­schen wollen nicht nur ein Museum besuchen, sie wollen ja auch ein Land besuchen und die Leute und deren Alltagskultur kennenlernen.

Das heißt, wenn wir von einer Tourismuskultur sprechen, sprechen wir nicht nur von Wirtschaft. Wir sprechen von Kulturpolitik, wir reden von ökologischer Politik und Natur­politik, wir reden von Sportpolitik, wir reden von Verkehrspolitik, wir sprechen vor allem über die Frage der öffentlichen Erreichbarkeit – das haben auch Sie, Frau Kollegin


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 90

Zwazl, genannt; eine ganz wichtige Frage –, und wir reden natürlich auch von Aspek­ten wie Städtebau oder Stadtplanung.

Natürlich bedeutet es etwas für Wien, wenn alle Kreuzfahrtschiffe an einer Stelle stehen und Hunderte Menschen gleichzeitig in die Stadt gehen, hier nichts ausgeben und dann wieder auf den Schiffen essen und schlafen. Für die Stadt hat es eigentlich kaum einen Mehrwert, und für die Menschen, die in diesen Regionen arbeiten, wird es wirklich unangenehm.

Das heißt, die Identitätsfrage, wie wir selber leben wollen, läuft parallel zur Frage, wie Tourismus funktioniert. Es gibt dann natürlich viele Teilaspekte wie den Winter­touris­mus. Gerade Niederösterreich ist da besonders betroffen, vor allem natürlich die Regionen, die von den Höhenmetern her gesehen etwas niedriger liegen. Die Schnee­sicherheit wird in Zukunft auch nicht mehr gegeben sein. Ich habe zufällig vor Kurzem einen Tiroler Gastronomen kennengelernt, der auch einen Hotelbetrieb hat, der etwas niedriger liegt. Dieser Gastronom hat tatsächlich selbst eine Informationsoffensive ge­startet und seinen Gästen den Wintertourismus damit schmackhaft gemacht, dass es mehr als das Skifahren gibt, dass man in einer Region nicht nur Ski fahren kann, dass das Wandern auch im Winter etwas Schönes ist, dass das Schneeschuhwandern etwas Schönes ist. Auch da wird es also notwendig sein, abseits des Schnees attrak­tive Angebote zu liefern. (Bundesrat Steiner: Das gibt’s ja schon seit 20 Jahren!) – Ich weiß, ja, aber das gehört intensiviert.

Da hier die niederländischen Skilehrerinnen und Skilehrer angesprochen wurden – ich kenne ja persönlich auch einige, ich weiß, dass diese auch wegen des Skifahrens gerne nach Österreich kommen –: Natürlich ist das Skifahren noch immer im Kopf, also wenn man in den Niederlanden das Wort Skifahren sagt, sagt jeder sofort: Österreich. Das ist die Assoziationskette – das ist so. (Ruf bei der FPÖ: Das ist aber positiv!) – Das ist auch positiv, absolut, ich gehe selber gern Skifahren.

Nur, wie eben gesagt, wird es die Schneesicherheit in dieser Form nicht mehr geben, und seien wir ehrlich: Diese weißen Linien in grünen Landschaften sind ja auch nicht unbedingt das, was uns selbst gefällt, was den Menschen, die dort wohnen, gefällt und was den Touristinnen oder Touristen gefallen würde. Die Klimakrise beziehungsweise die Klimawandelfrage reicht direkt in unsere Tourismusfragen hinein. Die Marke Urlaub in Österreich: Da ist es eine Frage, wie wir sie definieren.

Eine andere Geschichte, die natürlich auch für den Tourismus besonders interessant ist – da kommen wir wieder zu den Fragen nach der Identität: wer wir sind, wer uns besucht und welches Land die Menschen besuchen wollen –, ist die Frage danach, was die Touristen hier konsumieren. Ich selbst bin mittlerweile manchmal etwas über­rascht, denn egal, in welches Land man fährt, die Hotels schauen alle gleich aus und funktionieren alle gleich. Fragt man sich manchmal, was es eigentlich an regionalen Spezialitäten oder an Besonderheiten gibt, dann muss man immer mehr auf die Suche gehen, um sie überhaupt zu finden. Ich glaube, dass die Qualitätsgastronomie ein star­kes Thema sein wird, nämlich die Produkte, die wir selbst in unserer Landwirtschaft erzeugen, die Produkte, die wir gerne essen und die wir dann gerne unseren Gästen präsentieren.

Das Gasthaussterben im ländlichen Raum – ich glaube, viele hier kommen ja auch aus Regionen, in denen das ein Thema ist – ist nicht nur eine Frage des Tourismus, son­dern auch eine soziale Frage in den Dörfern, in den Regionen, in den Tälern. Auch da gilt es ganz bestimmt, mehr zu tun.

Lassen Sie mich zum Schluss noch kurz ein Kapitel anschneiden, das gerade auch in Städten ein großes Thema ist – wir haben das auch im Ausschuss diskutiert, wir haben es auch im Tourismusbericht gesehen –: Die exorbitant hohe Zunahme an Ferienwoh-


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 91

nungen und vor allem natürlich auch an Ferienwohnungen, die über diese berühmten Plattformen vermittelt werden – ich möchte nicht diese eine nennen, es gibt nämlich tatsächlich mehrere –, bedeutet natürlich, dass die Frühstückspensionen von früher, in denen man sich die Dusche noch mit anderen geteilt hat, nicht mehr attraktiv sind. Ich verstehe bis zu einem gewissen Grad auch, dass diese Wohnsituation, dass man eine eigene Wohnung hat, populär ist. Wir sollten allerdings tatsächlich darauf schauen – da gibt es im Regierungsprogramm und auch in den Ländern tolle Ideen –, dass wir mit der Meldepflicht noch stärker voranschreiten, denn schlussendlich sind das gerade im urbanen Raum natürlich auch Wohnungen, die den Menschen, die dort vor Ort leben, nicht mehr zur Verfügung stehen.

Damit kommen wir wieder zu diesem Punkt: Die Touristinnen und Touristen kommen wegen der schönen Natur nach Österreich, deswegen bringt es nichts, wenn wir diese Natur kaputt machen – auch nichts, wenn wir Gipfel wegsprengen, nebenbei bemerkt. (Bundesrat Steiner: Wo in Österreich werden Gipfel gesprengt? – Bundesrat Rösch: Am Großglockner!) Was auch nicht funktioniert, ist, dass wir den Menschen vor Ort Wohnraum entziehen (Bundesrat Steiner: Wo?) und ihn nur noch TouristInnen zur Verfügung stellen, weil auch das einfach keinen Sinn macht.

In diesem Sinne: vielen Dank. Ich freue mich auf den zukünftigen Tourismusbericht; die neuen Zahlen sind ja da. Ich glaube, dass wir vieles schaffen können, wenn wir alle gut zusammenarbeiten, vor allem im Klimaschutz. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

13.40


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr.in Doris Berger-Grabner. Ich erteile ihr dieses.


13.41.10

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! – (Ein Tablet in die Höhe haltend:) Ich glaube, wir haben hier noch ein Utensil von meinem Vorredner liegen. (Die Rednerin übergibt das Tablet an den sich Richtung Rednerpult begebenden Bundesrat Schreuder.) – Meine sehr verehrten Zuhörer auf der Besuchergalerie und zu Hause vor dem Fernseher! Der Bericht betref­fend Tourismus und Freizeitwirtschaft in Österreich 2018 ist meiner Ansicht nach ein sehr informativer und kompakter Bericht, den ich mit Begeisterung gelesen habe. Da ich mich während meiner WU-Zeit auf Tourismus und Freizeitwirtschaft spezialisiert habe und aus einer Gastrofamilie stamme, sehe ich diese Entwicklungen tagtäglich vor Ort.

Was besonders erfreulich ist – wir haben es auch schon von meinen Vorrednern gehört –, ist die anhaltend positive Entwicklung des Tourismus in Österreich mit neuer­lichen Höchstwerten, die sehr, sehr erfreulich sind. Das heißt, die Bedeutung des Tourismus für die Gesamtwirtschaft in Österreich, vor allem für den Arbeitsmarkt und für die regionale Entwicklung, ist sehr, sehr groß. Keine andere Branche ist in allen Regionen unseres Landes so verwurzelt und sorgt von den Städten bis in die ent­legensten Täler für Wertschöpfung und Lebensqualität. 11 Prozent aller Beschäf­tig­ten arbeiten in Beherbergung und Gastronomie, rund 312 000 Personen in rund 48 000 Be­trieben.

Eine Herausforderung der Zukunft ist aber sicherlich, so wie es sich in einer funk­tionierenden Marktwirtschaft auch darstellt, Alleinstellungsmerkmale zu erarbeiten, sich zu positionieren, sich eindeutig abzugrenzen, um in diesem dynamischen Markt tat­sächlich überleben zu können.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 92

Meine geschätzten Damen und Herren, erlauben Sie mir zu diesem Thema einen kurzen Einblick in die Tourismusstrategie des Landes Niederösterreich, da ich ja von dort komme: Niederösterreich verfügt, wie wir schon gehört haben, über – aufgrund des Klimawandels – nicht mehr schneesichere Hänge und über nicht allzu viele Seen – es gibt in Niederösterreich zehn Badeseen –, daher ist es wichtig, sich zu positionieren. Das Land Niederösterreich positioniert sich als Land des Genießens, als Land der Lebenskultur und hat sich letztendlich auf vier Kompetenzfelder spezialisiert: Das ist allem voran einmal die Natur, das ist Kulinarik, das sind Kunst und Kultur und das ist Gesundheit. Mit diesen vier Kompetenzfeldern gelingt es Niederösterreich sehr gut, gewisse Zielgruppen anzusprechen, und das sind in erster Linie Tagestouristen. Tages­ausflüge sind im niederösterreichischen Tourismus für 60 Prozent der Wertschöpfung verantwortlich. Das sind jährlich rund 40 Millionen Tagesausflüge.

Was wollen diese Besucher und Besucherinnen neben Kunst, Kultur, Natur und Gesundheit? – Wir sehen es auch hier im Saal, es ist jetzt um die Mittagszeit: Sie wollen gut essen und trinken, sprich die heimischen Gastronomiebetriebe sind sehr, sehr wichtige Botschafter für den Tourismus. Wie gesagt, selber aus einer Gastro­no­miefamilie stammend sehe ich, dass eines der Hauptprobleme, und das hat auch schon meine Vorrednerin Sonja Zwazl angesprochen, der Mitarbeitermangel ist – quali­fiziertes, freundliches Personal zu finden.

Meine geschätzten Damen und Herren, nennen wir ein Beispiel, denken wir an einen wunderschönen Sonntagmittag in der Hochsaison! Wir wollen etwas essen und stehen vor dem Gasthaus Zum Grünen Baum vor geschlossenen Türen, weil der Wirt wieder einmal nicht aufsperren kann, weil der Koch krank ist oder nicht genug Servicepersonal da ist, um die Gäste versorgen zu können. Deshalb ist es so wichtig, Maßnahmen zu setzen – Maßnahmen wie sie die Bundesregierung bereits gesetzt hat und wie sie auch im aktuellen Regierungsprogramm stehen. Wir haben ja von meiner Vorrednerin Sonja Zwazl schon einiges darüber gehört, wie zum Beispiel die Flexibilisierung und Regionalisierung der Mangelberufsliste oder die Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte.

Ich danke auch Bundesministerin Schramböck für den gestrigen Beschluss im Minis­terrat, die Lehre aufzuwerten, attraktiver zu machen und weiterzuentwickeln. Wer sind denn die Fachkräfte? – Die Lehrlinge von heute sind die Fachkräfte von morgen.

Eine weitere wichtige Maßnahme, die getroffen wurde, ist zum Beispiel, um bei der Gastronomie zu bleiben, die Unterstützung unserer Wirte bei Investitionen oder bei Neugründungen und Übernahmen.

Die laut diesem Tourismus- und Freizeitwirtschaftsbericht guten Ergebnisse sind definitiv ein Verdienst unserer engagierten Unternehmer und Unternehmerinnen und ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen – und bei ihnen möchte ich mich sehr, sehr herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP sowie der BundesrätInnen Hauschildt-Buschberger und Schreuder.) Letztendlich sind es die Menschen, die unsere Regionen liebens- und lebenswert machen. Sie sind die Botschafter unseres Landes.

Meine geschätzten Damen und Herren! Zum Abschluss möchte ich noch einen Aus­blick auf den Bericht über das Jahr 2019 geben: Wir haben im Ausschuss gehört, dass der nächste Bericht, der wahrscheinlich im April erscheinen wird, bereits nach neuen Indikatoren aufgebaut sein wird. Bisher wurde ja der Erfolg des Tourismus haupt­sächlich an quantitativen Größen wie Nächtigungen und Ankünften gemessen, die defi­nitiv auch wichtig, aber sicherlich nicht die einzigen Größen sind; sie sind ein Teil­aspekt der Branche. Mithilfe dieses neuen Indikatorensets sollen alle Aspekte der Ent­wicklung des österreichischen Tourismus beleuchtet werden. Es wird verschiedene Faktoren geben – ökonomische, soziokulturelle und ökologische Dimensionen –, und genau diese Herangehensweise ist richtig. Sie zeigt vor allem auch die Vielschich­tig-


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 93

keit; sie zeigt die Verbundwirtschaft Tourismus und die Verflechtung des Tourismus mit den anderen Wirtschaftssektoren.

Lassen Sie mich meine Ausführungen abschließen und noch einmal zusammenfassen: Der Tourismus schafft Grundlagen für Wohlstand und Lebensqualität in Österreich, daher nochmals Danke für die zahlreichen Initiativen, die bereits gesetzt worden sind. Arbeiten wir auch weiterhin an Unterstützungsmaßnahmen, um unser Tourismusland Österreich noch besser auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten zu kön­nen! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Schererbauer.)

13.49


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rudolf Kaske. Ich erteile dieses. (Bundesrat Rösch: Jetzt wird es spannend! – Ruf bei der SPÖ: Der kennt sich aus! – Bundesrat Rösch: Stimmt!)


13.49.23

Bundesrat Rudolf Kaske (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Vorweg Gratulation zur Präsidentschaft, viel Erfolg und natürlich auch auf gute Zusam­men­arbeit – wir kennen einander ja seit Jahren aus dem Tourismus! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Meine Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause, die Sie live dabei sind! Wir diskutieren heute den Touris­musbericht 2018; ein bisserl spät, ein bisserl sehr spät, aber es ist so, wie es ist.

Vordergründig ist die Tourismusbilanz positiv und bunt. Blickt man jedoch hinter die Kulissen, ist Tourismus ein Wirtschaftszweig – und es wurde heute schon mehrmals angeschnitten – mit vielschichtigen Problemen. Diese gilt es aus meiner Sicht, meine Damen und Herren, nicht schönzureden, sondern es gilt, die notwendigen Lehren und Schlüsse daraus zu ziehen.

Nun zur Entwicklung des österreichischen Tourismus 2018 – es wurde schon er­wähnt –: Im Jahr 2018 gab es knapp 150 Millionen Nächtigungen, um 5,3 Millionen mehr als im Jahr davor und um 23,1 Millionen mehr als im Vorkrisenjahr 2008. Das heißt, die Ankünfte stiegen um 1,8 Millionen – soweit die gute Botschaft. Auf der ande­ren Seite wissen wir, der Trend zu immer kürzeren Aufenthaltsdauern hat sich fortge­setzt, verlief in den letzten Jahren aber abgeschwächt. Abnehmende Aufenthalts­dau­ern heißen vor allen Dingen auch, dass sich die Gästezahlen von Jahr zu Jahr erhöhen müssen, um die Nächtigungszahlen auch nur konstant zu halten.

Meine Damen und Herren! Ich komme zu meinem Urthema, der Beschäftigung – danke auch Kollegen Novak für die Einbegleitung –, und ich möchte feststellen: Im Tourismus waren laut Hauptverband im Jahr 2018 216 400 Personen über der Geringfügig­keits­grenze beschäftigt. Das waren um 6 143 mehr als im Jahr davor und um 38 945 mehr als im Jahr 2008 – soweit wieder die gute Nachricht. Es gibt aber auch Schattenseiten im Tourismus und die möchte ich hier auch beleuchten. Eine der großen Schatten­seiten ist nämlich die Arbeitslosigkeit, im Jahresdurchschnitt 2018 verzeichnete die Tourismusbranche gut 38 000 Arbeitslose. Das sind zwar um 4 203 weniger als im Jahr davor, aber um gut 9 000 mehr als im Jahr 2008.

Aus meiner Sicht, meine Damen und Herren, muss die Bekämpfung der Arbeits­losigkeit daher Priorität haben. Daher auch mein Wunsch, geschätzte Frau Bundes­ministerin: Arbeiten Sie gemeinsam mit den Sozialpartnern an einem Ganzjahres­arbeitszeitmodell, um die Attraktivität für die Beschäftigung im Tourismus zu heben! (Beifall bei der SPÖ.)

Eine spannende Frage ist natürlich auch: Wie zufrieden sind denn eigentlich die Tou­rismusmitarbeiterinnen und -mitarbeiter? – Es wurde ja heute schon angeschnitten. In den Jahren nach der Krise verharrte die Arbeitszufriedenheit der Tourismusbe­schäftig-


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 94

ten laut Arbeitsklima Index Tourismus etwa sechs Jahre auf niedrigem Niveau und deutlich unter der Zufriedenheit der Beschäftigten vieler anderer Branchen. Sowohl 2018 als auch insbesondere 2019 kam es aber zu einem markanten Einbruch bei der Arbeitszufriedenheit der Tourismusbeschäftigten. Als Hauptgrund für diesen starken Rückgang konnte die massive Unzufriedenheit mit dem Führungsstil der unmittelbaren Vorgesetzten festgestellt werden.

Bei allen bekannten Problemen der Branche wie schlechte Bezahlung – ich sage immer: ohne Geld ka Musi!; und die Beschäftigten der Tourismusbranche gehören ja nicht zu den überzahlten –, lange und unregelmäßige Arbeitszeiten und daraus folgend eine geringe Planbarkeit des Lebens war in der Vergangenheit insbesondere der Füh­rungsstil im Tourismus immer einer der wenigen Pluspunkte, welcher von den Beschäf­tigten hervorgehoben worden ist. In den letzten zwei Jahren ist jetzt ausgerechnet die­ser wichtige Faktor weggebrochen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich muss es auf den Punkt bringen: Die Unzufriedenheit der Tourismusbeschäftigten ist ein Gastronomieproblem. In der Hotel­lerie ist die Zufriedenheit wesentlich höher und in etwa auf dem Niveau der übrigen Branchen. Im Wesentlichen kann man sagen, dass die Tourismusbeschäftigten wis­sen, was sie in der Branche zu erwarten haben, und damit auch irgendwie umgehen können. Entscheidend ist aber, dass das Management die vorhandenen Spielräume nützt, wenn es darum geht, den Beschäftigten das Leben zu erleichtern oder zumin­dest nicht zu erschweren.

Wie sich in den Klagen über den Führungsstil zeigt, dürfte es da vor allem in den letzten Jahren zu deutlichen Verschlechterungen gekommen sein. Ich freue mich aber, dass das Tourismusministerium reagiert hat und den Arbeitskreis Touristischer Arbeits­markt ins Leben gerufen hat. Ich finde das zumindest sehr spannend, würde ich sagen. Schauen wir einmal, wie die Ergebnisse dann ausschauen werden! (Heiterkeit der Bundesrätinnen Grimling und Schumann.)

In diesem Arbeitskreis hat sich auch zum wiederholten Male gezeigt, dass die Prob­leme der Beschäftigten in etwas anderer Form – und da spreche ich vor allen Dingen die Kolleginnen und Kollegen der ÖVP an – genauso bei den Inhabern kleinerer und mittlerer Tourismusbetriebe auftauchen. Da scheint es oft schwierig zu sein, die Kinder zum Verbleib in der Branche zu bewegen (Ruf bei der FPÖ: Genau!), und es wundert mich auch nicht, wenn dann rückläufige Zahlen in den Tourismusschulen zu bemerken sind.

Meine Damen und Herren! Ein Punkt, den unser Kollege von den Grünen heute ange­schnitten hat, ist – da gibt es ein schönes neudeutsches, englisches Wort dafür – Over­tourism. Damit möchte ich mich auch ganz kurz auseinandersetzen. In manchen Län­dern beziehungsweise Destinationen ist der Overtourism bereits sehr akut – sowohl was die Menschenmassen als auch was die Überlastung der Infrastruktur betrifft. Bei­spiele sind Barcelona, Venedig, Dubrovnik und man könnte da viele andere Orte mehr anführen. Andere Destinationen klagen wieder über die falschen Touristen, wie zum Beispiel Mallorca und einige griechische Inseln, die offenbar mit dem Problem der Kampftrinker zu kämpfen haben.

Von derartigen Problemen, meine Damen und Herren, ist Österreich noch weit entfernt. Punktuell aber scheint die Belastbarkeitsgrenze der örtlichen Bevölkerung bereits erreicht zu sein. Beispiele sind die Salzburger Altstadt und einige kleinere Gemeinden, die heute schon erwähnt wurden – ich denke an Dürnstein, ich denke an Hallstatt; die­se kleinen Orte werden in der Hochsaison von ganzen Busflotten angesteuert –, aber auch zum Teil die Wiener Innenstadt. Vielerorts scheint das Problem auch dadurch verschärft zu werden, dass möglicherweise für die Bevölkerung wichtige Infrastruktur


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 95

durch touristische Infrastruktur verdrängt wird – Stichwort Meinl am Graben; das er­wähne ich nur als Beispiel, das derzeit in Diskussion ist.

