Stenographisches Protokoll

49. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Freitag, 29. November 1996

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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49. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Freitag, 29. November 1996

Dauer der Sitzung

Freitag, 29. November 1996: 9.00 Uhr – 21.46 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: 2. Sozialrechts-Änderungsgesetz 1996 – 2. SRÄG 1996

2. Punkt: Bericht über den Antrag 283/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Anwendung der 80 % Wahlarztregelung auch auf Physiotherapeuten und drei andere Medizinisch-Technische Dienste (MTDs)

3. Punkt: Bericht über den Antrag 304/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Herausnahme der Leistungen der Medizinisch-Technischen Dienste aus der 80 % Wahlarztregelung im § 131 Abs. 1 ASVG

4. Punkt: Bericht über den Antrag 307/A der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsruhegesetz geändert wird

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Betriebspensionsgesetz (BPG), das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG), das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Arbeitsverfassungsgesetz geändert werden

7. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Schweden über Soziale Sicherheit

8. Punkt: Erste Lesung des Antrages 264/A der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

9. Punkt: Erste Lesung des Antrages 265/A der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz geändert wird (KAG-Novelle 1996)

11. Punkt: Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1984 geändert wird


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49. Sitzung / Seite 2

13. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1997 bis 2000 und Petition Nr. 12 betreffend "Erhaltung der Akutversorgung im Krankenhaus Waiern", überreicht von den Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Edeltraud Gatterer und Georg Wurmitzer

14. Punkt: Bericht über den Antrag 60/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Verbesserung des Gesundheitsberichtswesens

15. Punkt: Bericht über den Antrag 243/A (E) der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend Verwendung internationaler ICD- und ICPM-Kataloge im Rahmen des LKF-Systems

16. Punkt: Bericht über den Antrag 319/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Erhaltung des Krankenhauses Sierning in seiner derzeitigen Form

17. Punkt: Bericht über den Antrag 323/A (E) der Abgeordneten Dr. Stefan Salzl und Genossen betreffend Fütterungsverbot für Tier- und Knochenmehl aus TKV-Anlagen mit niedrigem Hygienestandard

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 12

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen, dem Unterrichtsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 158/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985 geändert wird, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 10. Dezember 1996 zu setzen 34

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 207

Antrag der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt, MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 275/A (E) betreffend Anfechtung der Kärntner Landtagswahlordnung beim Verfassungsgerichtshof gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 15. Jänner 1997 zu setzen 34

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 34

Redner:

Mag. Dr. Heide Schmidt 150

Mag. Walter Posch 152

Georg Wurmitzer 153

Mag. Herbert Haupt 154

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 155

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 156

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 35


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49. Sitzung / Seite 3

Unterbrechungen der Sitzung 103, 200

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung 199

Fragestunde (9.)

Land- und Forstwirtschaft 12

Ing. Mathias Reichhold (70/M); Josef Schrefel

Heinz Gradwohl (65/M); Ing. Mathias Reichhold, Johann Kurzbauer, Andreas Wabl, Mag. Thomas Barmüller

Mag. Thomas Barmüller (69/M); Marianne Hagenhofer, Franz Koller, Katharina Horngacher, Andreas Wabl

Georg Schwarzenberger (59/M); Andreas Wabl, Mag. Thomas Barmüller, Arnold Grabner, Dr. Stefan Salzl

Andreas Wabl (72/M); Mag. Thomas Barmüller, Emmerich Schwemlein, Anna Elisabeth Aumayr, Johannes Zweytick

Anna Elisabeth Aumayr (71/M); Karl Freund, Mag. Thomas Barmüller, Georg Oberhaidinger

Rainer Wimmer (66/M); Ing. Mathias Reichhold, Johann Schuster, Andreas Wabl, Mag. Thomas Barmüller

Jakob Auer (60/M); Mag. Thomas Barmüller, Andreas Wabl, Otmar Brix, Robert Wenitsch

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 12

Rechnungshof

Verlangen gemäß § 32e Abs. 2 der Geschäftsordnung betreffend Prüfung aller Kompensationsgeschäfte im Zuge von Beschaffungen des Bundesheeres ab dem Zeitpunkt 1. Jänner 1983 durch den Ständigen Unterausschuß des Rechnungshofausschusses 189

Ausschüsse

Zuweisungen 32, 99, 103

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Steuern senken – Arbeit schaffen (1554/J) 104

Begründung: Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn 112

Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky 117

Debatte:

Mag. Erich L. Schreiner 122

Dr. Josef Cap 124

Peter Rosenstingl (tatsächliche Berichtigung) 127

Dr. Gottfried Feurstein 127

Mag. Helmut Peter 129


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49. Sitzung / Seite 4

Dr. Alexander Van der Bellen 132

Mag. Herbert Haupt 134

Mag. Herbert Kaufmann 136

Ingrid Tichy-Schreder 138

Karl Öllinger 140

Sigisbert Dolinschek 143

Helmut Dietachmayr 144

Mag. Franz Steindl 146

Mag. Gilbert Trattner (tatsächliche Berichtigung) 148

Mag. Gilbert Trattner 148

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend Kontrolle des ÖGB – Ablehnung 135, 149

Entschließungsantrag der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Genossen betreffend Schaffung von Ausbildungsplätzen bei den Gebietskörperschaften – Ablehnung 144, 149

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (394 d. B.): 2. Sozialrechts-Änderungsgesetz 1996 – 2. SRÄG 1996 (465 d. B.) 35

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 283/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Anwendung der 80 % Wahlarztregelung auch auf Physiotherapeuten und drei andere Medizinisch-Technische Dienste (MTDs) (466 d. B.) 35

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 304/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Herausnahme der Leistungen der Medizinisch-Technischen Dienste aus der 80 % Wahlarztregelung im § 131 Abs. 1 ASVG (467 d. B.) 35

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 307/A der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (468 d. B.) 35

Redner:

Mag. Herbert Haupt 35

Annemarie Reitsamer 38

Dr. Volker Kier 41

Dr. Gottfried Feurstein 45

Karl Öllinger 48

Bundesminister Franz Hums 53, 60, 69

Dr. Elisabeth Pittermann 56

Sigisbert Dolinschek 57

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 59

Theresia Haidlmayr 61

Winfried Seidinger 62

Dr. Alois Pumberger 64

Karl Donabauer 69, 73

Mag. Walter Guggenberger 71

Dr. Alois Pumberger (tatsächliche Berichtigung) 72

Annahme des Gesetzentwurfes in 465 d. B. 73


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49. Sitzung / Seite 5

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 465 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend die Schaffung von Voraussetzungen für die Einführung einer Chipkarte im Rahmen der Bundeskompetenzen des Bundesministers für Arbeit und Soziales (E 33) 75

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 466, 467 und 468 d. B. 76

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Arbeitslosenversicherungsrecht – Ablehnung 51, 75

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend besondere Eingliederungshilfe/Änderung des Arbeitsmarktservicegesetzes – Ablehnung 52, 75

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Chipkarte – Ablehnung 61, 75

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (374 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsruhegesetz geändert wird (469 d. B.) 76

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (387 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Betriebspensionsgesetz (BPG), das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG), das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Arbeitsverfassungsgesetz geändert werden (470 d. B.) 76

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (320 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Schweden über Soziale Sicherheit (471 d. B.) 76


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49. Sitzung / Seite 6

Redner:

Dr. Volker Kier 76

Dr. Ilse Mertel 78

Karl Öllinger 80

Ridi Steibl 82

Mag. Helmut Peter 83

Sigisbert Dolinschek 86

Sophie Bauer 88

Mag. Dr. Josef Trinkl 89

Bundesminister Franz Hums 90, 95

Josef Meisinger 90

Karl Freund 92

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 93

Helmut Haigermoser 94

Mag. Herbert Haupt 95

Annahme der Gesetzentwürfe in 469 und 470 d. B. 96

Genehmigung des Staatsvertrages in 471 d. B. 96

8. Punkt: Erste Lesung des Antrages 264/A der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird 96

Redner:

Mag. Herbert Haupt 96

Manfred Lackner 97

Dr. Gottfried Feurstein 98

Dr. Volker Kier 99

Zuweisung des Antrages 264/A an den Ausschuß für Arbeit und Soziales 99

9. Punkt: Erste Lesung des Antrages 265/A der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird 100

Redner:

Edith Haller 100

Heidrun Silhavy 101

Rosemarie Bauer 101

Klara Motter 102

Karl Öllinger 103

Zuweisung des Antrages 265/A an den Ausschuß für Arbeit und Soziales 103

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (379 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz geändert wird (KAG-Novelle 1996) (429 d. B.) 157

11. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (380 d. B.): Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen (430 d. B.) 157

12. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (381 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1984 geändert wird (431 d. B.) 157

13. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (382 d. B.): Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1997 bis 2000 und die Petition Nr. 12 betreffend "Erhaltung der Akutversorgung im Krankenhaus Waiern", überreicht von den Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Edeltraud Gatterer und Georg Wurmitzer (432 d. B.) 157

14. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 60/A (E) der Abgeordneten


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49. Sitzung / Seite 7

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Verbesserung des Gesundheitsberichtswesens (433 d. B.) 157

15. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 243/A (E) der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend Verwendung internationaler ICD- und ICPM-Kataloge im Rahmen des LKF-Systems (434 d. B.) 157

16. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 319/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Erhaltung des Krankenhauses Sierning in seiner derzeitigen Form (435 d. B.) 157

Redner:

Dr. Brigitte Povysil 158

Mag. Walter Guggenberger 162

Klara Motter 164

Dr. Günther Leiner 168

Theresia Haidlmayr 170

Heidemaria Onodi 173

Dr. Alois Pumberger 175

Dr. Günther Leiner (tatsächliche Berichtigung) 178

Dr. Erwin Rasinger 178

Dr. Martina Gredler 180

Manfred Lackner 182

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 184

Georg Wurmitzer 186

Elfriede Madl 187

Hannelore Buder 189

Mag. Herbert Haupt 190

Verena Dunst 192

Ing. Erwin Kaipel 193

Dr. Elisabeth Pittermann 194

Dr. Stefan Salzl 195

Mag. Johann Maier 196

Bundesministerin Dr. Christa Krammer 197

Annahme der Gesetzentwürfe in 429 (namentliche Abstimmung), 430 und 431 d. B. 199

Genehmigung der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG 204

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 433, 434 und 435 d. B. 204

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger und Genossen betreffend Krankenanstaltenfinanzierung: Kostenbeitrag der Krankenversicherungsträger – Ablehnung 178, 204

17. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 323/A (E) der Abgeordneten Dr. Stefan Salzl und Genossen betreffend Fütterungsverbot für Tier- und Knochenmehl aus TKV-Anlagen mit niedrigem Hygienestandard (436 d. B.) 204

Redner:

Dr. Stefan Salzl 205

Andreas Wabl 206

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 436 d. B. 207

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 436 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend geeignete Maßnahmen für ein generelles Verbot der Inverkehrbringung und Verfütterung von Tier- und Knochenmehl, das nicht auf Basis der strengen österreichischen Hygiene- und Kontrollbestimmungen oder zumindest gleichwertiger Standards hergestellt wird (E 34) 207

Eingebracht wurden

Petition 32

Petition betreffend "Das österreichische Tiertransportgesetz muß bleiben!" (Ordnungsnummer 19) (überreicht von der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic )

Regierungsvorlagen 32

412: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über Gleichwertigkeiten im Bereich der Reifezeugnisse und des Hochschulwesens samt Anlagen


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49. Sitzung / Seite 8

437: Änderungen zum Übereinkommen über internationale Beförderungen leicht verderblicher Lebensmittel und über die besonderen Beförderungsmittel, die für diese Beförderung zu verwenden sind (ATP)

496: Protokoll über den Beitritt der Regierung der Republik Österreich zu dem Übereinkommen von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der BENELUX-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, in der Fassung der Protokolle vom 27. November 1990, 25. Juni 1991 und 6. November 1992 über den jeweiligen Beitritt der Regierungen der Italienischen Republik, des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik sowie der Griechischen Republik

501: Übereinkommen über den Beitritt der Regierung der Republik Österreich zu dem am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der BENELUX-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, dem die Italienische Republik, das Königreich Spanien und die Portugiesische Republik sowie die Griechische Republik jeweils mit dem Übereinkommen vom 27. November 1990, vom 25. Juni 1991 und vom 6. November 1992 beigetreten sind samt Schlußakte, Erklärung der Minister und Staatssekretäre sowie Erklärungen der Republik Österreich

503: Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG)

Bericht 33

III-60: Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes über das Verwaltungsjahr 1995

Anträge der Abgeordneten

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch und Genossen betreffend Entwicklung eines Modells zur Studienfinanzierung (337/A) (E)

Karl Öllinger und Genossen betreffend besondere Eingliederungshilfe/Änderung des Arbeitsmarktservicegesetzes (338/A) (E)

Karl Öllinger und Genossen betreffend Arbeitslosenversicherungsrecht (339/A) (E)

Karl Öllinger und Genossen betreffend Pflegefreistellung – Urlaubsgesetz § 16 (340/A)

Karl Öllinger und Genossen betreffend Chipkarte (341/A) (E)

Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (342/A)

Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Geltungsdauer der Bestimmungen des Bezügegesetzes und des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 über die Nichterhöhung von Bezügen verlängert wird (343/A)

Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über wirtschaftliche und soziale Rechte (344/A)


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49. Sitzung / Seite 9

Anfragen der Abgeordneten

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Steuern senken – Arbeit schaffen (1554/J)

Verena Dunst und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend den Studienversuch "Ernährungswissenschaften" (1555/J)

Karl Gerfried Müller und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend unübersichtliche Auflistung von Spesen und Gebühren auf Girokonten bei Banken (1556/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Creutzfeldt-Jakob-Syndrom (1557/J)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend das Bundesgesetz vom 16. Mai 1986, mit dem das Glücksspielgesetz, das Bundes-Sportförderungsgesetz, das Gebührengesetz und das Umsatzsteuergesetz geändert wurden (1558/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Lärmschutz (1559/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Waffenimitationen – Pumpguns (1560/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Waffenimitationen – Pumpguns (1561/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend geplante Gedenkstätte "Feliferhof" (1562/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Friedensprozeß in El Salvador (1563/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Resozialisierung verurteilter NationalsozialistInnen (1564/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Einstellungen von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung (1565/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Nachkauf von Pensionszeiten (1566/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Bericht über die soziale Lage (1567/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Kosten für Krankenstandsbestätigungen (1568/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Pflegefreistellung (1569/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Minipensionen (1570/J)

Klara Motter und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Psy-3-Verträge zwischen Salzburger Gebietskrankenkasse und Ärztekammer (1571/J)


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49. Sitzung / Seite 10

Edith Haller und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Softguns im Spielzeughandel (1572/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Versetzung eines Personalvertreters der Erzherzog-Johann-Kaserne im Zuge der "Heeresgliederung-Neu" (1573/J)

Verena Dunst und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend berufliche Qualifikation der Absolventen des Studienversuches "Ernährungswissenschaft" (1574/J)

Verena Dunst und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Umwandlung des Anlernvertrages an einer Zahnklinik in einen Lehrvertrag (1575/J)

Franz Kampichler und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Patentanmeldung in Österreich (1576/J)

Dr. Michael Krüger und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Renovierungsarbeiten des Ministerbüros (1577/J)

Dr. Michael Krüger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend die Bestellung von Paul Andreas Mailath-Pokorny als Bundeskurator für den Kunstbereich (1578/J)

Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen an den Bundeskanzler betreffend nicht EU-konforme Subventionierung von Profisportvereinen (1579/J)

Peter Rosenstingl und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Werbung für die Autobahnvignette (1580/J)

Elfriede Madl und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Ideologisierung eines Schüleraufsatzes und deren Konsequenzen (1581/J)

Elfriede Madl und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Renovierung des REHA Bad Schallerbach (1582/J)

Elfriede Madl und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Renovierung des REHA Bad Schallerbach (1583/J)

Ing. Mathias Reichhold und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Frühvermarktungsprämie (1584/J)

Peter Rosenstingl und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend die österreichischen Donauhäfen (1585/J)


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49. Sitzung / Seite 11

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Beschaffungswesen (1586/J)

Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einschränkungen im Flugrettungswesen (1587/J)

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Forschungsgesellschaft Seibersdorf GesmbH, Bundesforschungs- und Prüfzentrum Arsenal und die geplante Fusion (1588/J)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Vorkommnisse bei der DDSG (1589/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Regiekartenvergabe der Bundestheater (1590/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend "Sonstiger Aufwand" (1591/J)

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Teilstück der S 6, Lückenschluß Mürzzuschlag – Schottwien (1592/J)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Werbesteuern (1593/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Justizanstalt Floridsdorf (1594/J)

Elfriede Madl und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend finanzielle Gleichstellung der Fahrtkosten zwischen Heimschülern und Fahrschülern (1595/J)

Dr. Michael Krüger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend das Fehlen von 570 000 S aus der Fred-Adlmüller-Stipendienstiftung (1596/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Jakob Auer und Genossen (1280/AB zu 1334/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (1281/AB zu 1370/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (1282/AB zu 1298/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Haigermoser und Genossen (1283/AB zu 1299/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (1284/AB zu 1297/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (1285/AB zu 1296/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (1286AB zu 1283/J)


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49. Sitzung / Seite 12

Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

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Präsident Dr. Heinrich Neisser: Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 49. Sitzung des Nationalrates.

Das Amtliche Protokoll der 47. Sitzung vom 27. November 1996 ist in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Für den heutigen Sitzungstag sind folgende Abgeordnete als verhindert gemeldet: Dr. Preisinger, Dr. Haselsteiner, Verzetnitsch, Dkfm. Holger Bauer und Mag. Frieser.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Entschließungen des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel wird durch Bundesminister Dr. Martin Bartenstein vertreten, Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem durch Bundesministerin Dr. Helga Konrad, Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek durch Bundesminister Franz Hums und Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Johann Farnleitner durch Bundesminister Dr. Werner Fasslabend.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nun zur Fragestunde, die mündliche Anfragen an den Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft zum Gegenstand hat.

Ich beginne jetzt – um 9.02 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich rufe zunächst einmal die erste Anfrage, 70/M, des Abgeordneten Ing. Reichhold auf. Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, die Frage zu formulieren.

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Mir liegen Beschwerden österreichischer Rinder- und Kälbermäster vor, die massive ... (Rufe: Anfrage!)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Sie müssen nach der Geschäftsordnung jetzt den Text Ihrer mündlichen Anfrage vorlesen – 70/M. – Bitte.

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (fortsetzend): Meine Frage lautet:

70/M

Wie hoch beziffern Sie die finanziellen Einbußen, die unseren Kälbermästern daraus entstehen, daß in Österreich das für Kälber europaweit niedrigste Schlachtgewicht von nur 82 kg vorgeschrieben wird?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Bundesminister, ich bitte um die Beantwortung.


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49. Sitzung / Seite 13

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer:
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte die Frage des Abgeordneten Reichhold, ob unseren Kälbermästern ein Schaden durch das festgesetzte Schlachtgewicht von 82 Kilogramm entsteht, mit einem klaren Nein beantworten und das auch begründen.

Die Festlegung von Höchstgewichtsgrenzen für diese neuen Förderungsmaßnahmen hatte das Ziel, gesamthaft und EU-weit eine Entlastung des Kälber- und Rindermarktes zu bewirken. In dem Sinn war es erforderlich, daß in jedem – in jedem! – Mitgliedstaat die Schlachtgewichte der Kälber zu reduzieren waren. Ein EU-einheitliches Durchschnittsgewicht hätte zwar für Österreich ein höheres Schlachtgewicht bedeutet, aber es wäre dadurch das genannte Ziel der Marktentlastung glatt verfehlt worden.

Sie wissen auch, daß der Hintergrund dieser Frühvermarktungsprämie bei den Kälbern darin besteht, eine quantitative Entlastung des Rindermarktes einerseits zustande zu bringen und andererseits für das klassische Kalbfleisch wieder eine neue Marktchance zu finden.

Ich betone in besonderer Weise, daß es uns gelungen ist, bei dieser Frühvermarktungsprämie auch weibliche Kälber miteinzubeziehen – erstmals in der Geschichte der EU-Rindermarktordnung gibt es eine Maßnahme für weibliche Tiere. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Bundesminister.

Herr Abgeordneter Ing. Reichhold, eine Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Warum liegen dann auch bei Ihnen, wie ich diesem Schriftverkehr entnehme, Beschwerden von Kälbermästern und Verarbeitungsbetrieben vor, aus denen klar hervorgeht, daß ein Schlachtgewicht von 82 Kilogramm zu gering ist, um von den österreichischen Vermarktungs- und Handelsketten übernommen zu werden?

Warum stimmen Sie dieser Regelung zu, obwohl beispielsweise holländische Kälber ein Schlachtgewicht von 136 Kilogramm haben werden? Das wird zur Folge haben, daß österreichisches Kalbfleisch aus den Regalen verdrängt wird. Warum stimmen Sie einer derartigen Regelung zu, die österreichische Bauern und Produzenten benachteiligt und letztlich auch – indirekt – die österreichischen Konsumenten benachteiligt?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Bundesminister, ich bitte um die Antwort.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Erstens: Es gibt weder eine Benachteiligung der österreichischen Bauern noch der Konsumenten.

Zweitens: Auch in den Niederlanden mußte das Schlachtgewicht um 15 Prozent reduziert werden, um die Prämie in Anspruch nehmen zu können.

Drittens: Ich gehe davon aus, daß gerade in der Gastronomie der Wunsch nach speziellem Kalbfleisch so ausgeprägt ist, daß ein positiver Effekt auf dem Kalbfleischmarkt entsteht. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Zusatzfragen? – Herr Abgeordneter Schrefel, bitte.

Abgeordneter Josef Schrefel (ÖVP): Herr Bundesminister! (Abg. Ing. Reichhold: Eine Zusatzfrage, Herr Präsident!)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Reichhold! (Rufe bei der ÖVP: Der kennt sich nicht aus!) Entschuldigen Sie, Verzeihung! (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)


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49. Sitzung / Seite 14

Präsident Dr. Fischer hat am Beginn dieser Session darauf hingewiesen, daß wir eine Geschäftsordnungsreform gemacht haben, und hat auch über den neuen Ablauf der Fragestunde informiert.

Die Fragestunde ist in der Weise geändert worden, daß der eigentliche Fragesteller jetzt nur noch eine Zusatzfrage stellen kann. (Abg. Ing. Reichhold: Da sieht man, wie die Opposition entmachtet wird! – Abg. Dr. Khol: Das gilt für alle!)

Die Geschäftsordnung ist beschlossen worden, und ich bitte Sie, sich daran zu halten.

Es liegt jetzt eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Schrefel vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Josef Schrefel (ÖVP): Herr Bundesminister! Die österreichischen Rinderbauern begrüßen die Form der Frühvermarktungsprämie, die Sie als Alternative zur sogenannten Kälberverarbeitungsprämie ausverhandelt haben. (Abg. Ing. Reichhold: Eine Frage stellen! – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Wie hoch schätzen Sie die Anzahl der Milchmastkälber, die durch dieses Frühvermarktungsprogramm vorzeitig aus der Produktion genommen werden, ein?


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49. Sitzung / Seite 15

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Bitte, Herr Bundesminister, um die Antwort.


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Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer:
Herr Abgeordneter! Wir schätzen, daß für etwa zwischen 40 000 und 60 000 Kälber diese Prämie ausbezahlt werden wird, weil Angebot einerseits und Nachfrage andererseits etwa in der Größenordnung sind. Das ist also ein, wie gesagt, positiver Effekt für die österreichischen Rinder- und Kälbererzeuger.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Gibt es weitere Zusatzfragen? – Keine weitere Zusatzfrage.

Wir haben damit die erste Fragerunde beendet und kommen jetzt zum Aufruf der zweiten Anfrage. Es ist dies die Anfrage 65/M des Abgeordneten Gradwohl. – Herr Abgeordneter, ich ersuche Sie, die Anfrage zu formulieren.

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

65/M

Wann werden Sie die im Entschließungsantrag der Abgeordneten Schwarzenberger und Gradwohl, unterstützt von den Grünen und Liberalen, enthaltenen Vorschläge für Sockelbeträge und Obergrenzen im Rahmen der künftigen sozialen Staffelung bei den Agrarförderungen schriftlich vorlegen, um ausreichend Zeit für eine umfassende Diskussion und rasche Beschlußfassung zu garantieren?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Bundesminister, um die Antwort.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Wie Sie wissen, ist mit Entschließung des Nationalrates vom 3. Oktober festgehalten, daß Österreich darauf hinwirken wird, daß die EU bei der Konzeption der Agrarförderung wesentlich stärker als bisher soziale Kriterien berücksichtigen soll. In diesem Sinn wird sich Österreich auch bei der Weiterentwicklung der EU-Förderungsprogramme dafür einsetzen, insbesondere im Berggebiet, in den benachteiligten Gebieten sowie bei der biologischen Landwirtschaft Sockelbeträge zu ermöglichen und bei der Förderung großer Betriebe entweder die Effekte der Kostendegression zu berücksichtigen oder, wenn notwendig, bei einzelnen Maßnahmen Förderobergrenzen einzuziehen.

Der Nationalrat hat mich aufgefordert, bis Ende dieses Jahres, bis zum 31. Dezember dieses Jahres, die Vorschläge vorzulegen. Ich werde die Vorschläge selbstverständlich fristgerecht vorlegen – die Arbeiten sind mitten im Gang.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Bundesminister.

Herr Abgeordneter Gradwohl, eine Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Bundesminister! Wenn diese Vorschläge bis 31. Dezember vorgelegt werden, können Sie heute schon ausführen, in welcher Art diese Vorschläge gestaltet sein werden?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich habe schon bei der bisherigen Diskussion darauf hingewiesen, daß es bereits eine Reihe von Förderungsmaßnahmen in der Europäischen Union gibt, die in Österreich angewendet werden, bei denen derartige Grenzen vorgesehen sind, etwa bei der Ausgleichszulage und bei der Rindermastprämie mit der Obergrenze. Ich weise auch darauf hin, daß eine Reihe von Marktordnungsmaßnahmen, wie etwa die Quotenregelung bei Milch, einen derartigen dämpfenden Effekt der Konzentration gegenüber haben. Aus meiner Sicht haben wir auch im Bereich des Umweltprogramms durch den Beschluß des Nationalrates in diesem Sommer einen wesentlichen Schritt gesetzt.

Ich sehe den Hauptansatzpunkt bei der Diskussion über die Marktordnungsprämien der Europäischen Union – etwa im Getreidebereich –, und es ist davon auszugehen, daß darüber eine Diskussion, etwa beim Preispaket in der Europäischen Union, zu führen sein wird.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Zusatzfragen? – Herr Abgeordneter Ing. Reichhold, bitte.

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Wäre es nicht einleuchtender für den Steuerzahler, den Arbeitsplatz Bauernhof mittels eines Sockelbetrages zu sichern?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Sie wissen, daß die Ausgleichszahlungen, die in der Landwirtschaft gewährt werden, eine Reihe von Zielen verfolgen. Das Umweltprogramm etwa verfolgt das aus meiner Sicht richtige Ziel, flächendeckend zur Ökologisierung der Landwirtschaft beizutragen. Flächendeckend heißt, daß jedes Hektar wichtig ist, das in diesem Zusammenhang ökologischer bewirtschaftet wird.

Es gibt Maßnahmen, etwa zur Frage der Preisabgeltung, aus der Reform 1992. Da habe ich schon in der vorhergehenden Antwort darauf hingewiesen, wie ich dieses sehe, nämlich daß durchaus etwa die Effekte der Kostendegression zu berücksichtigen sind.

Es gibt sicher noch zusätzliche wichtige Maßnahmen zur Erhaltung der bäuerlichen Landwirtschaft, wie etwa die Ausgleichszulage, die auch auf die Bewirtschaftung abstellt, wie etwa die Maßnahmen der Rinderprämien, die auf die Bewirtschaftung abstellen. Und wie Sie wissen – davon gehe ich auch aus –, steckt hinter Bewirtschaftung Arbeitsleistung.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Eine weitere Zusatzfrage stellt Abgeordneter Kurzbauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Herr Bundesminister! Welche Auswirkungen hätte eine soziale Staffelung der Ausgleichszahlungen unter Anrechnung des außerlandwirtschaftlichen Einkommens für unsere vielen kleinen Nebenerwerbsbauern?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Die Berücksichtigung des außerlandwirtschaftlichen Einkommens bei der Vergabe von Förderungen würde dazu führen, daß ein wesentlicher Teil, insbesondere der kleineren Nebenerwerbsbetriebe, die Ausgleichszahlungen nicht oder nicht zur Gänze in Anspruch nehmen könnte.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Bundesminister.

Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte.

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Bundesminister! Bei welchen Förderungsmaßnahmen werden Sie bereits im Jahre 1997 eine soziale Staffelung durchführen?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Bundesminister, um die Antwort.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Wie Sie wissen, ist ein wesentlicher Teil der Förderungsmaßnahmen der Ausgleichszahlungen, die die österreichische Landwirtschaft bekommt, im Rahmen der Europäischen Union geregelt. Wesentliche Teile dieser Förderungsmaßnahmen basieren daher auf den Rechtsgrundlagen der Europäischen Union. Dort kann es nur Änderungen auf europäischer Ebene geben.

Es gibt im Bereich der alleinigen österreichischen Förderungsmaßnahmen, etwa beim nationalen Investitionsprogramm, sehr wohl Obergrenzen, und es werden Betriebsgrößeneffekte sehr wohl bereits jetzt berücksichtigt.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Unbestritten sind Förderungen wichtige Maßnahmen, aber welche Schritte werden Sie setzen, um unabhängig von der Ausgestaltung zukünftiger Agrarförderungen die Möglichkeiten der Bauern zur eigenverantwortlichen Einkommenssicherung zu verbessern?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich habe immer gesagt, daß mein Konzept einer bäuerlichen Einkommenspolitik aus vier Säulen besteht, wobei die erste Priorität darin liegt, daß die Bauern so viel wie möglich aus dem Verkauf ihrer Produkte erlösen sollen, um damit Einkommen schöpfen zu können. Zweitens sind Maßnahmen der Kostenentlastung und der betrieblichen Kostenreduktion etwa durch überbetriebliche Zusammenarbeit zu setzen. Drittens gibt es die Chance, neue Einkommensquellen zu finden, etwa im Bereich der kommunalen Dienstleistungen im ländlichen Raum, um nur ein Beispiel zu nennen. Und viertens sind natürlich und selbstverständlich die Ausgleichszahlungen zu erwähnen, die von der Einkommensseite her notwendig sind, die darüber hinaus aber auch berechtigt sind, weil dahinter die Leistungen der Bauern stehen.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Bundesminister.

Damit ist die zweite Anfrage beendet.

Wir kommen jetzt zur Anfrage Nr. 


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49. Sitzung / Seite 17

69/M, und ich bitte Herrn Abgeordneten Mag. Barmüller, diese Anfrage zu formulieren. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

69/M

Wie stehen Sie zum Erlaß des Wirtschaftsministers vom 5. September 1996, der festlegt, daß landwirtschaftliche Betriebe, die mehr als zehn Fremdenzimmer vermieten, als gewerbliche Unternehmen zu betrachten sind, wodurch die Einkommenschance "Urlaub am Bauernhof" massiv eingeschränkt wird?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Bundesminister, um die Antwort.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Zunächst ist festzustellen, daß sich die Grenze für Privatzimmervermietung auf die Bettenanzahl und nicht auf die Zimmeranzahl bezieht. Diese Grenze ist auch in dem angesprochenen Erlaß nicht abgeändert. Diese Grenze ist in der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle aus dem Jahre 1974 festgelegt.

In dem von Ihnen erwähnten Erlaß geht es generell um die Beurteilung, ob es sich bei der Vermietung von Ferienwohnung um Beherbergung oder bloße Überlassung von Wohnraum zum Gebrauch handelt. Es ist dabei festzustellen, daß es zur Existenzsicherung einer großen Anzahl von bäuerlichen Betrieben, etwa aus dem Verband "Urlaub am Bauernhof", den Wunsch gibt, diese Bettengrenze aufzustocken, und ich darf Ihnen aus einem Schreiben des Herrn Wirtschaftsministers zitieren. Es ist für ihn denkbar, die im Artikel 3 der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1974 für die Privatzimmervermietung festgesetzte Höchstgrenze von zehn Fremdenbetten zu verdoppeln. Das heißt, wir sind hier auf gutem Weg und werden in Verhandlungen diese Frage klären.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Mag. Barmüller, bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Es freut mich, daß man hier bereits auf einem guten Weg ist. Ist man auch auf einem guten Weg, die gewerberechtlichen Bestimmungen betreffend das Nebengewerbe der Bauern zu liberalisieren, beziehungsweise wird es auch Schritte geben, um den Bauern einen Einstieg in die Energieproduktion gerade auf der Basis Biogas, Biomasse zu erleichtern?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Wie Sie wissen, wird derzeit eine Gewerberechtsnovelle vorbereitet, die zeitgerecht dem Parlament zugeleitet wird. Im Rahmen dieser Verhandlungen ist ein wichtiger Gegenstand die klare Regelung bäuerlicher Nebengewerbe.

Zur Frage Energie aus Biomasse wissen Sie, daß das Landwirtschaftsministerium etwa diese Energieprojekte aus der Biomasse unterstützt, weil ich es für richtig halte, daß in der derzeit noch nicht gegebenen Wettbewerbssituation zu den fossilen Energieträgern diese Möglichkeiten auch durch ein derartiges Förderinstrumentarium ausgebaut werden.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke.

Weitere Zusatzfragen? – Frau Abgeordnete Hagenhofer, bitte.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Bundesminister! Zumindest in Oberösterreich ist ein wilder Streit zwischen der Wirtschaftskammer und den direkt vermarktenden Bauern aufgetreten. Das geht so weit, daß die Wirtschaftskammer den Bauern mit Anzeigen droht.

Wann werden Sie, Herr Landwirtschaftsminister, für die erfolgreichen und direkt vermarktenden Bauern endlich Rechtssicherheit schaffen?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Frau Abgeordnete! Ich habe schon gesagt, daß derzeit an einer Novelle des Gewerberechts gearbeitet wird, in der


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auch diese Frage geregelt werden soll. Nach mir vorliegenden Informationen des Herrn Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten plant er, im Dezember eine derartige Novelle zur Begutachtung auszusenden, damit im Parlament dann zeitgerecht im Laufe des ersten Quartals des nächsten Jahres darüber beraten werden kann.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Weitere Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Koller, bitte.

Abgeordneter Franz Koller (Freiheitliche): Herr Minister! Können Sie aufgrund der bisherigen Beratungen zur Gewerbeordnungsnovelle zwischen den Ressorts dafür garantieren, daß es zu keinen Schikanen der Direktvermarkter kommt?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Sie sprechen selbst davon, daß derzeit die Verhandlungen laufen. Es ist das Ziel dieser Verhandlungen, klare Regelungen für die bäuerlichen Direktvermarkter zu schaffen.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Horngacher.

Abgeordnete Katharina Horngacher (ÖVP): Viele Familien, vor allem Familien mit Kindern nützen gerne das Angebot der Ferienwohnungen am Bauernhof. Durch den neuen Erlaß ist es zu Schwierigkeiten gekommen.

Herr Minister! Bis wann können wir damit rechnen, daß dieses Problem bereinigt wird?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Frau Abgeordnete! Ich habe schon gesagt, daß es über diesen Erlaß Verhandlungen gibt, daß auch der Herr Wirtschaftsminister in einem entsprechenden Schreiben seine Bereitschaft erklärt hat. Wir versuchen, so rasch wie möglich eine Klarstellung zustande zu bringen.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Weitere Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Wabl, bitte.

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Minister! Sie haben schon Bezug genommen auf das neue Gewerberecht, das im nächsten Ministerrat durchgehen soll. Der Wirtschaftsminister möchte die Genehmigungsverfahren im Wasserrecht in sein Ressort übernehmen, und Sie haben dann weiterhin als Landwirtschaftsminister als oberste Wasserrechtsbehörde die Kontrolle.

Halten Sie das nicht auch für abträglich für den Gesamtbereich Wasserrecht und für unsere Grundwässer und Oberflächengewässer, wenn eine Splittung zwischen Kontrolle und Genehmigungsverfahren gegeben ist?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Wabl! Der inhaltliche Zusammenhang zur ursprünglich gestellten Anfrage ist nicht leicht herzustellen, aber ich lasse diese Zusatzfrage zu. – Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Wie Sie wissen, handelt es sich bei dieser diskutierten Novelle um die Novellierung des Anlagenrechtes im Gewerbe und nicht um die gewerberechtlichen Tätigkeiten selbst.

Zweitens: Es gibt Gespräche zwischen meinem Ressort und dem Wirtschaftsministerium, die klarstellen, daß das Wasserrecht weiterhin im Bereich der Wasserrechtsbehörde bleibt, daß allerdings im gewerberechtlichen Genehmigungsverfahren Erleichterungen durch die Einbeziehung von einigen Tatbeständen des Wasserrechtes in die Gewerberechtsverfahren gegeben sein sollen, daß aber weiterhin die Berufungsbehörde die oberste Wasserrechtsbehörde ist.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Bundesminister. Damit ist die 3. Fragerunde beendet.


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49. Sitzung / Seite 19

Wir kommen jetzt zur 4. Anfrage: 59/M. Ich bitte Herrn Abgeordneten Schwarzenberger, die Anfrage zu formulieren.


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49. Sitzung / Seite 20

Abgeordneter Georg Schwarzenberger
(ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

59/M

Welche Maßnahmen wurden bisher zur Bewältigung der BSE-bedingten Einkommensverluste im Rinderbereich getroffen?


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49. Sitzung / Seite 21

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Es ist richtig, daß die BSE-Krise im bäuerlichen Bereich tatsächlich zu spürbaren Markt- und auch Preisproblemen geführt hat. Es war daher notwendig, innerhalb der Europäischen Union entsprechende Unterstützungsmaßnahmen für die Rindermäster zu beschließen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, daß in anderen Ländern, etwa der Schweiz, die Bauern dieselben Probleme haben, ohne daß es entsprechende Kompensationen gegeben hätte – weder nationale noch aus der Europäischen Union; wenn man nicht Mitglied ist, geht das selbstverständlich nicht.

Insgesamt sind für diese Krise bis dato etwa 1,6 Milliarden Schilling an direkten und indirekten Zahlungen und Finanzströmen für die österreichische Rinderwirtschaft geflossen. Das betrifft etwa die Intervention, die für Österreich mit Kosten in Höhe von rund 400 Millionen Schilling, die ausschließlich von der Europäischen Union getragen werden, zu beziffern ist.

Es ist die Aufstockung der Exporterstattung für Export in Drittländer durch die Europäische Union dringend notwendig gewesen. Wir rechnen damit, daß aufgrund der österreichischen Exportmenge ein Effekt von umgerechnet etwa 360 Millionen Schilling aus Mitteln der Europäischen Union gegeben ist.

Sie wissen, daß wir weiters im Bereich der Kompensationen bereits im Frühjahr des heurigen Jahres in der Europäischen Union eine Hilfsmaßnahme beschlossen haben, wodurch den österreichischen Bauern bereits 335 Millionen Schilling angewiesen wurden. Gleichzeitig konnte der Hartwährungsausgleich ausgezahlt werden.

Wir haben in Brüssel weiters erreicht, daß Österreich zusätzlich zu diesen Mitteln 142 Millionen Schilling an Einkommenshilfen für die Rindermäster zur Verfügung gestellt werden. Ich gehe davon aus, daß diese schwerpunktmäßig für weibliche Rinder eingesetzt werden.

Sie wissen weiters, daß wir als wichtige Unterstützungsmaßnahme die Frühvermarktungsprämie bei Kälbern erreicht haben.

Es ist erreicht worden, daß für spezialisierte Stiermäster die Rinderprämie in eine Prämie zusammengeführt und diese um 25 Prozent aufgestockt wird.

Es ist erreicht worden, daß für besonders extensiv wirtschaftende Rindermäster die Prämie für die Extensivierung erhöht wird, wenn weniger als eine GVE je Hektar gehalten wird.

Es ist aber notwendig, zusätzliche Schritte zu setzen, welche etwa im Bereich Rindfleischmarketing und Rindfleischpromotion auch seitens der Europäischen Union unterstützt werden. Wir gehen davon aus, daß in Europa möglichst rasch eine Einigung in der Frage der Tieridentifikation und der Kennzeichnung von Fleisch erfolgt, weil das eine der wichtigsten Maßnahmen ist, das Vertrauen der Konsumenten zurückzuerobern.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Eine Zusatzfrage des Fragestellers? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Obwohl Österreich keinen einzigen BSE-Fall zu beklagen hatte, ist das Vertrauen der Konsumenten insgesamt in Rindfleisch erschüttert.

Herr Bundesminister! Sie haben soeben die Maßnahmen auf europäischer Ebene genannt. Welche Maßnahmen können in Österreich zur Vergrößerung des Vertrauens der Konsumenten in Rindfleisch gesetzt werden?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich halte die Kennzeichnung von Fleisch für den wichtigsten Punkt, weil sie dem starken und berechtigten Wunsch der Konsumenten entspricht.

Zweitens: Es gibt in Österreich entsprechende Marketingmaßnahmen, die gemeinsam mit der Agrarmarkt Austria und der Wirtschaft umgesetzt werden.

Drittens: Es gibt die Promotion-Kampagne auch in Österreich für Rindfleisch generell. Und es ist jetzt anläßlich der Kälberprämienregelung vorgesehen, daß in Österreich auch eine spezifische Marketingkampagne für Kalbfleisch umgesetzt wird.

Wir haben damit aus meiner Sicht bisher folgendes erreicht: Erstens hat sich die Nachfrage nach Rindfleisch in Österreich wieder stabilisiert, zweitens geht die Preisentwicklung für die Rindermäster in den letzten Wochen und Monaten wieder in eine positive Richtung, sie ist allerdings noch nicht zufriedenstellend.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Eine weitere Zusatzfrage kommt vom Abgeordneten Wabl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Bundesminister! Wie erklären Sie sich, daß die Schweiz – wie ich heute den Medien entnehmen konnte – Sanktionen gegenüber dem österreichischen Rindfleischexport überlegt?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Die Republik Österreich hat dieses Importverbot gegenüber der Schweiz aus guten Gründen verhängt, da es aus unserer Sicht keinen Unterschied macht, ob BSE in Großbritannien oder in der Schweiz auftritt.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Eine weitere Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Mag. Barmüller, bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Auch ich beziehe mich auf die vom Abgeordneten Wabl angesprochene Meldung von heute morgen. Ich hatte eher den Eindruck, daß die Schweiz jetzt überlegt, gegenüber Österreich solche Maßnahmen zu ergreifen, nämlich ein Importverbot für österreichisches Rindfleisch.

Ist das jetzt quasi als Revanche der Schweiz zu sehen, oder bezieht sich das darauf, daß in Österreich BSE-Fälle auftreten könnten und keine entsprechenden Kontrollen gewährleistet sind?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! In Österreich gibt es keinen BSE-Fall, und die Kontrollen werden sehr sauber und effizient durchgeführt. Aus meiner Sicht gäbe es daher keinen Grund für eine derartige Maßnahme der Schweiz. Österreich würde darauf entsprechend reagieren, weil es keine sachliche Begründung für eine derartige Maßnahme gäbe.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Eine weitere Zusatzfrage stellt Abgeordneter Grabner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Arnold Grabner (SPÖ): Herr Bundesminister! Wie hoch sind die bisherigen finanziellen Abgeltungen für die österreichischen Rinderbauern pro Rind?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich habe den Betrag bereits genannt, der insgesamt zur Verfügung gestellt wird. An die Rinderbauern direkt sind bisher 334 Millionen Schilling ausgezahlt worden und jetzt in der Folge noch weitere 142 Millionen.

Ich kann den endgültigen Betrag jetzt noch nicht nennen, weil noch nicht klar ist, wie die 142 Millionen Schilling auf die einzelnen Tierkategorien verteilt werden. Der Schwerpunkt bei der Verteilung wird sicher bei den weiblichen Rindern liegen. – Wenn diese Entscheidung getroffen ist, werde ich Ihnen die endgültige Zahl zur Verfügung stellen.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die letzte Zusatzfrage stellt Abgeordneter Dr. Salzl. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Laut Medienberichten überlegt Kommissar Fischler, den EU-Staaten vorzuschlagen, auch Schafe und Ziegen in das BSE-Programm einzubeziehen, um eine Gefährdung der Konsumenten durch Schaf- und Ziegenprodukte, aber auch eine Gefährdung der Tiere zu verhindern.

Meine Frage: Unterstützen Sie dieses Vorhaben, und sind, sollte es dazu und auch zu Markteinbrüchen für die österreichischen Schafbauern kommen, Entschädigungen geplant, um diese Preis- und Marktverluste abzugelten?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich unterstütze grundsätzlich alle Maßnahmen zur radikalen Bekämpfung von BSE. Wenn also zusätzliche notwendig sind, so unterstütze ich diese selbstverständlich auch.

Bis dato ist in Österreich beim Schaffleisch kein Problem aufgetreten, auch kein Marktproblem. Für den Fall, daß es ein derartiges gäbe, müßte auch in diesem Bereich geholfen werden.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke.

Wir kommen jetzt zur 5. Anfrage: 72/M. Ich bitte den Fragesteller, Abgeordneten Wabl, um die Formulierung der Anfrage.

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Bundesminister! Meine Frage:

72/M

Sind Sie bereit, im Sinne einer ökologisch wünschenswerten, kostendämpfenden Dezentralisierung der Abwasserentsorgung des ländlichen Raumes das derzeit nötige kommissionelle Verfahren für Kleinstanlagen durch ein vereinfachtes Verfahren im Sinne einer Typengenehmigung zu ersetzen, wo dies aus der Sicht des Gewässerschutzes zuträglich ist?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich bitte den Herrn Bundesminister um die Beantwortung.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Die dem Parlament bereits vorgelegte Wasserrechtsgesetz-Novelle 1996 sieht die von Ihnen angesprochenen Verfahrenserleichterungen, etwa den Entfall von mündlichen Verhandlungen, weitgehend vor.


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49. Sitzung / Seite 22

Ich weiß, daß es notwendigerweise zusätzliche Überlegungen geben muß, wie etwa die Typisierung von Anlagen, um damit Bewilligungen und Anzeigepflichten zu ersetzen.

Wir arbeiten derzeit an einer diesbezüglichen weitergehenden Novelle, die im Laufe des Jahres 1997 dem Hohen Haus zugemittelt wird.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Wabl, bitte.

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Bundesminister! Was ist der naturwissenschaftlich unverständliche Grund der Aussage der obersten Wasserrechtsbehörde, daß Pflanzenkläranlagen nur bis 10 EGW Stand der Technik sind?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Die Diskussion über den Effekt derartiger Anlagen ist mitten im Fluß. Es hat beispielsweise an der Universität für Bodenkultur eine internationale Tagung mit Beteiligung des Ressorts über die Effekte dieser Pflanzenkläranlagen gegeben.

Ich kann Ihnen aus meiner Sicht sagen, daß ich es, wenn das Schutzziel und das Reinigungsziel erreicht werden, durchaus für richtig halte, da weiterzugehen – unter der Voraussetzung, daß im Sinne des Gewässerschutzes auch die Sicherheit besteht, daß der Reinigungsgrad tatsächlich erreicht wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Eine weitere Zusatzfrage stellt Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Werden von Ihrer Seite auch andere Maßnahmen überlegt, um in diesem Bereich kostendämpfend zu wirken? – Etwa, daß man die Planungshonorare nicht mehr an die Planungssumme bindet, was dann tendenziell dazu führen würde, daß geringere Kostengrößen entstehen.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Wie Sie wissen, ist das keine Frage des Wasserrechtsgesetzes, sondern eine zivilrechtliche Frage zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer, wobei die entsprechenden Grundlagen in den bezughabenden Richtlinien etwa der Zivilingenieurkammer festgelegt sind.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Eine weitere Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Schwemlein, bitte.

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Herr Bundesminister! Ausgestattet mit den Sorgen und Nöten eines Finanzreferenten einer kleinen Gemeinde frage ich: Welche weiteren Veränderungen, das Wasserrechtsgesetz betreffend, haben Sie vor – davon ausgehend, daß wir uns mit der schon bestehenden Rechtslage auf einen Kubikmeterpreis von zirka 50 S hinbewegen und jede Novellierung klarerweise auf dem Rücken der Bürger ausgetragen wird?

Ich hoffe, daß Sie der Auffassung sind, daß wir die Schmerzgrenze bereits erreicht haben.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Wie Sie wissen, befinden wir uns in dieser Frage in einem Spannungsfeld des Schutzzieles der Abwasserreinigung einerseits und der Kostenfrage andererseits.

Ich trete dafür ein, daß das Schutzziel global und insgesamt weiterhin aufrechtbleiben muß, auch im Interesse der Bürger, daß wir aber Maßnahmen setzen, um die Effizienz des Mitteleinsatzes zu steigern – etwa durch die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnismäßigkeit auch im Wasserrechtsgesetz.


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Ich trete beispielsweise dafür ein, daß es Prioritätenreihungen gibt, daß besonders dort etwas getan werden sollte, wo die Probleme am größten sind. Für mich ist fraglich – ich weiß, was ich jetzt auch sage, weil das ein sehr spannendes Thema ist –, ob der Stand der Technik dann, wenn er nur zu einer Erhöhung des Reinigungsgrades um 1 Prozent führt, in jeder Gemeinde unbedingt immer umgesetzt werden muß. Das wäre mit dem Zweck der wirtschaftlichen Verhältnismäßigkeit erreicht. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Aumayr. – Bitte.

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Welche Probleme kommen auf die an Kleinkläranlagen angeschlossenen Bürger sowie an die Betreiber solcher Kleinkläranlagen zu, wenn es heuer zu keiner Wasserrechtsgesetz-Novelle kommt, und zwar mit der Möglichkeit einer Fristverlängerung?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Minister.


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Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer:
Frau Abgeordnete! Sie wissen, daß die Frist derzeit bis 31. Dezember dieses Jahres geregelt ist. Ich gehe davon aus, daß wir nächste Woche in der Sitzung des Landwirtschaftsausschusses eine Debatte darüber führen werden, diese Frist zu verlängern, um Probleme zu verhindern.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Eine weitere Zusatzfrage: Abgeordneter Zweytick. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Mit welchen Verbesserungen ist im Zuge der Wasserrechtsgesetz-Novelle zu rechnen?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich habe schon betont, daß für mich bei einer Wasserrechtsgesetz-Novelle die Erhaltung des Schutzzieles des Wassers eine wichtige Frage ist, weil es doch um das wertvollste Lebensmittel geht, das wir haben. Andererseits ist aber die Frage der Effizienz des Mitteleinsatzes ein mindestens genauso wichtiges Ziel. Das ist meiner Meinung nach der Hauptgesichtspunkt.

Zweitens: Es gibt eine Reihe administrativer Fragen, wie etwa auch die vom Kollegen Wabl angesprochene Frage des Ersatzes von Einzelgenehmigungen bei kleineren Anlagen durch Typengenehmigungen, etwa die Frage des Ersatzes der Bewilligungspflicht durch Anzeigepflicht, damit auch die administrative Seite einfacher geregelt wird.

Ich gehe davon aus, daß wir uns auch die Frage der Abwasserbeseitigung in ländlichen Regionen zum Thema machen sollten, weil sich die Frage stellt, ob die Abwasserfrage eines Einzelhaushaltes beispielsweise nicht besser gelöst werden könnte als durch derzeit noch bestehende Zwei-Kilometer-Kanäle – oder auch längere. Das Schutzziel wäre anders, und zwar billiger und effizienter, auch zu erreichen.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke. Damit ist die 5. Anfrage erledigt.

Wir kommen jetzt zur 6. Anfrage: 71/M. Ich bitte die Fragestellerin, Frau Abgeordnete Aumayr, die Frage zu formulieren.

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

71/M

Wann und in welcher Form erfolgt die Übertragung der Pferdezuchtanstalt Stadl-Paura an den Oberösterreichischen Pferdezuchtverband?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Frau Abgeordnete! Sie wissen, daß nach dem 31. Dezember dieses Jahres die Bundesanstalt für Pferdezucht gemäß Beschluß des Parlamentes in dieser Form nicht mehr existieren wird.

Zweitens: Es gibt bereits mehrwöchige Verhandlungen mit dem Pferdezuchtverband. Diese Verhandlungen haben insofern eine neue Facette – eine aus meiner Sicht sehr positive Facette –, als das Land Oberösterreich Interesse am Teilerwerb, am Erwerb der Anstalt und an der Weiterführung der Pferdezucht geäußert hat.

Daraus ergibt sich auch, daß keine Notwendigkeit besteht, eine Ausschreibung vorzunehmen. Ich habe diese Woche bereits ein Gespräch mit Landeshauptmann Pühringer diese Frage betreffend gehabt, es geht nächste Woche weiter. Es ist mein Ziel, daß wir mit 1. Jänner auf neuer Rechtsgrundlage mit Beteiligung öffentlicher Interessenten – dem Land Oberösterreich in diesem Fall, eventuell auch der Gemeinde – eine gute Zukunftslösung erreichen.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Eine Zusatzfrage der Fragestellerin. – Bitte.

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Der jährliche Abgang der Pferdezuchtanstalt Stadl-Paura beträgt rund 20 Millionen Schilling. Davon sind rund 14 Millionen Schilling Personalkosten, die durch die Übertragung nicht eingespart werden, da das Personal Beamtenstatus hat und in die Anstalt für Agrarbiologie übersiedeln wird.

Für das Budget 1996/97 hat die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern eine Erhöhung ihres Budgets von 20 Millionen Schilling erreicht. Meine Frage: Finden Sie es für gerechtfertigt, daß in Zeiten des Sparpaketes, zu einer Zeit, zu der die Bundesanstalt für Pferdezucht wegen eines Abgangs in Höhe von 20 Millionen Schilling geschlossen wird, die Präsidentenkonferenz ganz selbstverständlich eine Erhöhung des Budgets um 20 Millionen Schilling bekommt?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Frau Abgeordnete! Es ist nicht alles ein Vergleich, was hinkt. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft mißt der Pferdezucht in Österreich besondere Bedeutung zu. Es wäre aber falsch, zu glauben, daß das Ausmaß dieser Bedeutung und der Unterstützung der Pferdezucht allein von der Frage der Konstruktion einer Bundesanstalt abhängt.

Ich weise darauf hin, daß das Landwirtschaftsministerium die Pferdehaltung und auch die Pferdezucht gegenwärtig in vielfältiger Weise unterstützt und dies auch in Zukunft tun wird. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Reichhold: Das sieht man in Stadl-Paura!)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Eine Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Freund, bitte.

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Bundesminister! Ich freue mich, daß es bei der Privatisierung der Pferdezuchtanstalt Stadl-Paura zu einer oberösterreichischen Lösung kommt und nicht zu einem Ausverkauf ans Ausland. – Wie Sie wissen, besteht eine enge Verbindung zwischen Stadl-Paura und Lambach.

Ist nach der Übertragung gewährleistet, daß der Schulbetrieb beim Pferdewirt in Lambach weiter abgesichert ist?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Das Land Oberösterreich hat sein absolutes Interesse daran geäußert, daß in der Kombination der Neukonstruktion der Schulbetrieb in Lambach in dieser Form weitergeführt wird, das der


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einzige Ausbildungszweig in Österreich ist, der beim Pferdewirt in Lambach durchgeführt wird. Ich halte das daher für gut.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Weitere Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Mag. Barmüller, bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Ob es sich um eine Bundesanstalt oder eine andere Rechtsform mit Mehrheit der öffentlichen Hand handelt, macht im Grunde keinen Unterschied.

Ich frage: Warum ist man nicht bereits früher verstärkt auf die Vorschläge, die von den Mitarbeitern gemacht wurden, eingegangen, um eine Reform der Pferdezuchtanstalt voranzutreiben?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Es ist richtig, daß es eine mehrjährige Diskussion darüber gegeben hat. Ich habe entschieden – und ich stehe auch dazu –, daß ich in einer Rechtskonstruktion mit dem Pferdezuchtverband und dem Land Oberösterreich, allenfalls mit der Gemeinde, die bessere Grundlage für die dauerhafte Absicherung sehe als die bisherige Konstruktion.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Oberhaidinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Bundesminister! Aus Gesprächen, die beim Finanzminister mit den Vertretern der Gemeinde Stadl-Paura geführt wurden, weiß ich, daß die Gemeinde nicht in der Lage ist, sich an den Kosten zu beteiligen.

Frage an Sie: Wie weit sind die Verhandlungen über den Kaufpreis, der laut letzter Schätzung bei mindestens 19 Millionen Schilling liegt, mit dem Land Oberösterreich, ganz konkret mit Herrn Landeshauptmann Pühringer bereits gediehen?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich habe bereits gesagt, daß die Gespräche in dieser Woche begonnen haben, daß sie in der nächsten Woche fortgesetzt werden, und zwar mit dem Ziel, einen möglichst raschen Abschluß zu tätigen, spätestens jedoch per 1. Jänner 1997 eine Regelung zu haben, wobei sich dabei die Gebietskörperschaften Bund, Land einerseits und der Pferdezuchtverband andererseits über einen entsprechenden Kaufpreis einigen müssen. Wie Sie wissen, ist die Abwicklung des Verkaufes durch das Bundesministerium für Finanzen vorzunehmen.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke. – Damit ist die 6. Anfrage beendet.

Wir kommen zur 7. Anfrage. Es ist die Anfrage 66/M, und ich bitte den Fragesteller, Herrn Abgeordneten Wimmer, die Anfrage vorzutragen.

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Bundesminister. Meine Frage lautet:

66/M

Bei welchen Gelegenheiten haben Sie im Rahmen Ihrer Verhandlungen in den diversen Gremien der Europäischen Union darauf hingewirkt, daß die Konzeption der Agrarförderungen stärker als bisher sozial gestaffelt wird?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich bitte um die Anwort, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! In diesem Zusammenhang, also was die inhaltliche Konzeption betrifft, darf ich auch auf die Antwort zur Anfrage des Herrn Abgeordneten Gradwohl verweisen.


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Im Rahmen verschiedener Aussprachen zu den Vorschlägen der Kommission zur gemeinsamen Marktordnung habe ich wiederholt auf die Entschließung des Nationalrates hingewiesen. Ich habe besonderen Wert darauf gelegt, daß im Rahmen der Konzeption des österreichischen Bergbauern-Memorandums etwa der Ansatz einer Sockelförderung für kleinere Betriebe sowie die Gleichbehandlung der Nebenerwerbsbauern im Rahmen der Strukturförderung aufgenommen wird.

Dieses Memorandum wurde offiziell beim Generalsekretariat des Rates notifiziert und im Rahmen einer Ratssitzung intensiv mit den Mitgliedstaaten diskutiert, wobei ich Ihnen sagen kann – sehr erfreulich –, daß es eine breite Zustimmung zu den Grundgedanken dieses österreichischen Bergbauern-Memorandums gibt. Dieses österreichische Bergbauern-Memorandum war neben anderen Unterlagen – etwa dem französischen Bergbauern-Memorandum, etwa dem italienischen Memorandum oder auch den Vorschlägen aus der portugiesischen Diskussion – eine Mitdiskussionsgrundlage bei der ländlichen Raumkonferenz in Cork.

Ich habe auch anläßlich einer Debatte zur Thematik der langfristigen Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik mit Nachdruck unsere Vorstellungen eingebracht und das Modell dieser Modulierung der Prämien der Europäischen Union in Diskussion gebracht; auch deshalb, weil diese Modelle und dieser Vorschlag etwa in der Grundstruktur der Reform 1992 im Entwurf zur Reform von MacSharry ja bereits beinhaltet waren.

Auch mein Vertreter im Sonderausschuß Landwirtschaft hat in meinem Auftrag im Zuge dieser Orientierungsdiskussion über die langfristige Entwicklung etwa des Milchmarktes auf unsere Zielsetzungen hingewiesen.

Ich habe weiters in einem Vortrag über die Weiterentwicklung der GAP vor der gemeinsamen Tagung des Landwirtschaftsausschusses des Europäischen Parlaments und des Agrarkomitees der Parlamentarischen Versammlung des Europarates in Brüssel auf diese unsere Zielsetzung hingewiesen und habe Ihnen in der vorhergehenden Antwort schon erläutert, daß aus meiner Sicht etwa bei der Diskussion um das Preispaket 1997 diese unsere Forderungen zentraler Bestandteil der österreichischen Position sein werden.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Eine Zusatzfrage des Fragestellers. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Bundesminister! Ich höre, es kommt Bewegung in diese Diskussion. Konkrete Frage: Gibt es schon Erfolge, über die Sie uns konkret berichten können?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Wie gesagt, die erste aus meiner Sicht sehr positive Entwicklung ist die grundsätzliche Akzeptanz unserer Philosophie des Bergbauernprogramms von einer überwiegenden Anzahl der Mitgliedstaaten.

Ich sage Ihnen auch, wo die Problematik liegt: Die Problematik liegt darin, daß andere Mitgliedstaaten diese Philosophie, diese Idee nicht nur auf die Berggebiete beschränkt haben wollen, sondern auch auf die benachteiligten Gebiete ausweiten wollen.

Es gibt eine zweite Fragestellung in diesem Zusammenhang, daß auch ein anderes Mitgliedsland, nicht nur Österreich, in der Zwischenzeit von einer Modulierung derartiger Prämien im Rat gesprochen hat. Interessanterweise ist das ein Land, von dem ich das nicht erwartet habe, nämlich Schweden. Es gibt allerdings – und ich sage Ihnen das auch ganz offen – von anderen Mitgliedsländern keine Begeisterung zu dieser österreichischen Idee.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke. – Gibt es weitere Zusatzfragen? – Eine Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Ing. Reichhold. – Bitte, Herr Abgeordneter.


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Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold
(Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wir haben seit dem EU-Beitritt fast nichts mehr zu reden. Daher meine Frage an Sie: Werden Sie sich dafür einsetzen, daß im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips der Europäischen Union der nationale Spielraum zur Einkommenssicherung vor allem unserer bäuerlichen Betriebe erweitert wird?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Es stimmt die erste Feststellung schlicht und einfach nicht. Wir haben viel zu reden (Abg. Aumayr: Ha, ha, ha!) , nicht nur in Österreich, sondern wir beeinflussen auch ganz massiv die Entscheidungen in der Europäischen Union (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Aumayr: Das ist absurd! Wo denn?) , wobei ich etwa an die Einführung der Frühvermarktungsprämie für Kälber denke.

Es bleibt selbstverständlich das Ziel der Bundesregierung, weiterhin dafür Sorge zu tragen, im Rahmen der Europäischen Union und auch durch österreichische Maßnahmen die Teilnahme der Landwirtschaft an der Wohlstandsentwicklung zu sichern. (Abg. Aumayr: Mein Gott! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie sind nicht sehr glaubwürdig bei den Bauern, Herr Minister!)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Schuster. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Johann Schuster (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Bauern fordern zu Recht von der Politik Verläßlichkeit und Planbarkeit. Ihre Aussage, daß man in der Gemeinsamen Agrarpolitik Europas überlegt, eventuell dem guten alten österreichischen Modell des Sockelbeitrages der Bergbauern näherzurücken, möchte ich Sie fragen: Welchen Zeitrahmen könnten Sie sich vorstellen, daß auch andere EU-Länder diesem guten österreichischem Vorschlag beitreten könnten? (Abg. Dr. Khol: Gute Frage! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich habe schon darauf hingewiesen, daß in der Zwischenzeit ein Bergbauern-Memorandum der italienischen Regierung, ein Bergbauern-Memorandum der französischen Regierung, ein Memorandum der portugiesischen Regierung für benachteiligte Gebiete vorliegt. Ich weiß, daß noch mindestens zwei Mitgliedstaaten intensiv an einer ähnlichen Arbeitsgrundlage arbeiten und sie in Brüssel vorlegen. Ich kann daher heute noch keinen endgültigen Termin sagen, es ist aber mein Ziel, genug Verbündete dafür zu finden, daß wir entsprechende Änderungen in Europa erreichen. (Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Rossmann – in Richtung ÖVP –: Sie haben keine Ahnung, wovon Sie reden!)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Bundesminister! Wir haben im Zusammenhang mit der Dualisierung in der Landwirtschaft auf der einen Seite kleinere Betriebe mit ökologischer Orientierung, auf der anderen Seite die Industrialisierung mit einem großen Anteil an Chemisierung und dem bereits drohenden massiven Einsatz von Gentechnologie, wir haben auf der einen Seite soziale Staffelung, auf der anderen Seite wird das große Geld gemacht. Wie wollen Sie dieser Entwicklung entgegenwirken?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Sie wissen, daß es unter anderem das Ziel dieser Ausgleichszahlungen ist, bestimmte


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Entwicklungen positiv zu beeinflussen; positiv zu beeinflussen etwa durch das sehr erfolgreiche österreichische Umweltprogramm.

Es ist weiters auch das Ziel der Ausgleichszahlungen, etwa im biologischen Landbau einen zusätzlichen Anreiz, eine Unterstützung zu schaffen, damit diese Entwicklung so wie bisher positiv weitergeht.

Ich möchte Sie auch darauf aufmerksam machen, daß wir im Biolandbau durch die Übernahme der Kontrollkosten für die ersten zehn Hektar bereits eine Art von Sockelbetragsregelung haben.

Sie wissen auch, daß meine Position oder, ich würde einmal sagen, meine Einschätzung darin liegt, daß wir jetzt bereits eine gewisse Zweiteilung des Marktes haben, eines Marktes, auf dem einerseits die Konsumenten durchaus diese Qualitätsorientierung, die Umweltorientierung und auch die Bäuerlichkeit der Produktion verstärkt und im vermehrten Maße verlangen, wir haben aber andererseits auch Marktentwicklungen – das müssen wir ganz objektiv sagen –, bei denen es tatsächlich um die Preiswürdigkeit der Produkte im Sinne der Kostenkonkurrenz geht.

Ich lege weiterhin darauf Wert, daß Österreich auf der Qualitätsorientierung bleiben wird und bleiben muß, weil das aus meiner Sicht unsere Marktchancen verbessert.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Eine letzte Zusatzfrage dazu: Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Sie haben gesagt, die anderen Mitgliedstaaten hätten auf diese Vorschläge der sozialen Staffelung nicht gerade begeistert reagiert. Da Kommissär Fischler eine stärkere Ausrichtung der Landwirtschaftspolitik am ökologischen Nachhaltigkeitsprinzip haben will: Wie reagieren denn Ihre Gesprächspartner auf europäischer Ebene auf dieses Prinzip? Gibt es hiezu konkrete Festlegungen anderer Mitgliedstaaten?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Minister.


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Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer:
Herr Abgeordneter! Es ist so, daß ein überwiegender Teil der Mitgliedstaaten in der ökologischen Orientierung respektive in der Relation Landwirtschaft und Umwelt eine der zentralen Zielsetzungen der zukünftigen Entwicklung sieht. Ich sage Ihnen auch, daß die Schwerpunkte diesbezüglich im Norden Europas liegen, etwa im skandinavischen Raum oder auch in den BENELUX-Ländern – in der Zwischenzeit etwa in den Niederlanden –, daß wir im Bereich der südlichen Mitgliedstaaten Europas aus vielen Gründen jedoch noch nicht den Bewußtseinsstand haben, den etwa die nördlichen oder die BENELUX-Staaten oder auch Österreich erreicht haben.

So würde ich in etwa derzeit das Szenario einschätzen.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke. – Damit ist die 7. Anfrage beantwortet.

Wir kommen zur 8. und letzten Anfrage: Nr. 60/M.

Ich bitte den Fragesteller, Herrn Abgeordneten Auer, um die Formulierung der Anfrage. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Bundesminister, meine Frage lautet:

60/M

Welche Ergebnisse liegen bisher über die in der Verordnung 2078/92/EG verpflichtend vorgesehene Evaluierung der ökologischen Effekte für das ÖPUL-Umweltprogramm vor?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte um die Antwort, Herr Bundesminister.


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Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer:
Herr Abgeordneter! Der ökologische Evaluierungsbericht der ÖPUL-Maßnahmen für das Jahr 1995 liegt nunmehr in der Endfassung vor. Am 27. November, also vor zwei Tagen, hat diese große Arbeitsgruppe den Beschluß gefaßt, daß dieser Endbericht nun nach Brüssel weitergeht.

Dieser Endbericht über die Ökoeffekte des Umweltprogramms gliedert sich nach den Schutzzielen – Schutzziel Boden, Schutzziel Wasser etwa –, und ich kann Ihnen sagen, daß dieser Evaluierungsbericht ein absoluter Erfolgsbericht für dieses Umweltprogramm ist. Etwa 180 000 Betriebe haben 1995 an den Maßnahmen teilgenommen, mehr als 90 Prozent der Agrarfläche wurde damit berücksichtigt. Auf etwa zwei Drittel der Ackerfläche wird die Fruchtfolge vielfältiger gestaltet durch das Eingehen der Verpflichtung, nicht mehr als 75 Prozent Anteil an Getreide und Mais zu haben oder etwa den Zwischenfruchtanbau durch die entsprechende Begrünungsmaßnahme zu unterstützen – eine der effektivsten Maßnahmen im Grundwasser- und Erosionsschutz.

Die extensive Produktion wurde – ohne die Almflächen zu rechnen – auf etwa 10 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche durch Biolandbau umgesetzt. Wir haben beispielsweise durch den Verzicht auf ertragssteigernde Betriebsmittel zusätzliche Flächen in diese extensivere Produktionsform gebracht, sodaß bei ungefähr 35 Prozent der Agrarfläche davon ausgegangen werden kann, daß sie extensiv bewirtschaftet wird.

Wir haben auch den Nachweis über den Rückgang der ertragssteigernden Betriebsmittel. So ist etwa der Stickstoffeinsatz um 8 Prozent zurückgegangen, der Phosphoreinsatz um 12 Prozent, der Kaliumeinsatz um 20 Prozent. Diese Rückgänge – darauf weise ich hin – sind auf einem sehr niedrigen Niveau bereits zusätzlich erfolgt, weil wir im internationalen Vergleich schon vor ÖPUL einen sehr geringen Einsatz gehabt haben.

Der Pflanzenschutzmitteleinsatz ist um 6 Prozent zurückgegangen, jener der Insektizide und Fungizide um jeweils 10 Prozent. Der Rückgang der Wachstumsstabilisatoren beträgt 58 Prozent.

Es gibt auch einen erfreulichen Aufschwung beim Einsatz von Nutzorganismen. Auf etwa 21 000 Hektar werden diese schon als Ersatz für chemische Pflanzenschutzmittel angewendet.

Auch die extensive Tierhaltung hat positive Impulse durch diese Programme erreicht, etwa die Erhöhung der Tierzahl in der Mutterkuh- und der Ammenkuhhaltung um 120 000 Stück – im Vergleich zu 1994 also um 133 Prozent. Auch die alternativen Tierhaltungen – etwa im Ziegenbereich – haben um 7 Prozent bis 8 Prozent zugenommen.

Ich kann daher heute sagen, daß dieser Endbericht über die ökologischen Effekte des Umweltprogramms – wie schon gesagt – ein wirklicher Erfolgsbericht ist, und wir können in Brüssel –und wo immer wir diese Aussage benötigen – guten Gewissens sagen: Das Umweltprogramm hat die Ziele erreicht. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Brix. )

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Bundesminister.

Eine Zusatzfrage des Fragestellers, des Abgeordneten Auer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Bundesminister! Zu diesem Erfolgsbericht gratuliere ich. (Abg. Haigermoser: Du darfst das nicht verwechseln, Auer! Es ist Fragestunde! Gib den Weihwasserkessel weg! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Und ich freue mich auch als Bauer, daß damit die Bestätigung erbracht wurde, daß österreichische Bauern im Sinne der Natur wirtschaften.

Meine Frage, Herr Bundesminister: Wie sieht die ökologische Wertigkeit für ganz betriebsbezogene Maßnahmen aus?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich bin nicht der, dem zu gratulieren ist, sondern zu gratulieren ist den österreichischen Bäuerinnen und Bauern, die in offensiver Weise diese ökologische Zielsetzung mittragen und annehmen. Dafür bedanke ich mich sehr herzlich.

Sie wissen, daß es Maßnahmen gibt, die im Umweltprogramm von jedem Betrieb in Anspruch genommen werden können, etwa die Maßnahmen der Elementarförderung, der biologischen Wirtschaftsweise, des Verzichts auf ertragssteigernde Betriebsmittel oder der Fruchtfolgestabilisierung.

Der besonders positive Effekt dieser Maßnahmen besteht in der flächenhaften Breitenwirkung, weil wir mit diesen Maßnahmen die gesamte Fläche des Betriebes erreichen und kein Ausweichen innerhalb der einzelnen Nutzflächenkategorien besteht. Damit kann durch all diese Maßnahmen auf der gesamten Fläche in allen Produktionsgebieten die Strategie der Gesamtökologisierung – etwa durch die Obergrenze bei Getreide und Mais, etwa durch die GVE-Grenze – bestmöglich unterstützt und erreicht werden.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Zusatzfragen? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Barmüller.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Ich freue mich, daß die Ziele des ÖPUL-Programms erreicht worden sind. Sie haben zu Beginn dieses Programms gesagt, daß Sie aus strategischen Überlegungen die ökologischen Einstiegshürden, die Voraussetzungen, sehr niedrig angesetzt haben, um offenbar eine möglichst breite Mitwirkung zu erreichen.

In welchem Maße werden Sie jetzt nach der Evaluierung diese Voraussetzungen anheben, und können Sie das an einem Beispiel veranschaulichen?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Sie wissen, daß dieses Umweltprogramm für fünf Jahre gilt, und ich halte es noch für etwas verfrüht – das sage ich Ihnen ganz offen –, die endgültigen Schlußfolgerungen aus dem Effekt des ersten Jahres zu ziehen. Das erste Jahr zeigt, daß die Richtung absolut richtig ist.

Eine dieser Fragen, die sich jetzt für ein zukünftiges Umweltprogramm herausstellen, ist beispielsweise, ob Maßnahmen, die denselben Effekt und dieselbe Zielsetzung haben und derzeit in eine Ausprägung und in die andere Richtung ausgestaltet sind, nicht auch aus administrativen Gründen zusammengeführt werden könnten. Der Verzicht auf Wachstumsregulatoren etwa bewirkt automatisch, daß der Stickstoffeinsatz geringer wird, weil ansonsten der Bauer nur Lagerfrüchte hätte. Und das ist eines dieser Beispiele, wo man durchaus im Sinne der Weiterentwicklung auch administrativ Verbesserungen erzielen kann.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Bundesminister! Ab welchem Zeitpunkt werden Sie die Förderungen, welche ja in der Öffentlichkeit nur vertreten werden können, wenn die Gesamtausrichtung ökologisch ist, völlig wegnehmen von jenen Betrieben, die keine Gesamtphilosophie der Ökologisierung haben, zu jenen hin, die voll in die ökologische Betriebsweise hineingehen?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Wie Sie wissen, gibt es eine Förderungsmaßnahme, die sich genau an diesem Ziel orientiert,


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nämlich die Förderung der Betriebe mit biologischer Wirtschaftsweise, die den Gesamtbetrieb umstellen.

Zweitens: Sie wissen auch, daß gemäß einer Verordnung nach dem österreichischen Landwirtschaftsgesetz für die nationalen Agrarförderungen ökologische Mindestkriterien in der Verordnung entsprechend fixiert sind und auch in der Förderabwicklung umgesetzt werden.

Drittens: Sie wissen, daß das Umweltprogramm als solches das Ziel hat, zur Gesamtökologisierung beizutragen, wobei es richtig ist, daß es Maßnahmen gibt, die den Gesamtbetrieb und die Teilaspekte der landwirtschaftlichen Produktion erfassen.

Und Sie wissen auch, daß es derzeit in der Europäischen Union Förderungsmaßnahmen gibt, die auf diese Fragen nicht – ich würde sagen: noch nicht – Rücksicht nehmen, weil auch in der Europäischen Union bei fast allen Mitgliedstaaten, wie ich schon gesagt habe, erkannt wird, daß Landwirtschaft und Umwelt eine untrennbare Einheit sein müssen, auch im Sinne der nachhaltigen Entwicklung der Landwirtschaft, und ich daher davon ausgehe, daß auch in Europa bei Förderungsmaßnahmen zunehmend ökologische Kriterien als Fördervoraussetzung eingeführt werden.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Minister.

Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Brix. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Bundesminister! Bekanntlich kommen mehr als 50 Prozent des österreichischen Frischgemüses von den Erwerbsgärtnern aus der Bundeshauptstadt, in Wien selbst kommen 64 Prozent des Gemüses von Gärtnern, die den Markt hier beliefern. Obwohl in Wien der Boden relativ knapp ist, nehmen sehr viele Erwerbsgärtner am ÖPUL-Programm teil.

Meine Frage an Sie lautet: Wie viele nehmen am ÖPUL-Programm teil, wieviel Geld schütten Sie dafür aus? Und natürlich ist es für die Wiener interessant: Wie viele Gärtner im Burgenland und in Niederösterreich nehmen am ÖPUL-Programm teil?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Aus der Erfahrung des Jahres 1995 weiß ich, daß der Anteil derer, die in Wien teilnehmen, etwas geringer ist als in den anderen Bundesländern. Ich werde Ihnen die konkreten Zahlen sehr gerne schriftlich zur Verfügung stellen.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die letzte Zusatzfrage stellt Abgeordneter Wenitsch. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Herr Minister! Bis wann werden Sie den Einstiegsstopp beim ÖPUL-Programm aufheben, um damit Ihren Wortbruch gegenüber den Bauern wiedergutzumachen?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich weise mit aller Klarheit den Vorwurf "Wortbruch" zurück. (Abg. Aumayr: Vertragsbruch!) Ich habe mein Wort nicht gebrochen, sondern es war im Rahmen der Gesamtstrategie zur Erhaltung und zur langfristigen Sicherung des Umweltprogramms notwendig, die entsprechenden Regelungen vorzunehmen, zu denen ich auch stehe, weil ich es im Sinne der langfristigen Absicherung dieser für die Bauern so wichtigen Maßnahme, nämlich des Umweltprogramms, für den notwendigen und richtigen Weg gehalten habe. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie wissen, daß der Einstiegsstopp, wie er im Frühjahr des heurigen Jahres verfügt wurde, auch die Zustimmung der Europäischen Kommission hat. Ich gehe daher davon aus, daß im Zuge der


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Weiterentwicklung und der Entwicklung eines neuen Umweltprogramms, das wir ja in der Folge brauchen, auch diese Frage mitgelöst werden wird, weil ich Ihnen auch gerne zugestehe, daß es die zweitbeste Lösung ist. Die bessere Lösung ist es, ein gutes neues Umweltprogramm zu haben, für das ein derartiger Einstiegsstopp in Zukunft nicht notwendig ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Damit ist die 8. Frage beendet.

Die 60 Minuten der Fragestunde sind abgelaufen. Die Fragestunde ist beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen:

1280/AB bis 1286/AB.

2.  Regierungsvorlagen:

Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG) (503 der Beilagen).

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuß für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 19 betreffend "Das österreichische Tiertransportgesetz muß bleiben!", überreicht von der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic.

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Bautenausschuß:

Antrag 333/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Zunahme des Transitverkehrs durch den Bau der Umfahrung Abfaltersbach als Teil der Alemagna;

Budgetausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1996 geändert wird (BFG-Novelle 1996) (459 der Beilagen),

2. Budgetüberschreitungsgesetz 1996 – 2. BÜG 1996 (460 der Beilagen);

Finanzausschuß:

Abgabenänderungsgesetz 1996 (497 der Beilagen),

EU-Abgabenänderungsgesetz (498 der Beilagen);


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Gleichbehandlungsausschuß:

Antrag 330/A (E) der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend Frauen-Erwerbstätigkeit, Kindererziehung, Frauenpensionen;

Ausschuß für innere Angelegenheiten:

Protokoll über den Beitritt der Regierung der Republik Österreich zu dem Übereinkommen von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der BENELUX-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, in der Fassung der Protokolle vom 27. November 1990, 25. Juni 1991 und 6. November 1992 über den jeweiligen Beitritt der Regierungen der Italienischen Republik, des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik sowie der Griechischen Republik (496 der Beilagen),

Übereinkommen über den Beitritt der Regierung der Republik Österreich zu dem am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der BENELUX-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, dem die Italienische Republik, das Königreich Spanien und die Portugiesische Republik sowie die Griechische Republik jeweils mit den Übereinkommen vom 27. November 1990, vom 25. Juni 1991 und vom 6. November 1992 beigetreten sind, samt Schlußakte, Erklärung der Minister und Staatssekretäre sowie Erklärungen der Republik Österreich (501 der Beilagen),

Antrag 326/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über Organisation, Aufgaben, Befugnisse und Kontrolle der Nachrichtendienste und des Militärischen Abwehrdienstes (Dienstegesetz – DG);

Justizausschuß:

Antrag 329/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird,

Antrag 336/A der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch 1974 geändert wird;

Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft:

Antrag 334/A der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959 geändert wird,

Antrag 335/A der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit das Wasserrechtsgesetz 1959 geändert wird;

Rechnungshofausschuß:

Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes über das Verwaltungsjahr 1995 (III-60 der Beilagen);

Umweltausschuß:

Antrag 331/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Umsetzung einer offensiven österreichischen Anti-Atompolitik,

Antrag 332/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Finanzierung von Kernkraftwerken durch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD);


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Unterrichtsausschuß:

Antrag 328/A (E) der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Begabtenförderung in der Schule;

Verfassungsausschuß:

Staatsdruckereigesetz 1996 (502 der Beilagen),

Antrag 327/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG geändert wird (B-VGNov 1996);

Verkehrsausschuß:

Änderungen zum Übereinkommen über internationale Beförderungen leicht verderblicher Lebensmittel und über die besonderen Beförderungsmittel, die für diese Beförderung zu verwenden sind (ATP) (437 der Beilagen);

Ausschuß für Wissenschaft und Forschung:

Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über Gleichwertigkeiten im Bereich der Reifezeugnisse und des Hochschulwesens samt Anlagen (412 der Beilagen).

*****

Ankündigung einer dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn und Genossen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 1554/J der Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Steuern senken – Arbeit schaffen dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt werden.

Fristsetzungsanträge

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich auch mit, daß die Abgeordneten Mag. Schweitzer und Genossen beantragt haben, dem Unterrichtsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 158/A der Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985 geändert wird, eine Frist bis 10. Dezember 1996 zu setzen.

Der gegenständliche Antrag wird gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht werden.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Schmidt, Dr. Petrovic und Genossen beantragt, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 275/A (E) der Abgeordneten Dr. Schmidt, Dr. Petrovic und Genossen betreffend Anfechtung der Kärntner Landtagswahlordnung beim Verfassungsgerichtshof eine Frist bis 15. Jänner 1997 zu setzen.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen.

Da für die heutige Sitzung die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage verlangt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluß an diese stattfinden.

Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird nach Schluß dieser Debatte erfolgen.


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Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Für die heutigen Debatten wurde vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 bis 4, 5 bis 7 sowie 10 bis 16 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkungen

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gehen jetzt in die Tagesordnung ein.

In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten zur gesamten Tagesordnung erzielt. Demgemäß wurde für alle Debatten dieses Tages eine Blockredezeit von insgesamt 9 "Wiener Stunden" vereinbart, sodaß sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 135 Minuten, ÖVP 126 Minuten, Freiheitliche 117 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 81 Minuten.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Vorschlag, und ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein entsprechendes Zeichen. (Zwischenrufe.) Die Einstimmigkeit in der Präsidiale läßt eigentlich erwarten, daß es auch hier einen generellen Konsens gibt. – Ich stelle die einstimmige Annahme dieses Vorschlages fest.

1. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (394 der Beilagen): 2. Sozialrechts-Änderungsgesetz 1996 – 2. SRÄG 1996 (465 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 283/A(E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Anwendung der 80 % Wahlarztregelung auch auf Physiotherapeuten und drei andere Medizinisch-Technische Dienste (MTDs) (466 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 304/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Herausnahme der Leistungen der Medizinisch-Technischen Dienste aus der 80 % Wahlarztregelung im § 131 Abs. 1 ASVG (467 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 307/A der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (468 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 bis 4 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich als erster Redner Abgeordneter Mag. Haupt. – Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort.

10.08

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit der heutigen Sozialrechts-Ände


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rungsgesetz-Debatte und den damit im Zusammenhang stehenden Materien, die wir unter einem diskutieren, beginnt der erste Teil des Dramas Reform der österreichischen Krankenanstalten unter sozialen Gesichtspunkten.

Ich hätte nicht gedacht, und ich glaube, auch Millionen österreichische Arbeitnehmer hätten nicht gedacht, daß wir nach dem Beitritt zur Europäischen Union so schnell eines Besseren belehrt werden, daß in Österreich die versprochenen Anhebungen der Sozialstandards und die Reformierung des sozialen Europas – unter tatkräftiger Mithilfe der Sozialdemokraten und unter Mithilfe des Arbeitnehmerflügels und des Gewerkschaftsflügels der Sozialdemokraten in Österreich – nicht stattfinden, und es nicht nur zu keiner sozialrechtlichen Verbesserung im Bereiche der Gesundheit kommen wird, sondern – im Gegenteil! – nun eine rein von pekuniären Interessen geprägte Änderung im Gesundheitswesen Österreichs Platz greifen wird, und zwar mit Unterstützung der beiden Regierungsparteien: gegen den Willen der Betroffenen und unter Hintanstellung sämtlicher sozialrechtlicher Mindeststandards, wie sie in der EU festgeschrieben sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrter Herr Bundesminister Hums! Ich glaube, daß mit dem heutigen Tag und mit der Vertagung der Besserstellung der Gesundheitsberufe im Hinblick auf die Mindeststandards, die die EU für die Beschäftigung festschreibt – 48 Wochenstunden –, in Österreich eine sozialdemokratische Abendröte aufzieht. Es kann nun niemand mehr in Österreich behaupten, daß Österreich der EU beigetreten ist, um die EU zu einer Sozialgemeinschaft mit hohen Sozialstandards umzubauen. Im Gegenteil: Österreich ist nicht nur säumig, was die Umsetzung der EU-Mindeststandards angeht, sondern Österreich ist auch dabei, die EU-Mindeststandards zu ignorieren, ja diese, wenn man den Artikeln in der Tagespresse von gestern und heute Glauben schenken darf, sogar deutlich zu unterschreiten.

Das, was hier als Paket für das 2. Sozialrechts-Änderungsgesetz vorliegt, beschäftigt sich hauptsächlich mit den finanziellen Gegebenheiten im Gesundheitsbereich. Es wird für den Bund in den nächsten drei Jahren etwa 12 Milliarden Schilling an Mehrkosten verursachen. Das wird höchstens dazu führen – es gibt keine Gutachten, die das widerlegen –, die exorbitanten Zuwächse bei den Gesundheitskosten in den letzten Jahren einzubremsen, wird aber mit Sicherheit keine effizienten Einsparungen bringen.

Dieses System und diese Gesetze, die wir heute verabschieden, werden dazu führen, daß all das, was im Vorfeld dieser Reform versprochen worden ist, als das demaskiert wird, wofür wir Freiheitlichen und viele Österreicherinnen und Österreicher es schon länger gehalten haben: als Makulatur.

Die Versprechungen sind über Bord geworfen worden. Die Zusagen des Jahres 1994 etwa über die gerechte Aufteilung der neuen Mehrwertsteuerregelungen innerhalb der Sozial- und Gesundheitsberufe sind keinesfalls, so wissen wir heute, auf "Punkt und Beistrich", wie Lacina es versprochen hat, eingehalten worden.

Die Nachfolger fühlen sich nicht an die Zusagen ihrer Vorgänger gebunden. Der Glaube in die Politik wird in diesem Lande systematisch unterminiert, und es braucht sich niemand mehr darüber zu wundern, daß Millionen Österreicherinnen und Österreicher kein Vertrauen mehr in die Politik haben. Noch deutlicher als heute bei diesen Sozialrechts-Änderungsgesetzen und den Gesundheitsgesetzen am Nachmittag wird es nicht möglich sein, zu zeigen, wie wenig Wert Zusagen von Politikern im Vorfeld von Volksabstimmungen haben. Das, was gestern versprochen wurde, ist dem Nachfolger nicht einmal mehr eine faire Verhandlung wert.

Es hat niemanden gegeben – ich zitiere hier aus der Zeitung der österreichischen Privatversicherungen "Der Privatpatient" –, der nicht gemeint hätte, daß der Erfolg der Reformschritte im Gesundheitsbereich vor allem von zwei Dingen abhängig sein wird, nämlich erstens von der Kooperation der Ärzteschaft und der sonstigen Gesundheits- und Heilberufe und zweitens davon, ob es endlich gelingt, den "Filter", den der niedergelassene Arzt im Gesundheitssystem national und international allen Studien zufolge einzunehmen hat, auch so auszubauen, daß dieses Gesundheitssystem effizient wirken kann.


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Auf der einen Seite wird, was zu begrüßen ist, in den Krankenanstalten endlich die daten- und leistungsorientierte Finanzierung eingeführt. Wir Freiheitlichen haben immer schon gemeint, die Einführung nur im stationären Bereich ist zuwenig, es muß auf den ambulanten Bereich, auf den Bereich der niedergelassenen Ärzte ausgedehnt werden.

Auf gut deutsch gesagt: Die globale Einführung einer leistungsorientierten Honorierung wäre der einzige Ausweg, um tatsächlich dem vorgelagerten extramuralen Feld die Filterfunktion und Managementfunktion des Gesundheitswesens, wie alle internationalen Studien belegen, zukommen zu lassen.

Die Kooperation mit der Ärzteschaft ist zerbrochen, aber auch die Angehörigen der Heil- und Gesundheitsberufe wissen, was ihnen mit Rufbereitschaft, mit Kostendeckelung und mit Arbeitszeitregelungen, die unter den EU-Standards liegen, in Zukunft droht: Sie werden die Manövriermasse der Manager sein, und die Manager werden für die Einsparung in diesem Bereich, wie man es in der Kärntner Krankenanstaltengesellschaft ja sieht, dann zusätzlich Millionenhonorare lukrieren.

Für die einfachen Arbeitnehmer, für die betroffenen Turnusärzte und die sonstigen Teilnehmer als Arbeitskräfte im Gesundheitssystem wird nichts übrigbleiben – außer einer noch weniger planbaren Privatsphäre, einer noch größeren Zurverfügungstellung ihrer Arbeitsleistung und ihrer Arbeitskraft.

Es wird eine Schlechterstellung geben, und man muß es deutlich und klar sagen: Die Änderungen, die heute hier beschlossen werden, sind nicht anderes als die Legalisierung des 25jährigen Versagens der Bundesregierung und der betreffenden Gesundheits- und Sozialpolitiker, sind nichts anderes als die Legalisierung eines Rückschritts.

Die hohen Anforderungen, die in den Reformen der Jahre 1972 und 1974 gestellt wurden, werden zurückgedrängt. Die Anwesenheit nur mehr eines einzigen Facharztes rund um die Uhr in den kleinen Krankenanstalten wird legalisiert. Der Arbeitsdruck auf die Turnusärzte wird von zwei Seiten erhöht: einerseits durch die ärztliche Berufsausbildung und andererseits dadurch, daß sie als Ärzte in Ausbildung nicht den Arbeitnehmerschutz genießen werden. Auch das ist ein Rückschritt.

Es ist klar, daß auch die davon betroffenen Krankenschwestern und das Hilfspersonal nicht damit einverstanden sind, sind sie – im Unterschied zu den Patienten – doch diejenigen, die sehen, daß diese neuen Reformen heute schon dort, wo sie illegal durchgeführt werden, einen Leistungs- und Belastungsdruck und vor allem auch einen moralischen Druck für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Heilberufen darstellen.

Es ist nicht allein die Bezahlung der Grund dafür, daß so viele Krankenschwestern ihren Beruf vorzeitig, nach kurzer Tätigkeit beenden. Der Druck auf dem Arbeitsplatz, die psychische Situation, mit Problemen konfrontiert zu werden, die Sache der zuständigen Ärzte wären, die aber nicht anwesend sind, obwohl sie laut Gesetz ja die einzigen wären, die die Versorgung ordnungsgemäß zu koordinieren und patientenorientiert durchzuführen hätten, all das ist am frühzeitigen Ausscheiden von Krankenschwestern mit schuld. Die beigeordneten Hilfsdienste müssen Arbeiten leisten, mit denen sie überfordert sind, und sie können langfristig weder die moralische noch die psychische Belastung tragen. Damit wird das System an sich in Frage gestellt.

Herr Bundesminister! Ich glaube, daß Sie der österreichischen Bevölkerung mit diesem 2. Sozialrechts-Änderungsgesetz, vor allem mit jenen Teilen, die die Krankenanstaltenfinanzierung betreffen, keinen guten Dienst erweisen.

Ich gebe zu, daß auch einige positive Aspekte in diesem Gesetz enthalten sind, wie etwa die Einführung der leistungsorientierten Abrechnung in den Krankenanstalten, die Aussetzung der Erhöhung der Krankenscheingebühr, die entsprechende Verwaltungsvereinfachung beim Abbuchen der meiner Ansicht nach abzulehnenden Krankenscheingebühr von 50 S.


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Aber auch der Artikel 10, der aufgrund eines Zusatzantrages der Kollegen Feurstein und Reitsamer hinzugekommen ist, soll noch positiv erwähnt werden. Es geht dabei darum, Langzeitarbeitslose wieder in die Arbeitswelt zurückzuholen. Ich darf durchaus mit Stolz sagen, daß die Grundkonzeption dieses Artikels 10 auch auf Überlegungen basiert, die wir Freiheitlichen im Zusammenhang mit Fremdenverkehrsberufen bezüglich der Zahlung von Notstandshilfe angestellt haben. Als wir das für die Fremdenverkehrsberufe gefordert haben, ist noch eine ÖGB- und eine AK-Kampagne gegen uns Freiheitliche losgetreten worden, und man hat uns vorgeworfen, daß wir damit den Arbeitnehmern ihre Mindestlöhne wegnehmen wollen. Heute, da Sie das gleiche System für die Langzeitarbeitslosen umsetzen, sind auch wir Freiheitlichen mit unseren Vorstellungen rehabilitiert, und das ist gut so. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Angesichts der gesamten Materie müssen wir einfach feststellen, daß der wichtigste Block, jener der Krankenanstaltenfinanzierung, nicht gelöst wurde, ja im Gegenteil, daß er patientenfeindlich, arbeitnehmerfeindlich ist.

Ich möchte damit schließen, womit ich begonnen habe. Ich konnte mir 1994 nicht vorstellen, daß so schnell der Tag kommen würde, daß ich als österreichischer Abgeordneter aus dem Sozialbereich fast froh bin darüber, daß es in der EU arbeitsrechtliche Mindestregelungen gibt, daß man nicht einfach dem Markt ausgeliefert ist, denn diese Bundesregierung hält sogar diese Mindeststandards nicht ein.

Das heutige Sozialrechts-Änderungsgesetz ist für mich ein Trauerstück der Sozialpolitik, Herr Bundesminister. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich nun Frau Abgeordnete Reitsamer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

10.20

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Mit dem 2. Sozialrechts-Änderungsgesetz soll die Anpassung an die Artikel-15a-Vereinbarung bezüglich leistungsorientierter Krankenanstaltenfinanzierung geschehen. Eine unendliche Geschichte, wie ich meine. Ich bin im Jahre 1990 in das Parlament gekommen, alljährlich haben wir eine KRAZAF-Verlängerung beschlossen. Immer wieder ist die leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung am Widerstand der Länder gescheitert.

Im März 1996 kam es dann endlich zu einer entsprechenden Vereinbarung. Die Umsetzung gestaltete sich dennoch sehr, sehr schwierig.

Ich bin eigentlich immer davon ausgegangen, daß ein gesamtes Paket, welches teils im Sozialbereich, teils im Gesundheitsbereich angesiedelt ist, heute zur Abstimmung kommt, nämlich zum einen die Krankenanstaltenfinanzierung mit der vieldiskutierten Rufbereitschaft und zum zweiten das Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen, die Ärztegesetznovelle, die schon zitierte Artikel-15a-Vereinbarung über die Reform der Krankenanstaltenfinanzierung und des Gesundheitswesens einerseits, daß 2. Sozialrechts-Änderungsgesetz und das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz andererseits.

Letzteres wurde im Sozialausschuß vertagt. Bis gestern liefen die Verhandlungen auf Hochtouren, mit allen terminlichen Turbulenzen, die man sich nur vorstellen kann. Ein neuerlicher Sozialausschußtermin konnte aus verständlichen Gründen noch nicht festgesetzt werden. Aber für mich ist der Beschluß über die Rufbereitschaft ohne den Beschluß des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes undenkbar. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch das Spitalspersonal hat mit bundesweiten Protestmaßnahmen gedroht, sollte es nicht zu einer Paketlösung – Rufbereitschaft plus Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz – kommen.

Ich habe die kontroversiellen Aussagen rund um diese Thematik durchaus ernst genommen und eine Reihe von Gesprächen geführt. Die betroffenen Berufsgruppen haben Verständnis dafür gezeigt, daß nicht allen ihren Wünschen Rechnung getragen werden kann. Aber teilweise hat


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man Ausreden dafür gebraucht, daß Ausbeutung des Personals stattfindet, daß man daran einfach nichts ändern möchte und daß man sich den Druck auf dem Arbeitsmarkt zunutze macht.

Heute hier die Vorlagen, die engstens miteinander verknüpft sind, nur teilweise zu beschließen, also einen Torso zu verabschieden, das ist den Ärzten, dem Pflegepersonal und auch den Patienten nicht zumutbar. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb wird es heute noch einen Antrag von unserer Seite her geben, wonach die sogenannte Rufbereitschaft erst dann in Kraft treten wird, wenn auch das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz in Kraft tritt.

Weil Herr Kollege Haupt hier gesagt hat, die Turnusärzte wären auf der Strecke geblieben: Es ist anerkannt – Herr Kollege Feuerstein wird dies bestätigen –, daß in Österreich Turnusärzte Arbeitnehmer, ja Systemerhalter sind. Darüber besteht kein Zweifel, darin sind wir uns alle einig.

Worum geht es bei dieser Reform insgesamt, meine Damen und Herren? – Es geht um den Grundsatz der Kostenbegrenzung bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung von Qualitätsstandards. Doch da macht mich eines sehr traurig: daß sich Profis, noch bevor wir die leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung überhaupt beschlossen haben – entsprechende Anpassungen sollen über das Sozialrechts-Änderungsgesetz heute erfolgen, wie ich schon gesagt habe – mit der Frage auseinandersetzen, wie sie dieses System am besten unterlaufen können. Meine Kollegin Pittermann wird sich damit noch näher auseinandersetzen.

Meine Damen und Herren! Nahezu 100 Prozent der Österreicher sind pflichtversichert. Leistungen, freier Zugang zu den niedergelassenen Ärzten, Behandlung und Pflege in der allgemeinen Klasse der öffentlichen Spitäler stehen ihnen daher zu. Aber wie diese Behandlung und Pflege auszusehen haben, dafür ist ausschließlich der Zustand des Patienten ausschlaggebend.

Meine Damen und Herren! Beklagen wir nicht immer nur die Kosten, und tun wir doch nicht immer so, als ob keine Gründe für die Kostenexplosion im Gesundheitsbereich gäbe! Denken Sie nur daran, was alles heute im einem Krankenhaus geschieht, was beispielsweise alleine bei der Operationsvorbereitung gemacht wird. Früher wurde man ganz einfach auf den Tisch gelegt und operiert – mit all den Risken, die damit verbunden waren. Heute gibt es die Eigenblutvorsorge, es werden eine Herzuntersuchung und eine Lungenuntersuchung vorgenommen. Wir können uns doch nicht vormachen, daß das alles nichts kostet! Diese Qualität muß uns einfach etwas wert sein, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Donabauer. )

Die Mittelaufbringung erfolgt immer noch hauptsächlich über die Pflichtversicherungen, gefolgt von den Gebietskörperschaften als Spitalsträger und von den Zusatzversicherungen.

Der KRAZAF als Finanzierungsträger, dotiert von Sozialversicherung und Gebietskörperschaften, hat in den letzten Jahren mehr und mehr an Bedeutung gewonnen, und jetzt hört er als Finanzierungsträger zu bestehen auf. Es kommt zu einer Pauschalierung der Zahlungen der Sozialversicherungsträger an die Bundesländer. Diese Pauschalzahlungen sollen die Abgeltung durch tageweise verrechnete Pflegekostenersätze ablösen. Neun Ländertöpfe werden eingerichtet. Die Abwicklung der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung nach Punktewerten ist zwingend vorgeschrieben.

Meine Damen und Herren! Machen wir doch nicht etwas schon schlecht, wenn wir noch gar nicht sagen können, wie es sich bewähren wird. Wir haben jetzt Zeit bis zum Jahr 2000 und werden sehen, ob das eine gute Lösung ist. Wir sind auch bereit, weitere Verbesserungen und Ausweitungen vorzunehmen, sollte sich das als notwendig erweisen.

Weil wir gerade mit diesem Sozialrechts-Änderungsgesetz eine Anpassung der Sozialversicherungsgesetze an das neue Verrechnungssystem vornehmen, sei mir das neuerliche Bekenntnis zur Pflichtversicherung erlaubt. In unserer Sozialversicherung findet eine Vermischung von guten und schlechten Risken statt, während mit der Versicherungspflicht die soziale Solidarität zumindest beeinträchtigt würde.


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Mit zwei Punkten des Sozialrechts-Änderungsgesetzes möchte ich mich noch besonders auseinandersetzen. Das eine ist der § 131, der sich mit der Wahlarztregelung beschäftigt. Während bei den Ärzten von einer flächendeckenden Versorgung ausgegangen werden kann, ist dies bei den anderen betroffenen Gesundheitsberufen nicht unbedingt der Fall. So waren mit der seinerzeitigen Regelung, zum Beispiel im Bereich der Physikotherapie, keine Einsparungen verbunden. Es gab zuwenig Therapeuten mit Vertrag, daher lange Wartezeiten, lange Krankenstände mit den entsprechenden Auswirkungen auf den Kostensektor. Mit dem neuen Absatz 6 ist da eine wesentliche Entschärfung vorgenommen worden.

Der zweite Punkt ist die besondere Eingliederungsbeihilfe, die auch von Herrn Kollegen Haupt schon erwähnt wurde. Mit dieser Änderung des Arbeitsmarktservicegesetzes wird es möglich sein, Dienstgebern, die einen Langzeitarbeitslosen beschäftigen, eine Beihilfe in Höhe der Notstandshilfe zuzuzahlen. Es entstehen dadurch keine zusätzlichen Kosten, es wird aber ein wesentlicher Anreiz für den Arbeitgeber gegeben sein, Langzeitarbeitslose einzustellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist mir auch ein Anliegen, meine Damen und Herren, nicht unerwähnt zu lassen, daß Bundesminister Hums eine weitere Erhöhung der Rezeptgebühr mit allen Nachdruck ausgeschlossen, ja einfach nicht zugelassen hat. Ich sehe darin ein wichtiges Signal, vor allem an die Familien und an die älteren Menschen. (Beifall bei der SPÖ.)

Umso mehr Befremden hat bei mir aber die Fernsehmeldung – ich glaube, vom Mittwoch – ausgelöst, wonach in den Apotheken Unterschriften von Menschen gesammelt werden, die gegen eine Verbilligung von Medikamenten sind. Ohne leugnen zu wollen, daß Apotheken über besonders qualifiziertes Personal verfügen müssen, kann ich die angeblich zu geringe Spanne in der Preisgestaltung nicht nachvollziehen. Aber offensichtlich ist es so: Wer Wert auf Fachberatung legt, der traut sich seine Unterschrift nicht zu verweigern, ohne über den Widerspruch an sich nachzudenken. (Abg. Haigermoser: Glauben Sie, sie sind gezwungen worden, Frau Kollegin, die Unterschrift zu leisten?) Das habe ich nicht gesagt. Aber wenn ich Wert auf eine gute Beratung lege und mich jemand um eine Unterschrift bittet, dann leiste ich diese manchmal, ohne viel nachzudenken. So sehe ich das, und es wird doch noch legitim sein, daß ich das so sehe. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Aha! Und was halten Sie von einem mündigen Bürger?) Das hat mit dem mündigen Bürger nichts zu tun. Wenn man heute ein Nahverhältnis zu seiner Apotheke hat, dann leistet man die Unterschrift und glaubt, einen Freundschaftsdienst zu tun. Ich habe gesagt: "ohne über den Widerspruch an sich nachzudenken", ich habe nichts von Unter-Druck-Setzen gesagt, Herr Kollege Haigermoser. Da müssen Sie besser aufpassen! (Abg. Mag. Haupt: Er hat schon richtig aufgepaßt!) Herr Kollege Haupt! Das ist Ihre Interpretation, ich habe Ihnen hier meine geschildert.

Abschließend möchte ich noch auf den Entschließungsantrag betreffend die Einführung der Chipkarte eingehen. Bis 1. Jänner 1998 sollen die Voraussetzungen für die Einführung des Chipkartensystems geschaffen werden. Wichtig ist dabei, daß dadurch für die Versicherten keine zusätzlichen Belastungen entstehen, daß datenschutzrechtliche Belange gewahrt bleiben und daß sich die Wirtschaft an den Kosten beteiligt.

Es sind für diese Chipkarte unterschiedliche Varianten vorgesehen, gerade in bezug auf den Datenschutz. Ich könnte mir zwei Codes vorstellen: einen für persönlichen Daten und einen für Gesundheitsdaten.

Es sind auch Varianten an mich herangetragen worden, wonach man sich für zwei Karten ausgesprochen hat. Ich meine aber, daß das alles von Experten noch zu prüfen sein wird. Auf jeden Fall macht es Sinn, sich mit dem Chipkartensystem in naher Zukunft intensiv auseinanderzusetzen. (Beifall bei der SPÖ.)


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49. Sitzung / Seite 41

10.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.31

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich knüpfe unmittelbar an die Ausführungen meiner Vorrednerin, der Kollegin Reitsamer, an und möchte sagen, daß ich beunruhigt bin. Wir haben im Ausschuß über die Materien, die jetzt hier zur Verhandlung stehen, ausführlich diskutiert, und unter anderem ist auch dort der Entschließungsantrag der Regierungsparteien betreffend die Einführung einer Chipkarte eingebracht worden. Im Ausschuß hat sich das aber noch ganz anders angehört als jetzt. Jetzt wird nämlich bereits offen davon gesprochen, daß es sich bei dieser Chipkarte um einen elektronischen Datenträger handeln soll, auf dem die gesamten persönlichen medizinischen Daten des Betroffenen aufscheinen – denn sonst hätte die Bemerkung der Kollegin Reitsamer, man werde das mit zwei Codes machen, gar keinen Sinn! (Abg. Dr. Feurstein: Das stimmt doch gar nicht!)

Wir vom Liberalen Forum haben zu allen Zeitpunkten erklärt, daß wir es für einen innovativen Schritt hielten, sollten in der Sozialversicherung endlich auch moderne Büroorganisationsmittel Einkehr halten und zum Beispiel eine Versicherungskarte in Form einer Chipkarte eingeführt werden, auf der die Stammdaten des Versicherten und die Tatsache, daß er versichert ist, ablesbar sind. Davon würden wir uns übrigens auch erwarten, daß das nicht nur bedeutende Einsparungen in den Verwaltungsabläufen bringt, sondern selbstverständlich auch die Unternehmen, die jetzt noch die Krankenscheine ausgeben müssen, nachhaltig entlastet.

Wir waren also der Meinung, dieses Chipkartensystem kann, wenn es richtig gemacht wird, insgesamt gesehen etwas sein, wovon alle einen Vorteil haben. Wir haben aber immer klargestellt, daß die persönlichen Gesundheitsdaten ein so sensibler Bereich sind, daß wir eine gesetzliche Regelung, die vorsieht, daß persönliche Gesundheitsdaten zwangsweise auf solch einer Karte integriert sein müssen, jedenfalls ablehnen.

Das ist nicht nur eine Frage des Datenschutzes, sondern das ist bereits mehr, nämlich auch eine Frage von Persönlichkeitsrechten. Es muß meine persönliche Entscheidung sein, ob ich will, daß auf einer solchen Chipkarte meine Krankengeschichte bis in alle Details, einschließlich der Kinderkrankheiten, aufscheint und daher maschinenlesbar jederzeit und überall zur Verfügung steht. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Da können Sie mit den Mitteln des Datenschutzrechtes das Auslangen nicht finden, denn diese Daten machen nur dann Sinn, wenn sie bis ins Letzte detailliert sind, aber ab diesem Punkt ist eben der Datenschutz im Sinne von Rechtsnormen, die die Benützung dieser Daten regeln, nicht mehr möglich. Daher muß sich jeder persönlich entscheiden können, ob er das für sich will, weil es natürlich im Notfall ohne Zweifel eine hervorragende Hilfe für den behandelnden Arzt ist, insbesondere dann, wenn der Patient vielleicht gar nicht mehr ansprechbar ist. Aber es ist in die Eigenverantwortung des Versicherten zu legen, ob er das will oder nicht. Wenn er das nämlich verweigert, dann hat er das Folgerisiko eingeschätzt und auf sich genommen. Aus Gründen der vereinfachten Abwicklung von Patienten – ich sage bewußt dieses harte Wort – werden wir das nicht akzeptieren können! (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Öllinger. )

Wenn man sich die Gesetzesmaterien anschaut, mit denen wir heute befaßt sind, dann merkt man, daß ohnehin der Datenschutz etwas ist, wozu die Bundesregierung beziehungsweise die hier zur Debatte stehenden Gesetze einen sehr verqueren Zugang aufweisen, weil darin zum Ausdruck kommt, daß man Gesundheitsdaten, die man auch für die Verrechnung zwischen den einzelnen Rechtsträgern braucht – Krankenanstalt und behandelnde Ärzte einerseits, Versicherungsträger andererseits –, recht freimütig zu handhaben gedenkt.

Aus diesem Grund hat meine Fraktion einen Abänderungsantrag eingebracht, den ich nun pflichtgemäß zur Verlesung bringe.

Abänderungsantrag

des Abgeordneten Dr. Volker Kier und PartnerInnen zum Tagesordnungspunkt 1

Der Nationalrat wolle beschließen:

In Art. I Z 14 lautet § 148 Z 5 ASVG:


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"5. Die Versicherungsträger haben ohne Einschaltung der Landesfonds folgende Rechte gegenüber dem Rechtsträger der Krankenanstalt:

a) das Recht auf Einsichtnahme in die den Krankheitsfall betreffenden Unterlagen der Krankenanstalt ausschließlich durch Ärzte der Versicherungsträger, sofern sichergestellt ist, daß dadurch ein Personenbezug nicht mehr herzustellen ist;

b) das Recht, den Patienten durch einen beauftragten Facharzt in der Krankenanstalt im Einvernehmen mit dieser untersuchen zu lassen;

c) das Recht, Ausfertigungen jener Unterlagen zu erhalten, die zur Abrechnung von Zahlungen eines Landesfonds oder einer anderen Stelle für Leistungen einer Krankenanstalt notwendig sind. Dabei muß sichergestellt sein, daß durch Verwendung dieser Daten (insbesondere Aufnahmeanzeige und Entlassungsanzeige samt Diagnosen, Versichertenzuständigkeitserklärung, Verrechnungsdaten) ein Personenbezug nicht mehr herzustellen ist; dieses Recht umfaßt auch die entsprechenden Statistiken; ferner das Recht auf Übermittlung von anonymisierten Daten der Leistungserbringung an den Patienten auf der Basis des LKF/LDF-Systems; diese Rechte können jedoch nur dann gegenüber einer Krankenanstalt geltend gemacht werden, wenn diese Unterlagen beziehungsweise Daten nicht in angemessener Frist vom Landesfonds zur Verfügung gestellt werden."

*****

Das Substrat dieser trockenen legistischen Formulierungen heißt: Auch im Verrechnungsfall hat der Patient das Recht, in seinen persönlichen Daten geschützt zu werden. Sind Rückfragen und Kontrollen notwendig, sind sie in die Hände von Ärzten zu legen. Im übrigen ist der Datenverkehr zu anonymisieren. Nur im Einzelfall kann ein Vertrauensarzt auch des Versicherungsträgers dann die Kontrollmitteilungen aufnehmen.

Die von den Regierungsparteien vorgeschlagene Regelung sieht einen völlig offenen Datentransfer mit allen Gesundheitsdaten der in einem Versicherungsverhältnis stehenden Patienten vor, und das ist unerträglich. Ich kann das nur wiederholen: Das ist unerträglich!

Ich stelle noch einmal den Bezug zur Chipkarte her: Die Aussage der Kollegin Reitsamer, wir werden dann zwei Zugriffscodes machen, war mehr als deutlich. Das war der Beweis dafür, daß längst an etwas anderes gedacht wird, als es im Ausschuß den Anschein hatte. Wir waren daher schon im Ausschuß gut beraten, diese Initiative abzulehnen. Wir werden sie auch in diesem Hohen Haus ablehnen. (Abg. Reitsamer: Herr Kollege! Das habe ich aber nicht gesagt!) Sie haben gesagt, Frau Kollegin Reitsamer ... (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Reitsamer. ) Richtig, da widerspreche ich Ihnen auch gar nicht. Aber dann, wenn man grundsätzlich vorhat, das einzuführen, muß man diese Diskussion führen. Diese Diskussion kann man nicht führen, wenn man einen anderen Grundrechtszugang hat. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Was auf freiwilliger Basis geschieht und möglich ist, das ist nicht notwendig, gesetzlich zu regeln. Es ist jederzeit möglich, daß ich meine Gesundheitsdaten bei mir trage. Wenn ich eine altmodische Form verwende, dann brauche ich vielleicht, wenn ich oft krank bin, einen kleinen Aktenkoffer, wo alle Krankheitsunterlagen drinnen sind. Wenn ich moderne Büroorganisationsmittel verwende, habe ich vielleicht einen elektronischen Datenträger bei mir, auf welchem das alles drauf ist. Dazu brauche ich doch keinen Gesetzgeber, denn das darf ich als Patient. Es ist mir nicht verboten, meinem Arzt vollständige Auskunft zu geben. Welche Hilfsmittel ich dazu verwende, ist völlig mir anheimgestellt. Wenn standardisierte Hilfsmittel ausgebildet werden, sozusagen genormte, wo ich dann davon ausgehen kann, daß jeder Arzt über das Lesegerät für meine elektronischen Daten verfügt, dann wird mich das freuen. Aber das ist in meiner Privatautonomie möglich, dazu brauche ich keinen Gesetzgeber. Das ist der springende Punkt!

Aber Sie haben einen anderen politischen Zugang zu den Menschen, Sie sagen: Was ich den Menschen gesetzlich nicht vorschreibe, das machen sie nicht! Diese Ihre Philosophie würde


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dazu führen, daß wir das nächste Mal Verordnungen machen müssen, wo wir unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern vorschreiben – womöglich unter Androhung einer Verwaltungsstrafe –, daß sie sich alle 14 Tage zur Gesundheitskontrolle melden müssen, weil das der Vorbeugemedizin dient. Ich nehme an, daß Sie das nicht ernst meinen, und das unterstelle ich Ihnen auch nicht. Aber das ist Ihre Philosophie: Was ich den Menschen nicht vorschreibe, machen sie offenbar nicht!

Sie haben schon recht, es gibt viele Menschen, die leichtsinnig sind und mit ihrer Gesundheit leichtfertig umgehen. Aber das werden Sie durch gesetzliche Anordnungen nicht ändern können, sondern nur durch Aufklärungsarbeit. Das ist ein ganz wichtiger Zugang! Wo ist das Selbstbewußtsein der Politik geblieben, daß sie nicht auch auf Aufklärungsarbeit und auf den mündigen Bürger setzt? Das ist der springende Punkt! Das, was Sie vorhaben, ist Bevormundung und ein massiver Eingriff in die Privatsphäre! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ein weiterer Aspekt der hier zur Verhandlung stehenden Gesetze ist folgender: Kollegin Reitsamer hat darauf hingewiesen, daß noch eine Änderung kommt, daß bestimmte Dinge erst in Kraft treten werden, wenn der Schlußstein, die Arbeitszeitregelung in den Spitälern, kommt. Dazu sage ich Ihnen nur: Wir werden gut beraten sein, das so zu machen. Denn ich höre zwar, daß es inzwischen eine Einigung mit den Landeshauptleuten gibt, aber eine Einigung mit den Landeshauptleuten hat es auch vor Wochen schon gegeben. Wir wissen, daß Einigungen mit österreichischen Landeshauptleuten möglicherweise das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben sind. Plötzlich haben sich die Herren Pühringer und Schausberger einfallen lassen, daß ihnen das irgendwie unsympathisch ist – und ihre ausdrücklichen Zusagen waren auf einmal Makulatur! Woher nehmen Sie also die Sicherheit, daß es diesmal nicht wieder so sein wird?

Daher: Wenn eine Koppelung des Inkrafttretens vorgesehen werden soll, dann wäre das grundsätzlich zu begrüßen, wenngleich das ganze Reformwerk aus meiner Sicht auf mehren Füßen hinkt, zum Beispiel beim Aspekt der Deckelung der Zahlungen der Sozialversicherungsträger im Umfang von 37 Milliarden Schilling.

Es ist an und für sich vernünftig, zu fragen: Wie kriegen wir die Kosten unter Kontrolle?, und zu sagen: Wir setzen fixe Budgets fest, wir deckeln bestimmte Ausgaben. Aber in der Form, wie Sie das machen, erreichen Sie in Wirklichkeit nur eine Verlagerung des Problems. Es wird ja geradezu eine Einladung an die Sozialversicherungsträger ausgesprochen, die Kosten aus dem extramuralen Bereich in den Krankenanstaltenbereich zurückzuverlagern, weil dort ihre Haftung, ihre Zahlungspflicht mit 37 Milliarden gedeckelt ist. Die Sozialversicherungsträger müssen auf keinen Fall mehr zahlen als diesen Betrag. Dafür sind jetzt die Länder zuständig.

Das ist zwar von der Philosophie her grundsätzlich richtig, denn man muß mehrere Gruppen haben, die daran interessiert sind, daß die Kosten niedrig bleiben, aber es gibt keine korrespondierende Verpflichtung, den extramuralen Bereich auszubauen. Glauben Sie denn wirklich, die Sozialversicherungsträger werden jetzt Geld dazu verwenden, den extramuralen Bereich zu stärken, wenn sie in den stationären Bereichen die Aufwände gedeckelt, aber keine Verpflichtungen im extramuralen Bereich übernommen haben? Glauben Sie das ernsthaft? – Das wäre ja direkt fahrlässig, wenn sie jetzt Geld dazu verwenden würden, um etwas einzusparen, was sie gar nicht bei sich selbst einsparen!

Noch dazu kann man bei der "Kollegialität", die im derzeitigen System vorherrscht, wo Landeshauptleute einmal ja und einmal nein sagen, gegebene Zusagen zurücknehmen und dann doch wieder neue Zusagen geben, nicht erwarten, daß sich vertrauensvolle Zusammenarbeit entwickelt. Das, was Sie hier machen, ist sozusagen bereits ein Fehlstart vor dem Start!

Daher sage ich Ihnen: Diese Deckelung ist zwar gut gemeint, wird aber schlecht ausgehen, weil in Wirklichkeit die Gesamtlösung fehlt. Eine Gesamtlösung wird jedoch erst dann möglich sein, wenn in dieser Republik endlich einmal vertrauensvoll zusammengearbeitet wird.

Von vertrauensvoller Zusammenarbeit in diesem Bereich kann man aber nicht reden, denn was wir in der letzten Ausschußsitzung erlebt haben, war ein beeindruckendes Schauspiel von


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wechselseitigem Mißtrauen. Alle waren sich sachlich darüber im klaren, daß die Arbeitszeitregelung in den Spitälern entscheidungsreif ist, aber nur aus Gründen des kleinkarierten politischen Bargaining mußte dieser Punkt vertagt werden.

In solch einer Atmosphäre zu erwarten, daß ein so komplexes System in seinen Strukturen gesunden wird, ist ein echter Denkfehler, denn ein Pühringer oder ein Schausberger, die ein gegebenes Wort schon einmal nicht gehalten haben, sind im zweiten Fall des gegebenen Wortes vielleicht nicht wert. – Ich betone: vielleicht! Ich hoffe, ich irre mich. (Zwischenruf des Abg. Dr. Leiner. ) Aber woher nehme ich die Sicherheit, daß jemand, der ein Bundesland repräsentiert und eine gegebene Zusage aus Gründen von vielleicht 5 S mehr oder weniger widerruft, das beim nächsten Mal nicht wieder macht? – Das ist, bitte, eine Frage der Handschlagsqualität, und die fehlt hier! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ein weiterer Aspekt, der mir wichtig ist, ist der Aspekt der Krankenscheingebühren. Das hängt irgendwo als Kulisse hinter der Chipkarte. Sie haben sich also jetzt einfallen lassen, daß die Krankenscheingebühr direkt mit den Sozialversicherungsbeiträgen eingehoben wird. Das ist eine Möglichkeit der administrativen Erleichterung – gut. Aber es ist auch das offene Einbekenntnis, daß es sich um eine Anhebung der Versicherungsbeiträge in einer linearen Form handelt, um eine Art Selbstbehalt in linearer Form, die Sie Krankenscheingebühr nennen und die Sie gemeinsam mit den Sozialversicherungsbeiträgen einheben.

Das hätten Sie doch gleich sagen können! Nur, um das Dekor zu wahren, daß es zu keiner Anhebung der Krankenversicherungsbeiträge gekommen ist – auf dem Papier, denn der Prozentsatz ist gleich geblieben –, haben Sie die Krankenscheingebühr eingeführt. Dabei mußten Sie eine Fülle von Ausnahmen machen, denn es hat sich herausgestellt, daß das nicht so einfach geht, und jetzt sind Sie draufgekommen: Heben wir die Gebühr doch einfach zusammen mit den Sozialversicherungsbeiträgen ein!

Da hätten Sie doch ehrlicherweise sagen sollen: Wir kommen nicht aus, wir müssen leider eine weitere einnahmenseitige Erhöhung machen! – Wir hätten auch das abgelehnt, aber es wäre ehrlicher gewesen. Ehrlichkeit ist eine Kategorie in der Politik, die Glaubwürdigkeit bedeutet, aber auf diese Art verderben Sie die Glaubwürdigkeit. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Das, was jetzt erreicht wurde, nämlich daß die Rezeptgebühren mindestens ein Jahr lang nicht angehoben werden, ist für mich sozusagen nur eine schmerzstillende Streicheleinheit. Ich freue mich zwar, wenn wir jetzt bei den Rezeptgebühren ein Jahr Atempause bekommen, aber letztlich heißt das auch implizit, daß wir damit rechnen sollten, daß sie am 1. Jänner 1998 angehoben werden, sonst hätte man diese Frist doch länger machen können. Das ist nicht mehr als eine "kurzatmige Erholungspause". Das alles geschieht aber auf dem Rücken von Sozialversicherten, die in vielen, vielen Fällen keineswegs über ein so auskömmliches Einkommen verfügen, daß ihnen die Höhe der Rezeptgebühr gleichgültig sein kann. Daher meine ich, das ist ein Trostpflaster, das die eigentlichen Wunden nicht heilt, sondern nur vorübergehend zudeckt.

Etwas Ähnliches ist Ihnen auch bei den Langzeitarbeitslosen eingefallen – damit mache ich einen Sprung in eine andere Materie. Dort haben Sie die Möglichkeiten, die es geben würde, etwa die, daß man Arbeitslosigkeit auch mit Teilzeitarbeit kombinieren kann, wie erst beim Schweizer Modell – unsere Fraktion hat dazu einen Antrag eingebracht –, vorsichtshalber gar nicht erst auf die Tagesordnung dieser Sitzung des Sozialausschusses gesetzt. Wenn wir nämlich gleichzeitig über das, was heute zur Debatte steht, und über das Schweizer Modell der Teilarbeitslosigkeit diskutiert hätten, dann wäre augenfällig geworden, daß dieses Schweizer Modell, das das Liberale Forum hier eingebracht hat, in seiner Administration viel einfacher und dezentraler wäre und viel mehr Autonomie brächte! (Abg. Dr. Leiner: Also das stimmt wirklich nicht!) Lassen Sie mich aussprechen, Herr Kollege. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Leiner. ) Das wäre aufgefallen! – Wenn Sie recht hätten, warum haben Sie sich dann davor gefürchtet, das gleichzeitig zu diskutieren? Sie hätten mir ja im Ausschuß sagen können: Lieber Kollege Kier, das ist ganz schlecht, was Sie da vorschlagen; die Schweizer sind bekannt für ihre überschießende Administration und für ihre soziale Großzügigkeit, daher ist das ein ganz


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schlechtes Modell, das die Schweiz macht – daß man nämlich Teilzeitarbeit mit Unterstützung aus dem Arbeitslosengeld kombinieren kann –, das lehnen wir ab!.

Das hätten Sie sagen können, und darüber hätte man im Ausschuß dann diskutieren können, es aber gar nicht erst auf die Tagesordnung zu setzen und mir dann in einem Zwischenruf zuzurufen, das, was ich sage, sei ganz falsch, das ist mir zu simpel! Aber es wird sich ja Gott sei Dank nicht vermeiden lassen, daß eines Tages auch unser Vorschlag hier im Hohen Haus noch wird diskutiert werden können, denn Sie können das zwar verzögern, aber nicht endgültig aufhalten. Dann dürfen Sie unseren Antrag auch ruhig niederstimmen, Sie können von Ihrem Mandat Gebrauch machen, selbstverständlich! Aber es muß öffentlich gemacht werden, daß es wesentlich innovativere Vorschläge gibt, als die überbürokratische Lösung, die jetzt von Ihnen vorgeschlagen wird.

Von der Philosophie und vom Anliegen her können wir Ihrer Lösung völlig folgen, das habe ich auch im Ausschuß gesagt. Das Anliegen teilen wir. Aber wir haben die Sorge, daß es für bestimmte Langzeitarbeitslose ins Auge gehen wird und daß das letztlich in eine Art Zwangsarbeit münden kann – ich betone: kann. Diese Sorge besteht. Und es ist mir zu bürokratisch.

Daher sage ich noch einmal: Wenn man nicht alle Vorschläge gleichzeitig diskutiert, um dann herauszufiltern, was der bestmögliche Kompromiß ist, dann nimmt man sich selbst die Möglichkeit zu Verbesserungen. Aber offenbar findet das deswegen so statt, damit die Opposition nur ja nicht vielleicht einmal einen konstruktiven Vorschlag durchbringt und damit man weiter behaupten kann, die Liberalen denken nicht an die sozial Schwachen. Deshalb werden die Vorschläge gar nicht erst diskutiert. Und das gefällt mir nicht, denn das ist kein guter Zugang zur Politik!

In diesem Sinne meine ich: Das Anliegen bei der Langzeitarbeitslosigkeit verstehen wir, der Zweifel bleibt.

Letzter Eintrag: Wahlarztfrage – 80 Prozent. Da gibt es einen Kompromiß: Es dürfen jetzt zwischen 80 und 100 Prozent der Kosten im Bereich der Physiotherapeuten refundiert werden. Ich sage Ihnen: Das ist ein Lotteriespiel für den Versicherten! Denn jetzt hängt die Frage, ob er 80 oder 100 Prozent refundiert bekommt, endgültig davon ab, bei welcher Sozialversicherung er ist, und sie hängt davon ab, wieviel die Sozialversicherung in seinem Bezirk einem Physiotherapeuten bezahlt, nämlich entweder 600 S oder 300 S pro Stunde. Wenn er Pech hat, zahlt sie 600 S, und er bekommt nur 80 Prozent rückerstattet, wenn er Glück hat, zahlt sie irgendeinen anderen Betrag, und er bekommt 100 Prozent refundiert, wenn er weniger Pech hat, zahlt sie 200 S, und er bekommt 80 Prozent vergütet.

Das ist jene Art der Differenzierung in der Leistungserbringung, die letztlich bedeutet, daß Sie sich einerseits vom Prinzip der gesetzlichen Krankenversicherung verabschieden, andererseits aber werfen Sie uns vor, daß wir fordern, daß man zwischen den Sozialversicherungsträgern wechseln können soll. Da muß ich Sie fragen: Was wollen Sie eigentlich? – Ich denke, Sie wollen das vorhandene System um jeden Preis, und zwar auch um den Preis der sozialen Ungerechtigkeit, am Leben erhalten, und das ist politisch falsch! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich stelle fest, daß der Abänderungsantrag, den Herr Abgeordneter Dr. Kier verlesen hat, ausreichend unterstützt ist und mit in Verhandlung steht.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. – Bitte, Herr Abgeordneter. Redezeit: 10 Minuten.

10.51

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Vorredner haben sich sehr eingehend mit dem Arbeitszeitgesetz für die Krankenanstalten auseinandergesetzt. Ich darf noch einmal feststellen, was schon Frau Abgeordnete Reitsamer gesagt hat: Dieses Arbeitszeitgesetz für die Krankenanstalten kommt aus unserer Sicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt in den Sozialausschuß. Es muß noch in diesem Jahr hier im Plenum


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des Nationalrates beschlossen werden, denn wir legen größten Wert darauf, daß es zu Beginn des Jahres 1997 in Kraft treten kann. Das ist eine ganz eindeutige Festlegung.

Wir haben aus unserer Sicht mit allen Bundesländern Einvernehmen erreicht, und wir können daher sagen: Es ist eine Lösung, die, soweit es möglich ist, sowohl die Interessen der Ärzte, des Krankenpflegepersonals und der Krankenanstalten, als auch die Interessen der Bundesländer, die wesentlich dazu beitragen müssen, berücksichtigt. Es war ein gutes Gespräch und ein gutes Ergebnis, und zu diesem Ergebnis, meine Damen und Herren, stehen wir voll und ganz! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte auch folgendes klarstellen: Die Krankenscheingebühr ist nicht, wie Abgeordneter Kier gesagt hat, eine Beitragserhöhung, sondern eine Maßnahme, die wir vor dem Sommer 1996 gesetzt haben, um eine Strukturreform im Bereich der Sozialversicherung einzuleiten. (Abg. Blünegger: Kollege Feurstein! Das werden Sie doch nicht ernsthaft glauben?!) Diese Strukturreform wird durch die Einführung einer Chipkarte am 1. Jänner 1998 fortgesetzt.

Das ist nicht Bestandteil der Gesetze, die wir heute behandeln, aber ich möchte hier unsere grundsätzliche Position zur Chipkarte zum Ausdruck bringen. Meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh darüber, daß Abgeordneter Haupt unseren Antrag zur Chipkarte, den wir in der Sitzung des Sozialausschusses gestellt haben, mitgetragen hat, weil er auch festgestellt hat, daß hier ein Grund ... (Abg. Mag. Haupt: Ich trage ihn auch heute noch mit – unter den Bedingungen, die draufgestanden sind!) Jawohl, unter diesen Bedingungen, und zu diesen Bedingungen stehen wir.

Meine Damen und Herren! Es kommt dadurch zu massiven Einsparungen. Allein im Jahr 1996 wurden rund 30 Millionen Krankenscheine ausgestellt. Diese Scheine müssen von den Arbeitgebern, den Patienten, den Ärzten und den Krankenversicherungsträgern gehandled werden. Diese Bürokratie, dieser Verwaltungsaufwand wird dann wegfallen. Bedenken Sie: 30 Millionen Zettel weniger in vier Bereichen! Das ist eine gewaltige Reform, die wir durchführen wollen und zu der wir uns bekennen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben im gemeinsamen Entschließungsantrag auch ganz klare Vorgaben festgelegt. Die wichtigste Vorgabe lautet: keine zusätzlichen Belastungen bei den Versicherten! (Beifall der Abgeordneten Hostasch und Dr. Höchtl. )

Die zweite wichtige Vorgabe, die von uns ganz klar formuliert wird, lautet: Es soll eine Chipkarte sein – darin unterscheide ich mich auch etwas von dem, was der Abgeordnete Kier gesagt hat –, aber unter vollständiger Wahrung der Interessen des Datenschutzes. Über diese Interessen des Datenschutzes kann man nicht so einfach hinwegdiskutieren, wie das Abgeordneter Kier gemacht hat, indem er hier zum Ausdruck gebracht hat, da könnte dann sozusagen jeder die Krankheiten eines Patienten ablesen. (Zwischenruf der Abg. Motter. ) – Mitnichten, meine Damen und Herren! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Motter. )

Mitnichten wird das der Fall sein, ganz im Gegenteil! Wir wollen eine ganz klare Beachtung der Datenschutzerfordernisse! Die erforderlichen Gespräche mit dem Datenschutzrat und mit dem Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes müssen natürlich geführt werden, damit wir die persönlichen Rechte voll und ganz schützen können. Das, was vom Abgeordneten Kier gesagt worden ist, ist eine Unterstellung. Ich weise das zurück! Es ist unrichtig, daß wir damit in persönliche Bereiche des einzelnen Menschen eingreifen oder auf diese Einfluß nehmen wollen. Das kommt nicht in Frage! (Beifall bei der ÖVP. – Weiterer Zwischenruf der Abg. Motter. )

Ich erwarte mir aber, daß die konstruktive Zusammenarbeit, die vor allem vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger geübt worden ist, weitergeführt wird, damit wir die technischen Details, die finanziellen Notwendigkeiten und die Datenschutzerfordernisse abklären können, meine Damen und Herren.

Der entscheidende Punkt des Gesetzes, das wir heute behandeln, ist die Strukturreform im Bereich der Finanzierung von Krankenanstalten. Das ist eine gewaltige Strukturreform. Die Verantwortung für die öffentlichen Krankenanstalten und für die privaten gemeinnützigen Krankenan


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stalten, die bisher im KRAZAF inkludiert waren, wird an die Länder übertragen. Die Länder haben im Sinne unseres Prinzips der Subsidiarität die alleinige Verantwortung für die Krankenanstalten, und zwar sowohl im finanziellen Bereich als auch in den anderen Bereichen.

Sie bekommen in den Jahren 1997 bis 2000 einen Betrag, der genau festgelegt wird. Dieser ist in der Artikel 15a-Vereinbarung, die wir ja heute noch beschließen werden, festgelegt. Es gibt neun Länderfonds, aus denen die Krankenanstalten ab 1. Jänner 1997 finanziert werden, und es gibt das leistungsorientierte Finanzierungs- und Abrechnungssystem. Das heißt, die Leistungen der Krankenanstalten werden künftig nach Leistungskriterien abgegolten und nicht mehr pauschal nach Pflegetagen, wie das bis heute vielfach der Fall ist. Sie wissen, in einigen Bundesländern, insbesondere in Vorarlberg, wurde dieses leistungsorientierte Abrechnungssystem im Jahre 1996 bereits praktiziert.

Was bedeutet das konkret? – Es bedeutet erstens, daß es zu einer klaren Kostenlimitierung für die Krankenversicherungsträger kommt. Die Kosten für die Krankenversicherungsträger können nicht mehr ausufern. Damit ist auch für die Versicherten Klarheit geschaffen worden, denn die Krankenversicherungsträger müssen durch Beiträge der Versicherten finanziert werden.

Zweitens: Wir haben eine echte Föderalisierung der Krankenanstaltenfinanzierung erreicht. Das ist ganz wichtig, und ich möchte das besonders unterstreichen.

Meine Damen und Herren! Wir haben also eine leistungsgerechte Krankenanstaltenfinanzierung erreicht, und wir haben auch eine faire Lösung für jene privaten Krankenanstalten gefunden, die bisher nicht im KRAZAF inkludiert waren. Diese faire Lösung bestimmt das finanzielle Volumen, das ihnen zur Verfügung gestellt wird, ganz klar. Der Hauptverband wird zwar weiterhin mit den privaten Krankenanstaltenträgern Verträge abschließen, aber es gibt auch in diesem Bereich eine eindeutige Kostenlimitierung.

Die gleiche Regelung gibt es für die Unfallkrankenanstalten der Unfallversicherung.

Zusammenfassend heißt das: Wir haben in Zukunft für die Krankenanstaltenfinanzierung neun Länderfonds, wir haben einen weiteren Fonds für die privaten Krankenanstalten, und wir haben einen weiteren, einen elften, Fonds für die Unfallkrankenanstalten der Unfallversicherung.

Das ist eine klare, auf Dauer gerichtete Finanzierung der Krankenanstalten – eine außerordentlich wichtige Maßnahme. Ich halte dies für eine grundlegende Strukturreform, eine grundsätzliche Veränderung in Richtung Föderalisierung, Verselbständigung, Eigenverantwortung bei den Krankenanstalten, den Ländern und bei den Trägern der Krankenversicherung.

Ein weiteres sehr wichtiges Anliegen für uns ist, daß wir heute einen Akzent für die Langzeitarbeitslosen setzen. Wir wollen, daß Langzeitarbeitslose einen Arbeitsplatz bekommen! (Beifall bei der ÖVP.)

Das können wir nur erreichen, wenn wir sagen, wir verwenden die finanziellen Mittel, die normalerweise als Notstandshilfe gegeben werden, als aktive Arbeitsmarktförderungsmittel. Wir stellen diese finanziellen Mittel jenen Arbeitgebern, die eben solche Langzeitarbeitslose, die ansonsten keinen Arbeitsplatz bekommen könnten, beschäftigen, zur Verfügung. Passive Arbeitsmarktförderungsmittel werden für aktive Arbeitsmarktpolitik verfügbar gemacht, damit die Leute einen Arbeitsplatz bekommen. Es hat nur dann einen Sinn, ihnen Unterstützungen zu geben, wenn sie auch arbeiten können. Das ist unser Ziel. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte dem Sozialminister dafür danken, daß er diesen Impuls gegeben hat und daß er diese Unterstützung beziehungsweise diese neue Initiative in diesem Ausmaß initiiert hat. Ich möchte ganz offen zugeben: Die Initiative kam vom Sozialminister, und ich möchte ihm dafür danken. Wir tragen sie aber mit, und wir erwarten, daß auch die notwendigen Akzente gesetzt werden.


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In diesem Sinne sind es, glaube ich, bahnbrechende Veränderungen, die wir heute beschließen, und wir sollten alle diesen Veränderungen unsere Zustimmung geben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Er hat das Wort.

11.01

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie, Herr Abgeordneter Feurstein, sagen, die Ärztearbeitszeitregelung komme zum frühestmöglichen Zeitpunkt in den Sozialausschuß, dann ist das natürlich ein Euphemismus, eine Schönfärberei.

Sie kommt tatsächlich um Jahre zu spät, meine Damen und Herren. Es ist das auch keine Regelung, auf die wir stolz sein können, sondern ich habe im Ausschuß diese Regelung als eine "Tunnelregelung" bezeichnet: Sie gibt einem zumindest die Hoffnung, daß irgendwann in dieser Finsternis am Ende ein bißchen Licht kommt. Das ist das einzige, was man zu dieser Regelung sagen kann, ansonsten sollte man den Mantel des Schweigens gnädig über sie breiten.

Wir erfüllen damit nur knapp die Richtlinien der EU betreffend die Arbeitszeiten. Knapp, meine Damen und Herren! Wir erfüllen sie nur knapp zu einem Zeitpunkt, zu dem wir eigentlich schon seit Jahren wissen, daß diesbezüglich Anpassungsbedarf nicht nur für die Ärzte, sondern auch für das pflegende Personal gegeben ist, Kollege Guggenberger!

Es ist keine Frage, ich bin froh darüber, daß wir zumindest diese minimale Verbesserung erreicht haben. Aber eigentlich müssen wir uns, wenn wir ganz ehrlich sind, fragen: Können wir es uns wirklich leisten, daß wir in einem so sensiblen Bereich Arbeitszeiten ermöglichen, die vom arbeitsmedizinischen Standpunkt und vom gesundheitspolitischen Standpunkt aus eigentlich weit über das hinausgehen, was zumutbar ist? Können wir uns das wirklich leisten? (Zwischenruf des Abg. Mag. Guggenberger. ) – Kollege Guggenberger, du zuckst die Schultern und versuchst, mir etwas zuzurufen, ich kann es aber nicht hören. Vielleicht ist es besser so.

Ich meine, es ist dies wirklich eine ernste Frage. Wir sollten mit der gebotenen Sensibilität, auch wenn diese Ärztearbeitszeitregelung dann schon beschlossen ist, an eine Verbesserung der Situation darüber hinaus denken. Es kann nicht so sein, daß im Bereich der Ärzte beziehungsweise des Pflegepersonals Arbeitszeiten möglich werden, die wir in jedem anderen Bereich ablehnen würden. Vielleicht gibt es für Politiker manchmal ähnliche Arbeitszeiten, diese haben wir jedoch durch die neue Geschäftsordnung jetzt verbessert. Aber wir würden das in keinem anderen Bereich ermöglichen beziehungsweise erlauben wollen. Ich bin froh darüber, daß es nicht solche Arbeitszeiten gibt, die wirklich an frühkapitalistische Verhältnisse erinnern.

Das zum Thema Ärztearbeitszeit, die ja nicht nur die Arbeitszeit der Ärzte, sondern auch jene des Pflegepersonals beinhaltet.

Mein Kollege Kier vom Liberalen Forum hat schon gesagt, er sei beunruhigt über die Äußerungen der Kollegin Reitsamer zum Chipcard-System. Ich kann mich dem nur vollinhaltlich anschließen. Ich bin nicht nur beunruhigt, sondern ich bin entsetzt darüber, mit welcher Geschwindigkeit man hier in diesem Parlament darangeht, nachdem noch im Ausschuß gesagt wurde, daß es sich um eine Sozialversicherungskarte handelt, auch die Speicherung von medizinischen Daten zu diskutieren.

Es hat sich nach der Ausschußsitzung – diese lag nur wenige Tage zurück – in einem atemberaubenden Tempo der Standpunkt der einbringenden Parteien – und dazu gehört auch die Freiheitliche Partei – offensichtlich so verändert, daß man selbstverständlich in Zukunft daran denken will und das auch so festzulegen beabsichtigt, daß auf dieser Sozialversicherungskarte medizinische Daten gespeichert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von ÖVP, SPÖ und Freiheitlicher Partei! Wenn Sie nicht erkennen, daß das nicht nur ein datenschutzrechtliches Problem, sondern auch eine


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enorme Gefahr darstellt, wenn Sie nicht erkennen, daß das auch wirtschaftlich unvernünftig ist – ich werde Ihnen das noch erklären –, wenn Sie nicht erkennen, daß es sozial höchst problematisch ist, auf ein und derselben Karte, auch wenn man aus arbeitnehmerschutzrechtlichen Gründen zwei verschiedene Codes verwenden will, Gesundheitsdaten abzuspeichern, wenn Sie das nicht sehen wollen, was Sie hiermit einleiten, dann sind Sie wirklich für die Konsequenzen auch voll verantwortlich zu machen.

Ich möchte betonen: Es gibt keinen Grund, Sozialversicherungsdaten mit medizinischen Daten, und seien es nur Notfalldaten, zu verknüpfen. Es gibt keinen Grund dafür!

Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger hat, soweit ich informiert bin, bei allen bisherigen Debatten und Darlegungen festgehalten: Es ist nur eine Sozialversicherungskarte "light" geplant, auf der nur die persönlichen Stammdaten beziehungsweise die Sozialversicherungsnummer abgespeichert sind. Das halte ich für sinnvoll.

Aber wenn man das so macht, muß eine Regelung Platz greifen, wonach das Zusammenführen von Datensätzen, die medizinische Daten auf einer Karte beinhalten, ausgeschlossen wird. Genau das haben Sie jetzt nicht gesagt, sondern Sie haben gemeint: Selbstverständlich wollen wir medizinische Daten abspeichern.

Herr Minister! Ich weiß nicht, ob Sie darüber informiert sind, aber auf europäischer Ebene wird das abgelehnt. Es gibt auf europäischer Ebene keine Bestrebungen, Sozialversicherungsdaten gemeinsam mit medizinischen Daten und Notfalldaten abzuspeichern, und zwar mit der Begründung, daß es datenschutzrechtliche Probleme gibt. Wir hier in Österreich sollen offensichtlich das Versuchskaninchen für etwas darstellen, mit dem große Konzerne, die in diesem Bereich tätig sind und die natürlich ihre Investitionen an den Mann oder an die Frau bringen wollen, die Sozialversicherung beglücken wollen.

Herr Minister! Es ist unverantwortlich, wenn wir tatsächlich medizinische Daten mit Sozialversicherungsdaten verknüpfen. Es ist das deswegen unverantwortlich, weil es auf europäischer Ebene kein kompatibles System gibt. Deutschland hat ein eigenes System, das nicht mit Systemen in anderen Ländern kompatibel ist. Es stellt sich also auch die Frage der Kompatibilität dieser Daten beziehungsweise dieser Cardsysteme. Das gilt es zu klären, bevor man an eine Abspeicherung von Notfalldaten auf einer Sozialversicherungskarte denkt.

Es gibt außerdem bei einer Sozialversicherungskarte mit Notfalldaten das Problem, daß diese darauf abgespeicherten Notfalldaten solange wirkungslos bleiben, als es in anderen europäischen Ländern keine vergleichbaren, kompatiblen Systeme gibt. Ein Österreicher, der im Ausland einen Unfall erleidet und auf die Notfalldaten auf seiner Card angewiesen wäre, kann nichts damit anfangen.

Das ist das große Problem. Und es wird nicht gelöst, Herr Abgeordneter Feurstein. Vielleicht haben Sie nicht zugehört, aber auf europäischer Ebene wird das von den Gesundheitsministern abgelehnt. (Abg. Dr. Feurstein: Ich weiß es!) Sie stellen jedoch gemeinsam mit den Vertretern der Sozialdemokratischen und der Freiheitlichen Partei einen Antrag, in dem Sie genau in diese Richtung gehen wollen. Ich halte das aus sozialen, ökonomischen und datenschutzrechtlichen Gründen für unverantwortlich. (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben unsere Unterstützung, wenn es um eine Chipkarte "light" geht. Wir sehen selbstverständlich auch die Vorteile. Das bringt Einsparungen und Vereinfachungen auch für denjenigen, der diese Karte anwendet, mit sich.

Wenn ich mir dann aber vergegenwärtige, daß bei der gestrigen Regelung betreffend die Medikamentenpreise beispielsweise auch vereinbart wurde, daß das Abrechnungssystem der Apotheken mit den Sozialversicherungsträgern in Zukunft elektronisch ablaufen wird und da ebenfalls Datensätze angelegt werden, die dann beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger herumliegen und jederzeit in Zukunft die Möglichkeit der Verknüpfung nicht nur von medizinischen, sondern auch von Apothekendaten bieten, so sehe ich eine Problematik und einen ökonomischen Druck in der Richtung, diese Daten doch zu verknüpfen, heranwachsen, der zur


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Konsequenz haben wird, daß wir tatsächlich den "gläsernen" Kunden, den "gläsernen" Patienten in der Sozialversicherung haben werden. Das kann doch nicht Ihre Intention sein!

Sie müßten also Interesse daran haben, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien und von der Freiheitlichen Partei, hier Vorsorge zu treffen, Vorkehrungen zu treffen, damit das nicht der Fall sein kann. Und das werfe ich Ihnen bei Ihrem Antrag vor!

Dieser Antrag ist unüberlegt. Er beinhaltet nur eine einzige Weichenstellung, nämlich daß medizinische Daten mit datenschutzrechtlicher Vorkehr versorgt werden sollen. Aber ich kann Ihnen aufgrund der Erfahrung aller europäischen Länder, die das diskutiert haben, sagen: Diese Vorkehrung ist unmöglich. Es gibt derzeit kein System, auch wenn man es kryptographisch verschlüsselt, das tatsächlich Datensicherheit garantiert. Das ist das Problem.

Schauen Sie sich doch die Erfahrungen in Deutschland an! Informieren Sie sich darüber, welche Probleme Deutschland mit der Sozialversicherungskarte, mit seinem Versuch, diese kryptographisch zu verschlüsseln, hat! Es ist nicht so einfach, als daß man sagen könnte: Wir bekommen das schon in den Griff!

Es gibt selbstverständlich das Problem, daß wir hier in Österreich offensichtlich als Versuchskaninchen von großen Konzernen auf den Markt geführt werden sollen, damit dieses System, das wir in Österreich probieren, dann Europareife hat. Ich warne davor, weil es auf europäischer Ebene keine vergleichbaren Systeme gibt, weil eine Inkompatibilität vorhanden ist. Diese Systeme sind nicht miteinander vergleichbar, sie haben unterschiedliche Hardware und Software, und es wird noch Jahre dauern, bis einmal auf europäischer Ebene dieses System kommt.

Wir sollten uns die Zeit nehmen, wenn wir schon Mitglied dieser Europäischen Union sind, gemeinsam mit den anderen Ländern einheitliche Regelungen und Festlegungen betreffend eine europäische Chipcard zu schaffen, und nicht als Österreicher einfach blind hergehen und diese Regelung beschließen.

Ich meine, um dieses Thema "Chipcard" abzuschließen, daß Sie hier der Sache keinen guten Dienst erwiesen haben, daß Sie voreilig Festlegungen getroffen haben, so wie Sie das auch in anderen Bereichen, die wir heute beschließen sollen, getan haben.

Nun komme ich zum Thema "Arbeitslosenversicherung". Es war dies bisher nicht Gegenstand der Debatte, weil wir keine entsprechende Punkte dazu beschließen, mit Ausnahme dieser Änderung im Arbeitsmarktservicegesetz. Aber, Herr Minister, es ist mir ein Anliegen und auch von Interesse – wir werden auch einen entsprechenden Antrag einbringen –, daß das, was Sie in der Öffentlichkeit zum Thema "Reform der Arbeitslosenversicherung" gesagt haben, daß das, was die Arbeiterkammer zu diesem Thema beschlossen hat, in einer Form in die Debatte Eingang findet, daß wir feststellen können, wir haben ein gemeinsames Interesse daran, daß es im Bereich der Arbeitslosenversicherung keine Politik auf Kosten der Notstandshilfeempfänger, keine Politik auf Kosten derer, die es sich nicht leisten können, keine Verschlechterung im Sinne einer Besteuerung oder von Sozialversicherungsbeiträgen für die Arbeitslosen, keine Verschlechterung der Anwartschaft bei Wiedereinstieg, keine Verschlechterung der Zumutbarkeitsbestimmungen und keine Verschlechterung für die alleinerziehenden Mütter durch die Verfügbarkeitsregelungen geben soll. Herr Minister! Ich nehme Ihre Erklärungen in der Öffentlichkeit ernst, in denen Sie sagen: Das ist nicht intendiert.

Auf der anderen Seite steht dem ein massives Interesse der Wirtschaft gegenüber, diese Reform der Arbeitslosenversicherung entsprechend dem Versicherungsprinzip zu gestalten. Sie, Herr Minister, und ich und viele andere hier in diesem Hohen Haus wissen: Wenn das Versicherungsprinzip als alleiniges Prinzip der Arbeitslosenversicherung Geltung haben soll, dann ist das eine massive Verschlechterung, dann bedeutet das vor allem für Jungeinsteiger – mit dieser Gruppe haben wir es zunehmend auch in der Arbeitslosenversicherung zu tun –, daß sie bald auch wieder aus der Arbeitslosenversicherung aussteigen müssen.

Das kann nicht die Intention sein. Ich erwarte deshalb von Ihnen, Herr Minister, eine eindeutige Festlegung in der Hinsicht, daß dieses Papier nur ein Arbeitspapier war. Darauf könnten wir uns


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ja vermutlich noch einigen. Aber es geht darum: Was soll in Zukunft mit der Arbeitslosenversicherung passieren? Ist wirklich nur geplant, eine einfache, unbürokratische Handhabung dieses Gesetzes zu ermöglichen? Oder ist damit intendiert, vielleicht nicht von Ihrer Seite, aber von anderer Seite, tatsächlich Verschlechterungen einzuführen?

Ich bringe Ihnen deshalb einen Entschließungsantrag zur Kenntnis, mit dem wir auf diese geplante Arbeitslosenversicherungsreform Bezug nehmen. Er lautet folgendermaßen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend Arbeitslosenversicherungsrecht

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales wird beauftragt, sich dafür einzusetzen, daß ein allfälliger Vorschlag für eine Änderung des Arbeitslosenversicherungsrechts nicht in die in diesem Papier – gemeint ist der Entwurf aus dem Sozialministerium – eingeschlagene Richtung geht, sondern zu einer zeitgerechten, den aktuellen Arbeitsmarktbedingungen angepaßten Veränderung führt, die eine soziale Absicherung bei Verlust eines Arbeitsplatzes gewährleistet, insbesondere auch dann, wenn es sich um Beschäftigungen unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz handelt.

Insbesondere ist sicherzustellen, daß folgende im Papier beinhalteten Vorschläge nicht umgesetzt werden:

Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze und damit Zugangsbeschränkung zur Arbeitslosenpflichtversicherung für Erwerbstätige,

ArbeitnehmerInnenbeiträge zur Kranken- und Pensionsversicherung für Arbeitslose,

Versteuerung der monetären Leistungen im Rahmen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes,

Verschlechterung der Anwartschaft bei Wiedereinstieg,

Bestrafung von Selbstkündigung durch Einbindung in den Begriff "selbstverschuldete Arbeitslosigkeit",

Beschränkung der Gesamtbezugsdauer in Abhängigkeit vom Lebensalter,

Ausgrenzung von Personen mit Betreuungspflichten,

Bindung eines Leistungsbezuges an die Annahme einer nicht kollektivvertraglich bezahlten Tätigkeit.

*****

Herr Minister! Dieser Antrag ist gleichlautend in der Arbeiterkammer Wien – Sie wissen das sicherlich auch – beschlossen worden. Ich glaube nicht, daß er Punkte enthält, denen zuzustimmen für Sie alle hier im Haus eine unüberwindbare Schwierigkeit bedeuten würde. Ich erwarte mir eigentlich, daß Sie die in diesem Antrag genannten Punkte auch bei der Umsetzung und nicht nur bei der Beschlußfassung hier in diesem Hohen Haus ernst nehmen.

Damit komme ich zum nächsten Punkt, zu den Änderungen im Arbeitsmarktservicegesetz, die Sie hier vom Nationalrat beschließen lassen wollen und die beinhalten, daß Mittel von der passiven in die aktive Arbeitsmarktpolitik umgewidmet werden.

Grundsätzlich: Ich bin prinzipiell für die Umwidmung der Mittel. Ich hätte mir allerdings vorstellen können – unabhängig von der konkreten Gestaltung –, daß man da etwas mehr Probieren


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zuläßt, daß man da etwas mehr in die Debatte eingeht, die in anderen europäischen Ländern geführt wird, wo Arbeitszeitverkürzungen mit Ausstiegsmodellen, mit reduzierten Ausstiegsmodellen kombiniert werden, also etwa das "Sabbatical-Modell" oder das "Müllmännermodell", mit denen sichergestellt werden kann, daß Arbeitslose in den regulären Arbeitsmarkt, in den ersten Arbeitsmarkt, integriert werden können, wenn auch nur für eine beschränkte Zeit.

Ich bin mir durchaus dessen bewußt, daß es das größte Problem ist, Arbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Ich bin mir aber auch durchaus der Tatsache bewußt, daß mit den von Ihnen angestrebten Mitteln diese Integration in den ersten Arbeitsmarkt auch aufgrund der Begleitumstände, die Sie zu definieren versucht haben, weil zum Beispiel auf Seite der Arbeitsmarktbetreuer nicht die entsprechenden Mittel, nicht die entsprechenden Ressourcen vorhanden sind, weil eigentlich keine Betreuung stattfindet, kaum möglich sein wird.

Ich habe da große Bedenken, die ich Ihnen teilweise schon im Ausschuß dargelegt habe. Ich glaube, daß diese Reform durchaus Sinn machen könnte, daß man durchaus noch weiter gehen könnte, auch mehr Experimente in diesem Bereich zulassen könnte. Denn Sie wissen sehr wohl, Herr Minister, daß das, was in der Vergangenheit an Rezepten versucht wurde, nicht gegriffen hat. Die traditionellen Mittel der Stützung von Arbeitslosen durch Lohnzuschüsse haben zumindest bei jener Aktion, die im Frühjahr gesetzt wurde, nicht gegriffen. Mit hohem Aufwand wurde der Versuch gemacht – und ich will das durchaus nicht schlechtmachen, sondern die Bemühung anerkennen –, Langzeitarbeitslose zu integrieren, aber er ist danebengegangen.

Darum meine ich: Bei jedem zukünftigen Versuch, Langzeitarbeitslose in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sollten bestimmte Rahmenbedingungen mitbedacht und mitdiskutiert werden. Wir haben auch versucht, in einem Entschließungsantrag solche Rahmenbedingungen festzulegen. Ich lese Ihnen den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde, den wir anläßlich dieser Debatte zu diesem Punkt eingebracht haben, nun vor.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend besondere Eingliederungshilfe/Änderung des Arbeitsmarktservicegesetzes

Der Nationalrat wolle beschließen:

Folgende Rahmenbedingungen sollen Berücksichtigung finden:

Freiwilligkeit der Teilnahme (kein wie auch immer gearteter Druck auf die KlientInnen)

"Soziale Aktivierung" soll als Zielvorstellung im Vordergrund stehen.

Die Zielrichtung "sozialer Aktivierung" erfordert eine dementsprechende sozialpädagogische Betreuung, um den vielfältigen Problemlagen der Zielgruppe zu entsprechen.

Bestehende kollektivvertragliche Regelungen müssen eingehalten werden; dort wo keine Kollektivverträge vorhanden sind, müssen orts- oder betriebsübliche Entlohnungen eingehalten werden.

Die Qualifikation der betroffenen Personen muß bei der Vermittlung berücksichtigt werden.

Es muß sichergestellt werden, daß für Vereine die gleichzeitige Inanspruchnahme dieser Fördermöglichkeit mit anderen Maßnahmen (allgemeine Eingliederungsbeihilfe und besondere EGB) möglich ist.

Es muß sichergestellt werden, daß bei Verlust des vermittelten Arbeitsplatzes die Rückkehr zum vorherigen Anspruchsniveau gegeben ist.


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Für den gleichen Arbeitsplatz darf es zu keinen unterschiedlichen Förderhöhen für Frauen und Männer kommen. In diesem Zusammenhang darf es keine Möglichkeiten für geschlechtsspezifische Anforderungen geben.

Es muß sichergestellt werden, daß die durchschnittlich geringere Anspruchshöhe von Frauen nicht dazu führt, daß Frauen auch geringer beziehungsweise schlechter gefördert oder vermittelt werden.

Es sollte sichergestellt werden, daß Putzfirmen, Champignonzüchtereien und ähnliche Firmen von dieser Förderung nicht Gebrauch machen können.

Arbeiten bei öffentlichen Dienstgebern sollten im öffentlichen Interesse gelegen sein (zum Beispiel Umwelt-, Sozialbereich, kommunale Aufgaben und so weiter).

*****

Herr Bundesminister! Ich denke, über die einzelnen Bestimmungen kann man durchaus noch diskutieren. Aber man sollte den Grundtenor der Ausführungen dieses Entschließungsantrages ernst nehmen und auch in der Beschlußfassung berücksichtigen beziehungsweise in den Arbeitsmarktservice-Richtlinien, die erlassen werden. Wenn Sie uns eine Garantie geben können, daß die Richtlinien in diesem Sinn festgelegt werden, dann wären wir schon damit zufrieden. (Beifall bei den Grünen.)

11.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die beiden Entschließungsanträge, die der Herr Abgeordnete soeben referiert hat, stehen mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt der Herr Bundesminister. – Bitte.

11.22

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Österreich hat einen sehr, sehr hohen Standard in der Gesundheitsvorsorge und auch, was die Sozialleistungen insgesamt anlangt. Mit der heutigen Beschlußfassung über die Novellierung wird die Qualitätssicherung für die Gesundheitsvorsorge entscheidend gestärkt.

Erfreulicherweise leben die Österreicher im Durchschnitt immer länger, andererseits werden die Möglichkeiten der Medizin von Jahr zu Jahr mehr – in der Diagnose, in der Therapie. Das ist natürlich auch mit einem Mehraufwand verbunden – niemand kann das wegdiskutieren –, der in vielen Fällen durchaus gerechtfertigt ist, weil er eben zur Lebensqualität beiträgt, zur besseren Behandlungsmöglichkeit, zur besseren Vorsorgemöglichkeit.

Wir müssen uns aber bemühen, dort Kosten einzusparen, wo das ohne Qualitätsverlust für die Versicherten, ohne Qualitätsverlust für die Patienten möglich ist und wo gleichzeitig sichergestellt ist, daß der medizinische Fortschritt auch in Zukunft allen zur Verfügung steht. Das ist der Grundtenor, und heute legen wir dafür wichtige Grundsteine (Beifall bei SPÖ und ÖVP), beispielsweise hinsichtlich der Sicherung der Finanzierbarkeit der Sozialversicherungen im Bereich der Krankenanstalten.

Noch einmal: Ohne Qualitätsverlust, sogar mit Qualitätssteigerungen muß es möglich sein, durch organisatorische Verbesserungen, durch bessere Einsatzmöglichkeiten für Großgeräte und so weiter Fortschritt zu sichern und Kosten zu dämpfen. Daher ist es entscheidend, daß die Spitalserhalter, die für die Kostengestaltung die meisten Möglichkeiten haben, diese auch nützen, damit jene, die Kosten tragen, ohne Gestaltungsmöglichkeiten zu haben, eine gewisse Absicherung für die Kostenentwicklung in der Zukunft haben.

Und genau das ist es, was wir mit diesem neuen Modell erreichen. Die Sozialversicherungen werden ihre Kostenbeiträge für die Krankenanstalten künftig im Ausmaß ihrer Beitragssteigerungen liefern. Die Länder und die Spitalserhalter werden alles unternehmen müssen, um durch


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organisatorische Veränderungen, durch Überprüfung, welche Geräte notwendig sind und so weiter diesen Standard auch für die Zukunft zu bieten und zu verbessern. Im Zusammenhang damit ist es daher notwendig, daß wir auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Krankenanstalten eine neue Absicherung geben, damit das nicht zu ihren Lasten erfolgt. Es ist also ganz wesentlich, daß wir auch das neue Arbeitszeitrecht für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Krankenanstalten festlegen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Bisher gab es nur Regelungen für Privatspitäler. Es hat jahrelange Diskussionen darüber gegeben, wie Mitarbeiter – Ärzte, Schwestern, Pfleger – in den Spitälern der Gebietskörperschaften, der Länder, des Bundes auch in eine Mindestregelung einbezogen werden können. Es ist erfreulich, daß nach langen – und ich möchte hier sagen, äußerst unerfreulichen – politischen Diskussionen endlich eine Regelung gefunden werden konnte, die einen Mindeststandard absichert, der aufgrund der Personalsituation nicht von heute auf morgen erreichbar ist, aber der im Gesetz festgeschrieben wird. Diese Einigung gibt es (Ruf bei den Freiheitlichen: Seit gestern nicht mehr!) , und in dieser neuen Einigung sind auch die Fristen, die etwas erstreckt wurden, nur im Einvernehmen mit den Mitarbeitern möglich, nur wenn es dazu Betriebsvereinbarungen gibt.

All diese Regelungen sollen dazu beitragen, daß es eben nicht mehr zu Überlastungen der Ärzte, der Schwestern, der Pfleger kommen kann, zum Nachteil dieser Menschen und zum Nachteil der Patienten. Es ist daher wirklich erfreulich, daß es eine Lösung gibt, wenn sie auch mit Kompromissen verbunden ist.

Ich möchte hier noch einmal darauf hinweisen: Es ist notwendig, daß von den Abgeordneten, von den Damen und Herren dieses Hauses abgesichert wird – auch wenn es aus Zeitgründen heute nicht mehr möglich war, das im Parlament zu beschließen –, daß die Beschlußfassung über dieses neue Arbeitszeitgesetz noch im heurigen Jahr erfolgt, daß der Ausschuß so rasch als möglich seine Tagung fortsetzt und daß noch im heurigen Jahr, in der nächsten Plenarsitzung, dieses Gesetz im Interesse der Mitarbeiter in den Spitälern, im Interesse der Patienten endlich beschlossen wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Zu einigen anderen Punkten, die heute hier behandelt werden: Die Frage der Chip-Karte, die Krankenscheine und ähnliche bürokratische Vorgaben ersetzen soll, wurde mehrfach andiskutiert. Diesbezüglich gibt es bereits seit einiger Zeit Gespräche und Prüfungen im Hauptverband. Es ist erfreulich, daß – und darauf habe ich auch besonderen Wert gelegt – in einem Entschließungantrag festgelegt wird, wie die Kosten zu regeln sind.

In diesem Entschließungsantrag, der im Ausschuß beschlossen wurde, ist eindeutig festgelegt, daß durch die Einführung der Chip-Karte für die Versicherten keine zusätzlichen Belastungen entstehen dürfen. Es ist gleichzeitig fairerweise geregelt, daß die Wirtschaft, die Unternehmungen, die sich dadurch erhebliche Mittel ersparen werden, auch an den Kosten für die Einführung beteiligt werden. Das ist ganz entscheidend.

Zur Frage Datenschutz im Zusammenhang mit der Chip-Karte. Herr Abgeordneter Öllinger! Ich habe bereits im Ausschuß erklärt, daß natürlich eines völlig klar ist: Auch bei Einführung einer Chip-Karte wird jedem Staatsbürger, jedem Versicherten garantiert, daß Datenschutz gerade in diesem Bereich natürlich verstärkt und auf alle Fälle eingehalten werden wird. Das können Sie von vornherein außer Diskussion stellen. Datenschutz wird absolut gewahrt.

Ich möchte hier folgendes anbieten: Wenn wir im Laufe des nächsten Jahres die Diskussion über die Einführung, über die verschiedenen Möglichkeiten dieser Chip-Karte führen, dann lade ich die Sprecher der einzelnen Fraktion, die Sozialsprecher und die Gesundheitssprecher, sehr herzlich ein, und ich werde in den nächsten Wochen das erste Gespräch mit dem Hauptverband den Sozial- und Gesundheitssprechern aller Fraktionen, die hier im Hause vertreten sind, zur Verfügung stellen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich danke für den Applaus, der Verständnis dafür zeigt. Ich habe allerdings auch einen Gegenwunsch. Unterlassen Sie bitte alles, womit Sie die Österreicherinnen und Österreicher unnötig verunsichern. Das ist nur fair. (Beifall bei der SPÖ.)


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Es wäre eine völlig unnötige Verunsicherung, denn Sie werden schon beim ersten Gespräch sehen: Niemand denkt daran, Datenschutzgrundsätze zu verletzen. Und im übrigen: Bei keiner einzigen Änderung, und es waren viele Änderungen, die wir heuer hier durchführen mußten, um den hohen Sozialstandard Österreichs zu halten und auch zu finanzieren, haben wir, auch wenn es Streitfälle waren, von einer Verfassungsbestimmung Gebrauch gemacht – das ist ein Markenzeichen meines Hauses. Das gilt natürlich auch für diesen Bereich. Die verfassungsmäßige Sicherung bleibt daher aufrecht gerade in diesem Bereich, wo Datenschutz sehr, sehr wichtig ist.

Daher nochmals die Bitte: Nehmen Sie teil an diesen Gesprächen – und bitte keine unnötige Verunsicherung, denn es braucht sich niemand davor zu fürchten, daß Daten herumgereicht würden oder daß es Datenzugriff gäbe. Das ist nicht der Fall. (Abg. Öllinger: Das können Sie nicht garantieren! Niemand wirft Ihnen vor, daß Sie das vorhaben!)

Herr Abgeordneter Öllinger! Kommen Sie zum ersten Gespräch, lassen Sie sich ein bißchen informieren, bevor Sie vorbeugend Kassandra hier im Haus spielen! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Das ist ein fairer Vorschlag!)

Herr Abgeordneter Öllinger, zu Ihren permanenten Befürchtungen hinsichtlich Verschlechterungen im Bereich der Arbeitslosenversicherung (Abg. Öllinger: Hat es ja gegeben!) möchte ich eines sagen: Für mich war entscheidend, auch bei den Verhandlungen zum Budget im vorigen Jahr, daß wir natürlich jenen Menschen, die das Pech haben, daß sie ihren Arbeitsplatz verlieren, die Leistungen nicht kürzen. Das Wichtigste ist aber, daß wir versuchen, den Menschen, die keine Beschäftigung haben, Beschäftigung zu geben. Und das ist auch mein Konzept der Hilfe für die Langzeitarbeitslosen, das von Ihnen immer wieder kritisiert wurde.

Mir geht es darum, daß wir den Langzeitarbeitslosen primär und vorrangig zu einer Beschäftigung und damit zu einem höheren Einkommen verhelfen, zu einer Beschäftigung mit voller sozialrechtlicher Absicherung, zu einer Beschäftigung, die natürlich mindestens nach dem Kollektivvertrag entlohnt werden muß. Das ist keine Frage für mich. Das habe ich mehrfach gesagt. Aber ich sehe es als meine oberste Aufgabe, den Langzeitarbeitslosen sowie allen anderen Arbeitslosen zu einer Beschäftigung mit all diesen Absicherungen zu verhelfen.

Die Gesellschaft darf nicht sagen: Wir haben viele Arbeitslose – bei uns ist das derzeit im europäischen Vergleich noch nicht der Fall, aber in anderen Staaten ist das so –, denen schicken wir halt Geld, und damit haben wir unsere Verpflichtung erfüllt. – Das kann es nicht sein. Unsere Aufgabe ist es, danach zu trachten, daß allen Menschen, die das wollen, auch Beschäftigung gegeben wird.

Bei den Langzeitarbeitslosen – das wissen Sie – ist das besonders schwierig, besonders in einer Arbeitsmarktsituation wie heute. Denn wenn jemand zu einem Unternehmer kommt und sagt, er hätte gerne eine Beschäftigung, aber er ist seit drei Jahren arbeitslos, dann wird er enorme Schwierigkeiten haben. Daher muß es zusätzliche Hilfsmaßnahmen geben – Hilfsmaßnahmen primär dadurch, daß er direkt in die Wirtschaft zurückkommt, Hilfsmaßnahmen aber auch dann, wenn zunächst einmal nur eine Beschäftigung im Rahmen eines gemeinnützigen Vereines gefunden werden kann.

Dafür brauchen wir auch Mittel. Und um diese Mittel anzuheben, ist die neue Regelung vorgesehen, daß das Geld, das während dieser Beschäftigung im Bereich der Notstandshilfe erspart wird, für die aktive Arbeitsmarktpolitik, für die aktive Unterstützung verwendet werden darf. – Das ist das Ziel, und ich hoffe, daß jetzt endlich klar ist, daß es nicht darum geht, jemanden zu schädigen, sondern den Arbeitslosen – und ganz besonders den Langzeitarbeitslosen – mit zusätzlichen Mitteln verstärkt zu helfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben im heurigen Jahr ein Rekordbudget für diesen Bereich: 6,5 Milliarden Schilling. Mit der Maßnahme, die heute hier beschlossen werden soll, werden wir für die aktive Arbeitsmarktpolitik zusätzliche Mittel erschließen – im Interesse jener Menschen, die es ohnehin schwer haben, weil sie ihre Beschäftigung verloren haben. Daher ersuche ich, diesen Neuregelungen zuzustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.36


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. – Bitte sehr.

11.36

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Heute beschäftigen wir uns zweimal mit der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung. Ich habe gehofft, daß ebenso das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz beschlossen werden würde.

Nachdem von Länderseite erreicht wurde, in einer Art Kahlschlag die medizinischen Standards zu köpfen, um Kosten einzusparen, wollte man die öffentlichen Bediensteten in den Krankenanstalten weiter ausbeuten – mit Arbeitszeiten, die wider die guten Sitten sind. (Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist auch gelungen mit diesem Gesetz!)

Wenn ich mich recht erinnere, war am 20. November 1996 im Teletext zu lesen, daß Parteiobmann Dr. Schüssel die Meinung vertrat, daß die Rufbereitschaft nicht vor dem Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz zu beschließen sei. – Ich bin neugierig, wieviel das Wort eines Parteiobmannes in der eigenen Fraktion gilt. Vom Klubobmann wissen wir Ärzte, daß sein Wort Befehl ist.

Als Gegnerin der Zweiklassenmedizin wünsche ich mir, daß die Verhinderer von Arbeitnehmerschutzinteressen wie Hinz und Kunz in der 60. Arbeitsstunde eines Turnusarztes von diesem behandelt werden. Laut Berichten wurde gestern eine Einigung über das Arbeitszeitgesetz erzielt, allerdings abweichend von der ursprünglichen Regierungvorlage, mit erheblichen arbeitsrechtlichen Verschlechterungen.

Solange das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz nicht beschlossen ist, hat für alle Privatspitäler das Arbeitszeitgesetz Gültigkeit. Die Einhaltung ist vom Arbeitsinspektorat zu überprüfen. Es sollte nicht mehr vorkommen, daß die Ärztekammer – wie vor einiger Zeit – eine Arbeitsgerichtsklage gegen ein Ordensspital einbringen muß, da die Ärzte die geleisteten Dienste, weil sie gegen das Arbeitszeitgesetz verstießen, nicht bezahlt erhielten. Menschen auszubeuten und das Entgelt für geleistete Arbeit zu verweigern, ist höchst unmoralisch.

Mit einer gewissen Skepsis begrüße ich die LKF. Nach tatsächlicher Diagnose und Leistung soll eine gerechtere Finanzierung ermöglicht und nicht durch Abliegenlassen von Patienten Mehreinnahmen erzielt werden, um so Sozialversicherungsgelder umzuleiten. Ich hoffe, daß mittels LKF die Ausgabendynamik eingebremst wird.

Seit jedoch die Durchführung in greifbare Nähe rückt, wird fieberhaft daran gearbeitet, das System auszutricksen. Kleine Spitäler überlegen plötzlich, ob sie mehr interne oder chirurgische Medizin forcieren sollten, statt sich an den Bedürfnissen der Menschen zu orientieren. Teure Seminare werden angeboten, um maximale Punktewerte zu erwirtschaften.

Man staune, wer diese hochbezahlten Seminare hält: hochdotierte Direktoren von Krankenanstalten, Krankenanstaltengesellschafter sowie Statistiker, die mit der LKF Erfahrung haben. – Einige Zielsetzungen dieser Seminare – ich zitiere wörtlich aus so einer Einladung –: Sie profitieren von den tatsächlichen Erfahrungen mit LKF-Projekten. Lernen Sie die Dokumentation im Sinne der LKF zu optimieren. Nutzen Sie als Spitalsmanager die LKF als Chance für Ihr Krankenhaus. Begrenzen oder erweitern Sie Ihr Leistungsspektrum und bereiten Sie sich rechtzeitig auf den europäischen Gesundheitsmarkt vor. – Diese Zitate sprechen für sich. Die Originaleinladungen kann ich Interessierten gerne zeigen.

Ich bin froh, daß die Sozialversicherung nur mehr einen feststehenden Betrag in die Ländertöpfe einzahlt und durch Unterlaufen des Systems nicht mehr in die Enge getrieben wird.

Eine Verschränkung von intra- und extramuraler Versorgung ist raschestens durchzuführen. Auf Kosten der Patienten darf keine Kostenminimierung betrieben werden. Patienten sollen nicht am optimalen Tag des Punktewertes entlassen werden, sondern ausschließlich aus medizinischen, eventuell auch sozialen Gründen.


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Es soll nicht danach getrachtet werden, alles aus dem Spital heraus oder hinein zu verlagern, je nach Wunsch der Zahler des Gesundheitssystems. Der Patient bleibt dabei auf der Strecke.

Wenn wir die Zufriedenheit der Menschen mit unserem Gesundheitssystem anstreben, muß neben ausgezeichneter fachlicher Versorgung auf berechtigte Wünsche der Patienten eingegangen werden. Er will nicht Spielball zwischen den Einsparungswünschen der verschiedenen Kostenträger sein.

Wir müssen verstärkt Einrichtungen für die nächsten zehn bis 20 Jahre schaffen. Wir lieben die Hochleistungsmedizin und deren sichtbare Erfolge. Eine Herausforderung werden die vielen alten Menschen mit neurologischen Leiden sowie Demenz sein. Weder die neurologische Rehabilitation noch die Versorgung von Dementen ist derzeit befriedigend gelöst.

Zu den erfreulichsten Teilen dieses Gesetzes zählt die Nichterhöhung der Rezeptgebühr. Für Multimorbide wie Alte und Behinderte ist die bereits vorhandene Gebühr eine große Belastung. Gerade die Pharmaindustrie ist äußerst innovativ und verfügt über ein exzellentes Marketing, welches die Gesundheitskosten in die Höhe treibt. Auf der anderen Seite landen Milliardenwerte von Medikamenten auf der Müllhalde.

Erfreulich ist, daß bei Wahlarzthilfe von den jeweiligen Leistungsträgern bis zu 100 Prozent des Honorars ersetzt werden können. Was mir mißfällt, ist die Krankenscheingebühr bei Arbeitslosen. Mir wäre überhaupt im Sinne der Solidarität eine generelle lineare Beitragserhöhung für alle ASVG-Versicherten lieber als die Krankenscheingebühr, die in meinen Augen nur einer Notlösung entspricht.

Zu den erfreulichsten Änderungen zählt die Verbesserung für die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozeß von Langzeitarbeitslosen. Zwangsmaßnahmen für diese benachteiligten Menschen lehne ich schärfstens ab. In einer kalten Zeit, in der nur Gewinne zählen und menschliche Aspekte nicht berücksichtigt werden, muß die Politik alles daran setzen, Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und nicht die Arbeitslosen.

Es ist nicht nur an sich bitter, arbeitslos zu sein: Diese Menschen werden auch noch von einer brutalen Gesellschaft stigmatisiert und als Schmarotzer hingestellt. In ihrer verzweifelten Lage sind sie anfällig dafür, mißbraucht und radikalisiert zu werden. In diesem Jahrhundert wurde schon bitter erlebt, wohin das führt.

Kämpfen wir mit aller Macht dafür, den Menschen Arbeit und Würde zu geben – primär aus humanitären Gründen, aber auch, um uns eine Wiederholung der Geschichte zu ersparen. (Beifall bei der SPÖ. )

11.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. Er hat das Wort.

11.43

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundesminister, ich möchte auf Ihre letzten Ausführungen eingehen. Sie haben erwähnt, daß man Langzeitarbeitslosen Unterstützung zukommen lassen sollte, und zwar in der Form, daß die Betriebe das Arbeitslosengeld bekommen, damit dieser Langzeitarbeitslose, wenn er drei Jahre oder länger arbeitslos war, eben leichter eine Beschäftigung findet.

Ich gehe mit Ihrer Meinung d’accord. Es war dies schon vor längerer Zeit eine Forderung der Freiheitlichen. Ich erinnere Sie aber auch daran, daß es nicht immer dasselbe ist, wenn zwei das gleiche sagen, denn das gleiche, das Sie gesagt haben, hat unser Bundesobmann Dr. Jörg Haider seinerzeit, als er Landeshauptmann in Kärnten war, gesagt. Er ist jedoch darüber gestrauchelt, weil man ihm in den Mund gelegt hat, er meine damit einen Arbeitsdienst beziehungsweise eine "ordentliche Beschäftigungspolitik" wie im "Dritten Reich".


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Dr. Haider hat aber nichts anderes gesagt, es waren dieselben Worte. Ich will damit nur sagen, daß man eben, wenn die Arbeitslosenrate in einem solchen Ausmaß wie heute ansteigt, auf Ideen zurückgreift, die wir schon seinerzeit formuliert haben, als die Arbeitslosenrate noch wesentlich geringer war, ein deutliches Ansteigen jedoch bereits erkennbar war.

Was die Rufbereitschaft betrifft, so kann ich all meinen Vorrednern nur dahin gehend beipflichten – auch Ihnen, Herr Bundesminister –, daß diese selbstverständlich nur gleichzeitig mit dem neuen Arbeitszeitgesetz für den Pflegedienst und für die Bediensteten in den Krankenanstalten in Kraft treten kann.

Ich befürworte auch ein Arbeitszeitgesetz, das für alle Bediensteten in den verschiedenen Krankenanstalten gilt, egal, ob diese dem Bund, den Ländern oder den Gemeinden unterstehen oder ob es Privatspitäler sind, denn es muß gleiches Recht für alle gelten. Ich warte aber ab, was uns nächste Woche im Sozialausschuß vorgelegt wird; wir werden dann darüber ja noch ausführlich beraten.

Was die Chip-Karte betrifft: Ich bin dafür, daß Anfang 1998 eine Chip-Karte eingeführt wird. Was die Details betrifft, wie diese Daten gespeichert werden – persönliche Daten, Sozialversicherungsdaten oder medizinische Daten –, so meine ich, daß es sicherlich sinnvoll wäre, gewisse Notfalldaten wie Blutgruppe, Impfungen und so weiter zu speichern. Aber natürlich könnte man es auch dem jeweiligen Inhaber der Karte überlassen, was darauf gespeichert wird. Es wären dies zwei verschiedene Paar Schuhe. Es wäre weiters abzuklären, wie es technisch möglich ist, den Datenschutz tatsächlich zu garantieren. Das ist das eigentliche Problem dabei.

Aber jetzt zum 2. Sozialrechts-Änderungsgesetz 1996. Es wird durch die neue Finanzstruktur die Verwaltung der Krankheit de facto um eine Ebene im Bereich der Länderfonds erweitert, anstatt sie so zu straffen, daß Einsparungen in der Verwaltung möglich sind, damit die eingehobenen Steuern und Beiträge der Bürger treffsicher eingesetzt werden können. Jetzt gibt es eine Belastung sowohl für die Patienten als auch für die Länder.

Offen bleibt die Frage, wie nun angesichts der Deckelung der Ausgaben der Sozialversicherungsträger noch Druck gemacht werden kann, um eine Verlagerung der Leistungen in den sogenannten extramuralen Bereich zu erreichen, der allein geeignet wäre, die Gesamtkosten des Gesundheitsbereiches zu senken. Nur daran hat die österreichische Bevölkerung Interesse, und nur dadurch würde sie auch wirklich entlastet werden.

Letztlich ist es der Bevölkerung völlig egal, ob sie schlechte Strukturen über die Länder, über die Steuern oder über Beiträge bezahlen. Durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 1996 wurde auch die Kostenerstattung bei der Inanspruchnahme von Wahlärzten auf 80 Prozent der Kosten der Inanspruchnahme eines Vertragsarztes reduziert. Diese Maßnahme erfolgte mit der Begründung, daß die Wahlarzthilfe von der Bevölkerung immer stärker in Anspruch genommen wird und daß der Abzug aufgrund der komplizierten Abrechnung dieser Leistungen gerechtfertigt ist.

Völlig unberücksichtigt dabei bleiben jedoch die Gründe, warum die Versicherten zunehmend mehr Wahlärzte in Anspruch nehmen, obwohl dies bisher durch die mühsame und langwierige Kostenerstattung für einen Teil des bezahlten Honorars erheblich erschwert wurde. Bei vielen Vertragsärzten müssen die Patienten leider eine Massenschnellabfertigung, eine schlecht funktionierende Terminvereinbarung, wenig Eingehen auf den einzelnen und mangelnde Gesprächsbereitschaft in Kauf nehmen, was vom Zahlungssystem der Krankenversicherungsträger finanziell zumindest begünstigt, wenn nicht sogar erzwungen wird.

Mit der Verringerung der Kostenerstattung an den Versicherten wird die freie Arztwahl jetzt auch noch deutlich eingeengt, weil es vor allem sozial Schwächeren praktisch unmöglich gemacht wird, einen Wahlarzt überhaupt in Anspruch zu nehmen.

Es ist aber jedenfalls nicht begründbar, auf der einen Seite an der freien Arztwahl theoretisch festzuhalten, jedoch Versicherte, die sie in Anspruch nehmen, trotz gleicher Beiträge durch eine geringere Leistung der Krankenversicherung zu bestrafen.


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Sehr geehrte Damen und Herren! Die ebenfalls mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 1996 neu geschaffene Krankenscheingebühr in der Höhe von 50 S wurde anläßlich der Beschlußfassung von vielen Seiten, auch von den Freiheitlichen, heftig kritisiert.

Nunmehr wird allen damit Befaßten immer klarer, daß diese Maßnahme nicht nur die Versicherten belastet, sondern auch kaum geeignet ist, wirkliche Einsparungen zu erbringen. Die Krankenscheingebühr belastet ebenfalls nur den extramuralen Bereich, nicht aber die Ambulanzen der Krankenanstalten.

Es wird demnach zu einer kostenmäßig absolut kontraproduktiven Verschiebung weg von den niedergelassenen Vertragsärzten hin zum Krankenanstaltenbereich kommen. Außerdem steht die vorgeschlagene Regelung in Widerspruch zu der im Entwurf vorliegenden Krankenanstaltengesetz-Novelle, bei der es nämlich der Landesgesetzgebung freigestellt wird, zu bestimmen, in welcher Form ambulante Leistungen abgegolten werden.

Im Hinblick darauf, daß für ambulante Behandlungen keine leistungsorientierte Krankenhausfinanzierung mittels Punktesystem vorgesehen ist, ist auch eine Abgeltung mittels leistungsorientierter Krankenhausfinanzierungs-Gebührensätze ganz einfach nicht möglich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Ich stelle ihm wunschgemäß die Uhr auf 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.51

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muß ehrlich gestehen, ich bin sehr froh darüber, daß wir heute dieses große Sozialpaket beschließen. Ich werde auch begründen, warum.

Ich bin erstens sehr froh, daß wir mit diesem Paket und auch mit den Spitalsgesetzen, die dann später in der Tagesordnung behandelt werden, endlich die leistungsorientierte Spitalsfinanzierung einführen. Ich sage das deshalb, weil ich viele Jahre lang, auch in der Zeit, als ich Gesundheitssprecher meiner Partei war, für dieses System eingetreten bin. Ich glaube, daß es ein zukunftsorientiertes System ist, einerseits kostenorientiert zu arbeiten, andererseits die Qualitätssicherung für die Patienten als gleichrangiges Ziel anzuerkennen.

Ich kann mich erinnern – es war unter Minister Ettl, 1990 oder 1991 –, als dieses Konzept in einem gemeinsamen Pressegespräch bereits der Öffentlichkeit vorgestellt wurde; seither sind fünf oder sechs Jahre vergangen. Ich hoffe, es gilt hier der alte Spruch: Es hat lang gedauert, weil es eine gute Sache ist! Ich hoffe es wirklich sehr, Herr Minister, und Sie werden einmal selbstbewußt sagen können, während Ihrer Amtszeit wurde dieses zukunftsorientierte Spitalsfinanzierungssystem eingeführt.

Ich bin zweitens auch deshalb sehr froh, weil wir mit diesem Gesetzespaket die Einführung der Chipkarte beschließen.

Meine Damen und Herren! Ein sehr ernstes Wort: Wir müssen heute realistischerweise erkennen, daß die Bürokratie in unserer Wirtschaft der Jobkiller Nummer eins ist, gar keine Frage. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Unternehmer stöhnen, und ich gebe zu, auch mir schlägt immer wieder eine Welle der Aggression entgegen – ich verwende bewußt den Ausdruck "Aggression" –, wenn die Unternehmer sagen: Ihr bürdet uns ständig neue bürokratische Aufgaben auf.

Wir müssen, glaube ich, so ehrlich sein – wir machen ja heute einige Korrekturen, ich werde es gleich erläutern –, zu sagen: Das Sparpaket war aus Gründen der Budgetkonsolidierung notwendig, das steht völlig außer Streit. Aber daß es für die Betriebe ein gewaltiger Bürokratieschub war, steht genauso außer Streit. Von der leidigen Werkvertragsthematik angefangen bis hin zum Bonus-Malus-System und anderen Dingen: Das System ist nicht einfacher, sondern es ist viel komplizierter geworden.


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Dazu kommt, daß die Etappenpläne des Arbeitnehmerschutzgesetzes und bezüglich Gefahrenevaluierung jetzt ebenfalls in Kraft treten. Ferner müssen die Betriebe durch den Beitritt zur Europäischen Union – der grundsätzlich natürlich richtig war – jeden Monat eine sehr bürokratische EU-Konjunkturstatistik ausfüllen. Darüber hinaus werden den Betrieben auch die Einhebung der Krankenscheingebühr und ähnliche Dinge auferlegt.

Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen folgendes: Wenn wir Beschäftigungspolitik und wenn wir Arbeitsplatzsicherung ernst nehmen, dann brauchen wir einen großen Befreiungsschlag in Richtung Bürokratieabbau, damit die Betriebe ihre Hände für produktive Arbeit freibekommen (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin heute deshalb froh, weil ich glaube, daß die heutige Entschließung in Richtung Einführung einer Chipkarte einen großen Schritt in die richtige Richtung darstellt. Es wird einen politischen Konsens geben, wir wollen weg von diesem Papierkrieg, bei dem allein die Betriebe jedes Jahr 24 Millionen Krankenscheine ausfüllen! Bitte, das ist ja abenteuerlich!

Ich kenne kein einziges Wirtschaftsprojekt, bei dem die Ersparnis des Verwaltungsaufwandes in einem Jahr so groß ist wie der gesamte Investitionsaufwand. Da sieht man, welches wirtschaftliche Potential im Bereich des Bürokratieabbaues vorhanden ist.

Wir werden nicht lockerlassen, bis dieses System auch tatsächlich in die Praxis umgesetzt wird. Das ist eine langjährige Forderung der Wirtschaft. Ich kann mich erinnern, ich habe das erste Gespräch über die Chipkarte im Jahr 1991 oder 1992 mit dem Präsidenten der Ärztekammer Dr. Neumann geführt.

Stichwort Ärzte. Meine Damen und Herren! Sie haben sicher alle gelesen beziehungsweise gehört, daß die Ärzteschaft der Einführung dieser Chipkarte nicht uneingeschränkt positiv gegenübersteht. Wobei man sagen muß: Die Ärzte haben natürlich Interesse daran – das ist gar keine Frage –, daß die ganze Abrechnung und letztlich auch die Speicherung medizinischer Daten auf einer Mikroprozessorkarte erfolgt.