Zusammenfassend, meine Damen und Herren, kann man sagen, dass zwei Personen­gruppen, die man bisher nicht so sehr auf dem Radar hatte, für die Tourismuspolitik in Zukunft erheblich an Bedeutung gewinnen werden: erstens die eigenen Beschäftigten, deren Zufriedenheit für die Betriebe zu einer Existenzfrage werden kann, zweitens die örtliche Bevölkerung, deren Akzeptanz des Tourismus bisher als etwas zu selbst­verständlich vorausgesetzt wurde.

Lassen Sie mich daher zum Schluss sagen: Möge den politisch Verantwortlichen die politische Erleuchtung kommen, dass Tourismus ein Gesamtkunstwerk ist, bei dem die örtliche Bevölkerung, die Beschäftigten und die Unternehmer eine wichtige Rolle spielen und denen daher auch die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken ist! – Ich danke Ihnen vielmals. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Rösch.)

13.59


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. Ich er­teile ihm dieses.


13.59.50

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Geschätzter Herr Präsident! Ich darf dir an­fangs auch recht herzlich zu deiner Präsidentschaft gratulieren und vor allem viel Erfolg und alles Gute wünschen! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kollegen! Liebe Zuhörer hier und vor den Bildschirmen zu Hause! Im Zuge der Debatte über den Tou­rismusbericht 2018 haben wir jetzt mehrmals gehört, dass es erfreulicherweise eine positive Entwicklung mit steigenden Nächtigungszahlen, aber auch mit einer deutlichen Zunahme der Gesamteinnahmen und einem Plus bei den unselbständig Beschäftigten gegeben hat.

Konkret haben wir vor allem in den letzten Jahren jährlich rund 5 Millionen mehr Näch­tigungen verzeichnen können, und das ist natürlich eine höchst positive Entwicklung. Positiv in diesem Zusammenhang ist aber auch, dass sich der Sommertourismus und der Wintertourismus – als traditioneller Wintersporttourismus – die Waage halten. Wir haben natürlich den Wintersporttourismus als unverzichtbare Größe, aber es haben beispielsweise auch der Bereich der Thermen und vor allem der Städtetourismus sehr stark zugenommen und diese spielen im Sommer eine entscheidende Rolle. Was aber natürlich auch dazu beiträgt, ist, dass von unseren Gästen unsere Natur und Land­schaft extrem geschätzt werden.

Man kann einer weiteren positiven Entwicklung entgegensehen, denn auch für das Jahr 2019 zeigen sich weitere Aufwärtstrends. Es zeigt sich damit, dass der Tourismus eine wesentliche und wachsende Säule unserer heimischen Wirtschaft ist, die auch in Zukunft weiterhin zu bearbeiten und zu verstärken ist.

Es gibt aber, wie heute schon angesprochen worden ist, entsprechende Herausfor­de­rungen, Problemstellungen, die es zu lösen gilt. Ich möchte ein paar Punkte aufgreifen, die mir in diesem Zusammenhang wesentlich erscheinen. Wenn wir davon sprechen, dass jeder fünfte erwerbstätige Vollzeitbeschäftigte direkt oder indirekt aus dem Seg­ment der Tourismus- und Freizeitwirtschaft kommt, heißt das, das ist gerade auch für die ländlichen Regionen von immenser Bedeutung, weil damit nicht nur regionale Arbeitsplätze verbunden sind, sondern auch die Wertschöpfung in Verbindung mit den regionalen Betrieben einhergeht. Das ist wie gesagt für den ländlichen Raum insgesamt von essenzieller Bedeutung.

Wir müssen gleichzeitig erkennen, dass wir im Wettbewerb mit anderen Urlaubs­des­ti­nationen Marktanteile verlieren. Das ist unter anderem auch in Kärnten der Fall. Es


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 96

muss nicht zuletzt auch die Aufgabe der Politik sein, eine verbesserte Vernetzung zustande zu bringen, um die regional sehr gut arbeitenden Tourismusverbände zu unterstützen und damit auch eine optimale Vermarktung gewährleisten zu können.

Damit meine ich nicht, was Kollege Novak angesprochen und gerühmt hat – er hat ja fast ein Loblied darauf gesungen –, dass man hergeht und mit It’s my life! eine neue Marke gründet, wobei man sich eine Anleihe bei Bon Jovi nehmen muss, weil man selber keine Ideen hat, und glaubt, das ist dann die neue Strategie für den Kärntner Tourismus. – Nein, die Tourismusregionen und -verbände sind es, die seit Jahren den Pfeiler des Kärntner Tourismus bilden und die Versäumnisse und die Strategien der Kärnten Werbung in vielen Bereichen, vor allem in Bezug auf den Ganzjahres­touris­mus, entsprechend zu kompensieren versuchen. (Beifall bei der FPÖ.)

Daher ist eben genau diese Unterstützung notwendig. Leere Worthülsen sind dabei der falsche Ansatz.

In Bezug auf die Beschäftigten haben wir aber enorme zusätzliche Herausforderungen. Wir wissen, dass es nicht nur ein West-Ost-Gefälle gibt – wobei es im Westen vor allem einen Arbeitskräftemangel gibt, den man mit dem Überschuss, den es im Osten gibt, auch mit überregionaler Vermittlung nicht kompensieren kann –, sondern auch, dass 50 Prozent unserer Arbeitskräfte im Tourismus aus dem Ausland stammen – dies vor dem Hintergrund der Problematik, dass viele dieser Beschäftigten auch in ihren Ländern benötigt werden, wofür man als Beispiel Kroatien hernehmen kann. Insgesamt zeigt sich, dass wir in Österreich viel zu wenig Fachkräfte in der Tourismus- und Frei­zeitwirtschaft haben. Laut einer Studie des Instituts für Höhere Studien haben wir – wohlgemerkt ohne Gastronomie – bis zum Jahr 2023 40 000 bis 60 000 Beschäftigte zu wenig.

Da fragt man sich schon: Was sind die ausschlaggebenden Faktoren, die es schwierig machen, diese Fachkräfte für den Tourismus zu bekommen? – Es zeigt sich über­raschenderweise, dass ein wesentlicher Faktor gesellschaftliche Veränderungen sind, denn das Bedürfnis nach Freiräumen an Wochenenden, aber auch an Feiertagen und eine flexible Arbeitszeitgestaltung sind die Faktoren, warum viele Menschen einfach nicht mehr bereit sind, in diesen Bereichen einer Beschäftigung nachzugehen. Man staunt dann weiter, denn Themen, die von meinem Vorredner angesprochen worden sind, wie Entlohnung, Arbeitszufriedenheit, gutes Arbeitsklima, aber auch die Arbeits­belastung, werden laut dieser Studie erst nachrangig als Gründe angeführt. (Zwischen­ruf der Bundesrätin Schumann.) Diese Entwicklung kann man ja nicht nur im Touris­mus beobachten, sondern auch in anderen Beschäftigungsbereichen, wobei man natürlich hinsichtlich der Tourismuszahlen festhalten muss, dass es gegengleich auch eine positive Auswirkung hat.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Unterstützung der Betriebe. Es wurde unter Rot-Schwarz im Jahr 2016 eine Erhöhung der Umsatzsteuer von 10 auf 13 Prozent bei den Nächtigungserlösen eingeführt. Die Rücknahme haben wir gemeinsam in der türkis-blauen Regierung als entscheidende Maßnahme vorgenommen, um die Unternehmen im Tourismus nachhaltig zu entlasten. (Beifall bei der FPÖ.)

Es braucht aber auch weitergehende Maßnahmen, vor allem im Bereich der über­bordenden Bürokratie und der Regulierung, die vor allem kleineren Betrieben zu schaf­fen machen und unverhältnismäßig hohe Personalressourcen binden. Mittlerweile gilt es ja nur mehr zu dokumentieren und zu evaluieren. Alleine, wenn man die Allergen­verordnung hernimmt oder wenn man sich vieles, was auch an Unterweisungen statt­zufinden hat, anschaut, nimmt es teils schon groteske Formen an. Man muss darauf bedacht sein, dass man diese einmal auf ein verhältnismäßiges Maß reduziert, um auch die Unternehmen und die kleineren Betriebe entsprechend zu unterstützen.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 97

Eine weitere Herausforderung ist natürlich auch die Digitalisierung, denn in diesem Bereich haben es die kleineren Betriebe ungleich schwerer. Allein wegen der finan­ziellen Mittel braucht es natürlich auch da entsprechende Unterstützung seitens der Politik. Nicht zuletzt gibt es die unendliche Geschichte der Forderungen in Bezug auf die Senkung der Lohnnebenkosten, denn insgesamt würde eine Entlastung der Be­triebe mit engagierten Mitarbeitern auch eine nachhaltige Stärkung der ländlichen Regionen bedeuten, und das muss das Ziel sein.

Wie diese Problemfelder aber dann in der politischen Umsetzung gelöst werden könn­ten, erschließt sich mir weder aus dem Regierungsprogramm von Schwarz-Grün, denn da gibt es keine bis wenig konkrete Maßnahmen für diese Herausforderungen, noch – das ist aus der praktischen Erfahrung viel wichtiger –, wenn ich das derzeitige Span­nungsfeld von Schwarz-Grün am Kärntner Beispiel festmachen kann.

Dort haben wir ja Rot-Schwarz-Grün gehabt, und es hat sich Folgendes zugetragen: Im Jahr 2014 kommen Investoren mit einem tollen Tourismuskonzept betreffend den Mölltaler Gletscher, mit Investitionen von über 70 Millionen Euro, mit der Schaffung von Arbeitsplätzen für 150 Personen, und das in einer ländlichen Region, die dringend Wertschöpfung benötigt. Dann kommt es zu einem politischen Fiasko auf dem Rücken der betroffenen Gemeinden, denn alle Bürgermeister, egal welcher Couleur, sind dafür, sind für dieses Projekt, der Aufsichtsrat der Nationalpark-Region steht zu diesem Pro­jekt, ist für dieses Projekt, Schwarz ist für dieses Projekt, aber Grün ist dagegen, und Rot weiß nicht, was es tun soll und schmeißt sich dann in letzter Sekunde noch auf die grüne Seite. Die Investoren springen ab und das Projekt scheint vorerst verloren bezie­hungsweise wird auf die lange Bank geschoben. Was ist das Ergebnis? – Ein schwarz-grüner ideologischer Konflikt: Investitionen zugunsten des ländlichen Raumes versus toleranzlose Umweltpolitik und Klimahysterie ohne Hausverstand. Was ist das weitere Ergebnis? – Ein Schaden für die Entwicklung einer gesamten Region, aber der ist dann wenigstens nachhaltig passiert. (Beifall bei der FPÖ.)

Da dieses Projekt noch nicht ganz abgeschrieben ist und die Investoren weiterhin bereit sind, dieses umzusetzen, bleibt zum Wohle der betroffenen Gemeinden und der Bevölkerung nur zu hoffen, dass am Ende des Tages irgendwann die Vernunft siegt – wir Kärntner Freiheitlichen stehen selbstverständlich auch zu diesem Projekt – und dass Verantwortungsbewusstsein auch gegenüber dem ländlichen Raum Einzug in die Politik hält.

Genau dieses Beispiel zeigt in eindrucksvoller Weise und leider negativ das größte Problem, mit dem die österreichische Tourismuswirtschaft in Zukunft zu kämpfen haben wird: Es sind nicht die Herausforderungen, die vor uns stehen und die mit Sach­verstand gelöst werden können, sondern das größte Problem für die Unternehmen und die Investoren werden die divergenten Zugänge von Schwarz und Grün sein, und zwar vor allem deren politischen Ausflüsse. (Beifall bei der FPÖ.)

So bleibt zu hoffen, dass unsere Tourismusunternehmen ihre erfolgreiche Arbeit fort­setzen und trotz dieser Konstellation auf politischer Ebene nicht das Engagement verlieren, denn nur sie sind ein Garant für eine positive Weiterentwicklung. Dafür ge­bührt ihnen auch ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei der FPÖ.)

Was den vorliegenden Bericht anbelangt, werden wir ihm selbstverständlich die Zustim­mung geben, zumal er aus dem Jahr 2018 stammt. (Beifall bei der FPÖ.)

14.11


Präsident Robert Seeber: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bun­desrat Günther Novak zu Wort gemeldet. Ich weise darauf hin, dass eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf. Sie hat sich überdies


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 98

auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des be­richtigten Sachverhalts zu beschränken.

Ich erteile Herrn Bundesrat Günther Novak das Wort. – Bitte. (Bundesrätin Steiner-Wieser – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Bundesrates Novak : Net so schreien! – Bundesrat Novak: Ich schreie nicht!)


14.11.39

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Natürlich weiß ich, was eine tatsächliche Berichtigung ist. Wenn Kollege Ofner, der ja wie ich bekannterweise Kärntner ist, behauptet, dass ich hier festgestellt hätte, dass durch das Standortmarketing in Kärn­ten mehr Gäste geworben werden, so muss ich dem widersprechen.

Was wir in Kärnten gemacht haben, ist: Landeshauptmann, Wirtschaftskam­merprä­si­dent und Industriellenvereinigung haben sich zusammengesetzt und haben eine Marke entwickelt. Sicher kann man darüber streiten, ob dieser Titel von Bon Jovi der richtige ist – wie auch immer: Im Hinblick auf Markenphilosophie und Markenkern wird immer darüber geredet werden, ob sie die richtigen oder die falschen sind. (Bundesrat Ofner: Schwach!) Die Kärntner Player haben sich zusammengeschlossen und gesagt: Wir machen gemeinsam Standortmarketing!, und ich finde das gut und richtig so. (Zwi­schenruf des Bundesrates Steiner.) Das alleine wird keine Gäste nach Kärnten brin­gen, aber das gemeinsame Erscheinungsbild ist dadurch gegeben.

Jetzt muss ich aber noch einen Satz zum Mölltaler Gletscher sagen, weil ich genau darauf angesprochen worden bin und ich der Bürgermeister war, der versucht hat, diese Gemeinsamkeit im Mölltal in die richtige Richtung zu bringen. Gemeinsam haben wir es deshalb nicht geschafft – und das ist halt einmal so –, weil wir keine Chance hatten, durch ein Naturschutzgebiet, wie es die Kleinfragant ist, ein Skigebiet zu führen. Deswegen hat sich vielleicht auch Direktor Schultz, einer der größten Liftbetrei­ber in Österreich, der in Tirol sitzt, aus unserem Tal verabschiedet – das ist richtig –, aber die Chance ist immer noch da. Es gibt eine Gruppe aus der Slowakei, die noch wesentlich größer ist, sie heißt Tatry-Gruppe. (Bundesrat Ofner: Aber du warst auch dafür, oder?) Wir hoffen natürlich, dass es in die Richtung geht, dass dort etwas passiert, und dazu haben wir sämtliche Unterstützung der Kärntner Landesregierung.

Noch einmal: Es ist ein Naturschutzgebiet. Wir müssen einen anderen Weg finden, über den wir das Skigebiet weiter erschließen, aber nicht über die Kleinfragant und nicht in einem Naturschutzgebiet. (Beifall bei der SPÖ.)

14.13


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Elisabeth Köstinger. Ich erteile es ihr. – Bitte.


14.14.04

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Herr Präsident, auch von meiner Seite alles Gute für Ihre Präsidentschaft! Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit mit Ihnen und dem Bundesrat.

Der Bericht zur Tourismus- und Freizeitwirtschaft zeigt ganz klar, dass die Touris­mus­branche in Österreich auf Erfolgskurs ist. Wir haben 2017 mit dem Start der damaligen Bundesregierung begonnen, dem Tourismus auch politisch einen neuen Stellenwert zu geben. Mit einem neuen Ressort haben wir den Tourismus entsprechend verankert, und das ist, glaube ich, ein wirklich sehr, sehr wichtiges Signal an eine entscheidende Branche in Österreich gewesen. Deswegen freut es mich auch sehr, heute als zu­ständige Ministerin erneut ausgesprochen positive Zahlen präsentieren zu können. Auch mir tut es leid, dass das doch etwas spät passiert. Ich hätte mir die Zwangs-


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 99

pause 2019 so in dieser Art und Weise auch nicht gewünscht, aber wir können auf jeden Fall sehr positiv in die Zukunft blicken. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Bundesrätin Doris Berger-Grabner hat bereits angesprochen, dass wir im Jahr 2019 begonnen haben, die Form der Messbarkeit im Tourismus umzustellen. Der Bericht 2018 beruht noch auf den Nächtigungszahlen, auf den Ankünften, die mit fast 150 Millionen und einem massiven Plus durchaus sehr positiv waren. Auch hinsichtlich der Gäste wurde das Jahr 2017 um 4 Prozent getoppt. Ab dem neuen Tourismus­bericht, den wir zurzeit gerade erstellen, wird das Satellitenkonto die Kennzahlen für den Tourismus liefern und somit natürlich einen viel breiteren Überblick geben, wie es der Branche wirklich geht.

Deutschland blieb 2018 weiterhin wichtigster Herkunftsmarkt unserer Gäste. Mehr als die Hälfte der Nächtigungen – und das ist durchaus bemerkenswert, das sind fast 80 Millionen – wurden allein in Tirol und Salzburg gezählt. Der wichtigste Bereich liegt also natürlich nach wie vor im Westen, und Sie sehen schon, Tourismuspolitik ist somit auch Regionalpolitik und vor allem für uns im ländlichen Raum unverzichtbar. Auch das werden wir in der jetzigen Bundesregierung entsprechend berücksichtigen und noch stärker hervorheben.

Im Jahresdurchschnitt 2018 waren alleine in Beherbergung und Gastronomie über 250 000 Menschen beschäftigt – somit ist die Tourismusbranche auch einer der ganz entscheidenden Arbeitgeber in Österreich –, das sind 6 000 Beschäftigte mehr als im Jahr davor, und auch da gilt wieder: Die meisten Beschäftigten fanden Arbeit im ländlichen Raum, in Regionen, in denen Arbeitsplätze in anderen Branchen oft sehr rar sind.

Wir haben – und das ist heute auch schon mehrmals angesprochen worden – dies­bezüglich in der Branche durchaus eine schwierige Situation, nämlich einen Mitarbeiter- und Fachkräftemangel. Wir sehen aber auch, dass sich das in Österreich sehr ungleich verteilt: Während im Osten Österreichs sehr viele Köche auf Arbeits­suche sind, fehlen entsprechende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Westen. Es wird einer unserer ganz großen Schwerpunkte in der Regierungsarbeit sein, da Angebot und Nachfrage stärker zusammenzubringen, die Menschen dorthin zu bringen, wo Arbeit auch vorhanden ist. Da sind wir bereits mit Christine Aschbacher, der zuständigen Arbeitsministerin, dabei, uns einiges zu überlegen.

Nicht zuletzt ein entscheidender Erfolgsfaktor für den Tourismus in Österreich ist die Österreich Werbung. Da sind wir bereits dabei, neue Überlegungen, Konzepte auszu­arbeiten. Wir haben ja mit You like it? Bike it! 2019 erstmals eine gemeinsame Kam­pagne mit den Landestourismusverbänden zustande gebracht – auch etwas Neues, was so in dieser Art und Weise davor noch nicht funktioniert hat.

Etwas, das ich für die Tourismus- und Gastronomiebranche auch für unverzichtbar halte, ist die Österreichische Hotel- und Tourismusbank. Diese ist ein ganz zentrales, wichtiges Instrument, mit dem wir unsere klein- und mittelständisch organisierten Be­triebe zielgerichtet in ihrem Investitionsbedarf unterstützen können. Damit machen wir wirklich Investitionen möglich. Wir haben über die ÖHT durch traditionelle Förder­instru­mente und Kreditvergaben rund 700 Millionen Euro im Jahr an Unterstützung ausge­zahlt. Wir werden jetzt auch einen ganz großen Schwerpunkt auf Landgasthäuser set­zen. Das ist ein Bereich, der uns vor allem im ländlichen Raum, in den Dörfern massiv beschäftigt, weil die Attraktivität sehr oft nicht mehr gegeben ist. Wir sind davon über­zeugt, mit gezielten Maßnahmen und Förderinstrumenten auch da neuen Schwung hineinzubringen.

Der Tourismus ist kein Selbstläufer, da steht harte Arbeit der Touristiker, der gesamten Branche und vor allem der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dahinter. Was uns 2018


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 100

gelungen ist – und das war eine massive Erleichterung in der Branche –, war die Mehr­wertsteuersenkung von 13 auf 10 Prozent. Das hat wiederum auch ermöglicht, dass man in der Branche Investitionen tätigen kann.

Der Tourismusmarkt ist ein extrem umkämpfter Markt. Das sehen wir, und wir haben sehr viel Wert darauf gelegt, eine umfassende Strategie zu erstellen. Mit dem Plan T, unse­rem Masterplan für Tourismus, wollen wir wirklich auch die Weichen für die Zukunft stellen. Die Digitalisierung ist ein ganz, ganz wichtiger Bereich für unsere Be­triebe, aber auch das ganze Thema Arbeitsmarkt – wie auch gestern die Präsentation der Wirtschaftsministerin betreffend Aufwertung der Lehre gezeigt hat; das ist ein ganz zentraler Hebel für unsere Tourismusbetriebe. Die Themen Finanzierung, Marketing, Kooperationen sind etwas ganz Entscheidendes.