Nun kennen wir alle die Ängste der Arbeitnehmerseite in Richtung "gläserner" Patient – wir alle wissen, es gibt Datenschutz –, aber ich glaube, die Zielsetzung muß schon sein, nicht nur die reine Krankenscheinfunktion in dieser Chipkarte zu verankern, sondern damit auch technisch einfache Abrechnungsmöglichkeiten für Ärzte und Krankenkassen zu schaffen. Als letzter Schritt – unter Einführung aller technischen Sperren und der Einhaltung aller Datenschutzbestimmungen – soll die Chipkarte natürlich auch als Träger für medizinische Daten verwendet werden können. Ein gewaltiger Schritt in die Zukunft, ein gewaltiger Schritt in Richtung Abbau bürokratischer Barrieren.

Meine Damen und Herren! Deshalb habe ich eingangs gesagt, daß ich mich freue, daß wir heute dieses Paket beschließen können.

Was die Gesundheitspolitik betrifft, so werden meine Freunde Erwin Rasinger und Günther Leiner noch in ihren Ausführungen die Vorteile darlegen.

Ich freue mich aber wirklich, daß nach Jahren des Bemühens heute ein Beschluß zustande kommt, der zweifellos eine sehr zukunftsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung, aber auch einen Bürokratieabbau für die Betriebe und Erleichterungen für alle Beteiligten sicherstellt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Hums. – Bitte sehr.

11.57

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte kurz zu Ihren Ausführungen Stellung nehmen, Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Ich kann Ihnen versichern, daß auch ich bemüht bin, Bürokratie und Verwaltungsabbau im Interesse der Wirtschaft und aller anderen Beteiligten wirklich ernst zu nehmen. Wir sollten in diese Richtung zusammenarbeiten.


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Zu drei Punkten möchte ganz kurz Stellung nehmen: Die Krankenscheingebühr war sicher nicht meine Erfindung, sie war eine notwendige Kompromißlösung, weil es leider abgelehnt wurde, die dadurch gewonnenen Mittel durch eine geringfügige Anhebung der Krankenversicherungsbeiträge zu ersetzen.

Ich stehe jederzeit, Tag und Nacht, für Verhandlungen zur Verfügung, wenn Sie die Krankenscheingebühr wieder abschaffen wollen – von mir aus sofort. (Abg. Dr. Stummvoll: Den Krankenschein!) Der Krankenschein wird durch die Chipkarte ersetzt werden. Aber allein die vorgeschlagene Anhebung der Krankenversicherungsbeiträge für Arbeiter um 0,05 Prozent, für Angestellte um 0,15 Prozent – 5 beziehungsweise 15 Groschen von 100 S – hätte diese Gebühr und damit all den Einhebungsaufwand erspart.

Wir sollten noch einmal darüber nachdenken: Wenn ohnehin die Chipkarte kommt, können wir die Gebühr vielleicht vorzeitig abschaffen. Ich stehe gern für diesbezügliche Verhandlungen zur Verfügung. (Beifall bei der SPÖ.)

Was die Werkverträge, die erwähnt wurden, betrifft, so meine ich, daß viele gut beraten gewesen wären, wenn sie meinen ursprünglichen Vorschlag ohne diesen vielen politischen Ausnahmeregelungen gleich akzeptiert hätten. Inzwischen habe ich ja diesen Auftrag vom Parlament bekommen und werde ihn sehr gerne erfüllen. Der Ersatz kann nur eine unbürokratische Form mit sozialer Gerechtigkeit sein. Ein Erwebseinkommen ab einer bestimmten Höhe bis zu einer bestimmten Höhe ist sozialversicherungspflichtig und bietet sozialen Schutz.

All die politischen Ausnahmen, die wir akzeptieren müssen, haben das Ganze natürlich verkompliziert. Wir können all das im kommenden Jahr durch jene Maßnahmen ersetzen, die ich eigentlich von Beginn an vorgeschlagen habe. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nunmehr ist Frau Abgeordnete Haidlmayr zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.

11.59

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister Hums! Ich kann mir vorstellen und ich glaube Ihnen auch, daß es Ihr Interesse und Ihr Wunsch ist, bei der Einführung einer Chipkarte sicherzustellen, daß keine Daten weitergegeben werden können und daß es auch keinen Datenzugriff gibt.

Herr Minister! Ihr Wunsch alleine ist uns zuwenig: Wir brauchen eine Absicherung, daß Daten im Gesundheitssystem nicht zweckentfremdet verwendet werden können. Und es muß ganz genau im vorhinein festgelegt werden, welche Daten für wen erreichbar sind.

Aus diesem Grund bringen wir einen Entschließungsantrag ein, und wir hoffen, daß dieser von seiten der SPÖ – im Sinne des Herrn Bundesministers und im Sinne des Datenschutzes von Patienten, von Menschen – mitunterstützt wird. Ich erlaube mir jetzt, den Entschließungsantrag zu verlesen.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend Chipkarte

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Sozialminister wird beauftragt, dafür Sorge zu tragen, daß ein Gesetzesvorschlag zur Einführung einer Chipkarte folgende Forderungen berücksichtigt:

Die Einführung der Chipkarte muß im ASVG geregelt werden.

Nur folgende Daten dürfen auf der Chipkarte gespeichert werden: Versicherungsnummer und somit Geburtsdatum, Name, Geschlecht, akademischer Grad und Versichertenstatus.


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Es darf technisch keine Möglichkeit geben, sensible Gesundheitsdaten oder andere Daten für eine weitere Nutzung zu speichern,

keine Kosten für die Versicherten bei Ausstellung der Karte beziehungsweise bei Datenänderungen und Verlust,

Kostenlosigkeit eines allfälligen Ausdruckes aller vorhandenen automationsunterstützt erfaßten Daten,

Ausschluß jeglicher Verknüpfung mit anderen Daten (zum Beispiel Steuern, Bankinstitute und so weiter),

Einsetzung eines Datenschutzbeauftragten von einer unabhängigen Stelle, um eine wirksame Kontrolle über die gespeicherten Daten und die Zugriffsberechtigungen zu gewährleisten,

keine Erhöhung der Krankenversicherung oder sonstiger Sozialversicherungsbeiträge zur Kostendeckung der entsprechenden finanziellen Aufwendungen.

*****

Herr Minister! Das sind die Minimalforderungen, die erfüllt werden müssen, um sicherzustellen, daß es in Zukunft keinen "gläsernen" Patienten gibt.

Ich möchte auch noch darauf hinweisen, daß im Rahmen der EU die Gesundheitsminister darüber bereits diskutiert haben, wie ein elektronischer Gesundheitsausweis in Zukunft ausschauen soll. Das Ergebnis ist, daß man sehr zurückhaltend ist mit einem elektronischen Gesundheitsausweis und daß man zur Übereinstimmung gekommen ist, daß es nur eine Minimallösung für einen Gesundheitsausweis geben darf, der ausschließlich Alter, Geschlecht und Blutgruppe beinhaltet.

In diesem Sinne bitte ich Sie, daß Sie sich nicht nur dafür einsetzen, daß Daten nicht weitergegeben werden dürfen oder daß es nur eine begrenzte Datenspeicherung auf dieser Karte gibt, sondern daß Sie auch eine Garantie Ihrerseits abgeben, daß außer Alter, Geschlecht und jenen Punkten, die ich vorhin aufgezählt habe, keine weiteren Daten auf dieser Karte gespeichert werden dürfen und eine Nutzung nur in einem sehr begrenzten Rahmen erfolgen darf. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, den Frau Abgeordnete Haidlmayr verlesen hat, ist geschäftsordnungskonform und steht in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Winfried Seidinger. Er hat das Wort.

12.04

Abgeordneter Winfried Seidinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte mich in meinem heutigen Debattenbeitrag etwas ausführlicher mit der besonderen Eingliederungshilfe, die in der Regierungsvorlage vorgesehen ist, beschäftigen. Und zwar geht es darum, daß wir in Österreich EU-bereinigt einen Arbeitslosenwert von 4,1 Prozent haben und in der EU selbst einen von 10,8 Prozent. Das schaut hervorragend aus. Wir liegen nach Luxemburg an der zweiten Stelle. Das bedeutet aber nicht, wenn man mehr als 200 000 Arbeitslose im Land zurzeit zu verzeichnen hat, daß man sich mit diesen Zahlen zufriedengeben kann.

Betrachtet man die Arbeitsmarktpolitik im europäischen Kontext, so sieht man, daß 1995 in der EU – ohne Italien – insgesamt 2 430 Milliarden Schilling für Arbeitsmarktpolitik ausgegeben wurden. Dieser Betrag entspricht fast genau dem Bruttoinlandsprodukt, das Österreich in einem Jahr mit 2 500 Milliarden Schilling erwirtschaftet. Rund zwei Drittel davon für sogenannte passive Maßnahmen auszugeben – wie für die finanzielle Unterstützung der Arbeitslosen –, das


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erscheint im Vergleich mit der aktiven Arbeitsmarktpolitik, für die nur rund 850 Milliarden Schilling aufgewendet werden, zuviel.

Wir verstehen unter aktiver Arbeitsmarktpolitik Arbeitsplatzbeschaffungsprogramme, Umschulungen, Jobvermittlung oder auch Arbeitgeberförderungen.

In Österreich und Spanien – das hat "profil" jetzt einmal gemeldet – wird das Geld hauptsächlich – unter Anführungszeichen – für das "Stempeln" verwendet. In Schweden hingegen wird mehr als die Hälfte, nämlich 54 Prozent, in den aktiven Kampf um mehr Arbeitsplätze investiert.

Da im Sozialausschuß in der letzten Woche eine besondere Eingliederungshilfe für Langzeitarbeitslose beschlossen worden ist, erlaube ich mir, ausführlicher dazu etwas zu sagen. Die Voraussetzung dafür ist: Wenn eine Eingliederung von Beziehern von Notstandshilfe in den Arbeitsmarkt ohne die Gewährung einer besonderen Eingliederungshilfe an den Arbeitgeber nicht erfolgen kann, so kann das Arbeitsmarktservice hiefür den Leistungsaufwand aus der Arbeitslosenversicherung heranziehen.

Betrachten wir die Entwicklung der Langzeitarbeitslosigkeit parallel mit dem kontinuierlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit, so müssen wir sagen, daß es seit dem Beginn der achtziger Jahre zu einer zunehmenden Konzentration der Lasten der Arbeitslosigkeit auf jene Personengruppen gekommen ist, denen es nicht gelingt, binnen kurzer Zeit wieder in das Beschäftigungssystem einzusteigen.

Von den 1995 von Arbeitslosigkeit betroffenen Personen – in Summe 687 000 – waren 24 Prozent bereits länger als sechs Monate arbeitslos. Wie in den vergangenen Jahren zeigt sich auch 1995, daß das Alter eine bestimmte Größe für das Risiko der Langzeitarbeitslosigkeit ist. Dies wird am Anteil der Langzeitarbeitslosen in den einzelnen Altersgruppen deutlich. Ich kann Ihnen einige Zahlen nicht ersparen.

In der Altersgruppe der 15- bis 18jährigen sind es nur anteilig 6,6 Prozent, in der Gruppe der 30- bis 39jährigen sind es schon 24,3 Prozent, in der Gruppe der 40- bis 49jährigen 29 Prozent, und das steigt dann sprunghaft bei der Gruppe der 50- bis 54jährigen auf 47,7 Prozent an, und bei den 55- bis 59jährigen sind es 51,2 Prozent.

Diese Übersicht zeigt, daß der Anteil der Langzeitarbeitslosen mit zunehmendem Alter kontinuierlich, ab dem 50. Lebensjahr gewaltig ansteigt.

Regionsspezifisch konzentriert sich das Problem auf einige Bundesländer: Niederösterreich, Steiermark, Wien. Das hängt mit branchenspezifischen Schwerpunkten zusammen wie Metall, Handel, Lagerung und dergleichen. Und als Ausgangspunkt von Langzeitarbeitslosigkeit sind primär verringerte Wiederbeschäftigungschancen zu sehen, die vom Beschäftigungssystem und der Angebotskonkurrenz am Arbeitsmarkt herrühren. Vor allem in Branchen mit sinkender Beschäftigung sind hohe Anteile von Langzeitarbeitslosen zu beobachten.

Auch 1996 hat sich die Problematik der Langzeitarbeitslosigkeit nicht entschärft, und die vorliegenden Bestandsdaten bestätigen, daß sich die Wiederbeschäftigungschancen von langzeitarbeitslosen Personen weiterhin verschlechtern. Im Durchschnitt waren von Jänner bis Oktober 1996 rund 68 000 Personen länger als sechs Monate arbeitslos, gegenüber dem Vorjahr waren dies um 4,3 Prozent mehr. Seit dem Frühjahr beschleunigt sich dieser Prozeß. Welche Strategien kann man entwickeln? In der öffentlichen und politischen Diskussion sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene ist die Thematik der Langzeitarbeitslosigkeit verstärkt in den Mittelpunkt gerückt. Die präventiven und reintegrativen Strategien sind zentraler Schwerpunkt im Ressourceneinsatz für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen. So ist ein Schwerpunkt der Interventionen des Europäischen Strukturfonds die Integration von Langzeitarbeitslosen.

Auch in den Zielvorgaben des Herrn Bundesministers nimmt dieser Bereich einen zentralen Stellenwert ein – wörtlich zitiert –: Die Verhinderung von Langzeitarbeitslosigkeit im Gefolge des wirtschaftlichen Strukturwandels und sozialer Veränderungen stellt eine menschliche, gesell


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schaftliche und wirtschaftliche Notwendigkeit dar. Dabei erfordert die schwierige Gruppe der Problemarbeitslosen die ständige Weiterentwicklung innovativer Instrumente.

In diesem Sinn verfolgt die österreichische Arbeitsmarktpolitik in Abstimmung mit der Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik der Europäischen Union das grundsätzliche Ziel der Aktivierung vor Versorgung und der Vermittlung vor Administration.

Mit der gegenständlichen Maßnahme der Aktivierung passiver Leistungen wird der aktiven Integrationsförderung von langzeitarbeitslosen Personen ein zusätzliches Instrument zur Verfügung gestellt.

Eine einfache Modellrechnung: Aufgrund einer volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Rechnung ergeben sich folgende Effekte: Bei einem Vermittlungsvolumen von 5 000 Beziehern ergibt sich ein Aufwand für die Gebarung Arbeitsmarktpolitik in der Höhe von rund 305 Millionen Schilling. Dem steht gegenüber ein Lohnsteueraufkommen aufgrund der Beschäftigung von rund 154 Millionen Schilling und Sozialversicherungsabgaben von 241 Millionen Schilling. Die Mehreinnahmen belaufen sich somit auf rund 90 Millionen Schilling, die wieder in diesen angestrebten Prozeß eingefügt werden können.

Das AMS bestimmt die Gewährung der besonderen Eingliederungsbeihilfe durch Richtlinien, und diese Richtlinien sind im Gesetz festgelegt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf Sie auffordern, nachdem das Angebot da ist, dieses anzunehmen und umzusetzen. Es ist heute schon einmal dem Herrn Bundesminister für diese Initiative gedankt worden. Ich möchte das wiederholen, begrüße diese Aktion, es ist aber auch eine Aufforderung an die Wirtschaft und an die Arbeitgeber. Ich denke, daß es viele Möglichkeiten gibt – wir haben das im Sozialausschuß schon besprochen –, Beschäftigungsgesellschaften, Organisationen, Verbände, arbeitslose Menschen unter Kollektivvertrag anzustellen und wieder in den primären Arbeitsmarkt einzugliedern.

Ich habe im Sozialausschuß auf ein Projekt des Regionalentwicklungsverbandes Mürzzuschlag hingewiesen: Es gibt bereits Niederlassungen in Gratkorn, Graz-Umgebung, und eine ist geplant in der Obersteiermark. Und da stellen sich tatsächlich erste Erfolge ein. Es sind auch die Bestrebungen des Landes Steiermark, nicht marktfähige Arbeit marktfähig zu machen, etwa in Form einer Beschäftigungs- und Projektförderungsgesellschaft. Es könnten Schwerpunkte sein wie Wissenschaft, Umwelt, Kultur, Sozialbereich und verschiedenes anderes mehr. Dem Finden von Ideen sind keine Grenzen gesetzt, und ich glaube, diese Aktion sollten wir begrüßen und unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. Er hat das Wort.

12.14

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Österreicherinnen und Österreicher haben das 1. Sozialrechts-Änderungsgesetz und dessen Auswirkungen noch nicht vergessen. Ich erinnere nur kurz daran für jene Abgeordneten, die sich nicht mehr daran erinnern wollen: Es hat eine Rezeptgebührenerhöhung von 35 auf 42 S gegeben – insgesamt 8 S Erhöhung für das Jahr 1996, weil mit 1. Jänner auch erhöht wurde –, weiters die Krankenscheinsteuer von 50 S, 0,25 Prozent Sozialversicherungsbeitragserhöhung für Pensionisten, eine Verschlechterung beim Pflegegeld, indem man die Stufe 1 gekürzt hat, die 80-Prozent-Wahlarztregelung und Karenzurlaubsgeld nur mehr für 1,5 Jahre, wenn nur ein Elternteil den Karenzurlaub in Anspruch nimmt – nur um einige Details zu nennen.

Aber das, was jetzt mit dem 2. Sozialrechts-Änderungsgesetz kommt, Herr Bundesminister, ist um kein Jota besser, schlägt nur in eine andere Kerbe. Beim 1. Sozialrechts-Änderungsgesetz wurde praktisch ausschließlich der extramurale Bereich geschwächt. Es wurden die Bürger direkt mit Mehrleistungen belastet. Beim jetzigen Gesetz kommt es zu einer Verbesserung im


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Sozialversicherungswesen, aber nur aufgrund einer finanziellen Begünstigung der Sozialversicherung.

Herr Bundesminister! Ich möchte meine Worte, die ich anläßlich einer früheren Plenarsitzung verwendet habe – von wegen Hauptverband und so weiter, Sie wissen schon –, nicht wiederholen, denn ich würde mir wieder einen Ordnungsruf einhandeln. Aber ich steige von dem nicht herunter: Sie haben sich bei diesem 2. Sozialrechts-Änderungsgesetz vom Hauptverband komplett über den Tisch ziehen lassen. Ich verweise auf den § 447f, in dem festgeschrieben ist – was Sie heute als so positiv hingestellt haben –, daß die Sozialversicherung die Finanzierung der Krankenhäuser garantiert.

Herr Bundesminister! Die Pauschalierung für 1997 mit 37 Milliarden Schilling richtet sich nach dem Betrag von 1996 – okay, das geht in Ordnung. Aber die jeweilige jährliche Erhöhung um den Betrag, wie die Einnahmen bei den Sozialversicherungen steigen oder fallen, kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein.

Die Sozialversicherungen tragen überhaupt kein Risiko mehr mit, wie hoch die Spitalskosten und die Ambulanzkosten ansteigen. Es ist also im Interesse der Sozialversicherungen, möglichst viele Leistungen spitalslastig zu verlagern, und das machen sie jetzt schon. Ich habe als praktischer Arzt in Oberösterreich von der Gebietskrankenkasse ein Schreiben bekommen, in dem steht: Wir dürfen keine präoperativen Untersuchungen mehr in den Praxen durchführen, das gehört alles zur Operation und zur postoperativen Taxe, und daher hat das gefälligst im Spital durchgeführt zu werden.

Die Patienten liegen daher wesentlich länger im Spital, schon drei bis vier Tage vor einer Operation – und das soll die Kosten minimieren?

Herr Bundesminister! Ich schlage daher vor und bringe das auch in Form eines Abänderungsantrages ein, daß sich die Beiträge zur Spitalsfinanzierung durch die Sozialversicherung nicht nach ihren Beitragseinnahmen richten, sondern daß sich die prozentuelle Steigerung pro Jahr ausschließlich nach der prozentuellen Steigerung der fondsfinanzierten Spitalskosten richtet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das wäre ein Anreiz, damit würden wir den Trend bei den Sozialversicherungen: alles hinein in die Spitalsambulanzen, wo der Patient vier- bis fünfmal soviel Kosten verursacht wie beim niedergelassenen Arzt, ein für allemal unterbinden.

Das, was im Koalitionsabkommen steht, das, was Sie alle hineingeschrieben haben, jetzt schon zum drittenmal, nämlich daß der extramurale Bereich gestärkt werden soll, wird damit ganz klar hintergangen. Genau das Gegenteil ist mit diesem Gesetz der Fall.

Herr Bundesminister! Daher bringe ich hier einen Abänderungsantrag ein, der die Regierungsvorlage wie folgt ändern soll:

In Artikel 1 Ziffer 28 werden im 3. Satz von § 447f die Worte "um den die Beitragseinnahmen der Träger der Krankenversicherung" durch "um den die Ausgaben der über die Landesfonds finanzierten Krankenanstalten" ersetzt.

Das ist der richtige Weg, Herr Bundesminister. Damit wird der Trend zur Spitalsaufnahme, zur Hospitalisierung, zur Spitalslastigkeit im Gesundheitswesen unterbunden. Und alle, die an der Finanzierung im Gesundheitswesen beteiligt sind, sollten größtes Interesse haben, alles, was nur irgendwie möglich und vertretbar ist, extramural behandeln zu lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Noch eine kleine Randbemerkung zu dem, was hier steht: Zum Beispiel haben die Sozialversicherungen mit Ihnen ausverhandelt – und Sie haben Sie auch hier über den Tisch gezogen –, daß sie überhaupt kein Risiko in der Spitalsfinanzierung mehr tragen, aber nicht nur das, sie haben durch dieses Gesetz das Einschaurecht in alle Befunde im Krankenhaus. Sie dürfen die Röntgenbilder, die Kopien, die Krankengeschichten, alles anfordern.


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Aber was noch ärger ist: Sie dürfen jetzt einen eigenen Krankenversicherungs-Facharzt ins Spital schicken, der den Patienten noch einmal untersucht und schaut, ob das, was die Spitalsärzte machen, auch gerechtfertigt ist. Ein Chefarzt der Krankenkasse wird in Zukunft in die Spitäler geschickt, damit er die Tätigkeit der Ärzte in den Spitälern kontrolliert. Das ist eine Ungeheuerlichkeit, was Sie da hineinschreiben, Herr Bundesminister! Das gehört gestrichen, da können wir Freiheitlichen nicht mit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Ich möchte Ihnen zu dem leidigen Thema Krankenscheingebühr ein bißchen Unterstützung gewähren, denn die Einführung der Krankenscheingebühr ist auch aus der Sicht der Freiheitlichen eine völlig sinnlose, eine unsinnige Aktion. Sie haben das richtig erkannt. Sie haben sich hier vom Koalitionspartner ÖVP in die Zwickmühle nehmen lassen: Die ÖVP hat das bewirkt, hat das auf ihre Fahnen geheftet. Aber wie unsinnig das ist, das geht auch aus einem Schreiben der Ärztekammer für Salzburg – an mich gerichtet – hervor, wobei Präsident Reiner Brettenthaler mir persönlich schreibt, daß er meinen Antrag auf Aussetzung dieser Krankenscheinsteuer voll unterstützt, daß diese Krankenscheingebühr unsinnig ist, daß man sie bei den niedergelassenen Ärzten einheben wird – das gilt also für Krankenscheine, die beim niedergelassenen Arzt verwendet werden. Und dann schreibt er: Im übrigen darf ich Ihnen mitteilen, Herr Kollege Pumberger, daß ich nach 22jähriger Mitgliedschaft im ÖVP-Wirtschaftsbund wegen dieses Themas ausgetreten bin.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der ÖVP! Das ist kein Namenloser, das ist der Präsident der Salzburger Ärztekammer. Ihre Ärztevertreter hier im Plenum sind bei dieser wichtigen Debatte überhaupt nicht anwesend! Keiner ist hier! Dr. Leiner ist nicht anwesend, Herr Rasinger war einmal ganz kurz da, er traut sich die Debatte überhaupt nicht mehr mitzuverfolgen, geschweige denn, daß er sich zu Wort meldet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daher habe ich auch zu diesem Thema Krankenscheingebühr einen Abänderungsantrag vorbereitet. Ich gebe Herrn Minister Hums mit seiner sozialistischen Fraktion die Möglichkeit, heute dafür zu sorgen, daß mit 1. Jänner 1997 diese Krankenscheinsteuer, die ungerecht ist, die die sozial Schwachen belastet, die eine Eintrittskarte zum niedergelassenen Arzt bedeutet, gerade für die sozial Schwachen beseitigt wird. Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Povysil, Mag. Haupt und Kollegen zum Tagesordnungspunkt 1

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

1. Artikel 1 Ziffer 8 lautet:

"8. In § 135 Abs. 3 entfallen die letzten drei Sätze."

2. In Artikel 1 Ziffer 28 werden im 3. Satz von § 447f die Worte "um den die Beitragseinnahmen der Träger der Krankenversicherung" durch "um den die Ausgaben der über die Landesfonds finanzierten Krankenanstalten" ersetzt.

3. In Artikel 1 Ziffer 30 wird am Ende von § 567 Abs. 1 Ziffer 2 vor dem Strichpunkt folgende Wortfolge eingefügt:

"sowie die Aufhebung der letzten drei Sätze des § 135 Abs. 3."

*****

Das ermöglicht Ihnen von der sozialistischen Fraktion – heute hier zum letzten Mal vor der Einführung dieser ungerechten Krankenscheinsteuer –, diese Ungerechtigkeit ein für allemal zu beseitigen – noch dazu, wo diese Krankenscheinsteuer aller Voraussicht nach nur für ein Jahr


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gelten wird, weil der Herr Sozialminister soeben gerade verkündet hat, daß sich durch die Einführung der Chipkarte, die im Sozialausschuß mit 1. Jänner 1998 beschlossen wurde, diese Krankenscheinsteuer erübrigt, weil es dann die Krankenscheine als solche überhaupt nicht mehr geben wird.

Daher wollen wir nicht für ein Jahr eine ungerechte Krankenscheinsteuer einführen. Ich bitte Sie daher, meine sehr verehrten Damen von der sozialistischen Fraktion, von den Grünen und von den Liberalen, diesem freiheitlichen Antrag beizutreten. Es geht! Es gibt ja ein bißchen einen koalitionsfreien Raum, wie man bei diesen Homosexuellen-Paragraphen gesehen hat. Nehmen Sie diesen in Anspruch, stimmen Sie mit uns, damit diese Ungerechtigkeit der 50-S-Krankenscheinsteuer mit 1. Jänner 1997 beseitigt ist, Herr Kollege Feurstein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe auch betreffend die Chipkarte einen Abänderungsantrag vorbereitet, weil ich im Sozialausschuß dagegengestimmt habe, und zwar wegen des Punktes 3. Punkt 3 beinhaltet, daß die gesamten Kosten ohne Rücksprache nur von der Sozialversicherung festgesetzt und der Wirtschaft zur Last gelegt werden. Wir wollen nicht – zumindest ich will nicht –, daß die Wirtschaft zusätzlich belastet wird. Ich habe hier eine einvernehmliche Lösung vorgeschlagen, und daher bringe ich einen Abänderungsantrag ein, der wie folgt lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pumberger, Haller, Mag. Haupt und Kollegen zum Tagesordnungspunkt 1

Der Nationalrat wolle beschließen:

Ziffer 3 der dem Ausschußbericht beigedruckten Entschließung des Ausschusses für Arbeit und Soziales lautet:

"3. die Wirtschaft, die sich durch die Einführung der Chipkarte Verwaltungskosten erspart, einen einvernehmlich mit den Vertretern der Wirtschaft festzulegenden Beitrag zur Finanzierung leistet."

Im Text der Entschließung soll klargestellt werden, daß der Kostenbeitrag der Wirtschaft zur Einführung der Chipkarte einvernehmlich festzulegen ist.

*****

Das ist eine Minimalanforderung, und daher glaube ich, daß dieser Abänderungsantrag auch mit ruhigem Gewissen von Ihnen unterstützt werden kann.

Nun noch kurz zur Wahlarztregelung. Es liegen von den Oppositionsparteien auch heute diesbezügliche Anträge zur Beschlußfassung vor. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Wahlarztregelung ist ganz miserabel! Wie schlecht die Versorgung mit Vertragsärzten ist, beweist Ombudsmann Dr. Zilk, ehemaliger SPÖ-Bürgermeister von Wien, indem er schreibt:

Im Sozialministerium sieht man die Schuld bei den Kassen. Diese haben kein flächendeckendes Vertragsärztenetz für alle medizinischen Leistungen aufgebaut – also ein jahrzehntelanges Versäumnis –, weshalb die Patienten zu Wahlärzten ausweichen müssen. Jetzt frage ich mich: Wie kommen Kranke dazu, für die kranken Kassen zu büßen? – Zitatende.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben kein flächendeckendes Netz an Vertragsärzten. Vor zwei bis drei Tagen mußte ich den Zeitungen entnehmen, daß im Bundesministerium für Gesundheit bereits Vorschläge ausgearbeitet werden, wie man die Zahl der Kassenärzte beispielsweise in Wien weiter reduziert. Bis zu 30 Prozent der Kassenstellen sollen reduziert oder in nächster Folge nicht mehr nachbesetzt werden. Das heißt, es wird immer mehr Wahlärzte geben, immer mehr Patienten sind gezwungen, zu einem Wahlarzt zu gehen. Und die


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sozial Schwachen, von denen der Herr Bundeskanzler vor der Nationalratswahl gesprochen hat, werden sich ihren Arzt nicht mehr leisten können. Wir Freiheitlichen werden dafür sorgen – wir wollen dafür sorgen und werden auch dafür kämpfen! –, daß sich gerade die sozial Schwachen in Zukunft ihren Arzt leisten können und nicht 20 Prozent Selbstbehalt bei hohen Beiträgen zahlen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Unser Antrag geht insofern viel weiter als jener der Grünen und der Liberalen, weil wir die Abschaffung der 20 Prozent Selbstbehaltregel nicht nur bei den Physiotherapeuten, Logopäden, Diätassistenten und Ergotherapeuten – dort ist es ganz wichtig, diese kämpfen um ihre Existenz –, sondern auch bei den Wahlärzten wollen, denn dort kämpfen die Patienten um ihre Existenz, wenn sie den Arzt selbst finanzieren müssen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich komme schon zum Schluß. Leider habe ich nicht so viel Redezeit. – Die Rufbereitschaft, dieses Debakel, kommt heute abend noch dran, da wird der Herr Bundesminister nicht direkt in die Pflicht genommen, obwohl er auch mitverantwortlich ist. – Aber nun zum Arbeitszeitgesetz.

Ich habe Ihnen am Donnerstag bei der Sitzung des Sozialausschusses ein Lob ausgesprochen. Sie werden sich gewundert haben. Ich lobe jemanden, wenn er gute Arbeit leistet, und Sie haben bei der Vorbereitung für das Arbeitszeitgesetz wirklich gute Arbeit geleistet, aber – und jetzt kommt der Hammer! – das, was Sie gestern ausgehandelt haben – der Herr Bundesminister mit Minister Klima, Bartenstein, Kostelka, Khol, Reitsamer, Feurstein, Guggenberger, Rasinger und Leiner, die immer noch nicht da sind (Abg. Reitsamer: Ich bin schon da!) –, macht es den Freiheitlichen unmöglich, mitzugehen, wenn uns dieser Vorschlag nächste Woche im Ausschuß als Gesetzesvorlage vorgelegt wird.

Sie wollen festschreiben, daß die Rufbereitschaft keine Arbeitszeit mehr ist, Sie wollen das auch bis Ende 1997 als Definition im Gesetz verankern. Sie wollen die ganzen Nebenvereinbarungen ignorieren, Sie wollen die Zeitgrenzen bis zum Jahre 2005 hinausschieben. Neun Jahre geben Sie der Umsetzung einer von der EU geforderten Richtlinie Zeit, neun Jahre! Es werden in Zukunft die Ärzte und das Pflegepersonal in den Spitälern immer noch 70, 80, 90 Stunden arbeiten müssen!

Jetzt kommt noch dazu, daß § 8 ein neuer Absatz 3 hinzugefügt wird, der da lauten soll, daß diese ganze Krankenanstaltenarbeitszeitregelung dann keine Anwendung findet, wenn es zur Aufrechterhaltung des Krankenhausbetriebes notwendig ist. – Herr Bundesminister! Das könnte in jedem Betrieb so sein! Da hört sich jeder Arbeitnehmerschutz auf! In jedem Betrieb kann sich die Notwendigkeit ergeben, daß aufgrund eines Anfalles von besonders viel Arbeit die Leute grenzenlos eingesetzt werden müssen.

Im Spitalsbereich ist es besonders leicht zu argumentieren. Da sagt der Spitalserhalter: Wir haben nicht genug Personal, Sie müssen dableiben. Da sagt man schon bei der Untervertragnahme des Arztes oder der Krankenschwester: Ihr müßt bereit sein, unterschreibt mir, damit ihr auf diese Liste kommt, auf diese aktuelle Liste, die hier erwähnt wird. Unterschreibt mir das, daß ihr jederzeit bei Bedarfsfall, wenn es im Sinne des Krankenhauses ist, herangezogen werden könnt zu Mehrleistung, zu Mehrarbeit, die weit über die EU-Richtlinien und weit über das Arbeitszeitgesetz hinausgeht. Dazu können sie herangezogen werden. Niemand von denen, die oft schon zwei, drei Jahre lang arbeitslos sind und dann endlich die Chance haben auf einen Arbeitsplatz, Ärzten, die mit dem Medizinstudium fertiggeworden sind und auf einen Turnusarztplatz warten, zwei Jahre lang arbeitslos waren und vielleicht Taxi gefahren sind, wird die Unterschrift verweigern. Sie gehen zum Krankenhaus, es wird ihnen das unter die Nase gehalten und gesagt: Unterschreiben Sie, daß Sie unbefristet, unbegrenzt arbeiten, wenn es der Betrieb erfordert. – Jeder wird diese Betriebsvereinbarung unterschreiben, Minister Hums!

Der Betriebsrat wird dann sagen: Wenn der Arzt das unterschrieben hat, ist er einverstanden damit. Wenn er das nicht macht, dann warten schon 2 000 weitere Ärzte auf den Arbeitsplatz, arbeitslose Turnusärzte, Krankenschwestern detto. Das ist eine Ungeheuerlichkeit. Das ist ein Gummiparagraph, der de facto nicht zur geringsten praktischen Auswirkung des Arbeitnehmer


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schutzes durch das Arbeitszeitgesetz führen wird. Das stellt das gesamte Arbeitszeitgesetz auf den Kopf.

Herr Bundesminister! Sie haben sich dafür hergegeben! Sie können mir das nicht widerlegen. Ich habe das schwarz auf weiß. Ich interpretiere es so, wie es eines Tages in der Praxis aussehen wird, und genauso wird es sein, Herr Bundesminister! Sie werden sich eines Tages an meine Worte erinnern. Schon mit Beginn des kommenden Jahres werden 100 000 Krankenhausbedienstete auf die Straße gehen – mit Streik drohen sie jetzt schon –, wenn sie erfahren, was hier beabsichtigt ist. Sie haben bis zu 100 000 Spitalsbedienstete in Österreich auf der Straße, wenn Sie ihnen nicht eine Unwahrheit erzählen. Das ist offensichtlich die Wahrheit, und wenn das Gesetz wird, dann gehen die Leute auf die Straße, da können Sie sicher sein – und ich werde sie dabei unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich bringe daher noch einen Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Haupt, Dr. Pumberger, Dr. Povysil und Kollegen zum Tagesordnungspunkt 1

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

1. In Artikel 1 wird nach Ziffer 6 folgende Ziffer 6a eingefügt:

"6a. In § 131 Abs. 1 1. Satz entfallen die Worte , im Ausmaß von 80 vom Hundert‘."

2. In Artikel 1 Ziffer 30 werden im § 567 Abs. 1 Ziffer 2 die Worte "131 Abs. 6" durch "131 Abs. 1 1. Satz sowie Abs. 6" ersetzt.

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Nach anfänglichem Bemühen, das Sie wirklich gezeigt haben, haben Sie jetzt, zumindest gestern, völlig versagt. Wenn das Gesetz wird, dann können Sie damit rechnen, daß 100 000 Spitalsbedienstete auf der Straße sind. Rechnen Sie damit, daß Streikmaßnahmen in unseren Spitälern stattfinden werden, die die Sicherheit unserer Patientenversorgung gefährden, und rechnen Sie damit, daß diese die Unterstützung der Freiheitlichen haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Abänderungsanträge, die in Teilen verlesen wurden, sind genügend unterstützt und stehen zur Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte.

12.33

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums: Nur ganz kurz, damit ich die Zeit nicht über Gebühr in Anspruch nehme. Herr Abgeordneter Dr. Pumberger! Erfreulicherweise kann ich Ihnen sagen, daß die Auslegungen, die Sie hier getroffen haben, keinesfalls stimmen. Ich bin gerne bereit, Ihnen noch vor der Ausschußsitzung, auch unmittelbar hier im Anschluß zu erklären, was wirklich vereinbart wurde. (Beifall bei der SPÖ.)

12.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. Er hat das Wort. (Abg. Koppler: Schaumschläger!)

12.34

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Positiv vermerken möchte ich, daß wir heute ein sehr zukunftsorientiertes Gesetz beschließen. Positiv vermerken möchte ich auch, daß es eine begrenzte Redezeit


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gibt, damit das "Jammersurium" des Abgeordneten Dr. Pumberger nicht allzu lange angehört werden muß. (Beifall bei der ÖVP.)

Er hat es immer schwerer, auf dem Spagat zwischen einem engagierten Gesundheitspolitiker und einem Möchtegern-Standespolitiker zu tanzen und nicht abzustürzen. Das ist schwer. (Abg. Mag. Stadler: Wie hat dieser lateinische Begriff gelautet?) Mag. Stadler! Hören Sie mir zu! (Abg. Mag. Stadler: Sagen Sie diesen lateinischen Begriff noch einmal!) Dr. Pumberger hat uns das Beileid ausgedrückt, weil wir in der ÖVP ab nun ohne den Präsidenten Brettenthaler leben müssen. Sie müssen auch ohne Guggenberger leben. Er war einmal Klubvorsitzender, ohne den müssen Sie auch leben. Wir werden auch ohne Brettenthaler leben. Nehmen Sie zur Kenntnis, wir haben keine Probleme damit. (Rufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen: Gugerbauer! Gugerbauer!) – Gugerbauer, ja, Gugerbauer, Verzeihung.

Es geht erstens bei diesem Sozialrechts-Änderungsgesetz darum, daß wir das Leistungsangebot der sozialen Politik einmal sehen müssen. Ich glaube, 28 Milliarden Schilling für ärztliche Dienste, 15 Milliarden Schilling für Medikamente und 35 Milliarden Schilling für Anstaltsaufwendungen sind doch keine Kleinigkeit. (Abg. Mag. Stadler: Wer war Brettenthaler?)

Das zweite: Wir haben ein größeres Gesundheitsbewußtsein. Wir haben neue Risikofaktoren. – Auch Sie haben diese. Ich merke es an Ihren allergischen Ausbrüchen. – Wir haben natürlich auch veränderte Lebensbedingungen, und wir haben auch eine immer höher werdende Lebenserwartung, was ich allen und auch mir selbst von Herzen wünsche. Ich glaube, wir werden uns da auch noch weiterentwickeln müssen. Dazu kommt, daß ein über 60jähriger eine viermal so hohe Aufwendung in der Krankenversicherung verursacht wie jemand unter 30 Jahren. Das sind doch Dinge, die man erkennen und einmal aufzeigen muß.

Es muß auch gesagt werden, daß die Leistungsqualität großartig ist. Herr Dr. Pumberger meint, die Situation der Ärzte in Österreich sei einfach dramatisch. Bitte, lesen Sie nach: Im Jahr 1988 kamen 82 Ärzte auf 100 000 Einwohner, im Jahr 1995 134. Ich glaube, das ist doch eine herzeigbare Größe. Darüber kann man wohl reden.

In weiterer Folge hat dieses Gesetz zum Inhalt, daß wir in Zukunft nach leistungsorientierten Kriterien die Spitalsfinanzierung durchführen wollen. Wir haben mit der KRAZAF-Lösung ein Ende geschaffen, nachdem schon jahrelang darüber gesprochen wurde, daß sich hier nichts bewegt. Das ist natürlich äußerst schwierig, weil die Leistungsqualität erhalten werden muß, und dazu kommt ... (Abg. Mag. Haupt: Aber nur im Bereich der leistungsfinanzierten Krankenanstalten!)

Herr Mag. Haupt! Wer immer es zahlt: Es muß bezahlt werden, es ist auch jetzt in Form von mehreren Teilnehmern bezahlt worden. Sie wissen vielleicht nicht, weil Sie sich mit anderen Dingen beschäftigen, daß sich alleine die Aufwendungen für die Krankenhäuser vom Jahre 1985 von 15,5 Milliarden im Jahr 1995 auf 35,2 Milliarden Schilling gesteigert haben, und das ist nur jener Betrag, den die gesetzliche Sozialversicherung zu zahlen hat. Ich meine, das ist auch einmal erwähnenswert.

Herr Bundesminister! Wir haben die neue Finanzierung der Krankenanstalten im § 447f derart geregelt, daß der Hauptverband in Form seiner Richtlinienkompetenz die Aufteilung durchzuführen hat. Mir, Herr Bundesminister, wäre es lieber gewesen, wir hätten diesen Aufteilungsschlüssel im Gesetz festgeschrieben, weil ich glaube, daß das ein für allemal eine gute Entscheidung gewesen wäre.

Ich verweise darauf, daß wir vereinbart haben, daß 70 Prozent der zu Diskussion stehenden Aufwendungen auf Verrechnungsbasis 1994 zu erfolgen hat und 30 Prozent auf Beitragseinnahmen, bezogen auf Basis 1995. Wenn das die Grundlage für Gespräche im Hauptverband sein wird, soll es mir auch recht sein. Die Freude hält sich allerdings in Grenzen, weil ich glaube, daß wir am 4. November eine Vereinbarung erzielt hätten, die es wert gewesen wäre, heute im Gesetz festgeschrieben zu werden.


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Nun zur Chipkarte. Ich verweise auf meinen Freund und Kollegen Dr. Günter Stummvoll. Endlich ist der Durchbruch geschafft, und ich freue mich, daß drei Parteien sich im Antrag dafür aussprechen und hinter dieser wesentlichen Veränderung stehen.

Meine Damen und Herren! Es geht nicht darum, daß wir uns heute hier quälen, was in der Chipkarte alles drinnen oder nicht drinnen stehen wird. Das werden Experten gemeinsam mit den politisch Verantwortlichen zu besprechen haben. Es ist klar, daß der Datenschutz höchste Priorität hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Wichtig ist, daß der Versicherte keinen Nachteil hat, daß die Wirtschaft mehr Wettbewerbskraft gewinnt, weil unnötige Bürokratie abgebaut wird, und daß wir einer sehr modernen Regelung entgegengehen, von der ich meine, daß sie für alle wichtig ist. Ich glaube aber nicht, daß wir damit Ihrem Antrag, Herr Dr. Pumberger, entsprechen werden, in dem Sie sich über die Krankenscheingebühr ausgeweint haben. Da werden wir nicht mitgehen, und das wird auch nicht Gegenstand der Chipkarte sein.

Ich darf Sie noch an einige andere Anträge erinnern. Sie haben gemeint, daß Sie sich hier bezüglich der 80-Prozent-Wahlarztregelung äußern müssen. Hier verweise ich – Sie haben das wahrscheinlich nicht getan – auf § 131 Abs. 6, laut dem es dem Träger freigestellt ist, dann, wenn kein Gesamtvertrag vorliegt und die ausreichende ärztliche Versorgung nicht gegeben ist, auch eine 100-Prozent-Leistung geben zu können.

Sie sind eben mehr Standespolitiker als Sozialpolitiker, als Gesundheitspolitiker, und das ist eben schwierig für Sie, gar keine Frage. Sie haben sich auch in Ihrem Antrag sozusagen ausgeweint. Ich zitiere: Bei vielen Vertragsärzten müssen die Patienten leider eine Massen- und Schnellabfertigung, keine funktionierende Terminvereinbarung und so weiter hinnehmen.

Sie beschimpfen und bejammern hier die Ärzte Österreichs. Das haben sich die Ärzte, meine Damen und Herren, nicht verdient, und deshalb, so glaube ich, hat dieser Antrag keinen Sinn. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir werden den gesamten Gesetzesvorlagen die Zustimmung geben, weil wir davon überzeugt sind, daß das wirklich eine zukunftsweisende und gute Entscheidung ist. (Beifall bei der ÖVP.)

12.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Guggenberger. – Bitte. (Rufe bei den Freiheitlichen: Gugerbauer! Gugerbauer!)

12.41

Abgeordneter Mag. Walter Guggenberger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin natürlich nicht der Gugerbauer, sondern der Guggenberger, aber ich glaube, mit Gugerbauer habe ich eines gemeinsam (Abg. Mag. Stadler: Den Schnurrbart!): Mittlerweile will er von den Freiheitlichen gleich wenig wissen wie ich, das ist die Gemeinsamkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Graf. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 29. März dieses Jahres haben sich Bund, Länder, mehrere Minister dieser Bundesregierung, Hauptverband, Städtebund und Gemeindebund auf eine Reform des Gesundheitswesens und der Krankenhausfinanzierung geeinigt.

Wir alle haben damals diese Einigung mit großer Befriedigung zur Kenntnis genommen und haben damals gesagt: Die Mühen der Gebirge sind überwunden, die Mühen der Ebene aber liegen vor uns.

In den vergangenen Wochen und Monaten haben nicht wenige hier in diesem Haus – ich verhehle auch nicht, auch ich war da sehr skeptisch – Zweifel daran gehabt, ob es uns gelingen würde, diese damals politisch akkordierte Vereinbarung umzusetzen und rechtzeitig die notwendigen gesetzlichen Maßnahmen zu treffen. Heute können wir sagen, wir haben mit diesem Gesetzespaket auch die Mühen der Ebene überwunden. Wir werden heute mit diesen Beschlüssen dafür Sorge tragen können, daß die Finanzierung der österreichischen Krankenanstalten auf


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eine neue, grundlegende, gute Basis gestellt wird. Darauf können wir stolz sein, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir stellen mit diesem Reformpaket auch sicher, daß private gemeinnützige Krankenanstalten überleben können, daß sie so wie bisher von der Sozialversicherung Gelder entgegennehmen können. Kollege Feurstein nickt zustimmend, er hat schon darauf hingewiesen. Ich möchte auch eine Lanze für diese gemeinnützigen privaten Krankenanstalten brechen, die in unserer österreichischen Krankenhauslandschaft durchaus auch ihren Platz haben und die in bestimmten Regionen durchaus wesentliche Versorgungsaufgaben übernehmen. Ich bin froh darüber, daß es uns gelungen ist, auch deren Überleben zu sichern.

Wir haben – das ist insbesondere für die Bevölkerung in einem Tourismusland wie Tirol wichtig – eine Regelung getroffen, die in den vergangenen Jahren immer wieder gefordert wurde und, wie ich meine, zu Recht gefordert wurde. Es wurde immer wieder darüber Klage geführt, daß es uns aufgrund der Gesetzeslage nicht möglich ist, von ausländischen Patienten, die sich beispielsweise beim Skiurlaub in Tirol, in Kärnten oder in Salzburg verletzen oder verunfallen und in österreichischen Krankenanstalten liegen, einen entsprechend akzeptablen, adäquaten Beitrag zu kassieren.

Auch dieses Problem haben wir gelöst. In Zukunft werden also ausländische Patienten, die in österreichischen Krankenhäusern liegen, einen höheren Beitrag zu leisten haben als bisher. Dies ist auch eine durchaus hervorhebenswerte Tatsache.

Zur Chipkarte nur zwei Bemerkungen. Es war uns außerordentlich wichtig – wir haben das in unseren Entschließungsantrag hineingeschrieben –, daß mit der Einführung dieser neuen Chipcard die Versicherten nicht zusätzlich zur Kasse gebeten werden. Wir stellen hiemit klar: Den Versicherten, den Patienten, den Kunden der Sozialversicherung wird die neue Chipkarte keinen einzigen Groschen kosten. Das ist wichtig. Ich glaube auch nicht, daß die Bürger Verständnis dafür haben würden, wenn sie dafür, daß sie ab 1. Jänner 1998 ein zusätzliches Plastikkarterl im Geldtascherl haben, zahlen müßten, wenn wir ihnen auf der anderen Seite die Krankenscheingebühr, Rezeptgebührenerhöhungen und so weiter zumuten.

Was für uns ganz besonders wichtig ist, ist folgendes: Es kann und darf nicht zum sogenannten gläsernen Menschen kommen. Ich wiederhole und betone nochmals: Wir geben heute nur die Rahmenbedingungen vor, die Details sind auszuhandeln, sie sind zu vereinbaren. Ich bin sehr froh, daß der Herr Sozialminister hier in diesem Hohen Haus eben erst die Zusage gegeben hat, alle einzelnen Schritte und Maßnahmen Detail für Detail mit den Sozial- und den Gesundheitssprechern der Parlamentsfraktionen zu besprechen und zu akkordieren.

Ich glaube, daß es ein Grundsatz der Fairneß ist, anzuerkennen, Kollege Öllinger, daß es vom Sozialminister und von uns allen ein ganz ernst zu nehmendes, seriöses Bestreben gibt, diese Chipcard einzuführen, daß wir aber mit Sicherheit nicht den von dir als Horrorszenario an die Wand gemalten "gläsernen" Menschen haben wollen.

Ein dritter Eckpunkt – das haben wir festgestellt – ist uns auch ganz besonders wichtig. Es war zweifelsohne die Wirtschaft, die immer gefordert hat, diese Chipkarte einzuführen. Es wird klarzustellen sein, daß die Wirtschaft einen entsprechenden Beitrag für die Einführung dieses Systems zu leisten hat.

Meine Redezeit ist schon fast vorbei, nur noch einen letzten Satz: Es ist sehr erfreulich, daß es gelungen ist, zu verhindern, daß die Rezeptgebühr neuerlich erhöht wird. Auch da war es Sozialminister Hums, waren es die Sozialdemokraten, die das durch ihre sehr entschiedene, klare Haltung verhindert haben. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

12.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Pumberger gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

12.48

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Abgeordneter Donabauer hat in seinem Debattenbeitrag behauptet, ich hätte in meinem De


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battenbeitrag gesagt, die Ärzte ließen die Patienten zu lange warten, sie bieten ihnen zuwenig Gespräch, und sie vergeben zu langfristige Termine. Daher würde das einer Beschimpfung der Ärzte meinerseits gleichkommen. (Abg. Wurmitzer: Er hat zitiert!)

Ich stelle tatsächlich richtig, Herr Kollege Donabauer, daß Sie wahrscheinlich nicht aufgepaßt haben, denn ich habe keinen einzigen dieser Vorwürfe in meiner Rede, wie im Protokoll nachlesbar ist, erwähnt. Ich verweise vielmehr darauf, daß die Schuld an den langen Wartezeiten, an den langen Terminen, an der mangelhaften Gesprächsbereitschaft der Ärzte bei der unmöglichen und untragbaren Kassenvertragssituation liegt, daß die Krankenkassen schuld daran sind, weil sie zuwenig Vertragsarztstellen ermöglichen.

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den von mir berichteten Hinweis von Ombudsmann Dr. Zilk, ehemaliger Bürgermeister der SPÖ. Er sagte: Im Sozialministerium sieht man die Schuld bei den Kassen. Bisher haben wir kein flächendeckendes Vertragsärztenetz für alle medizinischen Leistungen aufgebaut, weshalb die Patienten mangelhaft versorgt werden. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte sehr.

12.50

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich nehme Bezug auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Pumberger. Ich habe hier festgestellt, daß der Antrag, der uns in der Ausschußsitzung vorgelegt wurde, in der Begründung folgende Passage enthält:

Bei vielen Vertragsärzten müssen die Patienten leider eine Massen- und Schnellabfertigung, keine funktionierende Terminvereinbarung, wenig Eingehen auf den einzelnen und mangelnde Gesprächsbereitschaft in Kauf nehmen. (Abg. Dr. Schwimmer: Von wem ist dieser Antrag?) – Antrag Mag. Haupt, Dr. Pumberger, Dr. Povysil. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Hier steht es geschrieben, ich habe somit die Wahrheit gesagt, und ich lege Wert darauf, daß dies auch im Protokoll festgehalten wird. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die über die einzelnen Anträge getrennt vorgenommen werden.

Als erstes stimmen wir ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 465 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen einen Zusatz- sowie Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters hat Herr Abgeordneter Haupt hinsichtlich mehrerer Ziffern des Artikels I sowie hinsichtlich Artikel VI und X ein Verlangen auf getrennte Abstimmung gestellt.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen Abänderungsanträge eingebracht.

Schließlich haben die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über den erwähnten Zusatzantrag, danach über die von den Abänderungsanträgen betroffenen Teile, der Reihe nach und unter Berücksichtigung des Verlangens auf getrennte Abstimmung, und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.


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Der Abgeordnete Haupt hat, wie erwähnt, einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung einer neuen Ziffer 6a zum Inhalt hat.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Antrag des Abgeordneten Mag. Haupt zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel I Z 8 § 135 Abs. 3 eingebracht.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse daher sogleich über Artikel I Z 8 § 135 Abs. 3 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich ersuche bei Zustimmung um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen als nächstes zur Abstimmung über Artikel I Z 9 in der Fassung des Ausschußberichtes, und ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel I Z 14 § 148 Z 5 bezieht.

Im Falle der Zustimmung zu diesem Antrag Dr. Kier ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Ich lasse sogleich über Artikel I Z 14 § 148 Z 5 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen, und ich bitte jene Mitglieder, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so beschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über Artikel I Z 23 § 338 Abs. 2a und Z 24 § 338 Abs. 3 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich ersuche im Falle der Zustimmung um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit beschlossen.

Abgeordneter Dr. Pumberger hat einen Abänderungsantrag betreffend Artikel I Z 28 § 447f Abs. 1 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Antrag Pumberger zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über diesen Artikel I Z 28 § 447f Abs. 1 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit beschlossen.

Abgeordneter Mag. Haupt hat einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel I Z 30 § 567 Abs. 1 Z 2 bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag Haupt zustimmen wollen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Abgeordneter Dr. Pumberger hat einen Abänderungsantrag betreffend Artikel I Z 30 § 567 Abs. 1 Z 2 eingebracht.

Auch hier darf ich im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen ersuchen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


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Ich lasse sogleich über diesen Artikel I Z 30 § 567 Abs. 1 Z 2 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich ersuche bejahendenfalls um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Artikel VI sowie Artikel X in der Fassung des Ausschußberichtes, und ich bitte im Falle der Zustimmung um ein Zeichen. – Ich stelle Beschlußfassung mit Mehrheit fest.

Weiters komme ich nun zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes, und ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit beschlossen.

Damit ist die zweite Lesung beendet.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Die Vorlage ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 465 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über diesen Abänderungsantrag und dann über die Entschließung selbst abstimmen lassen.

Dr. Pumberger hat einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die Z 3 der dem Ausschußbericht beigedruckten Entschließung bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag Pumberger stimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Abänderungsantrag ist abgelehnt.

Ich lasse nunmehr über die Entschließung in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen. – Ich stelle Beschlußfassung mit großer Mehrheit fest. (E 33.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend Arbeitslosenversicherungsrecht.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag Öllinger zustimmen, sich von den Sitzen erheben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend besondere Eingliederungshilfe beziehungsweise Änderung des Arbeitsmarktservicegesetzes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag Öllinger stimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend die Chipcard.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag Öllinger zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


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Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 466 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme dieses Ausschußberichtes stimmen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so beschlossen.

Wir stimmen ab über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 467 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Auch hier darf ich bejahendenfalls um ein Zeichen ersuchen. – Auch dieser Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Ich lasse abstimmen über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 468 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein Zeichen. – Ich stelle fest, der Bericht 468 der Beilagen ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Damit haben wir diese Punkte der Tagesordnung erledigt.

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (374 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsruhegesetz geändert wird (469 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (387 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Betriebspensionsgesetz (BPG), das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG), das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Arbeitsverfassungsgesetz geändert werden (470 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (320 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Schweden über Soziale Sicherheit (471 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zu den Punkten 5 bis 7 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Ein Verlangen auf Berichterstattung liegt mir nicht vor.

Wir gehen daher gleich in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. Er hat das Wort.

13.00

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich in meinem Debattenbeitrag in erster Linie Tagesordnungspunkt 5 zuwenden: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsruhegesetz geändert wird. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Die vorliegende Novellierung – es handelt sich übrigens um eine Regierungsvorlage, was heutzutage bei einem solchen Themenfeld besonders hervorgehoben werden muß – ist ein ganz klassischer Fall einer überschießenden Gesetzgebung mit der Tendenz, mehr zu regulieren, als


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reguliert werden muß; ja sogar mehr zu regulieren, als reguliert werden sollte. Die Philosophie der Bestimmungen, die hier eingeführt werden, ist geradezu erstaunlich, da man bedenken muß, daß es sich dabei um Bereiche des dispositiven Arbeitsrechtes handelt.

Durch die Paragraphen, die heute zur Abstimmung kommen, wird nämlich folgende Paradoxie herbeigeführt: Es wird zunächst ausdrücklich verboten, daß an zwei aufeinanderfolgenden Samstagen nachmittags gearbeitet wird – das ist sozusagen die sozialpartnerschaftliche Flanke zu den drohenden Ladenöffnungszeiten; "drohend" aus der Sicht der Sozialpartnerschaft. – Es wird also vorsichtshalber einmal verboten.

Dann werden Ausnahmen definiert, und zwar zum Beispiel betreffend die Verkaufstätigkeit an den letzten vier Samstagen vor dem 24. Dezember. – Man kann sagen, das sei interessant, aber das ist ja jetzt schon so und wird jetzt im Gesetz festgeschrieben. Mit anderen Worten: Es wird der Advent – ich bitte, das zu beachten: der Advent – vom Gesetz her als weniger schützenswert betrachtet. Jetzt sage ich: Ich bin der Meinung, daß das, was für den Advent gilt, eigentlich für das ganze Jahr gelten könnte, da ich nicht einsehe, warum man für den Advent, der eine Zeit der Besinnung und der Einkehr sein sollte, das Arbeitsrecht lockerer gestaltet, für den Rest des Jahres aber die Zügel streng anzieht.

Wenn man schon Schutzvorschriften als sinnvoll erachtet – sie sind zwar völlig wirtschafts- und lebensfremd, das sage ich dazu –, dann müßte man gerade im Hinblick auf den Advent sagen, daß die Menschen Zeit haben sollten, um sich am Samstag der Besinnung und der Vorbereitung auf den folgenden Adventsonntag widmen zu können. – Aber im Gesetz ist es nicht so, sondern gerade umgekehrt.

Es gibt eine weitere Ausnahme, die das Öffnungszeitengesetz 1991 betrifft, und dann kommt das eigentliche Phänomen: Es gibt die Möglichkeit, im Rahmen von Betriebsvereinbarungen und Kollektivverträgen Ausnahmen zu statuieren. Ich frage Sie: Was sind wir für ein Gesetzgeber, daß wir es den Sozialpartnern nicht zutrauen, daß sie, wenn wir das für den Samstag grundsätzlich erlauben, im Rahmen von Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen Restriktionen festlegen?

Ich habe es auch in der Ausschußsitzung schon gesagt: Offensichlich traut es sich die Sozialpartnerschaft nicht mehr zu, zu einem brauchbaren Arbeitspapier zu kommen, wenn nicht vorher abgesichert ist, daß eine Seite – also einseitig – "njet" sagen kann. Ich meine, in diesem Fall ist es ein Abdanken der Arbeitnehmervertretungen. Wenn sie das im Gesetz so brauchen, dann trauen sie sich offenbar nicht zu, auf dem Verhandlungsweg ein konstruktives Ergebnis zu erzielen.

Ich meine, wenn die Sozialpartnerschaft so weit gekommen ist, daß die beiden Seiten einander mit solch großem Mißtrauen gegenüberstehen, daß sie eine gesetzliche "Njet"-Vorschrift brauchen, dann ist das System von der Mechanik her an seinen Grenzen angekommen.

Offensichtlich haben wir kein Vertrauen mehr zu den gewählten Betriebsräten, kein Vertrauen mehr zu den Kollektivvertragspartnern. Dieses Hohe Haus ist anscheinend der Meinung, daß man diesen Bereich in ein so enges gesetzliches Korsett pressen muß, daß ja nicht Autonomie, Selbstverwaltung, Selbstbestimmung und echtes innerbetriebliches Miteinander gelebt werden können, sondern im Notfall alles streng und nur nach Gesetz geregelt ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Diese Philosophie irritiert mich so sehr, denn das, was dann bei Kollektivvertrags- oder auch bei Betriebsvereinbarungen herausgekommen wäre – und wäre es noch so ähnlich dem gewesen, was wir hier ins Gesetz schreiben –, wäre lebensnahe gewesen. So aber gehen wir den umgekehrten Weg, das heißt, wir zwingen eine bevormundende Regelung auf und erlauben gnadenhalber, daß auch etwas anderes sein darf.

Wenn das unsere Antwort auf die Globalisierungsproblematik ist, unsere Antwort auf die Dynamisierung der in den Betrieben gelebten Sozialpartnerschaft, dann ist das sehr schlecht. Ich sage Ihnen: Die Leute werden Ihnen abhanden kommen. Sie werden nicht mehr das Gefühl


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haben, daß Sie sie wirklich vertreten, sondern sie werden das Gefühl haben, daß irgendwo über den Wolken weltfremde Entscheidungen fallen, sie aber davon betroffen sind. Sie werden meinen: Ob wir es uns anders organisiert hätten oder nicht, interessiert die da oben nicht. – Und das ist sehr schlecht.

Hätten Sie das nicht geregelt, sondern nur den Vorbehalt gemacht für den Fall, daß Ihre düsteren Szenarien Wirklichkeit werden, daß das zur Ausbeutung und zu Skandalen führt, hätten Sie immer noch nachträglich mit einem Gesetz eingreifen können. So aber greifen Sie vorsichtshalber schon vorher ein, ersticken Kreativität, Kundennähe und Lebensnähe – und das ist schade. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.06

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.06

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Die Änderung des Arbeitsruhegesetzes ist für die Betroffenen von großer Bedeutung; dabei handelt es sich vorwiegend um Frauen, die davon betroffen sind. Durch die Ausweitung der Samstag-Arbeit, der Ladenöffnungszeiten, die bevorsteht, sind allein im Handel 237 000 Frauen betroffen – Stand 1995 –, also 70 Prozent der Handelsangestellten, Arbeiter und Angestellte. Zu den Beschäftigten im Handel kommen aber noch jene Frauen dazu, die im Hotel- und Gastgewerbe, im Gesundheits- und Fürsorgewesen, im Unterrichts- und Dienstleistungsbereich der Körperpflege und Reinigung tätig sind. Sie alle arbeiten am Samstag, und zwar am Vormittag und am Nachmittag: das heißt bis 13 Uhr oder ab 13 Uhr.

Wir haben also nahezu die Situation erreicht – wenn wir Medienberichte und das, was hier immer wieder gesagt wird, verfolgen, können wir das feststellen –, daß alles beherrscht wird von Standortüberlegungen, vom Rennen um Wettbewerbsvorteile und von Forderungen, die nach wilder Deregulierung klingen.

Man bekommt den Eindruck, daß Österreich erst durch die ungebremste Marktorientierung dahin gebracht werden sollte, daß sich ein Leben in diesem Land überhaupt lohnt. Dem muß ich jedoch widersprechen, denn es ist doch vielmehr so, daß wir in sehr vielen gesellschaftlichen Bereichen die schon errungene Lebensqualität zu sichern und zu schützen haben. Im konkreten Fall haben wir dafür zu sorgen, daß die Lebensqualität der im Handel beschäftigten Arbeitnehmerinnen , für die das ja eine Einschränkung der Freizeit, aber auch eine Einschränkung der Familienzeit bedeutet, nicht unter den wirtschaftlichen Vorteilen, die eine Ausdehnung der Öffnungszeit mit sich bringt, leidet. (Beifall bei der SPÖ.)

Außer Streit steht, daß die Regelung von Zeiten eine höchst sensible Angelegenheit ist und einen empfindlichen Einfluß auf die Lebensqualität hat.

Vorgesehen ist daher, daß für jene, die Samstag nachmittags arbeiten, also ab 13 Uhr, ein ganzer arbeitsfreier Samstag zu folgen hat. Das ist eine kleine, aber sehr wichtige Weichenstellung, da diese Änderungen überwiegend zu Lasten von Frauen gehen. Ich habe es schon gesagt: 70 Prozent der Handelsangestellten sind Frauen, Frauen mit Familien, Frauen mit Kindern, aber auch alleinerziehende Frauen, die die Arbeit am Samstag-Nachmittag vor gehörige Probleme stellt. Denn – diese Frage muß erlaubt sein –: Wohin mit den Kindern bei fehlenden Kinderbetreuungseinrichtungen und den sich ändernden gesellschaftlichen Strukturen?

Man kann einwenden: Das Kind hat einen Vater!, aber alleinstehende, alleinerziehende Mütter haben meistens keinen Partner zur Hand. Außerdem: Was macht man, wenn auch der Vater im Handel tätig ist und am Samstag arbeitet?

Selbstverständlich ist mir bewußt, daß sich die Gesellschaft, daß sich das Freizeit- und Konsumverhalten geändert haben und wir daher zu einer flexibleren Arbeitszeitgestaltung kommen soll


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ten, nicht zuletzt – das räume ich auch ein – angesichts der internationalen Konkurrenz und der Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich.

Eines sollten wir aber auch nicht aus den Augen verlieren: Die Arbeitszeitoffensive, die derzeit unter dem Begriff "Flexibilisierung" läuft, ist nichts anderes, als der Wunsch, samstags, sonntags, feiertags und in der Nacht arbeiten zu lassen. Das bedeutet nichts anderes als Arbeit rund um die Uhr und die Anpassung des Menschen an die Maschine. – Das ist familienfeindlich, das ist kinderfeindlich, dessen müssen wir uns bewußt sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Folge wird sein: Familien und Partnerschaften werden in der Wurzel getroffen werden. Der Auflösungsprozeß wird sich beschleunigen, statt daß wir Stabilisierungseffekte für die Partnerschaften einziehen. Es ist sehr leicht – und das geschieht ja auch ständig –, unentwegt die Bedeutung der Familie und das Funktionieren des Familienlebens zu beschwören, aber man muß das auch umsetzen, denn in der Realität machen wir es den Familien immer schwieriger. Man muß Werte umsetzen, nicht nur davon reden.

Ich möchte auf die Erwerbsquote der Frauen hinweisen: Mehr als die Hälfte der Frauen mit Kindern ist berufstätig. Alleinerziehende Frauen sind doppelt betroffen, nämlich einerseits durch die fehlenden Kinderbetreuungseinrichtungen und andererseits durch den Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen für die gleiche geleistete Arbeit. Es ist dann natürlich verlockend, aus der Berufstätigkeit auszusteigen, bei dieser Überbelastung durch fehlende Kinderbetreuungseinrichtungen, schlechte Arbeitsbedingungen, familienfeindliche Arbeitszeiten, die Einkommensunterschiede und die Alleinzuständigkeit der Frau für Familie und Erziehungsarbeit, um Mann und Kindern – wie das formuliert wird – ein anständiges, ein ordentliches Heim zu geben. – So wird es doch gesagt: ein ordentliches Heim zu geben. Das läßt doch den ironischen Umkehrschluß zu, daß von berufstätigen Frauen ein unordentliches Heim geboten wird.

Es muß uns klar sein, daß von der Neuregelung, die wir jetzt vorfinden, die Gruppe der Verkäuferinnen betroffen ist, und das ist ein typischer Frauenberuf, ein typischer Nichtkarriereberuf.

Es kommen noch gesundheitliche Belastungen dazu, vor allem in Einkaufszentren und in Großmärkten: ausschließlich künstliches Licht, Zugluft, Klimaanlagen, große Konzentrationsanforderungen über lange Zeiträume – denken Sie an die Supermarktkassiererinnen –, ständiger Zeitdruck, fast keine Pausen, permanenter Kundenandrang. Und nur knapp die Hälfte aller am Wochenende Beschäftigten hat regelmäßig an zwei zusammenhängenden Tage in der Woche frei.

Aus all diesen Gründen ist es besonders wichtig, eine ausreichende Regenerationsphase in Form von zwei zusammenhängenden freien Tagen in der Woche zu gewährleisten.

Ich möchte hier diese Gelegenheit nützen und darauf hinweisen, wie wichtig die Kinderbetreuungseinrichtungen sind, wie wichtig Betriebskindergärten im Zusammenhang mit dieser Frage sind. Diese Einrichtungen machen vor allem dann Sinn, wenn wir die Probleme, die Samstag-Nachmittag-Arbeit und Samstag-Arbeit schlechthin für Frauen und Mütter und Familien mit sich bringen, nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern hinsichtlich der Rahmenbedingungen auch etwas unternehmen wollen.

Betriebe, in denen kein Betriebsrat existiert, sind im Entwurf berücksichtigt. In Betrieben ohne Betriebsrat kann durch eine schriftliche Einzelvereinbarung festgelegt werden, daß innerhalb einer Frist von vier Wochen an zwei Samstagen gearbeitet werden darf, wenn die verbleibenden zwei Samstage arbeitsfrei sind. Davon sind rund 37 400 Betriebe betroffen – Kleinbetriebe mit ein bis vier Beschäftigten. So sind nämlich 68 000 Menschen in Österreich beschäftigt.

Meine Damen und Herren! Die Rolle der Politik, die Rolle des Arbeitsrechtes, aber vor allem die Rolle der Gewerkschaften – wobei die Vertreter und die Vertretung der Arbeitnehmer in letzter Zeit ununterbrochen disqualifiziert wird – werden so dargestellt, als hinke der Gesetzgeber den rasanten Entwicklungen der Wirtschaft immer hinten nach, als sei die Wirtschaft das einzig Moderne – und alle anderen sind rückständig und hinken nach.


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Die bevorstehende Änderung der Öffnungszeiten wird aber auf jeden Fall, wie auch immer der Gesamtoffenhalterahmen aussehen mag, eine Ausweitung der Öffnungszeiten an Samstagen bringen. Das ist ein Schritt, für den einiges spricht: Standortüberlegungen, Hintanhaltung des Kaufkraftabflusses, Tourismus; aber auch ein Schritt, gegen den einiges spricht: familiäre Situation, Lebensqualität; aber auch ein Schritt, der in das gesellschaftliche Ganze passen muß und durch den nicht Vorteile erwirtschaftet werden sollen, die für andere ein Minus mit sich bringen – ein Minus an Lebensqualität, an Freizeit und an Familienleben. Vor einer solchen Entwicklung sollte die vorgeschlagene Regelung schützen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.16

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.17

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Meine Vorrednerin, Frau Abgeordnete Mertel, hat schon klargemacht, worum es bei der Debatte um das Arbeitsruhegesetz eigentlich geht, nämlich um die Flexibilisierung der Arbeitszeiten für die im Handel Beschäftigten.

Ich sage Ihnen: Wir Grünen stimmen natürlich dieser Änderung im Arbeitsruhegesetz zu, aber wenn wir über Flexibilisierung im Handel reden, muß auch gesagt werden: Die Begleitbedingungen dieser Flexibilisierung sind trotz dieser Änderung im Arbeitsruhegesetz – es ist das nicht primär Ihre Aufgabe, Herr Sozialminister, das ist mir schon bewußt – nicht geregelt.

Nach wie vor gilt – auch wenn es die Arbeitsruhe am Samstag gibt –: Die Kinderbetreuung ist Aufgabe der erziehenden Mütter und Väter – egal, ob sie beschäftigt sind oder nicht. Sie müssen mit diesem ihrem Problem derzeit allein fertigwerden. Da hilft auch diese Veränderung im Arbeitsruhegesetz nicht. Sie hilft nicht an den Samstagen, an denen gearbeitet werden muß, und auch nicht in der Adventzeit – nur die Samstage betreffend.

Bei Flexibilisierung der Öffnungszeiten bis in die Abendzeiten hinein gibt es derzeit keine praktikablen Möglichkeiten für die im Handel Beschäftigten – und das sind in der überwiegenden Mehrzahl die Frauen –, ihre Kinder versorgen zu lassen, eine Betreuung für ihre unversorgten Kinder zu erhalten. Und das ist das eigentliche Problem, das wir dabei haben.

Man kann mit uns über eine Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten durchaus diskutieren, aber solange diese Rahmenbedingungen nicht gegeben sind, solange durch den Gesetzgeber nicht sichergestellt ist, daß Kinderbetreuung garantiert ist – ich sehe nicht, daß das in absehbarer Zeit der Fall sein wird; außer mit provisorischen Lösungen, wie sie derzeit in Wien diskutiert werden, aber auch diese halte ich für katastrophal –, ist das ein Problem.

Wenn es so ist, wie es in Wien derzeit diskutiert wird, daß die im Handel Beschäftigten ihre Kinder bis 16 oder 17 Uhr im Kindergarten lassen können und die Kinder anschließend per Bus zu Tagesmüttern in der Nähe der Geschäfte oder Einkaufszentren gekarrt werden, dann halte ich das für eine Lösung, die eigentlich nur zeigt, wohin das alles läuft. Das ist unakzeptabel, nicht kindgerecht und in keiner Weiser familiengerecht. Das müßte uns auch bei der Debatte darüber klar sein.

Wenn nicht tatsächlich sichergestellt ist, daß die Kinderbetreuung – zumindest die Kinderbetreuung – in einer adäquaten und kindgerechten Form erfolgt, daß die Kinder nicht "verkarrt" werden, nur damit die Mütter und in den wenigsten Fällen die im Handel beschäftigten Väter ihre Kinderbetreuungspflichten erfüllen können, dann ist das zu wenig.

Ich wünsche mir bei der Debatte über die Ladenöffnungszeiten, die wir natürlich nicht unter diesem Punkt führen, etwas mehr Seriosität und etwas mehr Bezugnahme auf die im Handel Beschäftigten. Ich habe an anderer Stelle bei Debatten über Gesetze schon gesagt: Die Gesetze, die Sie, die wir hier gemeinsam beschließen, sollten wir auch unseren Verwandten, unseren Kindern für zumutbar halten. Ich sehe das nicht bei Gesetzen, die wir demnächst zur Ladenöffnung beschließen werden, beziehungsweise bei weitergehenden Regelungen, die möglicher


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weise dann noch kommen, schon gar nicht. Ich würde mir wünschen, daß diese Gesetze Begleitgesetze erhalten, die diese Kinderbetreuung garantieren. Das ist aber derzeit nicht der Fall.

Zu den anderen Punkten unter dieser Tagesordnung möchte ich nur festhalten: Der Minister hat uns im Ausschuß glaubhaft versichert, daß sich die Novellierung im Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz nur auf eine gesetzliche Festschreibung in diesem Jahr bezieht und dadurch die Buchführung des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds in keiner Weise gefährdet ist. Das Problem, das wir haben, ist, daß die Schulden dieses Fonds derzeit schon eine Höhe erreicht haben, die es zumindest bedenklich erscheinen lassen, ob wir mit diesen 0,7 Prozent tatsächlich durchkommen, Herr Minister. Sie kennen den Schuldenstand, Sie wissen, daß nicht abzusehen ist, daß in absehbarer Zeit die Zahl der Insolvenzen so zurückgeht, daß wir mit einer Entlastung in diesem Fonds zu rechnen hätten.

Und das ist unser Problem bei dieser gesetzlichen Festschreibung. Denn anderenfalls, wenn Sie erkennen müßten, daß die Gerierung dieses Fonds nicht ausreicht, um die Schulden zu decken, müßten Sie selbstverständlich von einer Beitragserhöhung Gebrauch machen. Durch die Festschreibung haben wir diese Beitragserhöhung zumindest für das Jahr 1997 – ich würde einmal sagen – ziemlich unmöglich gemacht. Ich hoffe, daß es nicht zu dieser Notwendigkeit kommt, sondern daß es mit Hilfe auch noch zu setzender gesetzlicher Maßnahmen gelingt, im Insolvenzbereich die Dotation des Fonds nicht erhöhen zu müssen. Aber ich sehe da ein ernstes Problem.

Was die Betriebspensionskassen betrifft, so kann ich nur sagen, daß ich und wir Grünen selbstverständlich alle Möglichkeiten unterstützen, die geeignet sind, ein System zu entwickeln, das tatsächlich nicht die Mangelerscheinungen von Betriebspensionskassensystemen in anderen Ländern beinhaltet. Diesbezüglich ist einiges geleistet worden – ich möchte das auch anerkennen –, hier ist tatsächlich zumindest derzeit noch sichergestellt, daß wir nicht in die Situation etwa der britischen Betriebspensionskassensysteme kommen, daß ausreichende gesetzliche Regulierungen vorhanden sind, die vermeiden helfen, daß dann etwa der Betriebsinhaber mit den Geldern, die in diesen Pensionskassen angelegt werden, auf der Börse spekulieren kann, so wie das ein bekannter, inzwischen verstorbener Zeitungsunternehmer gemacht hat, wodurch die Leute, die sich darauf verlassen mußten, daß diese Gelder in den Pensionskassen ihre eigenen Pensionen abdecken, vor dem Nichts gestanden sind.

In Österreich ist diese Entwicklung, solange es möglich ist, eine allgemeine Sozialversicherung und eine allgemeine Pensionsversicherung zu haben, ja noch weitgehend ausgeschlossen. Doch wenn ich mir die Entwicklungen ansehe, die im Bereich des ASVG durchaus denkbar sind, daß wir in wenigen Jahren das Problem der Finanzierbarkeit haben – nicht deswegen, weil das ASVG selbst so schlecht wäre, sondern deswegen, weil der Staat seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen will, weil er seine Anteile an das ASVG nicht mehr finanzieren will, weil er sich von seinen Verpflichtungen, die er durchaus schon seit mehreren Jahrzehnten aufrechterhält, drücken will, weil er den staatlichen Finanzierungsanteil zurücknehmen will –, wenn ich mir all das vergegenwärtige, dann fürchte ich, daß wir in wenigen Jahren dieses Betriebspensionskassensystem tatsächlich auch brauchen werden, um die allgemeine Sozialversicherung abdecken zu helfen. Noch einmal: Nicht deswegen, weil eine allgemeine Sozialversicherung im Bereich der Pensionen unfinanzierbar wäre, sondern weil der Staat möglicherweise in wenigen Jahren seinen Rückzug aus diesem System antreten wird.

Herr Minister Hums! Sie können es leider nicht garantieren, daß das nicht der Fall sein wird, denn ich vermute, in zehn Jahren sind Sie nicht mehr Sozialminister. Aber genau das ist die Entwicklung, die diskutiert wird und die wir sehr ernsthaft überlegen sollten bei allen möglichen Neuerungen im Pensionssystem.

Ich möchte an dieser Stelle nur ganz kurz darauf hinweisen: Ein modernes Pensionssystem, ein allgemeines Sozialversicherungssystem in Österreich müßte alle Beschäftigten umfassen. Es kann nicht mehr die Ausnahmesysteme, die speziellen Pensionssysteme für bestimmte Gruppen geben, und in diesem Sinn ist natürlich ein Pensionskassensystem, das Gruppen – ich denke da vor allem an die Beamten – keine Möglichkeit gibt, darüber hinaus Pensionsvorsorge


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zu betreiben, derzeit undenkbar. Ich würde mir wünschen, daß dieses Betriebspensionskassensystem als eine weitere Säule eingeführt wird, daß es eine allgemeine Sozialversicherung für alle Beschäftigten gibt und daß die zusätzlichen Sicherungen durch diese Pensionskassensysteme auch mitübernommen werden können.

Weil dieser Entwurf ein Schritt ist, um die Pensionskassen zu stärken, weil er von gesetzlichen Regulierungen begleitet ist, stimmen wir diesem Entwurf sowie allen anderen Punkten in diesem Gesetz auch zu. (Beifall bei den Grünen.)

13.26

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Steibl vor. – Bitte, Frau Abgeordnete. Angezeigt sind 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

13.26

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die Regierungsvorlage Arbeitsruhegesetz bringt, wie man hört, einige Diskussionen mit sich, findet aber – so kann ich das verstehen – grundsätzlich Zustimmung. Hier geht es natürlich unter anderem um die Abgeltung von Arbeit an den langen Samstagen beziehungsweise um eine entsprechende Freizeitregelung. – Ich sehe das Nicken des Herrn Kollegen Peter, aber er wird dann sicher noch etwas anderes bringen. (Abg. Mag. Peter: Ich habe den Kopf geschüttelt!)

Dieses Arbeitsruhegesetz kann aber, wie schon gesagt, nur im Zusammenhang mit der Fixierung des Gesetzes über den Ladenschluß, des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und die Kollektivvertragsregelung für die Handelsangestellten durchgezogen werden. Gerade diese Kollektivvertragsregelung ist dringend notwendig, und zwar auch für die Sonderregelung der Teilzeitarbeitskräfte, die zum Beispiel nur am Samstag tätig sind oder nur am Samstag arbeiten wollen, um einen Zuverdienst für die Familie zu schaffen, etwas, was sehr wohl legal ist und auch eine Absicherung bringt.

Wenn meine Kollegin Mertel davon gesprochen hat, daß die Flexibilisierung der Arbeitszeit nur bedeutet, rund um die Uhr zu arbeiten, dann sage ich schlichtweg: Nein, das ist es nicht! Da muß ich schon ein wenig mit dem Kollegen Kier mitgehen, der sehr wohl von einer Selbständigkeit oder Selbstverantwortung der ArbeitnehmerInnen und der Arbeitgeber ausgeht. Nicht jede Familie, nicht jede Frau lebt im Ballungszentrum. Insbesondere in Grenzregionen ist eine Frau sehr wohl froh, wenn sie drei Tage in der Woche arbeiten und zwei Tage frei hat und das flexibel gestalten kann.

Da immer wieder von den Alleinerzieherinnen gesprochen wird: Ich weiß, was das heißt, aber nicht alle Mütter sind Alleinerzieherinnen, viele Kinder haben Gott sei Dank auch Väter. Wir sollten daher nicht polemisch vorgehen, sondern wirklich an der Sache arbeiten. Ich denke, daß es verschiedene Formen gibt. Wir werden auch wieder die Diskussion um die Tagesmütter führen, und die Unterbringung bei Tagesmüttern ist unter anderem eine qualifizierte Kinderbetreuung, wenn Kinder außer Haus betreut werden müssen.

Etwas ist schon interessant: Es gibt nach wie vor Wunschberufe, und die Mädchen wünschen sich nach wie vor an erster Stelle, Verkäuferin oder Bürokauffrau zu werden, dann Friseurin. Also wenn dieser Beruf so fürchterlich wäre, dann dürfte es eigentlich keine Verkäuferinnen mehr geben.

Ich wünsche mir, wenn wir darüber diskutieren, noch etwas anderes von einem anderen Bundesminister: Wir müssen auch konkreter über die öffentlichen Verkehrsmöglichkeiten sprechen. Es geht nicht an, daß Regionalzüge eingestellt werden und auf der anderen Seite fehlen diese Möglichkeiten. Es ist, glaube ich, an der Zeit, daß wir daran arbeiten.

Interessant in diesem Zusammenhang ist auch – das möchte ich auch einmal einbringen – die Situation in Deutschland. In Deutschland – die Landenöffnungszeiten wurden mit 1. November 1996 geregelt – gibt es kein Arbeitsruhezeitgesetz, sondern es ist so, daß es auf der


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Bundesebene 16 verschiedene Tarifverträge mit dem Einzelhandel gibt. Auch in der Schweiz gibt es diesbezüglich keine Regelung.

Das soll aber jetzt kein Hinweis für eine Abänderung des positiven österreichischen Weges in dieser Angelegenheit sein, sondern ich wollte nur aufzeigen – das müssen wir auch einmal sagen; wir können nicht nur immer krankjammern –, welchen Erfolg wir mit diesen Verhandlungen für 238 000 Handelsangestellte, also vorwiegend Frauen, in dieser Richtung erzielt haben. Es ist ja bitte nicht so, daß jetzt alle 66 Stunden arbeiten. Nach wie vor gilt die 38,5-Stunden-Regelung sowie Überstunden erst ab der vierzigsten Stunde.

Ich sehe, daß laut seriösen Berechnungen mit dieser Liberalisierung in der Folge 8 000 zusätzliche qualifizierte Teilzeitarbeitsplätze geschaffen werden können, und wir dürfen das nicht verhindern. Und wenn nur 50 Prozent davon wirklich geschaffen werden, so ist das ein Erfolg für die Berücksichtigung der Frauen in ihren Rollen als Arbeitnehmerinnen, als Konsumentinnen und auch als Unternehmerinnen.

Das heißt, daß sehr wohl Beruf und Familie vereinbar sind, ein Familienleben möglich ist und auch noch ein privater Lebensraum gestaltet, ein Freiraum geschaffen werden kann, wenn wir hier konsequent, aber auch mit einem gewissen Spielraum vorgehen.

Ich möchte dazu noch einen Abänderungsantrag einbringen. Dieser lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Ridi Steibl und Kollegen zum Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsruhegesetz geändert wird, in der Fassung des Ausschußberichtes 469 der Beilagen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

1. Vor Z 1 wird die Bezeichnung Art. I eingeführt.

2. Nach Z 3 wird folgender Artikel II angefügt:

"Artikel II

Dieses Bundesgesetz tritt gleichzeitig mit dem Bundesgesetz, mit dem das Öffnungszeitengesetz 1991 geändert wird, BGBl. Nr. xxxx/xx, in Kraft."

*****

Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

13.32

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Die nächste Wortmeldung liegt vor von Herrn Abgeordneten Mag. Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.32

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich kenne keine Fraktion dieses Hohen Hauses, die nicht wiederholt gegen die hohen Bürokratiekosten in Österreich aufgetreten wäre. Alle – inklusive Sozialdemokraten und Grüne – sagen, so viel Bürokratie kann nicht sein in diesem Land. Warum denken Sie diese Forderung nicht zu Ende? Jede Reglementierung, jede gesetzliche Festschreibung ist gleich Bürokratie. Wir haben zuviel davon, und auch da gibt es keine Fraktion in diesem Hohen Haus, die nicht müde würde, zu sagen, 10 000 Seiten Gesetze sind ganz einfach zuviel in diesem Land. Aber wir produzieren heute mit dem Arbeitsruhegesetz eine neue Reglementierung, weil wir uns nicht davon befreien können, weil wir es nicht wahrhaben wollen, daß


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es auch Selbstregelungsmechanismen in der Gesellschaft gibt, und weil wir nicht daran glauben können, daß ein wirklicher Schutz der Mitarbeiter in Zukunft im Bereich der innerbetrieblichen Mitbestimmung stattfinden muß.

Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin der Bundes-Arbeiterkammer! Es gibt keine Diskussion in Österreich über die Zeitordnung dieser Gesellschaft, es gibt Behauptungen, zu wissen – wie Frau Mertel es eben gemacht hat –, was denn Lebensqualität wäre. Frau Mertel hat wörtlich gesagt, es gibt den Verlust errungener Lebensqualität. Frau Mertel weiß also, was Lebensqualität für 8 Millionen Österreicherinnen und Österreicher ist. Sie weiß, wie das kollektive Glück ausschaut. Ist das nicht eine grenzenlose Überheblichkeit?! (Abg. Hostasch: Kollege Peter, Sie wissen, daß Mitarbeiter unseres Hauses in Umfragen ermittelt haben, was als Lebensqualität empfunden wird!)

Frau Präsidentin! Sie kennen hier und heute den Wissensstand über eine gesellschaftliche Entwicklung, Sie wissen, wie Menschen hier und heute fühlen, Sie vergessen aber tunlichst, daß diese Gesellschaft in einer unerhört großen Bewegung ist und daß es gerade in der innerbetrieblichen Mitbestimmung möglich ist, diese Bewegung mitzuvollziehen. Daher möchte ich sie stärken, denn ich glaube, daß sie in Zukunft viel mehr Bedeutung haben wird, daher möchte ich an die Bundes-Arbeiterkammer, an die Landes-Arbeiterkammern und an die Gewerkschaften die Bitte richten und ihnen die Aufgabe zuteilen, in der Beratung an dieser innerbetrieblichen Mitbestimmung mitzuwirken. Wobei ich klar dazusage, daß Unternehmungen, die nicht bereit sind, eine innerbetriebliche Mitbestimmung einzurichten oder keine haben, diese Gestaltungsmöglichkeit mit ihren Betriebsräten nicht haben, sondern das ist dann selbstverständlich direkt mit der Gewerkschaft und direkt mit der Arbeiterkammer, wer immer das dann macht, zu entscheiden.

Aber, meine Damen und Herren des Hohen Hauses, führen wir doch einmal die Diskussion über eine Zeitordnung, über ein neue Zeitordnung dieser Gesellschaft, die nicht aus dem Mittelalter kommt! In der Bibel steht geschrieben: Am siebenten Tage sollst du ruhen!, und daher ist selbstverständlich der Siebentage-Rhythmus einzuhalten. Ich habe aber nirgends in der Bibel gelesen, daß man Freitag, Samstag, Sonntag ruhen sollte, aber der Siebentage-Rhythmus ist offensichtlich ein konstitutives Merkmal unserer Zeitordnung. Die Feiertage – über deren Anzahl man streiten kann – sind offensichtlich ein Teil unserer Kultur.

Nachtarbeit kann nicht erstrebenswert sein, Nachtarbeit ist nur dort zu leisten, wo sie unverzichtbar und unbedingt notwendig ist. Und Überstunden sind selbstverständlich durch Zuschläge soweit zu sanktionieren, daß sie teurer sind als die normale Arbeitszeit.

Wenn wir aber nicht begreifen wollen, daß nur die Summe der Wertschöpfung, die wir in diesem Lande erwirtschaften, das ist, was wir verteilen, mit dem wir Beschäftigung schaffen können, machen wir doch folgendes: Wir schränken Beschäftigung immer weiter ein, indem wir sie immer weiter reglementieren. Das heißt, um das sogenannte Lebensglück der Arbeit Besitzenden zu schützen, grenzen wir jene, die keine Arbeit besitzen, immer weiter aus. – Das ist doch eine reaktionäre Politik! Unser Thema heute ist nicht, wer Arbeit besitzt, sondern unser Thema ist, wer keine Arbeit besitzt, unser Thema ist, wie wir Politik machen können, um produktiver und wirtschaftlicher zu werden, um damit mehr Menschen Arbeit geben zu können.

Meine Damen und Herren! Arbeit schaffen nur Kunden – und niemand anderer! Weder Unternehmer schaffen Arbeit noch die Bundesregierung noch die Bundes-Arbeiterkammer noch die Wirtschaftskammer, sondern ausschließlich Kunden schaffen Arbeit.

Wenn Sie sich der Marktchancen begeben, wenn Sie durch Reglementierung die Nützung von Marktchancen verhindern, werden Sie keine Arbeit haben, sondern höhere Arbeitslosigkeit erzeugen. Das ist der Grundsatz. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Wirtschaften ist kein Selbstzweck, Wirtschaften darf kein Selbstzweck sein, sondern Wirtschaften dient ausschließlich dazu, den Menschen einen Lebenserwerb und ihre kulturelle Verwirklichung zu ermöglichen. Hiebei ist der soziale Schutz der Mitarbeiter – je weniger sie verdienen, desto mehr und desto wichtiger – zu gewährleisten. Die


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Frage ist nur: Schaffen wir den sozialen Schutz, wie Sie es von der Sozialdemokraten in trauter Einheit mit der Österreichischen Volkspartei machen, indem Sie immer noch eins draufsetzen, indem es Ihnen immer wieder gelingt, noch eine Reglementierung zu finden, womit Sie diese Gesellschaft selbstverständlich weiter kriminalisieren? Im Strafrecht haben wir alle schon verstanden, daß es keinen Sinn hat, eine Summe von Strafdrohungen aufrechtzuerhalten, die an Relevanz in dieser Gesellschaft verloren haben. Im Sozialrecht bleiben wir aber auf dem alten Pfad, weil wir nicht den Mut haben, über die Zeitordnung dieser Gesellschaft zu diskutieren.

Ganz klar ein liberaler Vorschlag zur Diskussion:

Punkt eins: Wenn Sie über Zeitordnung reden, müssen Sie selbstverständlich auch über Schutzbestimmungen reden, die, wie ich bereits ausgeführt habe, auf der innerbetrieblichen Ebene zu liegen haben. Und diese innerbetriebliche Mitbestimmung in den Betrieben ist zu schwach heute, sie ist zu schwach, weil sie von der überbetrieblichen Fremdbestimmung überhöht wird.

Fest steht der Siebentage-Rhythmus, fest steht, daß es eine Wochenendfreizeit von mindestens zwei Tagen Dauer geben muß – na selbstverständlich! –, aber die Arbeitszeit an den Werktagen wird von Montag 6 Uhr früh bis Samstag 22 Uhr sein. Das ist die die Betriebsöffnungszeit, aber nicht die Arbeitszeit der Menschen. Die Arbeitszeit der Menschen kann bei höherer Produktivität und Verringerung der Stehzeiten sogar sinken, aber es geht einmal darum, zu sagen, von Montag 6 Uhr bis Samstag 22 Uhr sind die Werktage unseres Landes, die Werktage, die selbstverständlich nicht harmonisieren mit der Dauer der Arbeitsbeschäftigung. Das wäre doch ein völlig unzulässiger Schluß.

Es wird viel mehr Schichtdienste geben, womit ein Teil diese Betriebsszeit in Teilen abgedeckt wird. Selbstverständlich ist, daß es mit der Entkoppelung der Öffnungs- und Betriebszeiten und der Arbeitszeit auch klare Zuschläge geben muß, um deutlich zu machen, welche Form von Arbeit wir verteuern wollen. Das ist nun einmal die Überstunde im Durchrechnungszeitraum, das ist die Nachtarbeit, das ist der Feiertag, das ist der Sonntag.

Aber folgendes muß uns bewußt sein: Wir alle leben in einer Gesellschaft in der herrschenden Rolle als Konsumenten, in der wir natürlich Lebensqualität verlangen, und Lebensqualität ist Einkaufen, ist Dienstleistung vor allem. Wir leben aber auch in einer dienenden Rolle in dieser Gesellschaft, und die vergessen wir. Denn je rigider wir in unserer dienenden Rolle sind, je mehr wir uns in der dienenden Rolle hinter Schutzvorschriften verstecken, desto weniger wird die Lebensqualität in der herrschenden Rolle sein. Und je weniger Menschen außerhalb der Zeiten des kollektiven Glücks arbeiten werden, desto einsamer werden sie werden und desto weniger gern werden sie dann bereit sein, jenen, die das kollektive Glück genießen, eine schöne Freizeit zu gewähren.

Da beißt sich doch die Katze in den Schwanz! Haben Sie doch endlich einmal den Mut, über eine Zeitordnung dieser Republik im Jahre 2000 zu diskutieren und sowohl die Arbeits- als auch die Freizeitgesellschaft in diese Betrachtung miteinzubeziehen!

Meine Damen und Herren! Kundenwünsche bestimmen das Verhalten von Unternehmungen, und Unternehmungen müssen sich mit ihren Mitarbeitern akkordieren, ob sie bereit sind – in welcher Form, in welcher Art, zu welcher Zeit –, Kundenwünsche zu befriedigen.

Es gibt über einen gewissen Rahmen hinaus keinen Regelungsbedarf, weil es Ihnen einfach nicht gelingen kann, einem ganzen Land – vom Bodensee bis zum Neusiedlersee – dieselben Spielregeln überzuziehen. Wenn Sie das tun wollen, dann müssen Sie Tausende Ausnahmeregelungen schaffen – und Sie haben da einen Landeshauptmann und dort einen Landeshauptmann, mit da einer Ausnahmegenehmigung und dort einer Ausnahmegenehmigung.

Damit sind wir wieder bei dem – und hiermit schließt sich der Kreis –, was Sie alle hier im Hohen Haus pausenlos beweinen: die überbordenden Bürokratiekosten. Sie haben diese Bürokratie beschlossen, und Sie sind mit dem Arbeitsruhegesetz dabei, ein weiteres Schäuferl dazuzulegen


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und die Reglementierung noch enger anzuziehen und noch mehr Bürokratie zu schaffen. – Meine Damen und Herren! Sie sind auf dem falschen Weg! (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.41

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Dolinschek vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.41

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Bezüglich der Änderung des Arbeitsruhegesetzes, das ja im Zusammenhang mit der Ladenöffnungszeit zu sehen ist, bin ich einfach nicht der Meinung meines Vorredners, daß es eine zusätzliche Reglementierung sei, die Bürokratie schaffe. Wenn wir keine längere Ladenöffnungszeit diskutieren würden, wenn wir nicht daran dächten, eine längere Ladenöffnungszeit zuzulassen, dann wäre diese Reglementierung, die im Arbeitsruhegesetz vorgesehen ist, gar nicht notwendig gewesen. Da müssen wir schon die Kirche im Dorf lassen.

Herr Kollege Peter! Man muß hier die Dinge insgesamt berücksichtigen.

Die längere Ladenöffnungszeit ist sicherlich für jeden Konsumenten positiv, für die Fremdenverkehrswirtschaft, auch für den österreichischen Konsumenten. Keine Frage! Wir haben aber auch auf die im Handel Beschäftigten, auf ihre Familien sowie auf die Pendler Rücksicht zu nehmen. Und im Zusammenhang mit den Familien und mit den Pendlern sind die Infrastruktur, die Verkehrsverbindung, die Kindergartenplätze zu berücksichtigen, und es ist dabei weiters zu berücksichtigen, daß auch bei einer längeren Ladenöffnungszeit jene Leute, die dort beschäftigt sind, ja nur einen gewissen Zeitraum dort beschäftigt sind.

Wenn von Ladenöffnungszeiten von 60 oder 66 Stunden oder, wie die letzten Meldungen lauten, 72 Stunden die Rede ist, muß man doch darauf hinweisen, daß die Normalarbeitszeit in Österreich 40 Stunden beträgt. Man kann diese flexibel gestalten, auf einen gewissen Zeitraum ausdehnen, auf einen gewissen Zeitraum einengen, aber das gehört dann eben reglementiert. (Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. ) Über diese Reglementierung regst du dich nicht auf! Und über die regt sich auch der Präsident der Bundeswirtschaftskammer Maderthaner nicht auf, dazu fällt ihm nichts ein – außer daß Zulagen gekürzt werden oder Feiertage zu streichen sind. Das bedeutet doch nichts anderes als Lohnreduktion, Lohnreduktion auf dem Rücken der Arbeitnehmer! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich finde, daß diese Änderung im Arbeitsruhegesetz relativ familienfreundlich ist, denn jemand, der an einem Samstag nach 13 Uhr beschäftigt ist, hat am nächsten Samstag den ganzen Tag frei. Ich wäre hier noch weitergegangen und hätte gemeint, daß es in diesem Falle einfach zwei freie Tage hintereinander geben sollte – entweder den Montag oder den Freitag. Aber ich bin auch mit dieser Regelung einverstanden. Es gibt ja dort noch die Ausweichmöglichkeit über den Verordnungsweg der Landeshauptleute, außerdem sind die letzten vier Samstage vor dem 24. Dezember ausgenommen, und bezüglich der Kundenbedienung gibt es einen Passus, der die Kundenbedienung nach der Öffnungszeit regelt, das Fertigbedienen, Abschlußarbeiten und so weiter. Das ist alles geregelt.

Aber man kann nicht einfach verlangen, daß eine solche Regelung nur zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer getroffen wird, weil da der sozial Stärkere immer über den sozial Schwächeren drüberfährt.

Ich unterstelle es nicht dir unbedingt, Kollege Peter, aber du weißt: In jeder Branche gibt es gewisse schwarze Schafe. Und wenn diese schwarzen Schafe auswählen können, nur jemanden einzustellen, der bereit ist, 60 und 70 Stunden pro Woche zu arbeiten, und jene, die nicht 60 oder 70 Stunden pro Woche arbeiten können, hinauszuwerfen, wie es ihnen paßt, dann müssen Betriebe, die ihre Mitarbeiter durchschnittlich 40 Stunden pro Woche beschäftigen, nachziehen, weil sie einfach unter Druck gesetzt werden und nicht konkurrenzfähig sind. Außerdem steigert das die Zahl der Arbeitslosen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Das ist genauso wie bei der Schwarzarbeit, Kollege Peter! Das mußt du hier auch berücksichtigen.

Zuschläge, die in Zeit oder Geld über die jetzige Arbeitszeitregelung hinausgehen, müssen meiner Meinung nach, bevor es zu einer Regelung über eine längere Ladenöffnungszeit kommt, ausverhandelt werden. Die müssen dort ausverhandelt werden, und dann diskutieren wir das einmal.

Ich bin dafür, daß es in Ballungszentren eine Ortskernregelung, eine Fremdenverkehrsregelung gibt. Aber das muß den Ländern individuell zugewiesen werden, und die Länder sollten das dann dort individuell regeln.

Zur Diskussion über flexible Arbeitszeit: Grundsätzlich – grundsätzlich! – geht flexible Arbeitszeit nur zu Lasten der Einkommen der Arbeitnehmer. Produktkosten sollen durch ein geringeres Einkommen der Arbeitnehmer so gering wie möglich gehalten werden, um die österreichische Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen. – Ja selbstverständlich, wir wollen wettbewerbsfähig sein, aber – da stimme ich dir zu – mit weniger Bürokratie und nicht nur zu Lasten der Arbeitnehmer.

Allen voran preist der Präsident der Bundeswirtschaftskammer, der sich in sämtlichen Pressemeldungen darüber ausläßt, als Allheilmittel Lohn- und Gehaltskürzungen, Zulagenkürzungen, Abschaffung bezahlter Feiertage und so weiter an.

Meine Damen und Herren! Das sind doch Lohnbestandteile, und daran gibt es nichts zu rütteln. Man soll doch auch offen sagen: Das ist eine Lohnreduktion, eine Lohnkürzung, die man dem Arbeitnehmer in Österreich aufbürden würde. Damit kann ich wirklich nicht einverstanden sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es geht hier um Lohnreduktion, um den Abbau von Sozialleistungen, ohne sich überhaupt Gedanken darüber zu machen, wer in Zukunft der Konsument sein wird. Denn jene Leute, die in diesen Geschäften beschäftigt sind und somit in der österreichischen Wirtschaft arbeiten, sind ja auch Konsumenten. Und wenn dieser Konsument nichts mehr verdient: Wo und was soll er dann einkaufen? Er muß doch sparen.

Es gibt hier eine Aufstellung, in der ein Familieneinkommen von netto unter 23 000 S ausgewiesen ist. Wo soll der Betreffende etwas einsparen? – Der kann nur mehr beim Konsum etwas einsparen. Es ist das eine Studie des Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitutes, glaube ich. So ist es eben, und das muß uns klar sein.

Kollege Peter! Du weißt, wenn dein Arbeitnehmer einen Ausflug an den Wolfgangsee macht, geht er halt auch zu dir, um Kaffee zu trinken. Wenn sein Einkommen aber geringer ist, dann wird er halt nicht mehr ins "Weiße Rössl" gehen, sondern zum Nachbarn, wo der Kaffee um 20 S billiger ist als bei dir. (Abg. Mag. Peter: Um 5 S!)

So ist es eben: "Das Imperium schlägt zurück." Und ich verstehe das auch. Es sind halt dort mehr Leute, die unselbständig erwerbstätig sind, betroffen als sonst in der Wirtschaft, und diese sollte man eben auch berücksichtigen.

Aber derartige Konzepte, die eine Lohnreduktion beinhalten, führen im Prinzip nur zu Kaufkraftverlust, zu Nachfrageverlust, führen zu sozialen Spannungen und zu allgemeinem Leistungsverlust. Im Prinzip betrifft das auch unsere Wirtschaft und trägt nicht unbedingt zur Motivation der Arbeitnehmer bei. – Soviel zu diesem Thema.

Ich möchte nur ganz kurz noch zum Betriebspensionsgesetz Stellung nehmen. Ich finde, daß im Betriebspensionsgesetz jetzt zwar keine großen inhaltlichen Veränderungen vorgesehen sind, aber auf jeden Fall aber kann man von einer technischen Verbesserung sprechen.


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Meiner Meinung nach müßte viel mehr getan werden, um diese zweite Säule attraktiver zu machen, und es sollte auch hier die Gelegenheit genützt werden, diese zweite Säule der Altersvorsorge besonders herauszustreichen.

Ich bin natürlich auch dafür, daß die staatliche Vorsorge die Grundsäule sein muß, um die Mindestversorgung zu gewährleisten. Aber wir brauchen uns da nichts vorzumachen: Der Herr Bundesminister hat zwar das letzte Mal gesagt, der Pensionszuschuß bei der ASVG sei rückläufig – von 22,9 Prozent 1970 auf jetzt 13,3 Prozent –, aber das darf uns nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Menschen heute länger in Ausbildung stehen, länger in Pension und weniger lange im Arbeitsprozeß sind.

Wenn wir uns die Bevölkerungsstruktur ansehen: In der Nachkriegsgeneration gab es die größte Geburtenrate, und diese Menschen stehen jetzt im Erwerbsleben und gehen dann in Pension. Es sind einfach weniger Aktive da für jene, die nicht mehr im Erwerbsleben stehen. Es werden daher weniger Beiträge eingehen, und daher ist meiner Ansicht nach die Rechnung ganz einfach: Man muß eine zweite und dritte Säule aktivieren, um die Pensionsabsicherung der österreichischen Bevölkerung in einem höheren Maße zu gewährleisten.

Es war für mich interessant, daß im Ausschuß der Sozialsprecher der Österreichischen Volkspartei gemeint hat, daß man auch die Abfertigung auf freiwilliger Basis dort miteinfließen lassen könnte. – Ich propagiere schon seit dem Jahr 1991, daß die Abfertigung in ihrer heutigen Form ein Mobilitätshemmnis auf dem österreichischen Arbeitsmarkt darstellt. Dies wäre eine Möglichkeit, die Abfertigung in eine überbetriebliche Pensionskasse miteinfließen zu lassen, um dort die zweite Säule zu finanzieren. Natürlich zahlt der Arbeitgeber dort mit ein, und der Dienstnehmer hat die Möglichkeit, auf freiwilliger Basis einzuzahlen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.51

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Bauer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.51

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heute zu beschließende Gesetzesvorlage ist für mich als Gewerkschaftsfunktionärin in puncto Arbeitnehmerschutz eine sehr wichtige Angelegenheit. Durch die Novellierung der Öffnungszeiten – am Samstag das Offenhalten der Geschäfte bis 17 Uhr – wurde es notwendig, das Arbeitsruhegesetz zu ändern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da gerade im Handelsbereich vorwiegend Frauen beschäftigt sind, sind diese durch die längeren Öffnungszeiten einer weiteren Belastung ausgesetzt, denn es gibt am Samstag noch keine Kinderbetreuungseinrichtungen und auch nicht die dafür notwendigen öffentlichen Verkehrsmittel.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Änderungen im Arbeitsruhegesetz schaffen aber dafür einen Ausgleich, indem festgelegt wird, daß bei einer Beschäftigung an einem Samstag nach 13 Uhr der nächste Samstag in der Regel zur Gänze arbeitsfrei bleiben muß. Ein freier Samstag als Zeitausgleich für Frauen und Männer ist, so meine ich, mehr als gerechtfertigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es darf bei all dem aber nicht vergessen werden, daß die im Handel beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Schwerarbeit leisten müssen, denn die Tätigkeit der Verkäuferinnen und Verkäufer ist nicht mehr so wie früher, daß sie nur für die Betreuung der Kunden da sind, sondern sie müssen schwere Schachteln und Kisten heben, um die Regale zu füllen.

Ich halte auch nichts von weiteren Möglichkeiten, die Ladenöffnungszeiten zu ändern. Wenn ich mit den Gewerbetreibenden in meiner Region diskutiere, sagen sie mir, daß sie dadurch keine größeren Umsätze zu verzeichnen haben, sondern daß jene, die jetzt 10 Minuten vor 18 Uhr einkaufen kommen, dann eben vor 19 Uhr oder 21 Uhr ihre Einkäufe tätigen.


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Deshalb möchte ich auch an jene Abgeordneten, die über die Medien immer wieder so tun, als ob ihnen familienfreundliche Arbeitszeiten ein Anliegen wären, die angeblich für mehr Chancen für Frauen, für Weiterbildungsmöglichkeiten eintreten, appellieren, das auch wirklich zu tun (Beifall bei der SPÖ), aber nicht gleichzeitig die Forderung nach weiteren Öffnungszeiten oder sogar nach einer Öffnung der Geschäfte rund um die Uhr zu stellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es muß auch für die im Handel Beschäftigten möglich sein, Beruf und Familie vereinbaren zu können. (Beifall bei der SPÖ.) Die Beschäftigten im Handel dürfen nicht zum Spielball wirtschaftlicher Interessen werden.

Mit dieser Regierungsvorlage ist aber sichergestellt, daß für das Arbeiten am Samstag ein Ausgleich geschaffen wird, damit auch das Familienleben und die notwendigen Ruhepausen nicht ganz auf der Strecke bleiben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

13.55

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Finanzierung der Altersversorgung stellt tatsächlich eine der zentralen wirtschaftspolitischen Herausforderungen unserer Zeit dar, und die Gründe dafür, die zum Teil in demographischen Entwicklungen liegen, sind hinlänglich bekannt: Immer weniger Kinder stehen immer mehr älteren Leuten, die wir Gott sei Dank haben, gegenüber.

Laut einer Studie der OECD übertreffen die Barwerte der künftigen Pensionsansprüche heute schon die bestehende Staatsschuld, und dies stellt auch ein zusätzliches Problem für die Erfüllung der Maastricht-Kriterien dar.

Meine Damen und Herren! In Österreich wird der Schwerpunkt der Altersversorgung immer auf die gesetzliche Pensionsversicherung gelegt werden. Wir müssen daher alles tun, um diese sicherzustellen und die Finanzierbarkeit auch in Zukunft zu gewährleisten.

Es muß uns aber auch klar sein, daß wir die sogenannte zweite Säule genauso fördern müssen, soll die Altersversorgung nicht nur der Abdeckung der Minimalanforderungen, sondern auch dem Erhalt eines angemessenen Lebensstandards dienen.

Aus dieser Sicht besteht in Österreich nach wie vor Grund zum Handeln.

So haben in Deutschland und in England rund 50 Prozent, in den Niederlanden sogar 90 Prozent der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Zusatzpension, in Österreich reduziert sich dieser Wert auf lediglich 10 Prozent. Genau diesem Nachholbedarf wollte das Betriebspensionsgesetz 1990 Rechnung tragen.

Mit der heutigen Novelle können nun sechs Jahre Erfahrung aus der Praxis eingebracht und verwertet werden, um das System der betrieblichen Pensionsvorsorge noch effizienter zu machen. So beinhaltet diese Novelle unter anderem, daß zukünftig auch den Mitarbeitern von Gebietskörperschaften die Möglichkeiten des Betriebspensionsgesetzes vermehrt offenstehen werden, daß aber auch Pensionsvereinbarungen nicht nur einzelvertraglich oder via Betriebsvereinbarung, sondern auch im Wege eines Kollektivvertrages getroffen werden können.

Nicht zuletzt soll das aber auch zu Verwaltungsvereinfachungen und zu Vereinfachungen bei den Berechnungen führen, was ich besonders begrüße, und schließlich ist mir als Vertreter der Wirtschaft die Tatsache, daß künftig auch Betriebsinhaber in den Kreis der möglichen Anspruchsberechtigten aufgenommen werden, ein besonderes Anliegen.

Meine Damen und Herren! Wir müssen uns trotz allem darüber im klaren sein, daß es gilt, diesen eingeschlagenen Weg weiter fortzusetzen. Wir müssen daran arbeiten, daß sowohl die


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betriebliche als auch die private Altersvorsorge noch viel mehr ins Bewußtsein der Bevölkerung dringt, als dies derzeit der Fall ist.

Mit der heute zu beschließenden wichtigen Gestzesnovelle setzt die österreichische Bundesregierung einen wichtigen Schritt in das nächste Jahrtausend. Die hoffentlich positiven Auswirkungen werden wahrscheinlich erst unsere Kinder zu spüren bekommen, ich bin mir aber sicher, daß wir damit unserer Verantwortung gerecht werden. Die Volkspartei wird daher den gegenständlichen Vorlagen gerne ihre Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.59

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun der Herr Bundesminister. – Bitte, Herr Bundesminister.

13.59

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Anschluß an die Ausführungen meines Vorredners möchte ich feststellen, daß ich mich durchaus auch zu zusätzlichen Versicherungssystemen im privaten Bereich bekenne, aber folgendes muß uns allen klar sein: Die entscheidende Vorsorge für das Alter ist die Sozialversicherung, und es darf niemand dahin gehend verunsichert werden, daß diese nicht finanzierbar sei.

Ich möchte noch anfügen, daß natürlich nicht nur die demographische Entwicklung ganz entscheidend ist, sondern auch die, daß wir in immer kürzerer Zeit das erzeugen können, was wir brauchen. Das ist eigentlich die wichtige Vorsorge. Und das sicherste und solideste System wird immer die soziale Pensionsversicherung sein.

Nur ganz kurz einige Zahlen, damit niemand verunsichert ist. Die Zuschüsse zu den Pensionen aus Bundesmitteln haben im ASVG-Bereich 1970 22,9 Prozent betragen.

Im Jahre 1995 betrugen die Zuschüsse nicht mehr 22,9 Prozent, sondern nur mehr 13,3 Prozent – und das, obwohl die Lebenserwartung gestiegen ist und obwohl es die letzte Anhebung der Beitragssätze im Bereich des ASVG im Jahre 1985 gegeben hat.

Wesentlich anders schaut es im Bereich der Pensionsversicherungen der Selbständigen aus, weshalb es notwendig war, Korrekturen bei den Beitragssätzen vorzunehmen, was heuer auch geschehen ist.

Im GSVG-Bereich hat der Zuschuß im Jahre 1970 56,2 Prozent betragen, während er im Jahre 1995 bereits 65,2 Prozent betrug. Daher war eine Anhebung notwendig. Eine weitere Anhebung um einen Prozentpunkt wird aus diesem Grund mit 1. Jänner kommenden Jahres notwendig sein.

Im Bereich der bäuerlichen Pensionsversicherung betrug der Zuschuß im Jahre 1970 76,5 Prozent; während er im Vorjahr bei 71,8 Prozent lag. Daher hat es auch in diesem Bereich eine Anhebung des Beitragssatzes gegeben. In diesem Bereich sind aber derartige strukturelle Probleme vorhanden, daß man sicher darangehen wird müssen, auch aus Mitteln der Strukturförderung des Landwirtschaftsressorts einen Beitrag zur längerfristigen Pensionssicherung im bäuerlichen Bereich zu leisten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Khol. )

14.02

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Meisinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.02

Abgeordneter Josef Meisinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Obwohl wir den drei Gesetzesvorlagen – dem Betriebspensionsgesetz, dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz – zustimmen, möchte ich doch ein paar kritische Anmerkungen zu Punkten machen, die mir zu denken geben.


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Das neue Betriebspensionsgesetz bringt zwar keine wesentlichen inhaltlichen Änderungen, ist aber eine Gelegenheit, eine breite Diskussion über die zusätzliche Säule der betrieblichen Altersvorsorge zu führen und die mangelnde und entgegen den Behauptungen des Bundesministers immer unsicherere Pensionsabsicherung weiter zu thematisieren. (Abg. Edler: Hast du nicht aufgepaßt, Kollege Meisinger?) Es wäre wichtig, wenn du einmal aufpassen würdest, und zwar bei der Bundesbahn, damit die Milliarden nicht in dunkle Kanäle fließen! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Daß die Wirtschaftskammer und die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern die über drei Jahre doppelte Berechnung der Unverfallbarkeitsbeträge als zu aufwendig finden, ist für mich klar, denn über Härtefälle haben diese beiden Kammern noch nie viel nachgedacht. Aber Härtefälle wären eben dann besonders zu befürchten, wenn diese doppelte Berechnung gekürzt oder abgeschafft werden sollte.

Ein Problem ist auch der noch zu geringe Bekanntheitsgrad der betrieblichen Zusatzpension. Es gibt eine Untersuchung, die besagt, daß 20 Prozent aller Arbeitnehmer ihre Zusatzpension zur Gänze selbst zahlen, ohne daß der Arbeitgeber dazu einen Beitrag leistet.

Bedauerlich ist – das ist schon gestern mehrmals erwähnt worden –, daß die Beiträge in die Betriebspensionskassen weiterhin steuerlich nicht begünstigt werden, denn damit wird die Gelegenheit versäumt, einen weiteren Anreiz zur Eigenvorsorge für die Altersvorsorge zu schaffen.

Damit bin ich bei den Aussagen des Leiters des Europäischen Zentrums für Sozialforschung angelangt. Dieser gibt zum besten, daß schon im Jahre 2030 voraussichtlich 60 Prozent des Einkommens für Pensionsvorsorge bereitgestellt werden müssen. Er stellte folgenden Vergleich an: Während im Jahre 1970 pro arbeitende Menschen 44 Jahre gearbeitet wurde, 19 Jahre für die Ausbildung und 14 Jahre für die Pension aufgewendet wurden, schaut das heute schon wesentlich anders aus. Heute werden 36 Jahre berufstätig verbracht, 22 Jahre in Ausbildung und 23 Jahre in Pension. Daß es aufgrund dessen in Zukunft Finanzierungsprobleme geben wird, ist jedem klar.

Aber unsere unfähige Regierung ist nicht in der Lage, dem heraufbeschworenen oder sich abzeichnenden Generationenkonflikt wirksam entgegenzutreten, denn es werden weder Arbeitsplätze gesichert noch neue in größerem Maße geschaffen. Wir brauchen nur in die Tagespresse zu schauen, um zu erfahren, wie trist die Lage in Österreich in zunehmendem Maße wird.

Diese Regierung ist auch immer weniger in der Lage, eine vernünftige Pensionsreform mit dem Aspekt der persönlichen Verantwortung des einzelnen durchzuführen. Sie ist immer nur dazu bereit, weitere Mittel in die staatliche Bürokratie zu investieren.

Daß diese weitere Säule der Altersvorsorge doch ein Mehr an Zuspruch bekommt, zeigt der Umstand, daß auch Klein- und Mittelbetriebe die Möglichkeit der Betriebspensionskassen immer mehr in Anspruch nehmen. Das zeigt aber auch, daß in der Bevölkerung die Unsicherheit beziehungsweise das Mißtrauen in diese Regierung, jemals eine Pension in genügender Höhe zu bekommen, immer größer wird.

Ich hoffe aber doch, daß die Rechtssicherheit in Zukunft besser gewährleistet ist als bisher. Denn: Es sind in den vergangenen Jahren einige Pensionskassen zugesperrt worden, was nicht zur besonderen Belebung dieses Bereiches beigetragen hat.

Unbedingt notwendig und wichtig ist auch, daß, wenn eine betriebliche Beitragsleistung gestundet oder ausgesetzt wird, das für alle Beschäftigten zutrifft und nicht nur für einzelne Zielgruppen.

Nun komme ich zum Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz. Der Beitragssatz im Insolvenzfonds bleibt wie im Jahre 1996 bei 0,7 Prozent unverändert. Aber im Abänderungsantrag steht: "unter Zugrundelegung eines gleichbleibenden Ausgabenvolumens in diesem Fonds". Da muß man sich schon fragen, ob nicht auch da die Regierung für Mittel und Wege sorgt, diesen Fonds, wie so vieles andere auch, zum Stopfen von Budgetlöchern heranzuziehen.


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Ob dieser Beitrag jemals wieder gekürzt werden wird, ist fraglich. Das wird in der nächsten Zeit wahrscheinlich nicht möglich sein. Aber sollte eine Entspannung der Insolvenzlage stattfinden, dann hoffe ich, daß dieser Prozentsatz auch wieder gesenkt wird und diese Mittel nicht zur Abdeckung anderer Kosten herangezogen werden.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, daß betroffene Arbeitnehmer, aber auch Arbeitslose, aus dem Insolvenzfonds erst nach Monaten – nach Monaten! – zu ihrem Recht beziehungsweise zu ihrem Einkommen aus diesem Fonds kommen.

Eine weitere Kritik sei geübt an der Arbeiterkammer. Wir haben einen Antrag eingebracht, daß bei jenen Arbeitnehmern, die dadurch, daß der Insolvenzfonds bei der Auszahlung säumig wurde, nicht zu ihrem Geld kamen, die Arbeiterkammer vorübergehend einspringen möge. Dieser Antrag wurde aber abgelehnt. Man verwendet lieber Zigmillionen für Werbung in nahestehenden Zeitungen und für zweifelhafte Subventionen an parteinahe Organisationen.

Ein letzter Punkt: das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz. In diesem Zusammenhang möchte ich ganz klar hervorstreichen, daß unser Klubobmann Jörg Haider weiterhin laut Gerichtsurteil den ÖGB und die Wirtschaftskammer bezichtigen darf, Überschüsse aus der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse widerrechtlich unter sich aufgeteilt zu haben. Das ist ein typischer Fall in Österreich: daß ÖGB und Wirtschaftskammer Fondsgelder unter sich aufteilen dürfen und für die betroffenen Arbeitnehmer Abfertigungsansprüche aus dem Fonds eingeschränkt werden. All das zeigt auf, daß Arbeitnehmerinteressen in erster Linie von freiheitlicher Seite vertreten werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Freund. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

14.11

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Der Punkt 6 der heutigen Tagesordnung stellt für viele Österreicherinnen und Österreicher, die im aktiven Berufsleben stehen, eine Chance zur Verbesserung der Absicherung der Versorgung im Alter dar.

Ich freue mich, daß die Novelle zum Betriebspensionsgesetz, die heute beschlossen werden wird, die grundsätzliche Zustimmung aller hier im Parlament vertretenen Parteien und somit eine breite Grundlage der gesetzgebenden Körperschaft findet. Dieser zur Diskussion stehenden Änderung des Betriebspensionsgesetzes kann ich auch aus meiner Sicht nur zustimmen. Die Aufnahme der neuen Variante der Betriebspension in Form einer freiwilligen Versicherung hat als zweite Säule der Sicherung der Altersvorsorge in den letzten Monaten doch stark zugenommen. Allein in den letzten drei bis vier Monaten haben 11 000 Arbeitnehmer diese Möglichkeit, für die Zukunft zusätzlich vorzusorgen, in Anspruch genommen. Diese Zahl ist zwar erfreulich, meiner Meinung nach könnte sie aber dennoch gesteigert werden. Es geschieht diesbezüglich noch zu wenig an Aufklärung. Mit mehr Information über die seit 1990 bestehenden Möglichkeiten könnte man sicher noch mehr Menschen für diese Idee gewinnen.

Es ist meiner Ansicht nach sehr erfreulich, daß die betriebliche Altersvorsorge mit der vorliegenden Novelle praktikabler und sicherer wird und sich der bürokratische Aufwand dadurch verringern wird. Als Beispiel sei hier erwähnt, daß die Vertragsformulare in Zukunft nicht mehr mittels Bescheid genehmigt werden müssen, wodurch sich eine enorme Vereinfachung für den Ablauf dieser Geschäfte ergibt.

Da es aufgrund des Geburtenrückganges immer schwieriger wird, das Sozialsystem in Zukunft zu finanzieren, wird es immer wichtiger, daß sich die Menschen auf verschiedenste Arten eine zusätzliche Alterssicherung beschaffen können. Dennoch bin ich der Meinung, daß die staatliche Alterssicherung das primäre Standbein für die Pensionen unsere Bürger bleiben muß. Es ist dies eine Sozialeinrichtung, auf die wir alle stolz sein können und die unbedingt erhalten bleiben muß. (Beifall bei der ÖVP.)


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Mit der Schaffung des Betriebspensionsgesetzes auf Basis des Einkommensteuergesetzes als Ergänzung zum Pensionskassengesetz vor sechs Jahren hat Österreich Neuland betreten, indem umfassende arbeitsrechtliche Grundlagen für diese Form der Altersvorsorge beschlossen wurden. Es war dies die Grundlage der privaten Pensionsvorsorge, wodurch die Leistungen aus der betrieblichen Pension gesichert wurden. Schon damals wurde eine gesetzliche Vorkehrung dafür getroffen, daß die Leistungen aufgrund der Beiträge der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer gesichert waren, auch wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Eintritt der Anspruchsberechtigung gelöst wurde. Die Anwartschaften waren dadurch unverfallbar. Auch diese Absicherung soll durch die vorliegende Novelle verbessert, ergänzt und präzisiert werden. Die Berechnung des Betrages, welcher jeweils unverfallbar ist, wird wesentlich vereinfacht.

Es ist mir ein ganz persönliches Anliegen, daß sich jetzt auch die Arbeitgeber an dieser freiwilligen Altersvorsorge beteiligen können und daß eine entsprechende Vereinbarung sogar kollektivvertraglich möglich ist. Deshalb stimme ich gerne dieser Novelle zu. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Nowotny. )

14.15

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.15

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dem vorliegenden Gesetzespaket, das wir jetzt diskutieren, befindet sich auch eine Novellierung des Arbeitsruhegesetzes, eine Novellierung, die sich im Zuge der Verhandlungen und Beratungen über die Liberalisierung der Ladenöffnung ergeben hat. Es geht dabei um eine große Zukunftslösung für unseren Handel, um eine Zukunftslösung als Gesamtpaket: bestehend aus Ladenöffnung, Arbeitsruhegesetz, kollektivvertraglichen Bestimmungen und auch gesetzlichen Bestimmungen gegen den unlauteren Wettbewerb.

Heute liegt uns nur ein Teil von diesen vier Teilen vor, wobei in den letzten Tagen massiv auch noch die Forderung dazugekommen ist, die, so glaube ich, politisch außer Streit steht, daß es nicht nur um die Liberalisierung der Ladenöffnung geht, sondern als zweite Zielsetzung auch um die Sicherung der Nahversorgung. Ich glaube, es gibt keine politische Kraft in diesem Hohen Haus, die nicht dafür eintreten würde, die Nahversorgung sicherzustellen – im Interesse all jener unserer Mitbürger, die nicht die Möglichkeit haben, immer im Supermarkt auf der grünen Wiese einzukaufen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Von diesem Gesamtpaket, das, so glaube ich, wirklich eine tragfähige Zukunftslösung für den österreichischen Handel darstellt, liegt uns heute nur ein Punkt vor, nämlich das Arbeitsruhegesetz.

Meine Damen und Herren! Ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube: Ich halte es für falsch, zu Beginn eines großen Liberalisierungsschubs, für den wir alle sind, als ersten Schritt eine Reglementierung, also genau das Gegenteil einer Liberalisierung, zu beschließen. Ich halte das für falsch! Ich meine, daß man so ehrlich sein muß, entweder für die Liberalisierung oder für die Reglementierung einzutreten. Aber heute als ersten Schritt nur eine Reglementierung zu beschließen, halte ich für falsch. Das möchte ich sehr deutlich gesagt haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte aber genauso deutlich sagen, daß diese Position nichts daran ändert, daß ich sehr wohl den Schutzgedanken des Arbeitsruhegesetzes voll respektiere, und ich kann mir durchaus vorstellen, daß ein Gesamtpaket, das dann knapp vor Weihnachten in diesem Hohen Haus beschlossen werden wird, natürlich auch Bestimmungen im Arbeitsruhegesetz enthalten kann. Aber noch einmal: Mit einer Reglementierung einen Liberalisierungsschub zu starten, ist meines Erachtens wirklich der falsche Weg!

Meine Damen und Herren! Ich gebe ganz offen zu: Ich bin ein gebranntes Kind. Warum? – Es waren hier in diesem Hohen Haus bei der Diskussion und Debatte über das Arbeitnehmerschutzgesetz alle Fraktionen, die hier sitzen, der Meinung, daß der Arbeitnehmerschutz auch für


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den öffentlichen Dienst gelten muß. Es gab jede Menge politischer Vereinbarungen, daß, wenn wir das Arbeitnehmerschutzgesetz für die gewerbliche Wirtschaft beschließen, unmittelbar danach ein Arbeitnehmerschutzgesetz für den öffentlichen Dienst geschaffen wird. Aber das gibt es bis heute nicht, und deshalb bin ich ein gebranntes Kind, das gebe ich gerne zu, und deshalb möchte ich mich heute nicht präjudizieren und einer Reglementierung zustimmen, bevor ich noch nicht weiß, wie die Liberalisierung aussehen wird.

Meine Damen und Herren! Ich lade all jene, die aus der Wirtschaft kommen und ebenfalls dieser Meinung sind, ein, dazu beizutragen, daß wir einen großen Liberalisierungsschub machen – natürlich unter Beachtung des sozialen Schutzgedankens. Aber zu sagen: Wir wollen die Liberalisierung, wir anerkennen die soziale Schutzfunktion! und dann zu Beginn einer Liberalisierung eine Reglementierung zu beschließen, das kann nicht der richtige Weg sein! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Das sind die Gründe, warum ich persönlich und einige meiner Freunde aus der Wirtschaft heute – ich betone: heute! – diesem Gesetz nicht zustimmen können. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

14.19

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Haigermoser. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.19

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen und auch ich persönlich bekennen uns zu einem umfassenden Arbeitnehmerschutz, insbesondere im Handelsbereich, wo gerade im Zuge des Hereinströmens der multinationalen Konzerne auf dem Handelssektor immer wieder eben von diesen Multis der Versuch unternommen wird, Arbeitszeitgesetze zu umgehen, Arbeitsplätze auf Abruf zu schaffen, etwas, was mit einer neuen sozialen Qualität überhaupt nichts zu tun hat. (Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny. )

Aber diese soziale Qualität hat auch das Merkmal zu beinhalten, Herr Kollege Nowotny – und das sage ich als Praktiker –, daß die Schaffung von Teilzeitarbeitsplätzen nicht behindert wird. Mit diesem sogenannten Arbeitsruhegesetz schaffen Sie keine Arbeitsplätze im Teilzeitbereich, sondern Sie vernichten sogar noch welche.

Praktisches Beispiel: Ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin will am Freitag oder am Samstag arbeiten, etwa aus familiären Gründen, weil die öffentliche Hand zum Beispiel keine Kindergartenplätze zur Verfügung stellt oder das Familieneinkommen zu gering ist oder weil sich dieser Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin ein Zubrot verdienen will.

Nach Ihrem Vorschlag darf auch diese Arbeitnehmerin jeden zweiten Samstag nicht arbeiten, was zur Folge hat, daß dieser Freitag-, Samstag-Teilarbeitsplatz vernichtet wird beziehungsweise gar nicht entstehen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das heißt also, daß dieses Gesetz weder den Arbeitnehmern noch den Arbeitgebern in der Wirtschaft entgegenkommt, schon gar nicht neue Arbeitsplätze schafft, sondern sogar welche vernichtet. Daher ist es ein Gesetz, das in keiner Weise die Möglichkeiten schafft, in Hinkunft offensiv die wirtschaftlichen Probleme im Sinne des Wirtschaftsstandortes Österreich und der Arbeitnehmer zu bewältigen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben sich dieses Gesetz wirklich nicht überlegt, meine Damen und Herren! Wenn Sie es nämlich genau gelesen hätten, könnten Sie ihm heute im Sinne des von mir zuvor Gesagten nicht zustimmen, weil es schlußendlich, gelinde gesagt, arbeitnehmerfeindlich ist, meine Damen und Herren. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Professor Nowotny! Auch die Überschrift "Arbeitsruhegesetz" stimmt nicht, weil es in weitesten Bereichen nicht mit dem Ladenöffnungszeitengesetz korrespondiert. Es ist daher ein untaugliches Gesetz, welches der Großteil meiner Fraktion heute aus den von mir erklärten


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49. Sitzung / Seite 95

Gründen ablehnen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Edler: Wo ist Haider? Haider ist doch der Arbeitnehmervertreter!)

14.22

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Haupt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.22

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Den beiden Vorrednern aus dem Bereiche der Wirtschaft sollten zwei Dinge ins Stammbuch geschrieben werden. – Über die Flexibilisierung der Arbeitszeit in Österreich wird sehr viel, sehr heftig und sehr kontroversiell diskutiert. Viele Nachbarländer werden uns als Beispiele für angeblich erfolgreiche flexible Arbeitszeitmodelle vorgehalten, aber die Angaben, mit denen diese Diskussion geführt wird, sind – teilweise absichtlich – falsch.

Italien – ein wegen seiner Ladensöffnungszeiten von allen Unternehmern in Österreich gelobtes Beispiel – hat tatsächlich im ganzen Land, bis auf Friaul, nur 60 Stunden Öffnungszeit, und in Friaul 44 Stunden Öffnungszeit. Dort kann es nicht dazu kommen, daß die Arbeitnehmerinteressen völlig untergehen, denn bei ausschließlich 44 Stunden Öffnungszeit gibt es keine längere Arbeitszeit als 44 Stunden.

Ich würde mir wünschen, daß innerhalb dieses Parlaments, innerhalb der Sozialpartnerschaft und innerhalb der Regierung endlich das zum Tragen käme, was 1994 allen Österreicherinnen und Österreichern versprochen wurde, nämlich daß die Mindeststandards der Europäischen Union für die österreichischen Arbeitnehmer in Zukunft nicht unterschritten werden, sondern wenigstens als Mindeststandards gelten. Ich betrachte daher diese Diskussion als eine der essentiellsten Debatten, die es am heutigen Tag zu diesem Thema gegeben hat.

Wenn wir auf der einen Seite im Tagesordnungspunkt 1 eine Gruppe von Arbeitnehmern, nämlich jene im Bereich der Kranken- und Gesundheitsberufe, bereits unter diese Mindeststandards stellen und nunmehr daran gehen, diese Schritte auch in einem zweiten Bereich zu setzen, dann wären wir Parlamentarier, wie ich glaube, gut beraten, im Rahmen einer parlamentarischen Enqete aller politischen Gruppen all diese Positionen fair auszudiskutieren und sodann nach jenen Gesichtspunkten vorzugehen, die wir gegenüber den Österreicherinnen und Österreichern vertreten haben, nämlich die EU-Mindeststandards nicht zu unterschreiten.

Ich werde dem vorliegenden Gesetzentwurf meine Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Demonstrativer Beifall bei der SPÖ.)

14.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gelangt nun Herr Bundesminister Hums. – Bitte, Herr Bundesminister.

14.25

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Viele Redner haben in der Diskussion völlig richtig festgestellt, daß es wichtig ist, daß es Flexibilisierungsschritte gibt, daß es aber gleichzeitig ebenfalls sehr wichtig ist, daß der Gesetzgeber auch jenen, die im Handel tätig sind, Schutz bietet. Wenn hier gesagt wurde, es könnten bestimmte Formen der Arbeitszeiteinteilung überhaupt nicht mehr durchgeführt werden, dann möchte ich darauf hinweisen, daß das Gesetz den Kollektivvertragspartnern ausreichend Spielraum für notwendige Regelungen gibt.

Es ist mir daher nicht erklärlich, warum dieses Gesetz, das im Bereich der Sozialpartnerschaft nach vernünftigen Verhandlungen entstanden ist, gerade vom Generalsekretär der Wirtschaftskammer hier abgelehnt werden soll. Das wäre mir nicht verständlich. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Edler. )

14.26

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


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49. Sitzung / Seite 96

Ein Schlußwort des Berichterstatters entfällt.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein, und zwar lasse ich über jeden Ausschußantrag getrennt abstimmen. Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsruhegesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 374 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Reitsamer, Steibl und Genossen einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung der Bezeichnung "Artikel I" vor dem in der Regierungsvorlage enthaltenen Gesetzentwurf sowie die Einfügung eines Artikels II beinhaltet.

Da nur diese eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf in 374 der Beilagen in der Fassung dieses Zusatzantrages der Abgeordneten Reitsamer, Steibl und Genossen abstimmen und ersuche im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Antrag ist damit mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung abermals um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist abermals die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Betriebspensionsgesetz (BPG), das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) und weitere Gesetze geändert werden, samt Titel und Eingang in 470 der Beilagen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte Sie im Falle abermaliger Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist gleichfalls mit Stimmeneinhelligkeit angenommen. Ich stelle fest, daß der Gesetzentwurf daher auch in dritter Lesung angenommen ist.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages, nämlich Abkommen mit dem Königreich Schweden über Soziale Sicherheit in 320 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Stimmeneinhelligkeit der Fall. Der Antrag ist somit einstimmig angenommen.

8. Punkt

Erste Lesung des Antrages 264/A der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Damit gelangen wir zum 8. Punkt der Tagesordnung. Es ist die erste Lesung des Antrages 264/A der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zuerst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Mag. Haupt. – Bitte, Sie haben das Wort.

14.28

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der freiheit


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lichen Abgeordneten Haupt und Povysil, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz mit der Zielsetzung der Gleichstellung nichtöffentlicher und öffentlicher Krankenanstalten zu ändern, erscheint vielleicht dem einen oder anderen aufgrund der Änderungen im Sozialrechts-Änderungsgesetz, die heute im Tagesordnungspunkt 1 beschlossen wurden, als überflüssig. – Dem ist nicht so.

Die öffentlichen Krankenanstalten sind nunmehr über die Länderpools in ihrer finanziellen Sicherheit geregelt. Die nichtöffentlichen Krankenanstalten sind zwar insofern geregelt, als Vertragsbestimmungen abgeschlossen werden können, die ihnen eine finanzielle Ressourcenzuführung weiterhin eröffnet, aber sie sind aufgrund des vorliegenden Gesetzentwurfes, der nunmehr mehrheitlich beschlossen worden ist, weiterhin Bittsteller. Sie bleiben Bittsteller, obwohl sogar Abgeordneter Guggenberger in seinem Diskussionsbeitrag zum Tagesordnungspunkt 1 heute zugeben mußte, daß in manchen Regionen bis zu 25 Prozent und österreichweit bis zu 12 Prozent der medizinischen Grundversorgung dieser Republik im Bereiche dieser privaten Krankenanstalten erledigt werden.

Zweitens haben diese privaten Krankenanstalten, wie es auch Kollege Guggenberger richtigerweise zum Tagesordnungspunkt 1 erwähnt hat, erheblich billigere Kostenstrukturen bei gleichen Leistungen.

Ich denke, daß es nicht gerechtfertigt ist, diese Ungleichbehandlung im ASVG weiterhin bestehen zu lassen, sondern daß es geradezu eine Verpflichtung wäre, wenn die Kostenabrechnung in den Krankenanstalten auf Leistungsorientierung umgestellt wird, auch die privaten Krankenanstalten leistungsbezogen abzurechnen und nicht, wie es vorgesehen ist, weiterhin mit Pauschalbeträgen nach Belegstagen.

Ich meine daher, daß unser vorliegender Gesetzesantrag aus den hier angeführten Argumenten nicht nur unterstützenswert wäre, sondern geradezu nach Unterstützung ruft. Die Gleichbehandlung von gleichen Leistungen im privaten und im öffentlichen Bereich sollte keine Diskussion und keine Glaubensfrage sein!

Außerdem sollte man auch nicht übersehen, daß gerade der nichtöffentliche Bereich durch seinen Rationalisierungseffekt einen erheblichen Beitrag dazu geleistet hat, entsprechenden Kostendruck auf die öffentlichen Krankenanstalten zu machen und auf kostengünstigere Behandlungsmodelle bei gleicher Leistung umzusteigen.

Ich glaube, daß es auch in der Vergangenheit diese geringfügige Marktregelung zwischen nichtöffentlichen und öffentlichen Krankenanstalten durchaus gegeben hat. Man sollte nun aber keineswegs den nichtöffentlichen Bereich durch das veraltete Abrechnungssystem nach Belegstagen von der Neuerung ausschließen und nur den öffentlichen Bereich nach dem Leistungssystem abrechnen. Im Gegenteil: Man sollte in Zukunft auch diesen Leistungswettbewerb fördern, und zwar im Interesse der Beitragszahler Österreichs, um gleiche medizinische Leistungen zu geringeren Kosten zu erreichen.

Ich ersuche daher, diese Diskussion unter den von uns genannten Gesichtspunkten zu betrachten und bei der entsprechenden Beschlußfassung im Sozialausschuß auch unseren Argumenten näherzutreten. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.32

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Lackner vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.32

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Der Antrag mit der Nummer 264/A hat bei mir doch einige Verwunderung ausgelöst, und zwar dahin gehend, daß die Antragsteller einerseits ihren Wunsch nach Änderung des § 149 Abs. 1 ASVG damit begründen, es solle dadurch zu einer Stärkung der privaten Krankenhäuser kommen, aber andererseits durch die Kürzung der Alternativbedingung, durch


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das Streichen der Worte "im Sprengel des Versicherungsträgers eine öffentliche Krankenanstalt nicht besteht, oder" dies geradezu wiederum relativieren.

Eine weitere Sorge – wohl durch die Aktualität; Kollege Haupt hat das bereits angedeutet – scheint die von Ihnen ins Spiel gebrachte Bestandsgefährdung von Privatkrankenanstalten zu sein, mit denen Direktverträge abgeschlossen wurden, die seitens der Sozialversicherungsträger per 31. Dezember 1996 auslaufen. Es ist heute schon mehrmals angeklungen, daß diese Sorge wohl eher unberechtigt ist, denn im Zuge der Beratungen der Finanzausgleichspartner vom 4. Oktober 1996 hat sich der Hauptverband bereit erklärt, für die Privatkrankenanstalten jenes Finanzvolumen bereitzuhalten und auch zu valorisieren, das derzeit zur Verfügung steht.

Kollege Haupt! Über die Kostengünstigkeit von Privaten werden wir uns sehr ausgiebig im Ausschuß zu unterhalten haben. Ich freue mich schon auf diese Diskussion, die wir darüber führen werden. Am meisten verblüfft hat mich die Tatsache, daß Sie das Wort "gemeinnützig" streichen wollen. Wollen Sie allen Ernstes in diesem sensiblen Bereich das Wort "gemeinnützig" streichen, um damit Krankenanstalten- oder Spitalserhaltern die Möglichkeit zu eröffnen, in dieses Geschäft einzusteigen? – Ich glaube, das wäre ein falsches Verständnis von Markt, wenn gemeinnützige Anbieter und Dienstleistungsunternehmer dadurch sukzessive vom Markt verschwinden würden.

Kollege Haupt! Österreich hat im internationalen Vergleich ein hervorragendes, aber leider am Rande der Finanzierbarkeit angelangtes Gesundheitssystem. Das teuerste Gesundheitssystem der Welt ist jenes der USA. Kollege Haupt! In diesem Gesundheitssystem wird alles über den Markt geregelt, aber von diesem System kann man wirklich nicht behaupten, daß es optimal, effizient und human sei. (Zwischenruf des Abg. Mag. Haupt. )

Ich sage Ihnen das nur für den Fall, daß dies die Intention Ihres Antrages gewesen sein sollte. Dafür wäre ich natürlich überhaupt nicht, denn gerade die USA sind ein Beispiel für ein Marktversagen im Gesundheitswesen. Wir wollen doch nicht – dazu gibt es sicherlich auch Ihr Einvernehmen – ein Marktversagen wie jenes in den USA auch bei uns einführen. (Beifall bei der SPÖ.)

Mehr Markt, Kollege Haupt, wird auch kaum das Wundermittel sein, um Reformen im Gesundheitswesen durchzuführen, denn jede Entfesselung von Marktmechanismen würde etwa den Risikoausgleich zwischen den Versicherten in der sozialen Krankenversicherung gefährden. Die Forderung nach mehr privat gerät nämlich nur allzu leicht in die Nähe der Leistungsanbieter und ginge ausschließlich zu Lasten der schwächer organisierten gesellschaftlichen Gruppen, nämlich jener der Versicherten und der Patienten. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.36

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

14.36

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Haupt ist zwar jetzt nicht anwesend. Ich wollte ihm sagen, ich hätte volles Verständnis für diesen Antrag, wenn er Juli, August oder September 1996 zur Diskussion gestanden wäre. Aber zum jetzigen Zeitpunkt, nachdem wir heute vormittag das Sozialrechts-Änderungsgesetz beschlossen haben, das die Finanzierung der privaten Krankenanstalten eindeutig sicherstellt, ist dieser Antrag meiner Ansicht nach überholt.

Ich möchte aber betonen, daß wir die Bedeutung und die Wichtigkeit der privaten Krankenanstalten immer anerkannt haben, sie unterstreichen und alles dazu beitragen werden, ihre Finanzierung und ihre Berechtigung zu sichern und zu gewährleisten. Es ist für uns ganz wichtig, daß die privaten Krankenanstalten in ihrem Bestand gesichert sind. Dem haben wir auch durch die neuen Bestimmungen im Sozialrechts-Änderungsgesetz Rechnung getragen. Das wird auch durch die bereits begonnenen Verhandlungen zwischen dem Hauptverband und den Trägern dieser Anstalten unterstrichen, und ich bin der Meinung, daß auch das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das wir in den nächsten Tagen beschließen werden, einen weiteren Beitrag


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dazu leisten wird, die Bedeutung und die Stellung der privaten Krankenanstalten zu verbessern, indem sie die gleichen arbeitszeitrechtlichen Vorschriften erhalten wie die öffentlichen Krankenanstalten, also wie die Krankenanstalten der Länder, der Gemeinden und des Bundes.

Insoweit ist dieser Antrag aus meiner Sicht überholt, und wir würden dazu meinen, daß man ihn zurückziehen sollte. (Beifall bei der ÖVP.)

14.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Dr. Kier vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.38

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Fraktion steht diesem Antrag positiv gegenüber. Es ist ein Versuch, in diesem Bereich doch zusätzliche Möglichkeiten zu eröffnen, damit unser System effizienter wird.

Da Herr Kollege Lackner hier so sehr in den Mittelpunkt gestellt hat, daß er sich Sorgen macht, daß dieser Antrag zu einer Entfesselung der Marktkräfte führen könnte, möchte ich schon darauf hinweisen: Es geht hier nicht um diese Frage, sondern es geht um die Frage, ob insbesondere Krankenanstalten der öffentlichen Hände dadurch unter einen komparativen Qualitätsdruck kommen. Es ist eben die Frage, ob sie ganz sicher sein können, daß sie jedenfalls ein gesichertes Einzugsgebiet haben, oder ob private Krankenanstalten – die selbstverständlich die gleichen medizinischen Leistungen erbringen müssen, insbesondere auch zu den gleichen kaufmännischen Konditionen – völlig gleichgestellt werden oder nicht. Das ist für mich die Philosophie des Antrages.

Daß er auf der legistischen Ebene jetzt teilweise anpassungsbedürftig ist, weil sich insbesondere durch das 2. Sozialrechts-Änderungsgesetz die dahinterliegenden Vorschriften inzwischen verändert haben, ist richtig, aber dieses Problem wird sich in der Ausschußarbeit lösen lassen.

Noch eine zweite Anmerkung in Richtung des Kollegen Lackner: Der Risikoausgleich ist das wesentliche Element einer gesetzlichen Krankenversicherung. Das muß in jeder Variante erhalten bleiben. Ich bitte, hier wirklich in eine echte Diskussion einzutreten. Der Risikoausgleich ist nicht das, was beseitigt werden soll. Im Gegenteil: Er soll voll erhalten bleiben. Das bedeutet aber nicht, daß man im Gesamtsystem nicht dort, wo es möglich ist, durch verbesserte organisatorische Abläufe und auch durch das Nebeneinander von zwei oder mehreren Möglichkeiten einfach für Effizienz sorgen kann.

Ein Problem habe ich in der medizinischen Versorgung immer: Sie ist letztlich angebotsdeterminiert, sie ist nicht nachfragedeterminiert. Nicht der Patient bestimmt den Umfang der Leistung, sondern der behandelnde Arzt definiert den Umfang dessen, was er als Therapie einsetzt und was er daher als Leistung für notwendig hält. Das ist etwas, was grundsätzlich zu steigenden Kosten tendiert, weil es eben kein Markt ist. Das bedeutet aber nicht, daß man nicht das Nebeneinander von zwei Anbietern, in diesem Fall von privaten oder von öffentlichen Krankenanstalten, fruchtbar als kostenkontrollierendes Element einbringen kann.

Ich würde wirklich bitten, in diese Richtung dann, wenn das im Ausschuß behandelt wird, gründlich darüber nachzudenken und das Positive an diesem Antrag aufzugreifen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.42

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ich weise den Antrag 264/A dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zu.


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9. Punkt

Erste Lesung des Antrages 265/A der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung. Es ist dies auch eine erste Lesung, nämlich des Antrages 265/A der Abgeordneten Haller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird.

Wir treten in die Debatte ein.

Das Wort erhält die Antragstellerin. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.42

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Beim Antrag 265/A handelt es sich um einen Antrag, der das ASVG ändern und die Berufsbezeichnung für Tagesmütter und Tagesväter im ASVG verankert haben will, gleich den selbständigen Lehrern, die ja schon lange darin enthalten sind.

Die Situation ist ja bekannt: 1,5 Millionen Frauen in Österreich sind berufstätig, davon sind 350 000 Mütter mit Kindern unter 15 Jahren. Andererseits versucht man immer wieder, die Frauenerwerbsquote in Österreich zu steigern. Wir liegen da wirklich eher im unteren Bereich. Es gibt – trotz langjähriger Forderungen – keine Flächendeckung bei den Kinderbetreuungseinrichtungen.

Es ist einfach ein Faktum und von Kinderpädagogen nicht einmal, sondern immer wieder bewiesen worden, daß gerade im Bereich der Kleinkindbetreuung Tagesmütter die zweitbeste Kinderbetreuung nach jener durch die eigenen Eltern darstellen. Es ist eine der familiären Situation nachempfundene Betreuung, die zeitlich flexibel und gerade für kleine Kinder adäquat ist.

Die entsprechenden Forderungen werden immer wieder gestellt, auch hier in diesem Hohen Haus. Ich habe einen gleichlautenden Antrag, seit ich im Hohen Haus bin, noch in jeder Legislaturperiode eingebracht: in der XVIII. unter 448/A am 4. Dezember 1992 – abgelehnt; in der XIX. unter 61/A am 13. November 1994; in der XX. unter 265/A am 10. Juli des heurigen Jahres.

Ich kann nicht verstehen, daß man sich diesem Ansinnen – entgegen aller Lippenbekenntnisse in der Öffentlichkeit – immer wieder entgegensetzt. Ich habe ja nicht nur das gefordert, sondern auch eine bundeseinheitliche Ausbildung, eine Flächendeckung, eine adäquate Förderung aller Formen von Kinderbetreuung durch die Länder. Jetzt gibt es ein Frauenvolksbegehren, in dem diese Forderungen ja wieder und ganz explizit enthalten sind, natürlich auch jene nach sozialrechtlicher Absicherung.

Aber was ist passiert? – Im 1. Sozialrechts-Änderungsgesetz hat man durch die Änderung der Werkvertragsregelung diese sozialrechtliche Absicherung in Zukunft schwieriger gemacht. Aber das haben die Damen und Herren von den Regierungsparteien zu verantworten, nicht wir von der Opposition. (Abg. Silhavy: Warum ist es schwieriger, Frau Kollegin?) Herr Sozialminister, ich finde es wirklich unhöflich, daß da immer wieder Gespräche geführt werden, so, als ob das "nur" Frauenanliegen und damit keine wirklich wichtigen Anliegen wären. (Abg. Silhavy: Frau Kollegin Haller! Ich frage Sie nur, warum das schwieriger geworden ist!) Ich rede mit dem Herrn Bundesminister, nicht mit Ihnen, Frau Kollegin Silhavy.

Was spricht wirklich gegen diesen Antrag, der einfach die Berufsbezeichnung im ASVG verankert haben will, der nichts kostet und der ein erster Schritt dahin gehend wäre, die berechtigten Forderungen der österreichischen Frauen endlich einmal auch im Parlament in Angriff zu nehmen? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.46

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Silhavy vor. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.46

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Frau Kollegin Haller, Sie haben ja selbst ausgeführt, daß Sie diesen Antrag schon einige Male hier eingebracht haben. Es wundert mich, daß wir immer wieder mit unserer Argumentation hier beim Rednerpult stehen müssen. Wir haben es Ihnen schon einige Male zu erklären versucht: Natürlich wollen wir alle einen besseren Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen. (Abg. Haller: Dann tun Sie etwas! Sie sind an der Regierung!) Das umfaßt sowohl Tagesmütter als auch Kindergärten als auch Kinderkrippen in allen möglichen Formen.

Frau Kollegin Haller! Ihr Antrag – und das muß ich Ihnen schon sagen – ist so wie Ihr gestriger Initiativantrag: vordergründig eine angebliche Maßnahme für Frauen. Sie haben selbst soeben behauptet – und das stimmt ja auch –, es gebe keine bundeseinheitliche Regelung für die Ausbildung, es gebe nicht einmal ein Berufsbild für diese Tagesmütter. (Abg. Haller: Sind daran die Freiheitlichen schuld?) Sie wollen mit diesem Antrag Frauen, die weder ein Berufsbild noch eine bundeseinheitliche Ausbildung haben, quasi als Selbständige über die Sozialversicherung definieren. (Abg. Haller: Dann machen Sie es doch!)

Frau Kollegin Haller! Das ist doch gar nicht der Wunsch der Tagesmütter. (Abg. Haller: Ausrede!) Das ist vielleicht Ihr Wunsch – denn Sie haben ja, glaube ich, in einem Sozialsprengel zu tun –, Kosten einzusparen. Unser Ziel ist – und die "Volkshilfe" in der Steiermark macht das zum Beispiel –, Tagesmütter als Angestellte zu beschäftigen. Damit ist die von Ihnen angezogene Problematik einer sozialversicherungsrechtlichen Absicherung ja gar nicht gegeben, denn sie sind sozialversicherungsrechtlich abgesichert.

Frau Kollegin Haller! Noch etwas: Ich habe Ihnen vorhin eine Zwischenfrage gestellt. Wenn Sie das Thema ernst nehmen würden, würden Sie versuchen, auch diese Frage zu beantworten. Warum ist es schwieriger geworden? Sollen Tagesmütter für weniger als 7 000 S auf die Kinder aufpassen? (Abg. Haller: Die Regelung haben ja Sie gemacht!) Wenn Sie sagen, es wird schwieriger, behaupten Sie damit, daß Tagesmütter unter 7 000 S verdienen wollen. Ist das Ihr sozialpolitischer Aspekt in der Frauenbeschäftigung? (Abg. Haller: Sie machen ja diese absurde Regelung, nicht wir!)

Frau Kollegin Haller! Das sind die Gründe, warum wir Ihrem Antrag nicht zustimmen. Wir wollen Tagesmütter, die dem Angestelltenverhältnis unterliegen (Beifall bei der SPÖ) , die nicht nur sozialrechtlich, sondern auch arbeitsrechtlich abgesichert sind. Das ist Politik für die Frauen! Deshalb ist Ihr Antrag von uns immer schon so behandelt worden und wird auch weiterhin so behandelt werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haller: Das ist so absurd! – Weiterer Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

14.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Rosemarie Bauer vor. – Bitte, Frau Abgeordnete. Angezeigt wird eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 6 Minuten.

14.48

Abgeordnete Rosemarie Bauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zweifellos gehöre ich zu jenen, die die Meinung vertreten – und die Österreichische Volkspartei war da immer forderndes Element im politischen Spektrum –, daß Tagesmütter der beste Ersatz nach der eigenen Mutter für das Kind sind. Es gibt viele Vorteile: familienähnliche Situation, familienähnliche Umgebung, oft das Verbleiben des Kindes in der häuslichen Wohnung.

Ich möchte darauf gar nicht näher eingehen. Die Streitfrage ist nämlich: Wie kommen wir zu einer sozialrechtlichen Absicherung und zu einer echten Beschäftigung für Tagesmütter?


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Ähnlich wie in der Steiermark – dieses Beispiel hat meine Vorrednerin gebracht – haben wir in Niederösterreich und auch in vielen anderen Bundesländern eher den Weg gewählt, die Tagesmutter nicht als selbständig erwerbstätige Frau anzusehen, weil das auch mit vielen Nachteilen behaftet ist.

Erstens soll der Bund nicht Probleme an sich ziehen, die die Länder wahrscheinlich besser lösen können. Wir wollen also Beschäftigungsverhältnisse in einem Verbund, wie wir es über die extramuralen Dienste, ob das jetzt das Hilfswerk, die Volkshilfe oder die Caritas ist, machen. Wir wollen die Tagesmütter dort anstellen. Dort gibt es dann auch eine bessere Möglichkeit der Ausbildung für die Tagesmütter, aber auch eine bessere Kontrolle für Eltern hinsichtlich der Qualität der Tagesmütter. In diesem Verbund gibt es auch eine Urlaubsvertretung und ein Auffangnetz bei Krankheit, weil es dort mehrere Tagesmütter gibt, die einander vertreten können. Das sind viele Vorteile, die bei einer Selbständigen natürlich nicht vorhanden sind.

Bei Ihrem Modell, Frau Kollegin Haller – es tut mir leid, daß ich da widersprechen muß –, müßte man faktisch ein Netz aufbauen, einen Berufsverband aufbauen, was sehr kostenintensiv ist. Außerdem, glaube ich, sind diese Sozialstationen vor Ort mit ihrem Angebot an Pflegehilfen, an Kinderhilfen, an Familienhilfen – bunter Schirm – und dann zusätzlich mit diesen Tagesmüttern wirklich Servicestellen für die Familien. Es spricht daher überhaupt nichts dagegen, sondern ist die einfachste Art und Weise, den Frauen größtmöglichen Schutz zu bieten, Anstellungsmöglichkeiten zu bieten, um echte Bedienstete zu sein mit allen Vorteilen, die ihnen diese Gruppe dann ermöglicht.

Ich bin gegen Werkvertragslösungen in diesem Bereich – in anderen, wo es sein muß, sehr wohl –, sondern für echte Anstellungsmöglichkeiten und Angestelltenverhältnisse. Daher haben wir uns immer für die soziale Absicherung der Tagesmütter in dieser Form durch die Länder ausgesprochen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.52


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Motter. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.52

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist sehr einfach, wenn man vom Bund immer wieder alles auf die Länder schiebt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Höchtl. – Abg. Rosemarie Bauer: Wir lassen vom Bund nichts an sich ziehen, was die Länder besser und billiger machen!) Wir haben diese Absicherung nicht, und wir brauchen sie, Frau Kollegin Bauer.

Ich möchte mich in aller Kürze zum vorliegenden Antrag äußern. Es ist ein Faktum – das wurde schon gesagt –, daß wir Tagesmütter, aber auch Tagesväter brauchen. Sie sind eine gute Einrichtung (Zwischenruf des Abg. Dr. Höchtl ) – Herr Kollege Höchtl, bitte hören Sie mir zu! –, sie machen neben anderen Kinderbetreuungseinrichtungen bestens ihre Dienste und sind für unsere Gesellschaft unentbehrlich. Wir wissen auch – wir kennen ja die Versprechungen in diesem Zusammenhang –, daß wir noch zuwenig Kinderbetreuungseinrichtungen haben, die wir aber brauchen.

Wir Liberalen sind für die sozialrechtliche Absicherung der Tagesmütter beziehungsweise auch -väter. Diese betroffenen Personen sollten ehest kranken-, pensions-, unfall- und arbeitslosenversichert sein. (Abg. Rosemarie Bauer: Richtig!) Und dazu brauchen wir den Bund und nicht nur die Länder. (Abg. Rosemarie Bauer: Nein, das ist ein Irrtum!) Selbstverständlich. Bei diesen Versicherungen sicher.

Wir glauben auch, daß zumindest seit dem Beschluß der zusätzlichen 600 Millionen Schilling für Kinderbetreuungseinrichtungen, die auch für die Finanzierung von Tagesmüttern vorgesehen sind, die sozialrechtliche Sicherung der Tagesmütter beziehungsweise -väter keine Frage mehr sein kann und daher baldmöglichst geregelt werden sollte. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist jetzt Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.54

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will mich nicht auf die ideologische Debatte einlassen, welche Form von Kinderbetreuung die optimale ist. Tatsache ist – und das wurde auch von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern schon betont –, daß die Tagesmütter eine sozialrechtliche Absicherung brauchen.

Frau Kollegin Haller, ich bin gar nicht so abgeneigt, in Ihrem Antrag durchaus positive Elemente zu sehen, aber das Problem derzeit ist doch, daß wir – nach meiner Typologie – fünf verschiedene Gruppen von sozialrechtlicher Absicherung von Tagesmüttern haben. Wir haben die normal angestellten Tagesmütter, die sozial- und arbeitsrechtlich abgesichert sind, wir haben die geringfügig beschäftigten Tagesmütter, die nur mehr arbeitsrechtlich abgesichert sind, wir haben die Tagesmütter mit einem Werkvertrag, die, weil sie noch über der Geringfügigkeitsgrenze sind, immerhin teilweise sozialversichert sind, und wir haben die Tagesmütter unter der Sozialversicherungsgrenze für Werkverträge, die weder arbeitsrechtlich noch sozialrechtlich abgesichert sind. Und schließlich haben wir noch die Gruppe der Tagesmütter, die von Privaten beschäftigt wird, bei der es überhaupt keine rechtliche Regelung gibt.

Wir haben also fünf verschiedene Kategorien von Tagesmüttern. Es gibt kaum eine Berufsgruppe, die sich in so unterschiedlichen Formen sozialer und arbeitsrechtlicher Absicherung wiederfindet wie die Tagesmütter. Und wären es nicht die Tagesmütter – es werden zwar in Klammern auch die Tagesväter genannt –, so hätten wir – das wage ich zu behaupten – diese verschiedenen Formen wahrscheinlich nicht. Da hätten sich schon mehrere dafür stark gemacht, daß es endlich zu einer arbeits- und sozialrechtlichen Absicherung kommt. Aber weil es großteils Frauen sind, erlaubt man sich das in diesem Land.

Das ist der eigentliche Skandal, über den wir bei diesem Punkt diskutieren sollten: daß es eben nach wie vor fünf verschiedene Gruppen gibt. Und da habe ich das Problem mit Ihrem Antrag, nämlich daß diesen fünf Gruppen eine neue hinzugefügt werden würde. Wir hätten dann eine sechste Gruppe, die irgendwo dazwischen liegt, was natürlich in der Tendenz, nachdem die anderen Bereiche ja nicht von der sozial- und arbeitsrechtlichen Absicherung verschwinden würden, dazu führen würde, daß die Tagesmütter und Tagesväter dann wahrscheinlich nicht mehr fix angestellt wären. Und das kann nicht der Sinn einer Regelung sein.

Hätten wir nur die angestellten und die nichtangestellten Tagesmütter ohne sozialrechtliche Regelung, dann würde Ihr Antrag Sinn machen, dann wäre ich sehr dafür, daß wir diesen Antrag nicht nur ernsthaft in einer ersten Lesung diskutieren, sondern auch in einer zweiten Lesung hier in diesem Haus beschließen. Solange sich aber an dieser Situation, daß wir fünf Kategorien von Tagesmüttern haben, nichts ändert, fügen Sie mit diesem Modell nur eine sechste Gruppe hinzu. Und das kann nicht der Sinn der Übung sein. (Beifall bei den Grünen.)

14.56

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die Rednerliste hiezu ist damit erschöpft.

Ich schließe die Debatte und weise den Antrag 265/A dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zu.

Ich unterbreche nun nach Erledigung des Tagesordnungspunktes 9 für kurze Zeit – bis 15 Uhr – die Sitzung, um sodann die


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Dringliche Anfrage aufzurufen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 14.57 Uhr unterbrochen und um 15 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf .

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Steuern senken – Arbeit schaffen (1554/J)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zur Behandlung der schriftlichen Anfrage 1554/J. Da diese inzwischen jedem Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Dafür lehne ich jede Verantwortung ab. Verlangen Sie bitte keine Erklärung von mir, wie das im Detail funktioniert. Ich kenn’ mich auch nicht genau aus ..."

Bezog sich diese von Herrn Bundesminister Mag. Klima in einem Interview mit der Wochenzeitung "profil" vom 26. August 1996 getätigte Aussage zwar auf das Werkvertragschaos, so liegt doch der Schluß nahe, daß es sich bei diesem Eingeständnis offenbar um das Motto dieser Bundesregierung handelt.

Angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung kommt man zu dem Ergebnis, daß die sozialistisch dominierte Bundesregierung in den letzten Jahren nahezu untätig war beziehungsweise nur, wenn überhaupt, reagiert anstatt agiert hat.

So wurde es unterlassen, auch strukturelle Reformen in Angriff zu nehmen, und dadurch ein ständig steigendes strukturelles Budgetdefizit geradezu provoziert. Den diesbezüglichen Ankündigungen folgten in der Regel lediglich halbherzige oder einander widersprechende Maßnahmen.

So haben Sie bereits 1985 in Ihrer Eigenschaft als Finanzminister in Ihrer Budgetrede auf folgendes hingewiesen: "die Notwendigkeit struktureller Reformen; die Ineffizienz des öffentlichen Sektors; den dringenden Handlungsbedarf, den österreichischen Kapitalmarkt wieder zu mehr Aktivität zu führen; die Kontrollierbarkeit der Staatsverschuldung; Förderungsaktionen im Bereich des Fremdenverkehrs und des Gewerbes; die Transparenz der Folgekosten sowie die nachhaltige Absicherung eines hohen Beschäftigungsgrades."

Zehn Jahre später, nämlich im Budgetprogramm der Bundesregierung für die Jahre 1996 bis 2000, finden sich – man höre und staune – folgende inhaltlich unveränderte Zielsetzungen wieder: "Verbesserung der Beschäftigungslage, Sicherung der gesamtwirtschaftlichen Stabilität und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Die unter anderem durch den Anstieg der öffentlichen Verschuldungsquote auf 69,4 Prozent (1995) notwendige Budgetkonsolidierung muß durch strukturelle Reformen eingeleitet werden. Durch eine Investitions- und Exportoffensive, eine Technologieoffensive und Strukturreformen soll die Beschäftigung gesteigert werden."

Um nun ein durch die Inaktivität der Bundesregierung bedingtes Ausufern des Budgetdefizits einzubremsen, wurden den Österreichern und Österreicherinnen sozial völlig unausgewogene Belastungspakete als reine budgetäre "Feuerwehraktionen" aufgebürdet.

Als Folge dieser Belastungspakete droht die heimische Abgabenquote, die bereits jetzt mit 43,5 Prozent weit über dem EU-Durchschnitt liegt, auf über 45 Prozent anzusteigen. Daß noch weitere Belastungspakete auf die österreichische Bevölkerung zukommen werden, beweist unter anderem Ihre jüngste Aussage, in der Sie eine Erhöhung der Erbschafts- und Schenkungssteuer fordern. Nach Aussagen weiterer SPÖ-Politiker und Regierungsmitglieder droht eine Aufhebung der Höchstbemessungsgrundlage in der Kranken- und Arbeitslosenversicherung, ein steuerliches Abzugsverbot der Sozialversicherungsbeiträge, eine Erhöhung der Einheitswerte für Grundvermögen (und dadurch Erhöhung der Grundsteuer), die Einführung der Besteuerung einer fiktiven Miete bei Eigenheimen, die Erhöhung der Höchstbemessungsgrundlage im Falle der Mitversicherung von Frauen und Kindern und die Einführung von Studiengebühren, der Solidarabgabe sowie der Vermögensteuer.


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Laut Wifo-Monatsbericht vom Oktober dieses Jahres wird die Zahl der vorgemerkten Arbeitslosen auf mehr als 245 000 im Jahresdurchschnitt 1997 steigen, was eine Arbeitslosenquote von 7,5 Prozent ergibt.

Die optimistischen Ansichten der Wirtschaftsforscher, daß sich dieses Niveau 1998 halten und nicht auf die Horrorquote von 8,1 Prozent steigen soll, wird durch die Aussagen des Leiters des Arbeitsmarktservices Herbert Buchinger relativiert:

"Die Prognosesicherheit der Wirtschaftsforschungsinstitute in bezug auf die Entwicklung der Arbeitslosigkeit ist sehr gering!"

Die von der Bundesregierung in diesem Zusammenhang angekündigten Beschäftigungsprogramme sind, den Aussagen von Rektor Professor Dr. Smekal zufolge, wegen der angespannten Budgetsituation reine Verbalakrobatik, die jeder realen Grundlage entbehren.

Diese Behauptung wird durch die Tatsache untermauert, daß Österreich im Bereich der Ausgaben für aktive Beschäftigungspolitik mit 0,22 Prozent des BIP an drittletzter Stelle in Europa liegt. Die Arbeitsmarktsituation wird sich auch noch deshalb, vor allem im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit, noch wesentlich verschärfen, weil sich die Gebietskörperschaften, insbesondere der Bund, jeglicher Verantwortung für die Beschäftigung der Jugend entziehen. Während von der privaten Wirtschaft ein ausreichendes Lehrstellenangebot verlangt wird, muß der öffentliche Dienst einen mehrjährigen Aufnahmestopp verordnen, um die übermäßigen Personalkosten einigermaßen in den Griff bekommen zu können. Diese Flucht aus der Verantwortung für das wertvollste Kapital, nämlich die Jugend, ist bezeichnend für die reaktive Politik dieser Bundesregierung, die unwillig und unfähig ist, sich wirklich mit den Zukunftsfragen Österreichs zu befassen.

Die Arbeitslosenstatistik wird noch zusätzlich durch die steigende Anzahl von Frühpensionisten verfälscht und spiegelt daher die Realität nicht wieder. So hat der Anteil der Frühpensionisten an der Zahl aller Rentenempfänger bereits Ende September 1996 erstmals die 20-Prozent-Marke (1993: 13,7 Prozent) überschritten. Die Zahl der Frühpensionen stieg im Jahr 1996 um 20 000 auf rund 190 000 und gefährdet daher den Generationenvertrag massiv.

Einer der Hauptgründe für die triste Situation am Arbeitsmarkt ist eine noch nie dagewesene Insolvenzwelle, die einen Nachkriegsrekord darstellt. Für 1996 dürfte die Zahl der Unternehmenszusammenbrüche zwischen 5 300 und 5 400 liegen, das sind um rund 8 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Schulden der insolventen Firmen werden einen Wert von zirka 39 Milliarden Schilling erreichen (zuzüglich rund 11 Milliarden Schilling für die Großinsolvenz des Baukonzerns Maculan). Im Vergleich dazu betrugen die Schulden 1985 "lediglich" zirka 11,5 Milliarden Schilling. Mitverantwortlich für diese Pleitewelle ist die schlechte Eigenkapitalausstattung der Unternehmen.

Trotz des Umstandes, daß die Bundesregierung von namhaften Experten auf diesen Eigenkapitalmangel hingewiesen wurde, fand sie es nicht der Mühe wert, unter anderem durch entsprechende steuerpolitische Maßnahmen entgegenzuwirken. Anstatt dessen wurden in letzter Zeit sogar kontraproduktive Maßnahmen zu Lasten von Unternehmen, wie zum Beispiel die Anhebung der Mindestkörperschaftsteuer auf jährlich 50 000 S oder die als verfassungswidrig kritisierte Werkvertragsregelung, gesetzt. Auch wurden keine Anstrengungen unternommen, eine seit langem überfällige Gründeroffensive einzuleiten.

Dies ist allein schon deshalb unverständlich, da der Prozentsatz der Unternehmer an der Erwerbsbevölkerung der zweitniedrigste in Europa ist. Allein zur Erreichung des OECD-Durchschnittes müßten in Österreich 140 000 zusätzliche Unternehmen gegründet werden.

Dazu kommt noch, daß die österreichischen Unternehmer durch eine aufgeblähte Bürokratie und ein nicht mehr zu rechtfertigendes Ausmaß an staatlicher Regulierung und Bevormundung behindert werden, was erwiesenermaßen negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, auf das Wirtschaftswachstum und die Kaufkraft nach sich ziehen.


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Gemäß dem jüngst veröffentlichten Economic Freedom Index (Bürokratieindex) liegt Österreich, im Vergleich mit 20 Industrienationen hinsichtlich der freien Wirtschaftsentfaltung, an letzter Stelle hinter Spanien und Italien. Im Untersuchungsbereich "staatlicher Einfluß und Regulierung" hat Österreich am schlechtesten abgeschnitten. Bei der Kaufkraft je Einwohner im Jahre 1994 sowie beim durchschnittlichen Wirtschaftswachstum, bezogen auf die Bruttoinlandsprodukte der Jahre 1980 bis 1994, lag Österreich gemäß diesem Bürokratieindex um mehr als die Hälfte unter den Werten der besten Länder wie zum Beispiel Neuseeland.

Die immer weiter ausufernden und weit über dem EU-Durchschnitt liegenden Lohnnebenkosten, die bereits zirka 103 Prozent erreicht haben, belasten den österreichischen Wirtschaftsstandort nachhaltig und gefährden massiv die Arbeitsplätze der Österreicherinnen und Österreicher.

Die Erfolglosigkeit der Wirtschaftspolitik zeigt sich auch daran, daß Österreichs Wirtschaftswachstum im Vergleich zu den EU-Mitgliedsländern vom dritten auf den fünfzehnten und damit letzten Platz abgerutscht ist. Dies bedeutet für die heimische Wirtschaft ein weiteres Verharren in der konjunkturellen Talsohle.

In diesem Zusammenhang ist auch die massive Verschlechterung der Leistungsbilanz bemerkenswert, die sich allein von Jänner bis September 1996 gegenüber dem Vergleichszeitraum 1995 um rund 6 Milliarden Schilling verschlechtert hat und nunmehr ein Defizit von 36 Milliarden Schilling aufweist. Für diese Verschlechterung war die von der Regierung mangels Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen verursachte Krise in der Tourismuswirtschaft verantwortlich.

So sind die Überschüsse aus der Reiseverkehrsbilanz allein von September 1995 bis September 1996 um rund 30 Prozent zurückgegangen. Hatte die Reiseverkehrsbilanz im Jahre 1992 noch einen Überschuß von 67 Milliarden Schilling aufzuweisen, hat sich dieser zwischen 1992 und 1995 auf knapp unter 30 Milliarden Schilling mehr als halbiert.

Eine erforderliche Exportoffensive wurde mehrmals angekündigt und wie gewohnt von der Bundesregierung nicht umgesetzt. Nicht zuletzt deswegen hat IHS-Experte Andreas Wörgötter kritisiert, daß die Exportwirtschaft keine wirtschaftliche Unterstützung erhalte und daß außer Ankündigungen von Offensiven bisher nichts geschehen sei.

Es ist daher auch nicht verwunderlich, daß die von der Bundesregierung versprochene Technologieoffensive nicht verwirklicht wurde. Dies ist auch der Grund, weshalb die F&E-Quote (1,5 Prozent) noch immer weit unter dem OECD-Durchschnitt (zirka 2 Prozent) liegt.

Wie gleichgültig die Bundesregierung den Anliegen der österreichischen Wirtschaft gegenübersteht, zeigt die Problematik der "EU-Förderfalle", die verhindert, daß EU-Fördermittel voll ausgeschöpft werden.

Ebenso sind die Koalitionspartner nicht in der Lage, längst erforderliche Privatisierungen durchzuführen, was dazu geführt hat, daß sich internationale Medien bereits seit längerer Zeit darüber lustig machen ("How not to privatize a bank"; Wall Street Journal Europe; September 1995).

Seit 1991 waren an Privatisierungserlösen 38,4 Milliarden Schilling veranschlagt, realisiert wurden seither lediglich rund 6,4 Milliarden Schilling. Anstelle echte Privatisierungen durchzuführen, bemüht sich die österreichische Bundesregierung ihren Einflußbereich durch "Scheinprivatisierungen" (zum Beispiel Post, Bahn, Bundesrechenamt), die lediglich eine Flucht aus dem Budget darstellen, abzusichern.

Die völlige Hilflosigkeit der Koalition zeigt sich im Bereich des Arbeitsmarktes. Angesichts der ständigen Arbeitsplatzverluste in Österreich wird zwar noch im Koalitionsübereinkommen vom 11. März 1996 eine aktive Arbeitsmarktpolitik mit folgenden Schwerpunkten versprochen:

Verstärkung der Qualifikationspolitik für Arbeitslose und Beschäftigte, deren Arbeitsplätze gefährdet erscheinen; verstärkte Wiedereinstiegshilfe für Langzeitarbeitslose; Sonderprogramme


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für Branchen, Problemarbeitslose und Wiedereinsteiger/innen (insbesondere für Frauen nach beruflicher Abwesenheit wegen Kindererziehung/Kinderbetreuung).

Darüber hinaus haben Sie auch jedem Jugendlichen einen Ausbildungsplatz versprochen ("Es müsse kein 15jähriger auf der Straße stehen!"); auch von Lehrlingsoffensiven war die Rede. Keine dieser Ankündigungen ist auch nur ansatzweise verwirklicht worden, obwohl sich in der letzten Zeit die Arbeitsmarktsituation noch wesentlich verschlechtert hat, und sich dieser Trend noch verstärken dürfte. Dabei besteht, wie die folgende beispielhafte Aufzählung von Problemfeldern zeigt, enormer Handlungsbedarf:

Industrie

ständiger Abbau von Arbeitsplätzen; drohende "Entindustrialisierung Österreichs"

Semperit

Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Tschechien

HTM

Verlust von Hunderten Arbeitsplätzen

Post

Abbau von 8 000 Arbeitsplätzen geplant (Sperre von Postämtern, Verringerung des Angebots von Buslinien)

öffentliche Verwaltung

Streichung von Ausbildungsplätzen für Jugendliche

ÖBB

Abbau von Tausenden Arbeitsplätzen geplant

Banken und Versicherungen

Abbau von 20 Prozent der Arbeitsplätze kolportiert

Tourismusbranche

Redimensionierung der Kapazitäten (zahlreiche Insolvenzen)

 

Angesichts der angespannten wirtschaftlichen und budgetären Situation und der wirklich besorgniserregenden Lage des Arbeitsmarktes sowie der beängstigenden Untätigkeit dieser Bundesregierung stellen die unterfertigten Abgeordneten gemäß § 93 Abs. 1 GOG-NR an den Bundeskanzler folgende

Dringliche Anfrage:

1. In der Pressestunde vom 24. November 1996 vertraten Sie die Ansicht, daß eine Volksabstimmung betreffend die Einführung des "Euro" nicht notwendig wäre.

Wie rechtfertigen Sie diese Ansicht?

2. Teilen Sie die Auffassung, daß schon aus demokratiepolitischen Gründen, ähnlich wie in anderen EU-Mitgliedstaaten (zum Beispiel Dänemark und Schweden), eine derartig weitreichende Entscheidung einer Volksabstimmung zu unterziehen wäre?

Wenn nein, warum nicht?

3. Befürchten Sie, daß sich die Österreicherinnen und Österreicher wegen der Nichterfüllung der vor der EU-Volksabstimmung gemachten Versprechungen (siehe "Ederer-Tausender") mangels Vertrauen in die Bundesregierung nunmehr gegen den Euro aussprechen könnten?


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Wenn ja, warum?

Wenn nein, warum nicht?

4. Während Vizekanzler Schüssel in der Fernsehdiskussion am 13. Oktober 1996 behauptete, daß ein stabiler harter Euro und die Teilnahme Italiens an der 3. Stufe der WWU einander ausschließen, erklärten Sie in der Pressestunde vom 24. November dieses Jahres, daß der Euro ebenso hart wie der Schilling sein wird. Dies, obwohl die Teilnahme Italiens an der 3. Stufe der WWU – trotz der unterschiedlichen Auffassungen betreffend den Fristenlauf der zweijährigen EWS-Zugehörigkeit vor einer möglichen Teilnahme an der WWU – ab 1999 immer wahrscheinlicher wird. Nunmehr ist der SPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament Dr. Swoboda sogar für einen gegenüber dem Schilling weicheren Euro (vergleiche "Die Presse" vom 27. November 1996) eingetreten.

Teilen Sie die Auffassung von Dr. Swoboda?

Wenn ja, warum?

Wenn nein, warum nicht?

5. Werden Sie im Rahmen der Verhandlungen für eine strikte Einhaltung der Konvergenzkriterien eintreten, um eine gegenüber dem Schilling schwächere Einheitswährung zu verhindern?

Wenn ja, welche Maßnahmen werden Sie konkret setzen?

Wenn nein, warum nicht?

6. Die Bundesregierung hat sich wiederholt für eine rasche Erweiterung der EU um mittel- und osteuropäische Länder ausgesprochen, ohne der Bevölkerung die Vor- und Nachteile in entsprechender Form offenzulegen.

Ist aus Ihrer Sicht eine rasche Osterweiterung der EU anzustreben?

Wenn ja, warum?

7. Teilen Sie die Auffassung des SP-Delegationsleiters im Europäischen Parlament, Dr. Swoboda, wonach die Osterweiterung nicht vor dem Jahr 2005 stattfinden soll?

Wenn ja, warum?

Wenn nein, warum nicht?

8. Teilen Sie die Auffassung des Dr. Swoboda, daß es "zutiefst verantwortungslos sei, wenn manche Staatsmänner den beitrittswilligen Ländern unhaltbare Terminversprechen machen"?

Wenn nein, warum nicht?

9. Aufgrund der deutlichen Unterschiede in den Entwicklungsniveaus der EU und insbesondere Österreichs einerseits und der Reformstaaten andererseits wird es im Falle der Osterweiterung zu enormen Problemen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt kommen. So hat beispielsweise Landeshauptmann Dr. Stix vor "desaströsen Auswirkungen auf die burgenländischen Arbeitnehmer, das Kleingewerbe und die Landwirtschaft" bei einer zu raschen Osterweiterung gewarnt.

Welche Maßnahmen wird die österreichische Bundesregierung einfordern beziehungsweise ergreifen, daß es bei der Erweiterung nicht zu den erwarteten Wanderungsbewegungen von Arbeitskräften, wovon Österreich besonders betroffen wäre, kommt?


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Welche Maßnahmen werden Sie setzen, damit ein Sozialdumping im Falle der Osterweiterung verhindert werden kann?

10. Besteht innerhalb der österreichischen Bundesregierung betreffend die Folgen und die Risken eines Eintrittes in die 3. Stufe der WWU Einigkeit?

Welche Folgen beziehungsweise welche Risken erwarten Sie?

11. Während Dänemark und Schweden (für diese Länder ist Deutschland der wichtigste Handelspartner) aus Angst vor einem weiteren Ansteigen der Arbeitslosigkeit 1999 nicht in die 3. Stufe der WWU eintreten wollen, sind Sie für ein unbedingtes Beitreten zum ehestmöglichen Zeitpunkt. Kann man daher davon ausgehen, daß für Sie die Einführung des Euro wichtiger ist als die Senkung der Arbeitslosigkeit?

Wenn nein, warum nicht?

12. Wie können Sie es verantworten, die Post durch Belastung mit Budgetschulden im Interesse der Teilnahme am Euro in eine wirtschaftlich derart verzweifelte Lage zu bringen, die den Abbau von Tausenden Arbeitskräften und massive Leistungskürzungen geradezu erzwingt?

13. Worauf führen Sie Ihre Erfolglosigkeit bei den Bemühungen zurück, im Rahmen der EU eine Stärkung der Beschäftigungspolitik zum Beispiel durch Schaffung einer Beschäftigungsunion zu erreichen?

14. Welche konkreten Maßnahmen werden Sie setzen, damit die von Ihnen und zuletzt von Bundesminister für Finanzen Mag. Klima als Ergänzung zur Europäischen Währungsunion geforderte Harmonisierung der Steuersätze Wirklichkeit wird, um das Steuerdumping zu verhindern und den Spielraum für eine eigenständige Wirtschafts-, Fiskal- und Beschäftigungspolitik zu erweitern?

15. Der Europäische Rechnungshof hat kritisiert, daß umgerechnet 54 Milliarden Schilling, das sind knapp 6 Prozent des gesamten EU-Budgets, nicht ordnungsgemäß verwendet wurden.

Beweist diese Tatsache nicht, daß die Europäische Kommission mit den Beitragszahlungen ihrer Mitglieder fahrlässig und zu großzügig umgeht?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen werden Sie setzen, daß die Beitragszahlungen der österreichischen Steuerzahler künftig ordnungsgemäß verwendet werden?

16. Teilen Sie die Auffassung, daß die hohe Abgabenquote, die unvergleichbar hohen Lohnnebenkosten und der Bürokratismus einen Wettbewerbsnachteil für die österreichische Wirtschaft darstellen?

Wenn ja, inwieweit und mit welchen Prioritäten werden Sie welche konkreten Maßnahmen setzen?

Wenn nein, warum nicht?

17. Kann man davon ausgehen, daß Sie für eine Erhöhung der Abgabenquote eintreten, wenn Sie einerseits eine Erhöhung der Erbschaftssteuer fordern und andererseits Finanzminister Mag. Klima eine Senkung der Einkommensteuersätze ausschließt?

18. Wie interpretieren Sie die Absicht des Finanzministers, die Steuersätze auch nach 1999 beibehalten zu wollen, obwohl Deutschland bis 1999 den Spitzensteuersatz von 53 auf 35 Prozent und bei niedrigen Löhnen die Steuerbelastung von derzeit 25,9 Prozent auf unter 20 Prozent senken will?


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19. Sind Sie für die Einführung einer Solidarabgabe, welche von den Spitzenfunktionären der SPÖ gefordert wird?

Wenn ja, wie soll diese Solidarabgabe gestaltet sein?

Wenn nein, warum nicht?

20. Dänemark, das wirtschaftspolitisch als EU-Musterschüler gilt, will etwa ein Drittel des gesamten Staatshaushaltes von Energie- und CO2-Steuern bei gleichzeitiger Entlastung des Faktors Arbeit bestreiten. Seit Einführung dieser ökologischen Steuerreform hat Dänemark wesentlich höhere Wachstumsraten als Österreich.

Wann gedenken Sie von der Energiebesteuerung als reiner Budgetsanierungsmaßnahme zu einer ökologisch ausgerichteten Energiebesteuerung und damit verbundenen Entlastung des Faktors Arbeit überzugehen?

21. Mit Jänner 1997 wird ein wesentlicher Teil des Belastungspakets 1996 in Kraft treten, der eine erhöhte Steuerbelastung in Zusammenhang mit den Sonderzahlungen bewirken wird (§ 67 Abs. 12 EStG 1988).

Planen Sie weitere Verschlechterungen bei der Besteuerung der Sonderzahlungen?

22. Werden Sie sich für eine steuerliche Entlastung nicht entnommener Gewinne einsetzen, um insbesondere die triste Eigenkapitalausstattung der heimischen Betriebe und Unternehmen zu verbessern?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, wann und in welcher Form?

23. Welche Maßnahmen gedenken Sie zu setzen, um eine verstärkte Zuführung von Risikokapital an die Unternehmen zu ermöglichen?

24. Können Sie sich im Zuge einer Neuregelung der Familienbesteuerung die Einführung des sogenannten "Familiensplittings", insbesondere zur steuerlichen Entlastung von Mehrkinderfamilien, vorstellen?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, wann und in welcher Form?

25. Der Bundesinnungsvertreter des Baugewerbes, Andreas Kropik, sieht einen großen Anteil der Überschuldung der Betriebe bei den schlechten Zahlungskonditionen der Auftraggeber großer Projekte: "Die öffentliche Hand begleicht ihre Zahlungen oft mit einer Verspätung von 120 Tagen. Das ist untragbar", so Kropik. (WirtschaftsBlatt, 5. November 1996.)

Aus welchem Grund ist insbesondere die Zahlungsmoral der öffentlichen Hand derart schlecht und welche Maßnahmen werden Sie in diesem Zusammenhang setzen?

26. IHS Experte Andreas Wörgötter kritisierte, daß die Exportwirtschaft keine wirtschaftliche Unterstützung erhalte, und daß außer Ankündigungen von Offensiven bisher nichts geschehen sei.

Wann werden Sie endlich eine im Sinne einer Verbesserung der österreichischen Leistungsbilanz dringend erforderliche Exportoffensive einleiten?

27. Welche Maßnahmen sollen im Rahmen dieser Exportoffensive gesetzt werden?

28. Welche konkreten Maßnahmen mit welchem Erfolg hat die Bundesregierung ergriffen, um dem nach wie vor dramatischen Rückgang im österreichischen Fremdenverkehr Einhalt zu


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gebieten und andererseits das Fremdenverkehrsland Österreich für In- und Ausländer wieder attraktiver zu gestalten?

29. Großen sozialpartnerschaftlichen Organisationen, wie dem als Verein organisierten ÖGB, kommt in Österreich erhebliche Bedeutung bei der Gestaltung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu, ohne daß eine ausreichende, nachvollziehbare Gebarungskontrolle dieser Organisationen erfolgt.

Teilen Sie die Auffassung, daß in Zukunft alle Körperschaften, denen als Berufsvereinigung im Sinne des § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 des Arbeitsverfassungsgesetzes die Kollektivvertragsfähigkeit zuerkannt wurde, der Gebarungskontrolle durch den Rechnungshof gemäß Art. 127b B-VG unterzogen werden sollten?

Wenn ja, inwiefern?

Wenn nein, warum nicht?

30. Teilen Sie die Auffassung, daß im Interesse einer ordnungsgemäßen nachvollziehbaren Gebarungskontrolle alle Vereine und sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts, deren Vereinsvermögen die Grenze von 50 Millionen Schilling übersteigt, den für Aktiengesellschaften geltenden Rechnungslegungsbestimmungen unterzogen werden sollen?

Wenn ja, inwiefern?

Wenn nein, warum nicht?

31. In der WirtschaftsWoche Nr. 48 aus 1996 wird die Auffassung des Finanzministers wiedergegeben, wonach der ÖGB als Verein weder Körperschaft- noch Kapitalertragsteuer zu zahlen habe.

Teilen Sie die vom Finanzminister vertretene Auffassung?

32. Laut einem "Kurier"-Artikel vom 19. November 1996 ist die Chance Österreichs, sein anonymes Sparbuch beibehalten zu können, praktisch auf Null gesunken.

Was eine Aufhebung des Bankgeheimnisses beziehungsweise der Anonymität des Sparbuches für Österreich bedeuten würde, kann am Beispiel Schweiz nur zu gut nachvollzogen werden.

Nach Expertenmeinung würde nämlich bei einem Aufheben des Schweizer Bankgeheimnisses mehr als die Hälfte der Vermögenswerte aus der Schweiz abgezogen werden ("FAZ" vom 7. November 1996).

Teilen Sie die im "Kurier"-Artikel vertretene Auffassung, und wenn ja, was werden Sie unternehmen, um nach einer Aufhebung der Anonymität der Sparbücher ein Abfließen von Vermögenswerten ins Ausland zu verhindern?