Etwas, in dem ich sehr, sehr viel Potenzial sehe, auch in der Zusammenarbeit, ist eine stärkere Vernetzung zwischen dem Tourismus, der Landwirtschaft und der Kulinarik. Viele der Gäste, die nach Österreich kommen, genießen die Einzigartigkeit der Qualität und die Vielfalt unserer Produkte. Ich bin überzeugt, dass wir da auch noch einiges mehr an Wertschöpfung erzielen können – natürlich auch Wertschöpfung, die im länd­lichen Raum bleibt und in letzter Konsequenz auch dafür sorgen wird, dass weiterhin Millionen von Touristinnen und Touristen Österreich besuchen werden, die nicht nur die wunderschöne Landschaft genießen können, sich erholen können, sondern die auch das vielfältige Angebot unserer Landwirtschaft und Kulinarik genießen können. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP, bei BundesrätInnen der Grünen sowie der Bundesrätin Mühlwerth.)

14.21

14.21.06


Präsident Robert Seeber: Danke, Frau Minister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.21.39 3. Punkt

Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes (Einführung des Instruments Teileinspruchsrecht des Bundesrates) (270/A-BR/2019 sowie 10283/BR d.B.)


Präsident Robert Seeber: Wir gelangen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grossmann. – Ich bitte um den Be­richt.


14.22.04

Berichterstatterin Mag. Elisabeth Grossmann: Herr Präsident! Auch von meiner Seite alles Gute für Ihre Präsidentschaft, und ich freue mich auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Antrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung des Bundes-Ver-


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 101

fassungsgesetzes, womit die Einführung des Instruments des Teileinspruchsrechts des Bundesrates geschaffen werden soll (270/A-BR/2019).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Bundesrat die An­nahme des gegenständlichen Antrages zu empfehlen.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus somit den Antrag, der Bundesrat wolle gemäß Art. 41 Abs. 1 B-VG dem Nationalrat den angeschlossenen Gesetzesvorschlag zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung unterbreiten.

Ich ersuche, in die Debatte einzugehen.


Präsident Robert Seeber: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Bader. Ich erteile dieses.


14.23.44

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der gegenständliche Antrag mit der Idee, ein Teil­ein­spruchs­recht des Bundesrates vorzusehen, ist auf den ersten Blick natürlich ein unter­stützens­werter Antrag. Gegenwärtig richtet sich der Einspruch gegen gesamte Sam­melgesetze, auch wenn der Bundesrat diese überwiegend oder eines davon befür­worten würde. Die Zulässigkeit eines Teileinspruchs würde ihm die Möglichkeit eröff­nen, die Gesetz­werdung nur jener Vorschriften vorläufig zu verhindern, die er auch tatsächlich kritisiert. – Das ist das eine.

Das Zweite ist aber, dass es doch auch Gründe gibt, die dagegen sprechen, die wir heute auch mitberücksichtigt haben wollen und die hier auch zum Tragen kommen sollen. Mir ist schon klar, dass es der Opposition vielleicht auch deshalb ein wichtiges Anliegen ist, dieses Thema hier einzubringen, weil die Möglichkeit, aus partei­politi­schen Motiven durch Teileinsprüche einen wesentlichen Bestandteil eines Gesetzes herauszulösen, eine wichtige oppositionelle Möglichkeit darstellen würde. Es ist aber doch so, dass damit auch gewisse Reformen, die mehrere Gesetzespakete und Ge­setze betreffen, in Gefahr geraten würden. Ich denke beispielsweise an die Sozialver­sicherungsreform, eine große Reform dieser Republik, die wir auf den Weg gebracht haben und bei der natürlich auch die Gefahr bestanden hätte, wenn aus partei­politi­schen Gründen einzelne Gesetzesmaterien herausgebrochen worden wären, dass das Gesamtprojekt unübersichtlich geworden wäre und vielleicht auch teilweise chaotische und ungerechte Zustände eingetreten wären.

Es könnte natürlich dabei auch passieren, dass es chaotische Verhältnisse geben kann. Ich möchte jetzt nicht per se als Argument sagen, dass das alles so sein würde, aber die Gefahr besteht doch, wenn einzelne Teile beeinsprucht werden können, dass die Änderungen bei anderen Teilen natürlich auch zu einer gewissen Unvollständigkeit führen könnten. Es muss nicht, aber es kann – und das ist das, was wir als Bedenken in diesem Zusammenhang auch einbringen wollen – natürlich auch dazu führen, dass es eine Verfassungswidrigkeit gäbe. Es kann dazu führen, dass es eventuell Gleich­heitswidrigkeiten gibt, und es kann teilweise auch zur Unverständlichkeit der verblei­benden Teile führen. Es wird auch oftmals die Unterscheidung zwischen zusam­menhängenden und nicht zusammenhängenden Regelungen sehr, sehr schwierig sein. Diese auszumachen wird da und dort eine Schwierigkeit darstellen, da man natür­lich auch in der Bewertung unterschiedliche Zugänge ausmachen könnte.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 102

Selbst dann, wenn man Einsprüche gegen einzelne Gesetzesbestandteile einbringt oder bei Sammelgesetzen gegen einzelne Gesetze zuließe, müsste die Kundmachung des Gesamten wohl in vielen Fällen unterbleiben. Damit ist nicht unbedingt das mit Sicherheit zu erwarten, was man will, nämlich da und dort eine Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens zu erreichen. Im Gegenteil, es kann natürlich auch zu ge­wissen Verzögerungen kommen.

Es ist bei diesen Sammelgesetzen auch so, dass diese oft mit einem gewissen inhaltlichen Zusammenhang aus ganz wesentlichen und triftigen Gründen geändert werden. Der Sachverhalt ist in vielen Fragen ein sehr komplexer, und daher ist es auch notwendig, dass man verschiedene Materiengesetze zusammenfasst. Die Geschichte hat gezeigt, dass es durchaus Beispiele gibt, wo es einfach Sinn macht, mehrere Gesetze zusammenzufassen. Ich denke beispielsweise an die große Thematik der Datenschutz-Grundverordnung in der letzten Gesetzgebungsperiode. Ich denke an Regelungen im öffentlichen Dienst, wo wir auf der einen Seite das Beamten-Dienst­rechtsgesetz und das Vertragsbedienstetengesetz haben, wo es Regelungen für den öffentlichen Dienst wie das Gehaltsgesetz und so weiter gibt, die davon betroffen sein könnten und wo es auch zu Ungerechtigkeiten kommen könnte. Oder ich denke an das große Projekt der Euroumstellung, wo es notwendig war, eine ganze Menge von Gesetzen entsprechend anzupassen.

Es besteht natürlich auch – das möchte ich hier politisch anmerken – der Eindruck, dass das vielleicht eine Argumentation ist, wo man schon vermuten kann, dass es der Opposition mit diesem gemeinsamen Antrag möglicherweise mehr um parteipolitische Interessen geht, mehr um die Schaffung einer Blockademöglichkeit (Bundesrat Steiner: So ein Topfen! – Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ein schwaches Argument!) und nicht tatsächlich um die Sache. Ich sage das jetzt nicht einfach so hingeworfen, sondern auch vor dem Hintergrund, dass wir auch im Ausschuss schon gehört haben, dass es natürlich gemeinsame Gesetzesinitiativen gegeben hat. Das ist keine Frage, es wird immer wieder eine Gesetzesinitiative aus 2003 herangezogen, es wird eine aus 2009 herangezogen, die ja nicht das Teileinspruchsrecht per se allein umfasste, sondern ein größeres Reformpaket war.

All diese Beschlüsse hier im Bundesrat sind dann im Nationalrat nicht weiterverfolgt worden. Ich frage mich in diesem Zusammenhang auch, wo die Initiativen in den jeweiligen Fraktionen in dieser Zeit seit 2003, seit 2009 waren.

Wir als Volkspartei waren in dieser Zeit in einer Regierung mit der SPÖ unter sozial­demokratischer Führung, in der das kein Thema und anscheinend nicht prioritär war. Das ist der Eindruck, der ganz einfach bei mir und auch in meiner Fraktion entsteht. Wir haben eine sehr erfolgreiche Regierungszusammenarbeit mit den Freiheitlichen gehabt, in der dieses Thema auch nicht prioritär auf der Tagesordnung stand. (Ruf bei der FPÖ: Nur mit den Grünen ist jetzt ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Daher ist dieser Eindruck einer, den hier anzumerken auch erlaubt ist. (Bundesrat Steiner: Weil es eine ... Regierung ist!) Es ist für mich eine nicht ganz ehrliche Motivation, die dahintersteckt, und von unserer Seite wird dieser Antrag daher keine Zustimmung erhalten. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

14.30


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile dieses.


14.30.55

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 103

Hause! Wir diskutieren über das sogenannte Teileinspruchsrecht des Bundesrates. Sehr geehrte Damen und Herren, was kann man sich darunter vorstellen? – Tatsache ist, der Bundesrat ist mit teilweise äußerst umfangreichen Gesetzesbeschlüssen des Nationalrates befasst und hat über diese zu entscheiden. Doch ist es den Bun­desrätinnen und Bundesräten wirklich möglich, ihren freien und wahren Willen aus­zudrücken? – Nein, leider, das ist nicht immer der Fall. Der Nationalrat hat sich mehr und mehr angewöhnt, umfangreiche Gesetzesvorhaben in einem Bundesgesetz zu­sam­menzufassen. Der Bundesrat kann dann beschließen, gegen den Gesetzes­be­schluss des Nationalrates einen mit einer Begründung versehenen Einspruch zu erheben oder dem Gesetzesbeschluss des Nationalrates zuzustimmen; es gibt aber keine Abstimmungsmöglichkeit dazwischen. Dieses Manko hat der Bundesrat schon 2003 erkannt, als im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes 90 verschiedene Gesetze geändert wurden – mit Artikel 90 zum Beispiel die Regelung rund um die March­feldschlösser und mit Artikel 69 der, wie wir heute wissen, völlig zu Recht umstrittene Ankauf der Eurofighter-Kampfflugzeuge.

Es war daher einem Bundesrat, einer Bundesrätin nicht möglich, für die March­feld­schlösser zu stimmen, aber gegen den Ankauf der Eurofighter zu sein. Folgerichtig wurde daher von den Bundesrätinnen und Bundesräten Jürgen Weiss, Hans Ager, Anna Elisabeth Haselbach, Ludwig Bieringer, Professor Albrecht Konecny, Universi­tätsprofessor Dr. Peter Böhm und Stefan Schennach ein Antrag eingebracht, mit dem das sogenannte Teileinspruchsrecht eingeführt werden sollte, und ich betone: Dieser Antrag wurde im Bundesrat einstimmig angenommen.

Die Begründung verwies auch auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, der anlässlich des Pensionsreformgesetzes 2000 anmerkte, dass solche Sammelnovellen „der Erkennbarkeit des Rechts äußerst abträglich“ sind. Dieser Antrag wurde 2009 neuerlich einstimmig im Bundesrat beschlossen.

Nun, liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, ein bisschen was zur zeitge­schichtlichen Aufarbeitung dieses Themas: Wer ist Jürgen Weiss? – Für die wenigen unter uns, die ihn nicht kennen: Jürgen Weiss war von 6. November 1979 bis 30. April 2009, also rund 30 Jahre, Bundesrat der ÖVP aus Vorarlberg, mehrfacher Präsident und Vizepräsident dieses Hauses und von 1991 bis 1994 Bundesminister für Födera­lismus. Jürgen Weiss führte am 9. Oktober 2003 Folgendes aus: „So uneinig wir uns im Sommer über den Inhalt des Budgetbegleitgesetzes waren, so übereinstimmend war das Unbehagen mit der Rechtsform einer Paketlösung mit 90 einzelnen Bundes­ge­setzen.“

Einen Satz möchte ich besonders betonen: „Dieses Unbehagen ist ebenso partei­über­greifend wie die durch viele Jahre zurückzuverfolgende Nutzung durch die ver­schie­densten Regierungskonstellationen“.

Diese Haltung sollte eigentlich auch noch heute gelten. Zu meinem Erstaunen aber trat in der neuen Regierungskonstellation nur mehr die Fraktion der FPÖ und meine sozial­demokratische Fraktion für dieses Teileinspruchsrecht ein. Warum haben sich sowohl ÖVP wie auch die Grünen in ihrer Meinung so verändert? Ist die Unterstützung dieses Vorhabens durch Bundeskanzler Kurz untersagt worden? Warum, meine Damen und Herren, sehen Sie diese Sachfrage plötzlich nur mehr durch die politische Brille, und warum wollen Sie, dass die Bundesräte und Bundesrätinnen ihre wahre Meinung nicht ausdrücken können? (Beifall bei der SPÖ.)

Für uns Bundesrätinnen und Bundesräte ist mit dem nächsten Budgetbegleitgesetz dieses Gesamtabstimmungsproblem neuerlich zu erwarten, und die Schwäche des Bundesrates in Form der nicht vorhandenen Teilabstimmungsmöglichkeit wird wieder deutlich sichtbar werden.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 104

Nun noch zu weiteren öffentlichen Aussagen zu diesem Thema Teileinspruchsrecht:

„Gemeinsam Perspektiven schaffen – aktuelle Länderpositionen“ lautet der Beschluss der Landeshauptleutekonferenz vom 10. November 2017. Angemessene Mitwirkungs­rechte der Länder an der Bundesgesetzgebung sind eine unverzichtbare Grundlage des Bundesstaates.

Betreffend Reform des Bundesrates verweisen die Länder auf die von ihnen bereits im Jahr 2012 vorgelegten konkreten Vorschläge. So soll es beispielsweise ein verstärktes Mitwirkungsrecht des Bundesrates bei Bundesgesetzen, die die Interessen der Länder berühren, geben, weiters ein allgemeines Zustimmungsrecht des Bundesrates bei Ver­fassungsänderungen, die frühzeitige Befassung des Bundesrates mit Gesetzesvor­schlägen samt Stellungnahmerecht und die Verwirklichung des Teileinspruchsrechts. (Beifall bei der SPÖ.)

Weiters die Erklärung der Präsidentinnen und Präsidenten der Landtage aus Anlass der Konstituierung des Nationalrates am 23. Oktober 2019 für die XXVII. Gesetz­ge­bungsperiode: Weiterentwicklung des Bundesrates und Verwirklichung eines Teilein­spruchs­rechts, das sich auf einzelne in einem Gesetzesbeschluss des Nationalrates zusammengefasste Gesetze bezieht.

Damit, meine Herren und Damen von der ÖVP, die Argumente für ein Teilein­spruchs­recht noch besser zu verstehen sind, zitiere ich aus der Rede, die 2003 von Bundesrat Jürgen Weiss, damals in der Funktion des Präsidenten des Bundesrates, gehalten wurde und die sieben Gründe für ein Teileinspruchsrecht beinhaltet. Ich tue das auch deshalb, weil es Ihnen, die Sie damals vielleicht nicht in diesem Hohen Haus gesessen sind und sich vielleicht nicht historisch mit dem Teileinspruchsrecht befasst haben, eine Ahnung gibt, wieso dieses eigentlich so wichtig ist. Es ist wirklich eine ganz, ganz tolle Rede, das darf ich neidlos auch jemandem von der ÖVP zugestehen.

Die „Rechtsform“, sagt Jürgen Weiss, „einer umfangreichen Sammelnovelle“ ist „aus mehreren Gründen problematisch.

Erstens: Wie der Verfassungsgerichtshof selbst zum Pensionsreformgesetz 2000 fest­gestellt hat, ist diese gesetzgeberische Praxis der Erkennbarkeit des Rechts – ich zitiere – äußerst abträglich.

Zweitens: Die Zusammenfassung von Gesetzesbeschlüssen führt, häufig noch in Verbindung mit Zeitdruck, in der Praxis dazu, dass das Begutachtungsverfahren ent­weder von selbst ins Leere läuft oder gar ins Leere laufen gelassen wird. Das ist für die Qualität und Praxistauglichkeit der einzelnen Gesetze außerordentlich nachteilig.

Drittens: Im Bereich der Gesetzgebungsorgane wird die sorgfältige Beratung durch die fachkundigen und zuständigen Ausschüsse unterlaufen [...]. Auch das ist der Qualität der Gesetze nicht förderlich.

Viertens: Die übertriebene Nutzung von Sammelnovellen entwertet auch die legis­tischen Richtlinien der Bundesregierung, wonach die Verbindung einzelner Gesetzes­änderungen zu einem einzigen Gesetzesbeschluss nur ausnahmsweise und nur bei sachlichem Zusammenhang zulässig ist. [...]

Fünftens: Durch Sammelgesetze wird die parlamentarische Diskussion stark kom­primiert. [...] Dass auf diese Weise viele Einzelfragen nicht mehr mit der wünschens­werten Klarheit und der notwendigen Transparenz für die Öffentlichkeit diskutiert werden können, liegt auf der Hand.

Sechstens können durch die Einbindung in ein Paket umstrittene und für sich allein abzulehnende Regelungen auch politisch immunisiert werden; im Sinne einer Güter­abwägung müssen sie zähneknirschend in Kauf genommen werden. Auf diese Weise


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 105

wird vor allem den Ländern immer wieder ein Einverständnis abgenötigt, das für einzelne Maßnahmen an sich nicht so zu erhalten gewesen wäre. Sammelnovellen können somit auch als Instrument unsachlicher Junktimierung eingesetzt werden.

Schließlich wird siebtens auch das Einspruchs- und Zustimmungsrecht des Bundes­rates durch die politische Wirkung eines Sammelgesetzes faktisch ins Leere laufen gelassen. Vom Umfang her ist das so, als ob der Bundesrat nur einmal oder zweimal im Jahr zusammentreten und die in der Zwischenzeit angefallenen Gesetzes­be­schlüs­se unter einem absegnen würde. Es liegt auf der Hand, dass auch auf diese Weise die Funktion einer zweiten Kammer ausgehöhlt werden würde.“

Sehr verehrte Damen und Herren der ÖVP und der Grünen, bitte stimmen Sie im Sinne unserer gemeinsamen Bemühungen für die Stärkung des Bundesrates diesem Vor­haben zu, kehren Sie zurück zu Ihrer staatspolitischen Überzeugung und helfen Sie vor allem, dem Bundesrat jene Stärke zu geben, die er braucht, um auch die wichtige Rolle in der Gesetzgebung dieses Landes zu spielen! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Steiner und Mühlwerth.)

14.39


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile ihm dieses.


14.40.14

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Hohes Haus! Vorhin habe ich mir spontan gedacht, ich beginne, indem ich Kollegen Bader mit einem Punkt zitiere, bei dem ich seiner Meinung bin. Natürlich gibt es bei diesem Antrag viele Aspekte. Ein Aspekt ist mit Sicherheit ein parteipolitischer. Es ist während der Kanz­lerschaft von Christian Kern der SPÖ auch nicht eingefallen, so einen Antrag einzu­bringen. Natürlich geht es da nicht nur – das unterstelle ich jetzt gar nicht –, aber sicher auch um die Möglichkeit, Gesetzesvorschläge der Regierung zu zerlegen. Das ist auch legitim, gar keine Frage.

Worin ich Kollegen Bader nicht zustimme, ist seine Aussage, dass die ÖVP-blaue Re­gierung so erfolgreich war, aber Sie haben recht: Auch der FPÖ ist es nicht eingefallen, sich für ein Teileinspruchsrecht starkzumachen.

Ich gebe zu, dass wir über diesen Antrag auch intern intensiv debattiert haben. Die Haltung dazu ist nichtsdestotrotz jetzt aber auch klar, und ich möchte das gerne kurz erläutern: Ich finde, es ist völlig legitim und auch richtig, dass, wenn von der Regierung ein Antrag eingebracht wird, der ein Thema umfasst, alle Gesetze zusammengefasst werden, die dieses Thema abhandeln. Das ist ganz klar, das geht auch oft gar nicht anders, das gehört zusammen. Da ist es dann im Sinne des Ganzen problematisch, einzelne Teile herauszupicken – das ist ja sozusagen die Kehrseite – und zu sagen: Ja, das gefällt uns!, und andere Teile abzulehnen und zu sagen: Nein, das gefällt uns nicht.

Da muss man sich entscheiden, finde ich. Das ist bei Anträgen ein ganz normaler Vorgang. Es ist bei Anträgen normal, dass es nicht immer leicht ist, zu sagen: Lehne ich das ab oder nicht? Es gibt Aspekte, die mir gefallen, und es gibt Aspekte, die mir nicht gefallen. – So ist das nun einmal, übrigens auch sonst im Leben bei Entschei­dungen. Auch privat treffen wir kaum Entscheidungen, auch im Beruf nicht, die so sonnenklar sind, dass man sagen kann, es gibt dabei nur Gutes oder es gibt nur Schlechtes. Ich muss mich entscheiden. Das ist ein Abwägungsprozess, gar keine Frage. Das ist auch gut so, auch wenn es schmerzlich ist.

Ich kenne das auch von früher aus dem Landtag, wo es auch so war, dass man sich in der dritten Lesung entscheiden musste. Vorher hat man noch irgendwie differenzieren


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 106

können. Ja, das tut manchmal weh, aber es ist nachvollziehbar, und ich denke, das passt in der Demokratie so.

Schwieriger wird es – das ist ein bisschen eine andere Geschichte – bei Sammelge­setznovellen, bei denen Gesetze zusammengetragen, zusammengewürfelt werden, bei denen man sich die Frage stellen kann: Gehören die auch zusammen? Da ein Instru­ment haben zu wollen, ist sehr gut nachvollziehbar. Darüber haben wir auch lange debattiert, auch mit Juristen, und es hat sich dann schon eigentlich schnell heraus­gestellt: Man kann das nicht objektiv auseinanderklauben. Wer entscheidet, ob etwas zusammengehört, ob es einen Zusammenhang gibt oder nicht? Das ist und bleibt eine subjektive Einschätzung. (Bundesrätin Schumann: Na geh! Bitte!) Vor allem aber kann man diese Problematik, die tatsächlich auf dem Tisch ist – da stimme ich Ihnen zu (in Richtung Bundesrätin Schumann) –, mit dem Antrag, der jetzt vorliegt, nicht lösen, weil dieser generell eingreift.