33. Die ständigen Arbeitsplatzverluste im Bereich der Industrie lassen eine schleichende "Entindustrialisierung" Österreichs befürchten.

Ist Ihnen diese Problematik bekannt, und welche Maßnahmen haben Sie gesetzt beziehungsweise werden Sie setzen, um dem Abbau von Arbeitsplätzen entgegenzutreten?

34. Wie stehen Sie in Kenntnis der dramatischen Entwicklung am österreichischen Arbeitsmarkt zur Äußerung von ÖGB-Präsident Verzetnitsch vom 23. Juli 1993, der schon damals gemeint hat, Österreich könne sich eine Arbeitslosenrate von 15 Prozent leisten?

35. Welche negativen Folgen erwarten Sie durch die Einführung des Euro für den Arbeitsmarkt, und welche Maßnahmen werden Sie setzen, um den negativen Folgen, zum Beispiel im Banken- und Versicherungsbereich, entgegenzuwirken?


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36. Die PTA plant eine erhebliche Einschränkung ihres Leistungsangebotes (zum Beispiel durch Schließung von Postämtern und Auflassung von Buslinien), die einen Verlust von rund 8 000 Arbeitsplätzen zur Folge haben wird.

Ist Ihnen diese Absicht bekannt, und welche Maßnahmen aktiver Arbeitsmarktpolitik werden Sie setzen?

37. Im Bereich der öffentlichen Verwaltung besteht derzeit wegen der restriktiven Aufnahmepolitik für Jugendliche kaum eine Beschäftigungs- beziehungsweise Ausbildungsmöglichkeit.

Halten Sie es mit einer aktiven Arbeitsmarktpolitik für vereinbar, daß sich die öffentliche Hand jeglicher Verantwortung für die Ausbildung der Jugend entzieht, während gleichzeitig von den privaten Arbeitgebern die Bereitstellung von Lehrplätzen eingefordert wird?

38. Welche Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik (insbesondere Wiedereinstiegshilfen, Sonderprogramme für Branchen und Problemarbeitslose, Qualitätspolitik für gefährdete Arbeitsplätze) hat diese Bundesregierung bisher überhaupt gesetzt?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 1 GOG-NR vor Eingang in die Tagesordnung zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln."

*****

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich erteile Herrn Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. Die Redezeit beträgt gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.01

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Es sind wieder einmal steigende Arbeitslosenzahlen, steigende Steuerquote, Budgetdefizit, Insolvenzen, die zu dieser Dringlichen heute geführt haben. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Die Freiheitlichen haben bereits zu Jahresbeginn im Rahmen von "Bündnis für Arbeit" darauf hingewiesen, daß diese Probleme 1996 galoppierend zunehmen werden. Ich kann mich noch daran erinnern, als Abgeordneter Koppler unter großem Protest behauptet hat, das wird alles nicht so sein.

Der Herr Bundeskanzler, unser unverbindlichster Politiker mit Hang zu Illusionen statt Visionen (Abg. Müller: Na, na!), versucht wieder einmal, uns allen den Blick für die Realität zu verstellen.

Wohlklingende Prognosen, Herr Bundeskanzler, und Garantien haben im Wahlkampf 1995 tatsächlich noch einmal gezogen. Auch im EU-Wahlkampf wurde Arbeitsplatz über Arbeitsplatz versprochen. Jetzt ist wieder der internationale Wettbewerb dafür verantwortlich, daß Arbeitsplätze verlorengehen.

1994 lauteten die Prognosen, Herr Bundeskanzler, noch auf 150 000 neue Arbeitsplätze. Am 10. Jänner 1995 versprach Ihr Herr Klubobmann: 200 000 neue Arbeitsplätze. – Wer bietet mehr?

Aber auch die Minister Klima und Hums wollen dem nicht nachstehen. Im Weihnachtswahlkampf 1995 wurde viel Geld für Forschung und Entwicklung neuer Technologien zur Schaffung neuer Arbeitsplätze bei Post und Telekom versprochen. – Wie schön! Wie sehen denn die Tatsachen aus bei Post und Telekom? – 4 000 Arbeitsplätze weniger bei Telekom, Tausende weniger bei der Post. Das sagt Ihr Vorstand, Herr Bundeskanzler.

Zwischenzeitlich formiert sich auch in den Medien eine Front – nicht mehr gegen Haider – mit Aufweckrufen gegen die Regierung. Dort schläft man weiter. Was nicht sein kann, das nicht sein darf. Oder: Was nicht sein darf, das nicht sein kann.


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Professor Holzmann, unser aller begehrter Professor für Budget- und Pensionsdefizite, von Ihnen allen eingeladen, stellt fest: 7 000 Milliarden Schilling fehlen in der Pensionskasse. – Aber erst im nächsten Jahrtausend, richtig. Da ist es ja noch lange bis dahin.

Der Generationenvertrag ist nicht finanzierbar, Herr Bundeskanzler. Der Kollaps dieses Systems liegt auf der Hand, wir wissen es alle. Aber was soll’s. Das liegt ja noch weit vor uns. "WirtschaftsWoche" – direkter geht es nicht mehr, Herr Bundeskanzler –: "Der Turbo jault, die Reifen quietschen, die Karre steht."

Auch die Abstimmung über die Homosexuellenparagraphen vor einigen Tagen hier hat kein Licht ins Dunkel gebracht. § 14 ist nicht möglich. Wenn die Freiheitlichen einen Kompromißvorschlag zu § 16 machen, dann wird eben alles abgelehnt.

Ich glaube, Herr Bundeskanzler, es ist Zeit, daß wir mit dieser Konsensneurose, mit diesem Parlamentarismus, der nur zu Magengeschwüren hier im Parlament führt, aufhören. (Beifall bei den Freiheitlichen. )

Das ganze Jahr über zeigen wir Freiheitlichen Beschäftigungsprobleme, Wirtschaftsprobleme, Budgetprobleme auf. In fast jedem Leitartikel in den Wirtschaftszeitungen können Sie einen Teil unseres Wirtschafts- und Beschäftigungsprogrammes lesen. Es ist dies auch gar nicht verwunderlich. Marktwirtschaft ist heutzutage eine international vernetzte Angelegenheit, sie bezieht sich nicht mehr nur auf Österreich. Jetzt kann man besser denn je von anderen lernen. Es geht uns eigentlich sehr gut, was Lernen betrifft – wenn wir lernen wollen.

Unser "Steuer senken – Arbeit schaffen"-Programm ist nicht originell, Herr Bundeskanzler, das gebe ich zu. Aber es ist schon gar nicht weltfremd. Wenn Sie heute in einem Geschäft ein Viertelkilo Butter billiger kaufen können als sonst, dann werden Sie auch nicht fragen, warum es weniger kostet. Und genauso fragen Wirtschaft und Industrie Europas nicht, warum welcher Standort besser ist, sondern sie nehmen einfach den Standort, wo sie günstiger und billiger produzieren können – und vor allem überhaupt produzieren können.

Österreich steht mit diesem Problem nicht allein da, meine Damen und Herren, das gebe ich schon zu, aber wir stehen allein da mit dem Ansatz der Problemlösung, nämlich Belastungspaket und sonst nichts. (Beifall bei den Freiheitlichen. )

Die europäischen Länder raufen sich die Haare, wie sie die Steuerquote unter 40 Prozent bringen sollen, und unser Herr Bundeskanzler wirbt in Europa für einen Steuerquotenwettlauf – nicht nach unten, sondern eher nach oben. Kein Wunder, er versucht damit, ein Steuerkartell der EU-Länder herbeizuführen, das die hohe Steuerquote Österreichs relativiert, nämlich in dem Sinn relativiert, daß auch die anderen die hohen Steuern haben sollen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny. )

Herr Abgeordneter Nowotny, wenn wir von der Papierindustrie hinausgehen in den Markt und für gleichmäßig hohe Preise werben, dann werden wir eingesperrt, denn das wäre ein Preiskartell. Aber der Bundeskanzler wirbt für hohe Steuern in Europa. Das ist im Moment seine Problemlösungskapazität zum Thema Steuerquote. (Beifall bei den Freiheitlichen. )

Den Wettbewerb in der EU, meine Damen und Herren, gewinnen jene Länder, die die geringsten Verwaltungskosten des Staates im weitesten Sinne des Wortes aufweisen und damit die Bürger und Wirtschaft entlasten. Anderenfalls schnappt die Globalisierungsfalle für Österreich zu. Sie werden nicht ganz Österreich, Herr Bundeskanzler, zu einem geschützten Bereich machen können, das wird nicht gehen. Es wird höchstens ein Museum werden, ein Technologiemuseum, wo wahrscheinlich Ihr Herr Technologieminister Scholten der Portier werden wird. (Abg. Koppler: Und Wohnstätte für Manager! Die sind gern in Österreich!) Ihre Technologiepolitik erinnert mich an ein Museumsquartier. Leider! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Verwaltungskosten, 22 Prozent öffentlich Bedienstete – Herr Abgeordneter Koppler, wir kommen dann noch zu den internationalen Zahlen –, das ist es, was Sie derzeit präsentieren, das ist die Grundlage dieser Steuerquote.


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Das sind keine Strukturreformen, und wenn Sie jeden diesbezüglichen F-Vorschlag ablehnen, dann wird das Wahrheit, was gerade jetzt ein Nobelpreisträger für über 105 Länder der Welt herausgearbeitet hat. Dieser Nobelpreisträger hat etwas sehr Interessantes gemacht, er hat einen Bürokratieindex der Welt erstellt, und da können Sie ganz genau nachlesen, wer an erster Stelle und wer an letzter Stelle steht.

In diesem durch den Nobelpreisträger für Wirtschaft in zweijähriger Arbeit erstellten Bürokratieindex können Sie lesen: An erster Stelle steht Neuseeland, dann finden Sie alle EU-Länder, und Österreich steht an letzter Stelle. (Abg. Dr. Haider: Das ist die Wahrheit!) Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Koppler: Wie viele Arbeitslose? ) Warten Sie, wir kommen schon zu einer ähnlich hohen Arbeitslosenrate, Herr Abgeordneter, wir sind auf dem besten Weg dorthin. Sie steigt bei uns als einzigem Land, in allen anderen europäischen Ländern ist sie derzeit im Sinken. (Beifall bei den Freiheitlichen. )

Statt Österreich auf die Internationalisierung vorzubereiten, Herr Bundeskanzler, sind Sie international viel unterwegs. Dabei sind Ihnen die Unikate Österreichs im Steuersektor – sei es die Getränkesteuer, sei es die Kommunalsteuer – offenbar nicht aufgefallen. Alle arbeitsabhängigen Steuern sind in Österreich höher als in der EU. Dabei rede ich jetzt absichtlich nicht über Lohnnebenkosten, sondern ich rede über Abgaben der Lohnsumme. Und diese Standortkosten, die die höchsten in der EU sind, führen letztlich zu den Insolvenzen, führen zu den Abwanderungen der Betriebe in Österreich.

Im "World Competitive News Report" von 1996 können Sie nachlesen, wie Österreich laufend seine gute Position weiter verliert und wie andere Länder uns überholen. Dieser Trend ist eben für uns alle mit höherer Arbeitslosigkeit verbunden.

Das Abwandern von Produktionen ist eine Sache, aber das Nichtnachkommen neuer Produktionen, das Nichtnachkommen von neuen Unternehmungen und neuen Arbeitsplätzen, das ist eigentlich das viel Dramatischere. Auch wenn der Billa-Verkauf vom Statistischen Zentralamt in die Investitionsquote Österreichs eingerechnet wird, so kann ich Ihnen sagen: Das ist keine Investition, wie wir sie verstehen.

Das Leistungsbilanzdefizit wird immer größer. Hat noch Präsidentin Schaumayer vor kurzem lobend erwähnt, wie billig man im Ausland Urlaub machen kann, fleht jetzt Minister Farnleitner: Bleibt doch wenigstens eine Woche pro Jahr im Land, es explodiert unser Leistungsbilanzdefizit. Sie, meine Damen und Herren der Bundesregierung, sind alle ratlos in dieser Frage. (Beifall bei den Freiheitlichen. )

Gleichzeitig steigt die Inflation in Österreich. Sie liegt derzeit 40 Prozent über jener der BRD und erheblich über jener anderer EU-Länder. Jeden Tag liest man in der Zeitung: Das Geld wandert ab, das Vertrauen in den Schilling sinkt. Und jetzt beginnen natürlich, Herr Bundeskanzler – wie könnte es anders sein –, die Versprechen hinsichtlich Euro.

Die steuerliche Belastung in Österreich ist das Problem. Der Faktor Arbeit wird mit 60 Prozent besteuert. Jede Änderung, die von den Freiheitlichen vorgeschlagen wird, wie zum Beispiel unsere Ökosteuer, die eine Entlastung der Getränkesteuer, aber auch der Kommunalsteuer und anderes nach sich gezogen hätte, wird ins Lächerliche gezogen, auch wenn sie von denselben Universitäten und Professoren – zum Beispiel Schneider – erstellt wird, von denen sich die ÖVP ständig beraten läßt. Bei der Entlastung des Faktors Arbeit wird der Ansatz zu suchen sein, und ich bitte Sie dringend, dort tätig zu werden. Es ist ein wesentlicher Faktor zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

Aber auch die Stärkung der Eigenkapitalbasis der Wirtschaft, meine Damen und Herren, wird nur durch Steuersenkung tatsächlich eintreten. Und nur das sind krisensichere Betriebe, nur das sind Betriebe, die in Innovation investieren. Nur das sind Betriebe, die durch Investitionen neue Arbeitsplätze schaffen. Nichts zu machen heißt: keine Arbeitsplätze! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Aber wir haben offenbar noch immer Milliardenbeträge zur Verfügung, um in eine Wohnbauförderung, die sozial nicht ausgewogen ist, zu investieren. Die Förderungen, die man einmal bekommt, wenn man mittellos ist, Student ist, werden auf 30 Jahre gegeben, die Eigenbeiträge nicht wertgesichert. Was ist die Folge? – Sie haben keine Mittel zur Wohnbauförderung, die Wohnbautätigkeit liegt auf dem Boden. Gehen Sie in die Steiermark zum Herrn Landesrat Schmid, da können Sie ein System sehen, von dem man sehr gut lernen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Und gehen Sie von Ihrer anonymen Objektförderung zu einer auf die Menschen bezogenen Subjektförderung über! Das würde einer sozialdemokratischen Bewegung sehr gut anstehen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Arrogant sind sie und nehmen keine Ratschläge an!)

Aber auch hinsichtlich der Abgaben in Deutschland und in Österreich – ich habe mir einmal eine Lohnverrechnung gegenüberstellen lassen –, die eigentlich nur Abgaben auf die Lohnsumme sind und weder dem Arbeitnehmer noch dem Arbeitgeber etwas bringen, gibt es eine stolze Differenz von 5 Prozent der Lohnkosten, die in Österreich in Kanäle versickern. Das ist nicht der 13. und 14. Monatsbezug – ich weiß schon, was Sie sagen wollen, meine Damen und Herren –, sondern das sind Dinge, von denen niemand etwas hat, weder der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer. Sie verschwinden im Rachen des Monsters Bürokratie. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Weil eine kleine internationale Statistik für Sie ganz hilfreich sein könnte, kann ich Ihnen sagen: Der OECD-Schnitt dieser Abgaben auf die Lohnsumme ist 0,4 Prozent des BIP; in Österreich sind es 2,8 Prozent des BIP. Die Hälfte des Belastungspakets – 50 Milliarden Schilling – findet sich allein in dieser Position. Lesen Sie doch bitte einmal die Zahlen, die von unabhängigen ausländischen OECD-Instituten veröffentlicht werden, und glauben Sie doch nicht, daß wir Freiheitlichen uns das alles nur aus dem Finger saugen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

28 Sozialversicherungsanstalten warten auf die Reorganisation. Herr Generaldirektor Geppert versucht ein Controllingsystem, versucht ein Reorganisationssystem ins Leben zu rufen. Die Regierung sagt, da ist dringender Handlungsbedarf gegeben, wir müssen diese 28 Sozialversicherungen einmal auf ein modernes Organisationssystem, auf ein modernes Kontrollsystem umstellen. – Sie formulieren den Antrag, Sie blasen ihn im September wieder ab, nachdem Sie gelesen haben, was dabei herauskommt, nämlich Transparenz. Sie würden dann sehen, wie mit den Mitteln in diesen Sozialversicherungen umgegangen wird.

Das sind Mittel, die an und für sich den Steuerzahlern und vor allem auch den Betroffenen zustehen und sicherlich nicht wieder dem Moloch Bürokratie der Sozialversicherungen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber wir können uns auch bei den Kammern etwas abschauen. Die Kammerreformkommissionen haben genug geleistet. Geben Sie doch die Papiere einmal heraus, zeigen Sie sie doch einmal her! Ich habe in manche Einblick nehmen können. Ich rede nicht von den zahllosen Chauffeuren und grauslichen Pensionsverträgen und auch nicht vom WIFI und den Außenhandelsstellen in der EU. Es gibt so unendlich viele Dinge, nämlich auch die Zigmilliarden der Kammern, die einer Prüfung unterzogen gehören, sie gehen über die KU 2 letztlich in die Lohnnebenkosten und damit in die Gesamtlohnkosten ein und verschlechtern die Standortbedingungen in Österreich, verschlechtern die Wettbewerbsbedingungen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wo bleibt der von Minister Klima angekündigte Technologieschub? Wo bleibt die Öffnung des Telekom-Bereichs? Wo bleibt die Programmvielfalt im Fernsehen und vieles mehr? Die Post ist hoffnungslos zurück. Sie, Herr Bundeskanzler, haben unlängst in der "Pressestunde" selbst gesagt, die Quersubventionierung sei eigentlich ein Unding. Sozialminister Hums hat vor kurzem verkündet, nichts könne sich an der Tarifstruktur ändern.

Tatsache sind 40 Milliarden Schilling Telekom-Gebühren – 20 Milliarden im Nahbereich, 20 Milliarden im Fernbereich. Die Ferngespräche werden mit Globus 1 – Call-back-Systemen – hinunterfahren, und was bleibt übrig? – Ein Riesendefizit im Telekom-Bereich.


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Es ist daher kein Wunder, wenn auch auf diesem Sektor von Ihnen eine ratlose Alternative geboten wird mit Verbund und ÖBB, nämlich ein zweites Feststandnetz. Die werden sich dann die Tarife beim ORF mit 200 oder 250 Millionen dann unter den Nagel reißen. Und was bleibt übrig? – Ein noch größerer Verlust im Telekom-Bereich.

Eine wirre Wirtschaftspolitik wird Ihnen von den Wirtschaftsabteilungen der österreichischen Zeitungen diese Woche bescheinigt. Ich glaube, wenn "profil" einmal beginnt, in diesen Dingen Positionen der Freiheitlichen zu übernehmen, dann sollte Sie auch das alarmieren, denn das ist ein Novum in den letzten zehn Jahren.

Herr Minister Klima behauptete vor laufender Fernsehkamera im Gespräch mit Bundesobmann Dr. Haider: Wir werden bei Telekom keine Arbeitsplätze abbauen. – Fragen Sie doch den Vorstand! 4 000 Arbeitsplätze weniger, sagt er, allein im Telekom-Bereich, von der gelben Post wurde noch gar nicht gesprochen.

Herr Bundeskanzler! Auch hinsichtlich Ihrer Energiepolitik tickt eine Bombe. Diese Energiepolitik wird dasselbe Schicksal erleiden wie Ihre Telekom-Politik. Das Call-back-System auch auf dem Energiesektor ist mit der Liberalisierung des Energiemarktes gegeben. Die Großverbraucher werden billigen Strom beziehen. Womit werden Sie dann die Milliarden Schilling Verwaltungsaufwand in den Energiegesellschaften – dies ist auch an die Länder adressiert – abdecken können? – Die Verwaltungs- und Verteilungsmilliarden werden auch da vom System übernommen werden müssen. Sie werden wieder in die Steuerquote eingreifen. Wieder wird es der Steuerzahler sein, der die Rechnung zu begleichen hat.

Daß dieser geschützte Bereich, Herr Bundeskanzler, zu einem asozialen Monster degeneriert, das weder fliegen noch laufen kann, daran ist die Handlungsunfähigkeit dieser Regierung schuld. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nehmen Sie sich doch ein Beispiel an unseren Nachbarländern! Schauen Sie sich einmal die Strukturen an! Man muß nicht Englisch können, man kann es mit Bayrisch auch versuchen. In Bayern können Sie sehen, wie Energiestrukturen neu geschaffen, wie die Kosten reduziert wurden. Da kann man eine ganze Menge lernen. Und mit der Öffnung des Strommarktes prophezeihe ich Ihnen jetzt schon die größte Pleite der österreichischen Wirtschaft der Nachkriegszeit, nämlich eine Pleite dieses geschützten Bereiches. Die Pleite der Energiewirtschaft – entsprechende Studien schwimmen langsam an die Oberfläche, auch von Organisationen, die Ihnen sehr nahestehen – wird, so glaube ich, der Punkt auf dem i werden.

Die wirtschaftliche Denkweise, die Innovationsbereitschaft fehlen in allen diesen Bereichen, und Telekom ist heute nur das große Aushängeschild eines Bereiches, von dem wir alle sagen: Dort haben wir versagt. – Vieles folgt nach.

Aber das kann man natürlich mit der von Ihnen jahrzehntelang betriebenen Sparförderung alles sehr gut zudecken. Und der Anleger, der bisher Tausende Milliarden Schilling in Sparstrümpfe gesteckt hat, ist bisher schon nicht gerade toll gefahren. Ich denke nur daran, daß internationale Anlegerfonds heute zweistellige Prozentsätze in der Verzinsung über Jahrzehnte gesichert anbieten. Und der Anleger in Österreich, was bekommt er? – Da kann ich Ihnen sagen: Auch er wird aufwachen.

Herr Bundeskanzler! Das Privatisieren der Börse wird dabei nicht genug sein. Sie müssen die Titel des geschützten Bereiches privatisieren, das wird erst Leben in die Börse bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ob Austria Tabak, ob Bank Austria, ob Creditanstalt, ob Dorotheum, E-Wirtschaft oder Flughafen – dort existieren Privilegien, Herr Bundeskanzler. 80 Prozent Pension nach einer Pensionsvertragsperiode, unbeschadet des Alters, unbeschadet des Grundes des Austritts, auch wenn er auf Wunsch des Arbeitnehmers erfolgt: 80 Prozent nach einer Vorstandsperiode für jemanden im Alter von 45, 48, 52 Jahren. Ich kann Ihnen das alles präsentieren, Herr Bundeskanzler! – Aber das sind solche Liederlichkeiten, mir graust davor, ich will darüber gar nicht mehr weiterreden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Das Privatisieren würde Geld für Forschung und Entwicklung bringen, wie das unsere Nachbarländer vorgeführt haben. Wir wenden 1,5 Prozent des BIP für Forschung und Entwicklung auf. Der OECD-Schnitt liegt bei 2,5 Prozent, Bayern ist bei 4 Prozent. Starten Sie eine Offensive, aber schnell, solange die letzten Betriebe, die noch Forschung und Entwicklung in Österreich betreiben, noch da sind! Sonst können Sie sich zwar das Geld irgendwann einmal durch Privatisierungen holen, aber in Forschung und Entwicklung werden Sie es nicht mehr hineinbringen.

Die Erfinderbörse, die Einzelunternehmer, die Klein- und Mittelbetriebe, die Innovationskraft – all das ist letztlich anzukurbeln. Nur so werden wir neue Arbeitsplätze und neue Unternehmungen ins Leben rufen.

Die Berufsausbildung ist ein weiterer Schwachpunkt. Sie wissen, was ich meine: die Benachteiligung der Lehrlinge gegenüber den AHS-Absolventen. Herr Präsident Verzetnitsch hat nichts anderes zu tun gehabt, als wieder einen Fonds ins Leben zu rufen, eine Lehrwerkstättenregelung zu schaffen, und damit wurden wieder einmal alle Vorsätze der ÖVP über den Haufen geworfen. Es gibt wieder eine Quersubventionierung von den Klein- und Mittelbetrieben zu den Lehrwerkstätten.

Meine Damen und Herren! Sogar am Parteitag der SPD wurde dieser Punkt, den Präsident Verzetnitsch hier gemeinsam mit der ÖVP beschlossen hat, von den Jusos eingebracht. Herr Schröder hat gesagt, das kommt überhaupt nicht in Frage, darunter würde wieder die Wirtschaft leiden. Bundeskanzler Kohl hat nur ein müdes Lächeln für solche verrückten Versuche, die Wirtschaft weiter zu belasten. Ich muß Ihnen sagen, daß da die ÖVP mitgestimmt hat, ist wirklich ein ganz wunder Punkt im Jahre 1996.

Abschließend kann ich nur sagen – wie die "WirtschaftsWoche" schreibt –: "Der Turbo jault, die Bremse quietscht, der Karren steht." Mir als Unternehmer bleibt ein kleiner Trost: In meinem Unglück habe ich nämlich auch Glück. Die "Firma" Österreich ist von Dr. Vranitzky als Vorstandvorsitzendem geführt, bei mir ist er Gott sei Dank nicht einmal Prokurist. (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Abgabe einer Stellungnahme nach § 93 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat sich der Herr Bundeskanzler gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

15.21

Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Bei den Argumentationen von Vertretern der Freiheitlichen Partei gibt es einen Tag A, da heißt es, der Staat soll sich nirgendwo einmischen, die Bürokratie ist zu groß, sie gehört schlanker gemacht, kleiner gemacht. Herr Abgeordneter Prinzhorn hat vorhin sogar vom "Monster" Bürokratie gesprochen. Das ist seine Meinung, das sei ihm unbenommen. Dann gibt es den Tag B, und an dem Tag B argumentieren die Freiheitlichen dann, daß eine Rationalisierung im öffentlichen Dienst zum Beschäftigungsproblem beitrage. (Ruf bei den Freiheitlichen: Ausgliederung ist keine Regelung!)

Ursprünglich habe ich gemeint, heute sei ein Tag B und Herr Prinzhorn werde sich über die Personalpolitik im öffentlichen Dienst aufregen, weil dort rationalisiert wird. Herr Prinzhorn hat nun A und B vermischt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Er hat in seiner Anfragebegründung gesagt und geschrieben ... (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ihr werdet nicht hören, was ich sage, wenn ihr ununterbrochen dazwischenredet. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Dafür applaudiert Ihnen noch Ihre Fraktion!)

Ich stelle fest: Sie stellen Fragen zu dem Zweck und mit der Absicht, die Antwort nicht zu hören. – Gut. (Beifall bei der SPÖ.)


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Das ist einmal der eine Widerspruch. Der zweite Widerspruch ist der, der Regierung vorzuwerfen – in dem umfangreichen schriftlichen Sammelsurium, das der Dringlichen Anfrage beiliegt, wird das ausgeführt –, sie wäre in den vergangenen Jahren untätig gewesen. Gleichzeitig wird aber kritisiert, daß sie jetzt seit geraumer Zeit ein umfangreiches budgetpolitisches Paket geschnürt hat und umsetzt. (Rufe bei den Freiheitlichen: Belastungspaket!)

Mit dieser Budgetpolitik wird nämlich genau das verfolgt und erreicht werden, was Herr Prinzhorn als existierend kritisiert: Es wird erreicht werden, daß das Budgetdefizit zurückgeht, es wird erreicht werden, daß öffentliche Mittel für produktive und arbeitsplatzschaffende Zwecke eingesetzt werden können, und es wird erreicht werden, daß die Härte unseres Schillings aufrechterhalten bleibt. Dafür müssen wir arbeiten und deshalb arbeiten wir! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Die Regierung hat die Hände angesichts der Verflachung der internationalen Konjunktur nicht in den Schoß gelegt. – Im Gegenteil: Sie hat sehr, sehr viel unternommen, um den Auswirkungen der verflachten Konjunktur auf unsere Volkswirtschaft entgegenzusteuern. Ich stelle den Beitritt zur Europäischen Union an erste Stelle, weil es gerade angesichts dieser Herausforderungen notwendig war und ist, von einem 8-Millionen-Markt auf einen 370-Millionen-Markt um- und einzusteigen und auf diese Art und Weise unsere Geschäftsmöglichkeiten, unsere Wachstumschancen zu verbessern und zu erweitern. Das kann sich jedermann leicht ausrechnen.

Mit der Einführung einer gemeinsamen europäischen Währung – auch darüber befragen Sie mich, ich komme dann noch im Detail darauf zurück – wird dieser Markt noch homogener, und es darf davon ausgegangen werden, daß sich die Wirtschaftsströme verdichten werden.

Daher ist es nicht so, Herr Abgeordneter, wie Sie behaupten, daß die Regierung zusieht, daß sie alles treiben oder schleifen läßt, sondern da werden ganz konkrete, umfassende, verantwortliche Schritte gesetzt. Wir könnten es uns sogar noch leichter machen und sagen: Die Europäische Währungsunion ist ein solch komplexes Thema, es ist so anstrengend, die Überzeugung der Leute zu gewinnen, wir lassen es lieber bleiben. – Das wäre Unpolitik, und Unpolitik machen wir nicht. Wir stellen uns gerne her, und setzen uns mit Ihnen darüber auseinander. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin ein Illusionist, das habe ich gerade gehört – gut, soll sein. Es scheint mir jedoch besser, ein Illusionist zu sein, als sich ununterbrochen in Widersprüche zu verwickeln, wie das der Anfragesteller hier und heute getan hat. Wenn es nämlich heißt, die österreichischen Politiker beziehungsweise die zwei Regierungsparteien, Herr Abgeordneter, seien offensichtlich von einer Konsensneurose – wie Sie es ausdrücken – befallen, dann frage ich mich, welche industrielle Welt beziehungsweise welche Arbeitswelt Sie als Industrieller sich eigentlich wünschen: eine Konsensarbeitswelt, in der Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsame Wege und Lösungen suchen, oder eine Konfliktwelt. Aber ich kann Ihnen jetzt schon voraussagen: Da werden Sie als Industrieller nicht besonders gut ausschauen. Bleiben Sie lieber beim Konsens, wir nehmen die Neurose zur Kenntnis. Wir sind neurotisch, und die Arbeiter und die Unternehmer haben den Konsens. Das wird Ihnen guttun und den Arbeitern auch, und darum wird es gehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Stichwort: Illusion. – Herr Prinzhorn schreibt in seiner Begründung, er möchte gerne in Verfolgung der Parteitagsdiskussion in Feldkirch die Abgabenquote in Österreich von derzeit 43 Prozent auf 35 Prozent herabsetzen. – Einfache Rechnung: Herabsetzung der Steuerquote auf 35 Prozent heißt, öffentliche Ausgaben im Ausmaß von 200 Milliarden Schilling nicht tätigen. Das ist ein Rechenexempel, das kann man machen. Aber keiner von Ihnen sagt, woher Sie eigentlich diese 200 Milliarden Schilling holen wollen. Wollen Sie die öffentlichen Leistungen kürzen? – Sagen Sie einmal, wie Sie das machen wollen! (Abg. Haigermoser: Das haben Sie falsch verstanden! Sie wollen es nicht verstehen!) 200 Milliarden Schilling beispielsweise betragen die Kosten für den öffentlichen Dienst. Also stellen wir den öffentlichen Dienst ein, oder was wollen Sie damit machen? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Privatisierung! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


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Herr Abgeordneter Prinzhorn hat mir vor 10 Minuten vorgeschlagen, ich solle doch Wirtschaftsmagazine lesen, weil diese mir sozusagen alles ins Stammbuch schreiben. – Das tue ich auch! Und da ich eben Wirtschaftsmagazine lese, habe ich gesehen, was im Leitartikel der "WirtschaftsWoche" – das ist ein Wirtschaftsmagazin – steht: von uns nämlich gar nichts, aber von eurem Steuerprogramm: "Schrotthaufen". Lesen Sie es auch, es ist gar nicht so schlecht! (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wenn Sie die 200 Milliarden Schilling nicht im öffentlichen Dienst hereinbringen wollen, sondern im Leistungsbereich, dann sind 200 Milliarden – sagen Sie es! – im Sozialbereich, im Ausbildungsbereich oder im Universitätsbereich einzusparen. Wo wollen Sie sie hereinbringen? – Das ist Leistungsabbau! Ich verstehe das schon, nur kommen Sie herunter, geben Sie es ehrlich zu und sagen Sie: Namens der Freiheitlichen Partei Österreichs erkläre ich feierlich hier im Hohen Hause, im österreichischen Nationalrat: Ich bin für 200 Milliarden Schilling Sozialabbau! Sagen Sie das einmal! So sieht die Rechnung aus. Oder sagen Sie einmal, daß Sie für Leistungsabbau sind. (Heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Keine Polemik von der Regierungsbank! – Abg. Koppler: Der Haigermoser hat von Polemik gesprochen! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Herr Abgeordneter Prinzhorn! Ich möchte noch ein anderes Thema zur Diskussion stellen: Sowohl in Ihrer Wortmeldung als auch in der schriftlichen Anfragebegründung verwenden Sie keinen einzigen Gedanken darauf, daß wir in einer veränderten und in einer sich verändernden Welt leben.

Wenn immer alles gleichbliebe, dann müßte ich Sie fragen, wieso Ihre Unternehmensergebnisse nicht jedes Jahr gleich sind. Sind sie nicht, sie können es nicht sein, weil der Papier- und Zellstoffmarkt eben Preisschwankungen, Kapazitätsschwankungen und so weiter unterliegt. (Abg. Mag. Stadler: Er ist als Unternehmer erfolgreicher als Sie, Herr Bundeskanzler! Also vergleichen Sie sich nicht mit ihm als Unternehmer!) Ich halte politische Auseinandersetzungen über persönliche und privatwirtschaftliche Erfolge für hier nicht hergehörend. (Abg. Mag. Stadler: Sie haben das gemacht!) Nein, das habe ich nicht gemacht. Sie machen das mit Ihrem Zwischenruf! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Khol. )

Meine Damen und Herren! Ein nächster Aspekt. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Wissen Sie, was Ihr Glück ist? – Daß man mathematisch nicht messen kann, was eigentlich Ihr Erfolg ist. Das ist unberechenbar, weil es keinen gibt! (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Ich kann eigentlich nur hoffen, daß das alles im Fernsehen übertragen wird. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Prinzhorn! Sie haben sich in Ihrer Anfragebegründung auch – und zu Recht, muß ich sagen – mit Fragen des Kapitalmarktes auseinandergesetzt. Sie haben gesagt, Geld wandert ab. Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich würde wirklich gerne einmal seriös mit Ihnen darüber diskutieren, welche Belege Sie dafür haben, wie Sie das beweisen können und wohin das Geld abwandert.

Wir sind für eine freie Kapitalwirtschaft, wir sind für freie Kapitalbewegungen, daher ist es ohne weiteres möglich, daß im Ausland investiert wird, daß im Ausland veranlagt wird, wie es auch möglich ist, daß im Inland, in Österreich investiert und veranlagt wird. Wir sind für einen freien Kapitalverkehr, wenn Sie sich jedoch anschauen, in welche Richtungen die Kapitalströme gehen, werden Sie sehen, daß Österreich durchaus herzeigbar ist, was das Investieren, das Veranlagen und das Anlegen in Österreich betrifft. Das kommt nicht von selbst, sondern das ist ein Erfolg der Politik, weil beispielsweise die Mehrheit dieses Hohen Hauses Gesetze beschlossen hat, die das Investieren und Veranlagen in Österreich für ausländische Kapitalgeber interessant machen. Sie nutzen es auch, und das ist eigentlich eine sehr zufriedenstellende Situation. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie haben recht, wir müssen den Kapitalmarkt stärken. (Abg. Haigermoser: Halleluja! Alles in Ordnung! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Meine Damen und Herren! Abgeord


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neter Prinzhorn hat recht, wenn er das Thema Kapitalmarkt anschneidet, denn tatsächlich ist es notwendig und wichtig, daß wir in Österreich das Kapitalmarktwesen, das Börsewesen verstärken. Wir starten aber nicht von einem Punkt null, denn wir haben mit Hilfe des österreichischen Nationalrates Gesetze für zwei anlegerfreundliche Steuerreformen beschlossen. Ich erinnere beispielsweise an die Lösungen Vermögensteuer, Kapitalertragsteuer als Endbesteuerung, das ist alles sehr interessant und attraktiv für internationale und nationale Anleger. (Abg. Böhacker: Jetzt wollen Sie die Erbschaftsteuer erhöhen!) – Ich rede jetzt eigentlich von der Anfrage.

Wir haben mit Hilfe des Hohen Hauses die volle Kapitalverkehrsliberalisierung durchgesetzt, wir etablierten Termin- und Optionenbörsen, und wir müssen jetzt – und da hat Abgeordneter Prinzhorn recht – gemeinsame Maßnahmen setzen, damit auch mittelgroße Unternehmungen den Kapitalmarkt nutzen können und in geeigneter Form Risikokapital und Eigenkapital aufbringen können.

Meine Damen und Herren! Ein weiterer Aspekt: Wir sind nicht nur heute, sondern auch in anderen Auseinandersetzungen, Diskussionen, Dialogen mit der freiheitlichen Fraktion auch immer wieder mit dem Spannungsfeld Internationalisierung oder Nichtinternationalisierung beschäftigt und befaßt. Ich sage hier namens der österreichischen Bundesregierung: Es gibt im Zeitalter der immer weiter steigenden Internationalisierung keinen anderen Weg und keine andere Antwort, keine anderen Problemlösungen, als die Internationalisierung auszubauen. Ein Schritt zurück, ein Schritt in die Renationalisierung der Märkte, in die Renationalisierung der Politik, ein Abschotten der Wirtschaft führt zu Abschottung des Landes und zur selbstgemachten, zur hausgemachten Isolation unseres Landes und der Menschen, die in unserem Land leben. Daher werden wir weiter eine offene, eine internationale, eine aufgeschlossene, weltoffene Wirtschafts-, Steuer- und Finanzpolitik betreiben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Abgeordneter! Sie haben die Abgabenquote beklagt und gemeint, daß wir im internationalen Vergleich schlecht liegen. Jede Abgabenquote kann als zu hoch empfunden werden, wir liegen allerdings mit den 42,3 Prozent genau im EU-Durchschnitt, und wir sind – weil Sie die deutschen Nachbarn erwähnt haben – zum Beispiel gelegentlich Gegenstand von Wortmeldungen im Deutschen Bundestag. Es haben gerade in letzter Zeit sowohl Bundeskanzler Kohl wie auch Finanzminister Waigel über die österreichische Finanz-, Geld- und Währungspolitik zustimmende und positive Äußerungen gemacht.

Ich glaube also nicht, daß wir unser Licht unter den Scheffel stellen müssen. Wir müssen nur eines ganz sicher machen: in der Europäischen Union mit den anderen Ländern Systeme ausarbeiten, damit wir beim Steuerniveau und beim Abgabenniveau zu Mindeststandards kommen, damit nämlich nicht ein Steuerwettlauf nach unten in Gang kommt, damit sich die Spirale nicht nach unten dreht. Was würde das nämlich bedeuten, meine Damen und Herren? – Wenn sich die Steuerspirale nach unten dreht, dann steigen die Budgetdefizite. Wenn die Budgetdefizite durch sinkende Steuern steigen, dann muß man, um die Defizite wieder auszugleichen, die Ausgaben senken. Die Ausgaben werden dann für Bildung, für Gesundheit, für Umwelt, für Forschung und Entwicklung gesenkt, und das wollen wir uns in einer Zeit nicht leisten, in der wir Modernes machen müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie fragen mich auch nach der Solidaritätsabgabe, Herr Abgeordneter. Ich sage Ihnen folgendes: Wir haben den Weg der Absenkung der Spitzensteuersätze, der Verbreiterung der Bemessungsgrundlage durch die Beseitigung von steuerlichen Ausnahmebestimmungen gewählt – dadurch sind auch Tarifsenkungen möglich –, und wir haben durch das soziale Abschleifen von Steuervorteilen und Steuerprivilegien nicht nur verteilungspolitisch einen richtigen Schritt gesetzt, sondern haben die gleichmäßige Lastenverteilung und eine Budgetverbesserung erreicht und hergestellt – besser und stärker als mit Hilfe eines Solidaritätszuschlages oder einer Solidaritätsabgabe.

Meine Damen und Herren! Wir haben aber auch abgewendet, die im internationalen steuerlichen Standortwettbewerb psychologisch wichtigen Grenzsteuersätze erhöhen zu müs


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sen. Ich glaube, daß das insgesamt eine durchaus vertretbare Steuerpolitik ist, und wir werden die nächsten Konzepte nach ähnlicher Überlegung ausarbeiten.

Meine Damen und Herren! Die beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischen Strategien der Bundesregierung für den Wirtschaftsstandort Österreich umfassen aber eine zukunftsweisende Steuerpolitik ebenso wie eine zukunftsweisende Infrastrukturpolitik. Dazu gehören: Verbesserung der Verkehrswege, die Weiterentwicklung der Telekommunikation.

Sie haben kritisiert, das geht Ihnen zu langsam, es kommt ein zweiter Interessentenkreis für den Festnetzbetrieb dazu. Das sind Entwicklungen, die wir doch aus der Marktwirtschaft nicht verbannen wollen. Ich verstehe nicht, was Sie daran auszusetzen haben, wenn Marktwirtschaft Wettbewerb bedeutet und wenn Wettbewerb das Gegenteil von Monopol ist. Wenn wir durch ein Öffnen zu einem Monopolisten, zu einem Anbieter noch einen anderen dazukommen lassen wollen, dann scheint mir das ein sehr liberales Element der Wirtschafts- und Strukturpolitik zu sein. Aber vielleicht ist liberal bei Ihnen jetzt nicht mehr gefragt. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch eine Facette in der Arbeitsmarktpolitik: Sie haben immer Schwierigkeiten mit der EU-Mitgliedschaft Österreichs und bringen sie in Zusammenhang mit der Arbeitsmarktentwicklung. (Abg. Haigermoser: Wir haben keine Schwierigkeiten! – Abg. Rosenstingl: Wir haben Schwierigkeiten mit dem Verhandlungsergebnis!) Ja, ich kenne das eh schon, ich verstehe das.

Wir haben durch die finanzielle Beteiligung durch den Europäischen Sozialfonds im Jahr 1996 – jetzt, in dem bald zu Ende gehenden Jahr – ein Rekordniveau von 6,5 Millionen Schilling Förderungen für den Arbeitsmarkt allein aus dieser Zusammenarbeit mit der Europäischen Union für Österreich lukriert, meine Damen und Herren. (Ruf bei den Freiheitlichen: Und wieviel haben wir eingezahlt?)

Der Gesamtbeschäftigungseffekt wird von Experten mit 24 000 Personen beziffert. – Das ist nicht meine Berechnung, das ist eine Expertenberechnung. Ich glaube und hoffe, daß sie stimmt.

Und ein wesentlicher Schwerpunkt liegt in der Verbesserung der berufsbezogenen Qualifikation der Arbeitskräfte, wofür in diesem Jahr 4,5 Milliarden Schilling aufgewendet werden.

Jetzt können Sie mich fragen: Ja, aber hat das alles einen Effekt gehabt? – Ich darf Ihnen sagen, die Arbeitslosenrate bei Jugendlichen, die Sie auch angesprochen haben, lag in Österreich 1995 bei 5,6 Prozent, verglichen mit 21,4 Prozent im Durchschnitt der Europäischen Union und mit 12,1 Prozent im Job-Wunderland USA. Also, meine Damen und Herren, vergleichen Sie bitte 5,6 Prozent mit 12,1 und 21,4 Prozent. Das ist keine Schönfärberei, sondern das ist eigentlich eine herzeigbare Entwicklung der Arbeitsplatzpolitik für die Jugendlichen! (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler! Die Redezeit bei der Stellungnahme zur Anfragebeantwortung ist nicht zwingend, sondern eine Soll-Bestimmung. Ich bin aber verpflichtet, darauf hinzuweisen. – Bitte fortzusetzen.

Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky (fortsetzend): Ich werde mich sehr beeilen, Herr Präsident.

Ich möchte nur noch zwei Aspekte, die der Herr Abgeordnete auch in seiner Anfragebegründung sagte, erwähnen, nämlich zum Thema Exportschwäche. Wir haben im Zuge der Exportoffensive der Bundesregierung – was im wesentlichen eine Verbesserung der Garantiemöglichkeiten über die Kontrollbank ist – in diesem Jahr allein Einzelgarantien von 14 Milliarden auf 24 Milliarden Schilling erhöht. Ich bin bei Ihnen und gebe Ihnen recht, wenn Sie sagen, die gesamtwirtschaftliche Exportquote mit 22 Prozent ist zu niedrig, wir müssen sie erhöhen. Wir werden mehrere Maßnahmen ergreifen, um diesbezüglich etwas zu verbessern.

Und last, but not least – weil Sie mich auch das gefragt haben –: Die Wirtschafts- und Währungsunion hat positive Auswirkungen in erster Linie, weil Umwechslungs- und Kurssiche


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rungskosten wegfallen, weil es fixe Kalkulationsgrundlagen geben wird, wenn die Schwankungen der Wechselkurse beseitigt werden, und natürlich wird es darum gehen, Herr Abgeordneter, daß der Euro, was den inneren Wert und was die Stabilität dieser Währung betrifft, mindestens so gut wie der Schilling sein muß, weil ansonsten das Vertrauen der Bevölkerung und der Anleger in diese Währung nicht zu gewinnen wäre.

Sie haben mich auch zur Volksabstimmung gefragt. Sie kennen meine Meinung: Ich meine, daß wir mit der Volksabstimmung 1994 auch das Ja der Bevölkerung zur Währungsunion bekommen haben – das mag ein formaler Standpunkt sein. (Abg. Mag. Stadler: Sie haben den Leuten versprochen, der Schilling bleibt!) Die Bundesregierung wird einen intensiven Dialog mit der österreichischen Bevölkerung führen, sodaß auf diese Art und Weise das Vertrauen in die neue Währung hergestellt werden wird, sodaß nicht nur aus einem formalen, sondern auch aus einem politischen Aspekt heraus die Abhaltung einer Volksabstimmung nicht erforderlich sein wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Fürs Protokoll: Einklatschen bei Khol! Der Khol ist dafür, daß wir keine Volksabstimmung haben!)

Herr Präsident! Ich bedanke mich für die Erlaubnis zur kurzen Überschreitung der Redezeit und werde gemäß der Geschäftsordnung die einzelnen Fragen schriftlich beantworten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen nun in die Debatte ein. Die Redezeiten sind jeweils 10 Minuten.

Der erste Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schreiner. – Bitte sehr.

15.45

Abgeordneter Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! – Herr Bundeskanzler, Sie haben in Ihrer Anfragebeantwortung gemeint, Sie setzen sich mit der Politik der Freiheitlichen auseinander. Das ist richtig, das gehört demokratisch dazu. Genauso gehört es demokratisch dazu, daß wir uns mit Ihrer Politik auseinandersetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und jetzt fange ich gleich einmal an mit Ihren Ergüssen. Sie haben gesagt: Mathematisch könne man nicht messen, was Ihr – da meinen Sie anscheinend: der freiheitliche – Erfolg ist. Herr Bundeskanzler! Vier Zahlen – es sind alles mathematische Zahlen in einer Größenordnung, die für jeden noch überschaubar ist –:

52 Prozent Wahlergebnis Anfang der achtziger Jahre, 29 Prozent jetzt – Sozialdemokratie. (Beifall und Bravorufe bei den Freiheitlichen.)

5 Prozent 1986, 28 Prozent jetzt – Freiheitliche. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Das ist Vertrauen des Wählers, und ich meine, damit muß man auch leben, wenn man sich mit der Politik einer Opposition auseinandersetzt. (Abg. Mag. Stadler: Der Bundeskanzler ist der zweitbeste Wahlhelfer der FPÖ! Der beste ist immer noch der Einem!) Und ich bin sehr gerne bereit, mich mit dieser Politik auseinanderzusetzen, die Sie betrieben haben.

Ich war, Herr Bundeskanzler, nun geraume Zeit im Europäischen Parlament. Vor der Wahl zum Europaparlament in Österreich haben Sie gemeint, es wäre nun eine Beschäftigungsoffensive in den europäischen Gremien, im Europäischen Parlament, im Rat notwendig. Sie haben das medial großartig verkündet. Und wir sind dann klammheimlich einmal in diesen vielen Beamtenburgen auf die Suche gegangen, wo denn diese Beschäftigungsoffensive des Bundeskanzlers der Republik Österreich und Parteivorsitzenden der SPÖ ist.

Wir haben beim Rat angefragt: In Turin hat man gesagt, das ist nicht auf der Tagesordnung, leider. BSE-Skandal war wichtiger – Beschäftigungsinitiative war leider nicht auf der Tagesordnung.


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Im EU-Parlament haben wir gefragt, auch unsere sozialistischen Kollegen: Habt ihr denn irgend etwas, ein Papier, das ihr in einem Ausschuß einbringt? – Sie haben gesagt: Nein, haben wir nicht. Kollegin Hawlicek hat gesagt, das habe sie auch aus den Medien gehört, aber es liege nichts da. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Dann haben wir noch die Kommission gefragt. Die Kommission hat auch nichts gehabt. Und dann haben wir in den Couloirs herumgefragt, wie denn das ist. Da hat einer gesagt: Na ja, das ist die typische Seifenblase eines Neuankömmlings in Brüssel. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: So ist es!)

Da habe ich mir gedacht: Herr Bundeskanzler, ich schäme mich für Sie! Ich schäme mich wirklich für Sie! Denn großmundig Initiativen zu verkünden und sich dann nicht daran zu halten und nichts einzubringen, Herr Bundeskanzler, das ist nicht der Stil einer Regierung eines Mitgliedslandes der Europäischen Union. Denn Regierung heißt regieren, handeln, Entscheidungen treffen, nichts hinausschieben, optimale Rahmenbedingungen setzen. Was machen Sie? – Sie kommentieren, moderieren und haben eigentlich nicht die Kraft dazu, die Probleme wirklich anzupacken. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Herr Bundeskanzler, das muß man Ihnen wirklich vorwerfen.

Ich sage Ihnen jetzt etwas – und da setze ich mich mit Ihrer Politik auseinander –: Wir haben vor wenigen Tagen lesen müssen, wir sind in der Wettbewerbsfähigkeit von Platz 15 in einer Rangliste von 46 Staaten auf den 30. Platz zurückgefallen. Wifo-Chef Kramer meint, im öffentlichen Dienst wären Reformen dringend notwendig, denn sonst ist das nicht mehr finanzierbar.

Wir haben die Situation, daß in vielen Betrieben die Lohnverrechnung gemacht wird, die eigentlich eine Lohnverrechnung für Finanzminister Klima ist, und das wird quasi kostenlos, zum Nulltarif geleistet. Der Präsident des Rechnungshofes Fiedler ortet 100 Milliarden Schilling Einsparungen, hätte man die Gesetze der letzten Jahre sorgfältiger auf ihre Folgekosten abgeklopft.

Herr Bundeskanzler! Es wäre notwendig gewesen, daß sich ein Regierungschef, ein Leiter einer Regierung um diese Sachen kümmert. Aber was ist denn passiert in den letzten Jahren? – Wir haben zwei Etappen der Steuerreform erlebt, da haben sich die Belastungen und Entlastungen die Waage gehalten. Ich war bei beiden Reformen dabei; das war schlußendlich, Herr Bundeskanzler, ein Nullsummenspiel. Und das Strukturanpassungsgesetz war an sich ein Belastungspaket. Sie haben zwar vollmundig gemeint, hier würde ausgabenseitig viel mehr gespart, tatsächlich ist aber herausgekommen, daß in etwa zwei Drittel mehr an Einnahmen und nur ein Drittel an Sparvolumen in diesem Belastungspaket vorhanden waren. (Abg. Mag. Stadler: Und das ist noch fraglich!)

Herr Bundeskanzler! Sie betreiben Kosmetik bei unserer Steuer- und Abgabenpolitik, und damit gefährden Sie das Budget der nächsten Jahre und damit auch den Wirtschaftsstandort Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Was dieses Strukturanpassungspaket ist, wird natürlich bei näherem Hinschauen vollkommen klar: Es ist eine Maßnahme, daß wir mit hängender Zunge auf Teufel komm raus diese berühmten sogenannten Maastricht-Kriterien erreichen. Danach ist es Ihnen völlig gleichgültig, wie dieser Staatshaushalt aussieht. Herr Bundeskanzler! Das ist keine Politik, die berechenbar ist für Unternehmer, für Arbeitnehmer, für alle, die in Österreich investieren wollen. Das ist auch das Problem unseres Wirtschaftsstandortes, und das ist auch das Problem der Beschäftigungspolitik in Österreich.

Herr Bundeskanzler! Ein paar Beispiele: Die Einführung einer Mindestkörperschaftsteuer – das ist auch einer dieser Punkte, die wir ersatzlos wieder aufheben wollen – wird dazu führen, daß der junge Unternehmer nach eineinhalb Jahren, wenn er nicht noch mehr Kapital in seine neugegründete GmbH hineinsteckt, zum Konkursrichter gehen muß. Ich rechne Ihnen das gerne vor: 60 000 S Gründungskosten, 50 000 S Mindestkörperschaftsteuer im Jahr 1997, wenn man eine GmbH zum Beispiel am 10. Jänner 1997 gründet, im zweiten Halbjahr 1998 ist die


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Hälfte des Stammkapitals verbraucht – er zahlt zum Beispiel nur 250 000 S ein –, er hat daher den Gang zum Insolvenzrichter anzumelden.

Die Europäische Union mahnt bei uns ein, wir müssen endlich mehr tun, um junge Unternehmer zu finden, die Betriebe gründen, damit es zu einer Beschäftigungsoffensive kommt. Sie machen das Gegenteil, indem Sie es jungen Unternehmern erschweren, in einer Rechtsform selbständig zu werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder, meine Damen und Herren: Was ist denn bitte im Bereich der Lohnnebenkosten alles bereits eingemahnt und versprochen worden – und wo stehen wir heute? Ich habe, Herr Bundeskanzler, hier einen Vergleich sämtlicher 15 Staaten der Europäischen Union. Das ist mir von der Steuer- und Finanzabteilung, einer Generaldirektion der Europäischen Union, zur Verfügung gestellt worden. Da gibt es eine traurige Zahl Österreich betreffend: 102,36 Prozent im Schnitt, Stand 31. Dezember 1995. – Irland hat 32 Prozent.

Herr Bundeskanzler! Ich muß Ihnen eines sagen: Bei der Frage der Wettbewerbsfähigkeit und bei der Frage der Sicherung der Arbeitsplätze werden wir gemessen in einem internationalen Wettbewerb. Und ich glaube, wir können in diesem internationalen Wettbewerb nur bestehen, wenn wir unseren Betrieben und unseren Arbeitnehmern nicht Bleifesseln anlegen und sagen: Du gehst jetzt an den Start zum 100-Meter-Lauf. Der Mitbewerber hat schnelle Laufschuhe, und wir glauben, unser Unternehmer kann diesen 100-Meter-Lauf gewinnen. Das ist unmöglich! Das sind ganz einfach keine fairen und gleichen Chancen. Und das haben wir uns alles selber eingebrockt, das haben wir uns alles selber in den letzten Jahren und Jahrzehnten durch eine verfehlte Wirtschafts- und Finanzpolitik Ihrer Bundesregierung eingebrockt.

Ich komme am Schluß zu einer Passage, die eigentlich die Einbegleitung dieser Dringlichen Anfrage ist, die eigentlich diese wirkliche Unfähigkeit Ihrer Regierung im Bereich der Sozial-, der Wirtschafts- und der Finanzpolitik offenlegt.

Da sagt Finanzminister Klima, der mitverantwortlich ist für die Administration bei den Werkverträgen: "Dafür lehne ich jede Verantwortung ab. Verlangen Sie bitte keine Erklärung von mir, wie das im Detail funktioniert. Ich kenn’ mich auch nicht genau aus." (Abg. Mag. Stadler: Das ist der Finanzminister dieser Republik! Das ist unglaublich!) Herr Bundeskanzler! Der würde in einer Wirtschaftsprüfungs- oder Wirtschaftstreuhandkanzlei nicht einmal Prokurist, nicht einmal Steuersachbearbeiter sein, der würde auf einen Kurs geschickt werden, um sein Wissen aufzufrischen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Firlinger: Vielleicht Portier!) Und Sie haben diesen Bundesminister für Finanzen in Ihrer Regierung. Das ist bitte eine öffentliche Blamage. (Abg. Mag. Stadler: Das wird sein Nachfolger!)

Ich komme zum Schluß, Herr Präsident. Eines, Herr Bundeskanzler, muß man leider feststellen bei einer internationalen Betrachtung Ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik, die natürlich auch eine Politik für die Arbeitnehmer sein soll: Kehren Sie um auf diesem Irrweg, zu glauben, mit mehr Staat, mit mehr Bürokratie, mit weniger Freiheit für Arbeitnehmer und Betriebe das Ziel einer Beschäftigungsoffensive für das nächste Jahrtausend erreichen zu können. Sie sind hier wirklich auf dem Holzweg. Unsere freiheitlichen Vorschläge sind wirklich besser als die Ihren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Abgeordneter Dr. Cap. Er hat das Wort.

15.56

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Die FPÖ bemüht sich, hier Wirtschaftskompetenz zu erwerben. (Widerspruch bei den Freiheitlichen.) Wenn man die Kommentare von renommierten Magazinen und von internationalen Zeitungen hier Revue passieren läßt, dann hört man in der Bewertung allerdings anderes: "Schrotthaufen" war ja nur ein Ausschnitt. Es ist ja auch noch gesprochen worden von "Überbleibseln von einem Jahrzehnt wirrer Ideen". Es ist gesprochen worden von "Dummheiten und Widersprüchen". (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Sie haben zweimal die "WirtschaftsWoche" zitiert, daher ist das für Sie ein renommiertes Wirtschaftsmagazin, daher zitiere ich auch daraus, und das war jetzt aus dem


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Fundus der "WirtschaftsWoche". "Dummheiten und Widersprüche", das würde ja nicht einmal ich sagen, und ich bin nicht zimperlich, aber die "WirtschaftsWoche" hat das gesagt. (Beifall bei der SPÖ.)

Die "Neue Zürcher Zeitung" spricht von einem "undurchsichtigen wirtschaftspolitischen Brei". Ich frage mich: Wenn der jemals Kanzler wird, wer geht dann noch nach Österreich investieren? Wer möchte seine Gelder in einen wirtschaftspolitisch undurchsichtigen Brei geben?

Also ich kann mir das nicht vorstellen, und ich behaupte daher, daß Ihnen das, worum Sie sich hier bemüht haben, sich nämlich als wirtschaftskompetent darzustellen, eigentlich mißlungen ist.

Ich glaube, der Titel Ihrer Dringlichen Anfrage ist wirklich gut gewählt, nur der Name unten sollte anders lauten. Zur Beschreibung des Leitantrages, den Sie in dieser Dringlichen Anfrage verwurstet haben, ist der Titel geglückt. Hier steht: "Dafür lehne ich jede Verantwortung ab. Verlangen Sie bitte keine Erklärung von mir, wie das im Detail funktioniert. Ich kenn’ mich auch nicht aus. – Jörg Haider." – Das sollte da stehen. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei den Freiheitlichen: Viktor Klima! Viktor Klima! – Abg. Mag. Firlinger: Originalzitat Viktor Klima!)

Das ist eine perfekte Beschreibung dessen, was hier in der Dringlichen Anfrage steht, und es ist auch eine perfekte Beschreibung dessen, was für einen Slogan Sie im Leitantrag am FPÖ-Parteitag kreiert haben. (Abg. Mag. Stadler: Wer von euch hat länger studiert – der Klima oder du?)

Jetzt will ich mich doch ein wenig im Detail damit beschäftigen, aber wenn es für Sie schmerzlich sein sollte, dann nehmen Sie ... (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wir können über ein anderes Beispiel diskutieren. Sie kennen den berühmten Laffer mit der Laffer-Kurve. Das war die Grundlage der Reagonomics in Amerika. Der hat nämlich etwas ganz Einfaches gemacht, der hat eine Serviette genommen und Kurven gezeichnet. Die eine Kurve stellte dar, daß die Steuern runtergehen, wodurch automatisch die Einnahmen des Staates hinaufgehen und die Beschäftigung steigt. Das war die Laffer-Kurve. Geendet hat es mit dem größten wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Desaster in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Also nehmen Sie Ihre Servietten, geben Sie sie wieder weg, denn für Österreich wäre das eine Katastrophe, wenn diese Politik sich durchsetzen würde. (Beifall bei der SPÖ.)

Und der Herr Prinzhorn ist überhaupt der Falsche, der ganz Falsche. Da ist mir ja der Stadler noch lieber, wenn er herauskommt und über Gebiete spricht, bei denen er sich nicht gut auskennt. (Abg. Mag. Stadler: Kollege Nürnberger! Wieso reden Sie nicht dazu? Wieso schicken Sie den Inkompetentesten Ihrer Fraktion heraus?) Der Herr Prinzhorn, ein Förderungshai und Förderungsabstauber in der österreichischen Industrielandschaft, der überall dort, wo es eine Förderung gibt, sofort als Prinzhorn auftaucht und sagt: Mehr Geld vom Staat!, sagt im gleichen Atemzug: Diese Förderungen, dieser Staat, dieser aufgeblähte Apparat, diese Bürokratie – igittigitt, ist mir das zuwider! Und dann kommt er heraus und fordert genau das. Die Stirn des Herrn Prinzhorn muß man haben! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er sichert Arbeitsplätze!) Das ist eine Ungeheuerlichkeit, und ich finde, daß das hier im Hohen Haus wirklich aufgezeigt gehört. (Beifall bei der SPÖ.)

Nehmen wir uns doch einmal die Dringliche Anfrage vor: Seite 2, hochinteressant, Sie sprechen davon, daß noch weitere "Belastungspakete auf die österreichische Bevölkerung zukommen" werden. Dann zitieren Sie Punkte, über die man seriös diskutieren sollte. (Abg. Mag. Stadler: Laßt den Cap zu irgend etwas reden, aber nicht zur Wirtschaft!): eine Aufhebung der Höchstbemessungsgrundlage in der Kranken- und Arbeitslosenversicherung, ein steuerliches Abzugsverbot der Sozialversicherungsbeiträge, Solidarabgabe, Vermögensteuer. – Lauter ernste Themen, über die es sich zu diskutieren lohnt, weil sie auch Verteilungsfragen berühren, die in Zeiten knapper Staatshaushalte automatisch zur Diskussion stehen.

Demagogisch ist es, wenn man sagt, Belastungspakete auf die österreichische Bevölkerung, da muß man differenziert denken, nämlich: Wer soll in diesen Zeiten mehr beitragen, und wer soll weniger beitragen? – Das machen Sie aber nicht, weil Sie ja genauso Stimmen von den Best


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verdienern bekommen wollen wie von jenen, die eben nicht gut verdienen. (Abg. Mag. Stadler: Im Gegensatz zu euch haben wir sie auch!) Diese Vorgangsweise ist Bestandteil Ihrer Politik. Solange Sie in der Opposition sind, können Sie das ja offensichtlich ungestraft machen. Aber man muß hier aufzeigen, daß diese Ihre Politik eine Katastrophenpolitik ist, und den Wählern die Frage stellen: Was kostet es, wenn Jörg Haider Bundeskanzler wird? (Abg. Dr. Ofner: Was es bei Vranitzky kostet, wissen eh schon alle!) Man sollte sagen, daß sie das teuer kommen wird, daß jeder seinen Obolus zu zahlen haben wird und daß das in Wirklichkeit Arbeitsplätze kosten wird.

Damit komme ich zu einem weiteren Teil in Ihrem Paket dieser Dringlichen Anfrage. Auf Seite 4 steht ganz verschämt das Beispiel Neuseeland. – Man muß sich ein bißchen mit Neuseeland beschäftigen; es liegt zwar am anderen Ende des Globus, aber es lohnt sich, sich mit Neuseeland zu beschäftigen, denn: 9. Oktober 1996, "Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Manchen Neuseeländern ist die Heimat fremd geworden." – Warum? – Es hat dort unter Beteiligung aller politischen Kräfte ein gigantisches Umstrukturierungs- und Veränderungsprogramm gegeben, das im Übergang folgendes mit sich gebracht hat – wenn Sie hin und wieder den "Spiegel" lesen würden, Herr Stadler, und nicht nur die "Neue Freie Zeitung", würden Sie das wissen (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler) –:

Die Zahl der Staatsdiener ist von 88 000 auf 36 000 gesunken. Die meisten Staatsfirmen wurden privatisiert. Das Verkehrsministerium schrumpfte von 4 000 auf 60 Bedienstete. (Abg. Mag. Stadler: Na so etwas Schreckliches! – Abg. Koppler: Das ist schrecklich!) Die Post entließ ein Drittel ihres Personals.

Sagen Sie doch den Wählern, sagen Sie doch dem öffentlichen Dienst: Wir wollen den öffentlichen Dienst halbieren! Sagen Sie, daß die Haider-Politik Tausende Arbeitsplätze kostet! Sagen Sie es doch! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Es steht daher in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" von kritischen Neuseeländern folgendes: Jeder sechste Neuseeländer lebt an der Armutsgrenze. Die alten Menschen fürchten um ihre Pensionen, die praktisch nur mehr dem ärmeren Drittel der Bevölkerung voll ausbezahlt werden. Die Kriminalität wächst. Die Polizei registriert eine Verbrechenswelle der Teenager: 45 Prozent aller Einbrüche werden von Jugendlichen unter 17 Jahren begangen. – Von Jugendlichen, über die Sie sich Gedanken machen, weil es einen Aufnahmestopp im öffentlichen Dienst gibt, was Sie kritisieren. Im selben Atemzug sagen Sie aber auch: Der öffentliche Dienst ist zu aufgebläht, es gibt zuviel Bürokratie! Das sagen Sie auf der einen Seite, auf der anderen Seite aber sagen Sie: Abbauen muß man, schlanker muß man es machen.

Wissen Sie was, am besten wäre? – Hier kommt Haider heraus, dort Stadler, der eine sagt das und der andere das Gegenteil. Dann haben wir alles auf einmal. Dann können wir uns überhaupt gleich ein besseres Bild machen. Das wäre ein ehrlicherer Vortrag Ihrer Wirtschaftskonzepte, die Sie mühsam in die Dringliche hineingepfercht haben. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Es gibt noch einen dritten Punkt auf Seite 6 – diese Seite ist eine Fundgrube! –, Sie sprechen von Problemfeldern mit Handlungsbedarf, und dann zitieren Sie (Abg. Mag. Stadler: Wenn das eine Arbeiterpartei sein soll, dann wissen die Leute, warum sie Sie nicht wählen sollen!): Post: Abbau von 8 000 Arbeitsplätzen geplant; öffentliche Verwaltung, ÖBB. – Sie sagen damit, daß Arbeitsplätze in jenen Bereichen gefährdet sind, in denen es Ausgliederungen gibt.

Damit komme ich zu einem weiteren Punkt. Es ist ja alles in Ihrem Konzept enthalten, muß ich sagen: Wir wollen privatisieren, wir wollen ausgliedern!, daß das aber selbstverständlich auch Konsequenzen für die Beschäftigten hat, sagen Sie in Ihrem Programm nicht! – Und das ist das wirklich Verwerfliche daran.

Was Sie hier machen, ist nichts anderes, als gleichzeitig mehr Staat und weniger Staat zu fordern sowie Steuergeschenke für die Bestverdiener, für die Unternehmer, Ihnen ist die Verteilungswirkung gleichgültig, Sie wollen mehr staatlichen Aktivismus, aber dem Staat die Mittel ent


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ziehen. Ich nenne nur das Beispiel der 200 Milliarden, die durch eine Kürzung der Abgabenquote dann dem Staat fehlen. – Wie geht das? Wie geht das unter einen Hut?

In Wirklichkeit ist das ein Programm, das, wenn Sie es verwirklichen würden, zu einem katastrophalen Desaster führen würde, für das der kleine Mann, ja jeder Österreicher dafür bezahlen müßte.

Ich meine daher, daß es sogar berechtigt ist, wenn Jörg Haider in seinen Reden immer Horrorszenarien zeichnet. Er soll sie weiterzeichnen, aber er soll dazusagen, daß diese Horrorszenarien dann eintreten würden, wenn er in diesem Land – Gott behüte! – wirklich etwas zu bestimmen hätte und – Gott behüte! – die "Prinzhörner" und die Schreiners, und wie sie alle heißen, sich noch dazu in eine wirtschaftlich wichtige Position verirren würden und in diesem Land auch noch die Wirtschaft bestimmen würden. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Das wäre dann überhaupt die Katastrophe. Zu der Apokalypse, daß der Stadler dann etwas zu plaudern hätte, will ich schon gar nichts mehr sagen, denn das wäre dann überhaupt der Weltuntergang. Davon, daß dann der Komet in Form des Stadlers kommt, wollen wir uns wirklich fernhalten. (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Dr. Feurstein. – Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

16.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Rosenstingl gemeldet. – Bitte sehr.

16.06

Abgeordneter Peter Rosenstingl (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Cap hat unter Bezugnahme auf eine Passage, in der wir Neuseeland angesprochen haben, behauptet und festgestellt, daß die Freiheitliche Partei in einer Regierung bei der Post und in anderen Bereichen massiv Personal abbauen würde. – Diese Behauptung ist unrichtig.

Richtig ist vielmehr, daß die derzeitige Regierung dabei ist, bei Post und Telekom-Betrieben 8 000 Arbeitsplätze ohne Sozialabsicherung für die Arbeitnehmer abzubauen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: So ist es! Neuseeland ist harmlos dagegen! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

16.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. Er hat das Wort.

16.07

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Dringliche Anfrage, die uns heute vorgelegt worden ist, habe ich aufmerksam durchgelesen. Auf sechs Seiten finden sich kritische Bemerkungen zur Politik der Bundesregierung, über den Bundeskanzler – das kann man machen. Und auf siebeneinhalb Seiten stehen dann Fragen. Aber eine Antwort auf die Frage, wie man durch Steuersenken Arbeit schaffen soll, finde ich nicht, es gibt keinen einzigen Punkt dazu. – Also: Ich kann Ihre Anfrage beiseite legen, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich gebe zu, daß die Freiheitlichen vor wenigen Tagen in Feldkirch ein Programm für die Wirtschaftspolitik vorgelegt haben. Es wurde darauf hingewiesen, daß Abgeordneter Prinzhorn, der Wirtschaftssprecher, ein wesentlicher Urheber dieses Programms ist. Er wird auch als tüchtiger Unternehmer dargestellt. (Abg. Mag. Stadler: Das ist er auch!) – Ja, das ist er auch, das gebe ich auch zu.

Es wird gesagt, er ist auch ein pragmatischer Wirtschaftssprecher. Aber dann wird Abgeordneter Prinzhorn nach seinem ordnungspolitischen Gewissen befragt, und darauf antwortet er: Ich orientiere mich weg von Friedmann, aber hin zu Keynes. Die "Neue Zürcher Zeitung" kom


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mentiert das mit: "Das bedeutet alles, aber auch nichts." – Dem stimme ich zu. – Weg von Friedmann hin zu Keynes, das bedeutet alles und auch nichts!

Dann wird weitergefragt, was hinter diesem Programm steckt. Es wird über Prinzhorn berichtet: Prinzhorn kann ebensowenig wie andere Parteikollegen für sich in Anspruch nehmen, ein ordnungspolitischer Vordenker zu sein. Einer solchen Aufgabe wird bei den Freiheitlichen kaum Gewicht beigemessen. – Prinzhorn spricht für eine maximale Entwicklung der Marktwirtschaft, lehnt aber einen Manchester-Liberalismus, den er einer Friß-Vogel-oder-stirb-Politik gleichsetzt, entschieden ab. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Meine Damen und Herren! Wer eine solche Aussage macht, nämlich keine Aussage, sondern Manchester-Sozialismus ablehnt (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen) – Entschuldigung –, sondern Manchester-Liberalismus ablehnt, auf der anderen Seite aber von einer extensiven Ausweitung der Marktwirtschaft spricht, der hat das wirtschaftspolitische Programm noch nicht auf den Tisch gelegt. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler .)

Und dann wird – ich möchte das jetzt wirklich erläutern – die Frage gestellt: Rutscht Haider nach links ab? – Die Frage der "Neuen Zürcher Zeitung", die sich die Freiheitlichen am heutigen Tag stellen müssen.

Es wird dann gesagt: Die Ausrichtung der Partei aufgrund dieses Programms ist zurzeit noch stark durch den Populismus des Parteiobmanns geprägt. Ansätze einer verkappten interventionistischen Wirtschaftspolitik schimmern bei Haider immer mehr durch. – Also nicht Marktwirtschaft, sondern Interventionismus wollen Sie, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Und einen solchen Weg der Wirtschaftspolitik können wir mit Ihnen nicht gehen! (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Aber das zeigt auch Ihr Programm. Ich nenne nur einige Punkte – der Bundeskanzler hat bereits darauf hingewiesen –: Sie verlangen eine Senkung der Steuerbelastungsquote, der Gesamtbelastungsquote von 43 auf 35 Prozent. – Es wäre schön, wenn man das fordern könnte, wenn man aufzeigen könnte, wie 210 Milliarden Schilling finanziert werden sollen.

Ich frage noch einmal: Bedeutet das, daß der öffentliche Dienst beseitigt wird? – Denn das wären genau 200 Milliarden Schilling. Bedeutet das, daß die Zuschüsse zu den Pensionen gestrichen werden? – Das wären weit weniger als 210 Milliarden Schilling. Bedeutet das, daß man die Zuschüsse und die Finanzierung der Krankenanstalten reduzieren soll? Wo wollen Sie den Rotstift ansetzen?

Und dann verlangen Sie eine Senkung der Beiträge zur Sozialversicherung. Bedeutet das, daß die Pensionen gekürzt werden müssen, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen? – Diesen Weg können wir nicht gehen. Sie gefährden das Pensions- und das Gesundheitssystem.

Weiters sagen Sie, es sollen die Staatsausgaben reduziert werden. – Wir überlegen, wo man diese reduzieren kann. Aber aufgrund der Art und Weise, wie sie dies vorschlagen, etwa im Bereich der Bildung, muß ich fragen: Ist das ein Weg, den wir gehen können? – Ich glaube nicht, wenn man ein ehrliches Programm vorlegt, meine Damen und Herren!

Außerdem wollen Sie die Ökosteuern erhöhen, um einen Ausgleich zu schaffen. Um wieviel wollen Sie den Benzinpreis wirklich erhöhen? Soll er 20 S, 30 S betragen? Um wieviel soll im heurigen Winter der Heizölpreis steigen, meine Damen und Herren? (Abg. Rosenstingl: Unser Ökosteuer-Programm lesen, dann wissen Sie es!)

Das steht drinnen, ja, das habe ich gelesen: Die Ökosteuern auf nicht erneuerbare Energien sollen massiv angehoben werden – konkret um 5 S; das steht drinnen. (Abg. Rosenstingl: Sagen Sie auch dazu, wieviel entlastet wird?!)

Meine Damen und Herren! Wie wollen Sie das dem Arbeitnehmer erklären, der tagtäglich sein Fahrzeug zum Erreichen seiner Arbeitsstelle braucht? – 5 S mehr für den Benzinpreis! (Abg. Rosenstingl: Das steht nirgends drinnen!) 5 S stehen drinnen. Wesentlich mehr für den Heizöl


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preis. Meine Damen und Herren! Das können wir nicht akzeptieren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Wo steht das? Wo steht das?)

Meine Damen und Herren! Sie verlangen auch das Familien-Splitting im Steuerrecht. Auch wir sind für eine Änderung der Besteuerung der Familien, aber nicht für Familien-Splitting zu Lasten der berufstätigen Frauen, zu Lasten jener Frauen, die arbeiten müssen! Wir sind für ein steuerfreies Existenzminimum für Kinder. 50 Milliarden Schilling wollen Sie da umverteilen, meine Damen und Herren! (Abg. Böhacker: Herr Kollege Feurstein! Lesen Sie einmal das Konzept im Ganzen!)

Meine Damen und Herren! Lesen Sie Ihr Konzept! Ich muß sagen: Viele von Ihnen haben das, was in Feldkirch vorgestellt wurde, nicht gelesen.

Ich sage Ihnen unsere Alternativen – sie gehen in eine andere Richtung –: Wir verlangen einen wirkungsvollen Einsatz der finanziellen Mittel für die Langzeitarbeitslosen. Wir haben heute – ich bin sehr zufrieden, daß Sie dem zugestimmt haben – eine Initiative beschlossen, sodaß für Langzeitarbeitslose Mittel der Arbeitslosenversicherung verfügbar gemacht werden, damit sie beschäftigt werden können. Das ist unser Weg: Umwidmung von Mitteln für die aktive Arbeitsmarktpolitik.

Wir verlangen eine Flexibilisierung der Arbeitszeit. Meine Damen und Herren! Wir akzeptieren den Primat des Kollektivvertrages, aber es kann nicht sein, daß dadurch die Autonomie der Betriebe, der Betriebsräte und von Einzelvereinbarungen in Frage gestellt werden kann und in Frage gestellt wird. Diese Autonomie muß ermöglicht und gewährleistet werden.

Wir verlangen weniger Bürokratie für die Unternehmer, für die in der Wirtschaft Tätigen. Wir haben mit der Gewerberechtsnovelle eine Initiative gestartet, die der Minister für wirtschaftliche Angelegenheiten vorlegen wird.

Wir verlangen und haben eine Initiative für junge Unternehmer eingeleitet, insbesondere auf Landesebene. Bei uns gibt es eine Initiative für Lehrlinge: Weg mit den hemmenden Bestimmungen, die Lehrlinge nicht in die Beschäftigung lassen! – Meine Damen und Herren! Das ist ein grundsätzlich anderer Weg. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Ich sage Ihnen noch einmal: Ihre Vorschläge für die Wirtschaft, die Sie in Feldkirch präsentiert haben, werden von der "Neuen Zürcher Zeitung" kommentiert, von einer der wichtigsten – nicht für mich – ausländischen Zeitungen. Zum Schluß steht in der "Neuen Zürcher Zeitung" folgender Kommentar:

"Die Vorschläge von Haider und damit der FPÖ mögen bei seiner politischen Klientel gut ankommen. Sie sind den Bemühungen um eine glaubwürdige, liberale Ausrichtung der Wirtschaftspolitik aber wenig dienlich." – Meine Damen und Herren! Dem habe ich nichts hinzuzufügen. – Wehe, wenn Ihre Wirtschaftspolitik Platz greifen würde! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte sehr. (Abg. Mag. Ederer: Wo ist der Haider? – Abg. Mag. Stadler: Der sorgt schon für die nächsten Wahlerfolge! – Abg. Mag. Ederer: Bekommt er da ein Gehalt von da, der Haider? – Abg. Mag. Stadler: Er verhandelt gerade mit Verzetnitsch! – Weitere Zwischenrufe.)

16.16

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Es ist doch wohl so, daß es notwendig ist, über die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Lande zu reden, und es ist Herrn Feurstein nicht zuzustimmen, wenn er sagt, daß die Bundesregierung alles weiß und direkt auf die Wege zugeht, die sie beschreiten sollte.

Herr Bundeskanzler! Herr Feurstein von der Volkspartei! Sie sagen immer wieder richtige Dinge, Sie erkennen richtige Probleme, aber dann, wenn es darum geht, diese umzusetzen, merken


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wir, daß Sie teilweise nur zögerlich voranschreiten und teilweise in die andere Richtung marschieren. Sie können sich von der Frage der Reglementierung offensichtlich nicht lösen, weil Sie nicht den Mut haben, dem einzelnen Menschen zu vertrauen, ihm ein soziales Netz unterzuschieben, daß er, wenn er stolpert, aufgefangen wird, ihn aber sonst sein Leben durch Eigenverantwortung selbst bestimmen zu lassen.

Sie sind gerade einer jener Vertreter – ich nehme Sie jetzt als Repräsentanten der Volkspartei her –, die den unerhörten Drang haben, zu wissen, wie die Menschen zu leben haben, und dabei die wirtschaftliche Entfaltungsmöglichkeit in diesem Land hemmen.

Der Paradigmen-Wechsel ist etwas, was wir alle einander immer wieder erzählen, was wir im Fernsehen sehen und in Zeitungen lesen: ständig neue, veränderte Verhältnisse auf den Märkten, Internationalisierung, technologische Entwicklung – all das sind Schlagworte, die immer wieder auf uns niederprasseln –, Kommunikationsrevolution, neue Transportwege und so weiter, "garniert" durch weltweiten Wettbewerb.

Wie antwortet der Bundeskanzler, die Bundesregierung darauf? – Sie haben im Jänner dieses Jahres hier eine Regierungserklärung abgegeben – dieser Regierungserklärung ist weitgehend zuzustimmen. Es ist seither nahezu ein Jahr vergangen. Was davon wurde umgesetzt? Was ist im Sumpf der Partei, der Macht und der Einflußkämpfe hängengeblieben? – Da sollte meiner Ansicht nach die Kritik ansetzen; die Kritik an der geringen Umsetzungskapazität, an einer Bundesregierung, die offensichtlich weiß, was sie zu tun hätte, sich aber im Gestrüpp der Interessenvertretungen, der Gewerkschaften und Kammern immer wieder verheddert und letztlich aus Reformen Reförmchen macht und da und dort sogar einen Schritt zurück.

Wann werden denn die verantwortlichen Interessenvertreter in diesem Land verstehen, daß die Zeit weitergeht, auch wenn Sie auf Ihre sogenannten wohlerworbenen Rechte beharren? Wann wird die Bundesregierung verstehen, daß das Reformtempo in Österreich nicht zufriedenstellend ist, das Tempo, mit dem die Rahmenbedingungen der Wirtschaft in diesem Land an die Anforderungen des Marktes angepaßt werden? – Je langsamer Ihr Reformtempo ist und je schneller sich die Märkte weiterentwickeln, desto schwieriger wird die Lage der Wirtschaftsbetriebe, und umso weniger werden diese erfolgreich sein.

Die Reformunlust, die Reformverweigerung aus Macht- und Einflußgründen ist einer der Gründe der Arbeitslosigkeit in diesem Land. Wir hätten größere Beschäftigungspotentiale, wenn man sie ausschöpfen ließe. Aber allein die Unternehmensgründung, die in diesem Haus sehr oft diskutiert wurde, ist in Österreich so schwierig, daß man eigentlich jedem Jungunternehmer, der sich dazu entschließen will und sollte, nur sagen kann: Hast du dir das auch wirklich gründlich überlegt? Weißt du, was auf dich zukommt, wenn du ein eigenes Unternehmen gründest? (Abg. Mag. Haupt: 140 000 zu wenig!)

Wir haben im Hinblick auf den Durchschnitt der Europäischen Union um 140 000 Unternehmer zu wenig. Ich weiß, daß die Bundesregierung im Wahlkampf im Dezember vollmundig erklärt hat: Wir werden 50 000 neue Unternehmungen gründen. Aber das, was Sie bisher beschlossen haben, vor allem im Strukturanpassungsgesetz 1996, sind weitere Hindernisse auf dem Weg, Unternehmer zu werden.

Ich orte leider auch bei bestehenden Unternehmen, vor allem Klein- und Mittelbetrieben, das Gegenteil der wünschenswerten Entwicklung. Diese Unternehmer sagen nämlich: weniger Mitarbeiter beschäftigen, weniger Zores, weniger Kontrollen, kleiner werden, hier will ich nicht mehr expandieren.

Sie, Herr Bundeskanzler, und Ihre Politik, die Zögerlichkeit, mit der Sie sie umsetzen, frustrieren den Schumpeterschen Unternehmer, die Schumpetersche Unternehmerin.

Herr Bundeskanzler! Die Beispiele zähle ich Ihnen beim Arbeitnehmerschutz und auch hinsichtlich der Energiesteuer auf. Ich nenne Ihnen Betriebe, die in moderne Energiesysteme investiert haben, in Wärmepumpen, und die heute durch Energiesteuern bestraft werden, ohne daß die Mehrkosten der Energiesteuer gleichzeitig in Form von Arbeitskostensenkungen ausgeglichen


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werden. (Bundeskanzler Dr. Vranitzky: Das ist doch nicht zögerlich! Das ist Politik! Das ist halt eine andere Auffassung! – Abg. Böhacker: Werkverträge!)

Herr Bundeskanzler! Es kann nicht die Politik sein, die Steuer- und Abgabenquote zu erhöhen. Es kann doch nicht so sein, daß, wie in der heutigen Diskussion bereits mehrfach angetönt ist, die Steuer- und Abgabenquote ein Wert an und für sich ist. Die Frage ist: Kann ich die Steuer- und Abgabenquote senken, und kann ich staatliche Leistungen in den privaten Bereich auslagern und damit den staatlichen Gesamtumfang verringern? – Daß der Bürokratieaufwand in Österreich zu groß ist, ist klar, und dieser kommt aus den Reglementierungen.

Dieses Hohe Haus hat heute aufgrund einer Vorlage Ihrer Bundesregierung, Herr Bundeskanzler, beschlossen, daß die Handelsangestellten jetzt nur noch jeden zweiten Samstag arbeiten dürfen. Das bedeutet, es muß ein Gesetz für etwas her, was bei einer guten innerbetrieblichen Mitbestimmung, die die Rechte der Mitarbeiter schützt, beschlossen werden sollte. (Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny. )

Herr Nowotny! Rabaulistik ist immer schon ein schlechtes Argument gewesen, auch aus der ersten Reihe vorgetragen. Es ist Rabaulistik, wie Sie heute argumentieren.

Über Gesetze schaffen Sie zusätzliche Kontrollkosten, zusätzliche Frustration, weil es Mitarbeiter gibt, die möglicherweise anders sind als die restlichen 80 Prozent. (Abg. Dr. Nowotny: ... oder Sie wollen sie zwingen!) Es geht nicht ums Zwingen – Sie haben leider die Debatte über das Arbeitsruhezeitgesetz nicht verfolgt.

Es geht heute darum, die Schutzbestimmungen auf die innerbetriebliche Mitbestimmung zu verlagern, wo neue Aufgaben für die Gewerkschaft da sind, um den Mitarbeiter gegen den Druck des Unternehmers zu schützen, aber ihm innerbetrieblich die Möglichkeit zu geben, auf seine subjektiven Lebenserfordernisse einzugehen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Man kann innerbetrieblich schützen, wenn man will. Wenn man allerdings die Macht der Institutionen verteidigt, Herr Professor Nowotny, dann kann man das nicht.

Unternehmer, die modern sind, haben gelernt, daß innerbetriebliche Mitbestimmung ein unverzichtbarer Bestandteil einer Unternehmensführung ist – im Sinne einer Unternehmenskultur. (Abg. Dr. Nowotny: In der Theorie ist alles schön, in der Praxis nicht!) Wissen Sie, der Unterschied zwischen Ihnen und mir ist, daß Sie in der Theorie leben und ich in der Praxis. Das unterscheidet uns voneinander. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Das Spannungsfeld in Österreich, das diese Bundesregierung bisher nicht überwinden konnte, ergibt sich aus dem, was die Bundesregierung tun will, und dem, was sie letztlich durchsetzt. Wohlerworbene Rechte der Arbeiter schützen, das klingt zuerst gut. Aber ist es nicht in Wirklichkeit der Schutz der Besitzenden, die Arbeit haben, zu Lasten jener, die keine Arbeit haben? Zwei Drittel oder etwas mehr haben in Österreich Gott sei Dank einen fixen Arbeitsplatz. Aber nahezu ein Drittel, knapp 30 Prozent, wird heuer einmal im Jahr arbeitslos. Je stärker ich die Flexibilisierung der Arbeitswelt verhindere und Arbeitskosten verteuere, desto geringer ist die Chance dieses Drittels von Menschen, wieder in den Arbeitsprozeß zurückzukehren.

Soziales Netz: Der größte Beitrag zu unserer politischen Kultur wird durch die Überdehnung überfordert und durch Lohnnebenkosten wieder finanziert. – Das Bürokratiephänomen haben wir heute schon diskutiert.

Lassen Sie mich noch einen Satz zum Euro sagen, weil er in dieser Dringlichen Anfrage vorkommt. Ich meine, daß der Euro die logische Vollendung des Binnenmarktes ist. Er ist letztlich eine Notwendigkeit, um ein gemeinsames Wirtschaften in Europa durchzuführen. Die Maastricht-Kriterien sind willkürlich, der Zeitplan ist Gott sei Dank festgelegt – wir sollten daran festhalten.


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Österreich wird in der ersten Runde der Wirtschafts- und Währungsunion dabeisein, und ich glaube, die österreichische Bundesregierung wäre gut beraten, so wie bisher auch weiterhin an der Teilnahme festzuhalten, aber auch innerhalb der Regierungskonferenz der Europäischen Union klarzumachen: Wenn es den Euro gibt, dann gibt es noch drei Währungen auf der Welt, die relevant sind: den Dollar, den Euro und den Yen. Würde der Euro im Sinne des Wirtschaftsstandorts Europa dann etwas weicher, würde dies die Österreicher und die Bürger der Europäischen Union nur noch marginal betreffen, weil die Außenhandelsabhängigkeit der Europäischen Union insgesamt gesehen unter 10 Prozent liegt.

Ich meine, die Politik muß es sein, in einen stabilen und harten Euro zu gehen und dann eine wirtschaftsfreundliche Politik zu betreiben. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte sehr.

16.26

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Ich möchte vor allem zu jenen Fragen der heutigen Anfrage der Freiheitlichen Stellung nehmen, die sich auf die Europäische Union beziehen.

Zunächst zur Frage 4: Ich weiß nicht, ob Herr Vizekanzler Schüssel in dieser Fernsehdiskussion behauptet hat, daß ein stabiler Euro und die Teilnahme Italiens an der Währungsunion einander ausschließen. Ob er das nun gesagt hat oder nicht, ich halte es für eine falsche und irrige Auffassung, schlecht informiert und deplaziert.

Schlecht informiert deswegen, weil ein stabiler Euro und die Teilnahme Italiens keineswegs einander ausschließen – dafür sorgt schon die Struktur der Europäischen Zentralbank. (Abg. Mag. Steindl: Das hat er nicht gesagt!) – Ich habe ja gesagt: unabhängig davon, ob er es gesagt hat oder nicht. – Es besteht das weitverbreitete Vorurteil, nicht nur in der österreichischen Bevölkerung, daß Italien ein prinzipiell unzuverlässiges Land ist, das in der Währungsunion nichts zu suchen hat. Deswegen nehme ich darauf Bezug. Ich nehme diese angebliche Äußerung von Vizekanzler Schüssel nur zum Anlaß, dazu Stellung zu nehmen.

Deplaziert wäre die Äußerung auch insofern, als es speziell im österreichischen Interesse liegt, daß Italien an der Währungsunion teilnimmt. Ich darf nur daran erinnern, daß Italien seit einer Woche wieder am Europäischen Währungssystem teilnimmt. Das bedeutet, daß der Wechselkurs der Lira fixiert ist, und die Finanzmärkte haben positiv darauf reagiert.

Ich darf daran erinnern, daß das Defizit im italienischen Budget seit 1993 von fast 10 Prozent des Sozialproduktes auf etwas über 3 Prozent im kommenden Jahr, 1997, fallen wird. Das muß ein anderer Staat in der EU erst einmal nachmachen, das ist in diesem Ausmaß bisher nur Schweden gelungen.

Drittens: Der Primärsaldo des italienischen Budgets – das ist das Budgetdefizit minus den Zinsausgaben – liegt im Jahr 1996 bei plus 4 Prozent des BIP und nächstes Jahr bei plus 5 Prozent des BIP. Nur zum Vergleich: In Österreich ist der Primärüberschuß heute 0,3 Prozent des BIP. Das heißt, hätten wir einen Primärüberschuß im Budget, so wie ihn die Italiener heute schon haben, dann müßte das österreichische Budget nicht nur kein Defizit, sondern einen erheblichen Überschuß aufweisen. Der Unterschied beträgt, wenn Sie das umrechnen, rund 80 oder 90 Milliarden Schilling im Verhältnis zu Italien.

Ich fasse zusammen: Es liegt im Interesse Österreichs, daß Italien teilnimmt. Das soll man nicht durch unterschwellige oder ausdrückliche Anmerkungen über angebliche italienische Unzuverlässigkeiten konterkarieren. Selbst wenn solche Vorbehalte nicht ausräumbar sind, müßte man darauf hinweisen, daß die Europäische Zentralbank schon dafür sorgen wird, daß der Euro stabil ist.


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Wenn ich in diesem Zusammenhang etwas befürchte, dann ist es das, daß die Europäische Zentralbank einen zu harten geldpolitischen Kurs fahren wird und nicht einen zu weichen. Im Gegensatz zum Statut der Österreichischen Notenbank hat die EZB keine Bestimmung, wonach sie die Wirtschaftspolitik der – unter Anführungszeichen – "europäischen Bundesregierung" zu unterstützen hätte. Kann auch nicht drinstehen, weil es keine europäische Bundesregierung gibt. Aber das ist ein Manko, das wir an anderer Stelle diskutieren sollten.

Nun zu Punkt 5 der freiheitlichen Anfrage: zur strikten Einhaltung der Konvergenzkriterien. Ich weiß jetzt nicht – vielleicht kann einer der Nachredner dazu noch Stellung nehmen –, was Sie nun wollen, verehrte Kollegen: den Euro oder die Konvergenzkriterien? (Ruf bei den Freiheitlichen: Schilling!) Sie wollen den Schilling. Aber der Frage 5 kann man entnehmen, daß Sie für die strikte Einhaltung der Konvergenzkriterien eintreten ohne Euro. Und das ist meines Erachtens die allerschlechteste Variante. (Beifall bei den Grünen und der ÖVP.)

Die beste Variante ist die Währungsunion ohne die sklavische Einhaltung der verfehlten Konvergenzkriterien. Die zweitbeste Variante ist die derzeitige Situation, daß wir nämlich eine Währungsunion mit leider mißglückten Konvergenzkriterien haben. Aber die Konvergenzkriterien ohne Währungsunion sind für mich ein wirtschaftspolitischer Alptraum. (Beifall bei den Grünen sowie bei SPÖ und ÖVP.)

In diesem Zusammenhang zur Frage 11: Der Hinweis auf Dänemark und Schweden ist in diesem Fall verfehlt, denn in beiden Fällen – sowohl im Falle Dänemarks als auch Schwedens – sind die sehr vorsichtigen Äußerungen der jeweiligen Regierungen rein innenpolitisch bedingt. Dänemark hat sich, wie Sie wissen, von Haus aus eine Opt-out-Klausel ausbedungen, und die Schweden haben Schwierigkeiten in ihrer Koalitionsregierung. Aber wenn Sie die Fakten, die Budgetpolitik beider Staaten anschauen, werden Sie feststellen, daß gerade Dänemark und Schweden eine extrem restriktive Budgetpolitik betreiben, extrem restriktiv – ablesbar beispielsweise in den sogenannten Primärsalden. – Ich empfehle Ihnen die Lektüre des Berichtes des Europäischen Währungsinstitutes vom November dieses Jahres, der alle diese Daten enthält.

Dänemark und Schweden halten sich die Optionen der Teilnahme an der Währungsunion durchaus offen, auch wenn die offizielle Regierungslinie derzeit die ist: Man wird sehen, wie sich die Dinge entwickeln.

Nun möchte ich noch zur Frage der Osterweiterung der Europäischen Union Stellung nehmen. Ich meine schon: Am grundsätzlichen Ziel der Osterweiterung der EU muß festgehalten werden, an der Osterweiterung in einem einigermaßen überschaubaren Zeitraum, weil das im langfristigen Interesse Österreichs liegt. Diese Länder – wie die Deutschen sagen würden: außen vor zu lassen – draußenzulassen, ihnen keine Perspektive auf einen Beitritt in absehbarer Zeit zu geben, können sich, glaube ich, Österreich und Westeuropa nicht erlauben, nicht leisten. Es darf nicht der Eindruck entstehen, daß das reiche Westeuropa die ärmeren Nachbarn draußen halten will, sich von ihnen abschottet oder abschotten will. Ich glaube, eine solche Politik wäre nicht nur, wenn Sie so wollen, aus moralischen oder sonstigen Gründen nicht angebracht, sondern sie entspricht vor allem nicht den langfristigen Sicherheitsinteressen Österreichs.

Natürlich werden diese Verhandlungen nicht rasch gehen. Vor der Jahrtausendwende ist überhaupt nichts zu holen. Außerdem glaube ich, daß die Europäische Union als das primäre Projekt die Währungsunion verfolgt. Und solange die Währungsunion und der Euro nicht auf festen Schienen fahren, wird sich diesbezüglich nicht viel abspielen.

Abgesehen davon werden die Verhandlungen auch aus einem anderen Grund länger dauern, weil nämlich die Osterweiterung bei schlichter Beibehaltung der derzeitigen Regelungen – vor allem im Bereich der Regionalfonds – gar nicht möglich ist, weil die osteuropäischen Länder ein derart niedriges Sozialproduktniveau ausweisen, daß sie derartige Transfers, wie sie Portugal, Irland oder Griechenland heute erhalten, gar nicht verkraften könnten. Daß etwa Rumänien künftig etwa 50 Prozent seines Sozialprodukts aus Transfers der EU verkraften könnte, ist ausgeschlossen. Die Absorptionsfähigkeit Rumäniens, aber auch der anderen Länder ist mit solchen Transfers völlig überfordert. Keine Volkswirtschaft der Welt könnte das aushalten.


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Mit anderen Worten: Diese Regelungen müssen sowieso neu konzipiert werden. Die Regionalfonds und die Hilfen der EU an die ärmeren Länder müssen neu konzipiert werden. Das bedeutet aber auch, daß die derzeit genannten Zahlen betreffend die Kosten des Beitritts der osteuropäischen Länder überschätzt werden, da die derzeitigen Regelungen nicht übertragbar sind. Aber bis dahin sollten wir nicht die Angst der Leute schüren – weder in Österreich noch in der Europäischen Union; Angst ist immer ein schlechter Ratgeber –, sondern für einen vernünftigen Ausgleich der Interessen zwischen Westeuropa und dem sogenannten Osteuropa werben.

Abschließend möchte ich noch sagen: Einer Illusion sollten sich die Regierungsparteien allerdings nicht hingeben, nämlich daß die Währungsunion das Beschäftigungsproblem oder das Wachstumsproblem sozusagen von allein lösen wird. Das wird meiner Ansicht nach nicht der Fall sein, sondern die Währungsunion wird sich beschäftigungs- oder wachstumspolitisch allenfalls neutral auswirken. Das bedeutet aber auch, daß sowohl auf internationaler Ebene – also auf EU-Ebene – als auch auf österreichischer Ebene die parallelen beschäftigungspolitischen Maßnahmen keine Zeit haben. Diese dürfen nicht warten – angefangen bei den berühmten Offensiven in der Bildung, bei den Lehrlingen, bei der Technologie und so weiter. All das hat keine Zeit. Damit können wir nicht zuwarten. Alles andere wäre eine Illusion und ein schlechter Dienst an Österreich. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

16.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Haupt. – Bitte.

16.36

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Zur heutigen Dringlichen Anfrage sind aus meiner Sicht eingangs drei Dinge festzustellen:

Erstens: Es war für mich erfreulich, daß sich die beiden Vorredner, Peter und Professor Van der Bellen, wenigstens mit der Sache und dem Thema beschäftigt haben. Aber es war für mich erschütternd, daß sich die drei Redner der Regierungsparteien, nämlich die beiden Vertreter im Parlament, Cap und Feurstein, und allen voran der Herr Bundeskanzler, mit den Fragen im einzelnen und mit der Beantwortung dieser Fragen in der Sache nicht beschäftigt haben, sondern die Anfrage nur für etwas verwendet haben, was in der Politik auch möglich ist, aber von der Regierungsbank her die Seltenheit bei sachlichen Anfragen sein sollte, nämlich für reine Polemik.

Knieriem und Leim mögen noch lange auf den Kometen warten, in der österreichischen Wirtschaft ist man leider aufgrund der Versäumnisse der österreichischen Bundesregierung schon lange von jenen Zahlen des Anteils am Bruttoinlandsprodukt entfernt, die sie zur Zeit Nestroys vielleicht noch hatten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Cap wäre gut beraten, sich bei wirtschaftspolitischen Diskussionen weniger mit Nestroy zu beschäftigen, als vielmehr damit, welche Fragen diese Bundesregierung löst, welche zu lösen sie versprochen hat und welche sie vor allem nicht löst. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Es scheint schon so zu sein, daß die wichtigen Fragen dieses Staates nicht mehr gelöst werden, daß die Platitüden der Ausgrenzungspolitik hier fortgesetzt werden und das eine oder andere – zugegebenermaßen gute – Bonmot die Diskussion auflockert und erheitert. Die Österreicherinnen und Österreicher werden Ihnen das aber nicht danken, denn sie haben andere Probleme. Sie haben Probleme mit dem Einkommen, mit dem Arbeitsplatz und hinsichtlich der Bewältigung der Zukunft durch ihre Kinder. – In all diesen Fragen haben Sie keine positive Bilanz.

Sie haben 80 000 Arbeitsplätze versprochen, dann 30 000, dann 40 000. Wenn man all das zusammenrechnet, was Sie, Herr Bundeskanzler, in den letzten dreieinhalb Jahren versprochen haben, dann muß man sagen: Sie haben genau jene Anzahl an Arbeitsplätzen verloren, die zu schaffen Sie versprochen hatten, und Sie haben nach OECD-Studien jene Unternehmer verloren, die Sie eigentlich nach Österreich bringen sollten.


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Sie haben – auf deutsch gesagt – das angekündigt, was die Studien von Österreich fordern. Sie sind aber über diese Ankündigungspolitik in keinem einzigen Punkt hinausgekommen. Und das, Herr Bundeskanzler, ist die Katastrophe Ihrer Regierungspolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie, Herr Bundeskanzler, haben 1994 den Österreicherinnen und Österreichern, insbesondere den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, versprochen, daß es in der EU neue Chancen, neue Zukunft und neue Horizonte einer österreichischen Sozialpolitik, die Europa nach oben hin verändern wird, geben wird. Am heutigen Tag mußten wir bei den Tagesordnungspunkten 1 und 9 feststellen, daß diese EU- Mindestanforderungen in der Arbeitnehmerpolitik von Ihnen, Herr Bundeskanzler, und Ihrer Bundesregierung unterschritten werden.

Ich glaube nicht, daß es sich Ihr Gewerkschaftsflügel erträumt hat, daß er schon zweieinhalb Jahre nach der Volksabstimmung zur EU hier in diesem Parlament jene Parameter, die Sie als Mindestanforderungen damals abgelehnt haben, sehnsüchtig am Horizont sucht, um sie wieder zu erreichen. – Das ist Ihre Arbeitnehmerpolitik, Herr Bundeskanzler!

Herr Bundeskanzler! Das sind nicht unsere Zahlen, sondern Ihre eigenen Zahlen über die Beschäftigungspolitik im Oktober dieses Jahres, vom Arbeitsmarktservice ausgearbeitet, die Zahlen der freien Lehrstellen, der Lehrsuchenden in Österreich – all das ist deprimierend genug, um hier nicht Polemik anzuwenden, sondern die reinen Fakten sind ausschlaggebend und zeigen, wie schlecht es in Österreich ist.

Ihre Lehrlingsoffensive hat um keinen einzigen Lehrplatz mehr gebracht, im Gegenteil, sie hat in einem Jahr 2 000 Lehrstellen wegrationalisiert. – Herr Bundeskanzler! Das ist die traurige Wahrheit, und da wird Ihnen Polemik von der Regierungsbank aus nichts nützen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Es wäre Zeit, daß sich diese Bundesregierung entschließt, das zu tun, was Aufgabe einer Regierung ist, nämlich zu regieren und nicht zu polemisieren.

Es mag Polemik zum Alltag der Politik gehören – und ich war noch nie ein Feind von Bonmots, wie anders wären sonst manche meiner Reden in der Vergangenheit zu verstehen gewesen? –, aber ich glaube, Herr Bundeskanzler, daß die Zeit ernst ist und wir nicht zum Scherzen aufgelegt sein sollten, sondern hier in diesem Haus gerade in dieser Zeit des Jahreswechsels die Sorgen der Österreicherinnen und Österreicher ernst nehmen sollten, daß Sie ehrliche Antworten geben und ehrliche Auskünfte erteilen und nicht polemische Reden halten sollten, um sich darüber hinwegzuschwindeln, daß am Ende Ihrer Regierungspolitik nichts anderes übriggeblieben ist als vier Regierungserklärungen mit Versprechungen und eine Leistungsbilanz, die – das ist in Zahlen meßbar – nicht im geringsten das erfüllt, was Sie versprochen haben.

Ich darf noch einen Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt, Sigisbert Dolinschek, Ute Apfelbeck und Kollegen betreffend Kontrolle des ÖGB

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Interesse einer rechtsstaatlichen und nachvollziehbaren Gebarungskontrolle ehestmöglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, der vorsieht,

1. alle Körperschaften, denen als Berufsvereinigung im Sinne des § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 des Arbeitsverfassungsgesetzes die Kollektivvertragsfähigkeit zuerkannt wurde, in die Gebarungskontrolle durch den Rechnungshof gemäß Art. 127b B-VG einzubeziehen und

2. alle Vereine und sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts, deren Vereinsvermögen die Grenze von 50 Millionen Schilling übersteigt, den für Aktiengesellschaften geltenden Rechnungslegungsbestimmungen zu unterwerfen."

*****


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Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, daß es an der Zeit ist, endlich Kontrolle nicht nur in die Gebarungen des ÖGB, sondern auch in jene der anderen Körperschaften, wie etwa Industriellenvereinigung und Bankenverband, zu bringen, denn die Österreicherinnen und Österreicher warten schon zu lange darauf, daß auch dort die Kontrolle durch den Rechnungshof effizient eingesetzt wird, daß dort nicht nur ein Paravent errichtet ist, sondern eine effiziente Kontrolle.

Ich meine daher, sehr geehrte Damen und Herren, daß der Entschließungsantrag durchaus sinnvoll ist und daß Sie, Herr Bundeskanzler, sich endlich den Kopf darüber zerbrechen und Ihre Versprechungen umsetzen sollten, nämlich den Anteil an der Oesterreichischen Nationalbank, den Ihre Partei hält, endlich privatisieren sollten, wie Sie es versprochen haben. Aber auch im Bereich der Privatisierung ist die Bundesregierung ein Ankündigungsriese und ein Umsetzungszwerg. Die Zahlen des heurigen Budgets sind ein Beispiel dafür. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag liegt in geschäftsordnungskonformer Weise vor und steht mit in Verhandlung.

Am Wort ist Herr Abgeordneter Mag. Kaufmann. – Bitte.

16.43

Abgeordneter Mag. Herbert Kaufmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Herr Mag. Haupt braucht sich nicht über Polemik aufzuregen, denn das, was Herr Dipl-Ing. Prinzhorn bei seiner Anfragebegründung geboten hat ... (Abg. Dr. Ofner: Kaufmann, "von der Regierungsbank" hat er gesagt!) Nein, er hat auch die beiden Redner erwähnt, die von uns gesprochen haben. (Abg. Mag. Stadler: Aber er ist nicht in der Regierung!) Das, was Herr Dipl.-Ing. Prinzhorn in seiner Anfragebegründung geboten hat, war eine einzige Polemik, noch dazu gewürzt mit einem Dutzend von Widersprüchen; ich werde noch auf zwei kommen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Haupt: Nur aus eurer Sicht!)

Man muß prinzipiell davon ausgehen, daß jedes Wirtschaftsgeschehen in einem Gesamtzusammenhang steht. Drei Punkte zum Gesamtzusammenhang:

Erstens: Wettbewerbsfähigkeit: Es muß festgestellt werden, daß Österreich, insbesondere die österreichische Industrie, einen enormen Produktivitätsfortschritt gemacht hat, einen Produktivitätsfortschritt, der größer als jener anderer Industrieländer ist, insbesondere auch Deutschlands.

Wenn es fallweise Probleme hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit gegeben hat, dann war das ausschließlich aus währungspolitischen Gründen, deswegen, weil andere Länder abgewertet haben. Wenn die italienische Lira und andere Währungen weniger wert werden, bedeutet das, daß die österreichische Arbeitsstunde dort teurer wird. Und das war der Grund für Wettbewerbsprobleme (Abg. Mag. Schweitzer: Wie schaut es mit den Lohnnebenkosten aus?) und nicht die Lohnkosten. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Zweitens: Die Arbeitslosenrate beträgt bei uns nach EU-Maßstab 4 Prozent, der Durchschnitt der Europäischen Union liegt bei 11 Prozent, er ist also dreimal so hoch. (Abg. Mag. Schweitzer: Wie haben sich die Lohnnebenkosten entwickelt in der SPÖ-Regierung?)

Drittens: Sie beschwören oft das Jobwunder der USA. In den USA gibt es prozentuell gesehen mehr Arbeitslose als in Österreich. Außerdem sind die Reallöhne der Arbeitnehmer in den USA, die unter dem Durchschnitt verdienen, real auf dem Stand des Jahres 1971. Das ist bei uns völlig unvorstellbar! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf drei Rahmenbedingungen, die europaweit wirken, sollten wir eingehen.

Erstens: auf den Abwertungswettlauf, den es gegeben hat und derzeit gibt. Es ist wichtig, diesen Abwertungswettlauf der Währungen zu verhindern – auch aus Gründen der Wettbewerbsfähig


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keit! Und das ist einer der wesentlichen Gründe für den Euro. (Abg. Mag. Stadler: Herr Kollege Heindl, dürfen Sie heute nicht reden?)

Zweitens: Wir müssen beachten, daß ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Könnten Sie einmal zuhören, Herr Kollege Stadler? (Weiterer Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Wenn Sie mir nicht zuhören wollen, werde ich mich in diese Richtung (zur SPÖ gewandt) wenden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben ein viel zu hohes Realzinsniveau, ein Realzinsniveau, das über die Wachstumsrate hinausgeht. Das heißt auch rein statistisch, daß man durch das Anlegen von Geld einen höheren Zuwachs bekommt als durch das Investieren in Unternehmen oder das Arbeiten als Arbeitnehmer.

Drittens: Wir haben mit einem Problem zu kämpfen, das wir neuerdings nach einem Buchtitel "Globalisierungsfalle" nennen können. Es gibt weltweit riesige Einkommensunterschiede, diese Einkommensunterschiede sind aber nur nutzbar durch niedrige Transportkosten, durch weltweite Kommunikation. Es gibt einen enormen Druck, diese Einkommensunterschiede auszunutzen, durch sehr freie Kapitalmärkte.

Meine Damen und Herren! Zwei konkreten Themen will ich mich widmen: zuerst dem Beitritt osteuropäischer Länder zur EU. Dazu muß man feststellen: Abschotten wird uns nicht helfen. Wenn nichts rauskommt, kann auch nichts reinkommen. Aber es ist für uns sehr wichtig, daß wir diese Länder als Exportländer erhalten.

Es muß jedoch faire Wettbewerbsbedingungen geben. Wir müssen daran arbeiten, daß es in diesen Ländern Mindeststandards gibt, daß die Sozialstandards und die Umweltstandards dort hoch genug sind, sodaß wir nicht aus diesem Titel heraus "unterfahren" werden. Wir müssen auch mithelfen, daß sich dort ein vernünftiger Arbeitsmarkt mit Gewerkschaften bildet. (Abg. Böhacker: Das ist wichtig!) Unsere Aufgabe muß es auch sein, die Gewerkschaftsgründung dort zu unterstützen und ihre Effizienz zu heben. Das wird für uns, unser Lohnniveau und unsere Wettbewerbsfähigkeit wichtig sein.

Daß Sie nur eine Spirale nach unten wollen, um die entsprechende Basis für einen politischen Erfolg zu haben, das weiß ich. Aber wir werden versuchen, das nicht zuzulassen! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das zweite Thema: Deregulierung. Ich glaube, daß bei dieser Deregulierung vor allem Fairneß angesagt werden muß. Fairneß bedeutet, daß jeder, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Nutznießer der Vorteile der Deregulierung sein muß. Wir bieten derzeit leider ein relativ schlechtes Beispiel: Arbeitszeitflexibilisierung ohne kollektivvertragliche Absicherung, Arbeitszeitflexibilisierung nur auf dem Rücken der Arbeitnehmer wird wohl nicht gehen. So wie heute gegen ein vereinbartes Arbeitsruhegesetz zu stimmen, wird auch nicht der Weisheit letzter Schluß sein.

Jene, die heute dagegen gestimmt haben – auch aus den Bereichen des Wirtschaftsbundes –, verlangen auf der einen Seite Deregulierung, auf der anderen Seite aber – das hörte ich – tritt Herr Generalsekretär Dr. Stummvoll dafür ein, daß es eine Förderung für den Einzelhandel gibt. Wo ist da Deregulierung? – Aber es ist offensichtlich – das hörte ich auch – auch geplant, das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb wieder zu verschärfen, mit einer Mindestpreisregelung für Unternehmer, das bedeutet die Wiedereinführung des Verbots des Verkaufs unter dem Einstandspreis. Wo ist da, Herr Dr. Stummvoll, Deregulierung? – Nirgends.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist auch die Sozialpartnerschaft angesprochen worden. Ich glaube, daß sie notwendiger und wichtiger denn je ist, nur muß sie ihre neue Rolle finden. Die neue Rolle muß im wesentlichen darin bestehen, daß es sozialen Konsens darüber gibt, daß unser Credo nicht in Sozialdumping, nicht in Sozialabbau und nicht in Lohnverzicht bestehen kann. Wir können die zukünftigen Chancen globaler Märkte nur dann nutzen, wenn es sozialpartnerschaftlichen Konsens gegen den Sozialabbau und gegen den Lohnabbau gibt, denn wenn es zu bedeutenden Schritten im Sozial- oder im Lohnbereich kommen sollte, dann


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wird von dieser Seite sehr bald der Ruf nach geschlossenen Grenzen, nach Einkesselung da sein. Und dann wird niemand, weder die Arbeitnehmer noch die Arbeitgeber, die Chancen, die durch die offenen Grenzen und die Globalisierung entstehen, nutzen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwei Widersprüche der Anfragebegründung:

Erstens: Heute wird in der Anfragebegründung gefordert, daß die Privatisierung mehr und mehr beschleunigt werden soll. Gestern habe ich gehört und morgen werde ich hören die berühmten Sprüche vom Ausverkauf Österreichs. Das ist ein völliger Widerspruch. In Wirklichkeit geht es aber darum, daß wir hier in unserem Land Entscheidungszentren und Kompetenzzentren bilden können.

Da die Zeit sehr vorgeschritten ist, bringe ich einen letzten Widerspruch – es steht da Dipl.-Ing. Prinzhorn im weiten Spektrum der FPÖ-Meinungen ausnahmsweise auf der richtigen und andere FPÖ-Abgeordneten auf der falschen Seite –, nämlich: Sie alle kennen das berühmte Aufrechnen der FPÖ: Ausländer gegen Arbeitslose. Im "Standard" vom 5. 2. 1996 hat Herr Dipl.-Ing. Prinzhorn gesagt: Wir brauchen Ausländer wie einen Bissen Brot. Zu glauben, hohe Arbeitslosigkeit durch Abbau von Ausländern bekämpfen zu können, ist eine dümmliche Milchmädchenrechnung, die dümmste, die ich je gehört habe. – Auch wieder ein Widerspruch. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Diese Widersprüche führen dazu, daß man Ihren Vorschlägen überhaupt nicht glauben kann! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste gelangt Frau Abgeordnete Tichy-Schreder zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.53

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Ich verstehe jetzt, warum Herr Abgeordneter Prinzhorn der Freiheitlichen Partei beigetreten ist, denn er hat in seiner Rede gesagt: Mit diesem Parlamentarismus muß man aufhören. – Jetzt ist mir alles klar. (Abg. Mag. Stadler: Das hat er nicht gesagt!) Das hat er gesagt, ich habe mitgeschrieben. Genau diese Worte hat er verwendet. (Abg. Mag. Stadler: Sie haben ein sehr selektives Wahrnehmungsvermögen, Frau Präsidentin!) Sie können im Stenographischen Protokoll nachlesen. Das ist mir nämlich besonders aufgefallen.

Er hat sich hier auch genauso gebärdet: Er möchte alles allein bestimmen. Er gehört noch zu der Kategorie von Unternehmern (Abg. Mag. Stadler: Frau Präsidentin der Wirtschaftskammer! Er hat noch eines!) , die in Zukunft Schwierigkeiten haben werden: Einer bestimmt, und alle anderen haben zu folgen. (Abg. Dr. Ofner: Ist das eine Drohung? Es klingt so!)

Herr Abgeordneter Dr. Ofner! Hören Sie mir zu – als Rechtsanwalt müßten Sie Ihren Klienten normalerweise zuhören (Abg. Mag. Stadler: Er hat noch eines, wie lange noch? – Das wird die Bundeswirtschaftskammer schon regeln!) , aber hier in diesem Haus tun Sie es nicht, sondern machen sehr gerne Zwischenrufe –, ich sage Ihnen folgendes: Es gibt eine neue Unternehmenskultur, und die erfolgreichen Unternehmen sind jene, die flachere Hierarchien haben, die Mitarbeiter am Entscheidungsprozeß beteiligen und dadurch erreichen, daß die Mitarbeiter mitdenken. Diese Unternehmen sind heute in der österreichischen Wirtschaft enorm erfolgreich. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ und des Abg. Mag. Peter. )

Was Abgeordneter Prinzhorn gemacht hat, ist ein Krankjammern, ein Schwarzmalen, und das ist das Traurige. (Abg. Mag. Stadler: Prinzhorn ist nicht erfolgreich, aber Frau Tichy-Schreder ist erfolgreich!) Krankjammern und Schwarzmalen blockiert das Denken, blockiert die Kreativität, und das sieht man an Ihrem Wirtschaftsprogramm. (Abg. Dr. Krüger: Aber Uneinsichtigkeit auch!) Ihrem Wirtschaftsprogramm ist die Kreativität abhanden gekommen. (Abg. Dr. Krüger: Das ist eine Vogel-Strauß-Politik!)


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Meine Damen und Herren! Selbstverständlich gibt es in jedem Staat Kritikpunkte. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) – Ich freue mich über Ihre Zwischenrufe, aber sie überschlagen sich derart, daß ich sie überhaupt nicht verstehe. Sie müssen sich überlegen, wer einen Zwischenruf machen soll, denn wenn Sie durcheinander reden, verstehe ich Sie nicht. (Abg. Mag. Stadler: Frau Kollegin, Sie haben recht: Schwarzsein blockiert jede Kreativität!)

Meine Damen und Herren! Das, was Sie nicht verstehen, ist – Herr Abgeordneter Prinzhorn hat das wieder so gesagt – die "Globalisierungsfalle". Sie fallen auf dieses Wort rein!

Es gibt weltweit Globalisierung, seit einigen Jahren haben wir sie. Die Globalisierung läßt sich nicht aufhalten. Doch wie begegnen wir ihr? – Die Globalisierung hat insgesamt Wohlstand gebracht, den Wohlstand vermehrt, auch jenen der Österreicherinnen und Österreicher, gerade auch durch Lieferungen aus dem Fernen Osten. Denken wir doch nur an all die Produkte, die aus dem Fernen Osten kommen: Autos, Textilien. Niemand ist heute mehr bereit, zu hohen Preisen einzukaufen. (Abg. Dr. Ofner: Da hat die österreichische Industrie Freude!) Jeder einzelne Österreicher nützt die Vorteile dieser Globalisierung.

Herr Abgeordneter Dr. Ofner! Das, was wir brauchen – und wir tun dafür auch etwas –, sind neue Märkte, neue Produkte, neue Innovationen. Aber wenn wir nur Schwarzmalen, haben wir keine Kreativität dafür. (Abg. Mag. Stadler: Schwarzsein ist keine Kreativität! Schwarz ist nicht die Farbe der Kreativität!) Gott sei Dank haben wir sehr gute Unternehmen.

Ich habe mich gewundert, daß Abgeordneter Prinzhorn in seiner Rede das Beispiel Schweiz nicht angezogen hat, da Abgeordneter Haider immer sagt: "Ja in der Schweiz, in der Schweiz".

Gestern gab es im Fernsehen einen Bericht, der zeigte, wie es in der Schweiz zugeht. Die Fernsehberichte informieren uns über Aufstände, über ein Minus im Tourismus von 12 Prozent, über eine Steigerung der Arbeitslosigkeit (Abg. Dr. Ofner: Haben wir auch!) , darüber, daß Konzerne im Ausland, in der Europäischen Union investieren und daß Banken rationalisieren müssen. (Abg. Dr. Ofner: Auch bei uns!)

Meine Damen und Herren! Das Beispiel Schweiz, das Sie immer gewählt haben, stimmt nicht mehr, es ist der Weg Österreichs in die Europäische Union der völlig richtige gewesen, denn dadurch konnten wir einige Unbillen abwehren. – Die Herausforderung ist: Der Wirtschaftsstandort Österreich muß gestärkt werden!

Abgeordneter Prinzhorn hat gemeint: mit diesem Parlamentarismus aufhören. – Etwas müssen wir sehen: Es gibt unterschiedliche Meinungen in diesem Land, unterschiedliche Meinungen der politischen Parteien, und wir brauchen eine neue Streitkultur oder – besser gesagt – eine neue Diskussionskultur, sodaß einer dem anderen zuhört und nicht apodiktisch auf Kosten des anderen alles durchsetzen will. Denn dadurch steigt die Aggressivität in diesem Land, und das trägt nicht zu einem positiven Klima in diesem Land bei. (Beifall bei der ÖVP.)

Konstruktive Vorschläge und Maßnahmen sind notwendig, und da muß in verschiedenen Bereichen umgedacht werden. Wir wollen keinen Sozialabbau, sondern die Mitarbeiter fragen: Wo können Sie in etwas schwierigeren Zeiten etwas aufgeben, um die Chancen für die Zukunft zu erhöhen? – Darum geht es. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Ich bin sehr froh darüber, daß Herr Mag. Kaufmann gesagt hat, daß Globalisierung auch Chancen bedeutet, daß es selbstverständlich Einkommensunterschiede zu den Nachbarstaaten, zu den anderen Regionen der Welt gibt – die wird es immer geben. Wie nützen wir sie aber für die Zukunft? Dabei geht es darum, daß wir Innovationsstärke beweisen, aber auch wesentlich flexiblere Arbeitszeitmodelle annehmen. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Ich bin eine kleine Unternehmerin und kann nicht verstehen, daß Großbetriebe Betriebsvereinbarungen schließen und diese selbstverständlich sanktioniert werden, daß der Herr Bundeskanzler, die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei BMW einlädt und sich die verschiedensten Flexibilisierungsmodelle erörtern läßt, daß BMW in Österreich ein Modell hat, das auf Be


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triebsebene vereinbart worden ist (Abg. Dr. Nowotny: Im Rahmen der Kollektivverträge!) – auch neben dem Kollektivvertrag.

Was wir brauchen, sind flexible Modelle, die die Betriebsräte und die Mitarbeiter mit ihren Unternehmen vereinbaren. Dann funktioniert es. Das Klima in Österreich ist ja relativ gut. Daher: Torpedieren wir dieses Klima nicht, lassen wir den Menschen die Freiheit, auf Betriebsebene eigene Modelle zu erarbeiten und zu entwickeln!

Gesetze stellen die Rahmenbedingungen dafür dar, daß kein Arbeitnehmer übervorteilt wird. Aber der Arbeitnehmer und der Unternehmer gemeinsam sehen am besten, wie die Arbeitszeit im eigenen Betrieb flexibel gestaltet werden kann, was für alle von Nutzen ist. (Beifall bei der ÖVP.) Darum geht es. Das eröffnet uns auch Zukunftschancen im internationalen Wettbewerb.

Auch mir geht manches viel zu langsam in diesem Bereich. Aber mir ist es lieber, wir diskutieren hier im Parlament, als daß auf der Straße die Menschen einander die Köpfe einschlagen. Das möchte ich unter allen Umständen verhindern. (Abg. Dr. Krüger: Das ist doch unstrittig!)

Herr Dr. Krüger! Die Wortgewalt, wie sie hier auch an diesem Rednerpult zu bemerken war – auch bei der Rede des Herrn Abgeordneten Prinzhorn –, trägt nicht zu politischer Kultur bei. Gewalt der Worte hat schon oft Gewalt auf der Straße nach sich gezogen. Das war auch in unserem Nachbarstaat so. Ich möchte, daß wir die Dinge hier im Parlament besprechen. Es liegt an uns allen, welche Worte wir wählen. Wenn wir von der Gewalt der Worte wegkommen und ein positives Klima der Diskussion schaffen, dann können wir ein Vorbild sein. Denn es bieten sich uns alle Chancen, wir brauchen sie nur zu nützen, und zwar im Interesse der österreichischen Wirtschaft, des Wirtschaftsstandortes Österreich.

Wenn wir positiv agieren, ohne Angst zu erzeugen, dann haben wir die Chancen. Wir werden sie nützen – im Interesse der Bürger unseres Landes! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger.

17.02

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich eine tatsächliche Berichtigung zur Dringlichen Anfrage der Freiheitlichen Partei machen. (Abg. Dr. Krüger: Kollege! Tatsächliche Berichtigung: nur 3 Minuten Redezeit!)

Da steht nämlich unter Punkt 32: "Laut einem ,Kurier‘-Artikel vom 19. November 1996 ist die Chance Österreichs, sein anonymes Sparbuch beibehalten zu können, praktisch auf Null gesunken."

Ich möchte diese Passage tatsächlich berichtigen. Wir haben nicht ein anonymes Sparbuch in Österreich, sondern wir haben viel zu viele anonyme Sparbücher. Das ist das Problem, das wir mit der Anonymität von Sparbüchern tatsächlich haben, daß Österreich über das anonyme Sparbuch zur Drehscheibe auch der Geldwäsche gemacht wurde. Man kann über alles diskutieren, aber über eines sollte man sich im klaren sein: daß sich selbstverständlich das organisierte Verbrechen, dessen Bekämpfung Ihnen ja ein großes Anliegen ist, anonymer Sparbücher sehr gerne und dankend bedient. (Abg. Dr. Krüger: Es geht darum, daß man die Ursachen bekämpft!)

Meine Damen und Herren! Nun aber zum Inhalt der Dringlichen Anfrage der Freiheitlichen Partei. Der Bundeskanzler hat darauf hingewiesen, daß die Jugendarbeitslosenrate hier in Österreich im internationalen Vergleich relativ niedrig ist. Das stimmt, aber das ist nur ein Teil der Wahrheit, Herr Bundeskanzler. Infolge der Maßnahmen, die Sie mit den Strukturanpassungsgesetzen gesetzt haben, die aber teilweise noch gar nicht greifen, sondern erst ab nächstem Jahr wirksam werden, ist schon jetzt klar erkennbar, daß die Jugendarbeitslosigkeit im Verhältnis zur Arbeitslosigkeit von älteren Menschen zu steigen beginnen wird.


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Eines ist auch ganz klar, Herr Bundeskanzler: daß sich infolge der Maßnahmen, die Sie im Bereich von Frühpensionierungen, im Bereich der gesetzlichen Festlegung der Alterspension mit dem Strukturanpassungsgesetz gesetzt haben, der Arbeitsmarkt dramatisch verschärfen wird.

Auch andere Maßnahmen sind geeignet, diese Verschärfung herbeizuführen. Ich erwähne da nur das Bonus-Malus-System. Das ist der Punkt. Wenn das Bonus-Malus-System – darauf haben wir in der diesbezüglichen Debatte hingewiesen – tatsächlich greifen sollte, was ja noch nicht erwiesen ist, was ich aber jetzt einmal annehme, dann ist die Situation für die Jüngeren, die in den Arbeitsmarkt hineindrängen, dadurch wesentlich verschärft.

Das heißt nicht unbedingt, daß all diese Maßnahmen, die Sie in bezug auf Frühpensionierungen in der Vergangenheit gesetzt haben – und damit bin ich beim Thema der Freiheitlichen –, nämlich vor den Strukturanpassungsgesetzen, falsch waren. Ich halte die Argumentation der Freiheitlichen, daß die Arbeitslosenstatistik durch Frühpensionierungen verfälscht wird, für völlig verdreht.

Meine Damen und Herren! Natürlich wird jede Arbeitslosenstatistik nicht nur durch die Zahl der Frühpensionisten, sondern auch durch jene der Pensionisten verfälscht. Wenn Sie nicht nur die Frühpensionisten, sondern alle, die in Pension sind, in den Arbeitsmarkt eingliedern wollen – das heißt, daß es keine oder fast keine Pensionisten mehr geben soll –, wenn das Ihre Perspektive ist, das Pensionsantrittsalter auf 70, 80 Jahre hinauszuschieben, dann, muß ich sagen, wird die Arbeitslosenstatistik natürlich weniger verfälscht. Das kann aber hoffentlich nicht Ihr Rezept in dieser Frage sein!

Sie haben ja im Prinzip der Regierung unterstellt, daß sie sich unlauterer Mittel bedient. Eines kann man schon sagen in bezug auf Frühpensionierungen – abgesehen davon, daß man natürlich die Frage stellen müßte, ob Frühpensionierungen, ob ein Pensionsantrittsalter von 50, 55 oder 60 Jahren nicht zu viele Mittel verschlingen würde, und was man da noch alles an Fragen stellen könnte –: daß das Pensionsantrittsalter, das wir in Österreich hatten, eine Maßnahme war, um ein Ansteigen der Jugendarbeitslosigkeit – im Unterschied zu anderen europäischen Ländern – bis jetzt entscheidend einzudämmen.

Mein Problem mit der Bundesregierung ist, daß sie jetzt Maßnahmen gesetzt hat, die geeignet sind, die Situation auf dem Arbeitsmarkt gerade für die Jugend zu verschärfen, ohne ein Gesamtkonzept zur Beschäftigung in diesem Land erstellt zu haben. Mein Vorwurf an die Bundesregierung geht in die Richtung, daß all die Maßnahmen, die Sie versprochen haben – und das wird ja auch in der Anfrage der Freiheitlichen erwähnt –, bis jetzt nicht gesetzt worden sind.

Wo sind die Konzepte für die Lehrlingsausbildung? Wo ist das, was zwischen den Sozialpartnern in bezug auf den Lehrlingsausbildungsfonds paktiert wurde? Wo sind die Maßnahmen zu sehen? Wo sind ähnliche Konzepte zu sehen, die tatsächlich Beschäftigung hier in Österreich sichern würden? Herr Bundeskanzler! Wo sind die Maßnahmen Österreichs auf europäischer Ebene, um tatsächlich beschäftigungspolitische Initiativen in Österreich wirksam werden zu lassen? – Ich kann sie nicht erkennen. Das ist mein Vorwurf an die Bundesregierung. Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Dieser Vorwurf unterscheidet sich von Ihrer Vorgangsweise, nämlich mit den Zahlen herumzuspielen, ohne selbst einen Standpunkt zu beziehen, doch gravierend.

Wenn Sie der Bundesregierung vorwerfen, daß es zu viele Frühpensionierungen gibt, dann ist eigentlich nur der Schluß zulässig, daß Sie überhaupt keine Frühpensionierungen wollen. Sie, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, müssen uns erklären, was Sie eigentlich wollen! Sie müssen die Dinge etwas klarer ansprechen. Ich komme später noch einmal darauf zurück.

Herr Bundeskanzler! Sie haben auch auf die hohen Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik in Österreich verwiesen. Ich verweise darauf, daß diese angeblich so hohen Mittel im Vergleich zu den Mitteln, die wir in den vergangenen Jahren aufgewendet haben, und zwar bis in die neunziger Jahre, gar nicht so hoch sind. Wir hatten schon einmal Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik in der Höhe von 5 Milliarden Schilling. Das hatten wir schon. Wir haben eine Vereinbarung


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auch mit der EU getroffen, daß die Mittel, die über die Strukturfonds in bezug auf die Arbeitsmarktpolitik verwendet werden, also die Mittel aus dem Sozialfonds, nur additiv wirksam werden dürfen.

Herr Bundeskanzler! Wenn ich die Rechnung über die additive Wirkung dieser Mittel aus dem Sozialfonds aufmache, dann, muß ich sagen, schaut Ihre Bilanz nicht positiv aus. Dann läßt sich erkennen, daß es nur mit Hilfe buchhalterischer Tricks, wie wir sie heute vormittag beschlossen haben – es werden nämlich Mittel aus der passiven Leistung in Mittel aus der aktiven Leistung umgewandelt –, einigermaßen gelingt, den Vertrag, den wir abgeschlossen haben, der sicherstellen soll, daß die Mittel aus dem Strukturfonds, aus dem Sozialfonds additiv wirksam werden, zu erfüllen. Das ist ein Vorwurf!

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie hätten die Möglichkeit gehabt, die Mittel, die aus den EU-Überschüssen rückgeflossen sind, tatsächlich für aktive Arbeitsmarktpolitik zu verwenden. Wir haben hier in diesem Hause den Antrag gestellt: Setzen Sie diese Mittel doch für die aktive Arbeitsmarktpolitik ein! Damals sind Sie von den Regierungsparteien nicht aufgestanden. Es ist für Sie nach wie vor kein Thema, aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben. Sie haben nicht die Absicht, mit innovativen Konzepten die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Das, was wir heute vormittag beschlossen haben, sind veraltete Konzepte. Lohnzuschüsse sind, wenn es nur Lohnzuschüsse bleiben, veraltete Konzepte, mit denen die Situation auf dem Arbeitsmarkt nicht einmal ansatzweise verbessert werden kann.

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Da habe ich schon das nächste Problem mit Ihnen. Wenn Sie der Regierung vorwerfen, sie betreibe zu wenig aktive Arbeitsmarktpolitk, dann möchte ich Sie von den Freiheitlichen schon daran erinnern, daß Sie es waren, die am meisten und am heftigsten kritisiert haben, daß diese Mittel in der aktiven Arbeitsmarktpolitik für die "Aktion 8000" verwendet wurden. Sie tragen auch die meiste Schuld daran, daß diese "Aktion 8000", eine durchaus erfolgreiche Aktion für Langzeitarbeitslose, eingestellt worden ist. (Zwischenruf des Abg. Mag. Haupt. ) Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Das ist Ihr Verdienst! (Beifall bei den Grünen.)

Kurz noch zum ÖGB. Sie haben einen Entschließungsantrag eingebracht, der sich ausführlich mit dem ÖGB beschäftigt. In diesem Entschließungsantrag ist einige Kritik enthalten, die auch ich teile. Das ist keine Frage! Aber Ihre Taktik in bezug auf den ÖGB ist zu leicht zu durchschauen.

Was ich am Verhalten des ÖGB kritisiere – und zwar gerade in den letzten 14 Tagen –, ist der Umstand, daß er sich auf die Politik des Zurufes des Herrn Haider eingelassen hat, daß der ÖGB bereit war, auf Zuruf des Herrn Haider überhaupt darüber zu verhandeln, daß eine neue Partei, unabhängig davon, welcher Größe sie ist, im ÖGB vertreten sein soll. Was ist mit Ihren Vertretern im ÖGB? Die sitzen ja drinnen!

Aber immer dann, wenn es darum gegangen wäre, den Mund aufzumachen – das habe ich mir sagen lassen –, ist nichts von einem FPÖ-Vertreter im ÖGB-Bundesvorstand zu hören gewesen, egal, ob es die Belastungspakete oder sonst irgendeine Frage betroffen hat. (Abg. Mag. Stadler: Da war auch nichts zu sagen!) Es hat kein FPÖ-Vertreter im ÖGB jemals den Mund aufgemacht. (Abg. Mag. Stadler: Das wird sich ändern!) So können Sie es nicht machen, nämlich daß Sie glauben, alles den Herrn Haider erledigen lassen zu müssen. Herr Haider wird dafür nicht ausreichen, Sie müssen schon Ihre eigenen Leute im ÖGB ermutigen, auch den Mund aufzumachen. Es geht nicht, daß Herr Haider alleine spricht.

Meine Damen und Herren! Ihre Taktik in bezug auf den ÖGB und auch auf die Beschäftigungspolitik ist zu durchsichtig, um tatsächlich ernst genommen zu werden, obwohl einige Punkte Ihrer Kritik durchaus ihre Berechtigung haben. (Beifall bei den Grünen.)


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17.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Sie haben noch eine Redezeit von 9 Minuten.

17.13

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben heute die höchste Arbeitslosenrate seit Kriegsende. Das ist uns mittlerweile allen bekannt, obwohl von der Bundesregierung immer wieder darauf hingewiesen wird, daß die Arbeitslosenrate Österreichs im Vergleich zu jener der Europäischen Gemeinschaft relativ niedrig ist. Trotzdem sollten wir darauf Bedacht nehmen, diese Arbeitslosenrate nicht nach oben schnellen zu lassen, sondern nach unten zu revidieren.

Immer häufiger hört man in Meinungsumfragen, daß die Angst der Österreicher vor steigender Arbeitslosigkeit oder der Gefahr, selbst arbeitslos zu werden, immer größer wird. Der Prozentsatz jener Leute, die sich davor fürchten, wird immer größer. Die Arbeitslosigkeit ist in Österreich in dramatischer Weise gestiegen. Im Jahre 1991 betrug die Arbeitslosenrate noch 185 000 Personen oder 5,3 Prozent. Mittlerweile liegt die Arbeitslosenrate bei durchschnittlich 233 000 Personen. Im Winter sind sogar mehr als 300 000 Menschen arbeitslos. Das ergibt durchschnittlich 7,1 Prozent Arbeitslose.

Wenn man Wifo-Chef Professor Kramer, der für das nächste Jahr eine Arbeitslosenrate von 7,5 Prozent prognostizierte, und CA-Volkswirt Christl, der sogar mit einer Arbeitslosenrate von 8,2 Prozent rechnet, Glauben schenken darf, dann muß ich sagen: Es könnte einem dabei schon angst und bange werden. IHS-Chef Felderer erklärte pointiert – diese Aussage ist in der Zeitschrift "NEWS", Nr. 48/1996, nachzulesen –:

"Beim Strukturwandel hinkt Österreich anderen Industriestaaten wie Deutschland noch gewaltig hinterher. Von einem Rückgang der Arbeitslosigkeit kann keine Rede sein."

Herr Kollege Öllinger hat vorhin bemerkt, daß wir Freiheitlichen immer wieder sagen, daß die Arbeitslosenstatistik verfälscht ist. Herr Kollege Öllinger! Es ist ganz klar, in Österreich gibt es sehr viele Frühpensionisten. Ich muß aber dazu sagen, daß ich immer wieder betone, daß nicht unbedingt ein bestimmtes Pensionsantrittsalter entscheidend sein soll – also etwa 65 Jahre –, sondern daß meiner Ansicht nach die Versicherungsdauer relevant ist. Es sollte jemand mit 55 Jahren ohne weiteres in Pension gehen können, wenn er mit dem 14. oder 15. Lebensjahr ins Erwerbsleben eingetreten ist und die nötigen Versicherungsjahre hat. Warum soll jemand, der 40 Versicherungsjahre hat, nicht mit 55 Jahren in Pension gehen können? – Selbstverständlich mit einem gewissen Abschlag. In diesem Falle sollte niemand bis 65 arbeiten müssen. Selbstverständlich! Es ist ja nicht das Alter von 65 Jahren relevant, sondern die Versicherungsjahre, und die müßte man in diesem Falle eigentlich heranziehen. Natürlich handelt es sich im Falle von Frühpensionisten – davon gibt es immer mehr – um versteckte Arbeitslose. Das ist gar keine Frage. (Abg. Öllinger: Alle Pensionisten sind versteckte Arbeitslose!) Selbstverständlich!

Kollege Öllinger! Du hast vorhin die aktive Arbeitsmarktpolitik angesprochen. Ich muß dir schon sagen, daß es höchste Zeit war, daß die "Aktion 8000", wo sehr viel Mißbrauch betrieben worden ist, in der Form, in der sie bestanden hat, abgeschafft wurde. Natürlich: Die Idee war in Ordnung, aber sonst war das ein großer Humbug. (Abg. Mag. Stadler: Es gibt steigende Arbeitslosigkeit, die kann niemand leugnen! – Abg. Koppler: Aber sehr viel Hilfe!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Von der steigenden Arbeitslosigkeit in Österreich sind nahezu alle Branchen, alle Regionen Österreichs und alle Altersgruppen betroffen. Aber während es für ältere Arbeitnehmer bereits seit langem immer schwieriger wird, wieder einen Arbeitsplatz zu finden, wird dies nun in zunehmendem Maße, wie du, Kollege Öllinger, vorhin erwähnt hast, auch für die Jugend zu einem immer größeren Problem.

Auch die Tatsache, daß im Bundesdienst eine Aufnahmesperre verfügt wurde, die bis zum Jahre 2000 gelten soll, und darüber hinaus früher bestehende Ausbildungsplätze für Jugendliche gestrichen wurden, weiters die Durchführung der Eignungsausbildung beendet wurde, trägt dazu bei, daß noch mehr Jugendliche arbeitslos sind. All diese Maßnahmen gehen zu Lasten der Jugend. Um diese Entwicklung einzudämmen, bringe ich folgenden


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Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dolinschek, Haigermoser, Haller und Kollegen betreffend Schaffung von Ausbildungsplätzen bei den Gebietskörperschaften

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Rahmen einer Qualifizierungsoffensive und als Maßnahme einer wirklich aktiven Arbeitsmarktpolitik ehestmöglich

1. einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Einführung einer einjährigen Praxisausbildung in der Verwaltung des Bundes vorsieht, in deren Rahmen eine praktische und theoretische Ausbildung sowie die Erprobung auf einen Arbeitsplatz erfolgen soll, und

2. in Verhandlungen mit den Ländern und Gemeinden mit dem Ziel einzutreten, eine derartige einjährige Praxisausbildung auch in der Verwaltung der Länder und Gemeinden zu ermöglichen.

*****

Wenn auch Sie einer steigenden Arbeitslosigkeit entgegenwirken wollen, dann stimmen Sie diesem Entschließungsantrag zu! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Entschließungsantrag, den Abgeordneter Dolinschek vorgetragen hat, ist geschäftsordnungsgemäß unterstützt und wird in die Verhandlungen mit einbezogen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dietachmayr. Die zur Verfügung stehende Redezeit beträgt noch 6 Minuten.

17.18

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Abgeordneter Prinzhorn hat es heute wieder einmal verstanden, hier ein wirtschaftliches Horrorszenario zu malen (Zwischenruf des Abg. Mag. Schreiner ) , wo jeder Punkt, wenn man genügend Zeit hätte, auch widerlegt werden könnte. Ich möchte allerdings gar nicht auf viele dieser Punkte eingehen.

Abgeordneter Prinzhorn hat unter anderem hier gesagt, die Wohnbauförderung liege auf dem Boden. Dazu muß ich sagen: Schauen Sie sich doch bitte die Zahlen an! Es wurden noch nie so viele Wohnungen wie in den letzten zwei Jahren gebaut. Weiters sagte Abgeordneter Prinzhorn hier, es gebe kein Technologiekonzept. Dazu ist zu bemerken: Schauen Sie sich doch das Technologiekonzept der Bundesregierung an! Es muß nur noch umgesetzt werden. (Abg. Mag. Stadler: Ja, daran fehlt es ja!) Daran müssen sich allerdings auch die Betriebe und die Wirtschaft mit beteiligen. (Abg. Mag. Trattner: Fangen Sie an! – Abg. Mag. Stadler: Wer hindert Sie?)

Die Aussage des Herrn Abgeordneten Prinzhorn, daß mit diesem Parlamentarismus aufgehört werden müsse, hat Kollegin Tichy-Schreder schon erwähnt. Meine Damen und Herren! Diese Worte müssen Sie auf der Zunge zergehen lassen. Man kann nur hoffen, daß solche Herrschaften wie ein Herr Prinzhorn in diesem Land niemals etwas zu sagen haben werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Das Bruttoinlandsprodukt Österreichs pro Kopf ist höher als jenes der Nachbarländer. Das hat vor kurzem auch eine Studie gezeigt. Ein Blick auf die Volkswirtschaften der sieben Nachbarländer zeigt ein für Österreich recht vorteilhaftes Bild.

Weiters möchte ich zu einem Aspekt, der in dieser Dringlichen Anfrage aufgezeigt wird, nämlich zu den Unternehmensbesteuerungen, einige Feststellungen treffen. Meiner Ansicht nach ist die Gewinnbesteuerung in Österreich, verglichen mit jener in anderen Industriestaaten, äußerst


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moderat und daher auch keine Ursache für die Abwanderung von Unternehmen. (Abg. Rosenstingl: Keine Ahnung!)

Sie wissen: 34 Prozent Körperschaftsteuersatz, das ist viel weniger als in vielen anderen Ländern. Es gibt in Österreich das Privatstiftungsgesetz – wir kennen einige Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit –, und es gibt auch Gestaltungsmöglichkeiten bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage et cetera. (Abg. Böhacker: Was verstehen Sie unter Gestaltungsmöglichkeiten?)

Österreich wird bereits jetzt in internationalen Finanzzeitschriften – Sie zitieren ja immer aus Wirtschaftszeitungen – als "Steueroase für Unternehmer" angepriesen. Der Vorschlag, Unternehmensgewinne, welche nicht ausgeschüttet werden, nicht zu besteuern, würde eine völlige Umgestaltung des Steuersystems erfordern, da dies Steuerausfälle in Höhe von einigen Milliarden Schilling bedeuten würde.

Würden zwecks Aufkommensneutralität verschiedener Maßnahmen auf die unterschiedliche Unternehmensrechtsreform auch die Gewinne der einkommensteuerpflichtigen Selbständigen einbezogen, würde es zusätzlich zu massiven Ausfällen im Bereich der Einkommensteuer kommen, welche auch die Länder und letztendlich auch die Gemeinden treffen würden.

Es gibt kein Industrieland, das die Gewinne nicht besteuert! Es würde damit nur der internationale Steuersenkungswettlauf massiv angeheizt, wobei der Vorteil für Österreich ja nur von kurzer Dauer wäre, da die anderen Industriestaaten natürlich nachziehen würden. Es ist auch unvorstellbar, daß durch ein derartiges Besteuerungsmodell industriepolitisch nicht relevante Steueroasen-Effekte entstehen, in denen internationale Konzerne, wie ja allgemein bekannt ist, tätig sind, die mittels konzerninterner Verrechnung nach Österreich transferieren, hier nicht versteuern und schlußendlich anstelle von Gewinnausschüttungen mittels Gewinnabsaugungsmodellen wieder unversteuert ins Ausland rücktransferieren. – Also das ist sicher nicht der richtige Weg.

Die Höhe der getätigten Investitionen ist ein wesentlicher Faktor für die Entwicklung einer Volkswirtschaft. (Abg. Mag. Stadler: Es ist schon zulässig, die eigene Regierung in Schutz zu nehmen! Schon in Ordnung!)

Die derzeitige Steuerbegünstigung durch den Investitionsfreibetrag kann nur bei der Durchführung von realen Investitionen in Anspruch genommen werden.

Meine Damen und Herren! Mit den Steuereinnahmen werden außerdem auch öffentliche Leistungen finanziert, die auch von den Unternehmen als Vorleistungen in Anspruch genommen werden. Das Ergebnis wäre, daß durch die entstehenden massiven Budgetlöcher die Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen, damit unser Lebensstandard und letztlich die Qualität des Industriestandortes Österreich unter Druck geraten würden, ohne daß sich die industrielle Struktur dadurch verbessern würde. Es scheint mir daher notwendig zu sein, daß ein Klima der Innovation geschaffen wird, in dem unsere Betriebe über Qualität und Besonderheiten der Produkte international wettbewerbsfähig bleiben.

Wir können außerdem nicht ernsthaft mit Ländern hinsichtlich der Lohnkosten konkurrieren, deren Lohnniveau teilweise ein Zehntel des österreichischen beträgt. Wir hätten dann auch bald deren Lebensstandard. Wenn Sie von der FPÖ das erreichen wollen, dann sagen Sie es doch ganz offen und deutlich.

Mit einer Technologie- und Strukturoffensive könnte ein entsprechender Paukenschlag gesetzt werden, der unserer Industrie eine entsprechende Basis für den internationalen Wettbewerb bieten würde. Damit wäre das ohnehin erst aufzubringende Geld besser eingesetzt als industriepolitisch gesehen zweifelhaft wirksame Steuerbegünstigungen für Gewinne.

Meine Damen und Herren! Abschließend auch eine Bemerkung zum Antrag, den die FPÖ eingebracht hat. Es würde Ihnen gefallen, wenn der Rechnungshof und die öffentliche Kontrolle auch in die Gewerkschaftskassen Einsicht bekommen würden. Dann könnten wir die Höhe des


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Streikfonds "täglich Alles" entnehmen. Das werden wir zu verhindern wissen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

17.25

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Steindl. Redezeit: 8 Minuten. – Bitte.

17.25

Abgeordneter Mag. Franz Steindl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Ich gebe zu, das Thema "Arbeitsplätze schaffen" ist sehr hoch im Kurs, ist ein Dauerbrenner und wird es garantiert auch in den nächsten Jahren sein. Die Wirtschaft ist eben dynamisch und nicht statisch. Folglich wird dieses Thema auch immer wieder im Parlament diskutiert werden.

Ich habe mir die Dringliche Anfrage genau durchgelesen, und ich muß sagen, aufgrund dieser Anfrage könnte man meinen, daß bei uns in Österreich Chaos herrscht. (Abg. Böhacker: Eine falsche Interpretation!)

Man könnte meinen, morgen werde es zu einem wirtschaftlichen Zusammenbruch kommen. Da haben die Freiheitlichen offensichtlich eine Anleihe bei der geheimen Offenbarung im Testament genommen. (Abg. Böhacker: Altes Testament oder Neues Testament?)

Es wird versucht, unsere Wirtschaft mittels Statistik zu analysieren. Es wird sogar eine Studie herangezogen, die besagt, daß der Prozentsatz der Unternehmer an der Erwerbsbevölkerung in Österreich der zweitniedrigste in Europa ist, und so weiter. (Abg. Böhacker: Stimmt ja!)

Wissen Sie, man kann Statistiken bekannterweise in jede beliebige Richtung interpretieren. Man kann jeder Negativstatistik auch eine Positivstatistik gegenüberstellen. Schon Churchill hat gesagt: "Ich glaube nur der Statistik, die ich selbst gefälscht habe." – Nur soviel zu Ihren Statistiken. (Abg. Dr. Graf: Sie fälschen Statistiken? – Das ist ja allerhand! Er gibt es auch noch zu!)

Ich habe das Gefühl, den Freiheitlichen geht es gar nicht um Reformen und Strukturveränderungen, sondern es geht ihnen ausschließlich um die Zerschlagung dieses Österreich.

Man fängt einmal bei den Kammern an, die durch den Kakao gezerrt werden! Dann kommt der ÖGB an die Reihe, später die Versicherungen, das Parlament und die Gebietskörperschaften, und so geht es weiter. Aber da spielt die Bevölkerung nicht mit. Als Beispiel erwähne ich nur das Ergebnis der Landwirtschaftskammerwahl in Kärnten: Ihr Spitzenkandidat Reichhold – er scheint im Moment nicht anwesend zu sein – hat bei dieser Wahl in seiner Gemeinde 7 Prozent verloren. Das ist Ihre Politik! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Aber Stimmen und Mandate gewonnen!)

Ich habe mir den Leitantrag der Freiheitlichen genau angesehen und muß dazu sagen: Steuern senken, das klingt gut. Einverstanden! Arbeit schaffen – na selbstverständlich!

Aber wie macht das der Jörg? – Na ganz blauäugig! Man braucht sich nur anzusehen, wie er das macht: Er greift zuerst die Ausländer an und sagt: Die bösen Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg. Danach kommt Herr Abgeordneter Prinzhorn, seines Zeichens Wirtschaftssprecher der Freiheitlichen, und sagt, zu glauben, hohe Arbeitslosigkeit durch den Abbau der Zahl von Ausländern bekämpfen zu können, sei die dümmste Milchmädchenrechnung, die er je gehört habe. – Das sagte Herr Prinzhorn zu Herrn Haider. Das ist Ihre Politik! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ein anderes Mal versuchen Sie den Eindruck zu erwecken, daß die Wirtschaft gesunden könnte, wenn man zum Beispiel die Parteienförderung kürzen würde.

Wenn man sich die Wiederholung der Nationalratswahl in Donnerskirchen anschaut, dann wird einem klar: Sie haben das Ergebnis der Nationalratswahl nur deswegen angefochten, weil Ihr Manager vergessen hat, die Rückerstattung der Wahlkampfkosten zu fordern – immerhin 30 Millionen Schilling. Das ist Ihre Politik! (Beifall bei der ÖVP.)


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Jetzt kommt es noch dicker, Herr Graf! Als Bürgermeister haben Sie mich angesprochen, und als Bürgermeister gebe ich Ihnen jetzt einiges zu überlegen. Sie fordern in Ihrem Programm zum Beispiel die Abschaffung der Getränkesteuer und der Kommunalabgabe. Wissen Sie, was eine völlige Abschaffung der Getränkesteuer und Kommunalabgabe in Summe ausmachen würde? – Bei der Getränkesteuer wären es 8 Milliarden Schilling und bei der Kommunalabgabe 12 Milliarden Schilling weniger.

Herr Prinzhorn! Sie leiten zwar einen Betrieb, aber Sie haben keine Ahnung von Kommunalpolitik! Wissen Sie, was das bedeuten würde? – Die meisten Gemeinden müßten den Bankrott erklären, weil sie kein ausgeglichenes Budget mehr zusammenbringen könnten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dann lese ich weiter, wie man die Beseitigung der Kommunalabgabe und der Getränkesteuer und die Senkung der Mehrwertsteuersätze durchführen möchte. Immerhin geht es hiebei um ein Volumen von zirka 30 Milliarden Schilling. Da werden verschiedene Lösungsmöglichkeiten durchdacht. Eine Variante wäre, daß der Staat all das kompensiert.

Wissen Sie, was das bedeutet? – Steuererhöhungen, Erhöhung der Staatsschuld, Zinsendienst. Da bezweifle ich sehr, ob das der richtige Weg wäre.

Eine zweite Möglichkeit, die ich mir durchgerechnet habe, wäre zum Beispiel, die Pensionen oder Sozialleistungen um 20 Prozent zu kürzen, damit man das hereinbekommen kann, um den Gemeinden das zu kompensieren.

Oder die glorreiche Idee der Freiheitlichen: Man führt ein Ökosteuersystem ein und würde das natürlich kompensieren. Aber wenn man sich diesen Leitantrag durchliest, dann stellt man fest: Es wird mit diesen Ökosteuern, die Sie fordern, gleich dreimal kompensiert. Sie wollen da mehrere Dinge auf einmal erledigen. Das geht aber nicht. Man kann das Geld, das man hereinkriegt, nur einmal ausgeben. (Abg. Mag. Stadler: Sie agieren wie ein Kasperl! – Abg. Böhacker: Sie haben keine Ahnung!) Sie wollen nämlich im Klartext einmal die Einnahmenausfälle der Länder und der Gemeinden kompensieren, beim zweiten Mal wollen Sie eine soziale Abfederung Einkommensschwacher und beim dritten Mal wollen Sie die Lohnnebenkosten senken. (Abg. Mag. Stadler: Wie sind Sie Bürgermeister geworden?) Also sagen Sie mir: Was wollen Sie jetzt eigentlich? Sie können sich nur für eines entscheiden. (Abg. Mag. Schweitzer: Warum? – Abg. Mag. Stadler: Wie sind Sie Bürgermeister geworden?)

Bleiben wir bei der Ökosteuer. (Abg. Mag. Schweitzer: Warum?) Wissen Sie, was das bedeuten würde, Karl Schweitzer? – 30 Milliarden Schilling würden eine Verteuerung der Benzinpreise um 5 S bedeuten. (Abg. Mag. Schweitzer: Das haben Ökosteuern so an sich!) Oder wenn Sie das nicht wollen, dann heißt das Verteuerung des Heizöls; vielleicht Heizöl schwer, Herr Wirtschaftssprecher Prinzhorn. Verteuerung von Heizöl schwer ist natürlich eine weitere steuerliche Belastung für die Industrie. (Abg. Mag. Schweitzer: Das haben Ökosteuern so an sich!)

Oder bedeutet Ökosteuer für Sie Erhöhung der Preise für Heizöl leicht? – Dann trifft es wieder die sozial Schwachen, vor allem die Pensionisten. (Abg. Mag. Schweitzer: Das haben Ökosteuern so an sich!)

Also so klar ist das auch wieder nicht. Da müssen Sie sich auch entscheiden, was Sie eigentlich wollen. Das geht aus Ihren Konzepten nicht klar hervor. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Schweitzer: Wo ist das Niveau, auf dem Sie sich bewegen? – Abg. Mag. Stadler: Er redet unterhalb jeden Niveaus!)

Daher kann ich mich, meine sehr geehrten Damen und Herren, nur dem anschließen, was heute schon aus der "WirtschaftsWoche" zitiert wurde, wo nämlich der Journalist Christian Rainer zu dem Schluß kommt: "Haiders große wirtschaftpolitische Regierungserklärung ist somit ein Schrotthaufen. Der Leitantrag besteht aus kaum mehr als den Überbleibseln von einem Jahrzehnt wirrer Ideen."


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Wie ernst der Antrag und dieses Problem Ihrerseits genommen werden, beweist die Tatsache, daß der Herr Haider zum Beispiel bei der Behandlung dieser Dringlichen Anfrage keine einzige Sekunde im Parlament war! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Abg. Öllinger. – Abg. Mag. Schweitzer: Das war keine gute Rede, Pauli!)

17.33

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Mag. Trattner hat sich zunächst zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet.

Herr Abgeordneter! Sie kennen die Geschäftsordnung: 2 Minuten Redezeitbeschränkung. Beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen. – Bitte.

17.33

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Eine tatsächliche Berichtigung zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Steindl.

Herr Abgeordneter Steindl! Sie haben behauptet, die Freiheitlichen hätten vergessen, den Antrag für die Wahlkampfkostenrückerstattung rechtzeitig aufzugeben. Diese Feststellung ist unrichtig. Die Freiheitlichen haben diesen Antrag rechtzeitig aufgegeben. (Lebhafte ironische Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Das ist dokumentiert. Die Freiheitlichen haben diesen Antrag rechtzeitig aufgegeben, er ist aber entweder bei der Post oder bei der Posteinlaufstelle im Bundeskanzleramt verlorengegangen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Allgemeine lebhafte Heiterkeit.)

17.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser (neuerlich das Glockenzeichen gebend): Meine Damen und Herren! Ich bitte um etwas mehr Ruhe!

Herr Abgeordneter Mag. Trattner hat jetzt noch eine Wortmeldung abgegeben. Ich erteile ihm das Wort. Die verbleibende Redezeit beträgt 3 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Schwimmer: Haben Sie noch einen Faschingsscherz auf Lager? – Weitere Zwischenrufe. – Präsident Dr. Neisser gibt erneut das Glockenzeichen.)

17.34

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Faschingsscherz. Ich weiß nicht, von wem das gekommen ist. Vom Herrn Schwimmer – oder? Ich werde Ihnen etwas sagen: Angesichts dessen, was Sie hier heute seitens der Kollegen, die hier heraußen für die Regierungsfraktionen gesprochen haben, produziert haben, und angesichts der Tatsache, daß der Herr Bundeskanzler über diese Dringliche Anfrage hinweggegangen ist, ist klar festzustellen: Sie haben überhaupt kein Interesse an einer Problemlösungskompetenz in Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Kopf: Kompetent sind wir schon! – Weitere Zwischenrufe. )

Herr Bundeskanzler! Sie haben doch immer wieder von sich gegeben, Sie seien so viel in den Betrieben unterwegs, Sie kennen die Probleme der Unternehmer und der Arbeitnehmer und würden sich dieser Probleme annehmen.

Ich bringe Ihnen jetzt zwei ganz konkrete Beispiele. Hören Sie jetzt einmal ganz gut zu!

Das erste Beispiel macht deutlich, wie sich die öffentliche Hand als Anbieter auf dem Markt aufführt. Da gibt es die Baufirma Teerag-Asdag, die zu 90 Prozent im Eigentum der Wiener Stadtwerke, sprich der öffentlichen Hand ist, und diese bietet derzeit im Raum Tirol zu Dumpingpreisen an und hat in den letzten eineinhalb Jahren von 30 Projekten 28 Projekte als Erstbieter erhalten. 28 Projekte als Erstbieter unter 30 Projekten! Aber wie Sie selbst bei der Bilanzpressekonferenz erfahren konnten, hat dieses Unternehmen in den letzten Jahren Verluste in der Größenordnung zwischen 60 und 70 Millionen Schilling eingefahren.

Das beste Beispiel ist der Eisenbahntunnel in Zams. Die ÖBB ist ja ausgegliedert, daher gibt es keine öffentliche Anbotseröffnung. Das Angebot der Teerag-Asdag lag bei 81 Millionen Schilling, der Nächstbieter lag bei 104 Millionen Schilling. Nachdem man es nicht mehr zugelassen hatte,


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daß sie das Angebot zurückziehen kann, hat man der Teerag-Asdag noch die Möglichkeit gegeben, auf 84,5 Millionen Schilling nachzubieten. Da, Herr Bundeskanzler, wird seitens der öffentlichen Hand ruinöser Wettbewerb gegenüber der privaten Bauwirtschaft betrieben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Über das zweite Beispiel, Herr Bundeskanzler, können Sie nicht Bescheid wissen, aber ich sage es Ihnen. Da gibt es ein Schreiben des Güteschutzverbandes für Bewehrungsstahl. Es geht um das Altenheim in Innsbruck; der Bauherr ist die Stadt Innsbruck. Das Projekt wird über die TIGEWOSI, eine gemeinnützige Gesellschaft, abgewickelt, und hierfür werden auch Wohnbauförderungsmittel zur Verfügung gestellt.

Der Bestbieter ist eine Baufirma aus Österreich, aus Tirol. Aber was macht der Bestbieter als Baufirma? – Sowohl der Auftrag für die Baustahllieferung als auch die Bearbeitung und die Verlegung wird an eine Verlegungsfirma in München vergeben. Dies geschieht aber nicht deswegen, weil wir in Österreich das nicht könnten, sondern deswegen, weil diese Verlegungsfirma in München trotz der Distanz zu Brescia, von wo der Baustahl zuerst durch Österreich, durch Tirol transitiert wird und dann von München wieder nach Innsbruck zurückkommt, billiger anliefern kann, als es den Österreichern möglich ist. (Abg. Mag. Stadler: So ist es! Das ist EU-Beitritt!)

Nun kommt das nächste: Diese Firma vergibt das Ganze ...

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Bitte den Schlußsatz. Die Zeit ist abgelaufen.

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (fortsetzend): Der Schlußsatz kommt jetzt gleich. – Diese Firma gibt das Ganze einer Subfirma aus Rosenheim. Die beschäftigen dort illegale Arbeiter aus Rumänien und Polen, die Arbeiter dort werden angezeigt, die Baustelle wird eingestellt ...

17.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Ich habe Sie um den Schlußsatz ersucht. Die Redezeit ist abgelaufen. Ihre Wortmeldung ist beendet. (Abg. Mag. Trattner – ohne Mikrofon –: Das ist Ihre Beschäftigungspolitik, Herr Bundeskanzler! – Beifall bei den Freiheitlichen.) Herr Abgeordneter! Ihre Wortmeldung ist beendet.

Es ist niemand mehr zu Wort gemeldet. Ich schließe die Debatte.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen. Wir haben jetzt abzustimmen.

Wir stimmen zunächst ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen betreffend Kontrolle des ÖGB.

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag wurde abgelehnt. (Beifall und Bravorufe bei den Freiheitlichen, weil auch Abg. Wabl für den Antrag gestimmt hat.)

Wir stimmen ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dolinschek und Genossen betreffend Schaffung von Ausbildungsplätzen bei den Gebietskörperschaften.

Wer für diesen Antrag ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Kurze Debatte über Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nun zur Durchführung einer kurzen Debatte.

Die kurze Debatte betrifft den Antrag der Abgeordneten Dr. Schmidt, Dr. Petrovic und Genossen, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 275/A (E)


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der Abgeordneten Dr. Schmidt, Dr. Petrovic und Genossen betreffend Anfechtung der Kärntner Landtagswahlordnung beim Verfassungsgerichtshof eine Frist bis 15. Jänner 1997 zu setzen.

Nach Schluß dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Fristsetzungsantrag stattfinden.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Nach der Geschäftsordnung darf kein Redner länger als 5 Minuten sprechen. Der Erstredner hat zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zur Verfügung. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder von zum Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Ich erteile zunächst Frau Abgeordneter Dr. Schmidt das Wort. – Bitte. Redezeit: 10 Minuten.

17.40

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich sollte man davon ausgehen, daß jeder, der seinen Eid auf die Verfassung geschworen hat – und das sind neben den Abgeordneten hier im Hause einige andere auch; darunter auch die Regierungsmitglieder –, Interesse daran hat, daß die Verfassung eingehalten wird, vor allem aber auch, daß die Gesetze, die es in unserem Lande gibt, der Verfassung entsprechen.

Ich habe diesen Optimismus, daß den Menschen daran gelegen ist, immer noch, obwohl es zahlreiche Gegenbeispiele gibt, insbesondere Gegenbeispiele aus der jüngsten Vergangenheit. Ich denke dabei etwa daran, wie dieses Hohes Haus – jedenfalls die Abgeordneten von den Regierungsparteien – hier agiert hat, was rückwirkende Gesetze betrifft, obwohl man wußte, daß dies gegen einen Grundsatz unseres Rechtsstaates verstößt, nämlich gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Ich denke daran, wie hier Bestimmungen im Zivildienstgesetz einfach mit einer Verfassungsmehrheit nur deswegen beschlossen wurden, weil man wußte, daß damit Grundsätze unserer Verfassung verletzt werden. Das hat gar nichts damit zu tun, daß man die Verfassung weiterentwickeln wollte, sondern man hat ganz bewußt die Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes ausgeschaltet, weil man wußte, daß mit einer Bestimmung gegen Grundsätze verstoßen wird.

Es ist schon ein Reflex der Abgeordneten der Regierungsparteien, sich bei jedem verfassungsrechtlichen Einwand nicht damit auseinanderzusetzen, wie man eine Bestimmung verfassungskonformer gestalten könnte, sondern zu dem Mittel der Zweidrittelmehrheit zu greifen, indem man einfach eine Verfassungsbestimmung macht und sie so der Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes entzieht.

Trotz dieser schmerzlichen Erfahrungen in diesem Hohen Hause habe ich immer noch den Optimismus, daß es ja doch einige geben muß, die ein verfassungskonformes Staatswesen haben möchten.

Ich rede jetzt gar nicht davon, daß wir neuerlich vor Vorhaben stehen, die diese Verfassung wieder mit Füßen treten werden. Es ist nämlich Tatsache, daß man verfassungsrechtlich determinierte Organe entmündigt, degradiert und statt dessen Kompetenzen an Gremien gibt, die keine verfassungsrechtliche Verankerung haben, wie der Gemeindebund, wie die Landeshauptleutekonferenz, wie der Städtebund. Stichwort: Konsultationsmechanismus.

Da rede ich auch gar nicht von Wien, was sich da abgespielt hat! Da hat man auf der einen Seite Stadtsenatsmitglieder, führt aber daneben, völlig neben jeder Verfassung, irgendwelche weiteren Kompetenzen ein wie irgendein privater Verein.

Das heißt, meine Sorge – ich wiederhole sie hier –, daß es viele in diesem Hause gibt, die die Verfassung nur als eine unverbindliche Richtschnur betrachten, ist nicht ausgeräumt, aber es gibt Möglichkeiten, den Optimismus zu stärken, und zu einer solchen Möglichkeit wollen wir heute aufrufen.


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Meine Bitte ist, die Dimension des Zustandes zu sehen. Denn was ich jetzt an Gegenbeispielen genannt habe, waren jedenfalls Spielregeln, die sich im Inneren des Systems abspielen. Es ist schlimm genug, wenn diese Spielregeln nicht den Verfassungsgrundsätzen entsprechen, aber wirklich gefährlich wird es, wenn die Spielregeln, die zur Installierung des Systems führen, den Verfassungsgrundsätzen nicht mehr entsprechen, denn dann ist es so, daß wir ein Produkt schaffen, das bewirkt, daß innerhalb dieses Gremiums kein kritisches Hinterfragen mehr möglich ist, sodaß dann der Widerstand von außen kommen muß oder kommt. Doch was das bedeutet, verstehen, so hoffe ich, die meisten in diesem Hause und wissen auch, worauf ich anspiele.

Das ist der Grund, warum wir an die Verantwortung der Entscheidungsträger appellieren, nicht nur den Zustand ihrer eigenen Parteien zu analysieren, sondern vor allem auch einmal den Zustand des Staatsganzen. Ich meine, daß man, wenn man Konzepte für die wirklich wesentlichen Probleme unserer Gesellschaft erarbeitet – etwa dafür, wie man die Arbeitswelt neu ordnet; ich halte das im Augenblick für die größte Herausforderung –, bedenken sollte, wer das dann beschließen und wer das dann umsetzen wird.

Wenn ich diesen Gedankengang verfolge, komme ich direkt zum Wahlrecht, weil Wahlrechte die Mengenverhältnisse der Parlamente beschließen. Doch was ich in unserem Staat sehe, ist die Tatsache, daß das Verhältniswahlrecht, von dem ich meine, daß es für unsere demokratische Kultur wichtig ist, immer mehr mit Füßen getreten wird. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich meine, daß die Pluralität ein essentielles Merkmal einer Demokratie ist und daß eine solche Pluralität nur durch ein Mehrheitswahlrecht gewährleistet sein kann. Ich gebe jedoch zu, ein Verhältniswahlrecht macht absolute Machtausübung schwieriger, aber das ist auch genau das Ziel dieses Wahlrechtes. Doch weil das das Ziel ist, tut es den Mächtigen natürlich weh. Sie richten es sich daher, wie man es beispielsweise in Wien getan hat, wo es ein Wahlrecht gibt, bei dem man mit etwa 47 Prozent der Stimmen eine absolute Mehrheit haben kann. Dabei hat man sogar noch versucht, dieses Wahlrecht für die eigenen Machtinteressen zurechtzubiegen, und zwar hat man ausgerechnet, daß man nach dem Vorschlag der Wiener bei etwas über 40 Prozent der Stimmen eine absolute Mandatsmehrheit haben könnte.

Man muß sich einmal vorstellen, was man sich untersteht, an Vorstellungen über Wahlrecht öffentlich zu machen! Das hat sogar das Innenministerium zu dem Ausdruck hingerissen, das sei der versuchte Bruch der Verfassung. Es ist daher wenigstens dieser Vorschlag nicht durchgesetzt worden. Aber trotzdem: Es werden offensichtlich die Wahlrechte nicht als Instrumente der Bürger und Bürgerinnen gesehen, sondern zunehmend als Instrumente der Parteien.

Weil das so ist, haben wir einen Versuch in Salzburg unternommen. Als nämlich nach der Salzburger Landtagswahl klar wurde, daß man in einem Wahlkreis, zum Beispiel im Lungau, 50 Prozent der Stimmen brauchte, um auch nur ein Mandat zu bekommen, sind wir Liberalen zum Verfassungsgerichtshof gegangen und haben erreicht, daß der Verfassungsgerichtshof dieses Wahlrecht für verfassungswidrig erklärt hat.

Nun haben wir ein Bundesland – Kollege Wurmitzer strahlt mich schon an, denn offensichtlich glaubt er, daß seine Partei davon profitiert –, in dem wir immer noch einen verfassungswidrigen Zustand haben, weil dieses Land die Wahlkreise so aufteilt, daß die Erreichung eines Mandates davon abhängt, daß man etwa 10 Prozent der Stimmen hat. Das, Kollege Wurmitzer, ist mit Sicherheit verfassungswidrig! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Nun ist es so, daß wir keine Möglichkeit haben, diese Verfassungswidrigkeit vor dem Verfassungsgerichtshof geltend zu machen, aber jemand anderer hat die Möglichkeit, nämlich die Bundesregierung. Das ist der Grund, warum die Grünen und wir einen gemeinsamen Antrag an diese Bundesregierung gestellt haben, von ihrem Recht Gebrauch zu machen, dieses Gesetz jetzt vor dem Verfassungsgerichtshof zu bekämpfen, weil es natürlich Zeit braucht, um nach Aufhebung dieses Gesetzes – wie man weiß, braucht auch dieses Verfahren schon Zeit – ein verfassungskonformes Gesetz zu gestalten, und weil wir erreichen wollen, daß wenigstens die


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nächste Landtagswahl in Kärnten, die, wenn die Legislaturperiode wirklich ausgesessen wird, 1998 ansteht, nach verfassungskonformen Prinzipien vor sich geht.

Das heißt, es liegt jetzt an der Bundesregierung, hier einzuschreiten, damit wir endlich zu verfassungskonformen Zuständen kommen, und es liegt an Ihnen, ob Sie diese Bundesregierung dazu verhalten wollen, indem Sie diesem Fristsetzungsantrag zustimmen.

Ich appelliere wirklich an Sie, denn ich denke, daß die Instrumente, die die Mächtigen dieses Landes jetzt schon haben, ausreichen. Ich denke etwa an die Unterstützungserklärungen, die eine wahlwerbende Partei braucht. Da muß man zum Gemeindeamt hingehen, man muß sich daher deklarieren, daß man möchte, daß eine bestimmte Partei kandidiert, man wird vom Herrn Bürgermeister aufgeschrieben, damit man es sich auch gut merkt, wer hier für die Pluralität in dieser Demokratie eingetreten ist. Diese Instrument haben Sie ja noch immer, solange wir es nicht schaffen, die Bevölkerung auch dafür zu sensibilisieren, um das zu ändern. Aber wenigstens den Verfassungsgrundsatz des Verhältniswahlrechtes haben Sie durchzusetzen, denn der steht in der Verfassung! Das können Sie sich nicht so hinbiegen, wie Sie wollen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Ich weiß schon, daß Sie und die SPÖ das möchten. Kollege Cap ist gerade nicht da, ich hätte ihm gerne gesagt, wie gerne auch er ein Mehrheitswahlrecht hätte, denn er sagte nämlich wörtlich: "Gäbe es ein Mehrheitswahlrecht, dann könnte die SPÖ die Regierung alleine bilden." – Das hat er am 16. Jänner 1996 geglaubt. Er wird es nicht mehr lange glauben.

Sie lachen, Kollege Kiss. Ihr Kollege Neisser ist der nächste, der leidenschaftlich darüber nachdenkt. (Abg. Kiss: Ich habe nichts gesagt!) Aber Sie haben gelacht. Ich wollte mich jetzt nicht umdrehen, weil ich nicht mehr viel Zeit habe. Er weiß es ohnehin, ich habe auch mit ihm schon darüber gesprochen. Er findet, man sollte über ein Mehrheitswahlrecht nachdenken.

Ihr glaubt, weil ihr euch jetzt der Pluralität und der Konkurrenz stellen müßt, daß es leichter ist, einfach das Wahlrecht so zu gestalten, daß kleinere Parteien gar keine Chance haben. Das ist das Übel daran!

Wenn ihr die Verfassung in Richtung Mehrheitswahlrecht ändern wollt, dann werdet ihr eine Mehrheit brauchen, und wir werden hoffentlich offen darüber diskutieren, daß das unserer Verfassungskultur widerspricht. Aber solange wir den Grundsatz des Verhältniswahlrechts haben, so lange haben sich gefälligst auch die Landtagswahlordnungen daran zu orientieren! – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich habe schon darauf hingewiesen, daß den folgenden Rednern eine Redezeit von je 5 Minuten zur Verfügung steht.

Ich erteile jetzt dem Abgeordneten Mag. Posch das Wort.

17.50

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Frau Abgeordnete Schmidt! Auch wenn ich Ihr Pathos und Ihr verfassungsrechtliches Plädoyer sehr schätze, würde ich doch Pluralität mit Verhältniswahlrecht nicht gleichsetzen. Pluralität ist theoretisch auch bei einem Mehrheitswahlrecht möglich. Das englische Beispiel, das ein sehr stark verzerrendes Mehrheitswahlrecht darstellt, hat sowohl demokratische Tradition als auch Pluralität. Deshalb würde ich das, was Sie hier in diesem Zusammenhang ausführten, so nicht gelten lassen wollen.

Zum vorliegenden Fristsetzungsantrag zum Entschließungsantrag 275/A (E) möchte ich jedoch bemerken, daß ich eine gewisse Sympathie für Ihr Anliegen nicht verhehlen kann, weil ich glaube, daß Parteien ab einer gewissen Größenordnung in den Legislativen repräsentativ vertreten sein sollten. Das Kärntner Wahlrecht steuert sicher einer sehr starken Zersplitterung oder, wenn man so will, italienischen Verhältnissen entgegen. Ein Kärntner Landtagsmandat entspricht nämlich nur etwa einem Prozent der abgegebenen Stimmen oder noch weniger.


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So gesehen könnte jede Kleingruppe mit einem gewissen Recht auf ein Mandat pochen. Dazu ist zu sagen, daß bis in die siebziger Jahre hinein, konkret bis 1974, Kärnten ein einziger Wahlkreis war. Die Einteilung in vier Wahlkreise wurde erst vorgenommen, nachdem der Verfassungsgerichtshof einer Wahlanfechtung stattgegeben hatte.

Von einer extremen Verkleinerung der Wahlkreise, von einem Wahlsystemwechsel zur Mehrheitswahl, wie es in Ihrem Antrag heißt, kann daher keine Rede sein.

Auch die im Antrag angegebenen zehn Prozent der Stimmen zur Erreichung eines Mandats sind zu hoch gegriffen. Tatsächlich liegt die Hürde bei etwa sieben Prozent, wobei ich schon zugeben muß, daß das sehr hoch ist. Man sollte meines Erachtens aber davon ausgehen, daß bei einer derart geringen Wahlzahl eine gewisse Akzeptanz vor Ort vorhanden sein sollte. Ein starkes Grundmandat hat daher auch eine gewisse Berechtigung.

8 000 bis 9 000 Stimmen in einem Wahlkreis mit 120 000 Wahlberechtigten scheinen mir angesichts dessen, daß ja doch eine gewisse Verankerung vor Ort gegenüber der Bevölkerung vorhanden sein sollte, eigentlich nicht so viel zu sein. So gesehen ist die hohe Eintrittshürde nicht so sehr ein Problem der Verfassung, sondern vor allem ein Problem deswegen, weil die Grünen und die Liberalen in Kärnten relativ schwach sind. Das ist aber mehr ein politisches als ein verfassungsrechtliches Problem.

Die Feststellung, daß die hohe Eintrittshürde – das ist eine Tatsache – prohibitiv wirke, wie Sie in Ihrem Antrag formulieren – übrigens ein Ausdruck, den ich eher mit Alkohol assoziiere –, indem sie potentielle Wählerinnen und Wähler von einer Stimmabgabe für Kleinparteien abhalte, ist vor allem eine schlimme Beleidigung Ihrer Wählerinnen und Wähler. Sie unterstellen ihnen damit ja, daß sie Sie nicht wegen Ihres Programms oder wegen Ihrer Personen wählen, sondern nur aufgrund der machtpolitischen Tatsache, ob Sie potentiell in der Lage sind, ein Mandat zu erreichen – was ja a priori gar nicht vorhersehbar ist. Für so dumm sollten Sie Ihre Wählerinnen und Wähler nicht halten.

Ob eine Anfechtung der Kärntner Landtagswahl zu einer Wahlwiederholung führen würde, vermag ich hier nicht zu beurteilen, weil eine korrekt durchgeführte Wahl an sich kein Anlaß für eine Wahlwiederholung ist, allenfalls könnte die Zuteilung der Mandate ein solcher Anlaß sein.

Obwohl ich also für Ihr grundsätzliches Anliegen – das möchte ich noch einmal betonen – Verständnis habe, meine ich doch, daß der vorliegende Fristsetzungsantrag formal auf der falschen Ebene eingebracht ist. Ich meine, daß die Entscheidung über die Kärntner Landtagswahlordnung genuin der Kärntner Landtagsgesetzgeber zu treffen hat, und ich betrachte es nicht als die Aufgabe des Bundesgesetzgebers beziehungsweise der Bundesregierung, sich in die Autonomie des Landes Kärnten einzumischen. Die Frage des Kärntner Wahlrechts soll das Land Kärnten selbst entscheiden und auch selbst verantworten. Daher werden wir dem vorliegenden Antrag nicht unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

17.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wurmitzer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.55

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Zunächst zwei Vorbemerkungen. Erstens: Es ist nicht alles, was Grüne und Liberale als undemokratisch bezeichnen, auch tatsächlich undemokratisch. Zweitens: Wenn wir Ihren Prozentsätzen in Kärnten Rechnung tragen wollten, so müßten wir – die Grünen haben bei der Landtagswahl 1,6 Prozent erreicht, das Liberale Forum 2,6 Prozent – die Prozenthürde unter drei Prozent senken.

Frau Dr. Schmidt! Ihr Antrag auf Fristsetzung ist aus unserer Sicht absolut entbehrlich. Mein Appell daher an Sie: Lernen Sie Geschichte! (Ironische Heiterkeit beim Liberalen Forum.) Würden Sie nämlich die Verhältnisse in Kärnten kennen, wüßten Sie, daß Kärnten bis zum Jahr 1978 ohnehin nur ein Wahlkreis war, daß die Aufhebung der burgenländischen Wahlordnung im


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Jahre 1978 der Grund dafür war, in Kärnten im Jahre 1979 eine neue Wahlordnung mit vier Wahlkreisen einzurichten. Die vier Wahlkreise haben annähernd die gleiche Wahlzahl, das heißt, man ist hier sehr, sehr gerecht vorgegangen. Im Oktober 1979 war dann die Landtagswahl in Kärnten.

Übrigens sind Sie, Frau Dr. Schmidt, mit Ihrer Anfechtung nicht die erste. Die Landtagswahlordnung in Kärnten wurde bereits im Jahre 1979 von den Kärntner Slowenen angefochten. Im Jahre 1981 hat der Verfassungsgerichtshof die Anfechtung der Kärntner Slowenen zurückgewiesen und die Kärntner Landtagswahlordnung und auch die Wahlkreiseinteilung bestätigt. Mit Ihrem Anfechtungsbegehren kommen Sie 15 Jahre zu spät! (Beifall bei der ÖVP.) Auch wenn Sie es verneinen, es ist so! Sie können das prüfen.

Damit hat die Kärntner Landtagswahlordnung bereits die demokratiepolitische Legitimation durch den Verfassungsgerichtshof in Österreich erhalten.

Auch Ihr Vergleich mit dem Bundesland Salzburg ist falsch. Es gibt in keinem einzigen Kärntner Wahlkreis eine Anforderung, mehr als 50 Prozent der Stimmen zu erreichen, sondern die Prozenthürde ist für alle gleich.

Wenn Sie sagen, Kärnten sei das einzige Bundesland, das die Grundmandatshürde kenne, so ist auch diese Feststellung falsch, denn auch im Bundesland Steiermark gibt es diese Bestimmung. Kärnten hat also überhaupt keine Angst vor einer Prüfung.

Frau Dr. Schmidt! Wie unrichtig Ihre Behauptungen sind, kann man allein dem Umstand entnehmen, daß Sie hier festgestellt haben, die nächste Kärntner Landtagswahl sei 1998. Das ist falsch! Sie ist 1999.

Noch einen Appell richte ich an Sie, Frau Dr. Schmidt: Respektieren Sie die Rechte der Länder und den föderalistischen Aufbau Österreichs! (Zwischenrufe beim Liberalen Forum.) Im Rahmen der österreichischen Bundesverfassung haben die Länder das Recht, ihre Wahlordnungen selbst zu regeln. Für die Volkspartei ist der Föderalismus kein Lippenbekenntnis, daher tragen wir diesem Umstand Rechnung. Die Länder haben Österreich in schwerster Zeit getragen, ohne Länder wäre die Gründung der Republik Österreich nach 1945 gar nicht möglich geworden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schaffenrath: Mein Gott!)

Föderalismus erkennt man daran, daß man auch bereit ist, Regelungen zu tragen, auch wenn sie nicht den eigenen politischen Vorstellungen entsprechen. (Abg. Mag. Barmüller: Oder der Verfassung!) Das Homogenitätsprinzip ist durch das Bundesverfassungsgesetz in jedem Fall gewährleistet.

Ich glaube, daß sich der Bundesgesetzgeber nicht das Recht anmaßen sollte, Wahlordnungen für die Länder zu beeinflussen und zu bestimmen. Das Bundesland Kärnten und die Kärntnerinnen und Kärntner haben in der Vergangenheit wiederholt eindrucksvoll bewiesen, daß sie ihre eigenen Angelegenheiten besser regeln können als die Zentralstellen in Wien. Deswegen vertrauen wir auch in Zukunft auf Kärnten. (Beifall bei der ÖVP und Beifall der Abg. Dr. Mertel. )

17.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Haupt. – Bitte.

17.59

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Dem Begehren der Frau Kollegin Dr. Schmidt, das Kärntner Wahlrecht durch die Bundesregierung beim Verfassungsgerichtshof überprüfen zu lassen, kann ich durchaus beitreten, aber nicht deswegen, weil ich Ihre Begründung teile, Frau Dr. Schmidt, sondern deswegen, weil ich glaube, daß es so ausgehen wird, wie es der Kollege Wurmitzer skizziert hat: daß nämlich sowohl die Wahrung des Homogenitätsprinzips als auch das entsprechende Verfahren der Jahre 1979 bis 1981 vollinhaltlich wieder bestätigt werden würden.


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Sie wissen ganz genau, Frau Dr. Schmidt, daß wir in Kärnten Verhandlungen auf Landesebene geführt haben. Meine eigene Fraktion ist eine Anhängerin der 5-Prozent-Hürde für den Zugang zum Kärntner Landtag. Die sozialdemokratische Fraktion hat sich für eine 4-Prozent-Hürde ausgesprochen. (Abg. Mag. Stadler: Das könnte für die ÖVP gefährlich werden!) Einzig und allein die Österreichische Volkspartei in Kärnten hat dieses Begehren der Mehrheit des Kärntner Landtages blockiert – aus Koalitionstreue mit der SPÖ und aus keinem anderen Grund!

Wir glauben also, daß es durchaus gerechtfertigt wäre, auch im Bundesland Kärnten eine 5-Prozent-Hürde bei bestehendem Landtagswahlgesetz in entsprechender Form auszuverhandeln und einzuführen.

Daß die Zeichen der Zeit von vielen in Kärnten noch nicht erkannt worden sind und die Fairneß des innenpolitischen Dialoges daher nicht in der gleichen Weise wie in der überwiegenden Mehrheit der anderen Bundesländer praktiziert wird, liegt auf der Hand.

Ich möchte nur hinzufügen: Die 5-Prozent-Regelung erscheint uns auch deswegen sinnvoll, weil sie der Mehrheit der österreichischen Bundesländer entspricht. Das war auch die Meinung der freiheitlichen Fraktion bezüglich des Zugangs auf Bundesebene. Von seiten der Freiheitlichen wurde durch mehr als drei Jahrzehnte eine genau gleiche Formulierung des Verhältniswahlrechtes in Österreich unterstützt.

Ich sehe daher keinen Grund, warum ich mit meiner Fraktion Ihrem Begehren nicht die Zustimmung geben sollte. Ich glaube erstens, daß das Kärntner Wahlrecht in der bestehenden Form durchaus den demokratischen Regeln dieser Republik auch unter den Gesichtspunkten des Verhältniswahlrechtes entspricht, ich glaube aber zweitens auch, daß es sich die Kärntnerinnen und Kärntner nicht verdient haben, daß jeweils nach einer Wahl diese als undemokratisch und was weiß ich was alles abqualifiziert wird.

Die Wahl wurde ordnungsgemäß durchgeführt, die dagegen erhobenen Einsprüche erfolgten aus rein parteitaktischen Gründen. Ich glaube daher, daß es sich die Kärntnerinnen und Kärntner verdient haben, durch eine neuerliche Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof in ihrer Meinung, ein demokratisches Wahlrecht zu haben, bestätigt zu werden.

Für Verhandlungen über ein Verhältniswahlrecht mit einer 5 Prozent-Klausel in Kärnten sind wir Freiheitlichen offen. Wir haben entsprechende Verhandlungen bereits geführt. Wir haben im Kärntner Landtag diese unsere Vorstellungen eingebracht und stehen jederzeit zur Verfügung, sie auch in die Praxis umzusetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr hat sich Frau Abgeordnete Petrovic zu Wort gemeldet. – Bitte, Sie haben das Wort.

18.02

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist eine recht traurige Kurzdebatte. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ja, auch Ihre Zwischenrufe finde ich sehr traurig, denn das Wesen einer Fristsetzung besteht darin, daß bis zu einem bestimmten Zeitpunkt über einen Antrag im Ausschuß beraten und befunden werden muß. Das Wesen einer Fristsetzung besteht nicht darin, Herr Abgeordneter Wurmitzer und Herr Abgeordneter Posch, daß Sie sich inhaltlich mit dem Antrag identifizieren müssen. Einer Fristsetzung nicht zuzustimmen, heißt aber, eine ausführliche und in die Tiefe gehende Debatte zu verweigern. Die einzige Debatte, die wir haben, ist diese 5-Minuten-Debatte. So schaut es aus mit Ihrem Demokratieverständnis! – Das zum ersten.

Zweitens: Die Autonomie des Landesverfassungsgesetzgebers wird von niemandem hier in Frage gestellt. Nur gibt es in dieser Republik – noch, sage ich – das Prinzip, daß die Kontrolle von jemandem ausgeübt wird, der in einer bestimmten Materie das Sagen hat. Das haben Sie sogar bei irgendeiner Wahl plakatiert: Macht braucht Kontrolle. Offenbar braucht man Kontrolle in Kärnten aber nicht so sehr.


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Wenn daher die Bundesregierung aufgefordert wird, ein Recht, das nur sie hat, das leider eine kleinere Gruppierung nicht hat, was wahrscheinlich auch geändert werden sollte, auszuüben, dann soll die Bundesregierung dieses Recht auch tatsächlich ausüben. Überdies gibt es sehr wohl – und auch da irren Sie – ein Prinzip, daß die Landesverfassungen im Prinzip und im Kern der Bundesverfassung entsprechen müssen, ihr jedenfalls nicht widersprechen dürfen.