Für uns ist es in einer Gesamtbewertung so, dass dieser Nachteil – bei Gesetzen, die schlicht nicht unbedingt zusammengehören – zu wenig Grund ist und dass er nicht die Argumente aufwiegt, die dafür vorgebracht wurden, mit dieser Form des Antrages das komplett aufzumachen und auch ein Teileinspruchsrecht bei Gesetzen einzuführen, die einfach zusammengehören, wo es schlecht ist, wenn das zerlegt wird und dadurch mitunter große Schwierigkeiten entstehen. Da muss man sich halt klar entscheiden. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrätin Mühlwerth: Unglaublich! Da geht sicher der Staat zugrunde!)

14.44


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile ihr dieses.


14.45.00

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und am Livestream! Sehr geehrte Kolle­ginnen und Kollegen! Ein wirkliches Argument dagegen habe ich bis jetzt noch nicht gehört (Bundesrat Buchmann: Zuhören!), denn das, was da von Karl Bader gekom­men ist, war: „könnte“, „möglicherweise“, schon wieder die böse Opposition, die sich gegen die Regierung zusammenschließt. Du hast nicht böse gesagt, aber das schwingt immer so mit. Es könnten „chaotische Verhältnisse“ entstehen, es könnte „eine Verfas­sungswidrigkeit“ geben, „könnte“, „könnte“, „vielleicht“, „möglicherweise“. – Ich sage das, was ich im Ausschuss schon gesagt habe: Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben.

Weil der Herr Kollege von den Grünen meint, wie schwierig es sei, auseinander­zuhal­ten, was zusammengehört und was nicht – in Wirklichkeit geht es ja bei dem Teil­einspruchsrecht in erster Linie um jene Gesetze, die nicht zusammenpassen –: Im Laufe der Zeit, die ich hier sitze, Herr Oberlehrer (in Richtung Bundesrat Gross), habe ich es nicht nur ein Mal erlebt, dass es Gesetze gab, die weder thematisch noch inhaltlich zusammengepasst haben.

Das Beispiel von Frau Kollegin Schumann war ja wirklich hervorragend: die March­feldschlösser und der Kauf der Eurofighter. Ich würde sagen, da ist es, auch wenn man kein Studium absolviert hat, nicht so schwer, das auseinanderzuhalten und zu beur­teilen, ob das zusammengehört oder nicht. Ich denke also, dass das durchaus, wenn man es will, möglich ist. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Darüber hinaus gibt es genügend Rechtsexperten, die in den Sammelgesetzen selber das Problem sehen: das Problem der Interpretation, das Problem der Umsetzbarkeit, das Problem der Begutachtung, auch zu schauen, ob es verfassungskonform ist, et ce-


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 107

tera. Es sind namhafte Rechtsexperten, die in den Sammelgesetzen per se ein Prob­lem sehen.

Kollegin Schumann hat ja die Historie des Teileinspruchsrechts beziehungsweise der Anträge zum Teileinspruchsrecht hier wirklich wunderbar chronologisch vorgebracht, sodass ich das jetzt nicht wiederholen muss. Ich möchte nur die ÖVP daran erinnern, dass Jürgen Weiss kein Oppositioneller war. Das war ein ÖVPler; ihr wart immer in der Regierung. Er war Minister für Föderalismus, Bundesrat, Vizepräsident und Präsident des Bundesrates. Dem kann man ja nicht unterstellen, er hätte das aus Jux und Tollerei gemacht. Jürgen Weiss hat sich sicher auch etwas dabei gedacht, so wie wir übrigens auch.

Ludwig Bieringer, Klubobmann der ÖVP: Sein Name stand auch einmal auf dem An­trag drauf. Er hat also durchaus nicht nur Sympathie dafür gezeigt, sondern auch die Möglichkeit, mit einem Teileinspruchsrecht zu arbeiten, gesehen.

Gottfried Kneifel, auch Bundesratspräsident und Klubobmann der ÖVP, hat gesagt, 120 Einzelgesetze in einem Sammelgesetz zusammenzufassen empfinde er als „Beu­gung der Verfassung“. 

Das sind schon namhafte Leute von der ÖVP, die sehr wohl finden, dass ein Teil­einspruchsrecht sinnvoll ist. In Wirklichkeit sind sowohl die ÖVP als auch der grüne Kollege mit keinem Argument gekommen. Das ist die typische Abwehrhaltung der Regierung. Man kann natürlich nicht zustimmen, wenn es von der Opposition kommt. Vielleicht greifen Sie es ja wieder auf, bringen es dann als eigenen Antrag ein – auch das haben wir schon erlebt –, und dann können wir noch einmal darüber befinden.

Ich finde es wirklich schade, dass man da Kindesweglegung betreibt. Das liegt ja schon Jahre zurück, dass das auch von eurer Seite (in Richtung ÖVP) gefordert worden ist, aber es hat sich jetzt nicht wirklich etwas Wesentliches geändert, sodass man sagen könnte, man kann es verstehen. Man kann seine Meinung natürlich im Laufe der Jahre ändern, wenn sich wesentliche Dinge geändert haben, das sehe ich da nur nicht.

Die Argumentation war so schwach, dass Sie offensichtlich nicht wissen, warum Sie dagegen sind. Ich appelliere aber nicht an euch, noch einmal darüber nachzudenken, ob ihr nicht doch zustimmt, weil ich eh weiß, dass das nicht stattfindet, aber meinem Bedauern möchte ich trotzdem Ausdruck verleihen. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

14.49


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm dieses.


14.49.37

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil ich der letzte aktive Bundesrat hier im Haus bin, der damals bei den beiden Anträgen Mitantragsteller war, und ich kann nur sagen, ich vermisse in dieser Debatte zweierlei Dinge: Respekt vor der Geschichte und Verantwortung für die Zukunft.

Das hat uns nämlich über viele Jahre hier getragen, um genau diese Initiative zu starten. Monika Mühlwerth hat Ludwig Bieringer erwähnt. Ludwig Bieringer saß hier und hat sich jeglicher einzelner Veränderung der Geschäftsordnung widersetzt, aber nicht in diesem Punkt. In diesem Punkt haben wir erkannt: Es geht um eine wichtige Verfassungsfrage und um die Beendigung der Entwertung des Bundesrates. Wir könn­ten hier nämlich drei Sitzungen pro Jahr abhalten, alle Gesetze zusammenfassen, die im Laufe des Jahres im Nationalrat beschlossen wurden, und die Sache enderledigen.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 108

Diese Unkenntnis in der Debatte, insbesondere jene des Kollegen von den Grünen, Herrn Gross, verstehe ich aber überhaupt nicht. Sie haben im Ausschuss gesagt: Ihr wollt nur das Chaos. – Nein, wir wollen eine verfassungsmäßige Richtigkeit, und wir wollen für den Bundesrat, für jeden einzelnen Bundesrat, für jede einzelne Bundesrätin eine demokratische Möglichkeit.

Da gab es einmal ein Gesetz, angesichts dessen Jürgen Weiss und wir alle uns unmit­telbar zusammengesetzt haben. Mit diesem Gesetz hat es 98 Gesetzesänderungen gegeben, mit einer einzigen Abstimmung! Da war ein Haus für Vertriebene dabei, eine Donaubrücke, eine Straßenbrücke, da waren auch die von Korinna Schumann erwähnten Eurofighter dabei, da waren weiters die Schlösser dabei und vieles mehr. Es hat alles keinen sachlichen Zusammenhang gehabt, aber wir mussten über all diese Dinge in einem abstimmen.

Und dann kam die 120er-Gruppe, das war überhaupt nur mehr Kraut und Rüben. Da haben wir gesagt: Das geht nicht! Das ist gegen jegliche Legistik.

Lieber Kollege aus Vorarlberg, hätten Sie doch einmal den Tom Sperlich oder den Robert Luschnik angerufen. Die hätten Ihnen von diesem langen Kampf erzählt und erklärt, worum es hier eigentlich geht: Es geht hier um Legistik und um die Bekämp­fung der Entwürdigung von Mandataren, die darin liegt, dass sie über 120 Gesetzes­änderungen unter einem abstimmen müssen und damit nicht ihre Meinung zu den einzelnen Gesetzen zum Ausdruck bringen können.

Und zu diesem Demokratie und Verfassung betreffenden Thema sagen hier ein grüner Mandatar, aber auch Herr Bader lediglich lapidar: Die wollen nur Chaos!? (Bundesrätin Mühlwerth: Was eine ungeheuerliche Unterstellung ist!) Ich meine, das ist ja nicht nur eine Unterstellung, sondern blanke Ahnungslosigkeit in Sachen Verfassung, Demo­kra­tie und Mitsprache! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Die Oberanarchisten dieser Republik, die Korinna Schumann schon erwähnt hat, sind offensichtlich die Landeshauptleute, denn die haben sehr wohl diesen Prozess nach­vollzogen und haben gesagt: Was wichtig ist, ist das Teileinspruchsrecht.

Jetzt kommt jemand aus Vorarlberg heraus, der nicht einmal weiß, wie der Artikel 40 der eigenen Landesverfassung lautet. Da ist nämlich genau vorgesehen, dass man hier zu einzelnen Gesetzen Amendments, also Anträge stellen kann und dass das nicht mit einer einzigen Abstimmung zu tun hat. So schaut es in Vorarlberg aus. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Jetzt sage ich nur nebenbei: Und das von einem Grünen, der uns hier vorwirft, nur Chaos verursachen zu wollen!

Noch einmal: Wir haben uns das nicht leicht gemacht.


Präsident Robert Seeber: Herr Kollege Schennach, Entschuldigung! Das Wort „Ober­anarchisten“ für die Landeshauptleute, das passt nicht ganz. Ich ersuche Sie, das zu­rückzunehmen.


Bundesrat Stefan Schennach (fortsetzend): Dann sagen wir halt Oberchaoisten. (Die Bundesräte Bader und Buchmann: Hey! Das ist ungeheuerlich! – Weitere Zwischen­rufe bei der ÖVP.) Die Chaostheorie ist von anderen. Dass das hier eine ironische Spitze war, Herr Präsident, ist Ihnen klar, ist allen anderen klar und ist auch den - - (Beifall bei der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Aber wenn man hier sagt, wir wollen Chaos, dann muss ich sagen: Die Landeshaupt­leute wollen sicher kein Chaos, sondern sie wollen eine verfassungskonforme Rechts­durchsetzung der Möglichkeiten im Bundesrat.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 109

Ich darf noch einen einzigen Punkt in Richtung Türkise und Grüne erwähnen: Sie wissen aber schon, wann dieser Antrag eingebracht wurde? – Nicht, als Sie Ihre Re­gierung gebildet haben, sondern vorher, in der Zeit der Expertenregierung. Das hat mit Ihnen unmittelbar gar nichts zu tun. Trotzdem ist es interessant, dass Sie dazu diese Position bezogen haben.

Es ist schade für die Zukunft des Bundesrates, aber Sie haben ja im Nationalrat die volle Mehrheit, um das zu verhindern. Ich hoffe, dass wir heute hier eine Mehrheit zustande bringen, damit eine Initiative aus den Jahren 2003, 2009 und auch – von­seiten der Landeshauptleute – 2017 zum Durchbruch gelangt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

14.55


Präsident Robert Seeber: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bader, ja, bitte sehr.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Karl Bader. Ich erteile es ihm.


14.55.50

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann wirklich nicht nachvollziehen, dass die Bemerkung des Kol­legen Schennach, in der er die Landeshauptleute als „Oberanarchisten dieser Repu­blik“ bezeich­net hat, eine ironische Bemerkung gewesen sein soll, vielmehr halte ich sie für zynisch.

Herr Schennach! Ich erwarte mir, dass Sie sich dafür entschuldigen. Ansonsten erwarte ich mir vom Herrn Präsidenten, dass dafür ein Ordnungsruf erteilt wird. (Beifall bei der ÖVP. – Rufe bei der SPÖ: Der wird erfolgen!)

14.56

14.56.14


Präsident Robert Seeber: Herr Schennach! Entschuldigen Sie sich für das Wort „Oberanarchisten“? (Bundesrat Schennach: Ich glaube, ich habe in meiner Rede, Sie können das nachschauen, klargestellt, in welchem Zusammenhang das war und dass hier nicht Landeshauptleute spezifisch gemeint waren! – Bundesrat Rösch: Hat er gesagt! – Bundesrat Spanring: Ist nicht in Ordnung, ...!) Gut, nehmen wir zur Kenntnis. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

*****

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem gegenständlichen Antrag, der Bundesrat wolle gemäß Art. 41 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz dem Nationalrat den vorliegenden Gesetzesvorschlag zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung un­ter­breiten, ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmen­mehr­heit. Der gegenständliche Antrag ist somit angenommen.

14.57.334. Punkt

Wahl von Ausschüssen


Präsident Robert Seeber: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 110

Es liegt mir der Antrag der Bundesräte Karl Bader, Korinna Schumann, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen vor, gemäß § 13 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, den Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, den Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen, den EU-Ausschuss, den Ausschuss für Familie und Jugend, den Finanzausschuss, den Geschäftsordnungsausschuss, den Gesund­heitsausschuss, den Gleichbehandlungsausschuss, den Ausschuss für innere Angele­genheiten, den Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft, den Justizaus­schuss, den Kinderrechteausschuss, den Landesverteidigungsausschuss, den Aus­schuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft, den Ausschuss für Sportangele­gen­heiten, den Ausschuss für Tourismus, Kunst und Kultur, den Umweltausschuss, den Unterrichtsausschuss, den Unvereinbarkeitsausschuss, den Ausschuss für Verfassung und Föderalismus, den Ausschuss für Verkehr, den Wirtschaftsausschuss sowie den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung mit jeweils 14 Mitgliedern und Ersatzmit­gliedern, wobei je 5 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die ÖVP, je 5 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die SPÖ, je 3 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die FPÖ und je ein Mitglied und Ersatzmitglied auf die Grünen entfallen, neu zu wählen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag ihre Zu­stimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Die vorher genannten Ausschüsse sind somit gemäß § 13 Abs. 1 der Geschäftsordnung neu gewählt.

Im Sinne des § 13 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates sind die von den Fraktionen auf sie entfallenden Ausschussmitglieder und Ersatzmitglieder schriftlich namhaft zu machen, diese gelten damit als gewählt.

Ich weise darauf hin, dass die genannten Ausschüsse unmittelbar im Anschluss an die heutige Plenarsitzung hier im Großen Redoutensaal konstituiert werden.

15.00.055. Punkt

Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Ständigen gemeinsamen Aus­schusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948


Präsident Robert Seeber: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Nach der Geschäftsordnung dieses Ausschusses sind die Mitglieder und Ersatzmit­glie­der vom Bundesrat direkt zu wählen, wobei sowohl bei den Mitgliedern als auch bei den Ersatzmitgliedern jedes Bundesland vertreten sein muss.

Es liegen mir folgende Nominierungen der Fraktionen vor:

Als Mitglieder werden von der ÖVP Bundesrat Mag. Christian Buchmann (Steiermark) sowie Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (Vorarlberg) und von der SPÖ Bun­desrat Horst Schachner (Steiermark) vorgeschlagen.

Als Ersatzmitglieder werden von der ÖVP Bundesrätin Ing. Judith Ringer (Oberöster­reich) sowie Bundesrat Ernest Schwindsackl (Steiermark) und von der FPÖ Bundes­rat Markus Leinfellner (Steiermark) vorgeschlagen.

Ich werde die Abstimmung über diese Wahlvorschläge, sofern sich kein Einwand dagegen erhebt, durch Handzeichen vornehmen lassen.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die den vorliegenden Wahlvor­schlä­gen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhellig­keit.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 111

Die genannten Mitglieder und Ersatzmitglieder sind somit mit Stimmeneinhelligkeit ge­wählt.

15.01.376. Punkt

Wahl eines Ersatzmitgliedes in die Parlamentarische Versammlung des Euro­pa­rates


Präsident Robert Seeber: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Es liegt mir der Wahlvorschlag vor, Herrn Bundesrat Professor Stefan Schennach zum Ersatzmitglied in die Parlamentarische Versammlung des Europarates zu wählen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen. (Bundesrätin Grimling: Gratuliere!)

Herr Bundesrat Professor Stefan Schennach ist somit als Ersatzmitglied in die Parla­mentarische Versammlung des Europarates gewählt. Ich wünsche ihm für diese ver­antwortungsvolle Aufgabe sehr viel Erfolg. (Allgemeiner Beifall.)

*****


Präsident Robert Seeber: Die Tagesordnung ist erschöpft.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich unterbreche nunmehr die Sitzung bis zur Durchführung der Dringlichen Anfrage um 15.30 Uhr.

*****

(Die Sitzung wird um 15.02 Uhr unterbrochen und um 15.33 Uhr wieder aufge­nom­men.)

*****


Vizepräsident Michael Wanner (den Vorsitz übernehmend): Ich nehme die unter­brochene Sitzung wieder auf.

Zuerst begrüße ich den Herrn Bundeskanzler und die Frau Bundesminister recht herzlich bei uns im Bundesrat. (Allgemeiner Beifall.)

15.33.20Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Angriffe des Bundeskanzlers gegen die Justiz und insbesondere gegen die WKStA“ (3726/J-BR/2020)


Vizepräsident Michael Wanner: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kolle­gen an den Herrn Bundeskanzler.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann als erster Anfragestellerin zur Begründung das Wort.



BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 112

15.33.53

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Die österreichische Justiz mit all ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern trägt ent­scheidend zu einem funktionierenden Rechtsstaat bei. Eine effiziente und qualitätsvolle Justiz sorgt für Rechtssicherheit und Rechtsfrieden in Österreich und ermöglicht da­durch das nötige Vertrauen seitens der Bürgerinnen und Bürger. Sie ist somit der Grundpfeiler eines jeden Rechtsstaates und jeder Demokratie. Vor diesem Hintergrund bekennen wir uns als Bundesregierung zu einer ausreichend ausgestatteten Justiz.“

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, diese staatstragenden Worte dürften Ihnen wohlbe­kannt sein, leiten sie doch das Justizkapitel des aktuellen Regierungsprogramms ein. Aber, Herr Bundeskanzler: Ihre Äußerungen und Ihr Verhalten in den letzten Tagen und Wochen lassen begründete Zweifel daran aufkommen, dass Sie diese Sätze, diese schön formulierten Sätze, auch wirklich verinnerlicht haben und sich dement­sprechend verhalten wollen. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, erfüllt uns sozialdemokratische Abgeordnete mit großer Sorge um die Zukunft unseres Landes und um die Zukunft der Rechtsstaatlichkeit in unserem Land, weshalb wir Sie heute, Herr Bundeskanzler, hierher in den Bundesrat eingeladen haben, um die Vorfälle mit Ihnen zu besprechen und Ihnen auch die Möglichkeit zu geben, dazu eine Erklärung vor dem Parlament abzugeben.

Worum geht es? – Um das im Einzelnen auszuführen: Vor dem Hintergrund der Causa der sogenannten Casinos-Affäre, des Casinos-Skandals, in dem der frühere ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger, einer Ihrer engsten Vertrauten, Herr Thomas Schmid, der frühere Raiffeisen-General Walter Rothensteiner, der ehemalige ÖVP-Bundes­ob­mann und Vizekanzler Josef Pröll und auch Manager der Novomatic als Beschuldigte geführt werden, sollen Sie, Herr Bundeskanzler, massive Angriffe auf die Justiz getätigt haben.

Schauplatz soll, wie die Zeitschrift „Falter“ in ihrer Ausgabe 06/20 schreibt, ein Hinter­grundgespräch am 20.1.2020 in der Politischen Akademie der ÖVP vor rund 40 Jour­nalistinnen und Journalisten gewesen sein, bei dem Sie – ich zitiere – in einer heftigen, ungewöhnlich emotionalen Weise die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft angegriffen haben sollen, weil sie Ihrer Meinung nach einen Fall von Regierungs­krimi­nalität einseitig, Ihrer Meinung nach eben zu einseitig, untersuche.

Der „Falter“ fasst diese Angriffe in drei toxischen Botschaften von Ihnen in folgender Weise zusammen: „Er“ – also Sie, Herr Bundeskanzler – „streut im Wesentlichen drei giftige Argumente in die Medienlandschaft. Erstens: Die Verfahren würden zu lange dauern, weil die Ankläger unfähig seien. Zweitens: Die SPÖ habe die WKStA unter­wandert, die Behörde ermittle also politisch. Drittens: Die WKStA spiele Akten nach außen. Sie ist also auch kriminell.“

Das alles sind ungeheure Vorwürfe, Herr Bundeskanzler, die geeignet sind, den ge­samten Rechtsstaat in seinen Grundfesten zu erschüttern. Dementsprechend prompt waren auch die Reaktionen, um weiteren Schaden abzuwehren. So hat die Ober­staats­anwaltschaft Wien in einem Revisionsbericht festgestellt, dass die fallweise Länge der Verfahren auf Gründe zurückzuführen sind, die außerhalb des Verantwortungsbereichs der jeweiligen Referenten liegen, wie etwa begrenzte Ressourcen im Justizbereich, vor allem im polizeilichen Ermittlungsbereich, bei den Sachverständigen. Immer wieder auch genannt wird der Ressourcenmangel im Bereich des nicht richterlichen Verwal­tungspersonals. Es kommen auch immer neue, komplexe Sachverhalte hinzu, mit Auslandsbezug, bei denen man dann auch Amtshilfe anfordern muss. Das dauert natürlich entsprechend. Es ist für uns alle ja immer wieder auch eine gehäufte Rechts-


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 113

mitteltätigkeit der Beteiligten zu bemerken, und auch das zieht die Verfahren in die Länge, ohne dass die Referenten, die daran arbeiten, etwas dafürkönnen.