Es geht hier nur darum, eine sich aus der geänderten politischen Situation und aus den geänderten Begründungen ergebende sinnvolle Anfechtung dieser Wahlordnung zuzulassen. Das heißt noch nicht, daß ein bestimmtes Ergebnis herauskommt. Aber denjenigen, die von vornherein sagen: Es darf nicht geprüft, es darf nicht kontrolliert werden!, werfe ich heute und hier einen Mißbrauch ihrer Macht vor. (Beifall bei den Grünen.)

Eines wissen Sie ja auch genau: daß gerade in Kärnten – und das sage ich vor allem an die Adresse der sozialdemokratischen Fraktion – die politische Situation heute bereits von drei Mittelparteien geprägt wird. Das birgt natürlich ein sich selbst verstärkendes Prinzip in sich, das gegen kleinere Gruppierungen wirkt. Denn wer eine dieser drei Gruppierungen nicht will, der kann ja praktisch keine kleinere Gruppierung wählen, wissend, wie hoch diese Hürde liegt, denn das könnte bedeuten, daß die Stimme letztlich gar nicht zählt.

Das ist ein patentes Rezept, um die Opposition nicht größer werden zu lassen. Aber, meine Damen und Herren, das ist ein Prinzip, das auch Sie selbst betrifft. Die beschämenden Vorfälle rund um die letzte Bestellung des Landeshauptmannes – Geheimverträge, Abreden, angeblich gebrochen oder auch nicht – waren ein Schauspiel, bei dem ganz Österreich, und zwar nicht bewundernd, nach Kärnten geschaut hat. Die Möglichkeit eines derart beschämenden Schauspiels zementieren Sie ein, indem Sie echte Pluralität nicht zulassen, ja nicht einmal zulassen, daß das geprüft wird – bei offenem Ergebnis. (Abg. Wurmitzer: Das wurde schon geprüft!) Nein, das wurde nicht geprüft! Aber wenn Sie so sicher sind, Herr Abgeordneter Wurmitzer, dann lassen Sie es doch zu! Lassen Sie es doch zu! Lassen Sie nur zu, daß im Ausschuß offen diskutiert wird. Fristsetzung heißt ja nicht, daß Sie zustimmen müssen. Auch in diesem Punkt scheinen Sie das Wesen der Geschäftsordnung und der Verfassung zu verkennen.

Eines stimmt mich im Lichte der Stellungen der drei anderen Parteien, die diesen Antrag nicht gestellt haben, ganz besonders traurig. Merken Sie denn nicht, was jetzt hier passiert? – Daß in vielen Punkten – nicht nur bei der Kärntner Landtagswahlordnung, auch wenn es etwa um das passive Wahlrecht für ausländische Studierende geht, auch wenn es um die Diskussion über die Homosexualität geht – die FPÖ, aus welchen Gründen auch immer – taktische, strategische –, immer moderatere Töne anstimmt, immer mehr in die Mitte drängt, und daß Sie es sind, die wirklich in einem reaktionären Eck stehen, und daß Sie eine lebendige Demokratie immer mehr zu verhindern trachten, weil Sie sie fürchten? (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

18.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Ich lasse jetzt abstimmen über den Antrag der Abgeordneten Dr. Schmidt, Dr. Petrovic und Genossen, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 275/A (E) der Abgeordneten Dr. Schmidt, Dr. Petrovic und Genossen betreffend Anfechtung der Kärntner Landtagswahlordnung beim Verfassungsgerichtshof eine Frist bis 15. Jänner 1997 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit . Der Antrag ist abgelehnt.


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Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gehen jetzt in der Tagesordnung weiter.

10. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (379 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz geändert wird (KAG-Novelle 1996) (429 der Beilagen)

11. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (380 der Beilagen): Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen (430 der Beilagen)

12. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (381 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1984 geändert wird (431 der Beilagen)

13. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (382 der Beilagen): Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1997 bis 2000 und

die Petition Nr. 12 betreffend "Erhaltung der Akutversorgung im Krankenhaus Waiern", überreicht von den Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Edeltraud Gatterer und Georg Wurmitzer (432 der Beilagen)

14. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 60/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Verbesserung des Gesundheitsberichtswesens (433 der Beilagen)

15. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 243/A (E) der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend Verwendung internationaler ICD- und ICPM-Kataloge im Rahmen des LKF-Systems (434 der Beilagen)

16. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 319/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Erhaltung des Krankenhauses Sierning in seiner derzeitigen Form (435 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen zu den Punkten 10 bis 16, über welche die Debatte in einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich erteile daher als erster Rednerin Frau Abgeordneter Dr. Povysil das Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


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49. Sitzung / Seite 158

18.11

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident, Gesundheit wünsche ich Ihnen! Frau Minister, Gesundheit! Meine Damen und Herren, auch Ihnen wünsche ich vor allem Gesundheit! (Rufe: Danke!) Schopenhauer sagt: Neun Zehntel unseres Glücks beruhen allein auf der Gesundheit. Mit ihr wird alles eine Quelle des Genusses. Hingegen ist ohne sie kein äußeres Gut, welcher Art es auch sei, genießbar.

Meine Damen und Herren! Neun Zehntel unseres Glücks! Immerhin ein ganz schön großer Anteil. Die Frage ist nun: Was sind uns diese neun Zehntel unseres Glücks wert? Die Frage ist auch: Wie kann man in unserem Gesundheitssystem die Balance zwischen der verständlichen Forderung nach höchster Qualität auf allen Ebenen und den dazu nötigen Geldmitteln finden?

Man muß, so meine ich, ein System schaffen, das auf eine klare Kompetenzverteilung hinweist, das eine transparente Kostenverteilung aufweist und zukunftsweisende Strukturen beinhaltet.

Frau Minister! Sie hätten die Chance auf diese historische Reform! Wo, bitte, sind die klaren Kompetenzregelungen? – Sie schwanken zwischen Föderalismus und Zentralismus. Verhandlungen zwischen Bund und Ländern werden verschleppt, stagnieren, wie zum Beispiel beim Arbeitszeitgesetz, das heute und hier auf der Tagesordnung sein sollte.

Frau Minister! Sie haben ein neues Finanzierungssystem eingeführt. Bravo, Frau Minister! Gut gemacht! Aber der Sinn dieses Finanzierungssystems hätte doch sein sollen, der Spitalslastigkeit entgegenzuwirken. Es hätte doch so sein sollen, daß die notwendigen Leistungen in den Spitälern durchgeführt werden, daß aber die nicht notwendigen in den extramuralen Raum verlagert werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Minister! Sie führen aber Ihre eigenen Maßnahmen ad absurdum, denn Sie wissen ganz genau, daß die Sozialversicherungen durch ihre Beitragsannahmen nur mehr einen gedeckelten Betrag an die Länderfonds abgeben. Sie wissen auch, daß die Sozialversicherungen nun ihre Patienten in die Spitäler geben und nicht aus den Spitälern herausholen wollen, und zwar aus dem einfachen Grund, weil Sie nur mehr diese gedeckelten Beträge an die Spitäler zahlen wollen.

Es gibt Briefe von den Sozialversicherungen, daß präoperative Leistungen nun in den Spitälern gemacht werden sollen und nicht mehr außerhalb der Spitäler. Es gibt auch Briefe von den Sozialversicherungen, die ganz eindeutig besagen, daß MRCT-Untersuchungen in die Spitäler hinein und nicht aus den Spitälern hinaus verlagert werden sollen.

Heute las ich mit großem Erstaunen in der Zeitschrift "NEWS", daß Sie einen massiven Abbau von Kassenärzten vorschlagen. Frau Minister, bitte bringen Sie Licht ins Dunkel Ihrer Überlegungen! Da beißt sich ja ununterbrochen die Katze in den Schwanz. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Minister! Wo bleibt die Vision? Wo bleibt die Qualität? – Getragen wird das Gesundheitssystem durch die Gesundheitsberufe, durch die Ärzte und alle anderen Gesundheitsberufe, und diese sind in einer Front geschlossen gegen Sie. (Abg. Dr. Leiner: Das stimmt nicht!) Und die Diskussion entzündet sich an dem Wort "Rufbereitschaft". (Abg. Dr. Leiner: Das stimmt nicht!) Ich werde es Ihnen beweisen. – Was steckt dahinter?

Seit Jahren sind in Österreich einheitliche Arbeitszeitregelungen für Spitäler fällig, und zwar zu Recht fällig! Es soll endlich mit der patientengefährdenden, bis zu 100 Wochenstunden dauernden Arbeitszeit für Spitalsärzte aufgehört werden. Diese Regelungen werden nun endlich durch EU-Richtlinien von Österreich eingefordert. Allerdings widersetzen sich aus Eigeninteresse einige Bundesländer, vor allem jene, die wenige Fachärzte haben, vehement diesen humanen Arbeitszeitgesetzen. Seit gestern soll es ja zu einer Einigung gekommen sein, aber diese Einigung ist, soweit ich weiß, ein absoluter Sieg der Länder, wenn es diese Einigung überhaupt gibt. Aber sie hat überhaupt nichts mit Arbeitnehmerschutz zu tun. Die einzige Antwort, die der Spitalsärztevertreter Dr. Suntinger auf diese Einigung hat, lautet: Jetzt gibt es Streik! (Abg. Mag. Guggenberger: Das muß ein Freiheitlicher sein!)


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Frau Minister! Vor dem Hintergrund des Beschlusses des AZG haben Sie den Ländern ein politisches Zuckerl gegeben, nämlich die Rufbereitschaft!

Nur zur Erinnerung: Betroffen von der Rufbereitschaft sind indirekt die Universitätskliniken, sind direkt einige Schwerpunktspitäler, sind direkt sämtliche 92 Standardspitäler, Spitäler mit einer Anzahl von 30 bis 714 Betten.

Wie lautet der derzeitige § 8 im KAG? – Der ärztliche Dienst muß so eingerichtet werden, daß an Nacht-, Sonn- und Feiertagsdiensten jederzeit eine notfallmedizinische Versorgung durch einen in der Krankenanstalt anwesenden Facharzt aus bestimmten Fächern gewährleistet ist sowie eine Rufbereitschaft der jeweilig in Betracht kommenden Sonderfächer gegeben ist. – Das heißt, das von der EU eingeforderte Arbeitszeitgesetz wird nun durch die Rufbereitschaft praktisch unterlaufen. (Abg. Dr. Leiner: Wieso?)

Derzeit fehlen bereits 600 Ärzte für einen gesetzeskonformen Betrieb. Bis zum Ende der Übergangsfrist, so wie bisher im Arbeitszeitgesetz vorgesehen, müßten 1 200 Ärzte mehr eingestellt werden.

Nun sagt die Frau Minister, das seien ja nur Rahmenbedingungen und es liege im Ermessen der Länder, daß man höhere Standards einrichtet. Aber die Realität ist ja: Der Plan zielt auf Einsparungen ab. Die Realität ist ja, daß die Länder durch die gedeckelten Beträge der Sozialversicherungen eben nur mehr ganz bestimmte Beträge zur Verfügung haben, daß die Spitalskosten zwar steigen werden, daß aber in die Sozialversicherungen weniger eingezahlt werden wird. Das heißt, die Schere wird immer weiter auseinanderklaffen. Und wo werden die Länder sparen? – Natürlich bei den Personalkosten, die 60 Prozent der gesamten Spitalskosten ausmachen.

Meine Damen und Herren! Die Garantieerklärung der Länder, daß sie den Standard beibehalten werden, ist ja ein Witz! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Die ist wirklich ein Witz, geschrieben auf einen Gasthauszettel. Handschriftlich hat Landesrat Bischof seine Garantieerklärung, daß er den Standard beibehalten wird, hingeschrieben. Das ist doch lächerlich! (Abg. Dr. Leiner: Handschlag genügt!) Herr Kollege, sei mir nicht böse, was heißt Handschlag und gesetzliche Haltbarkeit? Das ist ja geradezu lächerlich. Er soll uns nicht für dumm verkaufen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Leiner: Ein Wort genügt!)

Was sind jetzt die genauen Auswirkungen dieser Rufbereitschaft für Ärzte und Patienten?

Punkt 1: Ein Facharzt in den Standardspitälern ist der Mindeststandard. Das kann zu ganz grotesken Situationen führen, auf die ich jetzt gar nicht näher eingehen möchte.

Punkt 2: Die Erstversorgung der stationären Patienten und der Notfallpatienten, also die Erstbehandlung, wird vom Turnusarzt vorgenommen. Der Turnusarzt ist bekanntlich ein promovierter Mediziner ohne Berufsberechtigung. Das heißt, er ist zur selbständigen Ausübung seines Berufes nicht berechtigt. Das ist keine Abqualifizierung des Turnusarztes, sondern das ist die Realität. Ich weiß das, denn ich war selbst Turnusarzt.

Nun versucht aber die Frau Minister, dieses Gesetz zu beugen. Und nun stellen Sie sich einmal vor: Am Tag – wenn genügend Personal da ist, wenn das gesamte Gesundheitspersonal anwesend ist und wenn die Fachärzte da sind – darf der Turnusarzt nicht selbständig tätig sein, am Tag ist er das, was er ist, nämlich der Lehrling, der lernt. (Abg. Dr. Pumberger: So wie der Zauberlehrling!) Aber in der Nacht darf er plötzlich, wenn es ihm gestattet wird und er über die entsprechenden Kenntnisse verfügt, alles tun. In der Nacht darf er plötzlich völlig selbständig zuerst einmal den Patienten stationär oder ambulant notfallversorgen, und erst danach muß er den Facharzt rufen. Das darf er in der Nacht tun, obwohl er es am Tag unter wesentlich besseren Bedingungen nicht machen darf.

Das ist unzumutbar! Das ist fahrlässig! Das ist haftungsrechtlich einfach absolut nicht haltbar! Und das ist ein massiver Qualitätsverlust für den Patienten!


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Wissen Sie, was die Aussage vom Turnusärztevertreter Österreichs, von Dr. Schlögel ist? – Er sagt: Die Kollegen haben Angst! – Na klar, natürlich haben sie Angst! Sie haben Angst, daß zum Beispiel ihr Vorgesetzter sagt: Du kannst das schon in der Nacht! Du kannst mich ja rufen, wenn du mich brauchst!

Aber dann stehen sie vor der Entscheidung und wissen in akuten Situationen vielleicht nicht, was sie tun sollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es gibt ja bereits ganz eindeutige Urteile. Es gibt ein Urteil des Obersten Gerichtshofes zur Haftung des Turnusarztes. Es hat ein in Ausbildung befindlicher Turnusarzt für Anästhesiologie folgendes gemacht: Es ist ein zehnjähriges Kind wegen akuter Blinddarmentzündung ins Krankenhaus eingeliefert worden, und der diensthabende Turnusarzt hat, weil er eben gedacht hat, er könne es schon, beschlossen, dieses Kind zu anästhesieren. Dabei ist es zu einem Zwischenfall gekommen. Das Kind befand sich in der Folge mehrere Wochen bewußtlos im Krankenhaus, aber die Rehabilitation gelang nur partiell, was zur Folge hatte, daß dieses Kind jetzt behindert ist. Dieser Turnusarzt sowie der Krankenhausträger sind in erster und zweiter Instanz verurteilt worden. – Aber trotz dieser Urteile wird dieses Gesetz jetzt beschlossen.

Betrachten wir das Ganze einmal aus der Sicht des Patienten, nicht aus der Sicht des Arztes – ich möchte Ihnen dieses Beispiel nur schildern, damit Sie wissen, wie es in Wirklichkeit läuft –: Es hat es vor einem Jahr in Oberpullendorf folgendes Geschehnis gegeben: Ein junger Mann ist in einer Diskothek niedergeschlagen und daraufhin in das zuständige Krankenhaus gebracht worden. Dort ist der diensthabende Turnusarzt ausgepiepst worden. Der Patient hat aus drei Stellen, aus den Augen und aus der Nase geblutet. Es wurden von diesem Mann dann Röntgenbilder gemacht, doch der Turnusarzt war sich unschlüssig, was er mit diesen Röntgenbildern eigentlich tun soll. Er hat gesagt, er müßte eigentlich den rufbereiten Augenarzt auspiepsen. Aber er hat dann gemeint, er piepse ihn doch nicht aus, er werde diesen am Samstag verunglückten Patienten aufnehmen, am Montag käme ohnehin der Augenarzt und der würde ihn dann anschauen.

Der Patient ist aber nicht in diesem Krankenhaus geblieben, sondern in ein anderes Spital gegangen. Dort hat sich dann herausgestellt, daß er Schädelbrüche, einen offenen Schädelbasisbruch mit Austritt von Gehirnflüssigkeit, ein Monokelhämatom und noch anderes mehr hatte.

Meine Damen und Herren! Turnusärzte sind Auszubildende, für die wir die Verantwortung zu tragen haben. Es sind junge Ärzte, von denen wir nicht verlangen können, daß sie in der Nacht plötzlich etwas können, was wir ihnen am Tag nicht zumuten. Dieses Gesetz ist daher haftungsrechtlich nicht durchzubringen und nicht möglich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Schauen wir uns aber dieses Gesetz, wenn man schon eine so schlechte Regelung macht, einmal von der finanziellen Seite an: Was würden diese Regelungen an Einsparungen bringen? – Da gibt es zwei Arten der Einsparung: Die erste wäre die, daß die Umwandlung des Anwesenheitsdienstes in eine Rufbereitschaft billiger käme. Das stimmt aber auch nur ganz marginal, denn in dem Moment, in dem der Rufbereite wirklich ins Spital fährt und dort arbeitet, ist die Bezahlung praktisch die gleiche. Das kann man zum Beispiel aus den Tarifen des Landes Oberösterreich leicht entnehmen.

Die zweite Art wäre die zukünftige Kostenersparnis bei Einführung des AZG. Würde das AZG in der ursprünglichen Form eingeführt werden, dann gäbe es – darüber gibt es Berechnungen von der Ärztekammer – ein Einsparungspotential von 280 Millionen Schilling. Gut, 280 Millionen sind relativ viel Geld, aber wir müssen das in Relation zu den Gesamtkosten der Ärzte in Höhe von 5 Milliarden Schilling sehen.

Ich möchte nun einen Abänderungsantrag einbringen, der die Situation der Turnusärzte darstellt. Wir sind der Auffassung, daß, wenn ein Arzt in Rufbereitschaft ist, nur ein Arzt mit ius practicandi, der über die Fähigkeiten in dem Fach, in dem er tätig ist, hinaus über Kenntnisse verfügt, auf der Abteilung Dienst machen darf.


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Ich bringe daher folgenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Povysil und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1984 geändert wird, 381 der Beilagen, in der Fassung des Ausschußberichtes 431 der Beilagen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage 381 der Beilagen in der Fassung des Ausschußberichtes 431 der Beilagen wird wie folgt geändert:

Ziffer 1 entfällt. Die bisherige Ziffer 2 bedarf daher keiner Ziffernbezeichnung.

*****

Damit Sie nicht glauben, ich betreibe reine Oppositionspolitik und bin prinzipiell gegen das, was die Regierungsparteien machen, zitiere ich Ihnen noch einige Meinungen der Fachöffentlichkeit:

Die Meinung von Ärztekammerchef Neumann ist hinreichend bekannt, ich brauche sie daher nicht mehr zu zitieren.

Der Innsbrucker Dozent Kurt Grünewald hat die Situation noch krasser geschildert. Er hat gesagt: "Der gesündeste Patient muß eben einen Erste-Hilfe-Kurs machen und mit der Nachtschwester den Dienst versehen."

Aber das, was vielleicht auch die Sozialdemokratische Partei interessiert, ist das, was Stadtrat Rieder gesagt hat. Stadtrat Rieder hat erklärt, der Entwurf sei gesundheitspolitisch und verfassungsrechtlich bedenklich.

Wissen Sie, was Stadtrat Rieder gemacht hat? – Er erklärte im "Standard", daß er die Rufbereitschaft nicht einführen werde, weil ihm das zu gefährlich sei. – Das erklärt Ihr eigener sozialdemokratischer Stadtrat in der Zeitung "Standard"!

Gegen die Rufbereitschaft ist die Fakultätsvertretung Medizin, dagegen ist die ARGE-Ärzte im ÖGB, und dagegen sind auch die Turnusärztevertreter, die sagen, sie fühlen sich keinesfalls in der Lage, die Verantwortung dafür zu übernehmen. Außerdem dagegen ist der Personalgruppenausschuß Ärzte der Gewerkschaft. Dagegen sind die Medizinischen Fakultäten Wien, Innsbruck, Graz, die Primarärztevertreter und Mittelbauvertreter Österreichs. Dagegen gestimmt hat auch Abgeordneter Dr. Rasinger von der ÖVP. Dagegen gestimmt beziehungsweise sich der Abstimmung durch Abwesenheit entzogen hat sich Frau Primaria Pittermann. (Abg. Koppler: Was sagen die Oberösterreicher?) Die Oberösterreicher sind – ich verstehe sehr wohl Ihren Einwand – nur durch ihre ärztlichen Leiter vertreten. Aber man muß wissen, daß die ärztlichen Leiter in ihren Positionen eindeutig vom Dienstgeber abhängig sind und damit Dienstgeber- und Spitalserhaltermeinung vertreten müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich appelliere an Sie, die Rufbereitschaft nicht einzuführen, und zwar so lange nicht einzuführen, solange das AZG nicht beschlußreif ist. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie der Abg. Dr. Gredler. )

Sollte es heute doch dazu kommen, dann haben die Kampfmaßnahmen, die die Ärztekammer angekündigt hat, ihre Berechtigung. Wir werden sowohl diese Kampfmaßnahmen als auch ein Volksbegehren unterstützen, denn wenn die Politiker unfähig sind, einheitliche Entscheidungen zu einer so wichtigen Gesetzesmaterie wie der Gesundheitsreform zu treffen, dann sollen die Bürger beziehungsweise die Patienten entscheiden, was ihnen die Gesundheit wert ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.28


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49. Sitzung / Seite 162

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Der Abänderungsantrag, den Frau Abgeordnete Dr. Povysil vorgetragen hat, ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Guggenberger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.28

Abgeordneter Mag. Walter Guggenberger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Dr. Povysil ist ja bekanntlich eine Abgeordnete aus Oberösterreich, und es ist schon in einem Zwischenruf von meinem Kollegen Erhard Koppler erwähnt worden, was sich in diesem Bundesland abgespielt hat. In Oberösterreich hat es nämlich eine Stellungnahme aller 22 – ich betone: aller 22! – Krankenhausdirektoren beziehungsweise ärztlichen Direktoren gegeben, in welcher diese übereinstimmend festgestellt haben – ich zitiere –: Wir sind der Ansicht, daß die geplante gesetzliche Festschreibung der fachärztlichen Rufbereitschaft keinen unmittelbaren Qualitätsverlust bringt. – Das gleiche hat man mir auch in etlichen Tiroler Krankenhäusern, die ich in den letzten Wochen besucht habe, gesagt. Und Kollege Lackner kann Ihnen berichten, wie es in Vorarlberg ist.

Liebe Frau Kollegin! Wenn Sie in dieser Frage für Oberösterreich oder für Tirol oder für Vorarlberg reden, dann habe ich das Gefühl, daß Sie ein Häuptling ohne Indianer sind, denn die Ärzte in den Spitälern sehen das nämlich ganz anders, liebe Frau Kollegin. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Das wird sich herausstellen!)

Meine Damen und Herren! Wir sind es ja schon gewohnt, daß Freiheitliche sich in Debatten wie dieser hier herausstellen und das System insgesamt krankjammern. Vor wenigen Tagen ist ein sehr bemerkenswertes, lesenswertes Buch mit dem Titel "Gesundheitssysteme im internationalen Vergleich" erschienen. Darin werden die Gesundheitssysteme von 17 entwickelten Ländern verglichen.

Wissen Sie, was daraus zu entnehmen ist? – In Österreich ist es in den letzten zehn Jahren gelungen, die Lebenserwartung der Bevölkerung von 72 ½ Jahren auf 76 ½ Jahre zu steigern. Das ist ein Zuwachs der Lebenserwartung um vier Jahre! (Abg. Mag. Stadler: Wollen Sie jetzt gegensteuern?) Das ist ein Zuwachs, Herr Kollege Stadler, den es in keinem anderen Land der Welt gibt! Wenn das kein Indikator für das Funktionieren eines Systems ist, dann frage ich mich, was es überhaupt für Indikatoren gibt. Das ist der Beweis dafür, daß wir über ein ganz hervorragendes, gut funktionierendes System verfügen! (Beifall bei der SPÖ.)

Man kann natürlich kritisch fragen: Gut, das System funktioniert zwar, aber was kostet es uns denn? Ufern seine Kosten aus, ist es noch finanzierbar? – Aber auch im Kostenbereich können Sie feststellen, daß wir mit unserem System sogar geringfügig unter dem EU-Durchschnitt liegen.

Sehen Sie sich doch zum Beispiel an, welche Gesundheitskosten die von Ihnen immer so hochgelobte und als Beispiel hingestellte Schweiz hat. Wissen Sie, wie das dort ausschaut? – Die Schweiz hat das zweitteuerste Gesundheitssystem der Welt! Dort sind die Kosten für das Gesundheitssystem allein in den letzten sechs Jahren um 100 Prozent gestiegen! Die Qualität der Schweizer medizinischen Versorgung ist aber mit mitnichten besser als unsere.

So hat etwa die "Neue Zürcher Zeitung" vor wenigen Tagen über die Probleme des dortigen Gesundheitswesen berichtet, und sie schreibt: Die Probleme sind: laufende Ausdehnung des Leistungsangebotes, fehlende Planung und Koordination, Überkapazitäten im Krankenhaus, Überversorgung mit teuersten Diagnosegeräten, fehlende Kostentransparenz und mangelnde Kontrollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! All das, was die Schweizer als fehlend kritisieren, all das, was die Schweizer urgieren, werden wir mit den Maßnahmen, die wir heute beschließen, in unserem Gesundheitssystem einführen. Wenn das kein Erfolg ist, was ist denn dann überhaupt ein Erfolg? – Haben Sie die Größe, auch einmal anzuerkennen, daß das, was hier und heute


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beschlossen werden kann, beispielhaft ist und daß damit ein großer Schritt in die richtige Richtung gesetzt wird!

Sie haben seit Jahren immer wieder gefordert – und auch wir haben in diese Richtung gearbeitet –, ein neues Finanzierungssystem für den Gesundheitsbereich einzuführen: Weg von den Belegstagen, hin zur leistungsorientierten Krankenhausfinanzierung. – Wir werden dieses System ab 1. Jänner 1997 einführen. In Vorarlberg haben wir gute Erfahrungen damit gemacht. Es konnten dadurch auch die Belegstage reduziert werden.

Sie haben auch immer wieder gefordert, daß dieser alte, schon etwas in die Jahre gekommene Krankenanstalten-Zusammenarbeitsfonds auslaufen müsse. – Nun läuft er aus. An seine Stelle werden neun Länderfonds und eine Strukturkommission treten.

Sie haben immer wieder gefordert: Wir brauchen doch einen österreichweiten verbindlichen Krankenanstaltenplan! – Noch vor wenigen Monaten hat niemand in diesem Land daran geglaubt, daß es gelingen würde, ein derartiges Instrument zu schaffen.

Der Frau Bundesministerin und ihren Beamten ist es in vielen, vielen, sehr zähen Verhandlungen gelungen, mit allen Bundesländern in dieser so sensiblen und heiklen Frage Übereinstimmung zu erzielen! (Abg. Dr. Pumberger: Es ist ihnen gelungen, die Bundesländer über den Tisch zu ziehen!) Es ist ihnen gelungen, Übereinstimmung zu erzielen etwa in der Frage der Großgeräte, es ist ihnen gelungen, regionalen Lobbyismus und Prestigedenken zurückzudrängen. Bisher hat man so etwa nach dem Motto "Fesch samma, Geld hamma" eingekauft, was gut und teuer war, und jedes dieser technischen Wunderwerke hat uns den finanziellen Problemen des Gesundheitssystems ein großes Stück näher gebracht.

All das wird samt und sonders der Vergangenheit angehören. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind doch Leistungen, die anerkennenswert sind! Wir sind stolz darauf, daß wir dieses Paket heute zum Beschluß erheben können! (Beifall bei der SPÖ.)

Es werden nach mir noch Kolleginnen und Kollegen, die selbst im Krankenhaus tätig sind, zum Thema Rufbereitschaft sprechen. Nur eine Bemerkung über so manche Feststellung, die in den letzten Wochen getroffen wurde, sei mir gestattet. Stichwort: Beitrag zur fahrlässigen Tötung, Stichwort: Wir werden dem Tod keinen Vorsprung lassen. – Darüber kann man bestenfalls nur den Mantel des Vergessens breiten!

Wenn sich all diese agitatorischen Nebelschwaden verzogen haben werden und man den Blick auf das Wesentliche wieder finden wird, dann wird man feststellen, daß die Sicherheit und die Qualität der medizinischen Versorgung in den Krankenanstalten in keiner Weise beeinträchtigt wird.

Die Länder – das sei zugestanden – haben ein großes Stück Verantwortung dafür übernommen, daß es so bleiben wird. Die Länder haben alle, samt und sonders, verbindliche Zusagen abgegeben. Sie werden dafür sorgen, daß die derzeitigen Qualitätsstandards erhalten bleiben! (Widerspruch der Abgeordneten Motter, Dr. Povysil und Dr. Pumberger. )

Nehmen wird doch die Länder in die Pflicht! Trachten wir doch danach, daß die Länder ihre Verpflichtungen einhalten! (Abg. Dr. Feurstein: Für uns in Vorarlberg ist das kein Problem!) Wenn allerdings ein Land, von diesen Zusagen abweichend, Facharztpräsenzen reduziert, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann sind auch wir auf der Seite der Ärzteschaft, dann sind auch wir auf der Seite der Bevölkerung und dann werden wir ganz entschieden protestieren! (Abg. Dr. Povysil: Jetzt sind Sie nicht auf der Seite der Bevölkerung?)

Haben wir doch heute die Größe, anzuerkennen, was geleistet wurde! (Abg. Onodi: Keine Panikmache! – Zwischenrufe beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen.) Hören wir doch damit auf, Panikmache zu betreiben, sondern erkennen wir an, daß hier ein guter Schritt gesetzt wurde, um maßgeschneiderte regionale Lösungen zu treffen.


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Alles in allem: ein guter Tag für das österreichische Gesundheitswesen. Ein erster, ganz großer Schritt wurde gesetzt, weitere Schritte werden folgen müssen. – Frau Bundesministerin! Wir werden gemeinsam mit Ihnen auch in den nächsten Jahren die Ärmel aufkrempeln. Alles Gute! (Beifall bei der SPÖ.)

18.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Motter. – Bitte, Sie haben das Wort.

18.37

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Guggenberger, wir sind zwar in vorweihnachtlicher Stimmung, aber das Weihnachtswunder im Gesundheitswesen wird durch Ihre Rede und durch Ihre euphorischen Aussagen sicher nicht eintreten! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen.)

Noch eine Information, Herr Kollege Guggenberger: Auch die Vorarlberger Ärztekammer stellt sich mit ihren Ärzten gegen die Rufbereitschaft! Das wollte ich hier noch einbringen, weil ich Vorarlbergerin bin und Sie Frau Kollegin Povysil kritisiert haben. (Abg. Mag. Guggenberger: Sie ist ein Häuptling ohne Indianer!)

Aber nun zur eigentlichen Debatte: Es hat alles so schön begonnen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Feurstein. ) Wie bitte? (Abg. Dr. Feurstein: Die Vorarlberger Ärzte wenden sich gegen etwas anderes, nicht gegen die Rufbereitschaft!) – Bitte lassen Sie mich fortsetzen, ich habe leider nicht viel Zeit.

Meine Damen und Herren! Es hat alles so schön begonnen: Eine Frau Bundesministerin für Gesundheit, die endlich der leidigen Verlängerung des KRAZAF ein Ende machen will, eine Regierung, die sich auf die Fahnen heftet: Wir machen Ernst mit einer Reform des Gesundheitssystems!, und endlich wurden ernsthafte Verhandlungen mit den Ländern geführt.

Meine Damen und Herren von der Koalition! Ich glaube Ihnen, daß das keine leichte Sache war. Und ich sehe auch an der Miene der Frau Ministerin, daß sie nicht ganz so glücklich ist, wie es Herr Mag. Guggenberger heute von sich behauptete. – Dies zur Sache der Verhandlungen mit den Ländern.

Die dazwischen gekommenen Neuwahlen im vergangenen Jahr haben dann allerdings den Zeitplan in Unordnung gebracht, und so wurde der KRAZAF, der vor Jahrzehnten als Provisorium geschaffen worden war, noch einmal verlängert. – Zur Erinnerung: Der KRAZAF sollte schon damals, als er ins Leben gerufen wurde, die Defizite der Krankenanstalten mildern. Er entwickelte sich aber wegen seiner Reformunfähigkeit zu einem Beschleunigungsfaktor der Spitalsdefizite.

Der KRAZAF, eigentlich ein Ausgleichsfonds, hat es nie erreicht, die Kostenspirale zu bremsen oder gar das System zu verändern. So haben sich die Betriebskosten der Spitäler durch den KRAZAF in den vergangenen zehn Jahren weit mehr als verdoppelt.

Meine Damen und Herren! Ich weiß schon, daß es im medizinischen Bereich nicht nur eine Kostenexplosion, sondern auch eine Leistungsexplosion gegeben hat, und wie in allen hoch entwickelten Industriestaaten werden auch die österreichischen Gesundheitskosten weiterhin stark steigen, wenn man die Menschen in diesem Land weiterhin am medizinischen Fortschritt teilhaben lassen will.

Die Zauberformel LKF, die leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung, verbunden mit der Ankündigung eines bundesweiten Krankenanstalten- und Großgeräteplans mit einem einheitlichen Arbeitszeitgesetz besonders für Spitalsärzte, machte Hoffnung, als im März dieses Jahres die Einigung zwischen Bund und Ländern über die Reform des Gesundheitswesens groß verkündet wurde.


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Heute, da wir dieses so groß angekündigte Reformvorhaben beschließen sollen, stehen wir vor einem großen Trümmerhaufen. – Ich weiß, das ist ein hartes Wort, aber ich werde Ihnen diesen Trümmerhaufen noch erklären.

Patienten sind verunsichert, Ärzte gehen auf die Straße, und den Lohn für diese Rufbereitschaft, nämlich das Ärztearbeitszeitgesetz, können wir heute nicht beschließen, weil der ÖVP ein paar zufriedengestellte Landesfinanzreferenten wichtiger waren als das gesundheitliche Wohl von Tausenden Spitalsärzten, die bis zu 100 Stunden wöchentlich ihren Dienst versehen müssen. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Dr. Povysil. )

Das Ärztearbeitszeitgesetz, das laut EU-Richtlinien schon seit einigen Tagen in Kraft sein sollte, fehlt entgegen allen Versprechungen heute auf der Tagesordnung und ist damit auch nicht beschlußreif, obwohl es das Junktim für die Einführung der Rufbereitschaft war.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich einige Worte zur Rufbereitschaft sagen. Erstens: Die Rufbereitschaft wird uns noch einiges an Kopfzerbrechen bereiten. Sie glauben doch nicht im Ernst, daß sich in einigen Jahren an die feierlichen Schwüre der Länder, die sagen, es werde zu keiner Qualitätsverschlechterung kommen, noch irgend jemand erinnern wird!

Zweitens: Die Rufbereitschaft wird auf Kosten der Patienten gehen! Glauben Sie denn wirklich, daß in Zukunft in der Nacht weniger Unfälle und akute medizinische Notfälle auftreten werden als bisher? Wo wird aber der Facharzt im Notfall sein, wenn sein Auto nicht anspringt? (Abg. Dr. Graf: Im Bett!) Wo wird die notwendige Versorgung sein, wenn einmal mehrere kritische Situationen gleichzeitig auftreten?

Drittens: Sie stürzen Turnusärzte in Gewissenskonflikte, in Streßsituationen und in Rechtsunsicherheiten! Meine Damen und Herren! Ich frage Sie: Wird sich der junge Arzt trauen, den Herrn Primar aus dem seligen Schlaf zu holen? – Ich sage Ihnen, wenn er es tut, und wenn er es oft tut, dann wird sich die Rufbereitschaft sehr bald zur teuersten und uneffizientesten Form des ärztlichen Nachtdienstes entwickeln. Wenn er es aber nicht tut, dann frage ich Sie: Wer wird für den Behandlungsfehler haften?

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Was ist das für ein Ärztegesetz, laut dem ein Turnusarzt untertags nur unter Anleitung und Aufsicht handeln darf – also unselbständig –, in der Nacht und am Wochenende aber plötzlich die Entscheidungsbefugnis dafür bekommt? (Beifall beim Liberalen Forum.)

Seien wir doch ehrlich: Diese Bestimmung widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz! Denn wenn ärztliche Tätigkeiten an ein bestimmtes Erfordernis wie den Abschluß des Turnus gebunden sind, dann gilt das nicht nur am Tag, sondern auch während der Nacht! – Dazu gäbe es noch viel zu sagen. Meine Kollegin Dr. Gredler wird darauf noch ausführlich zu sprechen kommen. Ich möchte daher noch auf andere Kritikpunkte eingehen.

Das Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen regelt die Erfordernisse für eine Diagnose- und Leistungserfassung in den Krankenanstalten. Das ist zwar notwendig, denn ohne eine solche Dokumentation funktioniert das LKF-System nicht, aber eine taxative Aufzählung, wie sie in der Gesetzesvorlage vorgesehen ist, ist mit dem Datenschutz nach unserem Verständnis nicht vereinbar.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie haben sich im Gesundheitsausschuß über unseren Abänderungsantrag, der die Unterstützung aller Oppositionsparteien bekommen hat, hinweggesetzt. Sie haben sich auch über die Warnung des Datenschutzrates hinweggesetzt, der sowohl hinsichtlich dieses Gesetzes als auch zum § 10 des Krankenanstaltengesetzes deutliche Bedenken geäußert hat.

Gesundheitsdaten sind hochsensibel! Mit Ihren Bestimmungen geben Sie sowohl den Sozialversicherungen als auch den Landesfonds das Recht, ungehindert Einsicht in Krankengeschichten von Patienten zu nehmen, und bei der Aufzählung von stationären Daten im Bundesgesetz über die Dokumentation ist nicht sichergestellt, daß die Anonymität der Patienten gewahrt bleibt.


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Aus diesem Grunde bringen wir folgenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Motter, Dr. Kier, Dr. Gredler und PartnerInnen betreffend die Regierungsvorlage: Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen (380 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (430 der Beilagen), eingebracht im Zuge der Debatte zu Punkt 11 der Tagesordnung (49. Sitzung des Nationalrates)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Änderung des Bundesgesetzes über die Dokumentation im Gesundheitswesen (380 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (430 der Beilagen)

Der Nationalrat hat beschlossen:

Änderung des Bundesgesetzes über die Dokumentation im Gesundheitswesen

§ 2 Abs. 3 und 4 lauten:

"(3) Die Berichte gemäß Abs. 1 und 2 und gemäß § 3 haben in maschinenlesbarer Weise zu erfolgen. Sie enthalten die Diagnosen der im Berichtszeitraum aus stationärer Behandlung entlassenen, verstorbenen oder in andere Krankenanstalten überstellten Pfleglinge und haben die während des stationären Aufenthaltes erbrachten ausgewählten medizinischen Einzelleistungen in der Form zu beinhalten, daß ein Personenbezug nicht mehr herzustellen ist.

(4) Der Bericht pro stationärem Krankenhausaufenthalt hat zu enthalten:

1. Administrative Daten:

a) Krankenanstaltennummer,

b) Aufnahmezahl in verschlüsselter Form,

c) entlassende Abteilung,

d) Geburtsjahr,

e) Geschlecht,

f) Bundesland,

g) Kostenträger,

h) Aufnahmedatum,

i) Art der Aufnahme,

j) Entlassungsdatum und

k) Art der Entlassung.

2. medizinische Daten:

a) Hauptdiagnose,

b) zusätzliche Diagnosen,

c) Verlegung innerhalb der Krankenanstalt und

d) ausgewählte medizinische Einzelleistungen."


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§ 5 lautet:

"§ 5. Der Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz" – in diesem Fall die Frau Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz – "hat die vorgelegten Jahresberichte dem Österreichischen Statistischen Zentralamt in maschinenlesbarer Form zwecks Erstellung einer länderbezogenen Statistik über die Krankenbewegung und deren Veröffentlichung im Bericht über das Gesundheitswesen in Österreich unter Wahrung der Anonymität des einzelnen Patienten zu übermitteln. Die Statistik hat die Krankheitsarten, gegliedert nach Altersgruppen, Geschlecht und Entlassungsart, zu enthalten. Zur weiteren Sicherstellung der Anonymität sind Einzelfallkategorien durch entsprechend erweiterte Gliederungsbreiten auszuschließen."

§ 11 Abs. 1 lautet:

"§ 11 (1) Zur Beobachtung, Analyse und Weiterentwicklung des Gesundheitssystems und zur Weiterentwicklung der leistungsorientierten Vergütungssysteme unter Berücksichtigung aller Gesundheitsbereiche können weitere erforderliche Daten anonymisiert erfaßt werden. Sie können angefordert und verwendet werden, soferne sichergestellt ist, daß ein Personenbezug nicht mehr herstellbar ist."

*****

Meine Damen und Herren! Im Interesse der Privatsphäre jedes einzelnen Menschen appelliere ich an Sie, diesen Antrag zu unterstützen! Sie ebnen ansonsten den Weg zur Schreckensvision vom "gläsernen" Patienten.

Lassen Sie mich zum Abschluß nochmals zum Beginn meiner Ausführungen zurückkehren, als ich vom Trümmerhaufen gesprochen habe, der von der großen Ankündigung einer Reform übriggeblieben ist. Es ist deshalb ein Trümmerhaufen, weil tragende Fundamente fehlen, und das große Gebäude der leistungsorientierten Finanzierung in sich zusammenbricht, noch bevor das Gebäude benutzbar ist.

Meine Damen und Herren der Koalitionsregierung! Sie haben auf Druck des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger die Stärkung eines zentralen Bereiches ausgespart, nämlich die Stärkung des niedergelassenen Bereiches.

Auf Druck des Hauptverbandes ist der Entwurf zum Gruppenpraxisgesetz in einer Schublade verschwunden, obwohl Gruppenpraxen viele Aufgaben billiger und schneller erledigen könnten und dadurch die Spitäler entlastet würden. Diese Entlastung ist dringend notwendig, denn wir haben, wie Sie wissen, eine der höchsten Einweisquoten der Welt. Es müssen sich daher im extramuralen Bereich die Patientenbetreuung und die Einweisepraxis ändern.

Da diese Voraussetzung nicht verwirklicht wurde, werde ich Ihnen schildern, auf welche Entwicklung wir uns in Zukunft gefaßt machen müssen. Eine Möglichkeit – und dies halte ich für das wahrscheinlichste – ist die, daß die Spitäler überrannt werden. Allerdings haben sich die Krankenkassen mit der Deckelung ihres Beitrages zur Spitalsfinanzierung mit 37 Milliarden Schilling jährlich aus der Verantwortung verabschiedet. Daher wird künftig das gesamte Kostenrisiko bei den Ländern liegen.

Wir wissen aber, daß die Kostensteigerung bei jährlich 10 Prozent liegt. Genau deshalb werden und können die Kassen kein Interesse daran haben, Leistungen vom Spital an die niedergelassenen Ärzte zu transferieren. Die Kassen müssen nämlich auch weiterhin die Ärzte honorieren, obwohl die Länder einen Pauschalbetrag erhalten – egal, ob sie damit auskommen oder nicht. Meine Damen und Herren! Ich sehe schon heute eine drastische Beitragserhöhung für alle Bürger in diesem Land voraus! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Wie wir alle wissen, können die fehlenden Beträge, wenn der Deckelungsbetrag nicht ausreicht, aus Steuermitteln aufgebracht werden. Dann aber verkehrt sich die gesamte Reform in das Gegenteil von dem, was Sie erreichen wollten. In jedem Fall, meine


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Damen und Herren von der Koalition, kann ich Ihnen den Vorwurf nicht ersparen, daß Sie vor den Sozialversicherungen in die Knie gegangen sind!

Es ist auch noch eine andere Entwicklung zu befürchten, nämlich die, daß die Spitäler Patienten zu früh entlassen werden, um möglichst viele Diagnosepunkte zu bekommen. Der niedergelassene Arzt wird aber das Resultat tragen und verantworten müssen, daß die Patienten unter Umständen entlassen werden, bevor ihre Behandlung tatsächlich abgeschlossen ist.

Meine Damen und Herren! Ich hoffe, Ihnen allen ist klar geworden, warum das Liberale Forum die gesamte Gesetzesmaterie in der vorliegenden Form ablehnen wird. Jedes der Gesetze ist unausgereift oder durch die langwierigen Verhandlungen aufgrund der Kompetenzzersplitterung vor allem zwischen Bund und Ländern verstümmelt.

Das Argument, daß dies nur ein erster Schritt und ein Provisorium bis zu einer Verbesserung ist, kann ich aufgrund meiner langjährigen Erfahrung als Parlamentarierin nicht gelten lassen. Provisorien halten, wie wir alle wissen, in Österreich sehr lange. Falls wir dieses Provisorium heute beschließen sollten, und falls es nur halb so lange hält wie das seinerzeitige Provisorium KRAZAF, kann ich Ihnen nur zurufen: Meine Damen und Herren, bleiben Sie recht lange gesund! (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Abänderungsantrag, den Frau Abgeordnete Motter verlesen hat, ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Zum Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Dr. Leiner. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

18.51

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Pumberger, sachliche Auseinandersetzungen sind in diesem Haus angezeigt und unendlich wichtig. Ich glaube aber, daß man persönliche Diffamierungen unterlassen sollte. Wenn man das nicht spürt, dann fehlt es an Herzensbildung. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Da müssen Sie gerade reden von persönlicher Diffamierung! – Weiterer Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Ich bin sehr froh, daß es einige in Ihren Reihen gibt, mit denen ich mich menschlich sehr gut verstehe. (Ruf bei den Freiheitlichen: Nennen Sie die einmal!)

Frau Motter! Sie haben hier ein Horrorszenario entwickelt. Man kann pessimistisch oder optimistisch sein. Ich denke mir immer: Wenn schon "Mist", dann schon lieber Optimist. – Also ich sehe die Dinge nicht so, obwohl Schwierigkeiten auftreten können; das ist gar keine Frage. Ich werde dann auch darauf hinweisen.

Trotzdem betrachte ich den heutigen Tag als einen Sternentag in bezug auf die Gesundheitspolitik, denn es sind Akzente gesetzt worden, die in die Zukunft weisen, die uns einen Ausblick auf strukturelle Veränderungen und Verbesserungen geben, die uns Reformen ins Haus bringen können – ich sage "können"! – und wo auch Schwierigkeiten vorhanden sind, das will ich in keiner Weise bestreiten. Aber wir begraben den KRAZAF und machen ein neues Tor auf für zukunftsweisende, sehr positive Aspekte im Gesundheitswesen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es werden durch das Krankenanstaltengesetz medizinische Leistungen beurteilt und auch bezahlt. Es wird die Voraussetzung dafür geschaffen, daß dieser Bereich für die Länder akzeptabler und besser organisierbar wird. Es wird Kostenwahrheit eingeführt, und es werden Einsparungsmaßnahmen gesetzt. Die Ärzte werden stärker herausgefordert, vor allem die Ärzte draußen an der Peripherie, ihrer Aufgabe besser nachzukommen. Nicht alles muß und kann das Krankenhaus leisten. Nicht jedes Krankenhaus muß alles leisten. Ich glaube, das wissen wir. Ein weiterer positiver Aspekt der vorliegenden Gesetzesvorlage ist auch, daß die Funktionen in den Krankenhäusern klarer strukturiert und definiert werden.


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Warum ist denn unser Gesundheitssystem so teuer? Warum sind denn die Spitäler oft so teuer und haben in den letzten Jahren einen Kostenzuwachs von 127 Prozent ausgewiesen? – Früher hat jeder Primarius, der von einem Zentralkrankenhaus gekommen ist – ich nehme mich nicht aus, Herr Pumberger, und möchte nur folgendes sagen: Ich habe den Notfalldienst im Gasteinertal aufgebaut, ich bin Internist und habe eine internistische Praxis mit einer Dialysestation und ein physikalisches Institut; das stimmt – und in ein kleines Krankenhaus gegangen ist, auch seine Vorstellungen mitgenommen. Wenn er von einem großen Zentralkrankenhaus, von einer Universitätsklinik gekommen ist, dann hat er gemeint, er könne in dem kleinen Krankenhaus seine wissenschaftliche Tätigkeit genauso fortsetzen und dort auch alle Apparaturen verlangen.

Ich kenne auch ein kleines Rehab-Zentrum, das sich einen Scanner besorgt hat. Das ist unsinnig! Natürlich haben sich solche Entwicklungen gezeigt, aber jetzt, durch die neue Strukturierung, durch die neue Situation, sind solche Dinge, die dann oft auch die Politiker nicht in den Griff bekommen haben, weil sie durch unsere Kollegen in Zugzwang geraten sind, nicht mehr möglich. Darauf möchte ich schon hinweisen. Die Kostenspirale dreht sich nämlich mit den steigenden Ansprüchen der Kollegen und der Patienten nach oben. Das wird jetzt hoffentlich ein bißchen in den Griff genommen. Das müssen wir uns vor Augen halten.

Mit dem KAG und dem 1997 folgenden österreichischen Krankenanstaltenplan wird nun eine Aufgabenteilung vorgenommen. Sie wissen, daß in jedem Krankenhaus jetzt entsprechende Möglichkeiten vorhanden sind. Ich will nicht auf die einzelnen Zentralkrankenanstalten, Schwerpunktkrankenanstalten und Standardkrankenanstalten eingehen. Ich will auch nicht unbedingt gleich auf die Rufbereitschaft hinweisen. Aber wir "zerfleddern" uns nur an dieser Rufbereitschaft, dabei sind doch auch andere wesentliche Akzente gesetzt worden! Es geht doch im Gesundheitswesen nicht nur um die Rufbereitschaft! Natürlich auch, aber nicht nur.

Bevor ich darüber spreche, möchte ich noch auf den überaus hohen Grad der Versorgung mit stationären Einrichtungen, vor allem auch dezentral an der Peripherie und diesbezüglich auch auf unsere Petition zur Erhaltung der Akutversorgung im Krankenhaus Waiern hinweisen. Ich weiß schon, die Ärztekammer sagt: Sperrt doch zu, wenn ihr dort keinen entsprechend hohen Grad an ärztlicher Versorgung gewährleisten könnt! – Ich weiß, daß in Tamsweg der Primarius der Chirurgie ein halbes Jahr lang einen Oberarzt gesucht und keinen österreichischen Arzt gefunden hat. Soll man deshalb zusperren? – Einen Polen hat er dann gefunden, nach einem halben Jahr. Soll man deshalb zusperren, oder soll der Arzt jetzt dauernd im Spital bleiben?

Ich meine, wir gehen an der Realität unseres Gesundheitswesens vorbei. Und was machen wir jetzt? – Wir haben es jetzt insofern besser gestaltet, als auf alle Fälle in den Standardkrankenhäusern ein Facharzt und in jeder Abteilung ein Turnusarzt vorhanden sein müssen. Ich habe an der Universitätsklinik Innsbruck auch schon mit zwei Jahren Turnusausbildung Hauptdienst gemacht. Wir haben eine Ausschußfeststellung vorgenommen, wonach jeder dieser Turnusärzte zwei Jahre Ausbildung haben sollte.

Meine Damen und Herren! Es ist aber wohl sehr sinnvoll – wie es nun auch geschehen ist –, einen Mindeststandard festzuschreiben. Ich möchte hier feststellen: Es ist sogar zu einer Verbesserung durch all diese Maßnahmen, die ich vorhin erwähnt habe, gekommen. Früher war nur festgehalten, daß in den Krankenhäusern die ärztliche Versorgung gewährleistet sein muß. Ich betone, daß dies eine gesetzliche Mindestregelung darstellt. Eine Verbesserung der Mindeststandards für Schwerpunktkrankenhäuser bringt die jetzige Modalität mit sich. Es wird eine höhere Qualität in den Zentralkrankenanstalten sichergestellt, und in den Standardkrankenhäusern müssen jederzeit zumindest ein erfahrener, hochqualifizierter Facharzt und in jeder Abteilung ein Turnusarzt vorhanden sein. Darauf möchte ich noch einmal hinweisen.

Ich möchte aber auch ganz besonders darauf hinweisen, daß es heute genauso wie früher in der Verantwortung der Ärzte liegt, in besonderen Fällen über diesen Standard hinaus zu besetzen. Wenn der Gynäkologe weiß, daß eine Steißgeburt ansteht, dann wird er nicht heimgehen. (Abg. Dr. Povysil: Es gibt auch Geburten, die sich nicht ankündigen!) Wenn der Internist zwei neue Herzinfarktpatienten eingeliefert bekommen hat, dann wird er auch nicht heimgehen, sondern im Spital bleiben. Man nimmt nicht einmal mehr die Verantwortung der einzelnen Ärzte


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ernst. Ich weiß nicht, was Sie und vor allem die Ärztekammer von den Kollegen, von den Primarii und von deren Verantwortung halten. Da kann doch auch das Land nicht darüber hinweggehen! Das ist unmöglich. (Abg. Dr. Povysil: Alle Ärzte sind dagegen!) Das stimmt ja nicht.

Darf ich Ihnen bitte etwas vorlesen? – Oberndorf: "Ich bin seit zwölf Jahren da. Die Rufbereitschaft gab es vorher schon, bei uns ändert sich nichts", sagt der ärztliche Leiter. Er lege seine Hand dafür ins Feuer, daß noch kein Patient durch die Rufbereitschaft zu Schaden gekommen ist. Die Ärztekammer vertrete eine maßlos überzogene Meinung, ohne die Spitalsärzte zu fragen.

Hallein: Viel Lärm um Nichts, meint der ärztliche Leiter Primar Emanuel Hell. – Und so geht es dahin. (Abg. Dr. Povysil: Das ist der ärztliche Leiter! Das ist ein Unterschied!) – Nein, das stimmt ja nicht! (Weiterer Zwischenruf der Abg. Dr. Povysil. )

Frau Kollegin! Ich habe mit sehr, sehr vielen Kollegen gesprochen. Sie sagen, es ist gut so. Wir haben hier einen Weg gefunden, der akzeptabel und gehbar ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich verurteile nur die Art und Weise, wie die Ärztekammer bei uns vorgegangen ist. Ich sehe ein und verlange auch als Ärztekammermitglied, daß sie dafür sorgt, daß wir Planstellen haben, daß die Ärzte unterkommen – es gibt genügend, es gibt zu viele. Ich bin auch davon überzeugt, daß sie dafür sorgen müßte, daß die Ärzte gut honoriert werden. Aber wenn unter diesem Deckmäntelchen dann die Patienten vorgeschoben, Verunsicherung erzeugt und unserer Bevölkerung Ängste eingejagt werden, dann muß ich sagen, daß es sich dabei um eine völlig falsche Handlungsweise dieser unserer Funktionäre der Bundesärztekammer gehandelt hat. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Sie haben damit auch nicht den Kollegen gedient.

Zum Schluß: Was wir brauchen, ist ein Zusammenhalt im Gesundheitswesen: Ärztekammer, Gemeinden, Länder und Bund, damit wir wirklich den Patienten in den Mittelpunkt unseres Bestrebens stellen können, damit er mit hoher medizinischer Qualität, die auch wirtschaftlich vertretbar ist, und vor allem mit menschlicher Wärme versorgt werden kann. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist jetzt Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

19.03

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Die Regierungsvorlage zum Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz geändert wird, sowie die dafür notwendigen zusätzlichen Bundesgesetze sind ein Beweis dafür, wie inkonsequent gehandelt wird, wenn es darum geht, das Gesundheitssystem grundlegend zu reformieren.

Mit diesem Gesetz kommt es zu keiner Entlastung der Gesundheitskosten, ganz im Gegenteil: Sie werden noch weiter steigen – und das in dem Bewußtsein, daß gleichzeitig die Qualitätssicherung für die Patienten stark sinken wird.

Es ist unverantwortlich, daß die vorliegenden Änderungen nur folgendes aufzeigen: Der Bund entzieht sich seiner Aufgabe, Verantwortung für das Gesundheitssystem zu tragen. Die Länder sollen dafür in Zukunft zuständig sein. Während bis jetzt das große Chaos der Gesundheitsfinanzierung auf Bundesebene herrschte, wird es in Zukunft nicht mehr einen, sondern neun chaotische Zustände geben – so nach dem Motto: Jedem Bundesland sein eigenes Dilemma! Und das alles geschieht auf Kosten der Patienten. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn Sie, Frau Bundesministerin, nicht bereit sind, ein Gesamtpaket an notwendigen Reformen zu verabschieden, sondern nur Stückwerke vorlegen, werden sich die Gefahren im Gesundheitsbereich drastisch zuspitzen. Gesundheit wird mit dieser Regierungsvorlage keinesfalls gefördert!


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Nur ein Gesamtpaket, das zumindest folgende wesentliche Bereiche enthält, würde eine Verbesserung im Gesundheitssystem darstellen, eine Verbesserung für Ärzte, Pflegepersonal und Patienten.

Einer der wichtigen Punkte, die heute auch schon mehrmals angesprochen wurden, ist der Bereich der Rufbereitschaft. Die Rufbereitschaft, also die Erfindung der facharztlosen Abteilung, ist abzulehnen, da ein derartiges Krankenhaus eine Zumutung für jeden Patienten darstellt. Dieses System der Rufbereitschaft wird sicherlich nicht kostenminimierend, sondern kostensteigernd wirken, da alle handelnden Personen, von der Schwester bis zum Turnusarzt und zum herbeigerufenen Facharzt, gerichtlich belangt werden können, wenn Diagnose und Therapie nicht richtig beziehungsweise nicht rechtzeitig erfolgen, das System also dem Patienten Schaden zugefügt hat.

Teuer ist das System deswegen, weil man ja bedenken muß, daß eine Woche 168 Stunden hat. 40 Stunden lang wäre dann die Abteilung mit Fachärzten besetzt, 128 Stunden sind der Turnusarzt und eventuell ein Facharzt allein im Haus. Dies bedeutet, daß die Patienten diagnostisch und therapeutisch sicherlich unterbetreut sind. Dies bedeutet eine Verlängerung der Liegedauer, eine Häufung von Komplikationen und ein Ansteigen von chronischen Gesundheitsschäden.

Ein wirklich gutes, mit Fachärzten bestücktes Krankenhaus, wie zum Beispiel das Lorenz-Böhler-Krankenhaus, hat eine Liegedauer von acht Tagen pro Patient, wobei da auch Schwerverletzte miteingerechnet sind. Ein Belegkrankenhaus oder ein Krankenhaus ohne Fachärzte hat mit Sicherheit eine Belegdauer jenseits von 10 bis 15 Tagen, wodurch dann die Kosten steigen werden.

Die Ärzte wehren sich gegen ein System, das dem Patienten schadet, wobei falsche ökonomische Überlegungen die medizinischen Argumente dominieren. Auch die Grünen wehren sich gegen diese Form der Rufbereitschaft, da sie dem Patienten nichts bringt, sondern diesen gefährdet.

Ein gutes Krankenhaus, Frau Ministerin, ist immer billiger als ein schlechtes Krankenhaus! (Beifall bei den Grünen.) Und ein gutes Krankenhaus bedeutet eine Besetzung mit kompetenten Ärzten rund um die Uhr, die wirklich verhindern können, daß Menschen, die ins Krankenhaus müssen, mit Dauerschäden rechnen müssen.

In Niederösterreich ist es ja jetzt bereits so, daß praktische Ärzte abends nicht mehr erreichbar sind, also Menschen, die krank werden, keine Chance mehr haben, zum Arzt zu gehen, sondern auf das Krankenhaus verwiesen werden. Frau Ministerin! Die Zahl der Krankenhäuser, die Patienten übernehmen müssen, weil kein praktischer Arzt mehr vorhanden ist, wird steigen, und somit auch die Kosten. Dies ist ganz eindeutig die Organisation einer Fehl- und Unterversorgung, die sich jetzt bereits in Niederösterreich zeigt.

Man muß auch darauf verweisen, Frau Ministerin, daß Sie Ihre Gesundheitsreform, die eine Verschlechterung darstellt, als positive Reform verkaufen wollen. Die facharztlose Abteilung, die medizinische Ausbildung ohne Ausbildner, Verteuerung statt Kostensenkung werden als Reform verkauft.

Gleichzeitig mit der Rufbereitschaft wird auch das Arbeitszeitgesetz verzögert. Es werden also die Fachärzte aus dem Krankenhaus hinausgefegt. Stattdessen müssen Turnusärzte und Pflegepersonal diese Arbeit übernehmen und haben dafür auch die Verantwortung zu tragen. Es ist unmöglich und nicht durchhaltbar, wenn von Turnusärzten verlangt wird, daß sie zwischen 60 und 100 Stunden pro Woche im Dienst sind – bei schlechter Ausbildung, weil sie nur 40 Stunden pro Woche in Ausbildung stehen –, aber gleichzeitig sollen sie bei einem Notfall Verantwortung tragen. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Frau Ministerin! Wenn Sie vor wenigen Tagen im Fernsehen gesehen haben, was Stationsschwestern von facharztlosen Abteilungen berichten, dann können Sie sich vorstellen, welches Chaos in Zukunft entstehen wird. Turnusärzte sind diesen Anforderungen nicht gewachsen –


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und können und brauchen es auch nicht zu sein, weil sie in Ausbildung stehen –, und deshalb versuchen sie, von der Oberschwester oder vom Pflegepersonal Unterstützung zu bekommen. Das heißt, die Verantwortung für Gesundheit wird in die Hände von Turnusärzten und Oberschwestern gelegt, aber diese Gruppe von Personal kann diese Verantwortung niemals abdecken.

Die Rufbereitschaft, wie sie geplant ist, stellt nicht nur, wie schon ausgeführt, eine unheimliche Verschlechterung für alle Patienten dar: Sie wird Sie, wenn sie durchgesetzt wird, noch teuer zu stehen kommen. Die Rufbereitschaft, wie sie eingeführt werden soll, ist ein Instrument, das Patienten noch mehr verunsichert. Sie macht es unmöglich, Qualität in Krankenhäusern zu gewährleisten. Aufgrund der Rufbereitschaft werden sich in Zukunft Dauerschäden häufen, die Zahl der Pflegefälle wird unter Umständen größer, und die Kosten im Gesundheitsbereich werden generell künstlich gesteigert, nur weil man nicht bereit ist, über den Tellerrand hinauszublicken. Man will momentan Kosten sparen, aber Langzeitfolgen und Langzeitschäden mit enorm hohen Kosten bleiben in dieser Situation unberücksichtigt.

Aber nicht nur die Rufbereitschaft ist ein Bereich, der in diesem Entwurf zum Krankenanstaltengesetz ein ungelöstes Problem darstellt. Rufbereitschaft gehört nach Ermessen der Grünen im Hinblick auf die Verantwortung für die Patienten nicht eingeführt. Rufbereitschaft verhindert Gesundheit, und deshalb können wir sie nicht unterstützen.

Frau Ministerin! Zu einem Paket der Gesundheitsreform gehört meiner Überzeugung nach auch, daß Sie sich dessen bewußt sind, daß 99 Prozent aller Menschen, die in Österreich leben, krankenversichert sind – und das ist gut so. Österreich ist eines der führenden Länder, was den Prozentsatz von Versicherten betrifft. Die Gesundheit muß es uns in Österreich aber auch wert sein, daß mindestens 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes dafür aufgewendet werden.

Gesundheit ist ein Bereich, der die Politik sehr wohl etwas angeht, und wir Politikerinnen und Politiker hier in diesem Haus sind auch für Gesundheitspolitik verantwortlich. Frau Ministerin, es ist nicht nur schlecht, sondern es ist unverantwortlich, wenn Sie sich Ihrer Gesundheitskompetenz entledigen. Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher ist Bundessache und muß Bundessache bleiben. Es darf nicht die Möglichkeit geschaffen werden, sich aus dieser Verantwortung zu stehlen und die Länder arbeiten zu lassen, so nach dem Motto: Es wird schon irgendwie gehen.

Zu den geplanten Artikel-15a-Verträgen, die Sie mit den Ländern abschließen wollen: Frau Ministerin! Sie wissen genauso gut, ja vielleicht noch viel, viel besser als ich, was Artikel 15a-Verträge in der Praxis heißen. Wir wissen aus dem Bereich des Pflegegeldes, wie weit jene Verträge, die 1993 unterschrieben wurden, bereits eingelöst wurden: nur in sehr geringem Umfang. Und wenn Sie jetzt wieder so tun, als würden die Länder ihre Bereitschaft nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der praktischen Umsetzung zeigen, ihre Verantwortung ernst nehmen und die Artikel-15a-Verträge umsetzen, dann, so meine ich, sind Sie schlecht beraten. Das wissen Sie aus der Vergangenheit. Die Länder werden sich nichts dreinreden und nicht sagen lassen, was sie im Rahmen der Artikel-15a-Verträge zu tun haben. Ihre Kompetenz haben Sie, indem Sie die Verantwortung an die Länder weitergeben, dann verspielt.

Frau Ministerin! In Österreich wird seit Jahren darüber diskutiert, daß man im Bereich des Gesundheitswesens endlich auch einmal die Ursachen von Krankheit, Gesundheit und Behinderung erforschen sollte. Es gibt nach wie vor keine Gesundheitsakademien. Es gibt nach wie vor keine Ursachenforschung, und es gibt nach wie vor keinen Bereich, der in der Gesamtsumme aufzeichnet, welche Krankheiten gehäuft in welchen Gebieten, in welchen Städten, unter welchen regionalen Gegebenheiten anfallen. Ich glaube, solange Sie nicht bereit sind – was schon höchst überfällig ist –, endlich Grundlagen zu schaffen, damit genau erforscht wird, wo es zum Beispiel die meisten Krebsfälle gibt, warum sich in einem Gebiet eine gewisse Krankheit häuft, und in diesem Bereich Handlungen gesetzt werden können, so lange werden Sie es auch nicht schaffen, die Krankheitskosten beziehungsweise die Kosten für unser Gesundheitssystem zu minimieren.


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Frau Ministerin! Etwas, was mir auch abgeht und von dem noch niemand hier gesprochen hat, ist die Frage: Wie wird es in Zukunft mit der Hauskrankenpflege ausschauen? Wo ist sie geregelt? Wer wird sie weiterfinanzieren? Wer ist dafür verantwortlich, daß Menschen früher aus dem Krankenhaus entlassen werden können, weil sie zu Hause die entsprechende ambulante Betreuung haben? – Es ist das nirgends geregelt. Die Hauskrankenpflege wurde mit dem Ziel "entsorgt", die Belegsdauer in den Spitälern wieder wesentlich zu verlängern. Damals, als der KRAZAF eingeführt wurde, war es das wichtigste Ziel, vom stationären in den ambulanten Bereich zu verlagern. Es hat sich gezeigt, wie wichtig und richtig die Verlagerung vom stationären in den ambulanten Bereich war, und das ist nicht nur kostengünstiger, sondern auch humaner. In Zukunft wird es jedoch so sein, daß Menschen so lange im Krankenhaus bleiben müssen, bis sie wieder völlig gesund sind, weil es keine ambulante Hauskrankenpflege mehr gibt.

Frau Ministerin! Was Sie da gemacht haben, ist Geldverschwendung in höchstem Maße, und es ist ein künstliches Festhalten von Patienten im Krankenhaus, weil die ambulanten Strukturen zu Hause in Zukunft nicht mehr gesichert sein werden.

Frau Ministerin! Österreich als Sozialstaat ist verantwortlich für die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger. Österreich als eines der reichsten Länder der Welt muß es sich leisten können, ein Gesundheitssystem zu schaffen beziehungsweise aufrechtzuerhalten, das sicherstellt, daß jeder, der hier lebt, gut versorgt wird, indem die Qualität stimmt, indem die Leistung stimmt, und Ärzte und Pflegepersonal müssen so arbeiten können, daß dies gewährleistet ist.

Mit einer Arbeitszeit von Ärzten und Pflegepersonal von 60, 70 Stunden kann das nicht sichergestellt werden. Was Sie damit erreichen, sind nicht nur noch kränkere Patienten, sondern auch kranke Ärzte und krankes Pflegepersonal. Das ist eine ganz große Gefahr, mit der wir hier in Österreich in Zukunft konfrontiert sein werden.

Frau Ministerin! Die Finanzierung im Gesundheitswesen gehört grundlegend geändert. Wir können uns nicht mehr darauf verlassen, daß die Kosten ausschließlich über Gehaltssysteme finanziert werden. Immer weniger Leute haben Arbeit, und immer mehr arbeiten mit Werkvertragsregelungen oder in dienstnehmerähnlichen Verhältnissen, die nicht sozialversicherungspflichtig sind. Dadurch werden sich die Einnahmen minimieren.

Es wäre höchst an der Zeit, sich zu überlegen, mit welchen Mitteln Gesundheit in Österreich zusätzlich finanziert werden kann. Eine Beitragszahlung aufgrund von Gewinnen und Wertschöpfung hätte bei uns in Österreich schon lange diskutiert werden sollen.

Im Interesse aller Patienten Österreichs und im Interesse aller Ärzte und des Pflegepersonals in Österreichs Krankenhäusern und Krankenanstalten, die vorzügliche Arbeit leisten wollen, können wir Ihrem Gesetzespaket, das nur Stückwerke beinhaltet, nicht zustimmen. Das wäre im Hinblick auf die Interessen der Patienten und des Personals unverantwortlich. – Danke. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

19.23

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Onodi. – Bitte.

19.23

Abgeordnete Heidemaria Onodi (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine gute Gesundheitsreform wird begonnen, und zwar mit einem gewaltigen Schritt nach vorne: mit der Einrichtung von Landesfonds, dem Krankenanstaltenplan, dem Großgeräteplan sowie einem neuen Finanzierungssystem und der Dokumentation.

Natürlich, sehr geehrte Damen und Herren, kann man alles – destruktiv – kritisieren, aber jetzt, hier und heute werden die ersten Schritte getan – nicht zuletzt, sondern gerade durch Frau Ministerin Krammer. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch die Weiterentwicklung der Gesundheitsreform ist bereits im Gange. Sie wird sich auf folgende Schwerpunkte konzentrieren: auf die Ambulanzen und den niedergelassenen Bereich,


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auch auf den Vergleich der Leistungen im intra- und extramuralen Bereich sowie auf einen Leistungsangebotsplan und auf die Qualitätssicherung.

Aber, sehr geehrte Damen und Herren, es muß auch erlaubt sein, hier folgende Fragen zu stellen: Wie stellen wir uns die Finanzierung vor? Wie effektiv ist unsere Arbeit? Und vor allem: Wie qualitativ hochwertig ist unsere Arbeit?

Diese Neuerungen sind zukunftsweisende Schritte. Das wird jedoch nicht gesehen. Die Rufbereitschaft wird ohne grundlegende Analyse sozusagen als gefährliche Vorgangsweise hingestellt.

Wir haben die Rufbereitschaft nicht erfunden, sie ist in Österreichs Spitälern und auch in anderen Ländern bereits durchaus üblich. Durch diese Regelung soll ein Mindeststandard gegeben sein. Es soll aber auch die Möglichkeit eingeräumt werden, auf regionale Gegebenheiten einzugehen.

In der Ausschußfeststellung haben wir fixiert, daß ein Turnusarzt erst nach zweijähriger Ausbildung für die Rufbereitschaft eingeteilt werden soll. In Deutschland kann das bereits nach 18 Monaten geschehen. Auch in der Schweiz und in den Niederlanden gibt es ähnliche Regelungen, wobei zum Beispiel der ambulante Sektor sehr gut ausgebaut ist und der stationäre Sektor auch kostenmäßig geringere Bedeutung hat als in Österreich. Es ist also durchaus legitim, alle Maßnahmen, die unter dem Argument der Gefährdung der Patienten zustande kommen, zu überprüfen.

Wenn Sie, Herr Dr. Pumberger, im Ausschuß gesagt haben, die Einführung der Rufbereitschaft sei ein weiterer Faktor für die Belastung des Pflegepersonals, welches darin einen Grund zum Berufswechsel sehe (Abg. Dr. Povysil: Da hat er recht!), so muß ich Ihnen entgegenstellen, daß es sehr wohl andere Gründe für Unzufriedenheit des Pflegepersonals gibt. (Abg. Dr. Povysil: Da ist man aber in der Standesvertretung anderer Meinung!) Ich darf Ihnen einige aufzählen: Unklarheit des Berufsbildes, die Arbeitszeit wie zum Beispiel der Nachtdienst, weiters die fehlende Ausbildung der Führungspersonen, aber auch die beschränkten Fortbildungsmöglichkeiten und das Gefühl, das große Potential von Wissen und Detailkenntnissen nicht in Entscheidungsprozesse einbringen zu können.

In Zeiten, in denen der Krankenpflegeberuf noch immer um seine Selbständigkeit kämpft, um seine Mitarbeit bei der Gesundheitserziehung, um die Verbesserung der Ausbildung und vor allem auch um eine verpflichtende Fortbildung, ist es wirklich mehr als recht und billig, wenn man die Mitarbeiter im Pflegedienst von 16 bis 7 Uhr früh und am Wochenende von einer sogenannten Zusatzbelastung befreien will.

Wie ist die Situation im normalen Arbeitsbereich? – Hier gab und gibt es noch kein Interesse, wohl weil es nur uns betrifft.

Ich möchte abschließend einen Abänderungsantrag einbringen, der klarstellt, daß die Rufbereitschaft erst gleichzeitig mit dem Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz in Kraft tritt.

Antrag

der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol, Mag. Guggenberger, Dr. Leiner, Annemarie Reitsamer, Heidemarie Onodi und Genossen zum Bericht des Gesundheitsausschusses betreffend die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Krankenanstaltengesetz geändert wird (KAG-Novelle) (429 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Im Art. V lautet Abs. 1:


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"(1) Die Landesgesetzgebung hat die Ausführungsbestimmungen zu Art. I, sofern sich aus Abs. 1a nichts anderes ergibt, innerhalb von sechs Monaten zu erlassen und mit 1. Jänner 1997 in Kraft zu setzen."

2. Im Art. V wird nach Abs. 1 folgender Abs. 1a eingefügt:

"(1a) Art. I Z 7 tritt mit dem Tag der Kundmachung des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes in Kraft. Die Landesgesetzgebung hat die Ausführungsbestimmungen innerhalb von sechs Monaten zu erlassen."

*****

(Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Povysil: Da haben wir zumindest ein bißchen etwas erreicht!)

19.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. – Herr Abgeordneter, Sie haben eine Restredezeit von 13 Minuten.

19.29

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wahrhaftig: ein schwarzer Tag für das Gesundheitswesen in Österreich! (Rufe bei der SPÖ.)

Anfangs möchte ich auf die Ausführungen einiger Vorredner eingehen. Ich beginne gleich bei Frau Kollegin Onodi. Ich mache das heute ein bißchen vorsichtiger und schonungsvoller als im Ausschuß, sonst ziehen wieder – so wie im Ausschuß – die Fraktionen der Regierungsparteien aus, weil sie eine Debatte um die Rufbereitschaft schon im Ausschuß abwürgen wollten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Dunst. )

Eine Anfrage an die Ministerin zu aktuellen gesundheitspolitischen Themen wollten Sie mit aller Gewalt abwürgen und haben einen günstigen Anlaß gesucht, um den Saal zu verlassen (Abg. Dunst: Das stimmt doch nicht! Warum können Sie nicht sagen, daß Sie einen Fehler gemacht haben?), genauso wie Sie heute die Debatte vermeiden. Der Saal ist leer, ein Großteil der Abgeordneten ist schon ins Wochenende gefahren. Diese wichtige Debatte, die seit Wochen und Monaten die österreichische Bevölkerung bewegt (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP), läßt die Abgeordneten der ÖVP in der Cafeteria sitzen, anstatt sich hier die stichhaltigen Argumente der Oppositionsparteien und auch des Kollegen Rasinger anzuhören, der mittlerweile auch schon erkannt hat, wie wichtig es ist, daß man hier ganz entschieden gegen die Rufbereitschaft auftritt. (Abg. Mag. Barmüller – sich von seinem Platz erhebend –: Herr Pumberger, ich komme wieder, wenn Sie nicht mehr da sind!)

Frau Kollegin Onodi! Ich kann Sie nur darauf hinweisen, daß Ihre Standesvertreterin – und Sie sind ja Krankenschwester, wie ich erfahren habe – von der ÖGB-Fachgruppenvereinigung für Gesundheitsberufe, die Vorsitzende Hilde Thein folgendes in einem Pressedienst schreibt – schreiben Sie sich das hinter die Ohren, merken Sie sich das! –:

Die Rufbereitschaft geht uns alle an, sagt die Krankenschwester und ÖGB-Fachgruppenvereinigungsobfrau. Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren. Wir haben gemeinsam gegen diese mächtigen Landesfürsten aufzustehen. Es ist eine Schande für dieses Land, daß das so gekommen ist.

Frau Bundesminister! Haben Sie das gehört? Das ist eine einflußreiche Frau, die etwa 100 000 Krankenschwestern und Pfleger hinter sich stehen hat, und sie protestiert auf das heftigste, wie viele andere auch – das läßt Sie aber alle kalt.


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Am meisten ist die Bevölkerung verunsichert, aber nicht wegen der Verunsicherungspolitik der gesamten Opposition, sondern diese weiß, worum es geht. Die Leute wissen, wenn sie ins Krankenhaus kommen, daß möglicherweise kein Facharzt da ist. Und es gibt ja nicht nur die eine Resolution, die uns zugegangen ist: In meiner Funktion als Ausschußobmann habe ich einen ganzen Stapel, ein ganzes Konvolut von Protestresolutionen, von Protestnoten vorliegen.

Da schreibt die Bundeskonferenz des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals der österreichischen Universitäten eine Protestnote, ebenso der Angestelltenbetriebsrat vom Krankenhaus der Wiener Gebietskrankenkasse, vom Hanusch-Krankenhaus, in dem Frau Kollegin Pittermann Primarärztin ist. Frau Kollegin Pittermann weiß, wie schlecht die Rufbereitschaft ist. Sie hatte zwar nicht den Mut, im Ausschuß dagegen zu stimmen, aber sie hat den Saal verlassen, hat damit ihren Unwillen kundgetan. Und wie ich gehört habe, wird sie heute dagegen stimmen, gegen ihre eigene Fraktion. Und alle Angestellten in ihrem Krankenhaus stehen hinter ihr.

Auch in Salzburg gibt es Widerstand, Herr Kollege Leiner: "Bad Hofgastein" lese ich hier. Das ist doch der Ort, in dem Sie Ihre kurärztliche Tätigkeit ausüben. Das ist jetzt kein Untergriff, Kollege Leiner, aber Sie haben persönlich in Ihrer Berufsausübung nicht mehr mit Akutfällen zu tun. Aber die Leute im Rehabilitationszentrum haben mit schwierigen Fällen zu tun, und der Betriebsrat der Angestellten schreibt geschlossen eine Protestnote. – Und da sagen Sie, in den Spitälern in Salzburg haben wir das immer schon so gehandhabt, und da regt sich niemand auf!

Kollege Guggenberger sagt: Na was ist denn in Oberösterreich? 23 Spitalsdirektoren, alle Spitalsdirektoren der oberösterreichischen Spitäler, sprechen sich für die Rufbereitschaft aus.

Kollege Guggenberger, darf ich dazu klarstellen: In Oberösterreich haben wir eine Fachärztedichte pro 1 000 Einwohner, die nur ein Viertel der Fachärztedichte in Wien beträgt. Oberösterreich hat aus Sparsamkeitsgründen auf falscher Ebene gespart, und die verantwortlichen Landespolitiker haben es verabsäumt, in diesem Falle etwas zu tun, und auch gegen das Gesetz verstoßen, weil nämlich die Bundesländer bisher – und da ist Oberösterreich Spitzenreiter; es tut mir leid, daß ich von diesem Bundesland in diesem Zusammenhang reden muß, weil ich selber Oberösterreicher bin – ihre gesetzliche Verpflichtung zur durchgehenden Anwesenheit von Fachärzten vernachlässigt haben. Sie sind dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, und jetzt kommen die Spitalserhalter, weil sie sich überfordert fühlen, weil sie sagen, wir können nicht von heute auf morgen so viele Fachärzte einstellen, und wollen diesen illegalen Zustand legalisieren, und da helfen ihnen die ärztlichen Direktoren in den Spitälern, weil diese ja von denen finanziell abhängen. Aber schauen Sie sich die anderen Ärzte an, die dort arbeiten: Primarärzte, Oberärzte, Turnusärzte, Assistenzärzte, das gesamte Personal.

Ich habe hier eine Protestnote vom Rehab-Zentrum in Bad Schallerbach – das ist auch in Oberösterreich. Oder: Protestnote vom Angestelltenbetriebsrat UKH Linz. – Das sind die Betroffenen, die protestieren, nicht die ärztlichen Direktoren, die eingesetzt werden aus politischen Gnaden, die Funktionäre sind, die fesch abcashen und die die Versäumnispolitik in der Gesundheitsversorgung in den oberösterreichischen Spitälern mittragen und die oberösterreichische Landesregierung schützen, weil sie einen illegalen Zustand weit über 20 Jahre lang betrieben haben. Und jetzt wollen Sie das legalisieren! Und da lacht der Guggenberger dazu! Das ist der Gesundheitssprecher einer staatstragenden – ehemals staatstragenden – Partei?! – Da lachen wirklich die Hühner. (Abg. Dr. Guggenberger: Ich lache nur über deine krausen Argumente, Herr Kollege!)

Ich könnte Ihnen noch viele weitere Protestnoten geben. Ich brauche sie nicht mehr, ich habe sie schon durchgelesen und bereits allen geantwortet. Ich kann sie der Frau Bundesminister zur weiteren Verfügung geben. (Der Redner legt einen Stapel Papier auf den Platz von Bundesministerin Dr. Krammer. )

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin wirklich sauer – das können Sie mir glauben! –, nicht so sehr als Politiker, aber als Arzt und verantwortungsvoller Mensch und eventuell auch als betroffener Patient. Wo kommen wir denn hin, wenn wir unsere Spitäler derart herunter


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wirtschaften und personalmäßig auf einen Mindeststandard bringen, daß ein Patient in einem Notfall, der einen akuten Herzinfarkt hat, Glück haben muß, wenn der entsprechende Internist im Spital anwesend ist. Da kommt der Chirurg daher, weil der dann zufällig da ist.

Montag ist Chirurgie, Montag dürfen nur die Blinddärme kommen, Dienstag Gynäkologie, da machen wir alle Geburten, Mittwoch – und so weiter. Das geht so weiter wie die Speisekarte in der Cafeteria. – So kann es doch wohl nicht sein! Bei Notfällen geht es um Minuten und Sekunden! Da kann ich nicht den Herrn Doktor von zu Hause holen.

Diese "15 Minuten" sind auch schon gefallen. Diese Rufbereitschaft heißt, er muß in einem absehbaren Zeitraum da sein, das kann vom kurzen Austreten bis über das ganze Wochenende sein. In der Zwischenzeit ist der Turnusarzt, der vom Gesetz her dazu überhaupt nicht berechtigt ist – er ist überhaupt nicht berechtigt dazu!, selbständig am Patienten tätig zu werden –, für alles verantwortlich. Das wird jetzt legalisiert. Während des Vormittags ist der Turnusarzt da, darf er nur unter fachärztlicher Anleitung am Patienten tätig werden und ärztliche Tätigkeiten ausüben, weil er das ius practicandi nicht hat, weil es vom Gesetz her so vorgeschrieben ist und weil es verantwortungslos wäre, einem Arzt, der nur die theoretische Ausbildung auf der Universität fertig absolviert hat, aber noch keine praktische Erfahrung im Spital hat, den Patienten eigenverantwortlich zu überlassen.

Schlag 12 Uhr mittag gehen die Primar- und Fachärzte oftmals schon nach Hause oder spätestens am Abend. Da kommt es zu einer seltsamen Umwandlung des Turnusarztes. Das ist ja so wie beim Werwolf, da wird er mächtig und stark, oder er wird "Popeye the Sailor". Da weiß er alles, da kann er alles, da ist er auf einmal der Primararzt – alleinverantwortlich für die gesamte Abteilung!

Kollege Rasinger, du verstehst das, darum lächelst du mir zustimmend zu. Du weißt das genau, darum weißt du auch, daß du deinen Mann in deiner Fraktion in diesem Fall gestellt hast. Du hast zwar bei den Verhandlungen versagt, denn du hast alles mitverhandelt mit der Frau Bundesminister, aber wenigstens jetzt zeigst du Stirn.

Aber, Kollege Rasinger, dein Engagement sollte ein bißchen weiter gehen. Die Oppositionsparteien haben miteinander 60 Mandate. 61 Mandate würden ein Drittel ausmachen, und ein Drittel der Abgeordnetenstimmen brauchen wir, um eine Gesetzesmaterie, die offensichtlich gesetzwidrig und verfassungswidrig ist, aus der Welt zu schaffen und vom Verfassungsgerichtshof prüfen zu lassen. Wir haben schon so einen Fall, Kollege Rasinger: Die Werkvertragsregelung wird bereits geprüft. 61 Abgeordnete haben unterschrieben, ein Drittel der im Nationalrat vertretenen Abgeordneten. Eine Kollegin, Frau Abgeordnete Cordula Frieser, stellt ihren Mann. Als einzige Abgeordnete der ÖVP wagte sie es, diesen Antrag zu unterschreiben, und diese Misere der Werkverträge kann jetzt vom Verfassungsgerichtshof geprüft werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was macht Kollege Rasinger? – Er könnte "die Frieser" in der Gesundheitspolitik sein. Rasinger könnte jetzt nicht nur heute bei der Abstimmung sitzenbleiben, er könnte wirklich weitergehen. In der Hand Rasingers würde es heute liegen, die 61. Unterschrift zu leisten. Wir lassen die gesamte Rufbereitschaftsmisere vom Verfassungsgerichtshof prüfen, und ich bin überzeugt davon, Kollege Rasinger, daß du dein Ziel erreichst, daß dieser Unsinn, wie du selber gesagt hast, endlich aus der Welt geschafft wird, daß unsere Patienten wieder eine ordentliche Versorgung haben und daß sich unser Pflegepersonal nicht weiter fürchten muß, denn das ist auch stark betroffen davon, ebenso alle in Ausbildung stehenden Ärzte. Sie haben Angst, schreiben sie.

Da schreibt mir eine Turnusärztin: Bei uns herrschen Angst und Verunsicherung. Die Idee, daß wir allein Nachtdienst machen sollen, ist für uns unvorstellbar.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe abschließend noch einen Entschließungsantrag einzubringen. Es geht ja nicht nur um die Rufbereitschaft, aber das mußte ich mit aller Deutlichkeit einmal gesagt haben, sondern es geht auch darum, daß die schon am Vormittag beschlossene und von mir kritisierte Limitierung der Gelder, der Zahlungen der Krankenkassen


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für die Spitalserhaltung auch geändert werden soll. Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Povysil und Kollegen betreffend Krankenanstaltenfinanzierung: Kostenbeitrag der Krankenversicherungsträger

Der Nationalrat wolle beschließen:

Das Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz wird ersucht, in Verhandlungen mit den Ländern eine Veränderung der Artikel 15a-Vereinbarung dahin gehend zu erwirken, daß der Kostenbeitrag der Krankenversicherungsträger zur Finanzierung der Krankenanstalten nicht mit der Steigerung der Beitragseinnahmen, sondern mit der Steigerung der Ausgaben der landesfondsfinanzierten Krankenanstalten zu valorisieren ist.

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ganz wichtig, mindestens fast so wichtig wie die Rufbereitschaft ist, daß sich die Krankenkassen nicht vor der Steigerung der Spitalsfinanzierung drücken können und nicht die Spitalslastigkeit fördern.

Abschließend sage ich Ihnen, Frau Bundesminister: Die Länder haben Ihnen diese Suppe eingebrockt – und Sie löffeln mit Artigkeit und Appetit diese Suppe aus. Hoffentlich verschlucken Sie sich nicht bei einem Brocken dieser Suppe, denn dann wären Sie ein medizinischer Notfall. Sie müßten sofort ins Krankenhaus, damit die Luftröhre wieder freigemacht wird. Dort müssen Sie hoffen, daß ein HNO-Facharzt präsent ist. Das kann auch einer Ministerin passieren, daß sie in einem Standardspital landet, in dem kein HNO-Facharzt anwesend ist. Denn sonst ist es vorbei, nicht nur mit Ihrer politischen Karriere, sondern auch mit Ihrer medizinischen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.42

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und entsprechend unterstützt; er steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster zu Wort gemeldet mit einer tatsächlichen Berichtigung ist Herr Abgeordneter Dr. Leiner. Die Geschäftsordnung ist bekannt, maximal 2 Minuten Redezeit.

19.42

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich berichtige tatsächlich: Herr Dr. Pumberger hat behauptet, ich hätte in meiner ärztlichen Tätigkeit nicht mit akuten Fällen zu tun. Ich habe eine internistische Praxis, in die Notfälle hereinkommen. Ich bin aktiver Rot-Kreuz-Notarzt. Ich habe das Notarztsystem im Gasteinertal aufgebaut und leite eine Dialysestation, in der ich auch Dienst mache. (Beifall bei der ÖVP.)

19.43

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Dr. Rasinger. – Bitte, Herr Abgeordneter. 10 Minuten Redezeitbeschränkung.

19.43

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Weltweit ist es ein positives Problem, daß die Medizin immer besser wird. Wir werden immer älter, der medizinische Fortschritt immer besser. Das verursacht Kosten.

Eine Zahl aus Österreich: In den letzten zehn Jahren ist die Spitalshäufigkeit der über 75jährigen um 75 Prozent gestiegen, die der Normalbevölkerung um 28 Prozent. Das zeigt ganz klar, wohin die Reise in Zukunft geht.


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Weltweit ist es auch ein Kampf zwischen jenen, die mehr oder weniger auf dem Geldsack sitzen, die wirtschaftlich denken müssen, und jenen, die für Patienten Leistung erbringen müssen. Einer sogenannten Kostenexplosion, die sehr oft weltweit und auch in Österreich beschworen wird, steht – und das wird leider oft verschwiegen – eine Leistungsexplosion gegenüber.

In Amerika beträgt der Anteil des Bruttonationalproduktes hiefür 14 Prozent, bei meiner Meinung nach mäßigem Erfolg, trotz Spitzenleistungen – in Österreich 10 Prozent. Stellen wir außer Streit, daß das österreichische System sehr kostengünstig ist – und das bei hoher Qualität.

Österreich gehört diesbezüglich meiner Meinung nach sicher zu den zehn besten Ländern der Welt. Und das österreichische Spitalswesen, um das es heute im wesentlichen geht, hat bei einer unabhängigen Untersuchung im Auftrag des deutschen Gesundheitsministers vor zwei Jahren den zweitbesten Platz, was die Wirtschaftlichkeit betrifft, eingenommen. Das heißt, mit Reformschritten wird dieses gute System hoffentlich zu einem noch besseren System.

Lassen Sie mich ein Zitat von Minister Seehofer – einem unverdächtigen Zeitzeugen – bringen, der heute in einer großen deutschen Zeitung gesagt hat: Ich will auch in Zukunft, daß ein 80jähriger eine künstliche Hüfte unabhängig von seinem Einkommen bekommt. – Das ist genau das Problem, von dem wir reden und das wir uns vor Augen halten sollten.

Wir alle hier sehen die Welt mit den Augen der Gesunden. Die Gesunden sagen mir immer, es ist alles zuviel, alles zu teuer. – Wenn sie krank werden, ist alles anders. Ich habe erst vor kurzem einem Manager erklären müssen, daß er eine chronisch-lymphatische Leukämie hat, jemandem, der mir immer lächelnd gesagt hat: Na, Herr Doktor, ich weiß ja genau, ihr Ärzte wollt gut verdienen, und das Ganze, was ihr macht, ist eigentlich nicht notwendig! Als er jetzt krank war, habe ich dasselbe gehört, was ich die ganzen 14 Jahre meiner ärztlichen Tätigkeit immer gehört habe, nämlich: Wo ist die beste Betreuung, und wie kann ich sie schnell bekommen? – Von Geld war nicht die Rede.

Ich möchte jetzt auf die Reformen eingehen.

Es ist ein beachtlicher Reformschritt, der jetzt in Österreich gemacht wird. Verkürzt gesagt: Es ist eine Verländerung des Spitalswesens. Das ist für die Länder eine große Verantwortung, dies auch optimal umzusetzen.

Die leistungsorientierte Finanzierung ist ein vernünftigeres Abrechnungssystem als das bisherige Tagsatzsystem, fordert aber auch die Verantwortung, daß man nicht in die sogenannten guten Leistungen ausweicht, nämlich Punkte schindet durch überflüssige chirurgische Leistungen, und daß man dann Leistungen vermeidet, wie etwa an alten komplizierten internistischen Patienten, die wahrscheinlich nicht so gut bepunktet sind. Das sind nicht meine Erfahrungen, sondern das sind internationale Erfahrungen. Da wird die Ethik der Ärzte, aber auch der Spitalserhalter und Länderverantwortlichen gefordert sein.

Ein Wort zur Rufbereitschaft. Ich persönlich möchte mich nicht verschweigen: Ich habe Sorge, daß man unter dem Kostendruck der Spitalserhalter möglicherweise in Richtung Minimallösungen geht. Für die Kleinspitäler mag die Rufbereitschaft angehen, und ich glaube, dort ist sie eine Qualitätsverbesserung. Für die 66 erweiterten Standardspitäler – für jene, die sich nicht auskennen in der Spitalslandschaft: das sind Spitäler mit vier bis neun Abteilungen –, glaube ich, ist sie meiner Meinung nach ein Risiko, ein Risiko auch für die Kleinsten, nämlich die Turnusärzte.

Mir wäre es persönlich lieber gewesen, wenn wir zumindest eine zweijährige Fachausbildung oder einen abgeschlossenen Turnus gehabt hätten.

Ich komme zum Abschluß, weil das Wochenende naht. In vier Jahren werden wir sehen, ob diese große Reformchance von den Ländern wahrgenommen worden ist. Ziel, meine Damen und Herren, muß es aber immer sein, die international hohe Qualität, die wir haben,


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beizubehalten, ja, im Gegenteil, noch zu steigern und diese uns kostenmäßig auch leisten zu können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.48

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Minister! Meine Damen und Herren! Mein Vorredner hat über Tagsätze gesprochen. Es wird auch bestimmt, daß die Sätze für Begleitpersonen bis zu der Höhe des Tagsatzes in den Ländern verrechenbar werden. Das heißt mit anderen Worten: Nur besserverdienende Väter und Mütter können ihre Kinder ins Spital begleiten. Das halte ich für keinen Fortschritt, sondern ich halte es – mit Verlaub – für einen Rückschritt. – Erstens.

Zweitens: Wenn Abgeordneter Guggenberger von Erfolg spricht, dann muß ich sagen, wenn Sie auch noch stolz darauf sind, dann muß ich mich schämen. (Abg. Mag. Guggenberger: Nehmen Sie doch nicht nur den einen Paragraphen heraus! Das ist ein Mosaikstein! Sie tun so, als ob dieser eine Paragraph die ganze Gesundheitsreform wäre!)

Herr Abgeordneter! Ich schäme mich mit 1 900 Oberärzten in Wien. Ich schäme mich mit sämtlichen Vertretern der Ärzteschaft Österreichs. Das können Sie nicht unter den Teppich kehren. Hören Sie doch auf Ihre eigenen Leute! Hören Sie doch auf das Pflegepersonal! (Abg. Mag. Guggenberger: Diese Reform besteht aus mehr als aus diesem Paragraphen!)

Das ist nicht wahr, daß alles in Ordnung ist, wenn diese Regelung in Kraft tritt. Ganz im Gegenteil: Wir werden mehr Probleme haben, als wir jetzt haben.

Wenn Sie sagen, daß das in den Spitälern oft Usus ist, dann sage ich Ihnen: Dort, wo in den Diensten, die nicht notwendig sind, Mehrfachbesetzungen sind, sollen sie abgeschafft werden. Da bin ich völlig Ihrer Meinung. Dort, wo Ärzte nicht ausreichend beschäftigt sind, sollen sie abgeschafft werden. (Zwischenruf des Abg. Mag. Guggenberger. )

Herr Kollege! Wenn am Freitag nachmittag der Facharzt die Abteilung verläßt und am Montag vormittag die nächste fachärztliche Visite ist, wenn ein Feiertag dabei ist, dann haben wir drei Tage lang keine fachärztliche Visite in einer Bettenstation. Halten Sie das für zulässig? – Ich halte es nicht für zulässig! (Beifall beim Liberalen Forum.) Wenn Sie sagen, der Turnusarzt ist fähig, diese Situationen zu meistern, Herr Kollege, dann müssen Sie das Studium ändern, und zwar in der Hinsicht, daß ein Student, wenn er promoviert, sofort in der Lage ist, Behandlungen selbständig durchzuführen. Das heißt, daß wir wiederum am falschen Punkt ansetzen.

Ich weiß, wovon ich rede, denn mein Rekord waren fünf Nachtdienste hintereinander, davon drei auf einer Intensivstation. Ich weiß, was ich damals dem Arzt berichtet habe, der mich gebeten hat, am Tag nach meinem letzten Nachtdienst zu sagen, was passiert ist, und ich habe ihm gesagt: Ich glaube, nichts Wesentliches, weil ich mich nicht mehr daran erinnern kann. Würde etwas Wesentliches passiert sein, würde ich mich noch daran erinnern.

Deshalb glaube ich, daß die Einsparungen nicht relevant sein werden, sondern die Folgekosten dieses Unfugs werden relevant werden.

Sie dürfen nicht vergessen, daß wir alle, die wir hier als Nationalratsabgeordnete sitzen, jederzeit in der Lage sind – auch wenn es 3 Uhr in der Früh ist –, einen Facharzt zu uns und zu unseren Familien zu bringen. Ich glaube, daß es gegenüber den Personen in Österreich unfair ist, und es sind zahllose, die nicht in der Lage sind, diese privilegierte Stellung in Anspruch zu nehmen.

Herr Abgeordneter Leiner! Sie haben davon gesprochen, daß ein Geburtshelfer bei einer Steißlage nicht helfen wird können. Ich muß sagen, in Gottes Namen, wenn eine Betreuung einer Station nicht mehr vorhanden sein kann, die Geburten durchzuführen hat, und dort ein Nabel


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schnurvorfall passiert, dann muß ein Facharzt her, da kann kein Turnusarzt helfen. Und dann zählen die ersten drei Minuten, die Entscheidung richtig zu fällen und sofort das Kind herauszuholen, um nicht eine Gehirnschädigung oder den Tod des Kindes in Kauf nehmen zu müssen. Also ich glaube, daß es in Geburtenabteilungen auf keinen Fall möglich sein wird, auf den Facharzt zu verzichten.

Sie haben von Oberndorf als einem Spital gesprochen, wo es keine Probleme gibt. (Abg. Dr. Leiner: Der Herr Primar hat das gesagt!) – Okay, der Herr Primar hat das gesagt, gut. Zufällig, Herr Kollege Leiner, habe ich eine sehr gute Freundin, die dort den Turnusdienst gemacht hat. Diese ist im ersten Monat bereits alleine im Nachtdienst gewesen, hat gleichzeitig zwei Geburten mit internistischen Problemen und Unfallopfer zu versorgen gehabt und noch dazu Laboruntersuchungen selbst durchführen müssen, weil das Labor nicht besetzt war. (Zwischenruf des Abg. Dr. Leiner. )

Diese Person, die im ersten Ausbildungsmonat war, war heillos überfordert. Sie hat sich nicht getraut, sich dagegen zu wehren. Sie hätte ihren Turnusplatz verloren, und sie hätte drei Jahre lang in Wien auf einen Turnusplatz warten müssen. (Abg. Dr. Leiner: Nein, Frau Kollegin! Jetzt ist es ja viel besser!) – Und das ändert sich im zweiten und im dritten Turnusjahr nicht! (Abg. Dr. Leiner: Es ist ein Chefarzt da, und es ist auf jeder Station ein Turnusarzt!) – Ja, wunderbar. Wenn ich geburtenführende Abteilungen habe, jemanden mit Herzinfarkt daneben liegen habe, was soll ich denn noch alles bewältigen als Turnusarzt?! Seien Sie mir nicht böse! (Beifall beim Liberalen Forum, bei den Freiheitlichen und den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Leiner. )

Ich glaube, Herr Leiner, wenn ich als Bürger einzahle, habe ich das Recht, Versicherungsleistungen in Anspruch zu nehmen – Versicherungsleistungen, die mir garantieren, daß ich in einem Fall, in dem es notwendig und wesentlich ist, von einem Facharzt behandelt werde und nicht von jemandem, der diese Kompetenz nicht aufweist.

Ich halte das eigentlich für einen Wahnsinn, daß wir aufgrund der Versicherungsleistungen, die wir einzahlen, keine adäquate Behandlung bekommen, wenn wir sie brauchen, und das ist meiner Meinung nach kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt – außer Sie senken die Beitragskosten im selben Ausmaß. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen.)

Ich wollte noch auf einen Punkt hinweisen, das ist Artikel 22 Abs. 4 Z 3. Da heißt es: Eindämmung der Nebenbeschäftigung von in Krankenanstalten beschäftigten Ärzten in Form einer Niederlassung in der freien Praxis. – Also ich muß sagen, das ist ja wohl zu viel. Das Betreiben einer freien Praxis ist, glaube ich, nach wie vor in Österreich legal.

Zweitens ist es sogar wünschenswert, daß prä- und postoperative Betreuung im extramuralen Bereich liegen und womöglich von jenem Arzt durchgeführt werden, der die Operation selbst gemacht hat. Abgesehen davon ist das wesentlich billiger, wie wir alle wissen.

Drittens: Ärzte haben dieselben Bürgerrechte wie andere Bürger. Was sie in ihrer Freizeit tun, kann niemals Gegenstand einer gesetzlichen Regelung sein im Sinne der Verhinderung einer Berufsausübung. Bei der Rufbereitschaft gilt die Zeit, in der Ärzte jederzeit – in Klammern muß ich sagen, womöglich kommen auch bald die Hebammen und die OP-Schwestern dazu, und ich weiß nicht, was noch – zur Arbeit gerufen werden können, anscheinend nicht als Arbeitszeit, wobei man aber auf der anderen Seite in einem bestimmten Zeitraum – man hat früher einmal von 15 Minuten gesprochen – sofort einsatzfähig sein muß. Nur muß ich Ihnen verraten: Wenn ich zu Hause im Bett liege und in 15 Minuten auf einer Abteilung sein soll, so wird es sich oftmals nicht ausgehen, außer ich wohne im Ärztehaus neben der Station. – Das habe ich auch erlebt. Das habe ich im Sommer erlebt, als ich mit einem kleinen Kind fünf Tage lang im Spital war. Da ist es kein Problem, wenn der Primarius im Nachbarhaus wohnt, daß man sagt, in Notfällen ist er sofort greifbar. Diesbezüglich habe ich auch nicht große Sorgen.

Ich habe nur die Sorge, wenn der Herr Primarius dann einmal auf Urlaub ist und nicht sofort greifbar ist und der nächste vielleicht nicht am Berg oben wohnt – wie das bei diesem Krankenhaus in der Steiermark der Fall war –, sondern unten im Tal und mit dem Auto von der nächsten Ortschaft 15 Minuten braucht, bis er auf der Station ist, und das bei trockenen Fahr


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bahnen und nicht bei Schneeverhältnissen, also ganz abgesehen davon, daß man das Auto dann freischaufeln muß.

Bemerkenswert ist auch, daß in diesen Landeskommissionen, die beschließen sollen, daß Ärzte keine Nebenbeschäftigung mehr haben dürfen, sobald sie in einem Krankenhaus arbeiten, keine Betroffenen sitzen, daher keine Ärzte per se dort vertreten sind.

Noch etwas: Die Bezahlung von Ärzten, was das Grundgehalt anlangt, muß dringend reformiert werden, wenn Sie diese Schritte in Angriff nehmen. Ich habe mir den Einkommenszettel von einem Primarius in Wien vom Februar 1996 faxen lassen. Er bekommt netto – und netto ist eben, ohne daß er in seiner Freizeit etwas dazuverdient – 21 503,71 S. Dieser Mann ist der Chef von 25 Ärzten und immerhin Universitätsdozent.

Also ich glaube, wenn Sie reformieren, dann sollten Sie die Gehälter gleich mit reformieren, weil ich nicht glaube, daß man jemandem, der mit 45 Jahren mit 21 503 S nach Hause geht, verbieten kann, etwas dazuzuverdienen. Ich halte das für legal. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte noch auf die ICD zu sprechen kommen. Die ICD 10, die, wie ich annehme, eingeführt wird, ist ein dreibändiger Katalog mit 3 000 Seiten. Es ist nicht einfach, wenn man sich als Arzt auskennen muß, wie man dann abrechnen soll, zumal ja dieser Katalog nicht zur Abrechnung vorgesehen ist, sondern nur dazu, weltweit die Morbiditäts- und Mortalitätsstatistiken zu führen. Deshalb muß man manchmal Vermutungsdiagnosen mit dem Code hineinschreiben und mit Vermutungsdiagnosen abrechnen lassen, obwohl man dann später draufkommt, daß die Diagnose vielleicht doch nicht die richtige war.

Jetzt ist es bei uns so, daß man eine österreichische Variante macht. Was passiert denn mit jenen Leuten, die aufgrund der erhöhten Mobilität in Österreich vom Ausland hereinströmen? Ist es nicht sinnvoller, sich auf europäischer Ebene zu koordinieren, sodaß man mit anderen Ländern nahtlos abrechnen kann, anstatt daß jeder seine eigenen Varianten produziert? – Ich glaube, daß es nicht sehr klug war, diese Österreich-Variante anzustreben.

Bezüglich Datenschutz hat schon meine Kollegin Motter einiges erläutert. Frau Ministerin! Können Sie mir sagen, ob es in Ihrer Region mit Ihrem Geburtsdatum, Ihrem Geschlecht und Ihrer Postleitzahl mehr als fünf Personen gibt, um die Anonymität zu gewährleisten? – Ich fürchte, daß im 6. Bezirk nicht fünf Personen mein Geburtsdatum und mein Geschlecht haben, und daher glaube ich, daß man dadurch Transparenz schafft bezüglich Gesundheitsdaten, was das Ureigenste, das Sensibelste überhaupt ist. Da gibt es sogar einen Passus der EU, auf den man sich beziehen kann, wenn man den Eindruck hat, daß diese sensiblen Daten mißbraucht werden. Ich nehme an, daß Sie das auch nicht wünschen.

Zum Abänderungsantrag, der eingebracht wurde, nur kurz: Das ist eine Art, wie man Dinge geschwind reparieren kann. Also die Rufbereitschaft soll erst eingeführt werden, wenn das Arbeitszeitgesetz für Ärzte eingeführt wird, das heißt, man bestimmt das, dann nimmt man diese Bestimmung wieder heraus, stimmt wieder ab, und dann gibt man sie wieder hinein, wenn es wieder passend ist. – Ich glaube nicht, daß wir uns als Nationalrat dem Willen der Landeshauptleute unterwerfen sollten, sondern ich glaube, wenn wir etwas entwickeln, wenn die Bundesregierung etwas entwickelt, sollte es wirklich in einer Form sein, sodaß nicht kurzfristig im Plenum wieder repariert werden muß. (Beifall beim Liberalen Forum.)

20.02

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Lackner vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.02

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Damen und Herren! Betroffenheit über die unwürdige, teilweise wirklich unwürdige Diskussion auf teilweise sehr niedrigem Niveau seitens einiger Kammerfunktionäre,


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Frau Motter, zum Thema Rufbereitschaft. (Abg. Dr. Gredler: Bin ich nicht! – Abg. Mag. Barmüller: Das ist eine Ärztin, keine Kammerfunktionärin!)

Mit Leichentüchern werde vermehrt gewedelt werden, ärztelose Siechenhäuser, rumänische Verhältnisse werden in unsere Krankenhäuser einziehen. Und der Überhammer, meine Damen und Herren: legalisierte Tötung. – Also wenn ich jetzt im gleichen Stil weiterverfahren würde, müßte ich sagen: ausgesprochener Quatsch! Meine Damen und Herren! Das ist ausgesprochener Quatsch! Es wurde bewußt auf Kosten der Steuer- und Beitragszahler versucht, beinhart Standespolitik zu betreiben. (Beifall bei der SPÖ.)

Und dafür, meine Damen und Herren, ist diese heutige gesetzliche Novellierung des Krankenanstaltengesetzes zu schade.

Frau Dr. Povysil hat uns heute angekündigt, daß die Ärzte streiken werden. Nun scheint die Streikfront doch gewaltig zusammenzubrechen. (Abg. Dr. Povysil: Woher wissen Sie denn das? – Abg. Mag. Stadler: Das schauen wir uns erst an!)

Gewaltig bricht sie zusammen, Herr Mag. Stadler! Wir haben es gehört von Oberösterreich, wir haben es schon von Salzburg und von Tirol gehört, und auch – das wird Ihnen ja nicht fremd sein, Herr Mag. Stadler – in Vorarlberg wird nicht gestreikt. Das werden Sie wahrscheinlich auch nicht bewirken können. (Abg. Mag. Stadler: Das brauchen wir gar nicht! Das tut ihr selbst!) Nein, das tun wir sicher nicht!

Herr Mag. Stadler! Da ist eher der Wunsch Vater des Gedankens. Das glaube ich Ihnen natürlich schon, aber das ist halt einfach nicht so. (Abg. Aumayr: Sie sollten Herrn Stadler nicht unterschätzen, Herr Kollege! – Abg. Mag. Stadler: Sie wissen, daß ich kein Freund des Streiks bin, aber ich werde es nicht verhindern können!)

Also: Der Chefarzt des Landeskrankenhauses Feldkirch hat festgestellt, daß durch diese Maßnahme die Versorgung der Bevölkerung gewährleistet ist, und erstaunlicherweise hat er auch noch festgestellt, daß die Anwesenheit von Fachärzten in allen Abteilungen gar nicht erforderlich ist.

Jetzt könnte man natürlich sagen, daß, wenn das ein kaufmännischer Direktor wäre, das irgendwo eine gewisse Berechtigung hat, daß finanzielle Dinge im Vordergrund stehen. Aber wenn das schlußendlich ein medizinischer Leiter sagt, dann kann man zumindest annehmen, daß er weiß, wovon er spricht.

Meine Damen und Herren! Ich kann Ihnen glaubhaft versichern – ich komme aus einem Bundesland, in dem Rufbereitschaft schon seit längerem, seit ich im Krankenhaus beschäftigt bin, praktiziert wird –, daß diese Rufbereitschaft, auch wenn sie jetzt im § 8 des Krankenanstaltengesetzes legalisiert wird, keinesfalls zu jener Verschlechterung in der medizinischen Versorgung führen wird, wie viele Kammerfunktionäre das im Vorfeld zur heutigen Plenartagung dem staunenden Publikum glaubhaft machen wollten.

Ich schildere das ganz kurz: In Vorarlberg wird diese Rufbereitschaft praktiziert. Sie wird von den Fachärzten anerkannt. Die Turnusärzte haben auch kein Problem damit. Wenn Herr Dr. Pumberger gesagt hat, daß das Pflegepersonal so ängstlich sei, so muß ich erwidern, daß jedenfalls in Vorarlberg das Pflegepersonal nicht so ängstlich ist, weil es schon über 20 Jahre lang, so lange ich im Krankenhaus bin, mit dieser Rufbereitschaft lebt. Also scheinen gerade in Vorarlberg in dieser Hinsicht die Uhren doch etwas anders zu gehen.

Ich könnte Ihnen jetzt noch viele andere Gründe für diese Rufbereitschaft auch im Bereich der Ökonomie bringen. Da meine Redezeit begrenzt ist, werde ich noch einen Abänderungsantrag einbringen:


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Antrag

der Abgeordneten Mag. Guggenberger, Dr. Leiner, Dipl.-Vw. Dr. Lackner und Genossen zum Bericht des Gesundheitsausschusses betreffend die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Krankenanstaltengesetz geändert wird (KAG-Novelle) (429 d. B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

In Artikel I lautet die Z 33:

33. In § 64 wird die Wendung "des Umsatzsteuergesetzes 1972" durch die Wendung "des Umsatzsteuergesetzes 1994" ersetzt und folgender Satz angefügt:

"Die Landesfonds sind von allen bundesgesetzlich geregelten Abgaben befreit."

*****

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

20.07

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Dr. Petrovic vor. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.07

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich denke, die Grünen sind einigermaßen unverdächtig im Hinblick auf die Vertretung ärztlicher Standesinteressen. Wir haben bei der Verhandlung von Gesetzen, die das Gesundheitswesen betreffen, durchwegs für ein weniger hierarchisches Gesundheitswesen und für eine Aufwertung der nichtärztlichen Gesundheitsberufe plädiert. Das ist auch bei vielen Verhandlungen in diesem Haus – etwa beim MTD-Gesetz und bei anderen Gelegenheiten – immer wieder deutlich geworden.

Ebenso stark sind wir aber immer für die Rechte der Patientinnen und Patienten und für eine Aufwertung der Patientinnen und Patienten im Gesundheitswesen eingetreten.

Ich bin keine Ärztin, und ich will Ihnen keine medizinischen Argumente liefern. Aber eines scheint schon sehr klar zu sein, nämlich daß diese Regelung keine Regelung ist, wie sie den Anliegen aus dem Gesundheitswesen entspricht, sondern zu Ende der Ausführungen meines Vorredners wurde sehr deutlich: Es geht um sogenannte ökonomische Einsparungseffekte. Und ich sage: Das ist eine Scheinwirtschaftlichkeit, die da vorgetäuscht wird.

Es ist auch schwer verständlich, daß in Hinkunft hinsichtlich einer Mindestausstattung zwischen Schwerpunkt- und Standardkrankenhäusern in einem Feld, das die Betreuungsqualität betrifft, differenziert wird.

Es ist kein Zufall, daß gerade in einem Bereich einmal mehr mit dem sogenannten Sparen angesetzt wird, in dem es vor allem um Frauen, um Geburtshilfe, um Kinder geht. Das ist irgendwo eine Linie, die sich schon durch die diversen Sparpakete gezogen hat; jetzt findet diese Linie ihre Fortsetzung auch im Gesundheitswesen. Meine Damen und Herren! Es ist auch für jemanden, der nicht Medizinerin ist, aber sich sehr wohl intensiv mit Fragen der rechtlichen Haftung auseinandergesetzt hat, absolut unverständlich, wieso Turnusärztinnen und -ärzte bei Nacht allein Dinge tun dürfen, die sie bei Tag nicht dürfen, also weitgehend ganz allein handeln dürfen und müssen. Denn dort stehen sie unter der Anleitung von Fachärztinnen und Fachärzten. Das heißt, dann, wenn niemand im Ernstfall auch noch mit mehr Routine, mit Ratschlägen ein


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springen kann, steht der Turnusarzt, die Turnusärztin allein da. Und wir wissen alle, daß es gerade in Notfällen nicht auf Fachwissen ankommt, das die Absolventen und Absolventinnen eines Hochschulstudiums mit Sicherheit haben, sondern es kommt auf die Routine an, auf die Erfahrung. Man muß auch wissen, wie man mit vielleicht einigen gleichzeitig auftretenden Notfällen umgeht. Diese Situationen gibt es.

Ich sage Ihnen wirklich: Wenn diese Regelung auch nur einen einzigen Menschen in diesem Land gefährdet, dann haben Sie diese paar Millionen wirklich schlecht und am falschen Ort und in einer inhumanen Weise gespart. (Beifall bei den Grünen.)

Noch eines gebe ich zu bedenken, vor allem aus der rechtlichen Sicht der Haftung. Wie wird es denn aussehen? Wie werden denn vor allem Turnusärztinnen und -ärzte von ihrer Kollegenschaft im Spital angesehen werden, wenn zum Beispiel ein derartiger Arzt, eine derartige Ärztin den rufbereiten Facharzt, die rufbereite Fachärztin tatsächlich oft ins Spital holt?

Nehmen Sie an – auch das kann passieren –, daß dies vielleicht einmal, zehnmal, 20mal erfolgt, ohne daß es absolut notwendig gewesen wäre. Dann wird dieser Turnusarzt, diese Turnusärztin sicher sehr bald von der Kollegenschaft hören: Das ist derjenige, das ist diejenige, die bei jeder Gelegenheit um Hilfe ruft. Und vielleicht wird sie oder er es dann beim elften oder beim 21. Mal nicht mehr tun. Und dann kann jener Fall auftreten, der tatsächlich nicht mehr beherrschbar ist, außer mit größter Routine, und wo es vielleicht wirklich auf zwei, drei Minuten ankommt.

Meine Damen und Herren! Wir sagen Ihnen, auch der Frau Gesundheitsministerin, die im Moment offenbar anderes zu tun hat (Bundesministerin Dr. Krammer spricht mit der bei der Regierungsbank stehenden Abg. Hostasch ), bei vielen Gelegenheiten – und es spricht das, was hier läuft, für diese Debatte, daß die Gesundheitsministerin ganz offenbar während einer Nationalratsdebatte in eine völlig andere Unterhaltung vertieft ist und überhaupt nicht mehr beachtet, was hier seitens der Opposition ... (Bundesministerin Dr. Krammer: Nein! Zur Sache!) Die Sache ist das, was jetzt hier vom Rednerpult aus gesagt wird, und zur Sache ist nicht das, was an Nebengesprächen geführt wird – mit Verlaub, Frau Bundesministerin. (Zwischenruf der Abg. Tichy-Schreder. )

Sie sagen bei jeder Gelegenheit, die Opposition möge sich an ernsthaften Debatten beteiligen. Wenn diese Debatten stattfinden, dann hören Sie sich einmal an, wie sie sind und wie auch die zuständige Ressortministerin auf juristische Argumente, die hier noch nicht gefallen sind, reagiert, indem sie sich nämlich in ihre Unterlagen oder in Gespräche vertieft. Ich finde das nicht sehr fair.

Zur Kostensenkung gibt es sehr viele Ansätze. Sie sind aber allesamt nicht im Spital zu beginnen. Wenn Sie mit ökonomischen Überlegungen, mit Kostenargumenten im Spital beginnen, dann kommen Sie allemal und jedenfalls zu spät.

Sie können nur wirklich Kosten senken, wenn Sie bereit sind, die Strukturen des Gesundheitswesens grundsätzlich zu verändern, das heißt, viel, viel mehr in Prävention zu investieren, und zwar von der Schule an bis hin in die Arbeitswelt, bis hin zu Beratung und Aufklärung, und zwar durch möglichst kompetente Fachleute, durch Ärztinnen und Ärzte oder fachlich geschultes Personal. Es muß darüber Beratung erfolgen, wie man gesund bleibt, und Sie müssen auch die Strukturen im Gesundheitswesen ändern.

Wir brauchen tatsächlich Zusammenschlüsse von Ärztinnen, von Ärzten außerhalb des Krankenhauses, also Gruppenpraxen. Wir brauchen Sozial- und Gesundheitssprengel. Wir brauchen Tageszentren für Menschen mit speziellen Bedürfnissen, insbesondere für ältere Menschen. Diese brauchen nichts in Spital, aber sie brauchen eine ganz spezielle, und zwar hochkompetente Betreuung. Das kann alles sehr, sehr viel Geld sparen. Aber im Spital gerade bei der Notfallversorgung zu sparen, das ist unmenschliches und lebensgefährliches Sparen. (Beifall bei den Grünen.)

Es gibt viele Ansätze. Sie vergleichen ja so gern mit dem Ausland. Sie haben teilweise auch die Öffentlichkeit unrichtig informiert. Denn nirgends geht es um Turnusärztinnen und -ärzte frisch


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von der Uni, sondern, wenn überhaupt, geht es um Personen mit ius practicandi und einer vorgerückten Ausbildung als Fachärztin und Facharzt.

Aber Sie waren in diesem Punkt nicht einmal bereit, auf Kompromißvorschläge, etwa der Ärztekammer, ernsthaft einzugehen, sondern Sie haben sich von vornherein festgelegt und das durchgezogen.

Es gäbe noch viele andere Ansätze, die Hospitalisierung sparsamer und effizienter einzusetzen, beispielsweise in der Betreuung Schwangerer, bei der Geburtenbetreuung. Da gibt es ausländische Modelle, etwa aus Holland, wo jede zweite Geburt eine Hausgeburt ist – und das bei niedrigerer Sterblichkeitsrate von Müttern und Kindern. Aber das ist eine andere Organisation. Dort steht jedenfalls ein Krankenwagen vor der Tür, dort ist es jedenfalls möglich, in kürzester Zeit auch eine Transferierung vorzunehmen. Bei uns erfolgt Hospitalisierung in 99 Prozent der Fälle, auch wenn dies absolut vermeidbar ist und wenn andere Risken dabei heraufbeschworen werden, etwa Infektionen im Krankenhaus – es gibt leider traurige Beispiele aus jüngster Zeit – dabei in Kauf genommen werden.

Viele andere Felder der möglichen Kosteneinsparung könnte man noch nennen.

Was Sie gemacht haben, ist einerseits, diese Arroganz der Macht einmal mehr an den Tag zu legen, nicht einmal bereit zu sein, auf Kompromißvarianten ernsthaft einzugehen. Und Sie haben andererseits in einem Bereich mit dem Sparen fortgesetzt, in dem dies unmenschlich ist und möglicherweise auch Menschen das Leben kosten kann. Daher lehnen wir diese Regelung ab. (Beifall bei den Grünen.)

20.18

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wurmitzer. – Bitte, Herr Abgeordneter. Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 4 Minuten.

20.18

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Eine Vorbemerkung sei mir gestattet, weil mich eine Ausführung persönlich betroffen gemacht hat. Sehr geehrte Frau Dr. Petrovic! Nicht jeder, der anders denkt als Sie, ist ein Reaktionär, und nicht jeder, der anders entscheidet, als Sie wollen, hat die "Arroganz der Macht". Das möchte ich Ihnen einmal sagen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Als Mitunterzeichner der Petition Nummer 12 darf ich heute von dieser Stelle aus mit Genugtuung feststellen, daß es gelungen ist, die Eingabe betreffend das Krankenhaus Waiern in Kärnten heute positiv mitzuerledigen. Waiern ist ein sehr kleines Bezirkskrankenhaus im Bezirk Feldkirchen in Kärnten. Es ist gleichzeitig das Herzstück des Diakoniewerkes mit Altenbetreuung, Behindertenbetreuung, Behindertenwerkstätte und vielfachen sozialen Diensten. Seit mehr als 120 Jahren gibt es dieses Krankenhaus im Dienste der Menschlichkeit in unserem Bezirk. Sehr viele Menschen in unserem Bezirk verdanken diesem Krankenhaus sehr viel. Deshalb freut es mich, daß die Sicherung dieser Anstalt im Rahmen des Österreichischen Krankenanstaltenplanes bis über das Jahr 2000 hinaus gelungen ist. In gleicher Weise wurden auch die Krankenhäuser Friesach, Sankt Veit an der Glan und Spittal an der Drau im Österreichischen Krankenanstaltenplan berücksichtigt.

Ich betrachte das als Anerkennung der Bedeutung der Leistung dieser kleinen regionalen Krankenanstalten, als wichtigen Beitrag für die Gewährleistung der Akutversorgung.

Abschließend darf ich als Bürgermeister einer ländlichen Gemeinde die Abgeordneten davor warnen – und ich habe hier sehr aufmerksam zugehört –, sich der Illusion hinzugeben, daß unsere Republik jemals in der Lage sein wird, jedermann zu jeder Zeit binnen drei Minuten einen Arzt beizustellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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20.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Madl vor. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.20

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Es ist mir schon klar, warum die Kollegen Leiner und Guggenberger diesem Gesetz, und zwar speziell dem Passus Rufbereitschaft der Turnusärzte, das Wort reden. Das ist mir ganz klar! Denn Sie, Herr Kollege Leiner und Herr Kollege Guggenberger, sind ja überhaupt nicht davon betroffen! Sie stimmen einem Gesetz zu, das Ihnen sicherlich nie zum Nachteil gereichen wird. (Abg. Dr. Leiner: Sind Sie betroffen?) Und wissen Sie auch, warum? – Weil Sie wahrscheinlich der erste sein werden, der noch vom Rettungsauto aus Ihren Kollegen, Ihren Primarius oder Ihren Facharzt telephonisch verständigt, daß Sie auf dem Weg ins Krankenhaus sind, Herr Kollege. (Abg. Dr. Leiner: Freilich! – Abg. Dr. Khol: Rufbereitschaft!)

Aber die Bevölkerung, für die Sie das vorliegende Gesetz bestimmen, hat kein Handy, Herr Kollege! Diese ist einem Turnusarzt ausgeliefert, der vielleicht nicht einmal die Berechtigung zur selbständigen Behandlung hat. Herr Kollege! So ist das! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das zeigt, wie abgehoben Sie schon sind, Herr Kollege! Durch all Ihre Gesetzesbeschlüsse zieht sich das wie ein roter Faden, daß hier die privilegierten Herren und Damen Abgeordneten Gesetzen zustimmen, die sie selber wahrscheinlich niemals persönlich betreffen werden, Herr Kollege. (Abg. Dr. Khol: Das ist eine Frechheit! Das ist eine Unterstellung!) Das ist die Wahrheit – und keine Frechheit! Jawohl! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das wollen Sie nicht hören, das tut Ihnen nicht gut, weil es Tatsache ist! (Abg. Dr. Khol: Sie haben von allen Abgeordneten gesprochen! Eine unglaubliche Unterstellung! Das ist keine Wahrheit!) Oder glauben Sie, daß er sich von einem Rettungsauto in ein Spital befördern lassen will, wo irgendein Turnusarzt, der nicht einmal praktizieren darf, feststellt, ob es sich um einen dringenden Notfall handelt oder nicht. Der Herr Kollege sicher nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege, das wollen Sie nicht hören. Die Wahrheit tut immer weh, besonders dann, wenn sie zu Protokoll gegeben wird. (Weitere Zwischenrufe des Abg. Dr. Khol. )

Aber selbstverständlich! (Abg. Dr. Khol: Das ist typisch Hetzpolitik, die Sie betreiben!) Das bezeichnen Sie als Hetze, wenn Sie einmal die Wahrheit hören? Oder lassen Sie sich auch von einem Rettungsauto – und ohne Handy – befördern? (Abg. Dr. Khol: Ich gehe ganz normal ins Spital wie jeder andere!) Nein, nein, so ist das. Das ist die Wahrheit. Sie sind abgehoben. Sie wissen gar nicht mehr, welche Gesetze Sie zum Nachteil der Bevölkerung beschließen. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Aber selbstverständlich! Der "Wahlerfolg" – unter Anführungszeichen –, Herr Kollege, gibt Ihnen ja recht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher bringen wir auch einen Abänderungsantrag ein.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Povysil und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz (KAG-Novelle 1996) geändert wird (379 der Beilagen), in der Fassung des Ausschußberichtes (429 der Beilagen)

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen den Antrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage (379 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (429 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

1. In Z 7 § 8 Abs. 1 entfällt am Ende der Z 3 der Strichpunkt.

Z 3 wird wie folgt ergänzt:


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"und in der jeweiligen Abteilung oder sonstigen Organisationseinheit ein Arzt anwesend ist, der über eine Berechtigung zur selbständigen Berufsausübung als Arzt für Allgemeinmedizin sowie bereits über die entsprechenden Kenntnisse und Fertigkeiten im jeweiligen Sonderfach verfügt;"

2. In Z 7 § 8 Abs. 1 Z 4 entfällt vor dem letzten Halbsatz der Strichpunkt. Nach den Worten "gegeben ist" wird folgender Satzteil eingefügt:

"und in der jeweiligen Abteilung oder sonstigen Organisationseinheit ein Arzt anwesend ist, der über eine Berechtigung zur selbständigen Berufsausübung als Arzt für Allgemeinmedizin sowie bereits über die entsprechenden Kenntnisse und Fertigkeiten im jeweiligen Sonderfach verfügt;"

*****

Genauso wie in der KAG-Novelle 1996 gegen die Bedürfnisse der Bürger vorgegangen wird, wird auch versucht, unter dem Deckmantel und Übertitel "Strukturreformen einleiten" gut funktionierende Krankenhäuser, die kostengünstig und wirtschaftlich arbeiten und die medizinisch wirklich auf dem neuesten Stand sind, umzufunktionieren. Ich spreche hier vom Krankenhaus in Sierning, das laut ÖKA-Plan von einem Akut-Krankenhaus in ein Rehabilitationszentrum umfunktioniert werden sollte, von einem Krankenhaus, das vor kurzem noch 200 Millionen Schilling investiert hat, von einem Krankenhaus, das im Sonderfach "Innere Medizin" ausstattungsmäßig, personell und qualitativ einen Standard auf dem Gebiete der Medizin und Pflege aufweist, der sich mit jedem Krankenhaus in Oberösterreich messen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Nicht nur ausstattungsmäßig, personell und qualitativ ist dieses Krankenhaus auf dem letzten Stand der Dinge, sondern dieses Krankenhaus arbeitet auch sehr kostengünstig, denn es hat mit 3 085 S einen der niedrigsten Tagespflegsätze in Oberösterreich, und es hat auch eine jährliche Zuwachsrate an Patienten von 5 bis 10 Prozent.

Meine Damen und Herren! Diese Zuwachsrate zeigt doch, daß dieses Krankenhaus das Vertrauen der Patienten genießt und somit auch einen qualitativen und medizinischen Status haben muß, der ausreichend ist. Diese Zahlen beweisen das.

Dieses Krankenhaus sollte nun nach ÖKA-Plan plötzlich in ein Rehabilitationszentrum umfunktioniert werden, von einer akut-internen Station zu einem Rehabilitationszentrum. Die Bevölkerung hat Gott sei Dank Widerstand geleistet, weil sie schon sehr frühzeitig aus den Medien erfahren hat, was mit ihrem Krankenhaus geschehen soll. Die Bevölkerung hat das nicht verstanden und hat eine beispielhafte Unterschriftenaktion gestartet. 51 000 Unterschriften wurden in Oberösterreich gesammelt, und zwar in Sierning und Umgebung. Das ist für die Region Steyr-Land wirklich ein ganz klares Votum gegen diese Umfunktionierung gewesen. Es wurde nun endlich ein Kompromiß erzielt, und das Krankenhaus bleibt zum Großteil in seiner jetzigen Form erhalten, zumindest für drei Jahre, mehr war nicht zu erreichen. Eine Bestandsgarantie darüber hinaus gibt es bis heute nicht.

Meine Damen und Herren! Sie müssen sich vorstellen: 51 000 Unterschriften sind nicht so leicht zu sammeln. Erst durch 51 000 Unterschriften wurde der zuständige Landesrat Ackerl in Oberöstereich wachgerüttelt. Er hat sich einmal auf seine Pflicht besonnen, ist dann mit dem Landeshauptmann nach Wien gefahren und hat dort ein Veto eingelegt. Aber vorher hätte er das niemals getan. Wenn die Bevölkerung nicht aufgestanden wäre, diese Aktion nicht gestartet und sich gewehrt hätte, hätte dieses Krankenhaus wahrscheinlich in zwei Jahren anders ausgesehen, als das heute der Fall ist. 200 Millionen Schilling in den Wind geschrieben! Aber offensichtlich spielt Geld bei Ihnen keine Rolle. Das muß man sagen, wenn man sich diese Aktionen anschaut. (Abg. Meisinger: Ja, ja, Frau Ministerin, so ist es in Österreich!)

Die Bevölkerung von Sierning und Umgebung hat gespürt, daß da Bürokraten am Werk waren, als dieser Plan erstellt wurde, daß diese keine Ahnung von der tatsächlichen Situation der Krankenhäuser, die Sie umfunktionieren oder streichen wollten, haben.


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Mir ist ein Vergleich eingefallen: Mir kommt das ungefähr so vor, wie sich damals die Kolonialmächte Afrika aufgeteilt haben: auch auf dem Reißbrett, auch mit Kugelschreiber, Zirkel und Lineal. Was daraus geworden ist, das sehen wir ja heute! Es sind Ländergrenzen durch Stämme, die verwandt sind, gezogen worden, es sind feindliche Stämme in einem Land zusammengepfercht worden. Herausgekommen ist die heutige Situation: Krieg, Not und Elend.

Genauso – Sie haben aus der Geschichte nichts gelernt – verfahren die Bürokraten am Schreibtisch, streichen weg mit dem Stift, und die Bevölkerung hat das zu akzeptieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen sind aber froh darüber, daß wenigstens dieser Kompromiß für drei Jahre für das Krankenhaus Sierning erreicht worden ist. Ich kann Ihnen versprechen: Wir werden sehr genau aufpassen, daß, wenn es sich rechnet, auch nach den drei Jahren dieses Krankenhaus weiter ein Akutbetten-Krankenhaus bleibt, da es von der Bevölkerung dringend gebraucht wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.28

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der zuvor verlesene Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Ständiger Unterausschuß des Rechnungshofausschusses:
Verlangen gemäß § 32e Abs. 2 GOG

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters gebe ich noch bekannt, daß ein Verlangen gemäß § 32e Abs. 2 der Geschäftsordnung eingebracht wurde, das die erforderliche Anzahl von Unterschriften aufweist, demzufolge dem Ständigen Unterausschuß des Rechnungshofausschusses der Auftrag auf Prüfung aller Kompensationsgeschäfte im Zuge von Beschaffungen des Bundesheeres ab dem Zeitpunkt 1. Jänner 1983 erteilt wurde.

*****

Die nächste Wortmeldung liegt vor von Frau Abgeordneter Buder. – Bitte, Frau Abgeordnete. Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 5 Minuten.

20.28

Abgeordnete Hannelore Buder (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte mich auf einen Teil dieser jetzt zur Diskussion stehenden Gesetze beschränken, und zwar auf den Österreichischen Krankenanstalten- und Großgeräteplan, dessen Ziel es ist, die optimale Patientenversorgung und die Wirtschaftlichkeit aufeinander abzustimmen.

Ich wäre sehr froh, wenn in meinem Bezirk alle Spitäler so nahe beisammen lägen wie zum Beispiel Sierning und Steyr. Leider gibt es das nicht überall. Daher muß es natürlich auch Krankenanstaltenpläne, die mit den Ländern koordiniert werden, geben, damit die Akutversorgung leistungsfähig und bedarfsgerecht abgestimmt werden kann. Eine möglichst gleichmäßige und bestmöglich erreichbare, aber auch wirtschaftlich und medizinisch sinnvolle Versorgung der österreichischen Bevölkerung soll mit diesen Plänen erzielt werden.

Ich meine, die Verantwortung der Ärzte ist sehr groß. Ich habe unserem ersten Redner, dem Kollegen Guggenberger, genau zugehört, der sagte, daß die Lebenserwartung in Österreich um vier Jahre gestiegen ist. Ich glaube, das ist doch auch auf eine sehr gute Sozial- und Gesundheitspolitik zurückzuführen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Bis zum Jahr 2005 sollen die Ziele und Inhalte des Österreichischen Krankenanstaltenplanes in der jeweils adaptierten Fassung im Wege des Landes-Krankenanstaltenplanes verwirklicht werden. Aus steirischer Sicht gibt es eine Standortgarantie für die steirischen Landeskrankenhäuser im Landes-Krankenanstaltenplan. Es gab auch bei uns in der Vergangenheit wiederholt Gerüchte über die Schließung von Krankenanstalten aufgrund von


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Vorentwürfen des Österreichischen Krankenanstaltenplanes. Nun sind diese Krankenhäuser abgesichert, und alle unsere Krankenhausstandorte bleiben erhalten. Im Gerede waren zum Beispiel bei uns in der Steiermark Kalwang und Vorau. Aber gerade diese Häuser sind baulich und technisch auf dem neuesten Stand, und es ist besser, die Aufgaben zu ordnen als zuzusperren.

Sehr geehrte Damen und Herren! Eine Berücksichtigung von Bedarfs-, Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsfaktoren sieht auch der Großgeräteplan vor. Durch eine optimale Standortwahl für Großgeräte soll eine gute Versorgung der Bevölkerung erreicht werden. Aufgrund des raschen technischen Fortschrittes ist der Planungshorizont des Großgeräteplanes bis Ende 1998 festgelegt. Mit dem Großgeräteplan und aufgrund bundesländerübergreifenden Planens können zukünftig teure Doppelinvestitionen vermieden werden; ich denke da zum Beispiel an das Gamma-Knife, das vom Bund in Graz installiert wurde. Daraufhin wurde von der Stadt Wien ein eigenes Gerät angeschafft. Vielleicht können Sie sich noch daran erinnern, als es hieß, die Jetti-Tante kann doch nicht nach Graz fahren. Dadurch ist natürlich die Auslastung von beiden Geräten nicht effizient.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, wir können dem Krankenanstaltenplan und dem Großgeräteplan positiv gegenüberstehen, und meine, daß die Mittel, die dafür vorhanden sind, effizient eingesetzt werden. Und aufgrund dieser Pläne geschieht das.

Frau Bundesministerin! Ich möchte auch noch jene Gesetze, die heute beschlossen werden, aus steirischer Sicht betrachten. In der Steiermark hat man sich stets für die Einführung einer leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung ausgesprochen. Auch in der Umsetzungsphase ist die Steiermark mit dabei. Das steiermärkische Krankenanstaltenfinanzierungsgesetz ist fertig und soll am 10. Dezember 1996 im Landtag beschlossen werden. Auch die Besetzung der Landeskommission ist fixiert, und die konstituierende Sitzung wird Mitte Dezember stattfinden.

Meine Damen und Herren! Auch mit der Rufbereitschaft gibt es in der Steiermark weniger Probleme, denn mit der Ärztekammer wurde akkordiert, daß die Rufbereitschaft von Fachärzten in Ausbildung, welche schon einige Erfahrung aufweisen, durchgeführt wird. Die Einsatzbereitschaft eines fertigen Facharztes innerhalb von 15 Minuten ist bei uns gewährleistet. Diese Regelung besteht in der Steiermark sowohl in den Landeskrankenhäusern als auch in den Ordensspitälern bereits seit einigen Jahren und hat sich bestens bewährt.

Der neue Gesetzentwurf des Krankenanstaltengesetzes hat den Vorteil, daß dieser Status quo nun legalisiert wird. Langfristig ist natürlich auch in der Steiermark das Ziel, die Vollversorgung mit Fachärzten anzubieten.

Mit den vorliegenden Gesundheitsgesetzen werden Verbesserungen in vielen Bereichen erzielt werden.

Frau Bundesministerin! Ihnen und den Beamten gehört natürlich für diese so lange geführten Verhandlungen auch herzlicher Dank ausgesprochen. (Beifall bei der SPÖ.) Die Gesundheitspolitik hatte bisher ihren Stellenwert – und sie wird bei uns in Österreich auch in Zukunft ihren hohen Stellenwert beibehalten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt vom Herrn Abgeordneten Mag. Haupt vor. – Bitte, Herr Abgeordneter. Die restliche Redezeit Ihres Klubs beträgt 12 Minuten.

20.35

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal sagen, daß dieses Gesetz sicherlich zwei gute Dinge hat: Erstens ist damit der Poker um die Schließung von kleinen Krankenanstalten in Österreich und die Verunsicherung in diesem Bereich für viele Gott sei Dank beendet, für manche leider nicht.


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Ich möchte Kollegen Wurmitzer recht geben, der meinte, daß es das Krankenhaus Waiern in unserem Wahlbezirk, aber auch das Krankenhaus Sierning durchaus verdient haben, weiterhin existieren zu dürfen, anstatt nach 120 Jahren beziehungsweise nach einem kürzeren Zeitraum geschlossen zu werden.

Ich komme aus der Gemeinde Spittal an der Drau und habe es dort schmerzlich erlebt, was es bedeutet, Rufbereitschaft vorzufinden, und zwar in einer Zeit, in der die Gesetze in Österreich anders gelautet haben. Ich habe auch erlebt, was es für einen Bezirk wie Spittal an der Drau bedeutet, wenn dort die Geburtenstation jahrelang geschlossen bleibt, weil keine entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt werden.

Ich kann daher die Meinung vieler Vorredner dazu nicht teilen, daß es im Rahmen dieses Bundesgesetzes durchwegs zu Verbesserungen gekommen ist, denn es ist klar und deutlich eine Verschlechterung, daß nunmehr zum Standardkrankenhaus nur mehr eine interne und eine chirurgische und nicht mehr eine gynäkologische Abteilung gehören, um das hier auch einmal klar und deutlich zu deponieren.

Frau Bundesministerin! Meine kritische Haltung gegenüber der Rufbereitschaft ist Ihnen ja bekannt. Ich glaube auch, daß der Weg, so wie er jetzt gewählt wird, nämlich die Rufbereitschaft einzuführen, ohne die Mindeststandards der ärztlichen und der sonstigen Dienstregelungen im Krankenanstaltenbereich für das Pflegepersonal zu regeln, schlicht und einfach inakzeptabel ist. In den letzten Tagen hat man gehört und war in den Zeitungen zu lesen, daß, zumindest bis zum Jahr 2005, nicht einmal die Mindeststandards der EU in Österreich gelten, die Durchrechnungszeiträume auch nach diesem Zeitpunkt nicht gelten und in den Krankenanstalten schlicht und einfach das schwächste Glied der Kette, nämlich die Ärzte in Ausbildung, belastet werden. Daher glaube ich, daß hier keine gute Arbeit geleistet wird.

Ich glaube darüber hinaus auch, daß einige der durchaus in gemäßigtem Ton vorgetragenen Bedenken von Leuten, die vom Fach sind, hier nicht so einfach beiseitezuwischen sind. Ich möchte nur einen einzigen Brief, und zwar jenen von Dr. Werner Poewe von der TILAK Innsbruck, der Universitätsklinik für Neurologie, verlesen. Er schrieb am 12. November 1996:

"Sehr geehrte Frau Bundesministerin!

Mit Sorge haben wir die Diskussion um die Rufbereitschaft der Ärzte in den österreichischen Krankenhäusern mitverfolgt. Die sich jetzt abzeichnende Lösung enthält eine unseres Erachtens gefährliche Lücke für die neurologische Notfallversogung der österreichischen Patienten. Cerebrovaskuläre Notfälle im Sinne von Hirninfarkten und intracerebralen Blutungen gehören ebenso wie epileptische Anfälle, Anfallsserien im Sinne von Staten zu den häufigen Akuteinweisungsgründen in Krankenhäuser weltweit und machen einen beträchtlichen Anteil der Notfallsversorgung in Nachtdiensten und an Feiertagsdiensten aus. Es ist ausgeschlossen, daß Patienten mit komplexen und potentiell lebensbedrohlichen Hirnkreislaufstörungen außerhalb einer fachspezifischen neurologischen Betreuung die in diesen Fällen in der Regel erforderliche, korrekte diagnostische Zuordnung und Therapie innerhalb der unverzichtbaren 6-Stunden-Grenze bekommen. Analoges gilt für das sofortige und korrekte Management komplexer und potentiell lebensbedrohlicher, epileptologischer Komplikationen." – Zitatende.

Ich glaube daher, all diese Dinge, auch das Wissen darum, daß die notwendige Notfallversorgung in den ersten Minuten und Stunden nicht gewährleistet sein kann, wenn man noch die Transporte in die Krankenanstalten und die Vorläufe miteinrechnet, und die höhere Rate von Spätfolgen, die man damit als Risiko in Kauf nimmt, lassen den Kostenfaktor deutlich verzerrt dargestellt erscheinen. Ich glaube darüber hinaus, daß auch der Druck auf die Turnusärzte ohne Arbeitszeitregelungen mit zwölf verpflichtenden Nachtdiensten eine unzumutbare Belastung ist. Jeden zweiten Tag und zwei Wochenenden im Monat rund um die Uhr im Einsatz zu sein – Herr Kollege Koppler, da werden Sie mir recht geben –, das sind unzumutbare Belastungen.

Wenn in der Ausbildungsphase mit zwei Jahren Berufserfahrung im Krankenhaus von einem Arzt die schwierigsten Situationen der Notfallmedizin beherrscht, erkannt und patientengerecht erledigt werden müssen, dann, so meine ich, kann es sich meistens nur um einen Glücksfall


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handeln. In manchen Fällen allerdings wird dieser Glücksfall leider nicht eintreten. Sie tragen das Risiko für beide Fälle. Ich meine, wir hätten hier eine bessere Lösung finden können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.40

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Dunst vor. – Bitte, Frau Abgeordnete. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

20.40

Abgeordnete Verena Dunst (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Im folgenden möchte ich zu zwei Punkten dieser Neuregelungen Stellung nehmen.

Zuerst zur Dokumentationspflicht: Für die Beobachtung, Analyse und Weiterentwicklung des Gesundheitssystems sind zweckentsprechende Daten unverzichtbar. Ich bin daher froh darüber, daß es eine Weiterentwicklung der bestehenden Dokumentation und deren Sicherstellung geben wird und daß es diesbezüglich zu einer Einigung zwischen Bund und Ländern gekommen ist.

Im wesentlichen geht es um Diagnosen und Leistungsdokumentation im stationären und im spitalsambulanten Bereich und um die Dokumentation von Statistik- und Kostendaten in Krankenanstalten. Weiters sind die Spitäler zur Erfassung von ausgewählten medizinischen Einzelleistungen auf der Grundlage eines Leistungskataloges verpflichtet, die den Erfordernissen der leistungsorientierten Finanzierung Rechnung trägt.

Die Statistik hat aber auch die Krankheitsarten, gegliedert nach Altersgruppen, Geschlecht und Entlassungsart sowie ausgewählte medizinische Einzelleistungen zu enthalten. Ich meine, daß mit dieser Neuregelung auch der Forderung im Antrag der Abgeordneten Haidlmayr betreffend Verbesserung des Gesundheitswesens Genüge getan wird.

Zum zweiten möchte ich kurz zur Rufbereitschaft Stellung nehmen. Das war ja eines der zentralsten Themen der letzten Wochen, doch eigentlich handelt es sich dabei um keine Neueinführung, sondern die Rufbereitschaft gibt es in unseren Spitälern schon lange, bevor sie nun per Gesetz eingeführt wird. Auch in meinem Heimatbezirk, wo es ein Standardkrankenhaus gibt, wird sie seit Jahren praktiziert.

Da wir heute viel aus Briefen zitiert bekamen, möchte ich auch den Primarius dieses Krankenhauses zitieren, der in einem Brief an mich schreibt:

Rufbereitschaft gibt es auch im Burgenland. Die Form der Rufbereitschaft wird schon jahrelang durchgeführt und wird auch in Zukunft beibehalten werden. Zusammenfassend glaube ich, daß das LKF-System Verbesserungen und Einsparungen, zwar bei vermehrtem bürokratischen Aufwand bringen wird, die Ärzteschaft jedoch zu einem ökonomischeren Denken erzogen werden kann. – Zitatende.

Sie sehen, es gibt also – und damit würden wir nicht fertig werden – eine Auflistung von Pros und Kontras. Es war mir natürlich auch wichtig, einmal die Gegenseite darzustellen.

Herr Doktor Pumberger! Es ist mir verständlich, daß jede Berufsgruppe danach trachtet, für ihren Berufsstand das beste zu organisieren. Das ist auch akzeptabel, nur, was ich nicht akzeptieren kann und was sicherlich auch nicht richtig ist, ist die Panikmache, die dabei mitschwingt. Sie benützen Ihr Mandat nicht, um für die Bevölkerung etwas zu erreichen, sondern Sie verängstigen die Menschen nur. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich selbst bin in meinem Heimatbezirk auch Oppositionspolitikerin und daher kann ich Ihre Art und Weise, wie Sie Oppositionspolitik machen, nicht ganz verstehen. Ich bin dort auch in der Situation, in der Sie hier arbeiten, nur bin ich immer bemüht, bessere Lösungen vorzuschlagen und kritisiere, aber ich mache den Menschen nicht Angst – und das kann ja auch nicht die Aufgabe eines Oppositionspolitikers sein! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Frei


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heitlichen. – Abg. Koppler: Herr "Primar" Meisinger! Hören Sie zu, Herr Primar!) Danke für die Schützenhilfe, Kollege Koppler!

Meine Damen und Herren! Zu den Reformen möchte ich Frau Bundesministerin Dr. Krammer gratulieren. Es war und ist sicher keine leichte Zeit, und trotzdem hat sie es geschafft, Reformen weiterzubringen, Reformen, die vielleicht schon längst fällig waren, aber sie hat es geschafft, und Sie werden mir sicher gestatten – auch als Oppositionspolitikerin –, daß ich Ihnen, Frau Ministerin, dazu gratuliere. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Mag. Haupt hat vorhin gesagt, was die Alternative gewesen wäre. Ich hatte genauso wie Sie Kontakt mit Krankenhäusern, die – weil sie kleine Spitäler sind, und derer haben wir ja im ländlichen Raum genug – Angst hatten, geschlossen zu werden. Aber dadurch, daß da einfach Kosten gespart werden können, bleiben auch im ländlichen Raume diese kleinen Spitäler bestehen, und daher bin ich sicher, daß die Versorgung der Bevölkerung nach wie vor gewährleistet ist.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch die Ausschußfeststellung erwähnen und darauf eingehen, denn ich gehe doch davon aus, daß die ärztlichen Leiter sehr wohl darauf achten werden, daß es immer Ärzte sein werden, die über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen. Kein ärztlicher Leiter wird den Dienstplan anders gestalten als immer nur zum Wohle der Patienten, die gerade im Krankenhaus sind. (Beifall bei der SPÖ.)

20.45


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49. Sitzung / Seite 194

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. – Bitte, Herr Abgeordneter. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

20.45

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Ich werde dieses Limit sogar noch unterschreiten. – Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich meine, daß es zuerst einmal notwendig ist, auf die irreführende Aussage der Abgeordneten Dr. Gredler zu reagieren, die das Gehalt eines Primararztes mit 21 000 S angegeben hat. – Das ist sicher nur ein Teil seines Einkommens, ein weiterer Teil sind die Sondergebühren, und das ist zweifellos der größere Teil. Sie sind auch Teil des Gehaltes, da die Leistungen, die die Sondergebühren auslösen, zum einen in Einrichtungen und mit Instrumenten des jeweiligen Rechtsträgers natürlich auch während der Dienstzeit erbracht werden.

Meine Damen und Herren! Da alle seriösen und korrekten Argumente bereits wiederholt wurden, darf ich zusammenfassend sagen, daß es Frau Gesundheitsministerin Krammer gelungen ist, viele Häupter unter ein Dach zu bringen und somit einen brauchbaren Kompromiß zu erreichen. – Gratulation, Frau Minister! (Beifall bei der SPÖ.)

Prinzipiell ist es darum gegangen, zu verhindern, daß die Krankenhauskosten explodieren, und das, glaube ich, kann auch erreicht werden. Daß so etwas nicht ohne einschneidende Maßnahmen geht, versteht sich wohl von selbst, und daß nicht jede Maßnahme allen willkommen ist, verstehen wir auch, und daß man es nicht allen recht machen kann, das gilt ganz bestimmt nicht nur für diesen Bereich.

Es gibt daher nicht den geringsten Grund, von diesem uns heute zur Abstimmung vorliegenden Reformpaket abzugehen. Auch wenn diese Lösung das Ergebnis eines Kompromisses mit den Ländern ist, bin ich eigentlich immer mehr davon überzeugt, daß wir den richtigen Weg gehen. Ich möchte auch darauf hinweisen, daß dies auch immer mehr Ärzte, mit denen ich gesprochen habe, so sehen.

Ich darf Sie daher alle einladen, eine Reform mitzutragen, die das Gesundheitssystem in Österreich in der Zukunft finanzierbar macht und vor allem die Qualität in Österreichs Spitälern sichert. Wir werden dem gerne zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Dr. Pittermann vor. – Bitte, Frau Abgeordnete. Gleichfalls 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

20.48

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die Fortschritte der Medizin sowie höhere soziale Standards haben dieses Jahrhundert, insbesondere die zweite Hälfte, entscheidend verändert. Das durchschnittliche Lebensalter hat sich innerhalb von 100 Jahren fast verdoppelt – mit vielen gesellschaftspolitischen Folgen, wie Kostensteigerungen im Gesundheitswesen, längere Pensionszeiten, längere Zeiträume von Invalidität, Krankheit, aber auch Pflegebedürftigkeit, höhere Scheidungsraten, Zunahme der Single-Haushalte und ähnliches.

Seit Beginn des legendären "roten Wien" war diese Stadt immer bekannt für ihre hohen Gesundheitsstandards.

Als leidenschaftliche Ärztin, die anläßlich der Promotion den Hippokratischen Eid geschworen hat, und als Abgeordnete des Landes Wien kann ich es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, den Regierungsvorlagen 379 § 8 Abs. 1 Z 1 und 381 der Beilagen zuzustimmen. (Beifall der Abg. Haidlmayr. )

So sehr ich LKF, Großgeräteplan, Krankenanstaltenplan und Strukturreform begrüße, so sehr schmerzen mich die Begleitumstände. Im Ausschußbericht über den Beirat der Strukturkommission fehlt die größte Interessenvertretung: die Arbeiterkammer. Ich hoffe, es handelt sich dabei um einen redaktionellen Fehler, der ehebaldigst ausgemerzt wird.

Wir bemühen uns immer, Standards zu heben – zum ersten Mal senken wir sie bewußt. Man geht nicht gegen Gesetzesbrecher vor, sondern verändert die Gesetze so, daß wir das medizinische Niveau senken, damit kostengünstig für Krankenanstaltenerhalter auf Kosten von Patienten und Personal Spitäler geführt werden können.

Das Land Wien wird ein Landesgesetz erlassen, das diese Verschlechterung für das Land Wien verhindern soll. Ich bin sicher, daß Wien wegen der höheren Kosten massiv angegriffen werden wird, während die Bundesländer – in üblicher Manier – ebenso wie Privat- und Ordensspitäler aufwendigere Patienten in die Spitäler des Landes Wien abschieben, besonders gerne am Wochenende.

Es mag für Landespolitiker leicht sein, eine Rufbereitschaft zu fordern, wenn Prominente auf dem roten Teppich in das Spital hineingleiten; kaum einer, der ohne Ankündigung das Krankenhaus aufsucht.

Aus eigenem Erleben weiß ich, daß man viel Erfahrung braucht, um frühzeitig eine Verschlechterung des Zustandes des Patienten zu erkennen und fachgerecht zu behandeln.

Ich kann Sie aber beruhigen: Die Ärzte lauern nicht darauf, Behandlungsfehler aufzuzeigen, wissend, daß sie einen hoffnungslos überforderten Jungarzt einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzen, ebenso den rufbereiten Arzt und den Primarius, eventuell auch das Pflegepersonal, nicht jedoch Spitalserhalter oder sparsame Landespolitiker, die Rufbereitschaft und LKF junktimiert haben.

Wir glauben, uns unser Gesundheitssystem kaum mehr leisten zu können. – Dazu ein paar Vergleichszahlen mit einem anderen Ressort: In den letzten 20 Jahren hatten wir um 300 000 Schüler weniger, aber um 50 000 Lehrer mehr. Für das Unterrichtsressort werden über 67 Milliarden Schilling ausgegeben, mehr als 87 Prozent sind Lehrerkosten, dies allerdings bei einer 5-Tage-Woche, 38 Wochen im Jahr und bei zirka 42 bis 45 Prozent vollbezahlter, unkontrollierter Arbeitszeit fern der Arbeitsstätte. – Aber vielleicht ernennen wir das demnächst auch zur Rufbereitschaft.


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In den KRAZAF-Spitälern liegen die Kosten bei 110 Milliarden Schilling, davon gehen zirka 24 Prozent für Ärzte auf, allerdings sind Spitäler 365 Tage im Jahr und täglich 24 Stunden im Betrieb. Der Urlaubsanspruch entspricht dem gesetzlichen. Spitäler kennen keine Ferien – wie etwa Universitäten, Gerichte, Schulen oder das Parlament.

Wesentlich mehr Menschen in Österreich benötigen medizinische Betreuung als Schüler Schulen besuchen. Meiner Meinung nach gehören sowohl der Anspruch auf Bildung als auch auf Gesundheit zu den menschlichen Grundrechten. Es ist eine Frage der Politik, ob diese Grundrechte genügend geachtet werden.

Da Ärzte in ihrem Beruf sehr aufgehen, engagieren sie sich wesentlich weniger politisch als Lehrer, die über mehr Zeit verfügen, daher sind Ärztestimmen zu schwach, ihre Meinung entsprechend politisch umzusetzen. In der Artikel 15a-Vereinbarung steht die Forderung nach Ärzten ohne Nebentätigkeit, die ich prinzipiell teile, sollte für jede Berufsgruppe, wie Beamte, Lehrer, Richter, Pfleger und andere auch ein Berufsverbot für die Freizeit gelten. Derzeit kann jeder seine Freizeit nach Belieben gestalten.

Noch einige Zahlen: In seiner Position als Institutsvorstand im AKH Wien verdient mein Mann nach 28 Jahren Berufstätigkeit in einem Fach fast ohne Klassengelder, freie Abende und Wochenende, jedoch mit großer persönlicher Verantwortung und Haftung 60 000 S brutto. Als ich ins Parlament kam, erhielt ich zirka 85 000 S brutto, ohne Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung und ohne einschlägige berufsspezifische Ausbildung – abgesehen davon, daß es üblich und notwendig ist, den Beruf auszuüben. Jedoch werden Ärzten, wenn sie politisch tätig sind oder es sein wollen, häufig beruflich Schwierigkeiten gemacht.

Überleitend zur Regierungsvorlage 380 der Beilagen möchte ich bemerken, daß Dokumentation äußerst wichtig, aber sehr personal-, das heißt auch arztintensiv ist, will man eine genaue Auswertung. Eine Stellenvermehrung ist unumgänglich, soll die Zuwendung für den Patienten nicht geringer werden. Das Einschaurecht für die Sozialversicherung ist nichts Neues, Einschau-Ärzte der Krankenkasse gibt es schon lange.

Ich begrüße die vorgesehene Erfassung der Ambulanzleistung, nur ist der Aufwand wesentlich höher, sollte jede Leistung erfaßt und adäquat abgegolten werden.

Noch mehr begrüße ich es, daß jetzt endlich die Krebserfassungsbögen unnötig werden, die dem Datenschutz zuwiderlaufen, aber um Wirtschaftsinteressen nicht zu stören, keine Frage bezüglich Nikotin- und Alkoholabusus enthielten. Seit 1969 in Verwendung wurden sie nach 27 Jahren endlich durch dieses Gesetz überholt.

Die Einführung der LKF war von mir sehr erwünscht. Wenn ich mir jedoch auf den Seminareinladungen die Referenten ansehe, die mit LKF befaßt waren und jetzt für teures Geld Wege aufzeigen, um das System am Besten auszunützen, dann kommen mir leise Zweifel, ob wir erreichen werden, was wir wollen.

Da wir vorher über Berufsverbot in der Freizeit sprachen, würde es mich interessieren, ob die Seminare von den Referenten in deren Freizeit oder in der Dienstzeit gehalten werden.

Es fällt mir aus Gründen der Parteidisziplin sehr schwer, den besagten Regierungsvorlagen nicht zuzustimmen. Es wäre jedoch mit meinem Gewissen als Ärztin und Wiener Abgeordnete nicht vereinbar. Den anderen Regierungsvorlagen stimme ich im großen und ganzen – bis auf meine eben geäußerten Einwendungen – gerne zu. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ und bei den Freiheitlichen.)

20.56

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Dr. Salzl vor. Die Restredezeit Ihres Klubs beträgt insgesamt noch 7 Minuten.

20.56

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da, wie ich glaube, zu dieser Gesund


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heitsthematik bereits alles gesagt ist, darf ich mich kurz fassen und folgenden Abänderungsantrag der Abgeordneten Haupt und Kollegen einbringen. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Haupt und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen (380 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (430 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage (380 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (430 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

1. Im § 2 Abs. 4 Z 1 lit. d) wird das Wort "Geburtsdatum" durch das Wort "Geburtsjahr" ersetzt.

2. Der bisherige § 4 erhält die Bezeichnung § 4 Abs. 1. In § 4 wird ein neuer Abs. 2 eingefügt:

"(2) Die Identifizierung von Patienten und Pfleglingen, zum Beispiel durch Zusammenführung von Daten im Rahmen der Erfassung, Übermittlung oder Auswertung solcher Daten ist untersagt."

3. In § 6 Abs. 3 wird folgender Satz angefügt:

"Die Identifizierung von Patienten und Pfleglingen, zum Beispiel durch Zusammenführung von Daten im Rahmen der Erfassung, Übermittlung oder Auswertung solcher Daten ist untersagt."

4. In § 9 Abs. 3 wird folgender Satz angefügt:

"Die Identifizierung von Patienten und Pfleglingen, zum Beispiel durch Zusammenführung von Daten im Rahmen der Erfassung, Übermittlung oder Auswertung solcher Daten ist untersagt."

5. § 10 erhält die Bezeichnung § 10 Abs. 1. Im § 10 wird ein neuer Abs. 2 angefügt:

"(2) Wer personenbezogene oder anonymisierte Daten im Sinne dieses Bundesgesetzes zur Identifizierung von Patienten benutzt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 30 000 S zu bestrafen."

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie ersuchen, im Sinne des Datenschutzes diesem Antrag zuzustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Johann Maier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.59

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist heute wahrhaft kein schwarzer Tag für die österreichische Gesundheitspolitik. Im Gegenteil: Es ist ein mutiger und notwendiger Schritt zur Reform des österreichischen Spitalswesens und der österreichischen Gesundheitspolitik. Es ist aus unserer Sicht vielmehr ein schwarzer Tag für dieses Haus, Kollege Pumberger, wenn Sie das Wort ergreifen, denn von Ihnen hört man nur Denunziation. Das sollte man in aller Klarheit hier einmal sagen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Ich möchte ganz kurz zu Fragen der Rufbereitschaft kommen, und zwar aus Salzburger Sicht. Kollege Leiner hat bereits einiges angesprochen. Ich möchte es noch einmal auf sachlicher Ebene klarlegen.

Wir haben ein flächendeckendes Notarztsystem in Salzburg, sodaß diese Rufbereitschaft, wie wir sie seit Ende der achtziger Jahre bereits haben, auch durchgeführt werden kann.

Wir wissen, daß die Einführung einer fachärztlichen Rufbereitschaft rund um die Uhr, wie Sie von Ihnen vorgeschlagen wird, dem Land Salzburg Kosten in Höhe von rund 130 Millionen Schilling auferlegen würde.

Wir wissen auch, daß bestimmte Krankenanstalten, nämlich Standardkrankenanstalten, beispielsweise in Mittersill und in Tamsweg, nicht einmal die Fachärzte bekommen. Jene Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich dort gesprochen habe, haben mir gesagt, daß das der Ruin der kleinen Spitäler wäre.

Wir waren in dieser Frage mit Angstmacherei, mit Unterstellungen konfrontiert, die auch von Ihrer Fraktion gekommen sind.

Seitens der Ärztevertretungen – das hat Herr Kollege Lackner ganz klar gesagt – wurde Interessenpolitik auf Kosten der Beitragszahler gemacht. Und Sie, Herr Kollege Pumberger, haben solch "großartige" Protesttelegramme von Betriebsräten hergezeigt. Ich sage Ihnen ganz klar: Kein einziger dieser Betriebsräte war davon betroffen. In diesen Krankenanstalten war die Einführung der Rufbereitschaft nie ein Thema – Bad Hofgastein ist ein REHAB-Zentrum, keine Rufbereitschaft, für das REHAB-Zentrum Großgmain gilt dasselbe: keine Rufbereitschaft. Ich sage es Ihnen mit aller Deutlichkeit: Da haben Sie in der öffentlichen Meinung manipuliert! (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Dr. Khol. )

Kollegin Povysil hat gemeint, Sie wünsche uns mehr an Gesundheit. Ich wünsche den Freiheitlichen mehr Mut zur Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Dr. Khol. )

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Qualität der medizinischen Versorgung bleibt durch dieses Reformvorhaben weiter gesichert. Die Reform ist eine verantwortungsbewußte und zukunftsträchtige Entscheidung der österreichischen Bundesregierung. Sie ist der erste Schritt; weitere Schritte zur Reform des österreichischen Gesundheitswesens werden noch folgen. (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Dr. Khol. )

21.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt die Frau Bundesministerin. Danach werden wir abstimmen; es wird auch eine namentliche Abstimmung geben. – Bitte, Frau Bundesministerin.

21.02

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Die heutige Plenardebatte zur Novelle des Krankenanstaltengesetzes bildet, so hoffe ich, den Abschluß der langen, intensiven und sehr heftig geführten Diskussion der vergangenen Wochen, von der vor allem die Rufbereitschaft Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erregt hat.

Ich möchte hier weder alle Argumente wiederholen, die aus meiner Sicht für den Vorschlag sprechen, noch auf die vielen Gegenargumente eingehen. Es ist von beiden Seiten schon alles gesagt worden.

Wenn ich auch von der Richtigkeit unseres Weges überzeugt bin, so respektiere und achte ich doch die Vorstellungen, die von den Gegnern unserer Lösung eingebracht worden sind. An der Heftigkeit der Kontroverse kann man erkennen, daß die eigentliche Diskussion in ihrem Kern weit über das Thema Rufbereitschaft hinausgeht.


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Sehr geehrte Damen und Herren! Das österreichische Gesundheitswesen steht am Anfang einer Phase wichtiger Veränderungen, die wesentlich weitreichender und einschneidender sein werden, als es die heute hier diskutierten Fragen sind.

Eine Analyse der Situation unseres Gesundheitswesens und ein Blick auf die Entwicklungen in anderen Industrieländern zeigen, daß uns einerseits die Frage der Kosten und damit die Finanzierung der Versorgung und andererseits die Frage der Qualität der Leistungen in den kommenden Jahren ganz intensiv beschäftigen werden. Dabei sind die Probleme, deren Lösung nun ansteht, zu einem großen Teil auf die Erfolge der Medizin und der Sozialpolitik in den letzten Jahrzehnten zurückzuführen.

Die Verlängerung der Lebenserwartung, die Verschiebung des epidemiologischen Spektrums von den akuten Infektionskrankheiten zu den chronisch degenerativen Erkrankungen und die fast unbegreiflich rasche Entwicklung von immer neueren bahnbrechenden Verfahren in der Medizin stellen uns vor die Frage, wie wir die Finanzierung der Versorgung weiterhin gewährleisten können.

Meine Damen und Herren! Bei der Beantwortung dieser Frage darf man sich aus Angst vor den damit einhergehenden Diskussionen nicht vor einer Beschäftigung mit diesem Thema und einer Lösung der Problematik drücken.

Es ist die wesentlichste und unverrückbare Priorität, alles zu unternehmen, um auch weiterhin eine optimale medizinische Versorgung aller Menschen in diesem Land zu ermöglichen. Wir dürfen es nicht zulassen, daß die Situation eintritt, daß Menschen von notwendiger medizinischer Versorgung ausgeschlossen werden. Um dieses Ziel zu erreichen und damit auch die Grundlagen unseres Gesundheitssystems zu erhalten, sind allerdings Veränderungen notwendig.

Die von mir vorhin beschriebenen Entwicklungen und die Budgetknappheit der öffentlichen Haushalte zwingen uns in den nächsten Jahren, weitreichende strukturelle Reformen vorzunehmen. Dabei haben wir grundsätzlich zwei Wahlmöglichkeiten: die Rationierung von Leistungen und damit den Ausschluß von Personen oder Personengruppen von notwendiger medizinischer Versorgung sowie die Rationalisierung, also die Suche nach Möglichkeiten, die vorhandenen Mittel optimaler einzusetzen.

Für mich ist unzweifelhaft klar, daß die Lösung nur im zweiten Weg, in der Rationalisierung, also im effizienteren Einsatz der knappen Mittel liegen kann.

Die Erkenntnisse der Forschung auf dem Gebiet der Gesundheitsökonomie bestätigen die Berichte vieler Ärzte und Manager im Gesundheitsbereich dahin gehend, daß ein beachtlicher Teil der jetzt schon erbrachten Leistungen überdacht und eingespart werden könnte, ohne daß es dadurch zu einer Verschlechterung der Betreuung der Patienten kommen muß. Dieses Thema muß in Zukunft unsere uneingeschränkte Aufmerksamkeit erhalten.

Dazu kommt die Frage der Prävention und der Vorsorgemedizin. Wir wissen, daß heute beinahe 45 Prozent aller Todesfälle auf das Konto von Erkrankungen gehen, deren Ursachen im Verhalten und in der Lebensweise der Betroffenen liegen. Rauchen, ungesunde Ernährung und Mangel an körperlicher Betätigung sind nicht die einzigen, aber die wesentliche Ursachen. Dieses potentiell vermeidbare "Sterben vor der Zeit" zu verhindern, sollte eines unserer wichtigsten Anliegen sein.

Darüber hinaus haben wir uns die Frage des Stellenwertes der stationären Versorgung im Verhältnis zur Versorgung durch die niedergelassenen Ärzte zu stellen. Wir wissen, daß in Österreich – im Vergleich mit anderen Ländern – wesentlich mehr Leistungen im Krankenhaus erbracht werden. Wir werden uns die Frage stellen müssen, wie wir eine bessere Aufteilung zwischen diesen beiden Versorgungsebenen finden können.

Diese und ähnliche Fragen stehen zur Diskussion. Es wird meine und unser aller Aufgabe in den nächsten Jahren sein, sie zu lösen.


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Meine Damen und Herren! Eines ist dabei ganz wesentlich: Die von uns umgesetzten Reformen der Finanzierung und die Novellierung des Krankenanstaltengesetzes müssen als Teil eines Gesamtkonzeptes zur Bewältigung der strukturellen Probleme des Gesundheitssystems gesehen werden. Das, was heute geschieht, sind nur die ersten Schritte auf einem langen Weg. Und diesen Weg müssen wir alle – das sind die Vertreter der Ärzte, der Pflegeberufe, Bund, Länder und Gemeinden – gemeinsam gehen. Nur gemeinsam können wir die Probleme am besten lösen.

Mir ist es ein Anliegen, alle Beteiligten in die Diskussion einzubinden, und ich fordere alle auf, mit uns zusammenzuarbeiten. Die einzige Vorbedingung dafür ist die Zustimmung zur grundsätzlichen Feststellung, daß es um die langfristige Sicherung einer optimalen medizinischen Versorgung für alle geht.

Ich wünsche mir gemeinsam erarbeitete Lösungen. Ich möchte nicht davon ausgehen, daß der gemeinsame Weg nicht beschritten werden kann. Verweigerung oder das Verschließen der Augen lösen die Probleme nicht. Die notwendigen Maßnahmen werden trotzdem gesetzt werden müssen, und zu diesen obersten gesundheitspolitischen Zielen stehe ich. – Ich bedanke mich, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die über jeden Ausschußantrag getrennt vorgenommen werden.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 379 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ferner haben die Abgeordneten Mag. Guggenberger, Dr. Leiner und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Schließlich haben die Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen einen Zusatz- sowie Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die vom Zusatzantrag sowie von den Abänderungsanträgen betroffenen Teile der Reihe nach und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Herr Abgeordneter Dr. Pumberger hat einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel I Z. 7 § 8 Abs. 1 Z. 3 sowie Z. 4 bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag der Abgeordneten Pumberger und Genossen stimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über Artikel I Z. 7 § 8 Abs. 1 Z. 3 und Z 4 in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen.

Es wurde namentliche Abstimmung verlangt.

Dieses Verlangen ist von 20 Abgeordneten gestellt worden. Es ist diesem Verlangen daher zu entsprechen.

Ich werde diese namentliche Abstimmung gemäß § 66 Abs. 5 letzter Satz durch Namensaufruf durchführen.

Ich bitte die Abstimmenden, sich zum Zwecke der Stimmabgabe nach dem Namensaufruf kurz zu erheben und die gestellte Frage zu beantworten.


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Jene Abgeordneten, die für Artikel I Z 7 § 8 et cetera in der Fassung der Regierungsvorlage stimmen, ersuche ich mit "Ja", jene, die gegen diesen Passus in der Regierungsvorlage stimmen, mit "Nein" zu antworten. – Ich werde das Abstimmungsverhalten kurz wiederholen, sodaß wir Klarheit haben und Mißverständnisse möglichst vermieden werden.

Ich beginne mit dem Namensaufruf.

(Über Namensaufruf durch Präsident Dr. Fischer geben die Abgeordneten mündlich ihre Stimme von ihrem Platz aus ab.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich unterbreche zur Stimmenzählung ganz kurz die Sitzung.

(Die Sitzung wird um 21.21 Uhr unterbrochen und um 21.23 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Ich gebe das Abstimmungsergebnis wie folgt bekannt: Es wurden 144 gültige Stimmen abgegeben, davon 100 "Ja"-Stimmen und 44 "Nein"-Stimmen.

Der Antrag ist damit angenommen.

Das Abstimmungsverhalten wird, wie es bei namentlichen Abstimmungen vorgesehen ist, im Stenographischen Protokoll festgehalten.

Mit "Ja" stimmten die Abgeordneten:

Achs, Amon, Antoni, Auer;

Bauer Rosemarie, Bauer Sophie, Binder, Brinek, Brix, Buder, Bures;

Cap;

Dietachmayr, Donabauer, Dunst;

Eder, Ederer, Edler, Ellmauer;

Fekter, Feurstein, Fink, Fischer, Freund, Fuchs;

Gaál, Gatterer, Gradwohl, Guggenberger, Gusenbauer;

Hagenhofer, Heindl, Höchtl, Horngacher, Hostasch, Huber;

Jäger;

Kaipel, Kampichler, Karlsson, Kaufmann, Keppelmüller, Khol, Kiss, König, Kopf, Kostelka, Kräuter, Kukacka, Kummerer;

Lackner, Leiner, Löschnak, Lukesch;

Maderthaner, Maier, Marizzi, Mertel, Mock, Moser Sonja, Mühlbachler, Müller, Murauer;

Neisser, Nowotny;

Oberhaidinger, Onodi;

Parfuss, Parnigoni, Posch, Puttinger;

Rada, Rauch-Kallat, Reitsamer, Riedler;


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Sauer, Schieder, Schrefel, Schuster, Schwarzböck, Schwarzenberger, Schwemlein, Schwimmer, Seidinger, Sigl, Silhavy, Spindelegger, Stampler, Steibl, Steindl, Stummvoll;

Tegischer, Tichy-Schreder, Trinkl, Tychtl;

Wallner, Wimmer, Wurm, Wurmitzer;

Zweytick.

Mit "Nein" stimmten die Abgeordneten:

Apfelbeck, Aumayr;

Barmüller, Brauneder;

Graf, Gredler, Grollitsch;

Haidlmayr, Haupt, Hofmann;

Jung;

Kammerlander, Kier, Koller, Krüger;

Lafer, Langthaler;

Madl, Meisinger, Mentil, Moser Hans Helmut, Motter;

Nußbaumer;

Ofner, Öllinger;

Partik-Pablé, Petrovic, Pittermann, Povysil, Pumberger;

Rasinger, Reichhold, Rosenstingl, Rossmann;

Salzl, Scheibner, Schmidt, Schöggl, Schreiner, Schweitzer, Stadler;

Van der Bellen;

Wabl, Wenitsch.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Somit ist Artikel I Z. 7 § 8 Abs. 1 Z. 3 und Z. 4 des Gesetzes in der Fassung der Regierungsvorlage angenommen.

Wir setzen in der Abstimmung fort.

Die Abgeordneten Mag. Guggenberger, Dr. Leiner und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel II Z. 33 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen der Bejahung. – Dieser Antrag ist mit Mehrheit angenommen.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend Artikel V Abs. 1 eingebracht.

Im Falle der Zustimmung ersuche ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Dieser Antrag ist mit Mehrheit angenommen.


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Ferner haben die Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung eines neuen Abs. 1a in Artikel V der Vorlage zum Inhalt hat.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag eintreten, um ein Zeichen. – Ich stelle fest: mit Mehrheit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesen Teilen ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Ich stelle fest: mit Mehrheit angenommen.

Damit ist die zweite Lesung beendet.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Die Vorlage ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen samt Titel und Eingang in 380 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Motter und Genossen, ferner die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich lasse zunächst über die von den Abänderungsanträgen betroffenen Teile der Reihe nach und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Vorlage abstimmen.

Die Abgeordneten Motter und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf § 2 Abs. 3 und 4 bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag der Abgeordneten Motter und Genossen zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Weiters haben die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend § 2 Abs. 4 Z. 1 lit. d eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Antrag der Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen stimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über § 2 Abs. 3 und 4 in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Bestimmung zustimmen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest: Das ist mit Mehrheit beschlossen.

Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf § 4 der Vorlage bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über § 4 in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies ist mit Mehrheit beschlossen.

Die Abgeordneten Motter und Genossen haben auch einen Antrag zu § 5 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag folgen wollen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


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Wir stimmen daher über § 5 in der Fassung der Regierungsvorlage ab.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Text der Regierungsvorlage folgen, um ein Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit beschlossen.

Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf § 6 Abs. 3 sowie § 9 Abs. 3 und § 10 bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag der Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen ihre Unterstützung geben, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse über die gleichen Bestimmungen in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Ferner haben die Abgeordneten Motter und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend § 11 Abs. 1 eingebracht.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die diesem Antrag folgen, um ein Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse über § 11 in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen schließlich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesen Teilen der Vorlage ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit beschlossen.

Damit ist die zweite Lesung beendet.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir stimmen ab über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz geändert wird, 381 der Beilagen.

Die Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über diesen Antrag der Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen und sodann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile abstimmen lassen.

Der Antrag der Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen hat eine Abänderung zum Inhalt, die die Streichung der Z. 1 des Gesetzentwurfes betrifft.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Antrag folgen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Damit erübrigt sich eine Abstimmung über die beantragte Änderung der Bezeichnung der Ziffern.

Ich lasse über Z. 1 des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit beschlossen.


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Damit stimmen wir ab über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile samt Titel und Eingang.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag auf Zustimmung zu den restlichen Teilen Folge leisten, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit beschlossen.

Damit kommen wir zur dritten Lesung dieser Vorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest: Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit beschlossen.

Als nächstes stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen betreffend Krankenanstaltenfinanzierung: Kostenbeitrag der Krankenversicherungsträger.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen zustimmen, um ein Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Entschließungsantrag ist daher abgelehnt.

Wir stimmen ab über den Antrag des Gesundheitsausschusses, dem Abschluß der gegenständlichen Vereinbarung gemäß Artikel 15a der Bundesverfassung in 382 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen. – Ich stelle Beschlußfassung mit Mehrheit fest.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 433 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme dieses Berichtes stimmen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir stimmen nun ab über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 434 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte um ein Zeichen der Zustimmung. – Die Kenntnisnahme wurde mit Mehrheit beschlossen.

Wir stimmen ab über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 435 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Auch da darf ich um ein Zeichen der Zustimmung bitten. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.

17. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 323/A (E) der Abgeordneten Dr. Stefan Salzl und Genossen betreffend Fütterungsverbot für Tier- und Knochenmehl aus TKV-Anlagen mit niedrigem Hygienestandard (436 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 17. Punkt der Tagesordnung: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 323/A (E) der Abgeordneten Dr. Salzl und Genossen betreffend Fütterungsverbot für Tier- und Knochenmehl aus TKV-Anlagen mit niedrigem Hygienestandard.

Ich möchte an dieser Stelle sagen, daß nach Schluß der Sitzung eine ganz kurze – zweiminütige – Sitzung des Geschäftsordnungsausschusses zum Zwecke der Einsetzung eines Unterausschusses geplant ist; es sei denn, die Klubobmänner einigen sich auf einen anderen Termin.


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(Abg. Dr. Schmidt: Die Klubobleute! – Abg. Schieder: Die Klubobmänner und -frauen!) Ich meinte: die Klubvorsitzenden. Ich bitte vielmals um Entschuldigung.

Auf die mündliche Berichterstattung zu Punkt 17 der Tagesordnung wurde meiner Information nach verzichtet.

Wir kommen daher sogleich zur Debatte.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Salzl. Ich erteile es ihm.

21.33

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute erneut einen Entschließungsantrag betreffend Fütterungsverbot für Tier- und Knochenmehl aus TKV-Anlagen mit niedrigem Hygienestandard. Genau diese Thematik haben wir auch vor kurzem hier erörtert.

Ich habe schon damals auf die mangelnde Sterilisationssicherheit mancher TKV-Anlagen auch innerhalb der EU hingewiesen.

Ich habe darauf hingewiesen, daß Anlagen, die drucklos und mit Trockenerhitzung arbeiten, nicht dazu geeignet sind, den BSE-Erreger und andere hitzeresistente Keime, vor allem Sporenbildner, wirklich abzutöten.

Weiters habe ich darauf hingewiesen, daß derart mangelhafte Anlagen heute innerhalb der EU noch in Betrieb sind und somit verseuchte Produkte aus solchen Anlagen auch zu uns nach Österreich gelangen könnten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Welch fatale Folgen ungenügend erhitztes und ungenügend sterilisiertes Futter haben kann, sehen wir derzeit an der BSE-Epidemie in Großbritannien sowie an negativen Auswirkungen in ganz Europa.

Wie vor kurzem in einem Expertenhearing ausgeführt wurde, haben unsere TKV-Anlagen – im Gegensatz zu diesen mangelhaften Anlagen – einen hohen Hygienestandard. Dieser Standard ist, in Verbindung mit dem Fütterungsverbot von Tier- und Knochenmehl an Wiederkäuer, der Grund dafür, daß BSE und auch andere Tierseuchen in Österreich Gott sei Dank bis dato kein Problem waren. Es geht nicht nur um BSE.

Ich erinnere daran, daß die Schweinepest vor kurzem in Deutschland einen Schaden in Höhe von zirka 2 Milliarden D-Mark verursacht hat und daß in südlichen Ländern gerade wieder die Maul- und Klauenseuche grassiert.

Zur Abwendung derartiger Risken wurde daher ursprünglich von Kollegen Firlinger ein Antrag auf generelles Fütterungsverbot von Tier- und Knochenmehl eingebracht. Nach Expertengesprächen und in Kenntnis des hohen Hygienestandards der österreichischen Anlagen wurde dann von mir ein Abänderungsantrag eingebracht, wonach das Fütterungsverbot nur für Produkte aus Anlagen mit niedrigem Hygienestandard gelten sollte, bei denen die Gefahr für unsere Haustiere und somit auch für den Menschen nicht ausgeschlossen werden kann.

Es kam in der Folge sogar zu einem Fünfparteienantrag. Dieser wurde dem Plenum zugeleitet und sollte am 31. Oktober beschlossen werden. Da aber nicht sein kann, was nicht sein darf, daß man nämlich einem oppositionellen Antrag, wenn auch nur im Ausschuß, zustimmt, wurde der Antrag des Kollegen Firlinger an den Gesundheitsausschuß rückverwiesen. Kollege Firlinger hat dann etwas erbost – und das zu Recht – seinen Antrag zurückgezogen. Damit dieser Fünfparteienantrag, der somit gefallen wäre, aber doch noch beschlossen werden kann, habe ich schnell einen Entschließungsantrag eingebracht, um eine Grundlage für diese Fünfparteieneinigung zu schaffen. Umso erstaunter war ich dann im Gesundheitsausschuß, als die beiden


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Regierungsparteien den ursprünglichen Fünfparteienantrag einbrachten und von einem gemeinsamen Antrag nichts mehr wissen wollten.

Es wurde dann die ohnehin schon groteske Situation noch grotesker: Sowohl die Opposition, also Freiheitliche, Liberale und Grüne, als auch die Regierungsparteien haben – getrennt voneinander – einen wortidentischen Antrag eingebracht, über die dann noch dazu getrennt abgestimmt wurde. Während die Oppositionsparteien, da beide Anträge identisch waren, selbstverständlich beiden Anträgen zugestimmt haben, haben SPÖ und ÖVP innerhalb von Sekunden wie ein Chamäleon ihre Meinung geändert. Sie haben zuerst den Oppositionsantrag abgelehnt, um wenige Sekunden später den wortgleichen Regierungsantrag anzunehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein besseres Beispiel für die Ausgrenzungspolitik der Regierungsparteien gegenüber der Opposition gibt es gar nicht!

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie haben, wie ich glaube, aus den Wahlniederlagen nichts gelernt. Ihnen geht es nicht um Sachpolitik, sondern nur darum, die Opposition zu maßregeln und auszugrenzen, insbesondere die Freiheitlichen. Meine sehr geehrten Damen und Herren von Rot und Schwarz! Damit lösen Sie allerdings keine Probleme, und es wird Ihnen der Wähler, wie ich glaube, für eine derartige Politik die Rechnung präsentieren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte. Maximale Redezeit: 16 Minuten. 

21.39

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Als ich diesen Bericht las, konnte ich leider nur sehr wenig damit anfangen. (Abg. Schieder: Dann les’ ihn nicht!) Denn diesem entnehme ich, daß es eine Mehrheit für den oppositionellen Antrag gegeben hat, daß dann ein wortidentischer Antrag von Menschen der ÖVP und dann ein wortidentischer Antrag von den Menschen Verena Dunst, Theresia Haidlmayr und Klara Motter eingebracht wurde, der auch wieder angenommen wurde. Ich weiß überhaupt nicht, in welchem Punkt es in diesem Ausschuß überhaupt einen Widerspruch gab. Aber wir werden ja ohnedies bald wissen, wie sich dieses Hohe Haus entscheidet.

Meine Damen und Herren! Grundsätzlich ist dazu zu sagen, daß es selbstverständlich sehr gescheit ist, wenn die österreichischen Standards bei Tier- und Knochenmehl eingehalten werden. Aber die Gesundheitsministerin – ich kann mich an einige Anfragebeantwortungen erinnern – hat im Zusammenhang mit der BSE-Gefahr hier ebenso wie auch auf EU-Ebene eher beschwichtigend gearbeitet, weil die Wissenschaft immer gesagt hat, es gebe kein Problem. Herr Kommissär Fischler kommt in Brüssel aufgrund dieser Art der Politik der Vertuschung, des Verschweigens, des Abwiegelns und der Vorwürfe an die Opposition und die Kritiker, daß da nur Panikmache und Angstmache vorherrschen, ganz schön arg in Bedrängnis.

Meine Damen und Herren! Das Problem mit Tier- und Knochenmehl ist ein sehr schwieriges, denn grundsätzlich müssen wir davon ausgehen, daß Fleisch von Tieren, das für Menschen geeignet ist, auch für Fleischfresser und Allesfresser geeignet sein muß. Deshalb sind auch die Anträge in dieser Form angenommen worden.

Trotzdem müssen wir bei wissenschaftlichen Erkenntnissen immer sehr vorsichtig sein. Frau Gesundheitsministerin! Sie sind ja in dieser Frage offensichtlich sehr wissenschaftsgläubig, aber das irritiert mich weniger. Mich irritiert, daß Sie insgesamt in diesen Fragen eine sehr restriktive Politik verfolgen, daß Sie nämlich nicht einmal eine Delegation des Grazer Gemeinderates empfangen, die Ihnen im Zusammenhang mit einer wissenschaftlich sehr umstrittenen Frage einen einstimmigen, von allen Gesundheitssprechern unterstützten Antrag beziehungsweise eine Entschließung mitbringen wollte – das ist immerhin unterschrieben worden. Davon wissen Sie nichts – Sie haben Ihre Post wahrscheinlich noch gar nicht gelesen –, aber Ihre Beamten


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wußten davon. Und die Vertretung aus Graz war sehr enttäuscht darüber, daß Sie niemanden empfangen haben.

Deshalb hat man uns gebeten, wir mögen Ihnen, Frau Bundesministerin, diesen Brief überreichen. Er wurde vom Gemeinderat für die SPÖ und die ÖVP unterschrieben, für die FPÖ, für die Grünen, für die Autofahrerpartei und für die KPÖ, die auch im Grazer Gemeinderat sitzt.

Da Sie es nicht der Mühe wert gefunden haben – es handelt sich um eine Resolution des Grazer Gemeinderates über eine Importsperre für durch Gentechnik verändertes Soja, Frau Bundesministerin –, dazu ein Wort zu verlieren, darf ich Ihnen diesen Brief überreichen. (Abg. Wabl überreicht Bundesministerin Dr. Krammer einen Brief in Form eines Plakates. – Bundesministerin Dr. Krammer: Ich habe es nicht gewußt!) – Sie haben es nicht gewußt. Frau Bundesministerin! Das wird vielleicht später einmal in der Kommission sehr interessant sein, wenn Sie diese Anmerkung vor Untersuchungsausschüssen hier in diesem Haus wiederholen müssen.

Meine Damen und Herren! Wir werden bei all diesen Fragen nach wie vor skeptisch sein und im Zweifelsfall dagegenstimmen. – Den Anträgen, die hier vorliegen, ist im wesentlichen zuzustimmen.

Frau Bundesministerin! Ich ersuche Sie dringend, daß Sie, wenn Sie schon Ihre Parteikollegen nicht empfangen, zumindest eine Vertretung des Grazer Gemeinderates empfangen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen. – Bundesministerin Dr. Krammer: Ich habe es nicht gewußt, was soll ich denn machen?)

21.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters ist nicht vorgesehen.

Wir gelangen zu den Abstimmungen, danach gibt es noch eine kurze Zuweisungssitzung.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, seinen Bericht 436 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsantrages 323/A (E) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit beschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 436 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte, im Falle der Zustimmung ein Zeichen zu geben. – Das ist einstimmig beschlossen. (E 34.)

Damit haben wir die Tagesordnung erledigt.

Abstimmung über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Schweitzer und Genossen, dem Unterrichtsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 158/A der Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985 geändert wird, eine Frist bis 10. Dezember 1996 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Fristsetzungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


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Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der heutigen Sitzung wurden die Anträge 337/A bis 344/A und die schriftlichen Anfragen 1554/J bis 1596/J eingebracht.

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für heute, 21.46 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 21.46 Uhr