Insgesamt verweise ich auch auf internationale Vergleiche, gemäß denen Österreich bei der Verfahrensdauer relativ gut abschneidet. Wir sind im internationalen Vergleich sogar im obersten Drittel zu finden, was uns natürlich nicht daran hindern sollte, noch besser zu werden.

Zum Vorwurf der politischen Einflussnahme hat sich auch Justizministerin Alma Zadić veranlasst gesehen, Stellung zu nehmen und auf der Homepage des Justiz­minis­teriums eine Klarstellung zu treffen, nämlich in der Weise, dass keine Hinweise vorlie­gen, die ein politisches Vorgehen seitens der Staatsanwaltschaften nahelegen würden. Nach Stellungnahme der Justizministerin steht also außer Frage, dass die österreichi­schen Staatsanwaltschaften objektiv und unabhängig von Parteizugehörigkeit ermit­teln.

Dazu muss auch noch etwas angemerkt werden: Seit es die Wirtschafts- und Korrup­tionsstaatsanwaltschaft gibt – sie wurde 2009 gegründet –, war das Justizministerium mit Ausnahme der Zeit der Übergangsregierung im letzten Jahr immer in ÖVP-Hand. Das gesamte dort tätige Personal wurde also von ÖVP-Justizministerinnen und -ministern eingesetzt. Es kann zudem auch festgestellt werden, dass dort niemand Mitglied der SPÖ oder des plötzlich viel zitierten BSA ist – das ist der Bund sozial­demokratischer AkademikerInnen; für jene, die das nicht wissen sollten, weil diese Organisation nun neue Prominenz erlangt. (Bundesrat Rösch – in Richtung SPÖ –: Bund schlagender Akademiker!) Das wurde in den Raum gestellt und das sind ebenso ungeheure Vorwürfe.

Es ist noch dazu zu bemerken, dass die Vereinigungen der österreichischen Rich­terInnen und StaatsanwältInnen schon seit längerer Zeit eine Empfehlung für ihre Mitglieder herausgegeben haben, eben keiner politischen Partei anzugehören. Es ist daher davon auszugehen, dass sich die Richterinnen und Richter und die Staats­an­wältinnen und Staatsanwälte auch daran halten.

Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaats­anwaltschaft Akten nach außen gespielt hat. Anwälte hingegen haben sehr wohl die Möglichkeit und das Recht einer Akteneinsicht und können, natürlich nur mit Einver­ständnis ihrer Mandanten, Informationen daraus verwerten, auch in der Weise, dass sie Medien informieren. Sie aber, Herr Bundeskanzler, werfen der Wirtschafts- und Kor­ruptionsstaatsanwaltschaft eine kriminelle Handlung vor – falls sich diese vor­ge­worfenen Sachverhalte auch so zugetragen haben sollten –, nämlich die illegale Weitergabe von Akten. Das ist ein strafrechtlich relevanter Tatbestand, nämlich Amts­missbrauch und Verrat von Amtsgeheimnissen, und zwar nicht nur einmalig, sondern in einer qualifizierten Form: in wiederholter Form.

Von zwei leitenden Journalisten wollen Sie auch erfahren haben, dass diese geheime Informationen aus der Staatsanwaltschaft erhalten haben. Was tun Sie da? Was steht hier im Raum? – Sie setzen damit die dort arbeitenden Menschen der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung aus, ja sogar einer Haftstrafe. Sie brauchen sich nur die entsprechenden Strafandrohungen durchzulesen, dann wird Ihnen hoffentlich bewusst, was hier im Raum steht.

Daher müssen wir Ihnen die in der Dringlichen Anfrage enthaltenen Fragen – die Ihnen zuvor ja auch schriftlich bekannt gegeben wurden – hier stellen, weil wir jeden Versuch der Politik, die Arbeit der Justiz – in welcher Form auch immer – zu beeinträchtigen, zu beeinflussen, zu lenken aufs Schärfste zurückweisen und uns dagegen verwahren. (Beifall bei der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 114

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Handlungsfähigkeit und Unabhängigkeit der Justiz ist ein hohes Gut und eine Voraussetzung dafür – Herr Bundeskanzler, ich hoffe, Sie schenken mir Ihre Aufmerksamkeit! –, dass Demokratie funktionieren kann. Genauso steht es richtigerweise auch in Ihrem Regierungsprogramm – aber Papier ist geduldig. Sie sollten sich schon an Ihr eigenes Programm halten, denn Rechtsstaat­lichkeit, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, ist ein zartes Pflänzchen. Ein solches Pflänzchen kann durch solche Aktionen, wie sie eben aus diesem Hintergrundgespräch bekannt wurden, sehr schnell zertrampelt werden.

Staaten wie Polen oder Ungarn sollten Österreich nicht als Vorbild dienen. Österreich ist stolz darauf, immer ein Vorzeigeland in Sachen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gewesen zu sein, und das soll auch weiterhin so bleiben. Sie haben eine sehr große Verantwortung für unser Land, auch für das Ansehen unseres Landes, für das Funktionieren der Justiz, für das Funktionieren der Demokratie.

Sie haben offensichtlich bemerkt, dass da irgendetwas nicht ganz rundgelaufen ist. Das Medienecho hat wohl nicht ganz den Vorgaben einer idealen Messagecontrol entsprochen, weshalb Sie als Regierungschef durch die Einberufung eines runden Tisches mit den Standesvertretungen der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte das Justizthema erneut an sich gezogen haben, und dazu haben Sie auch, wie wir ver­nehmen konnten, Europaministerin Edtstadler eingeladen, auch Justizministerin Zadić war eingeladen. Man muss sich schon fragen: Warum das Ganze?

Wir haben das Ressortprinzip, das heißt, Justizministerin Zadić ist dafür zuständig und sie muss das Heft in der Hand haben. Warum haben Sie das an sich gezogen? – Sehr viele politische Beobachter und Beobachterinnen haben das als politische Entmündi­gung von Justizministerin Zadić gewertet. Daher ersuchen wir Sie, auch dazu Stellung zu nehmen, was Sie sich dabei gedacht haben und welche Motivationslage dahinter gestanden ist.

Wenn sich all diese Vorfälle so zugetragen haben, wie sie berichtet werden, dann ist das ein Justizskandal der Sonderklasse, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei BundesrätIn­nen der SPÖ.) So ein Dirty Campaigning gegen die Justiz seitens eines Regierungs­chefs hat es in der Zweiten Republik noch nicht gegeben – mit der vermeintlichen Moti­vation, lästige Ermittler von sich und den Seinen fernzuhalten.

Deshalb, Herr Bundeskanzler, möchten wir Ihnen hier auch die Möglichkeit einer Stel­lungnahme geben und müssen wir Ihnen die folgenden Fragen stellen, die einfach an Dringlichkeit nicht zu überbieten sind, weshalb wir Sie wirklich ersuchen, mit größter Gewissenhaftigkeit (Zwischenruf bei der ÖVP) auf diese aufgeworfenen Fragen einzu­gehen, die Ihnen ja schriftlich zugegangen sind – Sie werden sich sicherlich sehr gut vorbereitet haben.

Sagen Sie uns: Sind diese Berichte im „Falter“ über dieses Hintergrundgespräch am 20. Jänner 2020 so wahr, wie sie wiedergegeben wurden? Was davon ist, wenn Sie das bestreiten, nicht wahr? Haben Sie zuvor auch Rücksprache mit der zuständigen Justizministerin Zadić oder dem Ressort gehalten? Warum nehmen Sie plötzlich in dieser Art und Weise, wie ich Sie vorhin zitiert habe, Stellung zu Fragen der Justiz? Haben Sie auch – da würde ich Sie bitten, ganz besonders darauf einzugehen – mit Josef Pröll und Walter Rothensteiner Kontakt gehabt; also nicht nur in der Art und Weise, wie Sektionschef Pilnacek die Herrschaften in das Justizministerium eingeladen hat, nämlich als Höflichkeitsbesuch? Die Frage geht auch in die Richtung, ob Sie ge­ne­rell Kontakt gehabt haben – telefonisch oder auch auf digitalem Wege –, weil ja, wie ge­sagt, diese Herrschaften in der heiklen Causa Casinos als Beschuldigte geführt werden.

Wie beurteilen Sie die getätigten Stellungnahmen und die Ressourcenfrage im Justiz­bereich? Werden Sie sich dafür einsetzen, dass diese brisante Ressourcenfrage gelöst


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 115

werden kann, damit unser Justizsystem auch optimal und reibungslos funktionieren kann?

Sie haben diese Fragen in schriftlicher Form vorliegen. Sie kennen auch den Tat­bestand des § 297 Strafgesetzbuch – Verleumdung –, der in Absatz 1 lautet: „Wer einen anderen dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aussetzt, daß er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung oder der Verletzung einer Amts- oder Standespflicht falsch verdächtigt, ist, wenn er weiß [...], daß die Verdächtigung falsch ist, [...] zu bestrafen.“

Sind Sie sich all dieser Tatsachen bewusst und auch der Vorwürfe, die im Raum stehen? – Bitte nehmen Sie zu den aufgeworfenen Fragen im Einzelnen Stellung!

Herr Bundeskanzler, noch ein abschließender Appell: Österreich war, wie gesagt, im­mer Vorbild in Sachen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Bewahren wir dieses hohe Gut, diesen guten Ruf Österreichs und bitte katapultieren Sie unser Land nicht zu­rück! – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

15.51


Vizepräsident Michael Wanner: Zur Beantwortung hat sich Herr Bundeskanzler Sebastian Kurz zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.


15.51.58

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Grüß Gott, sehr geehrte Damen und Herren Bundes­räte! Sehr geehrter Herr Präsident! Vielen Dank für die Einladung! Ich freue mich, wieder einmal bei Ihnen im Bundesrat zu Gast sein zu dürfen. (Bundesrat Rösch: Das glaub ich nicht!) Ich darf auch die Zuschauerinnen und Zuschauer vor den Fernseh­geräten ganz herzlich begrüßen, die trotz des wirklich schönen Wetters heute dankens­werterweise die Sitzung des Bundesrates verfolgen, und ich darf auch, Frau Bundes­rätin, gleich zur Beantwortung Ihrer Fragen kommen.

Ich tue das zunächst einmal, wenn Sie gestatten, mit einem allgemeinen Statement, da hier einige Punkte, einige Themen angesprochen worden sind, von denen ich glaube, dass es wichtig ist, vielleicht überblicksartig, aber doch vorweg einmal darauf einzu­gehen, bevor ich zur konkreten Beantwortung der Fragen komme.

Ich möchte vielleicht damit beginnen, dass es zu Recht im Regierungsprogramm ein Bekenntnis zu einer starken und unabhängigen Justiz gibt, weil eine starke und unabhängige Justiz die Basis für einen funktionierenden Rechtsstaat ist. (Beifall bei der ÖVP sowie der BundesrätInnen Hauschildt-Buschberger und Schreuder.)

Eine starke und unabhängige Justiz muss auch effizient und qualitätsvoll arbeiten, damit sie das volle Vertrauen der Bevölkerung genießt, und sie muss natürlich auch mit den entsprechenden Ressourcen ausgestattet sein, um funktionsfähig zu sein. Ich glaube, wir haben das Glück, dass wir in einem Land leben dürfen, in dem die Rechts­staatlichkeit ein hohes Gut ist und daher haben wir auch die Verantwortung, alles dafür zu tun, dass unser Justizsystem funktioniert, weil das eine wesentliche Säule eines funk­tionierenden Rechtsstaates ist.

Vor diesem Hintergrund habe ich einige Defizite im Bereich der Justiz angesprochen und natürlich auch gleich versucht, Verbesserungspotenziale zu definieren. Ich glaube, dass es wichtig ist, solche Diskussionen zu führen, weil es im 21. Jahrhundert keine Institutionen geben sollte, die sakrosankt sind. Wir kennen das aus dem vergangenen Jahrhundert, als man in der katholischen Kirche oft das Gefühl hatte, dass man, selbst wenn etwas schiefläuft, es nicht ansprechen darf, weil es die katholische Kirche ist. (Bundesrat Schabhüttl: Da hat sich nichts geändert! Da hat sich nicht viel geändert! –


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 116

Bundesrat Rösch – in Richtung Bundesrat Schabhüttl –: Tu dich nicht versündigen! Sonst kommst in die Hölle!)

Mittlerweile gibt es einige, die der Meinung sind, man darf das vielleicht im Bereich der Justiz nicht. Ich denke, ein anderer Weg ist der richtige: Überall, in jeder Institution, muss ein kritischer Diskurs möglich sein, muss es möglich sein, Defizite anzusprechen; stets mit dem Ziel, die Situation zu verbessern. Ich bin überzeugt davon, dass es in dieser Debatte auch möglich war, gemeinsam mit der Justizministerin Bereiche zu defi­nieren, in denen wir besser werden können. Gemeinsam werden wir jetzt auch unsere Energie darauf verwenden, um das zustande zu bringen.

Sie haben gefragt, was Thema bei diesem Hintergrundgespräch war. Es war zum Ersten Thema, dass meiner Meinung nach einige Verfahren viel zu lange dauern. Ich sage Ihnen etwas: Ich habe kein Verständnis dafür, dass manche Verfahren acht, zehn, zwölf Jahre dauern. Die Österreicherinnen und Österreicher erwarten sich zu Recht, dass möglichst zügig gearbeitet wird, dass auf der einen Seite Schuldige schnell ihrer gerechten Strafe zugeführt werden, dass aber auf der anderen Seite Per­sonen, die sich nie im Leben etwas zuschulden haben kommen lassen, auch nicht jahrelang mit falschen Vorwürfen konfrontiert sind, die sie vielleicht im Berufs- und auch im Privatleben massiv behindern. Das ist wichtig in einem funktionierenden Rechtsstaat. (Beifall bei der ÖVP.)

Darüber hinaus haben wir das Problem – und gerade Sie als sozialdemokratische Fraktion haben das ja vor einiger Zeit auch noch lautstark kritisiert –, dass es einige Fehlentscheidungen gegeben hat. Eine ganz problematische Fehlentscheidung war die rechtswidrige Hausdurchsuchung beim BVT. Das hat zu einem Untersuchungs­aus­schuss und auch zu einem internationalen Vertrauensverlust geführt. Insofern ist es wichtig, auch in der Justiz daran zu arbeiten, den Rechtsschutz zu stärken, damit solche Entscheidungen, wie die, die damals getroffen wurde, nie wieder passieren. (Bundesrat Rösch: Da war sicher der Kickl schuld! – Bundesrat Steiner: Ja, immer!)

Zum Dritten, sehr geehrte Damen und Herren, haben wir immer wieder die Situation – Sie erleben das ja als politisch interessierte und aktive Menschen mit –, dass viele der Verfahren in Österreich immer wieder etwas zu öffentlich geführt werden, dass man das Gefühl haben kann, dass vielleicht das Verfahren besser vor Gericht aufgehoben wäre als in allen Details in den Medien.

Immer wieder sind Leaks ein Problem. Dagegen muss man ankämpfen, und wenn man mit Journalistinnen und Journalisten spricht, dann ist das natürlich auch immer wieder Gesprächsthema. Es werden einem nie konkrete Fälle oder konkrete Personen genannt, aber es wird in Gesprächen mit Journalisten durchaus auch dargelegt, wie das System funktioniert, wie Medien an ihre Informationen kommen: oft von Be­schuldigten, manchmal von Rechtsanwälten. Da und dort berichten Medien aber auch darüber, dass es auch andere Wege gibt, wie zum Beispiel „Der Standard“ am 11. Februar oder die Tageszeitung „Die Presse“ am 13. September, die durchaus auch in den Raum stellen, dass es einen direkten Informationsfluss aus Ministerium und Behörden gibt. (Bundesrat Rösch: Als könnten wir nicht selber Zeitung lesen!)

Darüber hinaus – und das ist jetzt ein Punkt, wo es, denke ich, durchaus richtig ist, die Worte zu verwenden, die Sie gewählt haben, Frau Bundesrätin, als Sie gesagt haben, Sie haben große Sorge – brauchen wir eine unabhängige Justiz. Wir müssen das wahren, was uns in Österreich heilig ist und dürfen uns nicht Länder zum Vorbild nehmen, in denen die Situation eine deutlich schlechtere ist. Daher möchte ich heute schon noch erwähnen, dass ich in diesem Hintergrundgespräch, aber auch öffentlich, etwas angesprochen habe, wovon ich glaube, dass es so etwas in Österreich nicht geben darf: Die Sozialdemokratie hat vor 20 Jahren (Heiterkeit bei BundesrätInnen der


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 117

SPÖ) – das ist mittlerweile belegt und vom Justizsprecher bestätigt – versucht, Ge­nossinnen und Genossen in die Justiz zu bringen und das aus der Parteizentrale zu steuern. (Bundesrat Schabhüttl: Das macht die neue ÖVP schon seit Jahren!) Da sage ich in aller Deutlichkeit: Mir ist wichtig, dass die Justiz unabhängig ist, dass es keine Unterwanderungsversuche von Parteien gibt. So etwas darf nicht vorkommen, weder damals noch heute und hoffentlich auch nicht in Zukunft! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Schabhüttl: Das ist an Traurigkeit nicht zu überbieten!)

Die Justizministerin, die Kanzleramtsministerin und ich hatten ein sehr gutes Gespräch mit den Standesvertretern der Staatsanwälte. Es war ein sehr positives Gespräch, in dem wir schnell auch einige Ideen gemeinsam aufgreifen konnten, um in der Justiz auch da und dort, wo es notwendig ist, Verbesserungen in die Wege zu leiten. (Bun­des­rat Schabhüttl: Was heißt Ideen? Liegt ja eh alles am Tisch!) Die Justizministerin hat nach diesem Gespräch gesagt, dass sie der Meinung ist, dass dieser Termin durchaus ein Auftakt für eine Justizreform sein kann. Sie hat da meine vollkommene Unterstützung, weil ich glaube, dass es sinnvoll ist, dort Potenziale zu heben, wo es sie noch gibt.

Die Justizministerin hat daher vorgeschlagen, Maßnahmen zu setzen, um schnellere Verfahren in Österreich zu gewährleisten, verbunden natürlich mit mehr Ressourcen für die Justiz, und ich habe ihr auch zugesagt, das zu unterstützen. (Bundesrat Schabhüttl: Wird eh schon Zeit!) Die Ministerin hat darüber hinaus vorgeschlagen, dass es ein Maßnahmenpaket gegen Leaks geben soll, dass durch eine gewisse Digitalisierung der Akten, auch durch eine Kennzeichnung der Akten verhindert werden kann, dass diese hinausgespielt werden, oder. wenn es passiert, es zumindest möglich ist, dies gerichtlich zu verfolgen.

Zum Dritten hat sie eine Stärkung des Rechtsschutzes vorgeschlagen, um sicherzu­stellen, dass so etwas wie der BVT-Skandal nie wieder passieren kann.

Ich habe ihr in all diesen Bereichen meine Unterstützung zugesagt und freue mich darauf, wenn wir als Bundesregierung diese drei Schritte zügig gemeinsam setzen können.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf abschließend zusammenfassen, dass ich sehr wohl davon überzeugt bin, dass es gut ist, Missstände anzusprechen, dass es richtig ist, danach zu suchen, wo es Luft nach oben gibt, und dass es gut ist, darüber nachzudenken, wo wir in der Republik Österreich besser werden können. Als Bun­deskanzler habe ich eine Gesamtverantwortung und werde stets auch in Zukunft in Zusammenarbeit mit den Ministerinnen und Ministern in allen Bereichen mitarbeiten, wo ich der Meinung bin, dass es sinnvoll ist, einen Beitrag zu leisten.

In diesem Sinne darf ich jetzt auch zur Beantwortung Ihrer konkreten schriftlich über­mittelten Fragen kommen.

Ich beginne mit den Fragen 1 bis 4 und 10 und darf diese wie folgt beantworten:

Als Bundeskanzler ist es selbstverständlich meine Aufgabe, mich regelmäßig mit allen Mitgliedern der Bundesregierung zu grundsätzlichen und tagespolitischen Themen auszutauschen. Diese Koordinationsaufgabe ist auch explizit im Bundesministerien­gesetz vorgesehen.

Ich stehe ebenso in regelmäßigem Kontakt mit Vertreterinnen und Vertretern der Medien. Dazu gehören unterschiedliche Formate, wie Interviews, Gesprächsrunden, Hinter­grund­gespräche. Wie in meinem Eingangsstatement bereits erwähnt, ist die Justiz ein wesentlicher Grundpfeiler unseres Rechtsstaates. Die Unabhängigkeit der Justiz muss gewährleistet sein.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 118

Zu den Fragen 5 und 6:

Als Bundeskanzler nehme ich an zahlreichen öffentlichen Terminen, Events und Ver­anstaltungen teil und treffe dort auf unzählige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Ich gehe fest davon aus, dass ich alle genannten Personen ebenfalls bei unterschiedlichen Veranstaltungen und Terminen getroffen habe oder dort mit ihnen zusammengetroffen bin.

Zu den Fragen 7 bis 9:

Beim Gespräch mit Justizministerin Alma Zadić, Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler und den Standesvertretern der Staatsanwälte am Montag ist es um Missstände, Defizite und mögliche Lösungsansätze gegangen. Wie schon eingangs erwähnt, herrscht Einigkeit darüber, dass es mehr finanzielle Ressourcen für die Ausstattung der Justiz braucht. Wichtig ist auch, dass die Verfahrensdauer dadurch deutlich verkürzt wird und die Qualität der Verfahren gesichert ist. So ist es mit der Justizministerin vereinbart. (Heiterkeit der Bundesrätin Grimling. – Bundesrat Schabhüttl: Na geh!)

Zu den Fragen 11 bis 16:

In der Vergangenheit kam es immer wieder dazu, dass Details aus Verfahren oder Ermittlungen an die Öffentlichkeit gelangt sind. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundes­rates Schabhüttl.) Dabei werden auch vereinzelt Staatsanwaltschaften oder vorge­setzte Stellen als Quellen der Leaks vermutet. (Bundesrat Schabhüttl: Das ist eine Schmähparade!) Wie bereits erwähnt, geht es nicht um konkrete Fälle, nicht um konkrete Personen und auch nicht um konkrete Jahreszahlen (Bundesrat Rösch: Das hat sich aber anders angehört vorhin!), sondern schlichtweg darum, wie Medien an ihre Informationen gelangen.

Über vermutete Leaks wurde, wie schon angesprochen, in der Vergangenheit auch oft berichtet. Ich verweise auf die Tageszeitung „Der Standard“ vom 11. Februar 2020 und die Tageszeitung „Die Presse“ vom 13. September 2019. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl.) Beim Gespräch mit den Standesvertretern, der Justizminis­terin und der Kanzleramtsministerin haben wir vereinbart, dass diese Vorfälle so weit wie möglich unterbunden werden müssen.

Das mir in Frage 12 unterstellte strafrechtlich relevante Verhalten möchte ich aus­drück­lich und auf das Schärfste zurückweisen.

Neben schnelleren Verfahren und der Stärkung des Rechtsschutzes geht es hier um ein treffsicheres Maßnahmenpaket der Justiz gegen Leaks.

Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Ich danke für Ihre Einladung, wünsche Ihnen noch einen schönen Nachmittag und freue mich auf die Diskussion. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Grossmann: Nicht beantwortet! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

16.04


Vizepräsident Michael Wanner: Ich gehe davon aus, dass es zu späterer Zeit noch Nachfragen zu den konkret gestellten Fragen geben wird.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates, einer jeden Bundesrätin mit einer Gesamtzeit von 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Ingo Appé. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 119

16.04.50

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ge­schätzte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause! Herr Bundeskanzler, Sie haben nun den Versuch unternommen, die Antworten, die in der Dringlichen Anfrage an Sie gestellt worden sind, zu beantworten. (Bundeskanzler Kurz: Die Fragen!) – Die Fragen, ja. Ehrlich gesagt, bin ich enttäuscht und entsetzt, in welcher Art und Weise diese Beantwortung durch Sie erfolgt ist. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Es wurden uns Pauschalantworten präsentiert, obwohl die Fragen sehr dezidiert und genau formuliert wurden. Sie haben es nicht der Mühe wert gefunden, auf diese einzelnen Fragen genau einzugehen, sondern einfach rigoros geantwortet: 1 bis 5 habe ich eingehalten, oder 2 bis 3 so beantwortet, dass sich eigentlich niemand ein Bild machen konnte, was wirklich Ihre Antwort ist.

In der Vergangenheit ist schon sehr viel in dieser Richtung geschrieben worden: Sie weisen uns als Parlamentarier darauf hin, dass in dieser Zeitung dies und in jener Zeitung das steht. – Das ist uns sehr wohl bewusst, denn auch wir lesen Zeitungen (Heiterkeit des Bundesrates Steiner), und wir machen das auch sehr genau. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Spanring.)

Wenn Sie in Ihrem Eingangsstatement betonen, dass Rechtsstaatlichkeit ein hohes Gut ist, kann das jeder hier nur unterstreichen. Auch dass Defizite angesprochen werden sollen, wird niemand hier abstreiten, doch die Art und Weise, wie dies passiert ist, ist unseres Staates sicher nicht würdig.

Es wurden hier drei Aussagen getätigt, die auch medial, wie wir aus den Zeitungen erfahren haben, als Kernpunkte der ganzen Angelegenheit erkannt worden sind. Was ist davon noch vorhanden?

Der erste Punkt war, dass es rote Netzwerke gibt, die in den Ministerien gewisse Aus­künfte erteilen und gewisse Machenschaften vorantreiben. (Bundesrat Schennach: Der Hinweis ist für den Villacher Fasching! – Ruf bei der SPÖ: Lei-lei!)

Betreffend die zu lange Dauer der Verfahren gab es eine entsprechende Stellung­nahme der zuständigen Ministerin, warum gewisse Verfahren bei dieser Staatsan­walt­schaft so lange dauern, nämlich dass es kein einfaches Verfahren wie bei normalen Strafverfahren bei Kleindelikten ist. Dass dabei über längere Zeiträume notwendige Verfahrensschritte abzuarbeiten sind, steht außer Zweifel, und dadurch kann es natürlich zu längeren Verzögerungen kommen – auch dadurch hervorgerufen, dass die Beschuldigten im Gegensatz zu solchen bei Kleindelikten in der Lage sind, sich Anwälte zu leisten, die sehr wohl wissen, wie sie die Möglichkeiten des Rechtsstaats ausreizen können, um Verfahren in die Länge zu ziehen. – Auch das wird vonseiten der Justizministerin bestätigt.

Wenn man den Ablauf bei Gericht etwas kennt, weiß man auch, wie es um die Ausstat­tung der Gerichte bestellt ist.

Dass die finanzielle Lage im Justizministerium eine ist, betreffend die schon Bundes­minister Moser festgestellt hat, dass es zusätzliche Millionen in seinem Ressort braucht, um einen normalen Arbeitsablauf abliefern zu können, wird Ihnen nicht unbe­kannt sein. Justizminister Jabloner ist da im Sommer 2019 schon konkreter geworden und hat festgestellt, dass er mindestens 90 Millionen Euro für den Justizapparat braucht, um dort einen normalen Ablauf gewährleisten zu können.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 120

Wenn man sich die jetzige Budgetlage anschaut, schaut es aber ganz anders aus: Es gibt noch Kürzungen, und da stellt sich die Frage, ob man wirklich einen Justizapparat will, der funktioniert, oder ob man ihn zu Tode spart. (Beifall bei der SPÖ.)

Auf die roten Netzwerke möchte ich jetzt nicht eingehen (Zwischenruf der Bundesrätin Zeidler-Beck – Bundesrat Steiner: Eh klar! – Bundesrat Bader: Das würde uns aber interessieren!), da von Jarolim und Partner ein offener Brief an den Herrn Bundeskanzler gegangen ist, der ebenfalls in den Medien veröffentlicht und abgedruckt wurde. Ich glaube, dass das hier nicht angebracht ist.

Zur Erinnerung: 90 Millionen Euro fehlen der Justiz zurzeit, um entsprechend arbeiten zu können. In den normalen Gerichten wird bei den Fachdiensten eingespart, die Richter und Staatsanwälte müssen Arbeiten erledigen, die normalerweise vom Fach­dienst erledigt werden, und können diese Zeit daher auch nicht für die Verfahren aufbringen, die sie in der Vergangenheit abgedeckt haben. Der Elektronische Akt steckt in den Kinderschuhen und ist eigentlich des Begriffs Elektronischer Akt nicht würdig.

Ich möchte mit einem Zitat aus den „Vorarlberger Nachrichten“, da das Zitieren von Nachrichten aus Zeitungen anscheinend en vogue ist, schließen. Das war heute, am 13.2., in den „Vorarlberger Nachrichten“, und ich glaube, diese Vorarlberger Zeitung ist jetzt nicht eine Zeitung, die der Sozialdemokratie sehr nahe steht (Bundesrat Schennach: Na ja! – Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ):

„Verantwortlich dafür ist vorwiegend die ÖVP. Sie stellte 2007 bis Anfang 2019 durchwegs den Finanzminister. Das Justizressort war vor Alma Zadic seit 2008 in schwarzer/türkiser Hand. Jetzt so zu tun, als räume die Kanzlerpartei mit fremd­ver­schuldeten Missständen auf, ist gelinde gesagt scheinheilig. Sie hat maßgeblich zu dieser Misere beigetragen.

Zu allen anderen Vorwürfe – von scheinbar politischen Netzwerken bis zur rechts­widrigen Weitergabe von Ermittlungsakten durch Staatsanwälte – hat die ÖVP bis heute keine Belege geliefert.“ – Auch Sie nicht, Herr Bundeskanzler, heute hier und da. – „Dazu ist nicht mehr zu sagen, als dass solche Angriffe auf die Justiz zu unter­lassen sind. Misstrauen gegen diese zu säen, hat in einem gesunden Rechtsstaat wie Österreich nichts verloren.“

Dem möchte ich nichts mehr hinzufügen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

16.12


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster gelangt Fraktionsvorsitzender Karl Bader zu Wort. – Bitte.


16.13.02

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren eine Dringliche Anfrage der Sozialdemokratie betreffend „Angriffe des Bundeskanzlers gegen die Justiz und insbesondere gegen die WKStA“. Nun stehe ich hier und kann diese Angriffe tatsächlich nicht sehen. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bun­desrat Schennach: Wenn man nur mäßig politisch interessiert ist!)

Zunächst darf ich dem Herrn Bundeskanzler recht herzlich für die klaren Ausführungen zur Dringlichen Anfrage danken. Ich darf auch sehr herzlich für die klaren Antworten danken. (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit bei der SPÖ.)

Ich danke aber insbesondere dem Herrn Bundeskanzler für die Klarstellung dahin gehend, dass es in dieser Republik erlaubt sein muss und erlaubt ist, über Defizite in der Justiz genauso wie in anderen Bereichen zu reden und dafür Lösungen zu finden.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 121

Ich danke auch dafür, dass das Darüberreden stattfindet, und ich verweise darauf, dass das Darüberreden bei Weitem keine Einflussnahme und kein Angriff auf irgend­eine Institution dieser Republik ist. Darüber reden – das hat der Herr Bundeskanzler klar und deutlich ausgeführt – hat nur ein Ziel: Das sind Verbesserungen in diesem Be­reich.

Das ist die Verantwortung, die der Herr Bundeskanzler und die Bundesregierung für diese Republik und für die Menschen in unserem Staat wahrnehmen. Das ist auch der Titel der Regierungsvereinbarung zwischen der Volkspartei und den Grünen: „Aus Verantwortung für Österreich.“ Und das ist auch Verantwortung für die Justiz in diesem Land, die hier ganz einfach wahrgenommen wird.

Ich glaube, dass die Diskussion wirklich in die richtige Richtung geht. Es sind drei Punkte, die der Herr Bundeskanzler angesprochen hat, die auch Thema der Unter­redung im Bundeskanzleramt – auch im Beisein der Kanzleramtsministerin und der zuständigen Justizministerin – waren. Es ist ein Problem, wenn Verfahren lange dau­ern. Was ist da ein Skandal? – Es ist ein Problem und dieses Problem gilt es ganz einfach zu lösen. Es geht dabei um die Beschleunigung von Verfahren – das hat auch der Herr Bundeskanzler deutlich angesprochen –: Schuldige sind möglichst rasch zu verurteilen. Da geht es nicht um hart oder weniger hart. Jemand, der sich in dieser Republik etwas zuschulden hat kommen lassen, ist klar und deutlich zu verurteilen; aber jene, die sich nichts zuschulden kommen lassen, müssen auch rasch Klarheit darüber haben, dass das so ist.

Es gibt rechtswidrige Entscheidungen zur Hausdurchsuchung im BVT – auch das wurde angeführt –, die das Vertrauen massiv geschädigt haben. Das darf nicht sein und soll auch in Zukunft hintangestellt werden.

Es ist tatsächlich ein Problem, wenn Menschen, die als Beschuldigte geführt werden, das über die Medien erfahren – bevor es ihre Anwälte wissen, bevor sie es selbst wissen. Das ist ebenfalls ein Problem, das es ganz einfach zu lösen gilt. (Bundesrat Steiner: Stimmt natürlich! – Bundesrat Seeber: Richtig!)

Es ist auch klar, dass in der Justiz kein Platz für Parteipolitik ist. Wenn ich mir anschaue, was in den letzten Wochen öffentlich wurde, dann muss ich klar und deutlich sagen: Die Sozialdemokratie genauso wie wir alle in diesem Saal – davon bin ich überzeugt – will eine unabhängige Justiz in diesem Land. Es ist aber lächerlich, liebe Genossinnen und Genossen, sich hierherzustellen und einen Skandal in Richtung des Bundeskanzlers zu initiieren (Heiterkeit der Bundesrätin Grimling), weil die einzige Partei, die tatsächlich versucht hat, Einfluss auf die Justiz zu nehmen, einzig und allein nachgewiesenermaßen die Sozialdemokratie ist. (Beifall bei der ÖVP. – Widerspruch bei der SPÖ. – Bundesrätin Grimling: Ja, natürlich!)

Ich verstehe schon Ihr Murren, aber es ist ungeheuerlich, sich hierherzustellen, auch wenn das, was in einem Papier, in einer Vereinbarung in der Kanzlei Lansky nieder­geschrieben wurde (Bundesrätin Grimling: Ihr seid ja so unschuldig!), auch wenn das, was Ihr ehemaliger Justizsprecher - ‑ – Ja, ich verstehe die Aufregung in der Sozial­demokratie schon: Die Sozialdemokratie ist wirklich die einzige Partei gewesen, die versucht hat, Einfluss zu nehmen. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Wenn das, was dort passiert ist – was auch Ihr ehemaliger Justizsprecher Jarolim zugegeben hat –, schon 1997 war, so ist es damals ein Skandal gewesen und auch heute noch! (Bundesrätin Grimling: Sie hätten Zeit gehabt, 20 Jahre! Ja, das hätten Sie ändern können!) Das gilt es, in Zukunft hintanzuhalten.

Ich möchte auch noch die Anwürfe von Frau Kollegin Grossmann zurückweisen. Sie sprechen von massiven Angriffen auf die Justiz und einem Justizskandal der Sonder-


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 122

klasse. Ich glaube, da wird Verantwortung übernommen. Frau Bundesministerin Zadić hat aus dem Gespräch, das im Bundeskanzleramt stattgefunden hat, die klaren Verant­wortungsaufträge mitgenommen, die gemeinsam vereinbart wurden, und das wird jetzt abzuarbeiten sein. Sie wird dafür die Verantwortung übernehmen, sie wird das ge­wis­senhaft und ihrer Verantwortung entsprechend umsetzen. Es geht um eine Stärkung des Rechtsschutzes, es geht um schnellere Verfahren, es geht um die Erreichung der Ziele – auch dadurch, dass die Justiz mit mehr Budget ausgestattet wird.

Daher: Keine Skandalisierungen, wo keine Skandale sind, liebe Kolleginnen und Kolle­gen von der Sozialdemokratie! (Bundesrätin Grimling: Ganz unschuldig!) Kehren Sie vor Ihrer eigenen Tür! Der Herr Bundeskanzler in Zusammenarbeit mit der Frau Bun­des­ministerin für Justiz und die Bundesregierung nehmen die Verantwortung in ihrem Bereich wahr und werden dafür Sorge tragen, dass Österreich die Rechtsstaatlichkeit und die hohe Qualität der Justiz auch in Zukunft sicherstellen kann. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

16.19


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Spanring zu Wort. Ich erteile es ihm.


16.20.05

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Regierungsmitglieder! Werte Kollegen des Bundesrates! Werte Zu­schauer auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Die Unabhängigkeit der Justiz ist eines der höchsten Güter in einem demokratischen Rechtsstaat. – Das klingt schön und sollte natürlich auch so sein. Ist das auch so?

Darüber lässt sich trefflich diskutieren, wie wir gerade merken. Das betrifft übrigens nicht nur die Justiz, aber diese natürlich im Besonderen. Postenbesetzungen nach Farben, ergo nach der politischen Ausrichtung: Jeder, der irgendwo im öffentlichen Dienst beschäftigt ist, kann ein Lied davon singen. Früher brauchte man sich ohne rotes Parteibuch bei der Eisenbahn gar nicht zu bewerben, und als gelernter Nieder­österreicher kann ich Ihnen sagen, ohne ÖVP-Parteibuch oder schwarzen Schieber kommen Sie nirgendwo unter, nicht einmal in der kleinsten Kommune (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ – Bundesrätin Mühlwerth: Nein? Das kann nicht sein!) – außer sie ist rot geführt; ein paar davon gibt es noch, da brauchen Sie wieder das andere Büchl. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: ... immer schon das Regenbogenparteibuch!)

Mehr als 70 Jahre lang haben sich SPÖ und ÖVP diese Republik aufgeteilt. Alles ist politisch verfilzt, von der roten Arbeiterkammer bis zur schwarzen Wirtschaftskammer, Vereine wie Landjugend und auch Kinderfreunde, alles ist schön brav politisch aufge­teilt, von all den Wohnbaugenossenschaften, wo es um richtig viel Geld geht, ganz zu schweigen, bis hin zu den Autofahrerklubs, der rote Arbö, der schwarze ÖAMTC, und, und, und. Noch Fragen, meine Damen und Herren? – Das ist die traurige Wahrheit, so schaut es aus in Österreich! (Beifall bei der FPÖ.)

Nur wenn einmal eine andere Partei in der Regierung ist und es wagt, einen geeig­neten Freiheitlichen auf eine Position zu setzen, dann ist das halbe Land in Aufruhr. So gesehen bin ich sehr froh darüber, dass die aktuelle Koalition Schwarz-Grün heißt, denn wäre die ÖVP mit der SPÖ in einer Regierung, dann – das kann ich Ihnen versichern – gäbe es diese heutige Debatte höchstwahrscheinlich nicht, alles wäre eitel Wonne, Sonnenschein.

Nun aber ans Eingemachte: Herr Kanzler Kurz, Sie sind – in welcher Position auch immer – Mitglied der Regierungen der letzten Jahre gewesen, eine gefühlte Ewigkeit;


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 123

einige Zeit sogar schon als Bundeskanzler, auch wenn Sie das nie allzu lange aus­halten. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ.) In all den Jahren gab es von Ihnen niemals, nicht ein Mal, eine Kritik an der Justiz. Jetzt stellt eine andere Partei, nämlich die Grünen, den Justizminister und auf einmal gibt es Kritik von Ihnen. Die Frage ist: Warum ist das so? – Ich kann es Ihnen genau sagen: weil die WKStA gegen zwei ehemalige ÖVP-Finanzminister und gegen den ÖVP-nahen Chef der Bundesbeteili­gungsagentur ermittelt. Da reden Sie dann von Politjustiz der Wirtschafts- und Korrup­tionsstaatsanwaltschaft. Diese Aussage alleine, Herr Bundeskanzler, zeigt ja schon die Unehrlichkeit in der Debatte. Die ÖVP stellte von 2008 bis Mitte 2019 die Justiz­minister, da sind lange Verfahrensdauern, Personal- und Geldmangel sowie parteipoli­ti­sche Besetzungen nie ein Thema gewesen. Jetzt ist das ein Thema. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Was ist passiert? Wie ist es dazu gekommen? – Die Nebelgranate, die Sie abgefeuert haben, hat sich im wahrsten Sinne des Wortes als Rohrkrepierer entpuppt. Sie wollten von ganz anderen Dingen ablenken, das ist nach hinten losgegangen und das Gegen­teil ist der Fall: Sie haben das Scheinwerferlicht voll und ganz auf sich gezogen. Sie wollten über die Bande der Medien der WKStA, die Ihnen und der ÖVP übrigens schon viel länger ein Dorn im Auge ist, einen Blattschuss verpassen. Das ist misslungen, und jetzt sind Sie selbst ins Fadenkreuz von Ermittlungen betreffend Ungereimtheiten rund um die ÖVP und natürlich auch die Justizspitze gekommen.

Warum ist es so gekommen, wie es gekommen ist, meine Damen und Herren? – Sie, Herr Kanzler Kurz, und Ihre ÖVP wollten die Gunst der Stunde des BVT-Unter­suchungs­ausschusses nutzen. Das Hauptziel des Herrn Amon war es ganz klar, die künstlich inszenierte Aufregung rund um eine Hausdurchsuchung zu nutzen und damit einen Teil der Justiz, nämlich genau die zuvor angesprochene WKStA, an das Gängel­band der ÖVP zu nehmen. Das war von Anfang an der Plan der ÖVP, dürfte aber anscheinend nicht ganz geklappt haben. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Betrachtet man den Hintergrund, dann wird einem auch ganz schnell klar, warum das so war: Es hat in der Vergangenheit immer wieder Reibungspunkte zwischen der ÖVP und der WKStA gegeben. Immerhin gab es zum damaligen Zeitpunkt schon seit Längerem Ermittlungen gegen zwei Sektionschefs im Innenministerium, und was, wie ich glaube, die ÖVP am meisten geschmerzt hat, war, dass schon damals ein Ge­schäftsführer eines maßgeblichen Fonds, der ganz tief in diesen ÖVP-Netzwerken verstrickt ist, nämlich des Stadterweiterungsfonds, ins Visier der WKStA geraten ist. Damals waren Ermittlungen im Gange, inzwischen gibt es auch entsprechende Ankla­gen dazu. Interessant wäre, was mit diesen Anklagen ist: Gibt es die noch irgendwo, sind die schon irgendwo schubladiert? Man hört schon lange nichts mehr davon.

Natürlich hat die ÖVP die Hausdurchsuchung beim BVT als eine Art Majestäts­belei­digung empfunden: dass es tatsächlich jemand wagt, in dieser ÖVP-Spielwiese eine Hausdurchsuchung anzuordnen und dann auch noch durchzuführen! (Bundesrat Steiner: Ein Wahnsinn!) – Ein Wahnsinn! Wie kann man nur?! (Bundesrat Bader: Unrecht­mäßig! Unrechtmäßig!) Und gut war es, meine Damen und Herren, nachträglich be­trachtet, dass man da nicht das BAK, nicht das Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung beauftragt hat, das an seiner Spitze so dunkelschwarz ist, dass es schwarz heraus­rinnt, wenn sich irgendjemand von denen das Knie aufschlägt! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie Heiterkeit bei der SPÖ.)

Da die ÖVP in dieser Causa ganz einfach die Kontrolle über all die Vorgänge verloren hat, wird seit dieser Zeit seitens der ÖVP entschlossen gegen die WKStA vorgegan­gen. Das ist die Wahrheit! Und dann, Herr Kanzler Kurz, trauen Sie sich, sich hinzu­stellen und im Fernsehen zu sagen, die FPÖ hätte das Ansehen des Bundesamtes für


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 124

Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung beschädigt. – Mitnichten, Herr Kanzler! Ihre ÖVP, die sich im BVT ausgetobt hat und dort Sodom-und-Gomorrha-ÖVP-Fest­spiele veranstaltet hat (Ruf bei der ÖVP: Hallo! Hallo!), wenn es um Postenbe­setzun­gen und auch ums Wegschauen bei Verfehlungen von ÖVP-Freunden gegangen ist, Sie alleine haben den Vertrauensverlust und den Imageschaden – sowohl national als auch international – zu verantworten. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Buchmann: Über internationalen Vertrauensverlust lass’ ich mir von dir nichts erklären!)

Und was machen Sie jetzt, Herr Kanzler Kurz? – Jetzt bringen Sie die gesamte Justiz mit Ihrem Verhalten in Misskredit und in Verruf. Vielleicht gelingt es Ihnen aber auch diesmal wieder, es Ihrem Koalitionspartner umzuhängen, wenn die Justiz einen Imageschaden erleiden sollte. Frau Zadić wird’s schon richten! (Bundesrat Schreuder – das Z als S aussprechend –: Zadić!)

Apropos: Die Grünen verhalten sich in dieser Debatte wie auch in vielen anderen De­batten seit geraumer Zeit schmähstad – der verpasste Maulkorb dürfte wohl Koalition heißen. Ja, das ist der Unterschied: Die ÖVP hat in der Zeit der türkis-blauen Regie­rung 80 Prozent freiheitliche Forderungen umgesetzt, wir waren die Zugmaschine (Heiterkeit bei der ÖVP), und nicht nur das gerade noch geduldete Beiwagerl, sodass sogar „Der Standard“ gestern titelte: „Türkis-Grün – eine Fehlkonstruktion“. Ich ver­stehe Sie aber voll und ganz, meine Damen und Herren von den Grünen, Sie verkau­fen Ihre grüne Seele und als Dank dafür schaut die ÖVP bei den Grauslichkeiten, die Sie den Österreichern, ganz besonders den Autofahrern, zukünftig antun wollen, seelenruhig zu. (Beifall bei der FPÖ.)

Zurück zur schwarzen ÖVP: So wie es unser Klubobmann Herbert Kickl angekündigt hat, nimmt die FPÖ das alles nun zum Anlass und wird den jahrzehntelangen rot-schwarzen Postenschacher durchleuchten – ganz besonders angesichts der aktuellen Berichterstattung über die Beförderung von Kabinettsmitarbeitern des Justizminis­te­riums auf sogenannte Mascherlposten. Es wird von unserer Seite mit Sicherheit eine Anfragenserie geben, weil da angeblich Posten zwar geschaffen, besetzt und gut bezahlt, aber niemals ausgeübt wurden. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Aha?) Das wird mit Sicherheit spannend, ganz besonders für Sie, liebe ÖVP. (Vizepräsidentin Eder-Gitschthaler übernimmt den Vorsitz.)

Herr Kanzler Kurz, Sie beschweren sich einerseits darüber, dass angeblich vertrauliche Unterlagen von der Staatsanwaltschaft an Journalisten verteilt wurden, und anderer­seits erzählen Sie ganz offen, dass zwei hochrangige Journalisten Ihnen das sogar bestätigt hätten. Aber angezeigt, Herr Kanzler Kurz, haben Sie diesen Amtsmissbrauch nicht, oder? Da frage ich mich, warum. Wollten Sie da etwas vertuschen? Ich kann Sie aber beruhigen: Sie brauchen keine Anzeige mehr zu machen, auch das haben wir Freiheitliche in Form einer Sachverhaltsdarstellung an die WKStA für Sie bereits über­nommen. Herr Kanzler, Sie dürfen dann unter Wahrheitspflicht Ihr Wissen zum Besten geben, und, Herr Kanzler, Wahrheitspflicht bedeutet, dass man die Wahrheit sagen muss. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie Beifall der BundesrätInnen Prischl und Zaggl.)

Verstehen Sie mich richtig, meine Damen und Herren: Natürlich ist Kritik an der Justiz erlaubt, und da bin ich ganz bei Kanzler Kurz, wenn er sagt, dass die Justiz sicher nicht sakrosankt ist. Das sehe ich auch so. Es gibt sehr viele Bereiche, in denen es Handlungsbedarf in Form von Verbesserungsmaßnahmen gibt. Ich sage nur: zu wenig Personal in allen Bereichen, vor allem auch im Bereich der Justizwache. Ja, bei manchen Verfahren und Urteilen, das muss man so sagen, ist der fahle Beigeschmack einer Politjustiz irgendwie spürbar, also gibt es vielleicht doch den einen oder anderen politisch agierenden Staatsanwalt oder Richter. Vielleicht gibt es das.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 125

Auch die Tatsache, dass es Gutachter gibt, die von manchen Gerichten Hunderte Aufträge im Jahr erhalten und andere nur ganz wenige, sollte einmal hinterfragt werden, noch dazu, wenn es Fälle gibt, in denen Gutachten einander in Copy-and-paste-Manier gleichen und nur die persönlichen Daten geändert werden. Kritik an der Justiz ist also erlaubt und natürlich erwünscht. Wenn man aber die Hintergründe kennt und weiß, warum Kritik geübt wird und von wem, dann sollte man das schon hinter­fragen. Darum fordern wir, dass man sich die parteipolitische Einflussnahme in der Justiz nicht nur im Bereich der WKStA anschaut, sondern wirklich in allen Bereichen. Das ist aber von der ÖVP nicht gewollt, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Richtig!)

Genau daran ist ja ganz eindeutig zu erkennen, dass es mit der Glaubwürdigkeit der ÖVP nicht so weit her ist. Da tun sich schon einige Fragen auf: Wie, liebe ÖVP, können Sie zum Beispiel erklären, dass immer ganz bestimmte Staatsanwaltschaften aus­gewählt werden, wenn es um ganz bestimmte Verfahren geht? Erklären Sie zum Beispiel einmal die ganz besondere Expertise der Staatsanwaltschaft Korneuburg, die sie dazu befähigt, die Tätigkeit der WKStA zu überprüfen! (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.) Auf diese Antwort wäre ich gespannt. Ist es nicht einfach nur so, dass es sehr gute parteipolitische Verbindungen sind, die die eine oder andere Staatsanwaltschaft zu solchen Untersuchungen (mit den Fingern Anführungszeichen andeutend) „be­fähigt“?

Spannend wäre auch die Antwort der Staatsanwaltschaft Linz in jenem Fall, in dem es Vorwürfe der Korruptionsermittler gegen Sektionschef Pilnacek gab und die Staatsan­waltschaft Linz zum Entschluss kommt, nicht einmal mehr Beweise anzufordern, weil von vornherein feststeht, dass es gar keinen Anfangsverdacht gibt. Das, meine Damen und Herren, sind bedenkliche Vorgangsweisen, und da ist sicher noch einiges aufzu­klären, aber nicht aus der Kurz’schen Opferrolle heraus, sondern ehrlich und nach bestem Wissen und Gewissen.

Herr Kanzler Kurz hat sich heute wieder in gewohnter Manier – in gewohnter Teflon­manier – hierhergestellt und alles von sich abperlen lassen, aber, Herr Kanzler, die gute Nachricht für uns alle ist, dass eine Teflonbeschichtung nicht ewig hält und sich auch abnutzt. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

So schließe ich mit einem Zitat meiner leider bereits verstorbenen Großmutter. Sie hat gesagt, als ich noch ein ganz kleiner Bub war – und das ist, denke ich, für die heutige Diskussion hier ganz passend: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht.“ (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

16.34


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Frau Bundesrätin, ich erteile Ihnen das Wort. (Bundesrat Seeber – in Richtung Bundesrat Spanring –: Wie ist das, wenn man in ein Zitat das einbettet, wenn einer lügt? Das gehörte einmal überprüft! – Bundesrat Rösch: Wieso? Das Zitat gibt’s ja! – Bundesrat Spanring: Das hat meine Großmutter g’sagt!)


16.34.50

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsi­dentin! Herr Bundeskanzler! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! (Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ.) – Wenn die Diskussion beendet ist, würde ich gerne anfangen.

Es wurde heute schon oft gesagt, aber lassen Sie auch mich zu Beginn Folgendes feststellen: Die Unabhängigkeit unserer Justiz ist das höchste Gut in unserer liberalen


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 126

Demokratie und in unserem Rechtsstaat. Und diese Unabhängigkeit wird unsere Justizministerin sicherstellen. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Die Justiz leistet trotz allem und mit den Mitteln, die ihr derzeit in bescheidenem Maße zur Verfügung gestellt werden, hervorragende Arbeit. Diese hervorragende Arbeit schlägt sich auch im Vertrauen der Österreicherinnen und Österreicher in die Justiz nieder. In einer 2019 von der EU-Kommission durchgeführten Eurobarometerumfrage liegt Österreich im Vertrauensranking gleich hinter Dänemark und Finnland auf dem drittbesten Platz.

Ja, das Vertrauen in die Justiz ist so wie das Vertrauen in unseren Rechtsstaat im Allgemeinen ein hohes Gut, das es unbedingt zu erhalten gilt und das jeden Tag neu verdient werden muss. Dass diese Arbeit auch Geld kostet, muss uns allen klar sein. Die Justiz ist seit Jahren chronisch unterfinanziert. Die ehemals bescheidenen Rück­lagen sind großteils aufgezehrt, und die Rufe der Justiz nach einer Budgeterhöhung verhallten in der Vergangenheit leider allesamt ungehört.

Ja, es gibt Defizite. Es gibt bei der Verfahrensdauer sicher Luft nach oben, und das in vielen Bereichen. Lassen Sie mich einige Beispiele nennen, zum Beispiel den Kanzlei­bereich: Es gibt dort immer längere Wartezeiten und teilweise dauert es Monate, bis ein Protokoll geschrieben und ausgefertigt wird. Daraus entstehen natürlich Verzö­gerungen im Verfahren. Beim Bundesverwaltungsgericht kommt es bei den Asylverfah­ren zu Wartezeiten von derzeit mehr als fünf Jahren. Diese überlange Verfahrensdauer führt inzwischen zu massiven menschlichen Dramen, wenn am Ende dieser langen Verfahrensdauer eine negative Entscheidung steht, da es gerade für Kinder nach die­ser Zeit unverständlich ist, das Land wieder verlassen zu müssen, in dem sie aufge­wachsen sind und ihre neue Heimat gefunden haben.

Ja – darüber wurde auch schon gesprochen –, es gibt einen massiven Mangel an Sachverständigen, sodass es auch dort zu Wartezeiten von bis zu einem Jahr für Gutachten kommen kann. Diese Wartezeiten sind in sensiblen Bereichen kaum ver­tretbar, und auch dort ist dieser Handlungsbedarf schon seit langer Zeit sichtbar.

Ja, unsere Justiz wurde ausgehungert und arbeitet derzeit am Limit. Das müssen wir unbedingt ändern. Daher ist es besonders begrüßenswert, dass die Aussprache Anfang dieser Woche zwischen Standesvertretern, der Frau Justizministerin und Ihnen, Herr Bundeskanzler, auch ein Bekenntnis zu dieser wesentlich verbesserten budge­tären Ausstattung der Justiz gebracht hat. Nun gilt es, diesen Worten auch Taten folgen zu lassen, und ich glaube, das wird passieren. (Bundesrat Steiner: Wunder­schön!)

Daher appelliere ich jetzt noch einmal an die Verantwortlichen, in den bevorstehenden Budgetverhandlungen der Justiz die Mittel zur Verfügung zu stellen, die notwendig sind, um einerseits die hervorragende Arbeit auch in Zukunft sicherzustellen und ande­rerseits die von uns im Regierungsprogramm paktierten Inhalte umzusetzen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.38


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.


16.38.46

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Bundes­kanzler, eine halbe Stunde haben Sie geredet, Kollege Bader detto und meine Vorred­nerin hier auch – und am eigentlichen Thema vorbei. Worum geht es in der öffentlichen


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 127

Debatte in diesem Land? – Es geht darum, dass jemand, der noch dazu Bundes­kanzler ist, die Staatsanwaltschaft und die Gerichte angreift. Deshalb läuft diese SOS-Debatte seit Wochen in unserem Land. Ich hätte mir mehr gewünscht, Herr Bundes­kanzler, aber dazu waren Sie nicht bereit.

Wie die Situation in den Gerichten und Staatsanwaltschaften ist, liebe Kollegin, wissen wir. Es gibt den Revisionsbericht der Oberstaatsanwaltschaft, es gibt laut Jabloner das langsame Sterben der Justiz – dazu hätte es keiner Extrasitzung bedurft. Ich hätte mir aber gewünscht, dass der Kanzler hier und heute gesagt hätte: Es tut mir leid, es hat möglicherweise den Eindruck erweckt, dass ich die Gewaltenteilung breche. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler, wir alle hier sind regelmäßig zu Gast in der Demokratiewerkstatt, und dort erklären wir Kindern und Jugendlichen, was die Grundsätze einer Demokratie sind. Da betonen wir, dass der wertvollste Schatz der Demokratie die Wahlen sind; das Zweitwertvollste ist, das alles befristet ist und nichts vererbt wird; das dritte Kennzeichen der Demokratie ist die Gewaltenteilung. Was hier gemacht wurde, hat ein Ministerpräsident in unserem südlichen Nachbarland, nämlich Berlusconi, auch gemacht: Immer wenn es um ihn und seine Leute gegangen ist, wurde die Justiz attackiert. In diesem Fall – und das ist ja hier auch ausgeführt worden – geht es um vier sehr wichtige, der ÖVP nahestehende Personen – und genau da kommt diese Attacke und genau da erfolgt dieser Übergriff auf die Gewaltenteilung. Das ist ja das eigentlich Empörende in dieser gesamten Diskussion.

Ich weiß, Sie sind ein Brückenbauer vor allem zu den Visegrádstaaten. Das macht Orbán nicht anders, das machen die Polen nicht anders, und jetzt auch noch Trump, der macht das auch nicht anders. Das bedeutet: Von ganz oben wird die Justiz, wird die Staatsanwaltschaft eingeschüchtert, es werden ihnen Grenzen aufgezeigt und gesagt: Nicht weiter! Es ist doch niemals um die Arbeitsbelastung in der Justiz gegangen. Da hätten Sie auch nicht halbtäglich Messagecontrol gegenüber den eige­nen Abgeordneten machen müssen, damit sie auf Linie bleiben.

Sie haben aber auch so nebenbei – das hat die Kollegin ja sehr behübscht – die Justizministerin abmontiert. Entschuldigung, wird demnächst die Landwirtschafts­minis­terin zu einem Round Table eingeladen? Wird demnächst der Bildungsminister zu einem Round Table eingeladen? – Nein. Sie haben da ganz gezielt die Justizministerin abmontiert, und das geht nicht.  

Sie haben gesagt, Sie haben die große Verantwortung als Kanzler. – Na ja, gut: Der BVT-Skandal fand unter Ihrer Kanzlerschaft statt. Wen haben Sie aller einberufen? Wo sind beim BVT-Skandal Ihre Maßnahmen gewesen? (Beifall bei der SPÖ.) Da hatten Sie als Bundeskanzler die volle Verantwortung, und ich kann mich an nichts erinnern. Sie haben ja offensichtlich auch ein bisschen ein schwieriges Verhältnis zu Abgeordneten, denn Sie meinen so generös, wir sind politisch interessiert; da gibt es irgendwelche netten Stammtische, die vielleicht poli­tisch interessiert sind. Kollege Bader scheint auch nur mäßig politisch interessiert zu sein, weil er den Skandal, der hier zur Debatte steht, nicht sieht. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Bader: Ich habe eh angesprochen, was der Skandal ist!)

Ein Prinzip der Verfassung, Herr Bundeskanzler, teilen Sie hoffentlich mit uns, und zwar das liberale Prinzip. Das bedeutet, die Gerichtsbarkeit ist öffentlich, und die Mitwirkung der Bevölkerung an der Gerichtsbarkeit (Zwischenruf des Bundesrates Preineder); also wer auch immer in einem Verfahren ist, wenn es vor Gericht kommt, ist es öffentlich und die Bevölkerung hat mitzuwirken.

Kollege Bader, du hast genau denselben Vorwurf gemacht, der eigentlich unter Ver­leum­dung eingestuft gehört, den auch der Bundeskanzler gemacht hat. Wenn man behauptet, die Staatsanwaltschaft spiele Akten bewusst nach außen, dann ist das


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 128

Verleumdung; denn was hätte es zur Folge, wenn das wahr wäre? – Das hätte zur Folge: Verurteilung, Entlassung und strafrechtliche Schritte. Das macht man nicht, und deshalb waren die Richter und Richterinnen, Staatsanwälte und Staatsanwältinnen in den letzten Tagen so empört; und sie waren zu Recht empört, mit dieser Verleumdung muss Schluss sein. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Herr Bundeskanzler, immer wieder gibt es aber eine zweite Chance. (In Richtung des mit Bundesministerin Raab sprechenden Bundeskanzlers Kurz:) Herr Bundeskanzler? Es gibt immer eine zweite Chance. Wir haben uns soeben entschieden, diese Anfrage auch schriftlich einzubringen, damit Sie eine zweite Chance  haben und wir das auch nachprüfen können und diese Debatte unter Umständen, wenn es noch einmal eine so schnoddrige Beantwortung gibt, in einer eigenen Diskussion abwickeln können.

Gleichzeitig bitte ich aber auch die Fraktionsvorsitzenden Schumann und Mühlwerth, diese Form der Anfragebeantwortung in der Präsidiale zu besprechen – Monika Mühlwerth, wir beide sind schon länger im Haus und du weißt, dass wir das öfters getan haben –, denn es geht da um die Achtung einer parlamentarischen Institution, des Bundesrates. Es geht darum, wie Mitglieder der Bundesregierung bei Dringlichen Anfragen künftig Beantwortungen vorzunehmen haben. Deshalb ersuche ich die Angesprochenen, dies auch in die Präsidiale zu tragen.

Kommen wir zu diesem Blümchen, dass seit einiger Zeit irgendwie zur Ablenkung von den roten Netzwerken gesprochen wird. Herr Bundeskanzler, Sie haben einen Brief vom früheren Justizsprecher der SPÖ, Jarolim, bekommen. Was hat er Ihnen ge­schrieben? – Er hat geschrieben, es gab damals, als er zum Justizsprecher ernannt wurde, so etwas wie eine kleine Feier, eine namentlich nicht näher spezifizierte Veranstaltung in der Kanzlei Lansky – 1997, nur damit wir ein bisschen ein Gefühl dafür haben. Er hat Ihnen auch geschrieben, dass ein irgendwie überfleißiger Mitar­beiter der Kanzlei Lansky ein Protokoll erstellt und das einem ihm unbekannten Per­sonenkreis übermittelt hat; das ist ja auch an Ewald Stadler ergangen, der sich aus­führlich mit diesem - - (Bundesrätin Mühlwerth: Das haben wir schon öfter erlebt! Worüber regst du dich auf?) – Ja, eben. Ewald Stadler, für die Damen und Herren, die zuschauen, ist von der FPÖ. (Bundesrat Steiner: Nein, nein, nein! Nicht mehr FPÖ!) – Nein, nicht mehr, aber damals! Bitte, wir reden ja über einen langen Zeitraum. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Grimling.)

Damals, 1997, schien auch die Rede davon zu sein, dass es ein Netzwerk gab, das überall in der Justiz Postenbesetzungen vor allem durch den Kartellverband vorge­nom­men hat. (Bundesrat Steiner: Da warst du noch grün, wie er FPÖ war! Klubobmann von den Grünen! – Heiterkeit der Bundesrätin Zeidler-Beck.) – Schön, dass Herr Steiner sich auch geschichtlich auskennt. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.) Es ist immer eine Freude, mit geschichtsbewussten Menschen zu debattieren, auch wenn sie aus meinem ursprünglich früheren Heimatland kommen. (Bundesrat Steiner: Wir sind aber froh, dass du jetzt in Wien bist! – Heiterkeit der Bundesrätin Mühlwerth.)

Was die Fragen betreffend die zwei JournalistInnen beziehungsweise leitenden Jour­nalistInnen angeht: Da braucht es die Sachverhaltsdarstellung von der FPÖ gar nicht, denn wie wir vernommen haben, hat die Staatsanwaltschaft in dieser Sache selbst Ermittlungen gegen unbekannt aufgenommen (Bundesrätin Mühlwerth: ... trotzdem angezeigt!), denn, noch einmal: Da geht es um eine Frage der Verleumdung (Zwi­schenruf des Bundesrates Preineder), es geht darum, Schritte zu setzen, die für die Betroffenen, würde das stimmen, alles andere als lustig sind und auch entsprechende Sanktionen nach sich ziehen. (Bundesrätin Mühlwerth: Es könnte ja stimmen, darum muss man es ja untersuchen!)


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 129

Wie auch immer: Wenn wir uns schon darüber beklagen, dass es in der Staatsan­waltschaft, vor allem in der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft so wenige Posten gibt, dann können wir uns ja vorstellen, dass jemand fehlt, der die Verfahren hätte weiter vorantreiben können, wenn jemand eine Position nur gehaltsmäßig beklei­det, aber nicht tätig ist, wie die derzeitige Ministerin Edtstadler.

Das sind alles Dinge, Herr Bundeskanzler, zu denen Sie heute schon mehr hätten sagen können. Ich kann mich erinnern, als Außenminister waren Sie, als wir den Vorsitz im Europarat hatten, dort und haben in Ihrer Rede über die Wichtigkeit der Rechtsstaatlichkeit gesprochen. Das ist ja etwas, das wir in vielen Staaten versuchen durchzusetzen. Ihr Angriff auf die Justiz widerspricht diesem Prinzip der Rechtsstaat­lichkeit, was wir sehr bedauern. Liebe Kollegin (in Richtung Bundesrätin Hauschildt-Buschberger), um die Posten und um die Situation ist es mit Sicherheit nicht ge­gan­gen. Schön, dass man nachher das gemeinsame Wording herausbekommen hat, dass es keinen kompletten Gesichtsverlust für die Justizministerin gegeben hat.

In diesem Sinne: Die Anfrage für eine schriftliche Beantwortung ist soeben neuerlich eingegangen, und ich hoffe, dass die Präsidiale diese Beantwortung der Dringlichen Anfrage noch ausführlich bespricht und uns ihre Entscheidung diesbezüglich auch darstellt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Spanring.)

16.51


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Christian Buchmann. – Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.


16.51.20

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Liebe Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn sich die Präsidiale mit dieser Frage beschäftigt, dann würde ich meinen, dass sie sich auch mit manchen Redebeiträgen beschäftigt, in denen Ausdrücke wie scheinheilig fallen, in denen von Lüge, von Schnoddrigkeit und Ähnlichem die Rede ist. Ich würde bitten, solche Vokabeln dann auch mit in die Unter­suchung zu nehmen, denn dafür ist im Hohen Haus durchaus auch schon ein Ord­nungsruf erteilt worden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ist heute mit dieser Dringlichen Anfrage der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion - - (Unruhe im Saal.) – Ich verstehe schon, dass das unangenehm ist, wenn man den Spiegel vorgehalten bekommt (Bundesrätin Schumann: Na, na, na!), aber ich würde trotzdem darum bitten, auch mir vielleicht die Aufmerksamkeit zu geben, wie wir sie uns insgesamt geben. Wenn ich mir anschaue, was heute mit dieser Dringlichen Anfrage der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion geschehen ist, na dann muss man sagen: Das war der untaugliche Versuch, parteipolitisches Kleingeld zu münzen (Bundesrätin Schumann: Nein, nein!), und dieser untaugliche Versuch ist ordentlich nach hinten losgegangen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Grimling: Nein, der war nicht untauglich! – Bundesrat Schennach: Nein, nein! – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Es war keine Missachtung des Rechtsstaates und der Gewaltenteilung, die da statt­gefunden hat, sondern es war aus der Verantwortung für Österreich, dass sich der Bundeskanzler der Republik Österreich in dieser Frage einmal öffentlich artikuliert hat. Was hat er denn gesagt, das so verwerflich ist und den gesamten Rechtsstaat in Frage stellt? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Er hat erstens auf die teilweise zu langen Ver­fahrensdauern hingewiesen. Na ja, da würde ich Sie einmal bitten, mit dem einen oder


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 130

anderen Betroffenen zu reden, da würden Sie dann erfahren, wie das ist. Ja, es ist richtig, manche Verfahren werden auch künstlich in die Länge gezogen – nicht von der Justiz, sondern von Betroffenen in diesen Verfahren. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es gibt da aber durchaus Verbesserungs­vorschläge, und diese Verbesserungsvorschläge wurden auch am Rande des runden Tisches, soweit ich informiert bin, angesprochen, und dafür bedanke ich mich. Es wird den Betroffenen helfen und vielleicht dazu führen, dass Verfahren künftig zügiger abgewickelt werden können. (Beifall bei der ÖVP.)

Was ist zum Zweiten passiert? – Der Herr Bundeskanzler hat angesprochen, dass es eine öffentliche Vorverurteilung durch Leaks gibt. Ja bitte, reden Sie auch in dieser Frage einmal mit Betroffenen! Das müssen nicht unbedingt Politiker sein, es gibt auch Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die nicht aus dem politischen Leben kommen, und wenn sie vorverurteilt werden, hat das ganz besondere Konsequenzen für die persönliche Kredibilität, für ihr Verhältnis zur Familie, für das Verhältnis zur Gesell­schaft. Das ist nicht angenehm und kann durchaus auch existenzielle, wirtschaftliche Konsequenzen mit sich bringen.

Daher ist nur sehr zu begrüßen, was der Herr Bundeskanzler auch hier in den Ausfüh­rungen gesagt hat: Es müssen Maßnahmen gesetzt werden, damit Schuldige schneller bestraft werden und Unschuldigen nicht zu lange Unrechtes vorgeworfen wird, wodurch diese, und dagegen kann man nichts sagen - - (Bundesrat Spanring: ... wenn’s euch betrifft! Bei allen anderen ist es euch wurscht!) – Ja, ich nehme an, dass du auch willst, dass Schuldige bestraft werden und Unschuldige möglichst rasch von diesen Ver­fahren befreit werden, insbesondere dann, wenn es nachteilige Folgen für das Privat- und für das Berufsleben hat.

Was war der dritte Teil, den der Herr Bundeskanzler angesprochen hat? – Na ja, es war das Thema, wie immer in Politikbereichen, dass es auch einen Treibstoff braucht, um einen Rechtsstaat zu erhalten und vieles zu ermöglichen, was wir zum Besseren, für eine positive Entwicklung unternehmen wollen. Dafür braucht es zusätzliches Geld, und auch das wurde durch diesen runden Tisch möglich gemacht. Dafür bedanke ich mich außerordentlich. Das wird uns helfen, die Rechtsstaatlichkeit und den Rechts­frieden in Österreich weiterhin aufrechtzuerhalten und auszubauen. (Beifall bei der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, das war schon beeindruckend, wie Herr Bundeskanzler Sebastian Kurz in der ihm eigenen Art und Kompetenz heute diese Fragen beantwortet hat. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Beeindruckend! Ich bin immer noch fix und fertig!) – Ja, es war beeindruckend. Ja, lieber Kollege Steiner (Bundesrat Steiner: Er ist wie eine Galionsfigur, unglaublich!), ich weiß nicht, ob du die Möglichkeit gehabt hast: Der Herr Bundeskanzler hat sich ja auch in der ORF-Sendung „ZIB 2“ den Fragen des Herrn Wolf gestellt und dort genauso kompetent geantwortet. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Wenn du mit Menschen danach geredet hättest - - (Bundesrat Steiner: Hab’ ich!) – Offenkundig hat das nicht stattgefunden. Diese haben dann gesagt: Das ist genau ein Bundeskanzler, wie wir ihn uns wünschen, und deswegen haben wir ihn auch gewählt! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ist denn von der heutigen Dringlichen Anfrage der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion übrig geblieben? (Bundesrätin Schumann: Dass sie nicht beantwortet wurde!) Was ist denn übrig geblieben? (Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Übrig geblieben ist (Bundesrätin Hahn: Keine einzige Ant­wort!), und ihr wisst, das ist im Leben - - (Bundesrätin Hahn: Keine einzige Antwort!) – Ich verstehe schon die Aufregung: Wenn man etwas groß ankündigt und es kommt


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 131

hinterher nichts raus, dann ist das immer problematisch. Was aber ist tatsächlich übrig geblieben? (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Übrig geblieben ist – und da wart ihr selbst überrascht, weil ja auch jede eurer Rednerinnen und jeder eurer Redner diesen Punkt angesprochen hat –, dass es halt auch Vermerke, offenkundig auch Protokolle aus einem „Kurier“-Zeitungsartikel gibt. Wir wissen, dass die Sozialdemo­kratie an der Justiz durchaus nicht nur ganz hehre Interessen hat, sondern durchaus auch macht- und parteipolitische. Das stört mich nicht (Bundesrätin Schumann: ... zehn Jahre ÖVP!), nein, aber zeigt nicht mit dem Finger auf andere, und denkt immer daran: Drei Finger zeigen dann nämlich zurück. – Alles Gute. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Steiner.)

16.57


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile ihm das Wort. (Bundesrat Rösch: Christoph, friedlich bleiben!)


16.58.03

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Kanzler! Frau Ministerin! Liebe Zuseher hier und zu Hause! Kollegen Bundesräte! Ja, Herr Kol­lege Buchmann, ich bin ja immer noch ganz beeindruckt von Ihrem Aufguss der nicht beantworteten Fragen durch Herrn Kurz, aber sei’s drum.

Jetzt ist es halt passiert, dem Erfinder der Messagecontrol ist bewusst oder unbe­wusst – das will ich gar nicht werten, Herr Kanzler – herausgerutscht, dass es in Öster­reich Journalisten gibt, die, bevor der Beklagte von seinem Glück erfährt, schon alles in die Öffentlichkeit spielen und dort breittreten. – Na, was für eine Überraschung! Ich könnte hier unzählige Beispiele aus der Vergangenheit nennen, wo dies passiert ist. (Bundeskanzler Kurz: Ja, was?) Ich kenne auch mehrere Beispiele und ein ganz besonderes Beispiel – Herr Kurz, ich glaube, der ist Ihnen auch nicht unbekannt – ist der ehemalige Finanzminister, Herr Grasser, der immer noch als Beschuldigter geführt wird.

Nur hat es dieses Mal halt Personen aus der ÖVP-Klientel erwischt, und dies gleicht natürlich einer Majestätsbeleidigung, denn wo kommen wir denn da hin, wenn über Personen der ÖVP im öffentlichen Leben diskutiert wird? Genau aus diesem und keinem anderen Grund sind wir heute hier: um über eine wirklich – hoffentlich – unabhängige Justiz in Österreich zu diskutieren.

Wer öffentlich die Behauptung aufstellt, dass es Journalisten gibt, die immer wieder Infos aus der Justiz bekommen, muss auch damit rechnen, dass er diese Behaup­tungen dann unter Wahrheitspflicht und mit Daten und Namen wird beweisen müs­sen – ganz einfach. Und Sie, Herr Kanzler, werden wohl früher, als Ihnen wahrschein­lich lieb ist, diesen Wahrheitsbeweis antreten müssen.

Hoffentlich lässt sich aber die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft nicht von Ihren Statements beeinflussen, in denen man deutlich einen Unterton heraushört, der unterschwellig ausrichten lässt: Wehe, ihr beginnt zu ermitteln und ladet mich dann auch noch als Zeugen vor! Dies wird dann der Beweis sein, wie es wirklich um unsere unabhängige Justiz in Österreich steht.

Doch ich vermute, das ist leider nur die Spitze des Eisbergs, denn wie in den letzten Wochen und Monaten immer mehr durchsickert, gibt es wohl einen ganzen schwarzen Netzwerkestaat im Staat. Man kennt dies natürlich von der Gemeindeebene, auch auf Landesebene, wo die pechschwarzen Erfüllungsgehilfen Ihrer Sonnenkönige auf allen Ebenen des Landes und der Gemeinde ihre Spielchen treiben. (Bundesrat Schennach: Der Bader lässt das durchgehen?!) Nun aber fliegen diese Spielchen auch auf Bundes-


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 132

ebene auf, und es wird wohl noch eine dickere türkise Lackschicht brauchen – viel­leicht jetzt mit ein paar grünen Tupfen –, um diese ÖVP-Skandale zu verdecken. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Eigentlich ist es ja wirklich befremdlich, ja, eigentlich schockierend, was man für den eigenen Machterhalt alles in Kauf nimmt. Da lädt der Herr ÖVP-Sektionschef im Justiz­ministerium die Herren Rothensteiner und den ehemaligen Vizekanzler Pröll mitten im Verfahren zu ihm ins Ministerium ein. Dann fliegt dieses Tête-à-Tête auf und man will den Bürgern weismachen, dass dies nur ein Kaffeeklatsch unter ÖVP-Parteisoldaten war, und man hat wohl nur über das Wetter geredet. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Hier fragt man sich dann zu Recht, inwieweit die grüne Justizministerin ihr Haus im Griff hat. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Man kann den Bürgern viel erzählen, aber eines sollte man nicht tun, nämlich jene Bürger, die einen ins Amt gewählt haben, dann als Dank für blöd verkaufen. Natürlich ist es in diesem Gespräch um die Causa Casinos gegangen und nicht um ein Hühner­auge des ehemaligen Vizekanzlers Pröll, denn wie wir alle wissen, geht es schon längst nicht mehr um eine ehrliche Aufarbeitung dieser Causa, sondern es geht nur noch darum, wie die ÖVP ihren schwarzen Kopf nun aus der Schlinge kriegt, um noch über viele Jahre in diesem Staat ihre Macht einzementieren zu können. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man in der Zeit nämlich ein wenig zurückschaut, sieht man, die ÖVP war bei jedem Skandal in dieser Republik mittendrin statt nur dabei. Allerdings konnte man sich immer wieder herauswinden, denn irgendwo fand sich dann schon das passende Bauernopfer, dem man seinen hauseigenen Skandal hat umhängen können. In der „ZIB 2“ am Montag – das war ja ganz interessant – sah man dann deutlich: Wenn Ihnen der Schwarze Peter abhandenkommt, kommen Sie ganz nett ins Straucheln. Da flüchteten Sie sich von einer Ausrede zur nächsten Ausflucht, und da wurde deutlich, welches Spiel Sie wieder zu spielen versuchen: Zuerst zündeln wir ein wenig und ein bisschen später stellen wir uns hin und spielen die große Feuerwehr.


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Kollege Steiner! Ich denke, die Wort­wahl sollten Sie schön langsam überdenken: zündeln, Hühnerauge. Ich bitte Sie, sich zu mäßigen, sonst muss ich Ihnen einen Ordnungsruf erteilen.


Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Frau Präsidentin, ich werde meine Wort­wahl nicht ändern!

Bis heute hat das ja ganz gut funktioniert, nur fehlt euch dieses Mal das Bauernopfer, denn für diesen Skandal, Herr Kurz, sind ganz alleine Sie verantwortlich.

Ein wenig schmunzeln musste ich bei den Artikeln, die in einer Tageszeitung über Sie geschrieben wurden – auch heute haben Sie es wieder gesagt –, in denen Sie mit der Aussage zitiert wurden, dass die Staatsanwälte aus der Parteizentrale der SPÖ ge­steuert würden. Jetzt bin ich nicht der Verteidiger der SPÖ, ihr wisst das (Rufe bei der SPÖ: Na geh!), aber eines, Herr Kurz, kann ich Ihnen beruhigt sagen: Die Partei­zen­trale der SPÖ ist nicht in der Lage, die eigene Partei zu steuern, geschweige denn irgendwelche Staatsanwälte. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Seeber: Da bin ich mir nicht so sicher! Wieso schwenkst denn zur SPÖ rüber? – Bundeskanzler Kurz: Aber vor 20 Jahren!)

Auch Ihre Forderung nach mehr Finanzmitteln für die Justiz ist wohl wieder nur eine türkise Schmähpartie, denn Ihre Partei stellt seit 18 Jahren den Finanzminister und seit 17 Jahren den Justizminister. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach. – Bundes­rätin Mühlwerth: Die SPÖ war schon auch in der Regierung!) Dann muss ich mich wirklich fragen, Herr Kurz: Wer um Gottes willen hat euch daran gehindert, die Justiz


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 133

endlich auf ordentliche finanzielle Beine zu stellen? Für den Zustand der Justiz tragen einzig und allein Sie und die ÖVP die Verantwortung! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Eines wird wohl auf ewig ungeklärt bleiben – man sucht vergebens, man kann es gar nicht glauben, man findet keine Erklärung –: Sind sie die ersten Opfer der Klimakrise, als wären sie vom Erdboden verschluckt, wo sind die Umweltfighter, die Transparenz­fighter, die Korruptionsjäger, wo sind die Grünen? Ich hoffe nicht, dass ihr euch am Futtertrog der Macht nun endgültig die Sprache habt verschlagen lassen. Man kann nur hoffen, dass sich die Grünen wieder besinnen und nicht mit dem Gedanken spielen, eine Schicht Ökogras über die Sache wachsen zu lassen, denn wir wissen aus der Vergangenheit: Grüne und Gras sind keine gute Kombination (Heiterkeit der Bun­desrätin Steiner-Wieser), zumindest nicht, wenn man in einer Regierung sitzt und einen Staat zu führen hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Hier machen sich die Grünen – allen voran ihre Justizministerin – zum billigen Erfül­lungsgehilfen der ÖVP-Netzwerke und führen sich damit endgültig ad absurdum. Mir ist schon klar, dass alles, was man gegen den Sonnenkönig Kurz sagt, knapp an Majes­täts­beleidigung herankommt, zumindest, wie man es heute wieder deutlich gesehen hat, laut dem ÖVP-Huldigungsverein. Versteht mich nicht falsch, ich gönne euch euren Sonnenkönig, es ist allerdings Vorsicht geboten. (Bundesrat Seeber: So einen hättet ihr auch gerne, gell? – Bundesrat Raggl: Auf Ibiza!)

Allerdings ist Vorsicht geboten, denn dem Sonnenkönig Ludwig in Frankreich stieg in der zweiten Hälfte seiner Regentschaft der Erfolg zu Kopf. (Bundesrat Seeber: Märchen­stunde, Christoph! Märchenstunde!) Er wurde eitel und stolz, und diese Einstellung ruinierte nicht nur seinen eigenen Charakter, sondern das ganze Land. Ich hoffe nicht, dass Ihnen und unserem Land das gleiche Schicksal blüht. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ. – Bundesrat Bader: Eurer ist in Ibiza!)

17.07


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

17.07.53Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Es liegt mir das schriftliche Verlan­gen von fünf Mitgliedern des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 4 zu verlesen, damit dieser Teil des Amtlichen Protokolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt.

Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr den entsprechenden Teil des Amt­lichen Protokolls:

„TO-Punkt 4: Wahl von Ausschüssen

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Karl Bader, Korinna Schumann, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen (Beilage 4/1) vor, gemäß § 13 Abs. 2 GO-BR folgende Ausschüsse neu zu wählen:

Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz des Bundesrates

Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des Bundesrates

Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen des Bundesrates

EU-Ausschuss des Bundesrates


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 134

Ausschuss für Familie und Jugend des Bundesrates

Finanzausschuss des Bundesrates

Geschäftsordnungsausschuss des Bundesrates

Gesundheitsausschuss des Bundesrates

Gleichbehandlungsausschuss des Bundesrates

Ausschuss für innere Angelegenheiten des Bundesrates

Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft

Justizausschuss des Bundesrates

Kinderrechteausschuss des Bundesrates

Landesverteidigungsausschuss des Bundesrates

Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft des Bundesrates

Ausschuss für Sportangelegenheiten des Bundesrates

Ausschuss für Tourismus, Kunst und Kultur des Bundesrates

Umweltausschuss des Bundesrates

Unterrichtsausschuss des Bundesrates

Unvereinbarkeitsausschuss des Bundesrates

Ausschuss für Verfassung und Föderalismus des Bundesrates

Ausschuss für Verkehr des Bundesrates

Wirtschaftsausschuss des Bundesrates

Ausschuss für Wissenschaft und Forschung des Bundesrates

Und zwar mit jeweils 14 Mitgliedern und Ersatzmitgliedern, wobei jeweils 5 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die ÖVP, 5 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die SPÖ, 3 Mit­glieder und Ersatzmitglieder auf die FPÖ sowie 1 Mitglied und Ersatzmitglied auf die Grünen entfallen.

Abstimmung:

Der gegenständliche Antrag auf Wahl der genannten Ausschüsse wird mit Stimmen­einhelligkeit angenommen.

Die vorher genannten Ausschüsse sind somit gemäß § 13 Abs. 1 GO-BR neu gewählt.

Im Sinne des § 13 Abs. 3 GO-BR sind die von den Fraktionen auf sie entfallenden Aus­schussmitglieder und Ersatzmitglieder schriftlich namhaft zu machen und diese gelten damit als gewählt.“

*****

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieses Teiles des Amtlichen Protokolls? – Das ist nicht der Fall.


BundesratStenographisches Protokoll901. Sitzung, 901. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2020 / Seite 135

Das Amtliche Protokoll gilt daher hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 4 gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates mit Schluss dieser Sitzung als ge­nehmigt.

17.11.03Einlauf und Zuweisung


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 22 Anfragen eingebracht wurden.

Eingelangt ist der Entschließungsantrag 271/A(E)-BR/2020 der Bundesräte Mag. Rein­hard Pisec, BA MA, Mag. Bernd Saurer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „staats­vertragliche Verpflichtung des Bundes für das Weltkulturerbe ‚historisches Zentrum der Stadt Wien‘“, der dem Ausschuss für Tourismus, Kunst und Kultur zugewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 12. März 2020, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 10. März 2020, 14 Uhr, vorge­se­hen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

17.12.09Schluss der Sitzung: 17.12 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien