Stenographisches Protokoll

78. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 12. Juni 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

78. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 12. Juni 1997

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 12. Juni: 9.01 – 23.18 Uhr

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Tagesordnung

(Ergänzung der Tagesordnung siehe bitte S. 34)

1. Punkt: Bericht über den Antrag 14/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten (Gewerbegesetz – GewG) 1996 und

über den Antrag 291/A der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 201/1996, geändert wird, und

über den Antrag 295/A der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 201/1996, geändert wird, und

über die Gewerberechtsnovelle 1997 sowie

über das Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 und das Arbeitsverfassungsgesetz geändert werden

2. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Usbekistan über die bilaterale außenwirtschaftliche Zusammenarbeit

3. Punkt: Erklärung des Rücktritts vom Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen

4. Punkt: Berufsausbildungsgesetz-Novelle 1997

5. Punkt: Bericht über die Anträge 459/A der Abgeordneten Mag. Dr. Josef Höchtl und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung und 460/A der Abgeordneten Dr. Dieter Antoni und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung

6. Punkt: Bericht über den Antrag 404/A (E) der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend die gesetzliche Verankerung der Förderung hochbegabter Schüler und Schülerinnen

7. Punkt: Bericht über den Antrag 405/A (E) der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Aussetzen der Rechtschreibreform


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78. Sitzung / Seite 2

8. Punkt: Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (9aE Vr 2280/97, Hv 1384/97) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Maria Rauch-Kallat

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 11

Ordnungsruf 195

Geschäftsbehandlung

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung betreffend die Debatte am Ende der 77. Sitzung:

Dr. Andreas Khol 11, 12, 221

Dr. Peter Kostelka 11

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 12

Feststellungen des Präsidenten Dr. Heinz Fischer in diesem Zusammenhang 12

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 2231/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 34

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 161


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78. Sitzung / Seite 3

Redner:

Klara Motter 162

Mag. Walter Guggenberger 163

Dr. Günther Leiner 164

Dr. Brigitte Povysil 165

Dr. Martina Gredler 167

Theresia Haidlmayr 168

Bundesministerin Eleonora Hostasch 169

Antrag der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der politischen Verantwortlichkeit der Bundesregierung (insbesondere des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten, des Bundesministers für Inneres und des Bundesministers für Justiz) sowie vermuteter rechtswidriger Einflußnahme durch politische Funktionsträger im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Morden an Abdullah Ghaderi, Abdul-Rahman Ghassemlou und Fadel Rasoul am 13. 7. 1989 und der Verfolgung von drei dieser Tat dringend Verdächtigten, die trotz Vorliegen eindeutiger Indizien Österreich unbehelligt verlassen konnten, gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 220

Bekanntgabe 34

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 34

Redner:

Mag. Dr. Heide Schmidt 221

Wolfgang Großruck 223

Dr. Helene Partik-Pablé 225

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 226

Dr. Volker Kier 227

Ablehnung des Antrages 228

Vorschlag des Präsidenten Dr. Heinz Fischer auf Ergänzung der Tagesordnung um den Bericht in 766 d. B. (Punkt 8 der Tagesordnung) 34

Absehen von der 24stündigen Frist für das Aufliegen des schriftlichen Ausschußberichtes 766 d. B. gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung 34

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 35

Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur näheren Untersuchung der Verantwortung im Zusammenhang mit der mehr als zweijährigen Behinderung der Ermittlungen zum Bombenterror durch Nachrichtenschwindler des Innenministeriums und dem Versagen der Organe der Justiz gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 228

Bekanntgabe 118, 186

Ablehnung des Antrages 228

Wortmeldung der Abgeordneten Dr. Martina Gredler zur Geschäftsbehandlung betreffend Datenschutz 185

Fragestunde (17.)

Wirtschaftliche Angelegenheiten 13

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (133/M); Wolfgang Großruck, Ing. Monika Langthaler, Mag. Helmut Peter, Dr. Ewald Nowotny

Dr. Kurt Heindl (131/M); Johannes Zweytick, Ing. Monika Langthaler, Mag. Helmut Peter

Mag. Dr. Heide Schmidt (135/M); Mag. Johann Maier, Mares Rossmann, Ingrid Tichy-Schreder, Ing. Monika Langthaler

Dkfm. Dr. Günter Puttinger (129/M); Rudolf Parnigoni, Helmut Haigermoser, Mag. Helmut Peter

Ing. Monika Langthaler (136/M); Mag. Thomas Barmüller, Georg Oberhaidinger, Mag. Karl Schweitzer, Karlheinz Kopf

Helmut Haigermoser (134/M); Dkm. Dr. Günter Puttinger, Günter Kiermaier, Mag. Helmut Peter

Ausschüsse

Zuweisungen 31


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78. Sitzung / Seite 4

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Experiment Euro (2585/J) 106

Begründung: Dr. Jörg Haider 113

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima 118

Debatte:

Ing. Mag. Erich L. Schreiner 131

Dr. Ewald Nowotny 133

Matthias Ellmauer 135

Dr. Jörg Haider (tatsächliche Berichtigungen)138, 141

Dr. Hans Peter Haselsteiner 138

Karl Öllinger 141

Ing. Wolfgang Nußbaumer 144

Dr. Alfred Gusenbauer 145

Karl Donabauer 147

Ing. Mag. Erich L. Schreiner (tatsächliche Berichtigungen)149, 157

Dr. Martina Gredler 149

Ing. Monika Langthaler 151

Reinhart Gaugg 153

Brunhilde Fuchs 154

Dr. Michael Spindelegger 156

Mag. Helmut Peter 158

Mag. Gilbert Trattner 160

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Antrag 14/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten (Gewerbegesetz – GewG) 1996 und

über den Antrag 291/A der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 201/1996, geändert wird, und

über den Antrag 295/A der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 201/1996, geändert wird, und

über die Regierungsvorlage (575 d. B.): Gewerberechtsnovelle 1997 sowie

über die Regierungsvorlage (644 d. B.): Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 und das Arbeitsverfassungsgesetz geändert werden (761 d. B.) 35

Redner:

Helmut Haigermoser 35

Ing. Leopold Maderthaner 39

Mag. Helmut Peter 41

Dr. Kurt Heindl 46


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78. Sitzung / Seite 5

Mag. Thomas Barmüller (tatsächliche Berichtigung)50

Ing. Monika Langthaler 50

Ingrid Tichy-Schreder 55

Anton Blünegger 58

Mag. Herbert Kaufmann 59

Mag. Thomas Barmüller 62

Rudolf Schwarzböck 66

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 68

Rudolf Parnigoni 71

Mares Rossmann 73

Karlheinz Kopf 75

Dr. Volker Kier 77

Günter Kiermaier 79

Mares Rossmann (tatsächliche Berichtigung)81

Karl Öllinger 81

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 84

Hermann Mentil 85

Peter Marizzi 88

Ing. Mathias Reichhold 89

Dkfm. Dr. Günther Puttinger 91

Mag. Reinhard Firlinger 92

Dr. Johannes Jarolim 94

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn 95

Mag. Johann Maier 96

Ing. Mathias Reichhold (tatsächliche Berichtigung)98

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 98

Mag. Johann Maier (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung)100

Annahme des Gesetzentwurfes in 761 der Beilagen 102

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 761 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend steuerliche Behandlung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (E 63) 102

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 761 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Einführung eines Bilanzbuchhaltergewerbes (E 64) 102

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 761 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend ein einheitliches Anlagenrecht (E 65) 102

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Gewerbeordnung – Entlassungstatbestände – Ablehnung 83, 102

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Herbert Kaufmann, Edeltraud Gatterer, Helmut Haigermoser, Mag. Helmut Peter, Karl Öllinger und Genossen betreffend Gewerbeordnung – Entlassungstatbestände – Annahme E 62 97, 102

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (560 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Usbekistan über die bilaterale außenwirtschaftliche Zusammenarbeit (762 d. B.) 102

3. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (615 d. B.): Erklärung des Rücktritts vom Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (763 d. B.) 102

Redner:

Helmut Haigermoser 103

Feststellung des Präsidenten MMag. Dr. Willi Brauneder betreffend die Zurückziehung der Wortmeldung durch Abg. Haigermoser 103


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78. Sitzung / Seite 6

Genehmigung des Staatsvertrages in 762 d. B. 103

Genehmigung der Erklärung in 763 d. B. 103

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (699 d. B.): Berufsausbildungsgesetz-Novelle 1997 (764 d. B.) 104

5. Punkt: Bericht des Unterausschusses über die Anträge 459/A der Abgeordneten Mag. Dr. Josef Höchtl und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung und

460/A der Abgeordneten Dr. Dieter Antoni und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung (752 d. B.) 104

Redner:

Helmut Haigermoser 104

Mag. Dr. Josef Trinkl 171

Maria Schaffenrath 173

Helmut Dietachmayr 176


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78. Sitzung / Seite 7

Karl Öllinger 177

Mag. Dr. Josef Höchtl 181

Mag. Dr. Udo Grollitsch 182

Dr. Dieter Antoni 185

Mag. Helmut Peter 187

Werner Amon 188

Reinhart Gaugg 190

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 191

DDr. Erwin Niederwieser 193

Mag. Franz Steindl 195

Dr. Christa Krammer 196

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl 197

Ingrid Tichy-Schreder 200

MMag. Dr. Willi Brauneder 201

Franz Riepl 202

Dr. Volker Kier 204

Katharina Horngacher 205

Annahme der Gesetzentwürfe in 764 und 752 d. B. 206

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 404/A (E) der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend die gesetzliche Verankerung der Förderung hochbegabter Schüler und Schülerinnen (753 d. B.) 208

7. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 405/A (E) der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Aussetzen der Rechtschreibreform (754 d. B.) 208

Redner:

Mag. Karl Schweitzer 208

Dr. Gertrude Brinek 209

Klara Motter 210

Dr. Dieter Antoni 212

Mares Rossmann 213

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 214

Karl Öllinger 215

Franz Stampler 217

Brunhilde Fuchs 218

Mag. Walter Posch 218

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 753 und 754 d. B. 219

8. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (9aE Vr 2280/97, Hv 1384/97) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Maria Rauch-Kallat (766 d. B.) 220

Annahme des Ausschußantrages 220

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 31

759: Bundesgesetz, mit dem ein Telekommunikationsgesetz erlassen wird, das Telegraphenwegegesetz und das Fernmeldegebührengesetz geändert werden sowie ergänzende Bestimmungen zum Rundfunkgesetz und zur Rundfunkverordnung getroffen werden

765: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 geändert wird

Anträge der Abgeordneten

Dr. Hans Peter Haselsteiner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 und das Angestelltengesetz 1921 geändert werden (489/A)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Änderung des Mietrechtsgesetzes (490/A)

Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Schaffung der Möglichkeit eines Zwischenverdienstes im Arbeitslosenversicherungsgesetz (Teilarbeitslosigkeit) (491/A) (E)


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78. Sitzung / Seite 8

Rudolf Parnigoni und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960, das Kraftfahrgesetz 1967 und das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 geändert werden (492/A)

Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsgesetz 1991 und das Verwaltungsstrafgesetz 1991 geändert werden (493/A)

Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (494/A)

Karl Öllinger und Genossen betreffend Schaffung eines Rechtsmittels hinsichtlich der Eignung einer Kinderbetreuung nach der Sondernotstandshilfe-Verordnung beim AMS (495/A) (E)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen (496/A) (E)

Dr. Elisabeth Hlavac und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG) geändert wird (497/A)

Rudolf Parnigoni und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Poststrukturgesetz, BGBl. Nr. 201/1996, in der Fassung BGBl. Nr. 797/1996, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl. Nr. 333, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz, BGBl. Nr. .../1997, und das Gehaltsgesetz 1956, BGBl. Nr. 54, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz, BGBl. Nr. .../1997, geändert wird (498/A)

Annemarie Reitsamer und Genossen betreffend Änderung des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes (499/A)

Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz und das Karenzgeldgesetz geändert wird; Entfall der Ruhensbestimmungen bei Karenzgeldbezug im Ausland (500/A)

Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz – AIVG geändert wird, Berücksichtigung von Betreuungspflichten der/des Arbeitslosen (501/A)

Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Elternkarenzurlaubsgesetz (EKUG) geändert wird (502/A)

Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz, das Karenzgeldgesetz, das Elternkarenzurlaubsgesetz und das Karenzurlaubszuschußgesetz geändert werden (503/A)

Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Karenzurlaubszuschußgesetz (KUZuG) und das Karenzgeldgesetz (KGG) geändert wird – Zuschuß zum Karenzgeld für Alleinstehende, die den Vater nicht bekanntgeben, bei Verpflichtung zur Selbstrückzahlung (504/A)

Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Schaffung eines Kontingents für Au Pairs aus Ländern, die nicht dem EWR angehören (505/A) (E)

Zurückgezogen wurde das Verlangen der Abgeordneten

Karlheinz Kopf und Genossen auf Durchführung einer ersten Lesung zum Antrag 440/A der Abgeordneten Kopf und Genossen betreffend das Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz und das Abfallwirtschaftsgesetz geändert werden (AVG-Novelle 1997) (Zu 440/A)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Experiment Euro (2585/J)

Klara Motter und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Verbesserungen der Sicherheit von Spielplätzen(2586/J)

Klara Motter und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Verbesserungen der Sicherheit von Spielplätzen (2587/J)

Ing. Monika Langthaler und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Holzkennzeichnung, Vollzug des Bundesgesetzblattes 228 vom 2. April 1993 zur Schaffung eines Gütezeichens für Holz und Holzprodukte aus nachhaltiger Nutzung (2588/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Müllverbrennungsanlage Wels/WAV (2589/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Einstellung der Finanzierung von arbeitsmarktpolitisch rele


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78. Sitzung / Seite 9

vanten Maßnahmen für Mädchen und Frauen durch das Arbeitsmarktservice in Wien und Niederösterreich (2590/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Fall Gerd Löffler – Verschleppung eines Bürgers auf österreichischem Staatsgebiet von deutschen Grenzpolizisten (2591/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Besteuerung von Nachhilfestunden (2592/J)

Wolfgang Großruck und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Verkehrsbelastung auf der A 1 (2593/J)

Wolfgang Großruck und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend geplante Leistungseinschränkung im oberösterreichischen Postautodienst (2594/J)

Wolfgang Großruck und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend geplante Leistungseinschränkungen im oberösterreichischen Postautodienst (2595/J)

Kurt Wallner und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Montanuniversität (2596/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Geschworenen im Prozeß gegen Hans Jörg Schimanek jun. (2597/J)

Karl Gerfried Müller und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Errichtung der Autobahnraststätte Wernberg (2598/J)

Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend "Buchgeschenk der Bundeslehranstalt für Reproduktions- und Drucktechnik." (2599/J)

Hannelore Buder und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend die lange Dauer von Pflegschaftssachen(2600/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Beantwortung der Anfrage 2269/J (Dr. Caspar Einems Blitzaktion für die Freilassung eines rückfälligen bosnischen Schubhäftlings) (2601/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (2253/AB zu 2269/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (2254/AB zu 2255/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (2255/AB zu 2254/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (2256/AB zu 2279/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (2257/AB zu 2245/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (2258/AB zu 2250/J)


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78. Sitzung / Seite 10

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen (2259/AB zu 2314/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen (2260/AB zu 2316/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen (2261/AB zu 2317/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (2262/AB zu 2278/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Großruck und Genossen (2263/AB zu 2286/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Günther Platter und Genossen (Zu 2250/AB zu 2247/J)


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78. Sitzung / Seite 11

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

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78. Sitzung / Seite 12

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Meine Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen. In der Geschäftsordnung heißt es, daß die Sitzung zur anberaumten Zeit ohne Rücksicht auf die Zahl der Anwesenden eröffnet wird, und davon mache ich Gebrauch. Ich eröffne die 78. Sitzung.

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dr. Van der Bellen, Wabl, Dkfm. Holger Bauer, Dr. Preisinger.

Es liegen mir zwei Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung vor. – Wer beginnt? – Kollege Dr. Khol, bitte.

9.02

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich melde mich zur Geschäftsbehandlung, denn heute in den frühen Morgenstunden, am Ende unserer letzten Sitzung, hat Frau Abgeordnete Pollet-Kammerlander von den Grünen eine unglaubliche Rede gehalten, in welcher der Massenmörder Bani Sadr aus Persien verharmlost wurde, Massenmorde gerechtfertigt wurden, gleichzeitig hat Herr Abgeordneter Pilz von den Grünen in den USA, im Kongreß, das österreichische Vaterland in einer unglaublichen Weise denunziert und mit falschen Behauptungen dem Ansehen Österreichs schweren Schaden zugefügt, ideellen und materiellen Schaden.

Ich beantrage die Herbeischaffung des Protokolls der gestrigen Sitzung, da man in einer tumultuösen Stimmung, wie Sie sie erlebt haben, nicht genau beurteilen kann, wo Ordnungsrufe und Rufe zur Sache notwendig sind. Herr Präsident! Ich bitte, das zu veranlassen, da wir diese Rede nicht so im Raum stehen lassen können.

Es ist unglaublich, daß eine Abgeordnete hier vorgibt, die Republik Österreich habe nicht das Ordentliche getan, um die Kurden-Mörder zu verfolgen, gleichzeitig aber den Massenmörder Bani Sadr verharmlost.

9.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Wortmeldung: Abgeordneter Dr. Kostelka.

9.03

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Der Tumult in der gestrigen Sitzung ist nicht zuletzt auch deswegen entstanden, weil der außerordentlich harmlose Begriff "Haufen" zum Gegenstand eines Ordnungsrufes gemacht wurde.

Ich habe gestern nicht in den entsprechenden Unterlagen nachschauen können, darf aber heute berichten, daß die große, 24-bändige Brockhaus-Enzyklopädie den "Haufen" als einen aus dem Militärwesen stammenden Begriff definiert (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen), der üblich geworden ist zur Bezeichnung von einer Vielzahl von Soldaten, speziell auch für eine geschlossene Schlachtenformation. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Herr Präsident! Ich darf Sie bitten, in der nächsten Präsidiale festzustellen, worin die Beleidigung, die Anstandsverletzung besteht, wenn ein solcher Begriff verwendet wird. Ich finde es wirklich mehr als problematisch, wenn eine solche Auslegung der Geschäftsordnung stattfindet, wenn ein solcher Begriff, der völlig wertfrei ist, zu einem Ordnungsruf führt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

9.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Die gestrige Sitzung war natürlich sehr emotional, das ist mir bewußt, aber ich bitte Sie, sich daran zu erinnern, daß ich dem Klubobmann einer Oppositionspartei vor einigen Tagen auf seinen geschäftsordnungsmäßigen Antrag, das Stenographische Protokoll herbeizuschaffen, geantwortet habe: Das ist kein Antrag auf Herbeiführung eines in der Geschäftsordnung vorgesehenen Zustandes (Abg. Mag. Stadler: Das gilt auch für den Khol!), weil die Regeln betreffend die Stenographischen Protokolle ohnehin eingehalten werden. (Abg. Mag. Stadler: Die kennt der Khol nicht!)

Ich antworte dem Klubobmann einer Regierungspartei hinsichtlich der Handhabung der Geschäftsordnung natürlich genau das gleiche wie dem Klubobmann einer Oppositionspartei (Abg. Mag. Stadler: Sehr schön!): Das Stenographische Protokoll wird vorliegen, sobald es geschrieben ist. – Ich habe mich, bevor ich jetzt den Vorsitz übernommen habe, erkundigt, ob es schon vorliegt, aber das ist noch nicht der Fall gewesen – es war halb drei Uhr früh, als die Sitzung beendet wurde.

Auf eines können wir uns aber sicher alle einigen: Wir werden in der Präsidialsitzung, die ja morgen stattfinden wird, Vorfälle der Sitzung, so wie wir das bisher immer getan haben, erörtern. Das sichere ich Ihnen zu und hoffe, daß manches Wort, das heute in der Nacht gefallen ist, zumindest das wirkliche Bedauern desjenigen auslöst, der sich so ausgedrückt hat, wenn er es sich in Erinnerung ruft. – Das dazu. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Herr Dr. Khol, bitte.

9.06

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Zur Frage des "Haufens" möchte ich mich nicht äußern, weil ich glaube, Präsident Brauneder hat alle, die hier in diesem Zusammenhang "Haufen" gesagt haben, gleich behandelt. Die Frage, ob es ein rügenswertes Wort ist, ist im Satzzusammenhang zu sehen.

Herr Präsident! Ich bin einverstanden mit Ihrer Auslegung der Geschäftsordnung und melde an, daß wir in der morgigen Präsidialsitzung über diese doppelbödige Vorgangsweise der Verharmlosung des Massenmörders Bani Sadr durch die Grünen und der gleichzeitig stattgefundenen Denunzierung Österreichs vor der UNO, in den Vereinigten Staaten sprechen werden. (Abg. Mag. Stadler: Das war der Kongreß!)

9.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich muß anmelden, daß wir morgen auch darüber diskutieren werden, daß Wortmeldungen zur Geschäftsordnung dazu da sind, einen konkreten Antrag zu stellen.

Frau Dr. Petrovic! Seien Sie mir bitte nicht böse, daß ich das jetzt gerade Ihnen vorhalte, aber die drei Meldungen habe ich schon für an der Grenze befindlich betrachtet. – Bitte.

9.07

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich bin auch der Meinung, daß die Wortmeldungen, die jetzt gekommen sind, den Rahmen der Erörterungen zur Geschäftsordnung an sich gesprengt haben. (Abg. Mag. Stadler: Bei weitem!)

Ich schlage vor, die gesamten Vorfälle in der Präsidialkonferenz zu besprechen, erlaube mir aber, aus meiner Sicht folgendes zu sagen: Der gestrige Abend und das Verhalten der Abgeordneten der Koalitionsparteien entziehen jeder differenzierten Stellungnahme der Opposition, wie sie etwa von Frau Mag. Pollet-Kammerlander kam, den Raum. (Ironische Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.)

9.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit ist die Geschäftsordnungsdebatte beendet.


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78. Sitzung / Seite 13

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Fragestunde, und ich beginne jetzt – um 9.08 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die 1. Anfrage wird Herr Abgeordneter Prinzhorn formulieren. – Bitte, Herr Abgeordneter Prinzhorn.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche): Herr Minister! Welche neuen Erkenntnisse haben dazu geführt, daß Sie sich, entgegen Ihrer ursprünglichen Forderung nach einer Rückabwicklung des CA-Kaufs durch die Bank Austria für den Fall, daß die WestLB von ihrem Vorkaufsrecht nicht zurücktritt, nunmehr doch wieder distanziert haben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der exakte Wortlaut hat nicht geheißen "sich distanziert haben", sondern "eine solche nicht mehr vorstellen können".

Die schriftlich eingereichte Frage hat folgenden Wortlaut:

133/M

Welche neuen Erkenntnisse haben dazu geführt, daß Sie sich, entgegen Ihrer ursprünglichen Forderung nach einer Rückabwicklung des CA-Verkaufs für den Fall, daß die WestLB auf ihr Vorkaufsrecht nicht verzichtet, nunmehr eine solche nicht mehr vorstellen können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter! Ich habe in einer ersten Stellungnahme zu den damals bekanntgewordenen Fakten gesagt, daß es mehrere Möglichkeiten der Reaktion gibt. Ich habe in mehreren Punkten einiges dargestellt – ich war damals in Spanien, das war beim Besuch durch Herrn Präsidenten Klestil. Priorität war, daß die WestLB auf ihr Vorkaufsrecht verzichten sollte, und ich habe dann auch auf die Möglichkeit der Rückabwicklung hingewiesen.

Ich sage, warum ich das so gemacht habe, Herr Präsident. Es heißt im 17-Punkte-Programm als letzter Punkt in etwa – sinngemäß –: Wenn die AVZ die beabsichtigte Privatisierungsstrategie blockieren sollte, führt dies zu einer Rückabwicklung.

Das, was dann in den ersten Tagen passiert ist, vor allem das, was ich an Reaktionen auch von seiten des Koalitionspartners erhalten habe, hat dazu geführt, daß ich meine Alternativbewertung in die erste Richtung verlagert habe, denn es ist folgendes geschehen:

Wir hatten in der Nacht vom 12. auf den 13. vereinbart, daß die Privatisierung – sogenannte Privatisierung – der AVZ durch Aktientausch beziehungsweise durch Kapitalerhöhung stattfinden sollte. Da diese beiden Strategien in der Zwischenzeit bestätigt worden sind und die Vorkaufsstrategie, bei der das WestLB-Recht aktuell geworden wäre, den geringsten Anteil hat, kann ich meine Position weitgehend dahin gehend präzisieren, daß es daher das vorrangige Interesse ist, die Strategie Aktienumtausch, die Strategie Kapitalerhöhung durchzusetzen, damit es zu der vereinbarten Rückführung öffentlichen Eigentums kommt. (Abg. Dr. Graf: Aber als dritte Möglichkeit war der Kauf!) – Der Verkauf war angeführt, aber es war klar, daß das die geringste Möglichkeit sein sollte, um die Abstockung bei der AVZ herbeizuführen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche): Herr Minister! Sie haben das 17-Punkte-Programm angesprochen. In diesem 17-Punkte-Programm anläßlich der Übernahme der CA durch die Bank Austria steht ganz klar, daß die Unabhängigkeit der CA gewahrt bleiben muß. Nun ist ein Beherrschungsvertrag angekündigt, der dieses Übereinkommen grob verletzt.


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Was gedenken Sie zu tun, sollte dieser Beherrschungsvertrag tatsächlich abgeschlossen werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Abgeordneter! Ich halte es für zweckmäßig, wenn jetzt in vielen Bereichen schrittweise die Umwälzung dieser 17 Punkte erfolgt. Sollte es dabei Probleme geben, wird sich der Kreis, der die 17 Punkte vereinbart hat, neuerlich zusammensetzen müssen (Abg. Mag. Stadler: Das ist gut!), um die Einhaltung der einzelnen Punkte einzumahnen, was bei einer Reihe von Punkten auf bilateralem Weg bereits erfolgt ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Großruck, bitte.

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es wurde zwischen den Regierungsparteien in einem 17-Punkte-Programm vereinbart, die Bank Austria zu privatisieren. Wie weit ist der Fortschritt hinsichtlich der Umsetzung der 17 Punkte? Welche Punkte sind bereits realisiert, und wie schaut der Zeitfahrplan für die restlichen, noch nicht realisierten Punkte aus?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Abgeordneter! Ich verweise darauf, daß es zur Frage der Abstockung der AVZ in der Zwischenzeit auf der Ebene des Wiener Gemeinderates eine eigene Vereinbarung gibt, und ich nehme an, daß sie von den Gruppen, die sie vereinbart haben, auch ernst genommen wird.

Zweitens: Was die 19 Prozent Bundesanteile anlangt, kann ich sagen: Es liegt hier ein Initiativantrag vor, nach dem die bei der Postbeteiligungsgesellschaft geparkten Anteile an ein Konsortium mit dem Auftrag der bestmöglichen Verwertung, breiter Streuung und Besserungsschein abgegeben werden.

Zur Erklärung, daß die CA ein selbständiges Unternehmen bleibt: Wir werden mit entsprechender Sorge auf die kommende Entwicklung Rücksicht nehmen.

Was die Arbeitnehmer anlangt, hat es die entsprechenden Zusagen der Betriebsleitung gegeben.

Was die Restrukturierung von Investkredit- und Kontrollbankanteilen betrifft: Es ist das im Laufen.

Was den Verkauf der GiroCredit anlangt: Es ist dieser bereits erfolgt.

Was Haftungsentgeltregelungen anlangt: Das Finanzministerium prüft augenblicklich, ob es jetzt tunlich ist – aber da rede ich jetzt über ein fremdes Ministerium –, den Entwurf eines Sparkassengesetzes zur Begutachtung zu verschicken, in dem die Frage Haftungsentgelt geregelt werden soll. Die Vorarbeiten der Bank selbst für den Umtausch der Aktien sind weitgehend fortgeschritten. Ein Privatisierungsgesetzentwurf wird dieser Tage als Initiativantrag eingebracht. Das Übernahmerecht wird vom Justizministerium in wenigen Tagen fertiggestellt werden.

Die Umwandlung der Wiener Börse, für die ich nicht zuständig bin, ist in weitgehenden Vorbereitungen gediehen. Es wird ja zu einer Neuorganisation kommen; das ist aber Sache des Finanzministeriums.

Und die berühmten 2 Milliarden werden in der Budgetplanung für die nächsten Jahre berücksichtigt und zu zwei Dritteln für Forschung und zu einem Drittel für Exportförderung eingesetzt werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister. – Frau Abgeordnete Ing. Langthaler, bitte.


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Abgeordnete Ing. Monika Langthaler
(Grüne): Herr Bundesminister! Viele Bankexperten, aber auch viele Medien, wie zum Beispiel die "Neue Zürcher Zeitung" vom letzten Freitag, haben gemeint, es sei absolut nicht ungewöhnlich, daß sich die deutsche Bank parallel zum Erwerb einer Beteiligung ein Vorkaufsrecht für weitere Aktien der Bank sichert – an und für sich ein sehr üblicher Vorgang. Es hat nun die WestLB gestern in der Hauptversammlung der Bank Austria selbst gemeint, daß sie dieses Vorkaufsrecht nicht in Anspruch nehmen werde. Wie beurteilen Sie diese Stellungnahme, und wird sich Ihre Politik in diesem Zusammenhang dadurch ändern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Das, was an dem Vorkaufsrecht zumindest meinen Adrenalinspiegel hat steigen lassen, war, daß in der vorangegangenen Diskussion verschiedene Alternativofferte aufgrund der Beteiligung ausländischer Banken nicht als solche österreichischer Konsortien bezeichnet wurden und daß in Kenntnis dieses Vorkaufsrechts manches etwas anders ausgesehen, aber im Ergebnis nichts geändert hätte.

Zu dem, was jetzt passiert, was auch von der Westfälischen LB erklärt wurde: Mir ist es wichtiger, daß jetzt die Frage der Abstockung der AVZ weiter zügig voranschreitet und die BA-Anteile, die dem Bund zugehören, auch möglichst bald wegkommen.

Letzter Punkt: Ich stehe nicht an, zu sagen: Ich habe kein Protokoll gesehen, ich habe auch nur Zeitungen gelesen und getraue mich ohne genaues Nachfragen nichts zur Haltung der Westfälischen Landesbank zu sagen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Peter, bitte.

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Ist Ihnen bewußt, daß Sie mit dieser unbedachten – nennen wir sie "spanischen" – Äußerung dem Finanzplatz Österreich einen Bärendienst erwiesen haben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Das Zurückkommen auf zwischen politischen Gruppen bestehende Vereinbarungen kann ich nicht als Schädigung des Finanzplatzes ansehen. Ich glaube, daß es umgekehrt notwendig ist, in Österreich einmal durchgehende Reformen am Finanzplatz selbst durchzuführen, daß wir unser Image loswerden. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister. – Herr Abgeordneter Professor Nowotny, bitte.

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Herr Bundesminister! Der Herr Bundesminister für Finanzen hat angekündigt, daß er sich politisch verpflichtet fühlt, eine Reihe von Kapitalmarktgesetzen sowie eine Änderung des Sparkassengesetzes vorzulegen, obwohl er befürchtet, daß das die Wettbewerbssituation der österreichischen Kreditwirtschaft gegenüber dem Ausland verschlechtern könnte.

Herr Bundesminister! Werden Sie sich dafür einsetzen, daß es zu keinen Regelungen kommt, die die Wettbewerbssituation der österreichischen Kreditwirtschaft international verschlechtern könnten – gerade im Hinblick auf die künftig höhere Wettbewerbsintensität im Rahmen der Europäischen Währungsunion?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Abgeordneter! Ich habe dem Herrn Finanzminister in einem Gespräch mitgeteilt, daß ursprünglich beabsichtigt war, zuerst ein Gutachten internationaler Expertenteams oder eines Expertenteams über die Bewertung der Haftungen durch die Gemeinden erstellen zu lassen und dann erst in die


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Begutachtung zu gehen. Das Finanzministerium hatte vor, vor einem solchen Gutachten in die Begutachtung zu gehen. – Erster Punkt. Also: Meine Position dazu ist klar.

Zweiter Punkt: Rein subjektiv würde ich als Wirtschaftsexperte sagen, daß es nicht schaden kann, wenn die Gemeinden statt freiwilliger Spenden einmal wissen, was eine Haftung wert ist, und davon auch direkt für ihre Budgets Nutzen ziehen würden. Von der Abschaffung der Entgelte als solche war ja nie die Rede, es sollte nur die Möglichkeit geben, daß Institutionen, auf welcher Ebene auch immer, auf diese Haftung verzichten können, wenn sie nicht bereit sind, das Haftungsentgelt tatsächlich in der Höhe zu bezahlen, in der es in internationalen Finanzkreisen bewertet wird.

Aber noch einmal: Es besteht derzeit kein absoluter Drang nach einem Begutachtungsverfahren. Ich würde es vorziehen, zuerst zu schauen, um welche Beträge es dabei geht – wir haben ja nur einen Hinweis des Rechnungshofes im Zusammenhang mit dem Bank-Austria-Bericht –, und erst dann die Entscheidung zu fällen, ob es überhaupt zu einer Begutachtung kommt und welche Maßnahmen dann zu ergreifen sind.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Die 1. Frage ist damit erledigt. Die 2. Frage formuliert Dr. Heindl. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Bundesminister! Die Veröffentlichung der letzten Außenhandelszahlen über das abgelaufene Jahr macht deutlich, wie wichtig die Maßnahmen hinsichtlich einer Exportoffensive, die in Rust beschlossen worden sind, sind. Meine Frage lautet: Welche Maßnahmen sind in diesem Zusammenhang aus Ihrem Ressort zu erwarten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Die Geschäftsordnung bittet die Abgeordneten, auch im Interesse der Zuhörer, die schriftlich eingereichte Frage zu verlesen. – Bitte, Kollege Heindl.

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (fortsetzend): Welche Maßnahmen sind von Ihrem Ressort im Zusammenhang mit der Exportoffensive geplant?

Die schriftlich eingereichte Frage hat folgenden Wortlaut:

131/M

Welche Maßnahmen wird Ihr Ressort zur Ankurbelung des Exports setzen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich habe schon Wochen, bevor sich die Regierungsklausur mit der Frage Exportoffensive befaßt hat, ein rund 20 Punkte umfassendes Programm vorgelegt, das sagt, wie ich Exportförderung quasi vorantreiben würde.

Ich darf eine Vorbemerkung machen: Ganz wichtig ist: Die grundlegende Voraussetzung für ein Fortdauern der Exportoffensive ist, daß wir die günstigen Rahmenbedingungen für Österreichs Unternehmer aufrechterhalten. Es soll in diesem Haus auch einmal gesagt werden, daß Österreichs Unternehmer im Augenblick mit der niedrigsten Inflationsrate seit Dezennien – 1,2 Prozent nach EU-Statistik –, mit der niedrigsten Unternehmerbesteuerung, mit den niedrigsten Kreditzinsen und zum ersten Mal seit 80 Jahren bei freiem Marktzutritt in allen Nachbarländern operieren können.

Es gibt zwei institutionelle Hemmnisse unserer Wettbewerbsfähigkeit: Das ist zum einen eine überbordende Bürokratie bei Verfahren, die wir heute unter einem anderen Tagesordnungspunkt bereinigen oder wesentlich verbessern und damit auch verbilligen wollen. Zum anderen sind das mangelnde Flexibilitätsregeln; ich könnte dem Haus Dutzende Beispiele in diesem Bereich bringen. Wir hoffen, daß wir vor allem auf Sozialpartnerebene rasch zu Regelungen kommen.


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Darüber hinausgehend halte ich folgende Punkte in meinem Bereich für notwendig: Ich habe Auftrag gegeben, daß Experten meines Hauses und der Wirtschaftskammer unverzüglich die Vorarbeiten für eine Informationsbörse für Exporteure aufnehmen. Da geht es darum, daß Hunderte Exporteure, die täglich unterwegs sind, mit vielen individuellen Anregungen zurückkehren, die sie dann mangels einer vermittlungsfähigen Ebene wieder vergessen oder fallenlassen.

Da geht es um Informationen über Kundenkontakte, neue Geschäftsmöglichkeiten, neue Technologien, Zulieferungen, Partnersuche, Vertreter. Wir haben das mit einigen wenigen Firma abgetestet; der Respons ist unglaublich positiv. Ich würde das gerne am System DAVID der Wirtschaftskammer anhängen.

Zweiter Punkt: Dadurch, daß sich die Zahl der Exporteure Österreichs seit dem EU-Beitritt fast verdreifacht hat, kommen immer mehr kleinere Betriebe auf uns zu und verlangen effektivere Hilfe vor Ort durch die Zurverfügungstellung von Räumen und Büroservice, wie etwa Schreibtisch, Telefon oder Fax.

Wir planen als erstes Projekt den Bau eines Österreich-Hauses in Peking. Diesbezügliche Erhebungen haben jetzt bei den Unternehmen eingesetzt. Es soll den dortigen Niederlassungen im Zusammenhang mit der Außenhandelsstelle und allenfalls auch der Botschaft eine Niederlassung als Testfall geboten werden. Diese Niederlassung wird aus österreichischen Mitteln finanziert werden. Im übrigen laufen Gespräche mit der Wirtschaftskammer Österreich und den im Ausland tätigen österreichischen Banken, daß sie derartige Fazilitäten zur Verfügung stellen.

Dritter Punkt: Wir haben festgestellt, daß eine der Hauptschwierigkeiten in Verbindung mit der Tätigkeit vieler kleiner Unternehmen im Ausland der Mangel an effizienten österreichischen Bankrepräsentanzen ist. Ich sage ein Beispiel: Ich war jüngst in einigen Ländern unterwegs, wobei mich Vertreter kleiner und mittlerer Unternehmen begleitet haben. Diese Unternehmen haben dort ein Mehrfaches ihres derzeitigen Umsatzes an Aufträgen zugesagt erhalten und haben nun unglaubliche Finanzierungsprobleme, weil vor Ort keine österreichische Bank ansässig ist, die das zwischenfinanzieren kann.

Dieser Punkt ist in Gesprächen mit den zuständigen Banken ebenfalls in Angriff genommen worden. Ich erinnere daran, daß jüngst in Gesprächen zwischen der österreichischen Wirtschaftsdelegation, der Bank Austria und der Banco Santander in Madrid sichergestellt wurde, daß wir künftig das ausgedehnte Netzwerk der Banco Santander für unsere Lateinamerika-Bemühungen in Anspruch nehmen können.

Nächster Punkt: Marketingoffensive. Ich habe einschlägige Wirtschaftskreise eingeladen, mir Vorschläge für die Verwendung der auf uns zukommenden zwei Beträge aus der BA-Privatisierung zu erstatten, weil eine Analyse der Zahlungsbilanz zeigt, daß wir allein der EU gegenüber ein Handelsbilanzdefizit von 100 Milliarden Schilling haben, dem Rest der Welt gegenüber ein Aktivum. Das bedeutet, daß wir uns bemühen müssen, eine Binnenmarktoffensive in die Wege zu leiten, was wieder bedeutet, daß wir einigen wenigen Sektoren, wie etwa der Nahrungsmittelverarbeitung, helfen müssen, daß sie sich etwa die Auflistung – ich nenne ein Beispiel aus dem jüngsten Besuch in Frankreich – bei einem großen französischen Kaufladen überhaupt einmalig leisten kann, um Marktpräsenz zu erreichen.

Nächster Punkt: Eine der Standardklagen in allen Hearings mit Österreichern, die im Ausland tätig sind, ist, daß zu wenig junge Leute bereit sind, ins Ausland zu gehen und dort auch Positionen und Repräsentanzen zu übernehmen. Wir müssen daher in unserem Ausbildungssystem eine Kursänderung vornehmen. Ich nenne ein Beispiel: Die Fachhochschulen sollen verstärkt Exportkunde lehren, auch sollen entsprechende Kurse etwa in den Handelsakademien angeboten werden.

Ich war jüngst bei einer Veranstaltung mit fast 200 zukünftigen Absolventen der Fachhochschulen im Burgenland. All diese jungen Leuten haben als Zweitsprache eine Ostsprache erlernt und schon Praktika in Osteuropa absolviert. Sie kommen zu einer Zeit auf den Arbeitsmarkt, zu


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der sie noch voll flexibel sind, während es bei anderen infolge diverser Verpflichtungen nach Beendigung ihrer Studien – Ehe, Hausbau et cetera – Schwierigkeiten gibt.

Nächster Punkt: Wir reden seit Jahrzehnten von Consulting Trust Funds. Wir sollten sicherstellen, daß wir sie endlich schaffen. Mir schwebt ein Beteiligungsmodell vor – bestehend zu einem Drittel aus interessierten Wirtschaftskreisen, zu einem Drittel aus Konsulenten und zu einem Drittel aus der öffentlichen Hand.

Ein weiterer Punkt: Wir sollten uns in der Frage Entwicklungszusammenarbeit stärker anstrengen, auch Projekte zu bringen, bei denen wir aus Entwicklungshilfe und Wirtschaftstätigkeit einen positiven Effekt erzielen. Wir sind in den Gesprächen über die Schaffung eines Asien-Lateinamerika-Fonds als Risikokapitalfonds für Investitionen in diesen Ländern bereits weit gekommen. Vorrangig gibt es Gespräche mit der Notenbank, um im Benchmarking vor allem bessere Rahmenbedingungen für die GUS-Staaten herbeizuführen, wo Österreich vor allem schlechter liegt als die Bundesrepublik Deutschland.

Meine letzten beiden Bemerkungen – Herr Präsident, es tut mir leid, daß es so lange gedauert hat – beziehen sich auf die Außenhandelsdatenbank im Wirtschaftsministerium über Reisen, Interventionen und Follow-up und schließlich – das ist mit dem Innenminister vereinbart – auf eine verbesserte Behandlung bei Visa und Aufenthaltsgenehmigungen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage: Kollege Dr. Heindl.

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Bundesminister! Sehen Sie Möglichkeiten, aus Brüssel Unterstützung für Exportbemühungen österreichischer Unternehmungen zu erlangen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Wir haben schon seit dem Beitritt an Programmen aus Brüssel teilgenommen. Die Haupthilfe, die ich mir aus Brüssel erwarte, ist eher eine logistische Hilfe bei Interventionen zur Marktöffnung und zur Beseitigung von Schwierigkeiten. Ich halte nichts von Extraförderungen aus Brüssel.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Zweytick, bitte.

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Auf welchen Märkten sollen die Exportaktivitäten der heimischen Wirtschaft gefördert werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Es gibt hier immer wieder die Vorstellung, daß es sogenannte Hoffnungsmärkte und weniger hoffnungsvolle Märkte gibt. Wir haben jetzt eingeführt, daß wir die Unternehmen fragen – und nicht die Wirtschaftsforscher –, wo sie sich durch ihre Erfahrung und ihre Kontakte die besten Zugangsmöglichkeiten erhoffen.

Ich muß sagen, es gibt nicht den Hoffnungsmarkt per se, sondern es gibt clusterweise, also firmengruppenweise Hoffnungsmärkte. Ein kurzes Beispiel: Gestern war der indische Stahl- und Bergbauminister in Österreich. Indien hat extrem großen Technologiebedarf in diesem Bereich und wird daher zu einem Schwerpunktland. Wir haben gestern dafür ein Programm ausgearbeitet. Indien bietet aber für viele Konsumgüterindustrien keine Chancen.

Wir müssen daher segmentweise nach Unternehmenschancen und -interessen entscheiden. Ich persönlich schließe mich der Euphorie, ein Land als Hoffnungsland zu nehmen, nicht an. Mein Hauptziel ist eine bessere Nutzung der Binnenmarktchancen, weil wir dort die größten Möglichkeiten haben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Nächste Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Ing. Langthaler, bitte.


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Abgeordnete Ing. Monika Langthaler
(Grüne): Herr Bundesminister! Diese Offensive, die in Rust verkündet wurde, ist nicht zum erstenmal verkündet worden, wir haben das schon sehr oft gehört, genauso wie die sogenannte Technologie-Milliarde bereits mehrmals verkündet wurde.

Meine Frage: Soll jenes Geld, das für diese Exportoffensive vorgesehen ist, auch aus dem Bereich der Technologie-Milliarde kommen, oder woher soll die Finanzierung konkret kommen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Abgeordnete! Der Großteil der Exportförderung besteht nicht, wie ich dargelegt habe, in finanziellen Förderungsmaßnahmen, sondern in Networking, im Aufbau von Strukturen, in Ausnutzung der Synergien einer immer größer werdenden exportorientierten Gemeinschaft und in Ausbildungshilfen.

Was wir im Export brauchen werden, was die Kontrollbank anlangt, für die ich nicht zu prästieren habe, ist die bessere Behandlung oder im Benchmarking festzustellende Gleichbehandlung auf wichtigen Auslandsmärkten.

Von der Technologie-Milliarde oder von der Technologie-Offensive her eine Feststellung: Ich könnte an Zahlen nachweisen, daß die Exportoffensive schon seit dem EU-Beitritt läuft. Das läßt sich an vielen Zahlen nachweisen. Wir wollen nur noch intensivieren und verbessern. Im Technologiebereich geht es darum, daß wir dort, wo wir heute in Technologien, den berühmten Clustern, in Gruppen von Technologien, weltweit Bedeutung haben, den Vorsprung halten können und vielleicht in neuen Technologien – ich denke an Wasser und Holz – mit ausreichender Forschungsförderung ähnlich starke Marktpositionen erreichen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Peter, bitte.

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Es ist ein Vergnügen, Ihrer exportwirtschaftlichen Expertise zuzuhören, sie ist von wirklichem Wissen geprägt. Mir fehlt aber ein Teil: 25 Prozent der Devisen erwirtschaften wir im Tourismus. Zu einer Exportoffensive Tourismus haben Sie nichts gesagt. Der Tourismus kommt in Ihrer exportwirtschaftlichen Offensive nicht vor.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Frage lautet vermutlich, was auf diesem Gebiet geschieht. – Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Danke, Herr Präsident! – Ich würde es, da es sich um Incoming Tourism handelt, wie man so schön auf "amtsdeutsch" sagt, schlecht unter Exportoffensive verkaufen wollen. Hier geht es im wesentlichen um diesen Bereich.

Ich darf darauf hinweisen, daß ich schon bei früheren Auftritten hier im Haus angekündigt habe, daß wir uns mit dem neuen Tourismusbericht, den wir in wenigen Wochen – in zwei oder drei Wochen – dem Haus zuleiten werden, genau diesem Segment in aller Spezialität widmen werden, weil die Begriffe, die wir für die üblichen, traditionellen – jetzt im Sinne von Waren- und Dienstleistungen direkt nach außen verbringenden – Sektoren haben, dem Tourismus nicht gerecht werden. Es handelt sich dabei um ein völlig anderes Segment.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. Damit ist der zweite Komplex erledigt. – Die 3. Frage formuliert Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:


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78. Sitzung / Seite 20

135/M

Wie begründen Sie, daß der kreativ-künstlerische Beruf des Fotografen auch nach der – ich füge ein: sogenannten – Gewerbeordnungsreform ein gebundenes Gewerbe mit Befähigungsnachweis bleibt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Die Antwort ist eine geteilte: Soweit es um die künstlerische Fotografie geht, ist sie als Ausübung der schönen Künste aufgrund § 2 Abs. 1 Z. 7 der Gewerbeordnung vom Anwendungsbereich der Gewerbeordnung ohnedies ausgenommen. Sie kann allerdings nur durch die Person selbst und nicht durch Mitarbeiter ausgeübt werden.

Soweit es um die bekannte gewerbliche Fotografie geht, also das Zurverfügungstellen von Jubiläumsfotos, Fotos von aktuellen Events, handelt es sich um eine Tätigkeit, bei der im Hinblick auf das unglaubliche Interesse, das es etwa bei Lehrlingen in diesem Bereich, bei der einen Wiener Schule, der Höheren Lehranstalt für Fotografie und visuelle Medien, gibt, im Begutachtungsverfahren deutlich wurde, daß die beteiligten Wirtschaftskreise auf das Verbleiben einer Bindung, nämlich der Bindung an eine Spezialausbildung, bestehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage, bitte.

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Da ich nicht annehme, daß mit einem Nachhaken die Sache klarer wird, denn die künstlerische Tätigkeit ist das eine, die gewerbliche das andere – Sie haben den Künstler auf diese Weise in den Griff der Gewerbeordnung bekommen –, möchte ich mich mit einer anderen Skurrilität, die aber symptomatisch für die Gewerbeordnung ist, befassen und eine Frage stellen: Ich bin neugierig, wie Sie begründen, daß Sie den Beruf des Steinmetzmeisters, obwohl er in der Regierungsvorlage noch als Handwerk ausgewiesen war, nun in der Gewerbeordnung zu einem – noch dazu bewilligungspflichtigen – gebundenen Gewerbe, natürlich mit Befähigungsnachweis, machen. Ich frage mich, welche Interessen Sie damit schützen wollen, außer vielleicht jene der eingesessenen Steinmetze.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Frau Abgeordnete! Sie haben meine Absicht als Wirtschaftsminister richtig wiedergegeben, die in der Regierungsvorlage ihren Niederschlag gefunden hat. In den Verhandlungen der parlamentarischen Ausschüsse, im Unterausschuß, wurde diese Änderung vereinbart. Und wenn der Souverän anderer Meinung als der Bundesminister ist, habe ich mich zu fügen. (Abg. Dr. Schmidt: Das war in meiner Frage schon drin! Die Frage war warum!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Maier, bitte.

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Bundesminister! Nach welchen Rechtsgrundlagen dürfen Fotografen aus Drittländern, beispielsweise aus den Vereinigten Staaten, bei uns tätig werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Abgeordneter! Das ist eine für mich jetzt nicht einfach zu beantwortende Frage, weil es relativ schwierig ist, beim Besuch etwa ausländischer Staatsoberhäupter oder Wirtschaftsdelegationen, die ihre Fotografen mitbringen, diese jeweils nach der Gewerbeberechtigung zu fragen. Sie publizieren für Amerika und nicht für die österreichischen Medien. Daher üben sie ihre Tätigkeit eigentlich nicht für den inländischen Markt aus. Ich meine daher, daß das ein Tätigkeitsgebiet ist, das nicht mit der Gewerbeordnung zusammenhängt. Sollte es aber so sein, daß sich Amerikaner in Österreich niederlassen und für den hiesigen Markt tätig sind, dann wird ihnen nichts ... (Abg. Haigermoser: Die werden sich hüten! – Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )


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78. Sitzung / Seite 21

Ich werde hier von der rechten Seite zu einer Zusatzantwort genötigt – Herr Präsident, wenn Sie gestatten!

Wir haben – zum Teil noch in meiner Zeit in der Wirtschaftskammer – mit einigen Hundert amerikanischen Kleinunternehmen über den Standort Wien in Wien Verhandlungen geführt und Seminare abgehalten. Das Ergebnis war, daß höchstes Interesse am Standort Wien herrschte. Als die Amerikaner aber von den österreichischen Mindesturlaubsvorschriften und sonstigen Vorschriften hörten, ist jedes Interesse sofort erloschen. (Abg. Mag. Stadler: Sehen Sie!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Rossmann, bitte.

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Sehr verehrter Herr Minister! Die Regierung beschließt heute das Teilgewerbe. Es entfällt dabei zwar die Meisterprüfung, aber den Betrieben wird die Beschränkung auferlegt, nur bis zu fünf Mitarbeiter und außerdem keine Lehrlinge zu beschäftigen. Wie können Sie das mit der vielgepriesenen angeblichen Beschäftigungsoffensive und Lehrlingsoffensive der Regierung vereinbaren, wenn Sie oder das Parlament, die Koalitionsparteien, im gleichen Atemzug ein Beschäftigungsverbot, eine Beschäftigungsbegrenzung und ein Lehrlingsbeschäftigungsverbot beschließen? (Abg. Dr. Khol: Das Parlament und nicht die Regierung! Das Parlament, Frau Rossmann!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Zunächst eine grundsätzliche Bemerkung. Frau Abgeordnete! Es muß sich ein Minister auch darum kümmern, daß er mehrheitsfähige Vorschläge ins Parlament bringt. Das Teilgewerbe per se war in den Diskussionen heftig umstritten. Ich nenne Ihnen ein Argument, das mir – wahrscheinlich auch Ihnen – bei jeder Veranstaltung mit Gewerbetreibenden entgegenschallt: Da werden mir jetzt meine ganzen Gesellen davonlaufen, meine ganze Facharbeiterpartie mitnehmen, und ich stehe da und habe niemanden zum Arbeiten. Daher ist das ein Versuch, der auch mit hohen Risken verbunden ist.

Zweiter Punkt: Eines scheint schon wichtig zu sein: Wenn wir uns in der Gewerbeordnung generell – man kann über Nummern streiten – darauf geeinigt haben, daß wir etwa 80 verschiedene Gewerbe brauchen, um das duale Ausbildungssystem mit Meistern aufrechtzuerhalten, dann macht es keinen Sinn, in einem neuen liberalisierten Versuch auf geringerem Niveau ebenfalls die vollen Rechte wie einem Gewerbebetrieb zuzugestehen. Das ist die Begründung dafür, warum es in diesem Haus möglicherweise zu einer anderen, von Ihnen dargestellten Beschlußfassung kommt. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Tichy-Schreder, bitte.

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP): Herr Bundesminister! Es sind vor der Regierungsvorlage der Gewerbeordnung dankenswerterweise auch zwei andere Anträge zur Gewerbeordnung eingebracht worden. Die Liberalen haben zum Thema Kosmetik – sie wollen diesen Bereich überhaupt sehr stark liberalisieren – in der Gewerbeordnung festgehalten, daß das Gewerbe der Kosmetiker ein gut Teil der Bevölkerung an sich selbst auszuführen pflegt, und zwar ohne Erbringung eines Befähigungsnachweises – aber auch ohne an die Öffentlichkeit gelangte Folgewirkungen –, während die Freiheitlichen das nicht gebundene Gewerbe des Kosmetikers zu einem Handwerk machen wollen. (Abg. Haigermoser: Was wollen wir?)

Herr Bundesminister! Wie halten Sie es hinsichtlich einer Qualifizierungsoffensive in den einzelnen Berufen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Das wirklich Phänomenale an der Gewerbeordnungsdiskussion ist, daß im Prinzip fast alle Verhandlungsteilnehmer liberal sind, und zwar mit einer Ausnahme, wenn es um ihren favorisierten Beruf geht. Das geht über die gesamte Palette der Unternehmenssparten. (Beifall bei der ÖVP.)


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Es muß daher, um die notwendige Mehrheit zustande zu bringen, auch bei jenen, die nach wie vor das duale Ausbildungssystem tragen, gesichert sein, daß wir nicht in die Mentalität verfallen – daß sie bei uns nicht vorherrscht, darum beneiden uns andere Länder –, daß jene, die etwas können und wissen, von ihrem Wissen nach Möglichkeit marktbeherrschend Gebrauch machen, nichts weitergeben und die Jungen sich irgendwie ihre Erfahrung selbst holen müssen. Da wir uns für ein anderes System auch heute beim Berufsausbildungsgesetz – später in der Tagesordnung zu finden – entschlossen haben, ist es, glaube ich, zweckmäßig, zur Sicherung eines gewissen Mindeststandards bei bestimmten Berufen nach wie vor bei der österreichischen Lösung zu bleiben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Kollegin Langthaler, bitte.

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Bundesminister! Was sich bei den Verhandlungen über die Gewerbeordnung aber letztlich abgezeichnet hat, war, daß alteingesessene Zünfte ihre wohlerworbenen Rechte während der Verhandlungen mit Zähnen und Klauen verteidigt haben. Diese Strategie hat dazu geführt, daß neue Berufe nun nicht die gleichen Chancen haben wie zum Teil etablierte Gewerbe.

Ich möchte hier ein Beispiel nennen, nämlich jenes der Solarteure. Die Grünen haben sich sehr bemüht, dieses neue Berufsbild des Solarteurs, das bereits existiert – es gibt bereits eine Schule dafür in Wien –, in diese Gewerbeordnungsnovelle einzubringen. Da mich alle fragen, was das ist: Das ist ein neues Berufsbild für die Installierung von Solarenergie et cetera, wo man bisher sehr, sehr große Schwierigkeiten in Österreich hatte.

Herr Bundesminister! Meine Frage: Weshalb war es aus Ihrer Sicht nicht möglich, die Solartechnik im § 124 als nicht bewilligungspflichtiges gebundenes Gewerbe zu integrieren und damit tatsächlich ein neues Berufsbild auch in Österreich zu unterstützen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Frau Abgeordnete! Aufgrund der Nichtteilnahme der Abgeordneten bestimmter Parteien an den weiteren Ausschußberatungen des Unterausschusses haben manche Vorschläge leider ihre Anwälte verloren und daher auch keine Chance gehabt, umgesetzt zu werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) – Das ist die eine Seite. Ich bitte Sie, das nicht persönlich zu nehmen, aber mit Ihnen ist der Anwalt dieser Berufssparte verlorengegangen.

Der zweite Teil ist: Da wir jetzt in der Gewerbeordnung ein Regelungssystem haben werden, aufgrund dessen alle Berufe, die nicht ausdrücklich in der Gewerbeordnung im Qualifizierungsteil gebunden, handwerksmäßig genannt sind, automatisch frei sind, haben die Solartechniker jede Chance, sich als freies Gewerbe mit selbst gesetzten Standards zu etablieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. Damit ist der dritte Fragenkomplex erledigt. – Die 4. Frage formuliert Herr Abgeordneter Dr. Puttinger. – Bitte sehr.

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Herr Minister! Meine Frage lautet:

129/M

Wie beurteilen Sie als Wirtschaftsminister die Lage der österreichischen Exportwirtschaft?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Wir sind unter anderem der Europäischen Union beigetreten, um diesen Markt für unsere Exporte nachhaltig zu sichern. Es ist, glaube ich, sehr wohl von Interesse, über die Zahlen der letzten Jahre, die ja relativ wenig in der Öffentlichkeit in Erscheinung treten, weil wir sie mit großer Verspätung durch das Österreichische Statistische Zentralamt erhalten haben, zu reden.


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Wir hatten im Jahr 1993 Exporte in der Höhe von 467,2 Milliarden Schilling. Diese sind im Jahr 1996 auf 612 Milliarden Schilling gestiegen. Das ist ein Wachstum von 31 Prozent. Unsere Exporte haben sich in wenigen Jahren um fast ein Drittel gesteigert. Wir ersehen aus allen Indizien, die wir von den Einkommensergebnissen der Mehrwertsteuer und von Firmenprognosen her haben, daß diese Entwicklung weiter voranschreitet.

Wir hatten zwar in den ersten Monaten dieses Jahres einige Schwierigkeiten – das hängt aber mit atypischen Verlagerungen innerhalb der EU zusammen –, wir haben aber weiterhin eine Steigerungsrate des Exports. Wir gehen davon aus, daß wir heuer nominell Exportsteigerungen von etwa 7 Prozent haben werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage: Kollege Puttinger.

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Herr Bundesminister! Die Handelsbilanzprobleme osteuropäischer Staaten veranlassen diese zunehmend zu Maßnahmen, um sich gegen Einfuhren abzuschotten. Österreich als Nachbar und, wie bekannt ist, als Drehscheibe zu Osteuropa muß das interessieren. Ich frage Sie daher: Existieren von Ihrer Seite aus Überlegungen, um den österreichischen Ostexporteuren in dieser Situation beizustehen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Ich hatte vor zwei Wochen ein Treffen in Rust am See mit allen Wirtschaftsministern unserer östlichen Nachbarländer. Wir haben auch über diese Fragen gesprochen.

Ich darf noch einmal zu den Daten kommen. Österreich hat in den letzten zwei Jahren den Exportanteil in diese Länder von 13 auf über 15 Prozent gesteigert, und ich wage es, zu prognostizieren, daß wir in etwa fünf Jahren fast 20 Prozent Exportanteil in diese Länder haben werden. – Trotz aller Maßnahmen, die diese Länder ergreifen, steigen unsere Exporte.

In Gesprächen mit der heimischen Exportwirtschaft wurde mir von dieser mitgeteilt, daß etwa gegen die Erschwernisse, die Tschechien und die Slowakei eingeführt haben, im Prinzip nichts eingewendet wird, wenn sie nur ohne große Bürokratie und rasch über die Bühne gehen. Ich habe das im Einvernehmen mit einschlägigen Wirtschaftskreisen auch an die entsprechenden Minister herangetragen. Aber im Prinzip sind wir in jedem Fall auf der Gewinnerseite, was immer diese Länder momentan an Maßnahmen versuchen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Kollege Parnigoni. – Bitte.

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Bundesminister! Wir alle wissen, daß der Export für unseren Wohlstand von besonderer Bedeutung ist. Wir verstehen unter Export immer den Export von Waren. Nun ist schon in einer Wortmeldung der Tourismus als ein wichtiger Teil unseres Exports hineinreklamiert worden. Ich möchte Sie aber fragen, Herr Bundesminister: Welche unterstützenden Maßnahmen können Sie sich für den Export von Dienstleistungen vorstellen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister. – Bitte.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Zum einen sehen wir, daß in sehr vielen Industriebetrieben heute ein, wie es heißt, Out-sourcing von Dienstleistungen stattfindet, das heißt, es werden ganze Abteilungen wie Wartung, Service, zum Teil auch Forschung ausgegliedert, aber umgekehrt in ihrer neuen Funktion auch auf den Auslandsmärkten angesiedelt.

Daraus ergibt sich auch ein relativ deutlicher Anstieg unseres Serviceanteils bei den Exportleistungen. Ich weise darauf hin, daß die zwei Hoffnungsmärkte in diesem Bereich vor allem im Bereich des Finanzierungsgeschäftes sind, im Bereich des Consultings, der Beratungstätigkeiten. Wir haben hier freilich ein Problem, nämlich daß unser größtes Hindernis für den Export dieser Dienstleistungen in der Höhe der österreichischen Preise besteht.


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Ich darf in diesem Haus offen sagen, daß eine Normalrechnung eines Österreichers die dreifache Höhe einer Rechnung eines irischen Expertenteams beträgt und es daher große Probleme gibt. Wir versuchen, das durch Kooperationen österreichischer Konsulenten mit irischen, französischen oder spanischen Büros zu verbessern, indem wir durch den "Mix" wettbewerbsfähiger werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Haigermoser, bitte.

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Krankjammern gilt nicht, aber Gesundbeten auch nicht, wie Sie es jetzt versucht haben. Gesundbeten gilt also auch nicht.

Handelsbilanz minus 101 Milliarden Schilling, Negativsaldo im Warenverkehr mit der EU, um 13 Milliarden Schilling verschlechtert. Diese Kennzahlen dürften an Ihnen nicht vorbeigegangen sein. Ich hoffe es zumindest, Herr Bundesminister!

Daher stellt sich die Frage in Ihrer Gesamtverantwortung für die Exportwirtschaft: Wie konkret werden Sie in der Regierung auf steuerliche Entlastung des Faktors Arbeit drängen, um zu einer echten Exportoffensive zu kommen? – Die Ergebnisse, die Ruster Absichtserklärungen waren etwas dürftig, Herr Bundesminister – das umso mehr, als auch der Wirtschaftsbund, Herr Mitterlehner, diese Dinge in Grund und Boden verdammt hat. Daher ist die Frage, die ich hier gestellt habe, für die Öffentlichkeit sehr interessant. (Abg. Dr. Fekter: Geh, geh, Herr Haigermoser!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Noch einmal: Nur für jene in der europäischen Wirtschaftsszenerie, die nicht an den Euro glauben, spielt die Zahlungsbilanz weiterhin eine wichtige Rolle. Mit der Einführung des Euro wird es die Zahlungsbilanz im traditionellen Sinn nicht mehr geben, da dies dann nur noch eine Bilanz regionaler Finanzierungsströme ist. (Zwischenruf.) – Ich erkläre das gerne einmal anderswo, wenn ich mehr Zeit habe, Frau Abgeordnete.

Wahr ist, daß sich die Ökonomen darüber im klaren sind, daß es künftig eine Außenhandelsbilanz der Europäischen Union geben wird, zu der Österreich 15 Milliarden Schilling netto beitragen wird. Daher sind wir ein willkommener Partner. Zum anderen wird das, was wir traditionell Zahlungsbilanz genannt haben, ein Problem der regionalen Geldströme – das ist ein Problem, ich würde es nicht geringschätzen. Wir sollten uns aber von dieser Alarmdiskussion einmal lösen, weil sie ökonomisch unter den Euro-Bedingungen keine Bedeutung mehr hat. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: zu den Maßnahmen, die in Rust besprochen wurden. (Abg. Dr. Ofner: Es hat ein anderes Mascherl, denn die topographische ... !) – Es würde sich, Herr Abgeordneter Ofner, dasselbe abspielen, wie wenn wir in Österreich mit Bundesländerbilanzen arbeiteten. Es hat keinen politischen Einfluß. Österreich ist dann eine Region im europäischen Zahlungsbilanzbereich. (Abg. Dr. Ofner: Sie haben gesagt, wenn Sie einmal Zeit haben! Sie haben heute Zeit!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist der Herr Bundesminister zur Beantwortung der Frage. (Abg. Dr. Ofner: Geben Sie ausführlich Antwort! Sie haben Zeit! Sie müssen auf keine andere Frage mehr eingehen! Sie haben Zeit!)

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner (fortsetzend): Ich gebe ausführlich Anwort, Herr Abgeordneter!

In einschlägigen Ökonomenkreisen ist klar, daß die bisherige Bedeutung nationaler Zahlungsbilanzen mit dem Eintritt des Euro total relativiert wird. Wer sich daher damit weiterhin sozusagen alarmiert, ist selbst schuld. Er wird in der alten Diktion nicht ernst genommen. (Abg. Dr. Ofner: Aber in der neuen! – Abg. Aumayr: Aber in der neuen!)


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Zum zweiten: Wichtig ist, daß wir, wie wir anhand der Daten, die wir über die Binnenmarktentwicklung haben, sehen können, in diesem größten, kaufkräftigsten Markt der Erde ein Handelsbilanzdefizit haben – um diesen Begriff noch zu verwenden; in einem Binnenmarkt ist er im Prinzip nicht angebracht –, ein Defizit haben. (Abg. Rosenstingl: Es bleibt ein Defizit!) – Es ist daher eine Binnenmarktoffensive notwendig, und wir werden uns auch darum bemühen.

Zu den Ergebnissen von Rust: In der Folge von Rust werden mit einem Zeithorizont von sechs Monaten drei Arbeitsgruppen arbeiten. Jene Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz des Finanzministeriums muß sich mit den Finanzierungsbedingungen und allfälligen Konzentrationen der Förderungen auseinandersetzen. In meinem Haus gibt es eine Gruppe, die Dinge bearbeitet, die ich Ihnen bereits genannt habe; wir haben alle Vorbereitungsschritte abgeschlossen. Und eine weitere Arbeitsgruppe im Bereich der Wirtschaftskammer Österreich beschäftigt sich mit von den Unternehmern erwarteten spezifischen Förderungsmaßnahmen.

Noch einmal zu den Fragen betreffend Steuern. (Abg. Mag. Trattner: Herr Minister! Das hören wir alles schon seit fünf Jahren, das, was Sie jetzt sagen, was Sie alles vorhaben!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte sehr. (Abg. Haigermoser: Da ist eine Antwort noch offen, Herr Präsident! Herr Präsident, eine Antwort ist noch offen!)

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Auch nach dem Beitritt Österreichs in die Währungsunion, die ich als Liberaler befürworte, werden die Kosten des Wirtschaftsstandortes für die Exportwirtschaft eine bedeutende Rolle spielen. Die Kosten des Wirtschaftsstandortes Österreich haben sich in den letzten Jahren dieser Bundesregierung wesentlich erhöht. Was werden Sie in Ihrer Verantwortung als Wirtschaftsminister im Kollegialorgan Bundesregierung machen, damit dieser Trend der laufenden Erhöhung der Kosten des Wirtschaftsstandortes Österreich gestoppt wird und wir im internationalen Rating nicht laufend verlieren?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Abgeordneter! Ich darf dem Abgeordneten Haigermoser noch einen Satz sagen, weil die Steuern eine Rolle spielen und sich eines ins andere fügt.

Ich möchte zunächst einmal ... (Abg. Dr. Schmidt: Die Regeln gibt aber schon das Parlament vor! Wir sind jetzt bei dieser Zusatzfrage! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Da Herr Abgeordneter Peter im Nebenton dieselben Fragen, nämlich Arbeitskosten, vergleichbare Kosten in Österreich, angesprochen hat, habe ich zum Abgeordneten Haigermoser gesagt, daß meine Antwort in diesem Teil nun kommt. – Erster Punkt. (Abg. Aumayr: Das hat die Kollegin nicht verstanden! – Abg. Dr. Krüger – in Richtung des Liberalten Forums –: Wenden Sie sich an die Volksanwaltschaft!)

Wir haben in intensiven Beratungen mit den meisten Auslandsinvestoren in Österreich versucht, die Wertigkeit des Standortes Österreich zu evaluieren. Ich bin gerne bereit, Herr Abgeordneter, daß wir uns einmal in einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses mit einem Sonderbericht zur Frage dieser zum Teil unglücklichen internationalen Standortvergleiche auseinandersetzen. Die Art, wie das Forum Davos diese Vergleiche macht, ist sachlich einfach nicht richtig. Es werden im "Wahlwurf" Unternehmer gefragt, was sie hinsichtlich von Standorten denken, und diese sagen dann, sie denken nie daran, in Singapur zu investieren.

Wir in Österreich haben daher im Wirtschaftsministerium den Weg gewählt, daß wir uns mit den konkreten ausländischen Investoren in Österreich unterhalten. Und diese haben uns folgendes gesagt – ich wiederhole das; ich glaube, ich habe es im Ausschuß schon einmal gesagt –:


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Erster Punkt: Hauptvorteil Österreichs sind die hervorragend ausgebildeten Arbeitskräfte, und das relativiert für diesen Sektor die Kosten der Arbeitsplätze. Das gilt aber nicht für den Tourismus, ich bleibe beim Sektor der ausländischen Investoren in Österreich.

Zweiter Punkt: Österreichs Hochschulen sind in ihrer Forschungskapazität international weit unterschätzt. Wenn man gewissen Druck ausübt, bekommt man hervorragende Ergebnisse.

Die zwei negativsten Faktoren, die sie uns gesagt haben, waren: die Visapraxis und die Aufenthaltsgenehmigung für Nicht-EU-Bürger und die Dauer von Verfahren, Flexibilität und diverse bürokratische Hemmnisse.

Das bedeutet: Unsere Diskussion reduziert sich vor allem auch auf die Arbeitskosten im Dienstleistungsbereich – da bin ich bei Ihnen. Wir werden vor allem im Bereich der Dienstleistung – Tourismus an vorderster Stelle – darauf schauen müssen, wie wir die Relationen verschieben, und das wird nur gehen, indem wir im europäischen Kontext Druck machen, daß es zur Ressourcenbesteuerung kommt, die uns den Spielraum gibt, die Arbeitskosten spürbar zu entlasten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Das war der vierte Fragenkomplex. – Wir kommen jetzt zur 5. Frage: Frau Abgeordnete Langthaler, bitte.

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

136/M

Stimmt es, daß Sie im Rahmen des geplanten Generalübereinkommens zur Vergütung der Stromerzeugung aus Alternativenergien, also von Strom aus Biomasse, Windkraft, Photovoltaik, skandalös niedrige Einspeistarife der E-Wirtschaft von durchschnittlich 50 Groschen pro Kilowattstunde akzeptieren, wo doch in unseren Nachbarländern Italien und Deutschland zum Teil deutlich über 1 S pro Kilowattstunde bezahlt wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Abgeordnete! Im Rahmen des geplanten Fördermodells Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie ist vorgesehen, als flankierende Maßnahme für Anlagen, die auf Basis der zu fördernden erneuerbaren Energiequellen produzieren, Einspeistarife festzusetzen, die zusammen mit der Direktförderung durch Investitionszuschüsse einen wirtschaftlichen Betrieb dieser Projekte ermöglichen.

Wo wir nicht einer Meinung sind, ist, daß wir in der Evaluierung ausländischer Vergleiche nicht von der gleichen Analyse ausgehen. Österreich hat 70 Prozent Wasserenergie zur Basis, in Deutschland spielt sie mit 5 Prozent eine geradezu vernachlässigbare Größe. Wir haben dafür den Markt nicht.

Unser Ziel ist es, im Zusammenspiel von Direktzuschuß und Mindesteinspeistarif eine ökonomische Praktikabilität zu ermöglichen. Das werden wir in den nächsten Wochen prüfen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage, bitte.

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Bundesminister! Faktum ist, auch wenn Österreich einen hohen Anteil an Wasserkraft hat, daß wir uns das Ziel gesetzt haben, die CO2-Emissionen in diesem Land zu reduzieren. Deshalb ist gerade für die Wintermonate Strom, der aus Windkraftanlagen, aber auch aus Biomasse kommt, besonders interessant.

Faktum ist auch, daß in ganz Europa bessere Rahmenbedingungen dafür vorhanden sind als in Österreich. Wir sind das Schlußlicht in der Europäischen Union, alle haben eine Tarifförderung, die höher ist als jene in Österreich, und Sie gehen jetzt in Richtung Investitionszuschüsse.

Ich denke, Sie haben da schon etwas Konkreteres ausgearbeitet, das Sie uns hier auch mitteilen könnten. Wie soll das konkret aussehen? In welcher Höhe sind die Investitionszuschüsse


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geplant, der Topf insgesamt? Wie hoch ist der Beitrag von seiten Ihres Wirtschaftsressorts dazu? Für wie viele Jahre soll dieses Übereinkommen bestehen? Und warum nehmen Sie als Wirtschaftsminister nicht von Ihrem Recht als oberste Preisbehörde Gebrauch, konkrete Tarife für Strom aus diesen Alternativenergien festzusetzen, wenn Länder und E-Wirtschaft überhaupt nicht kompromißbereit sind?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, das war eine Zusatzfrage, wie wir alle gehört haben, und ich bitte um Beantwortung.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Frau Abgeordnete! Sie kennen das Szenario der Energiewirtschaft in Österreich und das, was wir in den nächsten Monaten, vielleicht im nächsten halben Jahr, gemeinsam zu bewältigen haben werden. Wir haben es mit stark fallenden Preisszenarios zu tun, und es weigern sich viele Unternehmen, andere zu subventionieren, die als Mitbewerber, unter welchem Prätext immer, auf den Markt kommen.

Zur Grundsatzfrage: Sobald unser Modell fertig ist, werde ich es allen bekanntgeben; wir haben unsere Beratungen noch nicht abgeschlossen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Barmüller, bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Von den Geldern, von denen im Rahmen dieses Übereinkommens gesprochen wird, könnten Sie pro Jahr sechs bis sieben Windkraftanlagen finanzieren. Warum wird nicht von Ihrer Seite ins Spiel gebracht, daß nicht 90 Prozent des Verbundarbeitspreises die Bezugsgröße sein sollten, sondern jene Bandbreiten an Gesamtkosten pro Kilowattstunde, die etwa in den österreichischen Spitzenstromkraftwerken anfallen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Abgeordneter! Wenn das neue System den Unternehmern die Verantwortung überträgt, für ihre Preise selbst verantwortlich zu sein, wenn ich sie unter Drohung der Preisregelung setze, wenn sie die sinkenden Industriepreise zu Lasten der Gewerbekunden und der Haushaltskunden ausgleichen sollten, dann habe ich eine relativ geringe Verhandlungsmacht und auch keine Lust, von meinen gesetzlichen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, durch Wiedereinführung der Preisregelung in den Markt einzugreifen. Ich bin nur bereit – ich wiederhole das wieder –, durch eine Investitionsförderung ... (Abg. Mag. Barmüller: Das ist kein Markt, Herr Minister! Das sind Monopolisten! Das ist kein Markt! Das wissen Sie, Herr Minister! Wir zahlen Strompreise, die heute schon ...!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist der Herr Bundesminister!

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner (fortsetzend): Ich füge noch einmal hinzu, wie ich in meiner ersten Beantwortung schon gesagt habe: Es ist eines der größten Projekte der österreichischen Elektrizitäts- und Energiegeschichte, zu versuchen, den österreichischen Binnenmarkt für Energie vor dem Binnenmarkt der Europäischen Union zu öffnen. Das allein ist bereits eine Veränderung, bei der ich allen gute Durchschlagskraft wünsche – mir zuletzt auch. Daher habe ich keine Lust, auf Nebenfronten noch weiter zur Verärgerung meiner möglichen Verhandlungspartner beizutragen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Oberhaidinger, bitte.

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Bundesminister! Sie haben selbst gesagt – es ist eine unbestrittene Tatsache –, daß Strom aus den genannten erneuerbaren Energieträgern schon derzeit nicht wettbewerbsfähig ist. In einem liberalisierten Strommarkt wird sich diese Situation wesentlich verschärfen.


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Wird Ihr Förderungsmodell, das ich leider im Detail noch nicht kenne, ausreichen, oder müssen darüber hinaus weitere Maßnahmen geplant und gesetzt werden, um wettbewerbsfähig zu sein?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.


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78. Sitzung / Seite 29

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner:
Hohes Haus! Ich glaube, daß in jedem der österreichischen Energieerzeugungs- und -verteilungsunternehmen im Augenblick intensivste Alternativszenarioplanungen für die nächsten Jahre vorgenommen werden. Bei all diesen Planungen zeigt sich, daß die beste Zeit in diesem Sektor vorbei ist, daß wir daher bei jedem dieser Modelle berücksichtigen müssen, daß die Wasserkraft nicht ungenützt über die Wehre laufen soll, daß wir mit relativ hohen Kosten eine der modernsten thermohydraulischen Verbundstrukturen aufgebaut haben, die auf riesigen Kohlenbergen sitzt, die auch nicht mit jeden Tag besser werden und abgearbeitet werden müssen.

Ich glaube, daß es ein sehr mühseliger Weg wird, einen Kompromiß zu finden, der sicherstellt – das ist der Wunsch für dieses Programm, dessen Details wir, wie gesagt, noch selbst zementieren; wir haben erst vor wenigen Wochen die Zustimmung der Elektrizitätswirtschaft zu ihrem finanziellen Beitrag zu diesem Fonds bekommen –, daß in jenen Sektoren, in denen wir uns bei der Alternativtechnologie technologische Spitzenleistungen und damit große Zukunft versprechen, kein Ausscheiden aus dem Markt stattfindet.


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78. Sitzung / Seite 30

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke. – Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Schweitzer, bitte.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Österreich zeichnet sich in sehr vielen Fällen durch vorauseilenden Gehorsam gegenüber der Europäischen Union aus. Im Grünbuch der Europäischen Union zur erneuerbaren Energie und allen anderen einschlägigen Konzepten in Europa sieht man in der erneuerbaren Energie eine spezielle Zukunft für die Energieversorgung. Am 15. 5. gab es einen Beschluß zum Ausbau der erneuerbaren Energie auf europäischer Ebene. Bis wann können die Erzeuger erneuerbarer Energie in Österreich mit verläßlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen rechnen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Ich würde annehmen, in wenigen Wochen. Daß sie zufrieden sein werden, kann ich nicht garantieren.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Kollege Kopf, bitte.

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Bundesminister! Basis für dieses neue Fördermodell bildete ein Entschließungsantrag vom 30. 10. 1996 dieses Hauses. In diesem Entschließungsantrag werden insbesondere die Berücksichtigung von Effizienzkriterien und die Einführung von Marktmechanismen gefordert, um mehr Professionalität und den Einsatz höchstmöglicher technologischer Standards im Bereich der erneuerbaren Energieträger zur Stromerzeugung zu erreichen.

Als ein Antragsteller stelle ich aufgrund der Gespräche fest, daß diesen Anforderungen mit dem neuen Fördermodell in hohem Maße Rechnung getragen wird. – Da die Erstfragestellerin das Wort "skandalös" verwendet hat, erlaube ich mir, es auch zu verwenden. Ich halte die Darstellung, wie Einspeistarife miteinander verglichen werden, ohne die sehr unterschiedlichen Investitionsförderungen in den einzelnen Ländern zu berücksichtigen, für skandalös.

Herr Bundesminister! Meine Frage lautet: Teilen Sie meine Ansicht, daß seriös agierende Förderungswerber, die Interesse daran haben, mit ihren Technologien mittelfristig Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen, keinerlei Angst und Furcht vor den verlangten Effizienzkriterien zu haben brauchen, sondern daß seriös agierende Förderungswerber diese Kriterien sehr wohl begrüßen müßten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Abgeordneter! Erstens ist vorgesehen, daß – sobald wir uns über Förderungskriterien und Richtlinien geeinigt haben werden – die Durchführung durch die Kommunalkredit-Bank in einer Weise erfolgen wird, die sich jeder Ingerenz einer politischen Ebene völlig entziehen wird.

Zweiter Punkt: Nachdem wir die Eckdaten der möglichen Tarifregulierung für Einspeisungen vorgestellt haben, sehen wir jetzt, daß manche damit leben können und manche nicht. Mir sind viele Investitionsprojekte bekanntgeworden, deren Problem es ist, daß sie auf Erwartungen aufbauen, denen der Markt in keiner Weise Rechnung tragen wird. Ich glaube, daß es sich ein Sektor wie jener der Energiewirtschaft in Österreich nicht antun sollte, um jeden Preis Energie ins Netz einzuspeisen, nur weil es "in" ist, eine bestimmte Anlage aufzustellen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.

Ich bitte um die Verlesung der 6. Anfrage.

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Wohl wissend, daß Sie nach langer Säumigkeit flugs noch nach Einbringung unserer Anfrage diese Richtlinien erlassen haben, stelle ich folgende Frage:

134/M

Aus welchem Grund haben Sie die Richtlinien für die Gewerbestrukturverbesserungsaktion, deren demnächstes Inkrafttreten Sie in einer Anfragebeantwortung vom 25. April 1997 ankündigten, bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch immer nicht erlassen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesmister.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Abgeordneter! Das KMU-Förderungsgesetz, welches die Grundlage dieser Richtlinien bildet, wurde erst im Sommer des Vorjahres vom Hohen Haus verabschiedet und publiziert. Wir haben dann, wie vorgesehen, versucht, im Begutachtungsverfahren mit den zuständigen Institutionen Regelungen zu finden. Das hat seine Zeit gebraucht. Längere Zeit hat es auch bis zur Zustimmung des noch zuständigen Finanzministeriums gedauert. Ich habe am 5. Juni diese Richtlinien unterzeichnet. Sie werden jetzt im Bundeskanzleramt für die De-minimis-Regeln notifiziert, und es wird die Genehmigung der EU für darüber hinausgehende Förderungen eingeholt. Die Anträge sind weitestgehend vorgeprüft. BÜRGES hat sich dazu verpflichtet, in jeweils vier Wochen alle Anträge zu erledigen, sobald die Zustimmungserklärungen dieser beiden Institutionen vorliegen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage, bitte.

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Können Sie quantifizieren, wie viele Betriebserweiterungen oder Gründungen durch Ihre Säumigkeit beim Erlassen der Richtlinien für die Gewerbestrukturverbesserungsaktion, die Sie soeben zugegeben haben, verhindert wurden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Ich habe kein Wort von Säumigkeit gesagt, Herr Abgeordneter. Daher bitte ich, es mir auch nicht zu unterstellen. (Abg. Haigermoser: Das war schon eine lange Zeit!) Ich habe – wie es bei mir im Haus üblich ist – alles, was ich tun konnte, mit möglichst hoher Geschwindigkeit getan. Manches dauert eben seine Zeit. Schaden ist nach meinen Informationen nicht entstanden, weil die jeweiligen Hausbanken, die diese Projekte finanzieren, sich darauf verlassen können, daß die Förderung auch tatsächlich kommen wird. Ein Versäumnis derart, wie Sie es angesprochen haben, ist mir nicht bekannt. Sollten Ihnen Fälle bekannt werden, bitte ich Sie, mit mir darüber zu reden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister. – Kollege Puttinger, bitte.

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Herr Bundesminister! Entsprechen die heuer im Budget zur Verfügung gestellten Förderungsmittel den Investitionswünschen des österreichischen Tourismus, und welche maximalen Förderungen können im Rahmen der gegenständlichen Aktion gewährt werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Abgeordneter! Es ist aus der Situation des Tourismus und aus den Zahlen der ÖHT ersichtlich, daß die Zahl der Förderungsanträge im letzten und auch im laufenden Jahr dramatisch zurückgegangen ist. Wir konnten die uns zur Verfügung stehenden Förderungsmittel nicht ausnützen. Es stellt sich daher die von Ihnen angesprochene Problematik nicht, sondern eher die Frage, ob unter den neuen Rahmenbedingungen der Optimismus, vor allem bei den Klein- und Mittelbetrieben, zu Investitionen wieder steigen wird. Es fehlt an Anträgen, nicht an Geldmitteln.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Herr Kollege Kiermaier, bitte.

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Bundesminister! Welche Antwort würden Sie Gewerbetreibenden geben, die Sie fragen, was Sie dazu bewogen hat, diese Neustrukturierung der Aktion in die Wege zu leiten? Welche Eckdaten würden Sie nennen, und welche Punkte waren die Hauptpunkte? Würden Sie – abgesehen von der Kapitalerhöhung auf 14 Millionen – zwei oder drei Gründe anführen, die zeigen, daß die neuen Änderungen wichtig für die Wirtschaft sind?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung, Herr Bundesminister.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Abgeordneter! Ich möchte Ihnen mit Erfahrungen aus einer kürzlich abgehaltenen, gut besuchten Jungunternehmer-Tagung antworten. Der Großteil der jungen Unternehmer sagte mir: Wenn wir warten, bis wir Förderungen bekommen, dann haben wir den Markt schon falsch eingeschätzt. Die Bedeutung der Förderung wird zunehmend skeptisch betrachtet. Das ist der erste Punkt.

Zweiter Punkt: Insbesondere im Tourismus sind viele Unternehmer zu der Ansicht gelangt, daß sie mit einer günstigen Fremdwährungsfinanzierung besser fahren als im Falle nationaler Finanzierung mit Zinsvergünstigungen.

Dritter Punkt: Aufgrund der Beratung junger Unternehmen hat die BÜRGES in den letzten zwei Jahren festgestellt, daß erstmals Jungunternehmer beginnen, die eine bessere Eigenkapitalausstattung zur Verfügung haben als viele Unternehmer, die während der letzten Jahrzehnte gescheitert sind. Sie brauchen daher eine andere Art von Förderinstrumentarium. Dazu gehört etwa ein Zinsencap, eine Garantie gegen steigende Zinsen, weil diese Unternehmen mit der Erwartung niedriger Zinsen in den Markt eingestiegen sind, oder eine Garantie insgesamt, die ihre Bonität mangels Grundbesitzes ausgleicht. Daher wird etwa der Schwerpunkt der BÜRGES künftig auf der Zinsencapgarantie und auf der Garantie des Geldbetrages für ein Unternehmen für bestimmte Zeit liegen.

Was wir zusätzlich brauchen, ist etwas, das vor allem für Jungunternehmen aus dem Technikbereich immer wichtiger wird: einen hinreichend dotierten Venture Capital Fund, einen Wagniskapitalfonds, damit wir in diesem Bereich ein traditionelles Defizit beseitigen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Kollege Peter, bitte.

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Die Gewerbestrukturverbesserungsaktion hat drei wesentliche Vorteile für Kleinunternehmen. Der erste ist der Verfahrenszinssatz, dessen Bedeutung nicht stark genug hervorgehoben werden kann, der zweite ist die Zinsstützung und der dritte ist die Beratungsaktion. Sind Sie bereit, diese Bera


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tungsaktionen in Zusammenarbeit mit BÜRGES kostenlos wesentlich zu vertiefen, um Kleinunternehmungen eine Managementhilfe zu geben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Seit meinem Amtsantritt habe ich zwei Botschaften in diese Richtung gegeben: Hilfe erstens nur mehr dort, wo es nötig ist, unter Beratungszwang diese zu leisten und dafür ein entsprechend rasches und hinreichendes Service zur Verfügung zu stellen, und zweitens eine Absicherung gegen unvorhersehbare finanzielle Risken anzubieten. In dem Sinne können wir, glaube ich, der Mittelstandspolitik neue Impulse verleihen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.

Die 60 Minuten der Fragestunde sind bereits überschritten. Zwei Fragen bleiben für die nächste Fragestunde übrig. – Ich erkläre die Fragestunde für beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 2253/AB bis 2263/AB.

Berichtigung zur Anfragebeantwortung: Zu 2250/AB.

2. Initiativanträge:

Zurückziehung des Verlangens auf Durchführung einer ersten Lesung: Zu 440/A.

3. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem ein Telekommunikationsgesetz erlassen wird, das Telegraphenwegegesetz und das Fernmeldegebührengesetz geändert werden sowie ergänzende Bestimmungen zum Rundfunkgesetz und zur Rundfunkverordnung getroffen werden (759 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 geändert wird (765 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Bundessozialämtergesetz geändert werden (737 der Beilagen),

Antrag 477/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Arbeitslosenversicherung; Wegfall der Einkommensanrechnung bei Notstandshilfeleistungen,

Antrag 479/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Pensionsreform;

Bautenausschuß:

Antrag 484/A der Abgeordneten Helmut Haigermoser und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tauernautobahnfinanzierungsgesetz vom 6. März 1969, BGBl. Nr. 115/69, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 826/92, geändert wird;


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Budgetausschuß:

Antrag 488/A der Abgeordneten Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler, Ing. Kurt Gartlehner und Genossen betreffend Budgetüberschreitungsgesetz 1997 – BÜG 1997;

Finanzausschuß:

Privatisierungsgesetz (736 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Abschluß von Kooperationsvereinbarungen mit internationalen Finanzinstitutionen geändert wird (740 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Leistung eines zusätzlichen Beitrages zum Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) (744 der Beilagen),

Bundesgesetz betreffend die Ermächtigung zum Verzicht auf Darlehensforderungen aus der bilateralen Entwicklungshilfegebarung des Bundes gegenüber Entwicklungsländern (745 der Beilagen),

Antrag 475/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend die schrittweise Senkung der Lohnnebenkosten durch eine Ökologisierung des Steuersystems,

Antrag 481/A (E) der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen betreffend Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen,

Antrag 486/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Dr. Ewald Nowotny und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Veräußerung von Aktien der Bank Austria Aktiengesellschaft,

Antrag 487/A der Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Nullkuponfondsgesetz geändert wird;

Gesundheitsausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe (Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – GuKG) erlassen wird, sowie das Krankenpflegegesetz, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz und das Ärztegesetz 1984 geändert werden (709 der Beilagen);

Gleichbehandlungsausschuß:

Antrag 480/A (E) der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend eine Berichtslegungspflicht aller Betriebe zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern sowie zur Förderung von Frauen und die Sanktionierung einer Verletzung dieser Pflicht durch Nichtberücksichtigung bei der öffentlichen Auftragsvergabe sowie bei der Vergabe von öffentlichen Förderungen;

Ausschuß für innere Angelegenheiten:

Bundesgesetz, mit dem ein Polizeikooperationsgesetz erlassen und das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird (746 der Beilagen);

Justizausschuß:

Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1997 – IRÄG 1997 (734 der Beilagen);

Umweltausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Förderung von Maßnahmen in den Bereichen der Wasserwirtschaft, der Umwelt, der Altlastensanierung und zum Schutz der Umwelt im Ausland (Umweltförderungsgesetz – UFG), BGBl. Nr. 185/1993, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 201/1996, sowie das Bundesgesetz über die Förderung des Wasserbaues aus


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Bundesmitteln (Wasserbautenförderungsgesetz 1985 – WBFG), BGBl. Nr. 148/1985, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 516/1994, geändert werden (743 der Beilagen),

Antrag 476/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Elektrizitätsabgabegesetz, Artikel 60 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, das Erdgasabgabegesetz, Artikel 61 des Strukturanpassungsgesetzes 1996 und das Energieabgabenvergütungsgesetz, Artikel 62 des Strukturanpassungsgesetzes 1996 geändert werden;

Verfassungsausschuß:

Antrag 440/A der Abgeordneten Karlheinz Kopf und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz und das Abfallwirtschaftsgesetz geändert werden (AVG-Novelle 1997);

Verkehrsausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (708 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (19. KFG-Novelle), die 4. Kraftfahrgesetz-Novelle und das Gebührengesetz 1957 geändert werden (712 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 und die 3. StVO-Novelle geändert werden (20. StVO-Novelle) (713 der Beilagen),

Führerscheingesetz – FSG (714 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Tiertransportgesetz-Luft geändert wird (739 der Beilagen),

Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr 1997 (BGzLV 1997) (741 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (758 der Beilagen);

Wirtschaftsausschuß:

Antrag 483/A (E) der Abgeordneten Helmut Haigermoser und Genossen betreffend die Neuorganisation der Außenhandelsstellen,

Antrag 485/A (E) der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend Strukturreform des dualen Berufsbildungssystems;

Ausschuß für Wissenschaft und Forschung:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten (UOG 1993) geändert wird (692 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird (701 der Beilagen).

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Abgeordneten Dr. Haider und Genossen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 2585/J der Abgeordneten Dr. Haider und Genossen an den Herrn Bundeskanzler betreffend Experiment Euro dringlich zu behandeln.


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Gemäß den Bestimmungen der Geschäftsordnung, die bekannt sind, wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr zum Aufruf gelangen.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 2231/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich vor Eingang in die Tagesordnung mit, daß das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 2231/AB zur Anfrage 2264/J der Frau Abgeordneten Motter betreffend die Einrichtung von Gruppenpraxen durch die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales abzuhalten.

Da für die heutige Sitzung soeben die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage bekanntgegeben wurde, wird diese Kurzdebatte im Anschluß an die Verhandlungen über die Dringliche Anfrage stattfinden.

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters ist soeben ein Antrag der Abgeordneten Dr. Schmidt, Hans Helmut Moser und Genossen eingelangt auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung zur Untersuchung der politischen Verantwortlichkeit der Bundesregierung und einzelner ihrer Mitglieder sowie vermuteter rechtswidriger Einflußnahme durch politische Funktionsträger im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Morden an Abdullah Ghaderi, Abdul-Rahman Ghassemlou und Fadel Rasoul am 13. Juli 1989 und der Verfolgung der Täter.

Ob eine Debatte beantragt wurde, läßt sich rasch feststellen. – Es wäre schön, wenn man solche Sachen wenigstens 3 Minuten vor Eingang in die Tagesordnung bekommen würde. – Es wird eine Debatte verlangt. Diese Debatte wird nach Erledigung der Tagesordnung stattfinden, sodann wird auch die Abstimmung stattfinden. Ich darf um Kenntnisnahme bitten.

Ergänzung der Tagesordnung und Absehen von der 24stündigen Aufliegefrist

Präsident Dr. Heinz Fischer: Im Einvernehmen mit den Fraktionen schlage ich vor, die heutige Tagesordnung um einen Punkt zu ergänzen, nämlich:

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Maria Rauch-Kallat (766 der Beilagen).

Diese Ergänzung hat mit Zweidrittelmehrheit zu erfolgen.

Für den Fall einer positiven Beschlußfassung schlage ich vor, diesen Punkt als Punkt 8 der heutigen Tagesordnung in Verhandlung zu nehmen. In diesem Zusammenhang müßte darüber hinaus von der 24stündigen Auflagefrist des Berichtes des Immunitätsausschusses nach § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung Abstand genommen werden. Auch dies bedarf einer Zweidrittelmehrheit.

Ich bitte daher jene Damen und Herren, die erstens der Ergänzung der Tagesordnung und – im Zusammenhang damit – zweitens der Abstandnahme von der 24stündigen Auflagefrist zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit so beschlossen.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 2 und 3 sowie 4 und 5 sowie 6 und 7 der heutigen Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.


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Werden dagegen Einwendungen erhoben? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten wie folgt erzielt:

Es wurde eine Tagesblockzeit von 8 "Wiener Stunden" vereinbart. Daraus ergeben sich an Redezeit für die SPÖ 120 Minuten, für die ÖVP 112 Minuten, für die Freiheitlichen 104 Minuten, für das Liberale Forum und für die Grünen je 72 Minuten.

Darüber hat das hohe Haus zu befinden.

Gibt es gegen diesen Vorschlag Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist es einvernehmlich so beschlossen.

1. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Antrag 14/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten (Gewerbegesetz – GewG) 1996 und

über den Antrag 291/A der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 201/1996, geändert wird, und

über den Antrag 295/A der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 201/1996, geändert wird, und

über die Regierungsvorlage (575 der Beilagen): Gewerberechtsnovelle 1997 sowie

über die Regierungsvorlage (644 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 und das Arbeitsverfassungsgesetz geändert werden (761 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Besteht der Wunsch nach Berichterstattung? – Das ist nicht der Fall.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Haigermoser. Die Redezeit ist auf 15 Minuten eingestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.13

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Herr Bundesminister – er wird noch erscheinen! Ich darf mich zu Beginn einer angenehmen Pflicht entledigen und den Experten aller Couleurs herzlich danken, die in den Ausschußberatungen weitreichende Hilfestellung geboten haben, allen voran den beiden freiheitlichen Experten, Herrn Mag. Stadlmair und Herrn Professor Haller.

Meine Damen und Herren! Um gleich mit einer Mär aufzuräumen, sei vorweg – da die Anschuldigung, wir hätten in den letzten Sitzungen nicht mitgearbeitet, so sicher kommen wird wie das Amen im Gebet – folgendes festgestellt: Wir haben bereits in den ersten Sitzungen erkannt, daß Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, und Sie, Frau Kollegin Tichy-Schreder als Vorsitzende dieses Unterausschusses, überhaupt nicht bereit waren, ernsthaft an die Mitwirkung der Opposition an einem großen Wurf für eine fortschrittliche Gewerbeordnung zu denken!


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Ein Beweis hiefür ist eine Meldung in der "Presse", der zu entnehmen ist, daß Sie Geheimverhandlungen gepflogen haben. Dort heißt es: In den Nebenräumen des Parlaments wurde bis in die Nachtstunden vor allem die strittige Frage im Anlagenrecht debattiert, was die Bauern anlangt, und so weiter. – Sie haben also die Angelegenheiten in Geheimabsprachen erledigt, und das Ganze ist am Ausschuß eigentlich vorbeigegangen. Also: kein Parlament, kein Ausschuß, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Finsternis der Parlamentsnächte war es wieder einmal, in der das sozialpartnerschaftliche Nachtschattengewächs die alten Zöpfe sprießen ließ. Das ist neuerlich ein Beweis dafür, daß Sie eigentlich nichts zusammengebracht, sondern nur gepackelt haben. Daher hat es mit Sicherheit nicht geschadet, daß die Opposition in den letzten Sitzungen die Ausschußarbeit boykottiert hat, ja boykottieren mußte, weil es so war wie eben beschrieben.

Es gibt einen Antrag der Freiheitlichen zur Gewerbeordnung, der diese alten Zöpfe jedenfalls abgeschnitten hätte. Er hätte einem Gesellen erlaubt, sich selbständig zu machen, innovativ zu sein und Arbeitsplätze ins Leben zu rufen – dies unter Beibehaltung des Meisterbriefes, Frau Tichy-Schreder! Wir wollen den Meisterbrief und den Meister aufwerten, indem man dem Meister aufgrund der Meisterprüfung automatisch den Zugang zu den Fachhochschulen ermöglicht. Ich meine, das ist ein wichtiges Anliegen, das zwar nicht zur Gewerbeordnung ressortiert, aber als Teil einer Gesamtänderung umzusetzen wäre. Sie sind zwar schon seit vielen Jahren auch auf diesem "Trip", sind aber nicht bereit, diesbezüglichen Anträgen der Freiheitlichen beizutreten.

So wird es also nichts, Herr Bundesminister Farnleitner, mit einem Anstoß zu einem Mehr an Unternehmen, wie es Ihr ehemaliger Chef Maderthaner stets ankündigt. Maderthaner sagt, es müsse eine Gründeroffensive eingeleitet werden. Mit dieser Novelle der Gewerbeordnung werden Sie dieses Unterfangen nicht unterstützen, meine Damen und Herren! Es sind genau jene falschen Propheten, die stets mit Kreidestimme durch die Lande lustwandeln und eine Gründerwelle einmahnen, die eine moderne Gewerbeordnung freiheitlichen Zuschnittes verhindert haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die Kämmerer haben einmal mehr ihren eigenen Staub aufgewirbelt und in diesem Staub die Richtung verloren. Staub haben sie zum Beispiel beim Buchhaltungsgewerbe aufgewirbelt – und jetzt ist die Reform auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Dabei ist es der Koalition – unter Anführungszeichen – "gelungen", alle Beteiligten zu beleidigen: die Wirtschaftstreuhänder und die Buchhalter, die Bauern und die Händler, die Zahnärzte und die Zahntechniker. – Wie der Elefant im Porzellanladen sind Sie durch die Gewerbeordnung getrampelt, ja der Elefant im Porzellanladen ist ein zartes Engerl dagegen, wenn man Ihre Handlungsweise betrachtet, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das sind nur einige wenige Beispiele, die Aufzählung könnte ellenlang fortgesetzt werden. Das schlechte Gewissen muß Sie, Frau Kollegin Fekter – wahrscheinlich bereitet sie sich eben auf ihre Rede vor –, fürchterlich drücken, weil Sie die Versäumnisse, die diese Regierungsvorlage von SPÖ und ÖVP aufweist und die Sie daher sich selbst anzulasten hätten, der freiheitlichen Opposition in die Schuhe schieben wollen. Zahlreiche Briefe zeugen von Ihren Versuchen, mit Unwahrheiten herumzufuhrwerken. Aber all diese Ausflüchte nützen Ihnen nichts mehr, denn sogar der verstockteste Kämmerer glaubt Ihnen diese Ausflüchte nicht mehr, meine Damen und Herren!

Zwischendurch möchte ich eine gute Nachricht einflechten, Herr Bundesminister. Es ist in Teilbereichen des Anlagenrechts zweifelsohne gelungen, einige Fortschritte zu erzielen, nämlich was die Verfahrensdauer anlangt. Jede Medaille hat zwei Seiten; die weniger sichtbare Seite stellt in diesem Falle das Anlagenrecht dar. Aber der große Wurf, den Sie angekündigt haben, Herr Bundesminister Farnleitner, ist es wirklich nicht geworden. Der Berg kreißte, und eine Fledermaus ward geboren, Herr Bundesminister!

Aber was kann das arme Tier dafür, daß Sie bei der Novellierung der Gewerbeordnung wiederum auf halbem Wege steckengeblieben sind? Gerade über den anlagenrechtlichen Teil


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müssen Sie sich – obwohl sich darin einige Beispiele positiver Natur befinden – von Standortexperten wie Herrn Steinmann sagen lassen: Das Greißlersterben wird durch dieses Anlagenrecht nicht gestoppt; umso mehr schützt die Novelle die Großen. Des Experten Schlußfolgerung lautet: "Mit diesem Machwerk werden nicht die Kleinen geschützt, sondern die bereits bestehenden großen Zentren." – Ende des Zitats. Was also wollen Sie erreichen? Oder stehen Sie im Solde der Großen? – Ich unterstelle Ihnen das nicht, Herr Bundesminister, aber das Ergebnis spricht dafür.

Festzuhalten ist, daß Sie hinsichtlich Anlagenrecht selbst ein schlechtes Gewissen haben, denn sonst hätten Sie nicht einen Entschließungsantrag vorbereitet, in dem Sie, die Regierungsparteien, selbst folgendes feststellen: "Das österreichische Anlagenrecht ist im internationalen Vergleich durch ein Übermaß an Zersplitterung und Parallelverfahren gekennzeichnet. Ein einheitliches Anlagenrecht scheiterte in Österreich bisher an der Verfassungslage."

Interessant, daß Sie als Regierungsparteien das feststellen! (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Es scheitert an der Verfassungslage, sagen Sie. Aber bei der KöST und bei rückwirkenden Steuergesetzen interessiert Sie die Verfassung überhaupt nicht, dort fahren Sie flugs darüber hinweg und erheben Regelungen in Verfassungsrang! Hier aber haben Sie rasch die Ausrede zur Hand nach dem Motto: "Wer is’ stärker: I oder i?" (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Nestroy hat zwar in der Gewerbeordnung eigentlich nichts zu suchen, aber vielleicht hat seine Zeit etwas damit zu tun – ich komme im Zuge meiner Ausführungen noch darauf zu sprechen.

Kollegin Rossmann hat ja schon auf § 31 hingewiesen, der diese einfachen Tätigkeiten behandelt, Herr Bundesminister. Da haben Sie wohl gemeint, das Straußenei des Kolumbus gefunden zu haben – aber mitnichten! Wahrscheinlich hat Sie das schlechte Gewissen geplagt, und Sie haben sich gesagt: Machen wir ein Teilgewerbe, sonst laufen uns die Leute davon. – Ich muß Ihnen sagen, derart hanebüchene Ausreden habe ich heute von Ihnen zum ersten Mal vernommen. Solche Ausflüchte habe ich bisher von keinem Gewerbetreibenden gehört.

Und dann wiederholen Sie das noch und ziehen in § 31 Abs. 3 eine Reglementierung ein: Gewerbetreibende, die ein Teilgewerbe ausüben, dürfen im Teilgewerbe nicht mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigen. – Das heißt also: Wenn dieser Gewerbetreibende, den Sie jetzt in die Selbständigkeit entlassen, zum Beispiel so viele Aufträge hat, daß er einen sechsten Arbeitnehmer einstellen möchte – ich betone: in Zeiten wie diesen! –, dann kommt die Behörde und sagt: Für den sechsten Mitarbeiter werden Sie bestraft. (Abg. Rossmann: Traurig! Sehr traurig!)

Herr Bundesminister! So etwas schreiben Sie in ein Gesetz? So etwas beschließen Sie heute? – Das ist doch ein Sündenfall par excellence! Ein derartiger Nonsens ist vermutlich in keiner Gewerbeordnung der Welt zu finden, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich kann Ihnen ein weiteres Gustostückerl nicht ersparen, dann höre ich mit den Paragraphen schon auf. – § 107 ist ein wahres Paradebeispiel für Bürokratie, ein Rucksack voll Papier! 100 Kilo haben Sie dem Gewerbetreibenden beziehungsweise der Wirtschaft damit in den Tornister gepackt. Nicht der Marschall-Stab ist in Ihrem Tornister, sondern die Bürokratie, Herr Bundesminister!

§ 107: Wechsel des Rauchfangkehrers. Im Falle des Wechsels des für ein Kehrobjekt beauftragten Rauchfangkehrers hat der bisherig beauftragte Rauchfangkehrer unverzüglich einen schriftlichen Bericht über die zuletzt erfolgte Kehrung und über den Zustand des Kehrobjektes an den für die Zukunft beauftragten Rauchfangkehrer, an die Gemeinde und den Inhaber des Kehrobjektes zu übermitteln. Der Wechsel des Rauchfangkehrers darf nicht während der Heizperiode und nicht später als vier Wochen vor den nächstfolgenden Kehrterminen vorgenommen werden. Gibt es in den jeweiligen Kehrgebieten nicht mehr als zwei Rauchfangkehrer, so ist der Wechsel in ein anderes Kehrgebiet zulässig. (Abg. Aumayr: Das gibt es doch nicht! – Weitere Zwischenrufe und Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) – Soviel zu § 107 und zur "Deregulierung", Herr Bundesminister. Darf bitte gelacht und gewiehert werden in


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diesem Hause? Es ist ja peinlich, was Sie hier aufführen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Aumayr: Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann?)

Wir wissen, daß die Rauchfangkehrer baupolizeiliche Aufgaben zu erfüllen haben. Das ist notwendig und wichtig. Wir glauben aber, daß Sie den Rauchfangkehrern mit diesem Paragraphen nicht helfen werden, meine Damen und Herren, und Sie werden auch der Wirtschaft mit diesem Konvolut (der Redner hebt eine überquellende Mappe in die Höhe) , das Sie heute beschließen werden, nicht helfen! Dieses ganze Konvolut nennt sich Gewerbeordnung. Vielleicht sollte man in diesem Zusammenhang – ich habe es schon angekündigt – auch einen kurzen Blick zurück, in die Zeit vor der Jahrhundertwende werfen.

1859 wurde die erste Gewerbeordnung beschlossen. Das war dieses Büchlein hier (der Redner hebt es hoch). – Herr Bundesminister! Ich möchte ein paar kurze Zitate aus dieser Gewerbeordnung bringen. Ich weiß schon, daß die Zeit nicht stehengeblieben ist, daß sich die Zeiten gewandelt haben, aber es ist ganz interessant, dieses Kaiserliche Patent vom 20. Dezember 1859 kurz zur Hand zu nehmen.

Gewerbeordnung: Erstes Hauptstück: Einteilung der Gewerbe.

§ 1: Die Gewerbe können entweder gegen bloße Anmeldung betrieben werden – freie Gewerbe – oder sind an eine besondere Bewilligung der Behörde gebunden – konzessionierte Gewerbe.

§ 2: Jene Gewerbe, bei denen öffentliche Rücksichten die Notwendigkeit begründen, die Gestaltung der Ausübung derselben von einer besonderen Bewilligung abhängig zu machen, werden als konzessionierte behandelt.

§ 3: Alle Gewerbe, welche nicht als konzessionierte erklärt werden, sind freie Gewerbe. – Ende des Zitats. Das ist es! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Aumayr: So einfach ist es!)

Ich stehe nicht im Verdacht, ein Monarchist zu sein, meine Damen und Herren, aber zweifelsohne waren unsere Ur-Urahnen ein bißchen fortschrittlicher als Sie, Herr Bundesminister, es heute sind und als es insbesondere die sozialistische Koalitionsregierung ist.

Wir Freiheitlichen befürworten die Freiheit innerhalb der Ordnung. Frau Vorsitzende Tichy-Schreder! Ich möchte es Ihnen ersparen und gebe nicht öffentlich wieder, was mir Ihre Freunde über Ihre Auseinandersetzungen innerhalb des Wirtschaftsbundes gesagt haben. Ich erspare Ihnen das, Frau Kollegin Tichy-Schreder! Sie haben zwar heute wieder eine etwas hellere Gesichtsfarbe, aber in der letzten Zeit haben Sie schon ganz rote Ohren gehabt ob der Abreibungen, die Sie bekommen haben, Frau Kollegin Tichy-Schreder, und zwar wegen Ihres Versagens und des Nicht-Anhörens von Betroffenen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Tichy-Schreder – auf eine rot angestrichene Stelle in einem Stenographischen Protokoll deutend –: Herr Kollege Haigermoser! Sie brauchen in Zukunft nur mehr Ihre Rede vom letzten Mal hier abzugeben! Sie haben das alles schon einmal gesagt!)

Frau Kollegin Tichy-Schreder! Sie müssen sich wirklich fragen, welche Aufgabe Sie sich selbst gestellt haben. (Abg. Dr. Haider: Wollte sie nicht schon letztes Jahr zurücktreten?) Nein, sie bleibt schon, sie bleibt uns schon erhalten. Sie ist ja auch ein Wahlhelfer von uns (Abg. Mag. Stadler: Das muß man anerkennen, jawohl!) , daher will ich auch, daß sie bleibt. Das ist ja keine Frage. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was wurde denn im Vorblatt an Hausaufgaben aufgelistet? – Das Problem bei der Gewerbeordnung ist folgendes: Die derzeit geltende Gewerbeordnung, so wurde gesagt, entspricht teilweise nicht dem Erfordernis einer unkomplizierten Unternehmensgründung und einfachen Zugangsvoraussetzungen. – Die Paragraphen, die jetzt so "unkompliziert" sind, habe ich Ihnen ja aufgezählt. (Abg. Aumayr: Der Schwarze-Mann-Paragraph!)

Die weiteren Punkte lauten:


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Ziel: Verbesserung des Wirtschaftsstandortes Österreich. – Warum sind wir denn in der Zwischenzeit auf den 41. Platz zurückgefallen? Und wir werden mit dieser Gewerbeordnung weiter zurückfallen, meine Damen und Herren!

Verbesserung des Angebotes. – Wo sehen Sie denn diese Verbesserung des Angebotes?

Stärkung der Anpassungsfähigkeit der Unternehmer an die Bedürfnisse des Marktes. – Ich glaube kaum, daß Sie mit rückwirkenden Steuern diese Anpassungsfähigkeit verbessern werden!

Vereinfachung des Zugangs zum Gewerbe. – Wie aber sieht dieser Ihr vereinfachter Zugang aus? – Bei fünf Mitarbeitern ist "chiuso", geschlossen ist das Lokal! Sie sagen gewissermaßen: Ein sechster Mitarbeiter geht nicht, und bei einem siebenten sperren wir Sie, Herr Unternehmer, womöglich ein, weil Sie jetzt Aufträge an Land gezogen haben! Sie wollen vielleicht sogar einen Lehrling ausbilden! (Abg. Mag. Stadler: Unglaublich!) – Das alles wird verhindert, weil der Innungsmeister XY, der um sein Amt zittert, dagegen ist. Der hat "njet" gesagt.

Meine Damen und Herren! Sie ziehen nach dem Fall des Eisernen Vorhanges jetzt einen "Eisernen Vorhang der Gewerbeordnung" auf, über den man nicht mehr drüber kommt! Aber wir werden eine Bresche hineinschlagen, meine Damen und Herren, damit man unten durchgehen kann! Darauf können Sie einen heben! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Schwemlein. ) – Kollege! Ich weiß, daß du dir keinen leisten kannst, weil du mit 100 000 S nicht durchkommst, wie du in der Öffentlichkeit gesagt hast. Aber du wirst eben in Hinkunft ein bißchen sparen müssen. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Zusammenfassend muß ich sagen: Die Hausaufgaben haben Sie einmal mehr nicht gemacht. § 113 allein kann es wohl nicht gewesen sein, wenn man von Liberalisierung spricht. Im § 113 – und das ist das letzte Gustostückerl, das ich Ihnen zum Frühstück mitteilen darf – heißt es: Gold- und Silberschmiede sind auch zum Stechen von Ohrläppchen unter Anwendung von sterilisierten Einweg-Ohrlochknöpfen berechtigt.

Ich sage Ihnen: Es wäre besser gewesen, Sie hätten harte Bretter gebohrt, meine Damen und Herren, damit Sie eine Gewerbeordnung zusammengebracht hätten, die diese Bezeichnung verdient, nämlich eine Gewerbeordnung, die es ermöglicht, auch nach freiheitlicher Auffassung in Ordnung und in Freiheit wirtschaften zu können.

Wir geben Ihnen die Antwort: Eine Lösung und Alternative wäre der Antrag, den wir Freiheitlichen eingebracht haben, dem Sie vermutlich aber nicht zustimmen werden. Zu den Kosten: Die Wirtschaft, die Mitarbeiter und die Lehrlinge werden sich "bedanken" – unter Anführungszeichen – für den neuerlichen Kostenschub. Sie, meine Damen und Herren, haben nach dem Motto gehandelt: Wir wissen zwar nicht, wohin wir wollen, aber wir werden als erste dabei sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Maderthaner. Er hat das Wort. (Abg. Haigermoser: Oh! Im Ausschuß habe ich dich nicht gesehen!)

10.28

Abgeordneter Ing. Leopold Maderthaner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist heute ein großer Tag: Wir beschließen eine neue Gewerbeordnung, der eine intensive Diskussion, in der auch die Wogen in manchen Bereichen durchaus etwas hoch gegangen sind, vorangegangen ist. Wenn ich jetzt so höre, was Herr Abgeordneter Haigermoser dazu meint, dann muß ich sagen, es ist eigentlich ganz gut, daß er nicht im Ausschuß mitgewirkt hat, denn diese unsachliche Kritik, diese Art der Kritik wäre sicher nicht dazu geeignet gewesen, etwas Positives beizutragen. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber daß die getroffenen Vereinbarungen dem einen zu weit, dem anderen zuwenig weit gehen, liegt in der Natur der Sache. Das ist gar keine Frage. Es kommt jedenfalls mit der neuen


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Gewerbeordnung zu wesentlichen Veränderungen, wie etwa dem Teilgewerbe oder der Supplierung des Gewerbescheines, um nur einige der Veränderungen anzuführen.

Gestatten Sie mir eine Frage, meine Damen und Herren: Wer schafft uns die Arbeitsplätze in Österreich? – Die Unternehmerinnen und Unternehmer mit gesunden, gewinnbringenden Betrieben. (Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger. ) – Vielleicht hören Sie zu, dann werden auch Sie ein bißchen etwas lernen. (Abg. Dr. Krüger: Von Ihnen kann man nichts lernen! Was soll ich denn von Ihnen lernen?)

Die Unternehmerinnen und Unternehmer mit gesunden und gewinnbringenden Unternehmen schaffen die Arbeitsplätze. – Herr Kollege! Hören Sie zu! Sie können sich ja zu Wort melden, und dann können Sie sagen, was Sie glauben, und wir werden Ihnen zuhören. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist jedenfalls klar, daß jene Mittel, die wir zur Erfüllung der Staatsaufgaben, zur Entlohnung der Beamten und zur Finanzierung unserer sozialen Netze brauchen, von den Unternehmen mit ihren Mitarbeitern erwirtschaftet werden. Meine Damen und Herren! Es sind die österreichischen Betriebe – und hier vor allem die kleinen und mittleren Betriebe –, die das bewirken, und deren Mitarbeiter. Und sie werden das auch in Zukunft tun, wenn wir die Rahmenbedingungen dafür schaffen beziehungsweise entsprechend abstimmen.

Die neue Gewerbeordnung bringt jedenfalls wesentliche Erleichterungen und große Schritte in Richtung Liberalisierung mit sich. Ich würde mich durchaus freuen, wenn andere ebenfalls bereit wären, solch liberalisierende Gedanken und Handlungsweisen einzubringen, wie wir das hier getan haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Gleichzeitig wird es gelingen, ein hohes Qualitätsniveau auch weiterhin sicherzustellen. Gerade das ist für ein kleines Land wie Österreich von besonderer Bedeutung. Es war sicherlich nicht einfach, die Interessengegensätze auszugleichen, eine Ausgewogenheit zwischen einem notwendigen Maß an Liberalisierung einerseits und der Sicherstellung einer hohen Produkt- und Dienstleistungsqualität andererseits, basierend auf einer guten Berufsausbildung und unter Berücksichtigung eines optimalen Konsumentenschutzes, zu gewährleisten. Das möchte ich hier deutlich feststellen. Es ist sicher keine einfache Materie gewesen.

In diesem Zusammenhang möchte ich allen danken, die positiv an der Erarbeitung dieser neuen Gewerbeordnung mitgewirkt haben. Mein ganz besonderer Dank gilt dabei der Ausschußvorsitzenden, Frau Abgeordneter Tichy-Schreder! (Beifall bei der ÖVP.) Ich danke ihr dafür, daß sie sich wirklich bemüht hat, diese schwierige Verhandlungsmaterie zu einem Konsens zu bringen, der von allen mitgetragen werden kann.

Herr Kollege Haigermoser! Ich möchte auch eindeutig klarstellen, daß Frau Abgeordnete Tichy-Schreder keine "Abreibungen" im Wirtschaftsbund bekommen hat – Sie haben die falschen Freunde, wenn sie Ihnen Derartiges erzählen! –, sondern sie hat natürlich alle Wünsche von allen Seiten an sich herantragen lassen, und es war sicherlich nicht einfach, dann den richtigen Weg zu finden. Dafür gebührt ihr wirklich unser besonderer Dank! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich bin für den Wettbewerb mit klaren Spielregeln, bei dem unternehmerisches Handeln und Wirtschaften Freude macht und bei dem sich die staatlichen Einflüsse im Interesse der Bürger und der Umwelt auf ein Minimum beschränken lassen. Unter solchen Voraussetzungen können wir die neuen wirtschaftlichen Herausforderungen wie Globalisierung, Exportoffensive, Forschungs- und Technologieoffensive noch am besten meistern. Die Wirtschaft ist deshalb bei den Verhandlungen über die neue Gewerbeordnung im Interesse unserer Klein- und Mittelbetriebe, im Interesse einer Gleichbehandlung unterschiedlicher unternehmerisch tätiger Gruppen auch durchaus hart geblieben.

Meine Damen und Herren! Man konnte und kann von den Gewerbetreibenden – den Händlern, Transporteuren oder Gastwirten – nicht Dinge verlangen, an die sich im freien Wettbewerb stehende staatliche Organisationen oder andere Berufsgruppen nicht halten müssen. Was für


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einen kleinen Pizzabäcker gilt, muß auch für eine gemeindeeigene Spitalsküche gelten, die zum Beispiel als Nebenprodukt einen Pizzadienst im Eigenvertrieb einrichtet. Was für einen Fleischhauer gilt, der zum Beispiel wegen verschärfter veterinärmedizinischer oder hygienischer Auflagen seine Schlächterei zusperren muß, muß auch für Schlachtungen in anderen Bereichen gelten.

Meine Damen und Herren! Wenn jeder private Kleinunternehmer drei Tage in der Woche – meist am Wochenende – als Staatsbuchhalter fungieren und zahlreiche arbeits- und sozialrechtliche Vorschriften einhalten muß, dann hat dies auch für öffentliche Betriebe und natürlich auch für die Landwirtschaft zu gelten, so sie sich gewerberechtlich betätigt. – Das war an und für sich ein Punkt, über den wir länger verhandeln mußten, aber ich freue mich, sagen zu können, daß wir in einem guten sozialpolitischen Klima auch diese Fragen gelöst haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir haben im Interesse der zahlreichen Unternehmerinnen und Unternehmer für die steuerliche Gleichbehandlung und für ein gerechtes Anlagenrecht gekämpft. Auch im Interesse der Arbeitsplatzsicherung und der Lehrlingsausbildung – auch das möchte ich hier sehr deutlich hervorheben – haben wir Kompromisse erzielt. Ich meine, wir haben tragbare Kompromisse erzielt. Daß es bei Kompromissen immer so ist, daß keiner völlig recht behalten kann, liegt aber auch in der Natur der Sache.

Die Landwirte werden einerseits mehr Möglichkeiten zur Direktvermarktung ihrer Produkte haben, andererseits wird sichergestellt sein, daß auch die weiterverarbeiteten Produkte sozusagen miteinbezogen sind und daß gewerbliche Betriebe dabei nicht benachteiligt werden.

Die neue Gewerbeordnung erleichtert jedenfalls den Zugang zum Unternehmertum beträchtlich, und ich versichere Ihnen, daß die Wirtschaftskammer alle, die sich gewerberechtlich betätigen wollen, aktiv unterstützen wird. Das Ziel der neuen Gewerbeordnung und der Gewerberechtsnovelle 1997 ist jedenfalls die Erleichterung der Gründung und die Förderung der Expansion von Unternehmen. Dieses Ziel gilt für viele Bereiche. So wird zum Beispiel die Berufsausbildung wesentlich breiter als bisher anerkannt. Auch das muß man deutlich hervorheben. Der Zugang zum Unternehmertum ist künftig viel leichter möglich, etwa durch die volle Supplierung, durch die neuen Teilgewerbe oder durch die beträchtliche Erweiterung der freien Gewerbe, vor allem auch im ländlichen Raum.

Meine Damen und Herren! Dies alles ist, wie ich meine, eine wichtige Bereicherung unseres Wirtschaftslebens. Keinesfalls – das möchte ich auch noch hier festhalten – fürchten wir uns vor neuer Konkurrenz. Wir wollen nur gleiche Rechte für gleiche Pflichten, das war immer der Ausgangspunkt. (Beifall bei der ÖVP.)

Die gewerbliche Betätigung muß sich eben auch in anderen Bereichen – zum Beispiel in der Landwirtschaft – den üblichen Wettbewerbsregeln unterwerfen. Ich bin davon überzeugt, daß wir in dieser neuen Gewerbeordnung entsprechende Vorkehrungen dafür getroffen haben. Natürlich gelten dieselben Regelungen auch für die öffentlichen Betriebe.

Der Wirtschaft, der Gesamtheit der österreichischen Betriebe, ging und geht es darum, im fairen Wettbewerb jenen Boden zu bereiten, auf dem unsere gesamte Wirtschaft dem internationalen Wettbewerb auch in der globalisierten Welt gewachsen ist. Das ist der Sinn dieser neuen Gewerbeordnung. (Beifall bei der ÖVP.)

10.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. Er hat das Wort.

10.37

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Präsident Maderthaner hat mit den Worten geschlossen, daß die Wirtschaft sich dem wirtschaftlichen Wandel und der Globalisierung stellen müsse, und er meinte, mit dem vorliegenden Entwurf der Gewerbeordnung wäre dem Genüge getan.


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Was heißt denn Globalisierung? Was heißt dieses Popanzwort, dieses Schlagwort, das wir uns gegenseitig hier immer an den Kopf werfen? – Doch nicht mehr und nicht weniger, als daß sich die österreichische Wirtschaft, die mit über 40 Prozent in den Außenhandel verflochten ist, dem internationalen Wettbewerb stellen muß, sich der internationalen Nachfrage stellen muß.

Das führt in den Unternehmen ganz klar dazu, daß neue Strukturen gefunden werden, und zwar Strukturen, von denen sich die politischen Entscheidungsträger in diesem Land offensichtlich noch wenig Vorstellungen machen. Da befreien sich Unternehmungen aus dem Gefängnis ihrer Erfahrung, da finden Unternehmungen völlig neue Lösungen und neue Antworten auf die Bedürfnisse ihrer Kunden.

Die großen Fische fressen die kleinen – das stimmt schon –, aber nur die langsamen! Wer also diesen Strukturwandel behindert, wer glaubt, Unternehmen schützen zu müssen, statt sie zu stärken, macht die kleinen Unternehmen zum Opfer der großen. Und genau das passiert durch die halbherzige Reform der Gewerbeordnung!

Wir schränken die Beweglichkeit der Klein- und Mittelbetriebe ein und geben sie damit relativ bewegungslos diesem internationalen Konkurrenzkampf preis. Beweglichkeit würde aber den Wandel zum Erfolg machen. Die Chance der österreichischen Klein- und Mittelbetriebe liegt in ihrer Beweglichkeit! Daher sind sie nicht zu schützen, sondern zu stärken! Unternehmen muß man stärken, damit sie erfolgreich sein können. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Präsident Maderthaner hat uns auch wissen lassen, daß die Unternehmer Arbeitsplätze schaffen. – Lieber Herr Präsident! Sie sind ein bißchen hintennach, das war der Spruch der achtziger Jahre! (Abg. Dr. Trinkl: Ich hoffe, daß er auch heute noch gilt!) Herr Präsident! Sie müssen aufrüsten auf den Spruch der neunziger Jahre: Die Kunden schaffen Arbeitsplätze, Herr Präsident! Wir Unternehmer schaffen keine Arbeitsplätze, nur unsere Kunden schaffen Arbeitsplätze! (Abg. Ing. Maderthaner: Soll ich den Unternehmern draußen sagen, daß Sie das meinen?) Jawohl, Herr Präsident, das sage ich Ihnen.

Wissen Sie, meine Aussagen sind nicht der Ruf aus der Vergangenheit, sondern die Nachricht der Zukunft, Herr Präsident. Unsere Kunden schaffen die Arbeitsplätze! Unternehmer schaffen nur jene Arbeitsplätze, die die Kunden nachfragen. Das sollten Sie bedenken! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Stummvoll: Und wer akquiriert die Kunden?)

Das ist ja das Traurige, daß Sie das, was Sie gesagt haben, immer noch glauben, Herr Präsident. Welche Unternehmer vertreten Sie? – Die letzten Zünftler aus der letzten Hinterweltlerkammer! Das ist das Problem, das Sie mit diesem Thema haben. (Abg. Dr. Stummvoll: Kein Applaus!) – Herr Stummvoll, wir bringen Sie noch dazu. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Der Markt ist der Regelmechanismus und kein Popanz! Markt ist nichts anderes als das einzig funktionierende Regelwerk, das das menschliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Zusammenleben regelt.

Wer sich diesem Markt verweigert, wer Unternehmungen die Chance nimmt, auf diesem Markt besonders beweglich und schnell zu sein – durch Zunftordnungen, durch Gewerbeordnungen –, der wird diese Unternehmen daran hindern, die Bedürfnisse der Kunden zu befriedigen und damit Arbeitsplätze zu schaffen – so einfach ist das!

Erstaunlicherweise ist die sozialdemokratische Fraktion an einem Thema wie diesem nicht sonderlich interessiert. (Abg. Marizzi: Wer sagt das?) Das merkt man ja an der Abwesenheit der meisten Abgeordneten Ihrer Fraktion. Dabei wäre gerade die Gewerbeordnung eine Möglichkeit – und das ist ein wirklich liberaler Zug an der Gewerbeordnung –, daß die Österreicher ihr gesamtes Potential, das sie haben, ihre gesamte Problemlösungskapazität, kundenorientiert anwenden und damit Beschäftigung, Wertschöpfung und Arbeit schaffen. Das wäre es, aber wie ich sehe, ist das offensichtlich nicht Ihr Thema.

Wir können uns also, wenn wir Rahmenbedingungen für diesen Markt schaffen, an zwei Interessen orientieren: Herr Präsident Maderthaner hat beschlossen, sich an den Interessen der


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Anbieter zu orientieren, denn er in seiner "göttlichen" Güte weiß ja, wie wir Kundenbedürfnisse befriedigen. Er weiß genau, welchem Gewerbe er welche Kunden zuordnet.

Meine Damen und Herren! Es ist nicht wahr, daß die Kunden numeriert und nummernweise den Unternehmen zugeordnet werden. Das ist eine Unterstellung. Aber es ist doch direkt abstrus von Ihnen, Herr Präsident, und Ihrer Wirtschaftskammer, zu glauben, Sie könnten angebotsorientiert regeln, wo der Kunde seine Nachfrage befriedigen dürfe. (Zwischenruf des Abg. Ing. Maderthaner. ) Sie grüßen mich schon wieder aus der Vergangenheit. Das ist mein Problem, wenn ich Ihnen zuhöre.

Sie müßten einen ganz anderen Zugang finden und fragen: Wo sind Nachfrageelemente? Und: Wie können wir es ermöglichen, daß die Unternehmer möglichst rasch und beweglich auf diese Nachfrage reagieren, bevor es in einem weltweiten Wettbewerb ausländische Unternehmen tun? Das ist nämlich das Problem! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es steht also Zunft gegen Markt. Die Zunft sagt: Wir wissen genau, wo der Kunde hinzugehen hat; Haareschneiden nur beim Meisterbetrieb. Und das andere ist die Beweglichkeit, das ist der Markt, das ist die Flexibilität, das ist die Dynamik der Wirtschaft. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Ing. Maderthaner. ) Nein, ich gehe nicht zum Haarschneider, sondern ich lasse es von meiner Frau machen, weil Haare schneiden durch Ihre Gesetze so teuer geworden ist, daß ich es mir erspare. (Beifall beim Liberalen Forum. – Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. ) Richtig.

Damit, Frau Kollegin Fekter, sind wir bei der Substitutionskonkurrenz. Das ist nämlich der Punkt. Sie haben Arbeit in Österreich so teuer gemacht, Sie haben Wirtschaften in Österreich durch Reglementierung und damit Bürokratie so teuer gemacht, daß die Menschen dieses Bedürfnis zunehmend nicht mehr in der Wirtschaft befriedigen, sondern in die Schattenwirtschaft, in den Pfusch ausweichen. Je höher die Steuern, je größer die Bürokratie, je höher die Sozialabgaben, desto mehr wird der Pfusch zunehmen. Bereits heute macht die Schattenwirtschaft 8 Prozent der österreichischen Wirtschaft aus. Das ist ein "Erfolg" Ihrer Reglementierungswut. (Abg. Ing. Maderthaner: Das ist eine tolle Argumentation, die Sie da aufbauen, Herr Kollege!)

Herr Maderthaner, ich weiß schon, den Argumentationen der Zukunft können Sie nicht folgen. Sie sitzen in der Wiedner Hauptstraße und besprechen dort die Vergangenheit der achtziger Jahre. Dort gehören Sie auch hin, aber bitte äußern Sie sich nicht über die Zukunft! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Qualität, lieber Herr Maderthaner, entsteht nicht durch Ihre Meisterprüfungen. Die Meisterprüfung des Jahres 1962 garantiert nicht die Qualität des Jahres 1997. Qualität entsteht täglich neu. Qualität ist das, was der Kunde bezahlt. Qualität ist das, wonach nachgefragt wird, nicht das, was Sie in der Vergangenheit abgeprüft haben.

Ich meine daher, daß Qualifizierungsoffensiven, Weiterbildungsoffensiven das hervorragende Mittel sind, Betriebe marktseitig besser darzustellen. Ich halte aber Prüfungen der Vergangenheit als Zugangskriterium und als Anwort für die Wirtschaft der Zukunft für bedauerlich. Neue Nachfrage erzeugt neue Angebote, aber diese neuen Angebote können in Österreich nicht auf den Markt kommen, denn bis sie in einem Gewerbe gefaßt, bis sie bürokratisch geregelt sind, ist der Zug der Nachfrage schon wieder weitergefahren.

Wir müssen lernen, daß wir uns der Nachfrage unserer Kunden, unserer weltweiten Kunden – Gott sei Dank, die Chance des Binnenmarktes, die Chance der großen europäischen Währung für Österreich, für ein tüchtiges Volk mit tüchtigen Unternehmungen! – anpassen. Hier müssen wir Behinderungen beseitigen, damit wir diesem neuen Zug der Nachfrage mit neuen Angeboten, mit kreativem Unternehmertum so rasch wie möglich nachkommen.

Die Meisterprüfung selbst wird eine ganz wichtige Rolle als Qualifizierung vor allem im Bereich der Lehrlingsausbildung haben. Herr Präsident Maderthaner! Auch in der anschließend zu diskutierenden Berufsausbildungsgesetz-Novelle sind Sie wieder im Gefängnis Ihrer Erfahrung steckengeblieben. Sie erzählen uns immer, wie erfolgreich wir in den achtziger Jahren waren. Wissen Sie, wen das interessiert außer Ihren Kämmerern? – Niemanden in diesem Land! Uns


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interessiert der Erfolg der Zukunft, uns interessiert, wie wir in Zukunft erfolgreich sind, daher werden wir auch die Lehrlingsausbildung, die wir anschließend diskutieren, umstellen müssen, damit sie eine neue Attraktivität für Unternehmer gewinnt, damit die Lehrlinge nicht nur ein Teil der dualen Ausbildung, sondern auch der sekundären Bildungsstufe sind. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Das alte Gewerberecht, das zu liberalisieren Sie wirklich den Mut hatten – und ich bewundere diesen ungeheuren Mut; wir haben uns das auch schon vor zwei Jahren angeschaut, und wir haben ja bereits im Jänner 1996 unseren Antrag auf eine völlige Neufassung des Gewerbegesetzes eingebracht –, dieses alte Gewerberecht ist eigentlich nicht mehr liberalisierbar. Herr Bundesminister, Sie wußten das. Sie haben gemeinsam mit ihrem sehr engagierten Herrn Sektionschef Koprivnikar, dem ich ein Kompliment bezüglich seiner Fachkompetenz machen möchte (Beifall beim Liberalen Forum) , ganz klar erkannt, daß Sie liberalisieren wollen. Sie waren diejenigen, die eine viel größere Liberalisierung im Auge hatten, als es Ihnen dann Präsident Maderthaner mit seinen Zünftlern möglich gemacht hat.

Das ist das Problem: Sie wurden eigentlich gehemmt in einem Entwurf, der weit über die Grenzen dieser alten Ordnung hinausgegangen ist.

Herr Bundesminister! Sie haben jetzt bewußt in Kauf genommen, daß wir in einen rechtsunsicheren Raum gehen. Wenn man ein solches Reglementierungsgerüst dort und da bewußt lockert, weil man liberalisieren will, schafft man zwangsläufig Rechtsunsicherheit, schafft man dazu neue Bürokratie. Eigentlich ist es ein bürokratischer Pyrrhussieg.

Ich gestehe Ihnen eines zu, Herr Bundesminister: Trotz aller Hemmnisse, die Ihnen die Wirtschaftskämmerer und alle anderen auferlegt haben, ist es Ihnen gelungen, da und dort wesentliche Liberalisierungsschritte durchzusetzen, aber, meine Damen und Herren, um den Preis, daß es nicht mehr vollziehbar ist, weil es nicht mehr kontrollierbar, weil es nicht mehr durchsetzbar ist. Die Vernaderei von einem Unternehmer, der neidig ist, weil der andere einen Auftrag hat, weil er tüchtiger ist, und die Befassung von Gerichten und Behörden damit macht diese novellierte Gewerbeordnung nicht umsetzbar, man schafft damit wieder nur neue Bürokratie.

Da grüßt uns Maderthaner aus der Vergangenheit. Er grüßt uns und sagt: Wir wollen Deregulierung, wir wollen Bürokratieabbau! Und derselbe Präsident Maderthaner, derselbe Präsident der Wirtschaftskammer wird nicht müde, immer neue Reglementierungen zu verlangen und seine Unternehmer zu Tode zu schützen. Ich weiß schon, was Sie wollen: viele, viele Mitglieder und viele, viele Fachgruppenmitgliedschaften und viel, viel Geld in der Wirtschaftskammer, weil die 7 Milliarden Schilling, die Sie die Unternehmer jährlich kosten, wollen Sie sich schließlich nicht wegnehmen lassen.

Ich bin bei sieben Fachgruppen Mitglied. Was soll denn das, bitte? Ich will gern freiwillig bei einer Fachgruppe Mitglied bleiben, beim Präsidenten Kaun der Wirtschaftskammer Oberösterreich, den Sie sich als Gefährten in die Zukunft nehmen sollten, weil er nämlich weiß, wie man Wirtschaftskammern reformiert und wie man Antworten auf die Fragen der Zukunft gibt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Im Betriebsantrittsrecht, meine Damen und Herren, ist es eigentlich genau dasselbe. Auch hier hat sich der Herr Bundesminister wirklich bemüht, zu sagen, wie wir Verfahrenskonzentrationen durchsetzen können, wie die Durchführung einfacher werden kann. Aber auch hier sind wir im alten Gewerberecht hängengeblieben.

Meine Damen und Herren! Diese alte Gewerbeordnung hat ihre Aufgabe erfüllt. Nehmen wir sie und bringen wir sie in einem feierlichen Akt ins Gewerbemuseum, sperren wir sie in einen Biedermeierschrein. Diese Gewerbeordnung hat ihre Aufgabe erfüllt. Haben Sie doch den Mut, über einen völligen Neuansatz des Gewerberechts zu diskutieren!

Frau Kollegin Tichy-Schreder, verehrte Frau Vorsitzende! Seit Jänner 1996 lag der Vorschlag des Liberalen Forums, ein umfassender Vorschlag, der das gesamte Anlagen- und das gesamte


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Antrittsrecht neu geregelt hat, als Initiativantrag in Ihrem Ausschuß. Bis zum März 1997 haben Sie es nicht der Mühe wert gefunden, darüber zu reden. Das ist die Kultur, wie die Koalitionsabgeordneten mit der Opposition in diesem Hohes Haus umgehen! Es ist nicht einfach ein Entschließungsantrag gewesen, es war ein Antrag auf Komma und Beistrich, auf Paragraph und Unterparagraph formuliert, und Sie haben es nicht der Mühe wert gefunden, eine Sitzung des Wirtschaftsausschusses einzuberufen und zumindest einmal darüber mit uns zu diskutieren. – Damit müssen Sie selber leben.

Sie haben eines gemacht: Ihr Beitrag war die Sorge um den Konkurrenzschutz. Der Beitrag der Sozialdemokraten war die Erhaltung unterschiedlicher Kollektivverträge. Ich erinnere mich mit großem Amüsement an den schönen Satz, man könne die Dachdecker und die Spengler nicht zusammenlegen, weil das wären ja zwei Kollektivverträge. Wen, meine Damen und Herren, interessiert das am Markt, welchen Kunden interessiert das? Können Sie nicht einmal in Ihr Klublokal ein kleines Plakat hängen, worauf steht: Gut ist, was dem Kunden nützt!, und darunter klein, in Klammern schreiben: Nur Kunden schaffen Arbeitsplätze!?

Wenn sich dieses Land weiter den Wünschen seiner Kunden und der Märkte verweigert, wird es weiterhin Arbeitslosigkeit geben. 250 000 Arbeitslose – jeder ist zuviel – haben wir bereits. 203 000 Menschen sind in der Frühpension "geparkt", über 70 000 Frauen und einige Männer sind in Karenz. Wenn Sie das mit Gesamteuropa vergleichen, kommen Sie auf eine Arbeitslosenquote in Österreich von an die 500 000 Menschen, was an die 14 Prozent herankommt. Das ist die wirtschaftliche Realität!

Wann werden Sie endlich merken, daß gut ist, was dem Kunden nützt, und nur Kunden Arbeitsplätze schaffen? Und mit jeder Reglementierung, mit der wir uns den Märkten verweigern, werden wir weniger Arbeitsplätze schaffen und werden wir ein noch größeres Problem in allen wirtschaftlichen und sozialen Töpfen haben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Der Antrag von uns Liberalen – das verspreche ich Ihnen, Frau Vorsitzende – wird wieder eingebracht werden. Und wir werden alle parlamentarischen Mittel ausschöpfen, um ihn wirklich einer inhaltlichen Behandlung im Wirtschaftsausschuß zuzuführen. Wir sind davon ausgegangen, daß der Gewerbezugang prinzipiell frei ist, daß er durch eine Haftpflichtversicherung abzusichern ist. Das Risikomanagement der Versicherungswirtschaft kann genau definieren, wie diese Haftpflichtversicherung auszusehen hat. Ich weiß schon, Herr Präsident, Sie haben einen Brief geschrieben ... (Abg. Ing. Maderthaner: Einer ganzen Prozeßflut reden Sie damit das Wort!) Ja natürlich! Sie haben im Februar 1996 einen Brief an den Versicherungsverband geschrieben, in dem es hieß: Bitte, schreibt mir einen Brief, daß das, was der wahnsinnige Peter fordert, alles nicht geht. Und der Versicherungsverband hat brav einen Brief geschrieben: Hochverehrter Herr Präsident! Wir teilen Ihnen mit, ... – Das ist die "Partnerschaft" in diesem Land, die wir ja kennen. (Abg. Ing. Maderthaner: Das ist eine Unterstellung! Aber das bin ich ja gewohnt!) Das sind Sie gewohnt? Ich weiß: Wenn ich Ihnen sage, was los ist, ist es eine Unterstellung. Das ist eine schwache Argumentationstechnik. Es fällt Ihnen leider auch statt des Wortes "Unterstellung" jetzt im Zwischenruf nichts anderes ein. Bedauerlich, bedauerlich! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir sind also davon ausgegagen, daß es acht Gewerbe sind, wo Leib, Leben, Schutz, Mensch, Tier und Umwelt der Grund sind, es zu binden. Wir wären gerne bereit gewesen, in einer Diskussion weiterzugehen – vielleicht wären es 20 oder 25 geworden, aber sicherlich nicht 80, das weiß ich sicher –, um die freie Gewerbeausübung zu garantieren.

Wir haben im Betriebsanlagenrecht das Reglementierungsprinzip zum Verantwortungsprinzip umgedreht. Wir haben gesagt: Wenn jemand ein Gebäude errichtet, wenn jemand eine Anlage errichtet, dann muß er dem Auftraggeber gegenüber – der Baufirma, der Maschinenfirma, was immer – durch einen Schrieb die Haftung übernehmen, daß diese Anlage, diese Bäckereimaschine, dieses Haus allen gesetzlichen Vorschriften dieser Republik haftend entspricht. Und wir haben darüber hinaus gesagt, daß der betreibende Unternehmer alle drei Jahre entweder von der Servicefirma oder von einem Zivilingenieur, wie wir es heute schon bei Rolltoren, Aufzügen, Liften et cetera haben, der Bezirksbehörde von sich aus nachweisen lassen muß, daß


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die Anlage weiterhin den Vorschriften entspricht. Das hätte eine wesentliche Vereinfachung bedeutet, weil wir hiermit zum Verantwortungsprinzip gekommen wären und uns vom Reglementierungsprinzip, das bürokratietreibend ist, gelöst hätten. – Es war nicht möglich, über diese Idee zu diskutieren.

Wir hätten auch den Nachbarn, worüber Thomas Barmüller noch sprechen wird, mehr Rechte eingeräumt, weil wir meinen, wir würden uns so eine Vielzahl von Verfahren ersparen – Österreich hat immer noch mehr Gewerberechtsverfahren als Deutschland; eine unhaltbare Situation –, hätten aber den Nachbarn die Möglichkeit gegeben, jederzeit zu sagen: Bitte, Gewerbebehörde, schau dir an, was in diesem Betrieb passiert. Ich möchte diese und jene Störung einklagen.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich diesen Entwurf zusammenfassend beurteilen. Das Ministerium hat eine sehr weitgehende Liberalisierung vorgesehen, an die Grenze des alten Gesetzes stoßend. Es ist eine schaumgebremste Reform daraus geworden. Sie ist ohne Zweifel besser als nichts, aber sie kann uns Liberale nicht befriedigen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kurt Heindl. Er hat das Wort.

10.53

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Sie ist besser als nichts. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Besondere an den Aussagen des Kollegen Peter ist folgendes: Wenn ich viel Zeit hätte, würde ich mich hier mit Ihrem Entwurf, mit dem ich mich wirklich beschäftigt habe – wir haben ja schon einmal darüber gesprochen –, gerne auseinandersetzen. Leider komme ich mit der Zeit nicht durch.

Was Sie wollen, Herr Kollege Peter – zumindest Ihr Entwurf hat das gezeigt –, ist: Schaffen wir Paragraphen ab, die Behörde soll das nicht mehr machen, regeln wir das in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Versicherung. Das ist, auf eine Kurzformel gebracht, Ihr Konzept. Und ich kann Ihnen sagen, jeder, mit dem ich diskutiert habe, wem immer gegenüber ich gesagt habe: Eigentlich gar kein so schlechter Gedanke! – ich wollte Agent provocateur spielen –, war zuerst völlig entsetzt darüber und fragte, ob ich das ernst meine. Ich habe gesagt: Na sicher meine ich das ernst, weil ... (Abg. Mag. Barmüller: Ja, weil alle wissen, daß Sie ein Sozialdemokrat sind! Deshalb!)

Lieber Herr Kollege! Noch einmal: Wären Sie dabei gewesen in diesen Hunderten von Stunden, in denen wir uns mit diesen Fragen auseinandergesetzt haben, dann würden Sie sich auch damit beschäftigen. Sie haben es sich einfach gemacht: Sie haben etwas hergelegt vor eineinhalb Jahren und beschweren sich, weil man nicht darüber redet, weil Sie nicht anwesend waren – aus welchen Gründen immer. Zumindest waren einige Ihrer Experten fair genug und auch hilfreich, und mit ihnen, ich sage das ganz offen, war das Gespräch sinnvoll. Wir hätten in diesen vielen Unterausschußsitzungen wohl manche Probleme, die Sie hier kritisieren in der Form, daß Sie sagen, das sei nicht geregelt, regeln und diskutieren können. Bitte machen Sie uns nicht den Vorwurf, wenn Sie nicht dort waren! Warum Sie nicht dort waren, ist nicht mein Problem. Ich stelle nur fest: So war es.

Wir sind uns sicherlich darin einig, daß wir in einer Zeit rasanter Veränderungen leben. Kollege Prinzhorn hat einmal in einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses richtig gesagt: Ob wir von der Rasanz der Änderungen im innovativen Bereich, von den Transportwegen, die sich verändern, von der Konkurrenz in den Billiglohnländern reden – die Globalisierung hat Kollege Peter erwähnt –: Es ist atemberaubend, was sich in den letzten paar Jahren getan hat, und unsere Wirtschaft muß dieser Wettbewerbssituation, der wir als Land ausgesetzt sind, auch Rechnung tragen.

Wir als Politiker können nur eines tun: Rahmenbedingungen schaffen, die Voraussetzungen schaffen, daß diese Wirtschaft funktioniert.


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Meine Damen und Herren! Ich verstehe Kritik grundsätzlich. Es ist überhaupt keine Frage, daß die Opposition nicht hergehen und sagen kann: Das war klaß, was ihr da gemacht habt, das ist super, es gibt nur ein paar Kleinigkeiten, die wir noch verlangt hätten. Daß Sie sich aber herstellen und sagen: Das ist nichts!, dazu kann ich Ihnen nur eines sagen, Herr Kollege Peter: Machen Sie sich – gar nicht für die Politik – die Mühe und nehmen Sie zwei, drei Beispiele her, sei es aus dem Anlagenrecht oder sonstwo, und denken Sie durch, wie das funktioniert. (Abg. Mag. Peter: Das haben wir gemacht!)

Wenn wir im Ausschuß darüber gesprochen hätten – wir haben es ja an Beispielen durchdiskutiert –, dann wären Sie draufgekommen, was sich hier wirklich geändert hat, welche Vereinfachungen wir im Verwaltungsverfahren erreicht haben, wie wir die Verwaltungsabläufe gestrafft haben, und Sie hätten gesehen, daß dieses Gerüst für zirka 1,5 Millionen Beschäftigte der Rahmen ist für das Tätigwerden, und zwar für ein faires Tätigwerden, für einen fairen Wettbewerb.

Sie rufen immer, der Markt soll tun, was er will, er bringt schon das Richtige. Es ist aber auch von allen Seiten immer wieder der Ruf zu vernehmen, für Fairneß und für geordnete Verhältnisse zu sorgen. Und da unterscheiden wir uns vielleicht. Das ist ja nichts Schlechtes. Wir sind der Auffassung, daß es da ein Mindestmaß an Regeln geben muß, in deren Rahmen man sich bewegt, wenn man wirtschaftlich agiert. Man kann natürlich darüber diskutieren, wie weit diese Regeln gehen sollen. Wir haben es aber leider – ich bedauere das noch einmal – nicht zustande gebracht, diese Gespräche zu führen.

Aus eigener Erfahrung, meine Damen und Herren, und vielen Gesprächen weiß ich natürlich, daß die Gewerbeordnung oft als Hemmschuh empfunden wird; keine Frage. Und es ist vor allem für jüngere Menschen, zukunftsorientierte Menschen im ersten Augenblick oft schwer verständlich, warum das so ist, und sie verlangen mehr Freiheit, mehr Flexibilität. Auch keine Frage. Nur: Kaum sind sie tätig – und das erleben wir immer wieder –, kommt schon der Ruf: Da muß man mir Schutz gewähren und da auch, weil der böse Wettbewerb so brutal ist!

Wenn – und ich sage: wenn – wir eine Gründerwelle wollen, und ich glaube, wir wollen sie alle, und wenn wir dem zunehmenden Trend zur Dienstleistungsgesellschaft Rechnung tragen wollen, dann brauchen wir neue Rahmenbedingungen, aber vor allem müssen wir uns eines klarmachen: Wir können die schönsten Rahmenbedingungen schaffen – das Bewußtsein, und da stimme ich mit Ihnen überein, Herr Kollege Peter, daß in Zukunft Flexibilität und Geschwindigkeit die entscheidenden Kriterien für das Erfolgsprofil eines Unternehmens sein werden, das können wir nicht beschließen. Wir können nur mitwirken, daß wir es in das Bewußtsein unserer Landsleute bringen.

Schon vor Beginn der Verhandlungen, meine Damen und Herren, war uns klar, daß bei der angestrebten Reform die unterschiedlichsten Interessen in Einklang gebracht werden müssen, daß es verschiedene Spannungsfelder gibt: einerseits Erleichterungen für Jungunternehmer, andererseits keine Benachteiligung der Etablierten, Erleichterung des Zugangs zum Gewerbe bei Wahrung von Konsumentenschutzinteressen, hier die Auflagen des Umweltschutzes im Interesse der Anrainer, dort die Beschleunigung der Betriebsanlagengenehmigungsverfahren. – Und so gibt es einiges mehr.

Am deutlichsten haben wir es jedoch gesehen im Zusammenhang mit der in den letzten Tagen diskutierten Regelung bezüglich Gastgärten. Meine Damen und Herren! Das ist ja in Wirklichkeit das Spannungsfeld: der interessierte Gastgartenbetreiber und die davon betroffenen Anrainer. Ich habe Verständnis für den, der den Gastgarten betreibt; wir wollen ja, daß ein Tourismusland viel Freiheit, viel Freizügigkeit hat. Aber wir müssen auch sehen, daß die Menschen, die dort wohnen, ein Ruhebedürfnis haben, daß es Menschen, gibt, die eben schon um 10 oder um 11 Uhr schlafen wollen. Und in diesem Spannungsverhältnis bewegt man sich.

Meine Damen und Herren! Dieses Spannungsverhältnis leugne ich gar nicht. Das hatten wir auch in der eigenen Fraktion. Natürlich gibt es auch da unterschiedliche Interessenslagen, und wir haben daher schon vor mehr als eineinhalb Jahren intern begonnen, uns ein Konzept zurechtzulegen.


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Es war uns ernst damit, mit den Oppositionsparteien zu diskutieren. Ich habe, als wir von der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion ein Konzept erarbeitet haben, dieses nicht nur den Kollegen der Koalitionspartei, sondern jeder Parlamentsfraktion zur Kenntnis gebracht. Aber der Effekt war derselbe – jetzt könnte ich auch gekränkt sein –: Ihr habt nicht einmal mit uns darüber geredet.

Wir wollten auf dieser Basis eine konstruktive Auseinandersetzung führen, und so haben wir das mit der ÖVP auch gemacht. Sie hat natürlich dieselben Probleme oder sogar noch mehr, weil eine bündisch strukturierte Partei eben verschiedene Interessenausgleiche herbeizuführen hat. Es waren sicherlich schwierige Verhandlungen, es waren langwierige Verhandlungen, aber sie fanden in einer sehr sachlichen Atmosphäre statt, und sie waren geprägt von dem Bewußtsein, daß ein großer Wurf gelingen muß, weil das für unsere Wirtschaft, für die Beschäftigungs- und Wettbewerbssituation unseres Landes notwendig ist.

Ich stehe nicht an, der Kollegin Tichy-Schreder und dem Kollegen Kopf, der das Anlagenrecht verhandelt hat, für diese Gesprächsatmosphäre und für die Sachlichkeit zu danken. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Wenn ich schon beim Danksagen bin, möchte ich mich auch bei den Experten aller Fraktionen, auch bei jenen der Oppositionsparteien, bedanken. Es war hilfreich und angenehm, diese Gespräche zu führen. Mein Dank gilt natürlich vor allem Herrn Sektionschef Koprivnikar und seinen Mitarbeitern und von meinen Experten ganz besonders Herrn Dr. Hechtner und Frau Mag. Hans. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich habe es schon im Ausschuß gesagt, und das gilt für alle: Was wir unseren Mitarbeitern zumuten, geht manchmal über die Grenze des Erträglichen, und dafür muß man einmal Dank sagen und sich bemühen, es in Zukunft nicht so zu machen. (Neuerlicher Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Unsere Aufmerksamkeit – das habe ich schon betont – galt sowohl der unternehmerischen Seite als auch den Arbeitnehmern und den Konsumenten. – Ja, Herr Kollege Peter, ich bin Ihrer Meinung: Die Nachfrage, der Konsument ist ein zentrales Thema. Aber wir müssen auch die Arbeitnehmer dort sehen. In diesem Rahmen haben wir uns bewegt und versucht, ein Optimum auszudiskutieren und zustandezubringen.

Die bestehende Gewerbeordnung stellt dabei vielfach ein Hindernis dar, das wissen wir. Zu viele Hürden versperren den Zugang zum Gewerbe. Hervorzuheben sind die lange Verfahrensdauer, Kosten oder aufwendige Prüfungen. Die unternehmerische Entfaltung wird auch beim Wechsel in eine verwandte Tätigkeit behindert. – All das wird es in Zukunft in weitestem Maße nicht mehr geben.

Die Zielsetzung von uns Sozialdemokraten war daher, um es knapp zu umreißen, eine deutliche Reduktion der Anzahl der Gewerbe, Schaffung integrierter beziehungsweise verbundener Gewerbe, Schaffung von Teilgewerben mit erleichtertem Zugang, Bestellung eines suppletorischen Geschäftsführers für Einzelunternehmer, Beseitigung des Berufungsrechtes der Wirtschaftskammer, Verwaltungsvereinfachung, in erster Linie aber die Verkürzung der Entscheidungsfristen.

Ich habe Ihnen, Herr Kollege Peter, schon gesagt: Ihre Überlegungen, ob jetzt fünf, acht oder zehn, und ein Verschieben der Verantwortung auf den Gerichtsweg, ist nicht unsere Politik. Da liegen wir sicher auseinander. Wir wollen ein Mindestmaß an Regeln beibehalten, um einen fairen Wettbewerb zu garantieren. Das war unser Anliegen. Es freut mich daher, daß es uns gelungen ist, eine Novelle zu konzipieren, die diesen Vorstellungen über weite Strecken entspricht. Die Zahl der in der Gewerbeordnung geregelten Gewerbe wurde nahezu halbiert, was zur Folge hat, daß es nun an die 800 Tätigkeitsbereiche gibt, deren Zugang völlig frei ist.

Eine langjährige Forderung von uns war die Erweiterung des Gewerberechtsumfanges und die Zusammenlegung verwandter Gewerbe durch die Schaffung der verbundenen Gewerbe. Gewerbetreibende haben nunmehr die Möglichkeit, auch in den mit ihrem Gewerbe verbun


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denen Gewerben Leistungen zu erbringen, ohne daß dafür Prüfungen beziehungsweise Gewerbeberechtigungen notwendig sind.

Herr Kollege Peter! Haben Sie nicht registriert, was das bedeutet, nämlich daß in Zukunft in manchen Bereichen statt wie bisher vier nur mehr eine Gewerbeberechtigung notwendig sein wird, daß statt wie bisher vier nur mehr eine Meisterprüfung notwendig sein wird? Können Sie sich wirklich mit Überzeugung hier zum Rednerpult stellen und sagen, das ist alles nichts oder halbherzig? (Abg. Dr. Haselsteiner: Das können wir sehr gut!) Meine Damen und Herren! Bleiben Sie doch bei der Realität! Sagen Sie den Bürgern dieses Landes, welcher Meilenstein mit dieser Gewerbeordnungsreform gesetzt wird! (Abg. Dr. Haselsteiner: Ein Meilensteinchen, ein winziges Meilensteinchen, ein Kieselstein!) Lieber Freund! Jeder sieht das aus seiner Sicht. Ich bekenne mich dazu und bin zutiefst davon überzeugt, daß das ein großer Schritt war. (Abg. Dr. Haselsteiner: Wir wollen einen Meilenstein!)

Ein großer Reformschritt, die Schaffung der sogenannten Teilgewerbe, wurde ebenfalls kritisiert. Was heißt denn das wirklich? – Daß in Zukunft – das ist doch das Einfachste – ein in einem Fach ausgelernter Mensch mit einem Nachweis, wo er seinen Betrieb aufmacht, zur Behörde geht und sagt: Hier bin ich, hier ist meine Lehrlingsausbildung, ich habe keine Meisterprüfung, aber ich beginne zu arbeiten. – Wieviel mehr an Liberalität wollen Sie denn noch haben, meine Damen und Herren? Auch das wird kritisiert, im selben Atemzug. Man kann eben alles kritisieren, man kann überall ein Haar in der Suppe finden. (Abg. Dr. Haselsteiner: Die Gewerbeordnung ist eine Zunftordnung!)

Eine alte Forderung von uns war auch die Supplierungsmöglichkeit. Was heißt das? – Jeder kann ein Unternehmen gründen: Zusammen mit einem Geschäftsführer, der die erforderliche Befähigung besitzt, darf jeder das entsprechende Gewerbe ausüben. So rasch kann sich alles gar nicht ändern, Herr Kollege Peter, wie hier reagiert wurde.

Eine wesentliche Neuerung, die den wirtschaftlichen Gegebenheiten Rechnung trägt, ist auch die Möglichkeit zur Erbringung fachübergreifender Leistungen. Auch da sind die Grenzen gesprengt worden. Es darf ein Händler in Zukunft – was er bisher nicht durfte –, wenn er beispielsweise eine Küche liefert, diese selbst montieren und anschließen. All das sind wirklich wesentliche Neuerungen.

Meine Damen und Herren! Der Kernpunkt beim Anlagenrecht war für uns, die oft zeitaufwendigen und nervenaufreibenden, oft bis zu einem Jahr und länger dauernden Verfahren zu vereinfachen. Verfahrensbeschleunigungen werden nun durch die Festlegung von Bescheidfristen und den Wegfall des Berufungsrechtes der Kammern herbeigeführt. Meine Damen und Herren! Das vereinfachte Verfahren ist nun so konzipiert, daß es rascher und parteienfreundlicher sowohl für Nachbarn als auch für Unternehmer abgewickelt werden kann. Nun wird sichergestellt, daß nach vollständiger Einreichung der Unterlagen in längstens drei Monaten eine Anlage genehmigt werden muß.

Erleichterungen für Betriebsinhaber bringt auch das neu eingeführte konzentrierte Verfahren. Sämtliche Genehmigungsverfahren auf Bundesebene, die zur Errichtung einer Betriebsanlage nötig sind, werden dabei von einer Behörde in einem Verfahren abgewickelt – ein Reformpunkt, bei dem wirklich viel Zeit und viele Kosten eingespart werden. Gefordert sind jetzt auch die Länder, die in der Form einen Beitrag leisten müssen, daß Betriebsanlagengenehmigungen raschest erledigt werden.

Ich möchte noch zwei Themen ansprechen, weil dazu Kritik geäußert worden ist. Wir Sozialdemokraten wollten sehr konkret, Helmut Haigermoser, den Beruf des Bilanzbuchhalters beibehalten, und wir wollen das noch immer. Aber ich stehe nicht an, zu sagen: In der Diskussion – vielleicht haben wir die einen oder die anderen verärgert – mit Wirtschaftstreuhändern und Steuerberatern einerseits und mit Vertretern der Bilanzbuchhalter andererseits haben wir bemerkt, daß wir, obwohl wir ein durchdachtes Konzept hatten, damit unter Umständen da oder dort Unrecht schaffen würden.

Um das zu vermeiden, haben wir einen Entschließungsantrag formuliert, der neben anderen Wünschen vor allem eines vorsieht: Bis 31. Dezember dieses Jahres hat der Wirtschafts


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minister dem Parlament den Entwurf eines qualifizierten Dienstleistungsbereiches vorzulegen. Findet dieser in der Wirtschaftstreuhänderordnung Platz, dann ist es gut und wahrscheinlich auch das Bessere; sind die Wirtschaftstreuhänder aber nicht bereit, eine vernünftige Regelung auszuhandeln, dann werden wir eine Novelle, und zwar kurzfristig, in Richtung eines selbständigen Bilanzbuchhalters einbringen. Ich hoffe jedoch, daß das erstere gelingt. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Mag. Peter. )

Meine Damen und Herren, einige Sätze zu den Gastgärten. Ich habe es vorhin schon gesagt, da gibt es ein Spannungsverhältnis. Wir werden es noch erleben. Ich bekenne mich dazu, daß wir mühsamste Verhandlungen geführt haben, um zu dieser Regelung zu kommen. Ich verstehe auch, daß es kompliziert ist, weil der Gastgarten auf einem privaten Grund etwas anderes ist als der Gastgarten auf einem öffentlichen Grund. Kollege Kiermaier wird sich damit auseinandersetzen. Ich sage Ihnen nur eines: Überzeugt haben mich nicht die Hunderten Anrufe und Telefaxe, denn das hat ein bißchen nach Druck ausgeschaut. Überzeugt haben mich ausführliche Gespräche mit verschiedenen Betroffenen, und zwar auch mit Menschen, die unmittelbar betroffen sind, wie etwa jemand, der auf seinem privaten Grund erleben muß, daß auf einmal bis um 10 oder 11 Uhr abends ein Wirbel ist. (Abg. Mag. Peter: Im Sommer!)

Hier eine Regelung zu finden – und zwar ohne Genehmigung, Herr Kollege Peter! –, das ist das Entscheidende. Die Regelung auf Privatgrund bedeutet, daß von 9 bis 22 Uhr ohne jedes behördliche Verfahren ein Gastgarten betrieben werden kann. Es wird immer so getan, als ob dazu ein gewerbliches Verfahren notwendig wäre – das ist es nicht. Man kann nach oben oder unten auch Änderungen herbeiführen, und ich bin überzeugt, daß das eine befriedigende Lösung ist, sodaß ich insgesamt sagen kann: Ich bin davon überzeugt, daß wir nach langwierigen, über eineinhalb Jahre laufenden Verhandlungen ein gutes Werk für die österreichische Wirtschaft und für unser Land erbracht haben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Mag. Barmüller hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. Bitte beginnen Sie mit der Behauptung, die Sie berichtigen wollen. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

11.10

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Abgeordneter Heindl! Sie haben behauptet, die Liberalen hätten sich nicht in die Verhandlungen im Ausschuß eingebracht. – Das ist unwahr. Sie wissen, daß unser Antrag schon wesentlich länger im Ausschuß gelegen ist. Da haben Sie uns keine Verhandlungen gewährt. Dann haben die Verhandlungen begonnen, damals war ich sogar selbst im Ausschuß. Ich erinnere Sie etwa an die Diskussion über die Vollstreckbarkeitsverjährung bei Auflagen, deren Umsetzung maximal fünf Jahre dauern kann.

Daher ist es nicht richtig, wenn Sie sagen, daß wir uns vor dem Ausschußboykott in die Verhandlungen nicht eingebracht hätten. Nur als der Ausschußboykott dann stattgefunden hat, waren wir selbstverständlich nicht mehr dabei. Aber erwecken Sie hier bitte nicht den Eindruck, als ob wir uns auch vorher in dieser Sache nicht stark gemacht hätten. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Mag. Stoisits. )

11.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ing. Langthaler. –Bitte.

11.11

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich möchte mit der Frage der Präsenz in den Ausschüssen beginnen, denn das wird sich wahrscheinlich wie ein roter Faden durch die heutige Debatte ziehen.

Faktum ist, daß die drei Oppositionsparteien wohl bei 60 oder 70 Prozent der Verhandlungen, die in diesem Haus zur Gewerbeordnung stattgefunden haben, dabei waren. Ich stehe auch nicht an, zu sagen, daß diese Verhandlungen im Unterausschuß tatsächlich sehr sachlich


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geführt wurden und daß es wirklich möglich war, die Argumente der verschiedenen Parteien ausführlichst zu diskutieren. Faktum ist leider aber auch, daß die Argumente und verschiedenen Anträge der drei Oppositionsparteien letztlich keinen oder kaum Niederschlag in der jetzt vorliegenden Gesetzesnovelle gefunden haben. Es ist also einfach unrichtig, wenn hier der Eindruck erweckt wird, daß dann, wenn wir in den letzten zwei Sitzungen von den vielen, die es gegeben hat, noch aktiver als durch die Anwesenheit unserer Experten in den Ausschüssen mitgearbeitet hätten, unsere Vorschläge plötzlich großen Niederschlag gefunden hätten.

Zum Beispiel haben Sie die Anliegen der Grünen, die von Anfang an präsentiert wurden – sei es im Bereich des Betriebsanlagenrechtes, wo unsere Anliegen überhaupt nicht berücksichtigt wurden, aber auch in der klassischen Gewerbeordnung, zum Beispiel bei den Solateuren, auf die ich dann noch genauer eingehe –, schon bei der aktiven Verhandlung, als die Oppositionsparteien dabei waren, letztlich abgeschmettert und nicht berücksichtigt. Insofern ist es von Ihnen ein bißchen unfair, wenn Sie das so darstellen, als wären große Schritte möglich gewesen, wenn wir bis zum Schluß dabeigewesen wären. Sie haben sich eigentlich von Anfang an in der konkreten Umsetzung unserer Anträge nicht wirklich kompromißbereit gezeigt.

Was aber tatsächlich stattgefunden hat, das war eine ausführliche Diskussion, Herr Dr. Heindl. Es gab auch ein angenehmes Klima, und im Vergleich zu vielen anderen Ausschüssen, zum Beispiel zum Umweltausschuß, funktioniert der Wirtschaftsausschuß in dieser Hinsicht zweifellos sehr gut. Ich begrüße es auch sehr, daß wenigstens eine Diskussion möglich ist, auch wenn dann letztlich nichts berücksichtigt wird.

Die Gewerbeordnung besteht aus zwei wichtigen Bereichen, die ich auch in dieser Unterschiedlichkeit hier debattieren möchte: einerseits aus der klassischen Gewerbeordnung und andererseits aus dem ebenso wichtigen Betriebsanlagenrechtsbereich, wo ich eigentlich die noch drastischeren Probleme sehe und wozu ich Ihnen viele Zitate von Experten mitgebracht habe, die Sie vielleicht ernster nehmen als die Einwendungen der Grünen.

Wir waren uns ja im Grunde einig, daß es notwendig gewesen wäre oder notwendig ist, im Bereich der klassischen Gewerbeordnung zu liberalisieren, zu deregulieren. Auch die Grünen haben gemeint, daß es notwendig ist, beim Zugang zum Gewerbe, bei der Gründung von neuen Unternehmen und auch neuen Berufsbildern weit flexibler zu sein und daß gerade die klein- und mittelständischen Unternehmen, die es in Österreich gibt, genau jene Strukturen bräuchten, die vor allem das Zulassen von Neuem leichter machen.

Es ist so typisch, daß in dieser Debatte zur Gewerbeordnung eines wieder offensichtlich wurde: Jene, die sich schon im System befinden, verteidigen ihre wohlerworbenen Rechte mit Zähnen und Klauen. Da wird Druck ausgeübt, und wenn Dr. Heindl sagt, er hat sich im Zusammenhang mit den Öffnungszeiten der Gastgärten nicht vom Druck der Faxe überzeugen lassen, dann muß ich sagen, ich nehme ihm das nicht ab. In anderen Bereichen, sei das bei den Wirtschaftstreuhändern oder bei den Steinmetzen oder wem immer, hat man es natürlich bis in die Ausschüsse hinein unmittelbar gemerkt: Dieser unglaubliche Druck der bestehenden Gewerbe, der bestehenden Zünfte, der bestehenden Interessenvertretungen in der Bundeswirtschaftskammer ist dermaßen stark, daß es tatsächlich – wenn man berücksichtigt, wie starr vor allem die Bundeswirtschaftskammer ist –, überraschend ist, daß sich überhaupt etwas – wenn auch nur im Kleinen – verändert.

Ich beneide den Wirtschaftsminister nicht um seine Funktion, innerhalb eines Apparates, in dem er sich ja auch parteipolitisch befindet, eine Gewerbeordnungsnovelle vorlegen zu müssen, die einerseits dem Wunsch nach Deregulierung und andererseits vor allem diesem unglaublichen Druck von seiten der Zünfte entspricht.

Faktum ist, daß wir in Österreich die unternehmerischen Rahmenbedingungen einfach erleichtern müssen. Österreich hatte im letzten Jahr mit 2,2 Prozent die höchste Insolvenzquote in Europa und gleichzeitig die wenigsten Neugründungen innerhalb der Europäischen Union. Diese Zahlen machen es notwendig, gerade neue Berufsbilder zu unterstützen und nicht so wie bisher durch unglaubliche Reglementierungen letztlich das unternehmerische Tätigsein zu


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verhindern. Das wäre eines der Ziele dieser Gewerbeordnung gewesen, und ich meine, dieses Ziel haben Sie in weiten Bereichen verpaßt. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte in umgekehrter Weise zu meinen Vorrednern mit dem für uns Grüne besonders wichtigen Bereich beginnen, nämlich dem klassischen Betriebsanlagenrecht in der Gewerbeordnung. Wir haben ja in den Verhandlungen diesen Bereich als erstes behandelt. Eines ist schon auffallend, nämlich wie sich die Interessen letztlich durchsetzen. Da hat sich nämlich die Deregulierungsidee durchgesetzt. Dort, wo es keine starke Lobby gibt, nämlich dort, wo Umweltschutzinteressen und Nachbarinteressen massiv berührt werden, wagen Sie eine weitgehende Liberalisierung im Bereich des Betriebsanlagenrechts, aber dort, wo die Zünfte stark sind, nämlich im Bereich der klassischen Gewerbeordnung, verläßt Sie der Mut zur Deregulierung.

Ich möchte versuchen, Ihnen zu beweisen, daß Sie in der Form, wie Sie heute im Betriebsanlagenrecht versuchen, Deregulierung und damit eine Beschleunigung von Verfahren zu betreiben, nicht Ihr gewünschtes Ziel einer tatsächlich größeren Bereitschaft von auch neuen Unternehmen für Investitionen erreichen werden, sondern Sie werden erreichen, daß richtige und notwendige Schutzbereiche, vor allem im Umweltschutz, aber auch berechtigte Einwände von Nachbarn in einer Art und Weise aufgeweicht werden, die in Summe ganz fatal an eines erinnern, nämlich an die Regelung des bevorzugten Wasserbaus. Da haben wir gesehen, wohin eine solche Strategie führt: nämlich zu Konflikten wie bei Hainburg.

Sie nehmen die Möglichkeit der Diskussion und auch, daß durch ein Verfahren und durch Einwendungen von Nachbarn ein Projekt insgesamt verbessert werden kann, damit endlich die Bürgerbeteiligung so verstanden wird, daß alle Beteiligten etwas Positives davon haben und alle Beteiligten befriedigt sind: nämlich die Unternehmen, die in einem Betriebsanlagenverfahren lernen können, wie ihr Projekt verbessert wird, und die Anrainer und Nachbarn, die sehen, daß durch entsprechende Maßnahmen innerhalb des Verfahrens ihre meistens berechtigten Ansprüche entsprechend befriedigt werden.

Sie haben in einer Summe von Abänderungsanträgen während der laufenden Verhandlungen letztlich den Stand im Betriebsanlagenrecht auf das zurückgeführt, was Sie im Oktober 1996 vorgelegt haben, was durch die Bank von den Umweltanwaltschaften in Österreich abgelehnt wurde, von vielen Verfassungsjuristen abgelehnt wurde, auch mit dem Hinweis, daß es nicht verfassungskonform sei, und auch von einigen Städten abgelehnt wurde, die unmittelbar mit den Betriebsanlagenverfahren beschäftigt sind und von denen ich zum Teil Zitate hier mithabe: ... die Ausnahmen von der Genehmigungspflicht für alle Anlagen, wenn – und das ist ein wörtliches Zitat aus § 74 Abs. 7 – "von ihnen erwartet werden kann, daß der Nachbarschafts- und Umweltschutz hinreichend beachtet wird."

Diese Regelung, meine Damen und Herren, ist eine Blankoermächtigung an den Wirtschafts- und an den Sozialminister, jegliche Anlage von der Genehmigungspflicht zu befreien. Sie haben also das Prinzip, das bisher gegolten hat, einfach umgedreht und werden nur mehr jene Anlagen, die in Zukunft mit einer bestimmten Verordnung ausgewiesen sein werden, einem ordentlichen Verfahren unterziehen.

Aber ein ordentliches Verfahren wird die große Ausnahme sein, es wird dieses kaum mehr geben. In der Regel wird es ein komprimiertes, schnelles Anzeigebewilligungsverfahren geben, das die notwendigen unterschiedlichen Ansprüche gerade auch von Nachbarn, aber auch Umweltschutzinteressen einfach nicht mehr berücksichtigt.

Eine weitere noch im Abänderungsantrag enthaltene Regelung des § 78 Abs. 1, nämlich daß die aufschiebende Wirkung einer Berufung generell wieder ausgeschlossen wird, wurde von vielen Verfassungsjuristen als verfassungswidrig abgelehnt. Mir ist es unerklärlich, warum Sie hier wieder auf die ursprüngliche Form zurückgegriffen haben.

Mit dem § 82a Abs. 4 bewirken Sie, daß bei gefahrengeneigten Anlagen die Sicherheitsanalyse und der Maßnahmenplan nicht mehr mit den Projektunterlagen eingereicht werden müssen, sondern erst mit der Fertigstellungsanzeige. Aber gerade diesen wichtigen Bereich, daß man


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bereits im Verfahren erkennen kann, wo denn Sicherheitsaspekte berührt werden, wo notwendige Maßnahmen gesetzt werden müssen, um auch große Bevölkerungsschichten vor möglichen Unfällen in einem Betrieb zu schützen, daß man im Rahmen eines solchen Bewilligungsverfahrens gemeinsam lernen kann, wie ein vernünftiger Sicherheitsplan aussieht, schränken Sie ein. All diese präventiv notwendigen Maßnahmen werden durch diese Novelle reduziert.

Ich möchte Ihnen einige Stellungnahmen von kompetenter Seite zu genau diesem Bereich zitieren, allen voran von der Volksanwaltschaft, die in ihrer Stellungnahme zu diesem Bereich des Gesetzesvorhabens folgendes gemeint hat – ich zitiere –:

"Mit der Einführung des vereinfachten Betriebsanlageverfahrens durch die Gewerberechtsnovelle 1988, wo es ebenso bereits Deregulierung gegeben hat, konnte nach den Feststellungen der Volksanwaltschaft keine Verbesserung erreicht werden. Im Gegenteil, die Erfahrungen der Volksanwaltschaft zeigen, daß die angestrebten Erleichterungen und Verfahrensbeschleunigungen in keinem Verhältnis zum Ermittlungsaufwand stehen.

Die bisherige Kritik der Volksanwaltschaft trifft auch auf den vorliegenden Gesetzentwurf zu, weil damit ein weiterer entscheidender Beitrag dazu geleistet wird, das ordentliche Betriebsanlageverfahren gegenüber dem vereinfachten völlig zurückzudrängen. Das vereinfachte Betriebsanlageverfahren bringt in der Praxis nicht die erwartete Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungsbeschleunigung. Der Ausbau der Anwendbarkeit des vereinfachten Betriebsanlageverfahrens geht ausschließlich zu Lasten der Nachbarrechte, und der vorliegende Gesetzentwurf verdichtet den ohnehin schon vorhandenen Paragraphendschungel." – Das sind die wörtlichen Zitate und Stellungnahmen von seiten der Volksanwaltschaft zu diesem Bereich im Betriebsanlagenrecht.

Oder: das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung. Auch in dieser Stellungnahme wird festgestellt: Es wird mit dieser Novelle eine Vielzahl von auch größeren Betriebsanlagen dem vereinfachten Genehmigungsverfahren unterworfen, die nach den Erfahrungen der Praxis zu erheblichen Problemen, nämlich vor allem Belästigungen, führen, woran auch die Verordnungsverpflichtung des Abs. 7 nichts Grundlegendes ändern wird, da die Problemursachen in der Praxis zu vielfältig sind. – Das ist die Stellungnahme des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung.

Oder: der Stadtrat der Landeshauptstadt Linz, der eine sehr gute, ausführliche Stellungnahme zum Betriebsanlagenrecht der geplanten Novelle der Gewerbeordnung verfaßt hat. Er meint hier wortwörtlich – ich zitiere –:

Insbesondere handelt es sich um die weitere Beschränkung der Nachbarrechte und des Umweltschutzes im allgemeinen. Ein Interessenausgleich kann nun nicht mehr durchgeführt werden, sodaß sich die nicht bereinigten Konflikte später entsprechend massiv artikulieren werden. – Zitatende.

Das ist völlig richtig, und Sie werden sehen, daß dieses massive Artikulieren der Einwände die Projekte weit mehr verzögern wird, als wenn Sie hier ein vernünftiges Anlagenrecht geschaffen hätten.

Oder: die Wiener Umweltanwaltschaft – Zitat –: Diese Novelle stellt einen deutlichen Rückschritt bezüglich des Umweltschutzes, des Schutzes von Nachbarinteressen und des Arbeitnehmerschutzes dar. – Dem ist nichts hinzuzufügen.

Oberösterreichische Umweltanwaltschaft, ebenso: Von Interesse ist aber aus Sicht einer Umweltanwaltschaft auch der Preis, der für die Zielerreichung einer Deregulierung und Beschleunigung zu bezahlen ist. Mit dieser Novelle werden in der Gewerbeordnung zu Lasten von Umwelt und Nachbarn fast alle Elemente entfernt, die einer raschen Realisierung von anlagen- oder wirtschaftskonformen Standards und Rahmenbedingungen für gewerbliche Betriebsanlagen in irgendeiner Weise hinderlich sein könnten.


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Und dann schreibt der oberösterreichische Umweltanwalt weiter: Es gilt anscheinend ein unbedingtes Primat des Bauens und Betreibens als neues Paradigma des Gewerberechts. Wieweit dies mit verfassungsmäßigen Grundprinzipien vereinbar ist, sei dahingestellt.

Ich könnte Ihnen eine Reihe weiterer Stellungnahmen dazu vorlesen, interessanterweise auch der Arbeiterkammer – leider durften sie es nicht publizieren, da war die SPÖ dann doch dagegen. Was schreibt die Arbeiterkammer? – Ich zitiere:

Diese Novelle ist zur Problemlösung nicht tauglich, steht im Widerspruch mit dem Koalitionsübereinkommen, ist grob verfassungswidrig, im Widerspruch mit den Staatszielbestimmungen des BVG Umweltschutz. Der Arbeitnehmer-, Nachbar- und Umweltschutz wird dadurch fast beseitigt. (Abg. Dr. Kostelka: Nur ist das nicht die Meinung der Arbeiterkammer, das wissen Sie ganz genau!) Ja, ich kenne auch den Druck, der auf die Umweltstelle der Arbeiterkammer ausgeübt wurde, und weiß, was Sie dort aufgeführt haben, bei der angeblich ganz unparteiischen, von parteipolitischen Einflüssen ganz freien Arbeiterkammer. Sie hat eine ausgezeichnete Stellungnahme geschrieben, aus der ganz klar unsere Einwände hervorgehen: völliger Abbau des Umweltschutzes, völliger Abbau des Nachbarschutzes durch dieses Betriebsanlagenrecht. (Abg. Dr. Kostelka: Eine einseitige Beurteilung ist noch lange keine objektive!)

Und auch die Conclusio ist die gleiche, daß Sie nämlich Ihr Ziel nicht erreichen werden. Die Verfahren werden nicht kürzer werden. Sie werden sich ganz andere Proteste einhandeln. Und es wird von vielen, nicht nur von uns, die Parallele zum bevorzugten Wasserbau, der sich aus den Gesetzen in Wien und Niederösterreich – Stichwort Causa Hainburg, die damals nur dadurch entstanden ist – ergeben hat, gesehen, und dazu wird es wieder kommen.

Was Sie hier einführen, das ist die bevorzugte Bewilligung aller großen Anlagen, ohne daß man schaut, wie die entsprechenden Umweltschutzbestimmungen zu berücksichtigen sind. Sie werden sich eine Riesenmenge an Protesten damit einhandeln und damit weit mehr Kosten verursachen, als wenn Sie ein einheitliches Umweltanlagenrecht geschaffen hätten. Und das sehen ja nicht nur die Grünen so, sondern das haben auch die Umweltanwaltschaften quer durch Österreich, die Arbeiterkammer, letztlich auch die Industriellenvereinigung, wenn sie in der ÖGUT mitarbeitet, und auch einige Teile der Bundeswirtschaftskammer, die bei uns mitarbeiten, festgestellt: Man hätte ein einheitliches Umweltanlagenrecht schaffen müssen, eine Vereinfachung.

Ich halte nichts davon, daß Verfahren unendlich lange dauern. Es soll ein Verfahren nicht zwei, drei, vier, fünf Jahre dauern, das nützt überhaupt niemandem. Das nützt nicht dem Projektbetreiber, das nützt nicht dem Anrainer, das nützt nicht dem Umweltschutz, das nützt niemandem. Da werden Beamte nur unnötig über Monate hindurch beschäftigt. Deshalb wäre es richtig gewesen, ein einheitliches Umweltanlagenrecht zu schaffen, wo man bereits auf der Ebene der Bezirkshauptmannschaften die verschiedenen Bereiche, die die Umwelt betreffen, unmittelbar abhandelt, aber nicht zersplittert in den einzelnen Materiengesetzen. Diese Zersplitterung bleibt ja, im Gewerberecht, im Wasserrecht und so weiter.

Es findet zwar zum Teil eine Verfahrenskonzentration statt, aber die Kontrollkonzentration und die konkrete, wirklich umfassende Berücksichtigung von Umwelt- und Nachbarinteressen werden einfach eliminiert, und das ist ein Fehler. Mit dieser Deregulierung erwecken Sie den Eindruck, daß sich die Betriebe schneller werden ansiedeln können. Aber Sie werden sehen, das ist wirklich ein Pyrrhussieg, und die Zukunft wird das zeigen.

Es werden sich nicht alle geirrt haben, die diese Stellungnahmen geschrieben haben, sei das die Volksanwaltschaft, seien das die verschiedenen Umweltanwaltschaften in Österreich, seien das einige Umweltstadträte von verschiedenen großen Städten, die unmittelbar betroffen sind. Sie alle warnen davor, daß man heutzutage, wo sich Gott sei Dank die Leute in Österreich nicht mehr alles gefallen lassen, so einen Schritt setzt. Man wird sich auch nicht gefallen lassen, daß Projekte wie zum Beispiel das in Ebreichsdorf, nämlich diese "Stronach-Kugel", auch wenn es Milliardeninvestitionen sind, die ganze Landschaft verschandeln. Das Projekt in Ebreichsdorf


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würde nach dem neuen Gewerberecht leider als Gesamtanlage gesehen werden, und über die einzelnen Anlagen müßte gar nicht mehr extra im bisherigen Ausmaß verhandelt werden. Das ist eine Katastrophe! Sie werden dort Proteste erleben, Sie werden dort Demonstrationen erleben, Sie werden Besetzungen erleben, was alles viel teurer kommen und wieder eine Kluft in der Bevölkerung zwischen Projektbetreibern und Anrainern aufreißen wird, die nicht notwendig ist.

Wir leben in einer Gesellschaft, in der es möglich sein muß, daß sich die Leute an einen Tisch setzen und verhandeln und in einem Verfahren schauen, daß man ein gutes Projekt zustande bringt. Es geht uns nicht ums Verhindern! Es geht um gute Projekte, bei denen Umwelt und Nachbarinteressen berücksichtigt werden. Aber was Sie hier machen, das ist die Aufgabe dieses Prinzips. (Beifall bei den Grünen.)

Ich komme zum zweiten Bereich der Gewerbeordnung, nämlich dem klassischen "Zunftbereich", wo sich die Deregulierer nicht mehr so durchgesetzt haben wie beim Betriebsanlagenrecht.

Wir haben hier bei der Verhandlung der Gewerbeordnung die tollsten Skurrilitäten erlebt. Ich habe das zum Teil sehr genossen. Es ist ja wirklich unglaublich, worum es da in den Bestimmungen der Gewerbeordnung geht: Was darf nun konkret eine Tankstelle verkaufen –zuckerfreien Kaugummi, ja oder nein? Wer darf jetzt Ohrläppchen stechen und wer nicht? Und ein großer Streit in der Bundeswirtschaftskammer war: Dürfen die Fleischhauer Fischsalat verkaufen oder nicht? Das hat dort offensichtlich über Monate die Diskussion bestimmt. Da gibt es sogar einen Bericht, der an uns geschickt wurde, eine Protestresolution eines Bereiches in der Bundeswirtschaftskammer – es handelte sich um eine Minderheitsmeinung –, der dagegen protestiert, daß jetzt auch ein Fleischhauer Fischsalat verkaufen darf. Das ist ja völlig absurd!

In diesem Rahmen haben wir diese Gewerbeordnung verhandeln müssen. (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) – Ich werde mich noch einmal melden, um die entsprechenden Anträge im Bereich des Umweltschutzes in der klassischen Gewerbeordnung, betreffend die Solateure, einzubringen.

Wir haben versucht, vor allem eines zu regulieren, nämlich daß neue Berufsbilder in dieser Gewerbeordnung gut möglich sind, daß es Erleichterungen für die Zulassung neuer Berufe gibt.

Herr Präsident! Ich werde das in einer weiteren Wortmeldung noch im Detail ausführen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

11.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Tichy-Schreder. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

11.32

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedauere es, Frau Kollegin Langthaler, daß Sie gerade mit dem Betriebsanlagenrecht begonnen haben und mein Kollege Kopf, der Ihnen auf Ihre Fragen antworten wird, erst viel später drankommt, und daß Sie das Berufsrecht erst später behandeln.

Meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh darüber, daß wir nach langen schwierigen Verhandlungen diese Gewerbeordnung verabschiedet haben. Ich kann auch einzelne Vorstellungen der Oppositionsparteien verstehen. Ich kann sie insofern verstehen, als sie teilweise komplett konträr sind. Die Liberalen wünschen auf der einen Seite eine völlige Deregulierung für alle Bereiche, wollen aber auf der anderen Seite mit einer Verfassungsbestimmung festgehalten haben, daß jeder Gewerbebetrieb unbedingt eine Haftpflichtversicherung in einer gewissen Höhe abschließen muß. – Wenn ich nur daran denke, wie viele Zuschriften wir von Versicherungsmaklern bekommen haben, was die Haftpflichtsummen betrifft, dann kann ich mir vorstellen, welche Zuschriften wir bekommen, wenn wir dem nähertreten, was die Liberalen hier vorgeschlagen haben. (Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. ) Aber ich gratuliere Ihnen, daß Sie eine komplett neue Gewerbeordnung aufgestellt haben, Herr Abgeordneter Peter!


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Ich verstehe auch Herrn Kollegen Haigermoser, daß er in persönliche Angriffe übergehen muß, wenn es um die Gewerbeordnung geht, denn ich konnte eines feststellen: Seit Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Prinzhorn in das Haus eingezogen ist, hat Herr Kollege Haigermoser zur Gewerbeordnung nichts mehr zu sagen. Ich glaube, das ist sein Frust, den er versucht hat, mir gegenüber auszulassen.

Ich habe mir die Mühe gemacht und den Antrag zur Abänderung der Gewerbeordnung der Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn, Haigermoser und Genossen wirklich genau durchgearbeitet. Wenn Herr Kollege Haigermoser in seinem Redebeitrag etwa festhält, daß das Kammerwesen und so weiter fröhliche Urständ feiert, dann möchte ich ihm entgegenhalten, daß alle Fraktionen, also auch die Freiheitlichen, im Rahmen der Wirtschaftskammer mit dem Vorschlag, wie ihn die Regierungsvorlage vorsieht, einverstanden waren.

Meine Damen und Herren! Es wird immer gesagt: Gewerbetreibende, Kammer, jeder schaut nur auf seinen Bereich. – Wir haben Interventionen von allen möglichen Seiten bekommen. Eines möchte ich aber sagen: Es haben sich gerade im Bereich des Handwerks und Gewerbes die Innungsmeister, die Sektionsobmänner außerordentlich bemüht, in wirklich schwierigen Verhandlungen eine Liberalisierung herbeizuführen. Ihnen muß ich danken, daß sie das über alle Fraktionen hinweg tragen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber jetzt kommt Herr Kollege Haigermoser und beschwert sich über die Gewerbeordnung. Ich habe mir noch eine Mühe gemacht: Ich habe mir nicht nur seine Rede zur letzten Gewerbeordnung durchgelesen, sondern ich habe mir – sorgsam, wie Frauen sind – auch alle Entschließungsanträge zur letzten Gewerbeordnung aufgehoben. Herr Kollege Haigermoser hat damals gesagt: Wenn wir diese Entschließungsanträge nicht verabschieden, dann ist die ganze Gewerbeordnung nichts!

Ich habe mir also die 23 Entschließungsanträge angesehen, die der Herr Kollege Haigermoser bei der letzten Beschlußfassung im Jahre 1992 eingebracht hat, und habe diese Entschließungsanträge mit dem Antrag des Dipl.-Ing. Prinzhorn, Haigermoser und Genossen verglichen, den er heute zur Gewerbeordnung eingebracht hat. Ich mußte feststellen: Kein einziger der Paragraphen in jenen Anträgen, die er 1992 hier eingebracht und bei seiner Rede zur Novellierung der Gewerbeordnung 1992 moniert hat, findet sich im heutigen Antrag 295/A der Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn, Haigermoser und Genossen! (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Herr Kollege Haigermoser! Ich verstehe Ihren Frust. Ich versuche zu verstehen, warum Sie gegen mich ausfällig geworden sind. (Zwischenruf des Abg. Rosenstingl. ) Ich möchte folgendes dazu sagen: Herr Kollege Haigermoser hat bei der letzten Novellierung der Gewerbeordnung begrüßt, daß die Unternehmerprüfung für alle eingeführt worden ist. Im heutigen Antrag Dipl.-Ing. Prinzhorn, Haigermoser und Genossen steht aber, daß die Unternehmerprüfung fallen soll.

Meine Damen und Herren! Ich verstehe seinen Frust, deshalb nehme ich seine mir gegenüber geäußerten Verbalinjurien nicht ernst, denn wenn er sonst privat zu mir kommt, dann kommt er submissest mit allem Möglichen. Hier aber hat er versucht, mich anzugreifen. (Abg. Haigermoser: Sie sind eine intelligente Frau, wenn Sie nicht hinter dem Rednerpult stehen, aber wenn Sie das Rednerpult anfassen, werden Sie kompliziert!)

Herr Abgeordneter Haigermoser! Ich möchte Ihnen nur eines sagen: Ihr Experte Mag. Stadlmair hat sich im Anschluß an die Unterausschußsitzungen bei mir für die faire, konstruktive Arbeit, die dort geleistet worden ist, besonders bedankt. Ich habe mich darüber sehr gefreut und habe mich heute über Ihre Ausführungen gewundert. Aber ich kann Sie angesichts dessen, was ich vorhin gesagt habe, verstehen.

Meine Damen und Herren! Wenn ich schon auf die Ausschußberatungen zu sprechen komme, möchte ich eines wirklich festhalten – und das wurde von allen Fraktionen bereits gesagt –: Ich möchte dem Herrn Sektionschef Dr. Koprivnikar sehr, sehr herzlich danken. Er ist wieder zu einer speziellen Größe im Ministerium herangewachsen (Beifall bei der ÖVP und bei Abge


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ordneten der SPÖ) , und ich möchte ihm für seine Kompetenz, die von allen anerkannt wird, und für seinen Einsatz, den er mit seinem Team geleistet hat, herzlich danken. Das spielt auch eine Rolle: Wenn ein guter Chef da ist, dann hat er auch ein gutes Team, nämlich Herrn Ministerialrat Dr. Malousek, Herrn Dr. Forster und Herrn Ministerialrat Dr. Krebs, Herrn Ministerialrat Dr. Sedlak und Frau Mag. Jungwirth, die zum Betriebsanlagenrecht gearbeitet hat. Bei ihnen allen, aber auch bei den übrigen Mitarbeitern des Ministeriums möchte ich mich ganz, ganz herzlich bedanken. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte aber auch allen Experten danken, und zwar von allen Fraktionen, die wirklich konstruktiv mitgearbeitet haben. Da die Liste sehr lange und meine Redezeit kurz ist, möchte ich jetzt keine Namen nennen. Sie alle haben konstruktiv mitgearbeitet, egal, von welcher Fraktion sie waren, und haben bis ins Detail auch die Schwierigkeiten, die wir da und dort gehabt haben, verstanden.

Meine Damen und Herren! Ich möchte folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Ingrid Tichy-Schreder, Dr. Kurt Heindl und Kollegen zur Regierungsvorlage (575 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Bankwesengesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 und das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 geändert werden (761 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

1. Im 1. Abschnitt Art. I Z 1a lautet das Zitat "§ 2 Abs. 3 Z 3" richtig: "§ 2 Abs. 3 Z 1".

2. Im 1. Abschnitt Art. I Z 1c lautet § 2 Abs. 4 Z 1 wie folgt:

"1. Die Verarbeitung und Bearbeitung überwiegend des eigenen Naturpoduktes unter der Voraussetzung, daß der Charakter des jeweiligen Betriebes als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gewahrt bleibt; die Be- und Verarbeitung kann auch durch einen befugten Gewerbetreibenden im Lohnverfahren erfolgen; der Wert der allenfalls mitverarbeiteten Erzeugnisse muß gegenüber dem Wert des bearbeiteten oder verarbeiteten Naturproduktes untergeordnet sein;"

3. Im 1. Abschnitt Art. I Z 98 wird im § 275e erster Satz das Wort "eingetragen" durch das Wort "einzutragen" ersetzt.

4. Im 2. Abschnitt Art. I lautet die Z 12a:

"12a. Dem § 148 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

,Gastgärten, die sich weder auf öffentlichem Grund befinden noch an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, dürfen jedenfalls von 9 bis 22 Uhr betrieben werden, wenn sie die Voraussetzungen des ersten Satzes erfüllen.’"

5. Im 2. Abschnitt Art. I Z 18.4 lautet § 359b Abs. 5 wie folgt:

"(5) Ergibt sich aus dem Ansuchen um Genehmigung der Änderung der Betriebsanlage und dessen Beilagen (§ 353), daß die geplante Änderung den Ersatz von Maschinen, Geräten oder Ausstattungen betrifft, deren mangelnde Gleichartigkeit einen Bescheid gemäß § 345 Abs. 9 zur Folge hatte, so ist das Änderungsgenehmigungsverfahren als vereinfachtes Verfahren im Sinne des Abs. 1 durchzuführen."

*****

Meine Damen und Herren! Es geht dabei teilweise um redaktionelle Änderungen und teilweise um Änderungen, die gegen Schluß der Verhandlungen nicht mehr richtig aufgenommen werden


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konnten oder die der Computer nicht mehr angenommen hat, aber auch um die Gastgärtenregelung.

Ein Punkt, der mir besonders wichtig ist, ist mit dieser Novelle zur Gewerbeordnung auch gelungen, nämlich die Regelung hinsichtlich einer besseren Nahversorgung.

Herr Abgeordneter Haigermoser hat kritisiert, daß es bei den Betriebsanlagen Veränderungen hinsichtlich der Einkaufszentren gibt. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Herr Abgeordneter Haigermoser hat versucht, in der Wirtschaftskammer Österreich von den Interessenten und Betreibern den Text zu bekommen. Er hat gesagt: Bitte, gebt mir diesen Text unbedingt! – Händeringend hat er um diesen Text gebeten, der erarbeitet worden ist. Denn wenn die ÖVP diesen Text mit dem Koalitionspartner nicht durchgebracht hätte, hätte er ihn einbringen wollen, damit er zeigen kann, wie er für den Handel eintritt, da das den Sektionsausschuß Handel betrifft. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)  – Herr Abgeordneter Haigermoser! Ich sage Ihnen folgendes: Versuchen Sie überall ehrlich zu sein und nicht so zwiespältig wie hier!

Ich meine, diese Gewerbeordnung braucht keinen Vergleich zu scheuen. Die Novelle ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ich hoffe, daß alle Jungunternehmer die Zeichen dieser Gewerbeordnung erkennen, und daß das Klima und die Rahmenbedingungen dafür, sich selbständig zu machen, in Zukunft in Österreich positiv bewertet werden (Abg. Blünegger: Die Gewerbeordnung braucht schon wieder eine neue Novellierung!), damit wir einen Zustrom an Jungunternehmern für die österreichische Wirtschaft und für den österreichischen Konsumenten erreichen. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei der SPÖ.)

11.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der von Frau Abgeordneter Tichy-Schreder vorgetragene Abänderungsantrag, der geschäftsordnungsgemäß unterstützt ist, wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Blünegger. – Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 6 Minuten angegeben.  Bitte, Herr Abgeordneter.

11.42

Abgeordneter Anton Blünegger (Freiheitliche): Hohes Haus! Sehr geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Ich werde auf die Ausführungen der Frau Abgeordneten Tichy-Schreder später eingehen (Abg. Rosemarie Bauer: Es wird sehr schwer sein, dazu etwas zu sagen!), zuerst möchte ich erläutern, warum wir Freiheitliche uns in der Arbeit für diese neue Gewerbeordnung mit Punkten beschäftigt haben, die den geänderten Wettbewerbsbedingungen und wirtschaftlichen Bedingungen angepaßt werden sollen. Das wäre auch das Ziel, das die Freiheitlichen bei einer neuen Gewerbeordnung hätten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Bundesregierung hat leider nicht den Mut gehabt, wirklich Entscheidendes zu verändern. Wenn man sich heute diese Gewerbeordnung anschaut, dann stellt man fest, daß wir schon wieder eine neue Novellierung dieser Gewerbeordnung bräuchten, um einem modernen, angepaßten Wirtschaftsstandort Österreich entsprechen zu können.

Tatsache ist, daß die SPÖ und die ÖVP im Wirtschaftsausschuß und im Unterausschuß nicht bereit waren, das herkömmliche Denken abzulegen. Ihre Aussagen, Frau Abgeordnete Tichy-Schreder, haben genau das gezeigt; ich halte das für nicht richtig. Auch Herr Präsident Maderthaner hat heute hier als Nichtmitglied des Unterausschusses große Worte gesprochen, aber seine Worte waren ohne Inhalt. Das muß man einmal feststellen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Er hat nur gemeint, daß Herr Abgeordneter Haigermoser im Ausschuß nicht mitgemacht hat. Warum haben wir Freiheitlichen im Ausschuß nicht mitgemacht? – Weil unter anderem die demokratischen Rechte hier in diesem Hohen Haus von der Bundesregierung nicht ernst genommen werden. Wir haben daher an zwei Unterausschußsitzungen und an einer Ausschußsitzung des Wirtschaftsausschusses nicht teilgenommen.


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Was haben wir in der Zwischenzeit gemacht? – Wir haben uns hier im Hohen Haus während der Zeit, als die Ausschüsse ohne uns getagt haben, mit der Gewerbeordnung beschäftigt. Ich habe hier die verschiedenen Punkte und Kapitel aufgelistet – es würde zu lange dauern, all das vorzulesen –, nur einige Beispiele: Beschäftigungsnachweis für Handwerker, Meisterprüfung, Rauchfangkehrer – darüber haben wir heute schon etwas gehört –, Warenpräsentator, Arbeitsverfassungsgesetz. Mit all diesen Problemen haben wir uns in der Zeit, als wir nicht an den Ausschußsitzungen teilgenommen haben, beschäftigt.

Ich darf noch folgendes dazu sagen: Die Aussagen der Frau Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses waren nach meinem Dafürhalten nichts anderes als persönliche Angriffe, weil sie es vielleicht nicht mag, wenn wir Freiheitlichen etwas sagen. Frau Kollegin Tichy-Schreder! Sie wollen ja nicht mit uns gemeinsam arbeiten; das erkennt man, wenn man sich Ihre Vorsitzführung anschaut. Als die Opposition dabei war, haben wir sechs, sieben Stunden lang gearbeitet. Dann, als die Opposition nicht mehr dabei war, waren Sie in eineinhalb Stunden fertig. Aber diese Art der Politik brauchen wir hier nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Das ist die neue Gewerbeordnung, die eigentlich schon wieder novelliert werden sollte.

Uns Freiheitlichen war es sehr wichtig, den Einfluß der Bundeswirtschaftskammer wegzubekommen, aber das ist wieder nicht geschehen. Die Funktionäre der Bundeswirtschaftskammer haben wieder denselben Einfluß. Nur dort, wo es Ihnen nicht weh tut, waren Sie bereit, eine Novellierung, eine Veränderung zuzulassen.

Im Zusammenhang mit dieser Novelle zur Gewerbeordnung haben wir immer gefordert: Weniger Bürokratie! (Abg. Parnigoni: Machen wir eh!)  – Aber was ist daraus geworden? – Mehr Bürokratie ist es geworden, Kollege Parnigoni. (Abg. Parnigoni: Das stimmt überhaupt nicht!) Die Bürokratie ist ausgeweitet worden. Wir haben immer wieder gesagt: Vereinfachung, weg mit den Schranken im Zusammenhang mit Betriebsgründungen. Was ist passiert? – Es ist zu keiner Liberalisierung gekommen.

Es gibt unzählige Beispiele für unnötige, wirtschaftsfeindliche und bürokratische Regelungen; einige Punkte habe ich ja schon aufgezeigt. Unsere Aufgabe wird es sein, uns schon jetzt damit zu beschäftigen, in den nächsten Sitzungen des Wirtschaftsausschusses mit einem neuen Antrag zu einer Novellierung beizutragen, damit die Menschen, die in Österreich neue Betriebe gründen und sich selbständig machen wollen, es einmal leichter haben.

Das ist unser Ziel, und daher lehnen wir die Novelle zur Gewerbeordnung in der vorliegenden Form ab – sie ist uns einfach zuwenig weitreichend. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kaufmann. – Bitte.

11.48

Abgeordneter Mag. Herbert Kaufmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ich glaube, daß die Gewerbeordnung immer ein Versuch ist, ein relativ faires Regelwerk zu schaffen, in dem die Interessen der Konsumenten nach einer gewissen gesicherten Mindestqualität, die Interessen der Arbeitnehmer – da auch geregelt sein soll, welche Kollektivverträge angewandt werden et cetera –, die Interessen der Anrainer, was Nachbarschaftsrechte betrifft, und auch die Interessen der Gewerbetreibenden selbst in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. – Das ist die eine Position.

Die andere Position ist: Die Gewerbeordnung sollte keinesfalls eine Beschränkung des Zugangs zum Gewerbe darstellen und auch keinesfalls eine Beschränkung des Wettbewerbes – nicht durch bewußte Zugangsbeschränkungen, aber auch nicht durch unnötige Bürokratie.

In diesem Spannungsverhältnis einer fairen Abstimmung einerseits und keiner Zugangsbeschränkung und keiner unnötigen Bürokratie andererseits ist die Gewerbeordnung zu


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erstellen. Ich glaube, daß insgesamt – alles in allem betrachtet – ein vernünftiger Kompromiß innerhalb dieses Spannungfeldes gefunden wurde. (Abg. Haigermoser: Gestatten Sie eine Frage, Herr Kollege Kaufmann: Wie wird man Bestatter in Wien?)  – Darüber reden wir nachher. Ich komme vorher noch auf die Rauchfangkehrer zu sprechen, und das hängt damit zusammen. (Abg. Rossmann: Das ist Ihnen unangenehm! Wie wird jemand Bestatter in Graz?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zugangsbeschränkungen sind geringer geworden. Die Gewerbeausübung ist erleichtert worden, und in diesem Zusammenhang gibt es mehrere Punkte.

Das Anlagenrecht wird besser – das haben Sie ja selbst zugestanden –, kürzere Verfahren. Es ist aber auch zu bemerken, daß auch die Anrainerrechte berücksichtigt werden müssen.

Herr Minister! Wir haben einmal kurz darüber gesprochen – es wäre das vielleicht ein gedanklicher Ansatz für eine zukünftige Reform (Abg. Mag. Firlinger: Die wird sicher kommen!), wenn Änderungsnotwendigkeiten gegeben sind –: Die Anrainerrechte resultieren nicht nur – das ist Frau Abgeordneter Langthaler zu sagen – aus dem Betriebsanlagenrecht, sondern vorwiegend aus der Flächenwidmung und den Bebauungsplänen. Mir fehlt die Überlegung, daß diese beiden unterschiedlichen Rechtsmaterien, nämlich Flächenwidmung und Bebauungspläne einerseits und Betriebsanlagengenehmigungen andererseits, in eine Abstimmung zueinander gebracht werden.

Es kann nicht egal sein, ob sich jemand um eine Betriebsanlage im Bauland-Betriebsgebiet, im Bauland-Kerngebiet oder im Bauland-Wohngebiet bemüht. Diese Abstimmung fehlt zur Gänze – das eine fällt in die Bundesgesetzgebung, das andere in die Gesetzgebung der Länder. Ich glaube aber, daß es sehr sinnvoll wäre, mit mehr Kompromißfähigkeit in diesem Bereich vorzugehen und sich ein größeres Know-how zu erarbeiten. Ich meine, daß wir gerade durch diese Abstimmung eine große Zahl der Anrainerprobleme, die sich ergeben können und die natürlich je nach Widmungsart unterschiedlich sind, lösen könnten.

Die Zahl der Gewerbe ist beispielsweise wesentlich reduziert worden, von 153 auf 84, jene der Handwerke von 96 auf 43, die der bewilligungspflichtigen gebundenen Gewerbe von 30 auf 21, und so weiter. Es sind darüber hinaus verbundene Gewerbe geschaffen worden. Unsinnigkeiten wie zum Beispiel, daß der Tapezierer den Türstock nicht streichen darf, oder daß ein Händler, der eine Waschmaschine liefert, diese Waschmaschine nicht anschließen darf, sind beseitigt worden, und es ist das Teilgewerbe eingeführt worden – darauf werde ich noch zu sprechen kommen.

Zur Möglichkeit – Abgeordneter Peter hat sie ins Treffen geführt –, sich Regelungen wie die Gewerbeordnung überhaupt zu ersparen und im wesentlichen mit einer verbesserten Haftpflichtversicherung oder einer Art Haftpflichtversicherung, die seiner Ansicht nach ausreichen würde, allein auszukommen, folgendes: Ich gebe zu bedenken, daß dies in hohem Umfang nur eine Verlagerung von Bürokratie bedeuten würde, nämlich eine Verlagerung der Bürokratie von den Bezirkshauptmannschaften und Gewerbebehörden zu den Versicherungen. Es wäre auch überhaupt nicht sichergestellt, daß das dort besser als bei den Gewerbebehörden funktionieren würde.

Daher: Wenn wir der Meinung sind, daß die Bürokratie in diesem Bereich nicht gut genug funktioniert, dann versuchen wir doch, entsprechende Maßnahmen zu schaffen – das wird mit diesem Anlagenrecht gemacht –, damit die Bürokratie leichter, besser funktionieren kann. Aber schütten wir nicht immer, so wie zum Beispiel bei der Entstaatlichung, das Kind mit dem Bade aus.

Die Gewerbeordnung ist selbstverständlich ein Kompromiß, und bei jedem Kompromiß bleiben einige Wunschvorstellungen offen, in diesem Fall zum Beispiel der Wunsch, das Buchhaltergewerbe zu installieren. Abgeordneter Heindl das schon ins Treffen geführt, und wir werden auch einen entsprechenden Entschließungsantrag beschließen; er ist schon eingebracht.


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Ich betrachte es als wichtig, daß auch im Bereich der Wirtschaftsprüfer, in dem es immer wieder Mindesthonorarordnungen gibt, Wettbewerb eingeführt wird. Aber es ist auch notwendig, das Buchhaltergewerbe so zu regeln, daß nicht nur minderqualifizierte Tätigkeiten im Buchhaltungsbereich durchgeführt werden können, sondern daß man letzten Endes bis zur Bilanzierung kommen kann. Alles andere würde keinen Sinn ergeben und wäre für bestimmte Betriebe nur eine Möglichkeit, Outsourcing-Maßnahmen zu betreiben. Das würde also, wenn die Bilanzierung nicht auch dabei ist, keinen Sinn ergeben.

Die Arbeitnehmerfragen sind einigermaßen zufriedenstellend gelöst. Die Frage der Anwendung der richtigen Kollektivverträge scheint befriedigend gelöst zu sein. Sollten sich in der Praxis Probleme ergeben, müßte eine neuerliche Novellierung in Erwägung gezogen werden.

Auch die Frage des Filialgeschäftsführers ist entsprechend gelöst. Es muß doch der Grundsatz gelten, daß niemand als gewerberechtlicher Geschäftsführer haften soll, der praktisch nicht dazu in der Lage ist. Daher ist diese Lösung mit dem Filialgeschäftsführer vernünftig, weil dann eben nur solche Leute haften können, die aufgrund ihrer Stellung, ihrer Verantwortung im Betrieb auch praktisch Verantwortung übernehmen können.

Herr Minister! Für mich ist es ganz wichtig, daß klar ist, daß es eine vernünftige Abgrenzung von selbständiger und unselbständiger Tätigkeit geben muß. Das ist nicht, wie Abgeordneter Haigermoser in einer Ausschußsitzung einmal gemeint hat, ein Kampf der Kammern um Mitglieder, sondern wir wollen, daß es nicht über die Hintertür Sozialabbau gibt, daß es nicht durch Outsourcing Sozialabbau gibt, auch nicht dadurch, daß Leute, die in Wahrheit nicht selbständig tätig sind, in eine unfreiwillige Selbständigkeit abgedrängt werden, damit ihre Arbeitgeber sich nicht an Urlaubs- und Kündigungsbestimmungen, aber auch nicht andere Sozialleistungsbestimmungen sowie an Regelungen hinsichtlich des Lohns, an den Kollektivvertrag, halten müssen.

Die größte Gefahrenquelle sehe ich da schon beim Teilgewerbe. Herr Minister! Sie werden ja gemeinsam mit der Sozialministerin eine Verordnung erlassen, in der die Teilgewerbe geregelt werden sollen, und ich glaube, daß man da am Beginn sehr vorsichtig sein muß. Teilgewerbe sollte man eigentlich nur dann erlauben, wenn typischerweise an den Endverbraucher geliefert oder geleistet wird. Beispiele dafür sind: der Fahrradmechaniker, die Änderungsschneiderei, die Instandhaltung von Schuhen et cetera. Wenn aber primär die Möglichkeit besteht, aus der Kette eines Produktionsprozesses einen Teilbereich auszugliedern und dann wieder nicht an den Endverbraucher zu liefern oder zu leisten, sondern innerhalb eines Unternehmensbereiches weiterzuproduzieren, dann sollte man diese Teilgewerbe in dieser ersten Phase nicht zulassen. Ich nenne zum Beispiel das Versetzen von Fenstern und Türen, das primär natürlich bei Neubaustellen innerhalb eines Produktionsprozesses passiert. Da sollte man die Möglichkeit des Teilgewerbes nicht anwenden.

Ich sage es noch einmal: Man sollte das Teilgewerbe nur dann ermöglichen, wenn tatsächlich an den Letztverbraucher geliefert oder geleistet wird.

Wir wollen keine Gesellschaft – manche träumen allerdings davon –, in der es ein Drittel Selbständige, aber davon wieder die Hälfte unfreiwillig Selbständige, ein Drittel Arbeitnehmer und ein Drittel Projektarbeiter gibt – ich habe das bei einem Vortrag einmal gehört –, wobei die Projektarbeiter in Wirklichkeit die Taglöhner des dritten Jahrtausends sind. In eine solche Gesellschaft wollen wir nicht stolpern.

Ich kann zum Schluß nur den Nobelpreisträger Lester Thurow zitieren, der den amerikanischen Arbeitsmarkt beschrieben hat. In seiner Beschreibung sagt er, daß es bereits 8 Millionen Menschen in der US-Wirtschaft gibt, die inzwischen als selbständige Unternehmer oder Berater arbeiten, daß aber die meisten dieser 8 Millionen froh wären, einen richtigen Arbeitsplatz mit normalem Lohn und normalen Zusatzleistungen, wie Pensionsanspruch, Krankenversicherung et cetera, zu finden.

Also: Selbständigkeit ja, aber nur dann, wenn es sich wirklich um Selbständigkeit handelt, aber nein zum Hinausdrängen von unselbständig Erwerbstätigen in eine Quasi-Selbständigkeit, um


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über die Hintertüre Sozialabbau zu betreiben. Dazu soll die Gewerbeordnung nicht dienen. Und sollte sich tatsächlich herausstellen, daß das Teilgewerbe eine Möglichkeit zum Sozialabbau ist, dann müßten wir auch in diesem Bereich Korrekturen anbringen.

Letzter Punkt: Diese Gewerbeordnung wird ganz sicher Hemmnisse beseitigen. Sie wird einen Beitrag dazu leisten, daß die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft erhöht wird und somit zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden können. Aber letztlich sollte uns immer bewußt sein, daß das Beschäftigungsniveau, die Frage, ob Arbeitsplätze gesichert werden oder nicht, davon abhängt, ob sich die Konsumenten die Produkte und die Dienstleistungen, die angeboten werden, auch leisten können. Und das mündet dann in ganz andere Fragen als in jene der Gewerbeordnung. Ich sage das nur deswegen, weil wir die Kirche im Dorf lassen sollten: Die Gewerbeordnung ist gut und richtig, aber sie wird kein Wundermittel zur Schaffung zusätzlicher Beschäftigung sein. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte.

12.00

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wenn Herr Abgeordneter Kaufmann klarlegt, daß nur die Arbeitsplätze wichtig sind, sie ein wichtiger Bestandteil der Diskussion sein müssen, dann muß aber auch angemerkt werden, daß es in solchen Verfahren auch Rechte von Anrainern gibt, die gewahrt werden müssen. Das ist nicht nur etwas, was mit querulatorischen Leuten zu tun hat, sondern das sind auch bestehende Rechte. So wie ein Anlagenbetreiber oder jemand, der etwas unternehmen will, ein Recht auf flotte Verfahrensabwicklung hat, haben auch jene, die von einer solchen Betriebsanlage betroffen sein werden, wohl das Recht darauf, daß ihre Rechte gewahrt bleiben und daß sie im Verwaltungsverfahren sicher sein können, daß es zu einem Interessenausgleich kommt.

Es wundert mich, daß man auf der einen Seite – ich denke etwa an die Gastgärten – so restriktiv ist und auf der anderen Seite, wo es um durchaus gefährliche Anlagen gehen kann, jetzt das Tor weit aufmacht. Ich halte das für eine politische Abwägung, die Ihnen nicht gelungen ist. Vielleicht ist sie Ihnen deshalb nicht gelungen, weil die Opposition auf weiten Strecken im Ausschuß nicht anwesend war – aber das sei dahingestellt. Es ist ja heute nicht zu spät, das eventuell noch zu ändern.

Damit es – zumindest was die Gastgärten angeht – nicht bei diesen restriktiven Regelungen bleibt, darf ich Ihnen einen Abänderungsantrag des Abgeordneten Helmut Peter vorlesen, der lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und weiter Abgeordneter zur Änderung der Regierungsvorlage (575 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (761 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Bankwesengesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 und das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 geändert werden (Gewerberechtsnovelle 1997)

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Im 2. Abschnitt der Regierungsvorlage lautet die Ziffer 12a:

,12a. § 148 Abs. 1 erster Satz lautet:

§ 148 (1): Gastgärten dürfen jedenfalls von 8 bis 22 Uhr, vom 15. Juni bis einschließlich 15. September bis 23 Uhr, betrieben werden, wenn sie ausschließlich der Verabreichung von Speisen und dem Ausschank von Getränken dienen, lautes Sprechen, Singen und Musizieren in


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ihnen vom Gastgewerbetreibenden untersagt ist und auf dieses Verbot hinweisende Anschläge dauerhaft und von allen Zugängen zum Gastgarten deutlich erkennbar angebracht sind.‘"

*****

(Beifall beim Liberalen Forum.)

Das ist der Abänderungsantrag, von dem wir meinen, daß er durchaus gerechtfertigt wäre, aufgenommen und beschlossen zu werden.

Meine Damen und Herren! Ich darf noch folgendes hinzufügen: Mir scheint, daß, was die Danksagungen angeht, die insbesondere von der Frau Abgeordneten Tichy-Schreder und auch von Herrn Abgeordneten Heindl gemacht wurden, zwischen den Zeilen noch etwas anderes mitschwingt. Sie scheinen jedenfalls jene ein bißchen in Geiselhaft nehmen zu wollen, die auch nur im entferntesten an diesem Entwurf mitgearbeitet haben, damit nicht nach der Beschlußfassung irgend jemand aufsteht und sagt: Augenblick! So haben wir das eigentlich nicht gewollt.

Heute wird klargelegt, daß alle Sozialpartner eingebunden waren, und Sie wollen daher auch keine Diskussionen darüber haben. – Aber das wird so nicht laufen! Sie werden sehen: Diese Novelle der Gewerbeordnung geht an wesentlichen Punkten – und die hat Helmut Peter in den Grundzügen bereits angeschnitten – vorbei; es wird daher auch in weiterer Folge noch Diskussionen geben.

Ich darf mich in diesem Zusammenhang aber noch einmal an Herrn Abgeordneten Heindl wenden, weil es mich freut, daß auch er den Experten der Liberalen als sehr hilfreich bezeichnet hat; das wird Herr Dr. Gerscha gerne hören. Auch wir haben gedacht, daß er in dieser Sache sehr hilfreich sein könnte, und deswegen haben wir ihn auch vorgeschlagen. Ich möchte aber gerne wissen, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, welche Bestimmungen des Entwurfs der Liberalen – und bei der Ausarbeitung dieses Entwurfs war Herr Dr. Gerscha, den Herr Abgeordneter Heindl heute als sehr hilfreich bezeichnet hat, unmittelbar dabei – übernommen worden sind. – Mir ist keine aufgefallen, die übernommen worden wäre, Herr Abgeordneter Heindl. Daher habe ich den Eindruck, daß Ihr Ziel nach wie vor nicht die beste Lösung ist, die hier im Parlament politisch erarbeitet werden soll, sondern es sind jene strukturkonservativen Kompromisse, mit denen Sie schon von vornherein ins Parlament kommen. Das ist etwas, was in der Regel auch nicht mehr abgeändert werden kann.

Wir wissen aus den Ausschußdiskussionen, daß oft genug gesagt wird: Wir können das nicht ändern, das ist akkordiert, und daher müssen wir das jetzt so machen! Und dann gibt es im Ausschuß allenfalls – wenn man in der Lage war, sich noch zu besprechen – Abänderungsanträge, wie sie Frau Abgeordnete Tichy-Schreder bereits eingebracht beziehungsweise Abgeordneter Kaufmann angekündigt hat, daß die nächsten Novellen schon wieder ausgearbeitet werden. Das ist nicht die Vorstellung der Liberalen, wie eine sinnvolle, berechenbare Gesetzgebung funktionieren sollte. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Bei jenen Bestimmungen, die eine Verbesserung im Anlagenrecht bedeuten können – und darauf will ich mich konzentrieren –, ist die Frage, ob es der politische Druck der tatsächlichen Verhältnisse war, der die Veränderung herbeigeführt hat, oder ob es nicht so ist, daß vielleicht gar ein offenerer politischer Zugang in diesem Hause vermehrt Platz greift. Ich möchte insbesondere den § 79a herausgreifen, wonach nachträgliche Auflagen nicht mehr nur von Amts wegen oder vom Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie, sondern auch von betroffenen Nachbarn gemacht werden können. Wir gehen davon aus, daß das heute beschlossen werden wird.

Es ist das durchaus ein Unterfangen, das auch von meiner Seite her begrüßt wird. Es ist nicht einzusehen, daß man, wenn sich beim Betrieb der Anlage herausstellt, daß die Auflagen des Genehmigungsbescheides nicht genügen, warten muß, bis die Behörde ein Verfahren einleitet oder der Herr Bundesminister für Umwelt, Jugend oder Familie das tut, während die Nachbarn, die eigentlich Betroffenen, diejenigen, die den Schaden erleiden, nichts unternehmen können.


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Daher ist es sinnvoll, daß diese Änderung in die Gewerbeordnung aufgenommen wird. Die Motivation war aber wohl eher jene, daß man nach der "Sandstrahl-Entscheidung" des OGH gefürchtet hat, daß es zu gerichtlichen Sanierungsaufträgen kommen wird und daß dann in der Folge wahrscheinlich auch irgendwo noch Amtshaftungsklagen schlagend werden. Weil man diese Motivation hatte, ist auch zu sehen: Es ist nicht der offenere Zugang, sondern es war nur der tatsächliche Druck, der sich aufgrund der Rechtsprechung ergeben hat, der Sie veranlaßt hat, hier eine Änderung nur im notwendigsten Maße vorzunehmen. Man muß im § 79a auch noch die weiteren Absätze lesen, um zu sehen, wie eingeschränkt die Stellung der Nachbarn ist. – Also: Nicht offenerer Zugang, sondern nur der Druck der Verhältnisse durch die bereits bestehende Judikatur des Obersten Gerichtshofes war für diese Änderung ausschlaggebend.

Der zweite Punkt, meine Damen und Herren, den ich herausgreifen möchte und den ich als Umweltsprecher der Liberalen als positiv beurteile, ist der, daß man nach § 82b Abs. 5 in Zukunft bei den dauernden Überprüfungen auch jene Umwelt-Betriebsprüfungen nach der EMAS-Verordnung berücksichtigen kann, die entsprechend ausgeführt werden. Das ist sinnvoll, entspricht aber wohl nur einer inneren Logik, denn auch bisher war es so, daß diese wiederkehrenden Prüfungen von Ziviltechnikern vorgenommen werden konnten, ja sogar von geeigneten und fachkundigen Betriebsangehörigen. Es ist daher nur systematisch logisch, daß, wenn jetzt eine Umwelt-Betriebsprüfung ansteht, diese auch in dieses System miteinbezogen wird, denn damit wird natürlich ein Anreiz geschaffen, daß von Betrieben vermehrt und freiwillig ein Umweltmanagement durchgeführt wird. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Aber auch da ist es bloß eine zwingende gesetzliche Logik gewesen, das auf diesen Bereich auszuweiten; und das war, wie Sie wissen, die Übernahme einer Richtlinie der Europäischen Union, die dazu geführt hat, daß wir dieses Umweltmanagement in Österreich haben. Auch da ist nicht der Ausdruck eines neuen Umweltverständnisses zu sehen, das diese inhaltliche Änderung bedingt hätte, sondern innere Zwänge waren der Grund dafür, daß die Koalition das gemacht hat. Aber nichtsdestoweniger gibt es unserer Auffassung nach positive Auswirkungen.

Wenn man in den Bestimmungen weiterschaut – und jetzt komme ich zum vereinfachten Verfahren nach § 359b –, kommt man nicht umhin zu diagnostizieren, daß der Umweltschutz unter die Räder kommt und daß Nachbarn in der Wahrnehmung ihrer Rechte – indem sie sich verteidigen oder wehren, wenn sie beeinträchtigt werden – primär nur als querulatorische Individuen angesehen werden; als solche, die die Wirtschaft behindern, die am besten "weggehören".

Sie entkleiden in zunehmendem Maße das Verwaltungsverfahren seiner interessenausgleichenden Wirkung. Und weil das so ist, wird diese Novelle der Gewerbeordnung nicht dazu führen, daß die Konflikte weniger oder die Verfahren kürzer werden, sondern Sie werden sie einfach auf andere Ebenen verschieben. Das halten wir nicht für sinnvoll.

Denn wenn Sie schon ein vereinfachtes Verfahren festschreiben und den Anrainern, den Nachbarn, bei Betriebsanlagen, die mit einer Betriebsfläche von bis zu 1 000 Quadratmetern verbunden sind, nur noch ein Anhörungsrecht geben – und Sie haben damit die bestehende Bestimmung in ihrer Anwendung von 300 Quadratmetern auf 1 000 Quadratmeter ausgeweitet –, wenn Sie also so vorgehen, dann heißt das, daß all jene Personen, die ab jetzt neuerlich unter diese Bestimmung fallen – und es ist eine eklatante Ausweitung –, ihrer Parteienrechte entkleidet werden und sie nur noch Anhörungsrechte haben. Diese müssen sich darauf verlassen, daß quasi in einem Ein-Parteien-Verfahren – derjenige, der etwas von der Behörde haben möchte, ist Partei – der Nachbar sagen darf: Bitte, da sind aber meine Rechte irgendwie nicht berücksichtigt!; und dann: Schmeck’s!, ob die Behörde den Einspruch in ihrem Bescheid berücksichtigt oder nicht. Dagegen kann er nichts tun.

Das ist kein Interessenausgleich, der in einem Verwaltungsverfahren enthalten sein sollte, sondern das ist ein Überfahren der Nachbarn in vielen Bereichen. Es kann doch nicht so sein, daß die Fläche – das Ausmaß der Fläche – das entscheidende Kriterium dafür ist, ob ein Nachbar Partei ist und damit seine Bedenken einbringen kann oder nicht, sondern was wohl ausschlaggebend sein muß, ist, ob ein Betrieb gefährlich ist. Das ist doch ein sachliches Kriterium!


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Das ganze vereinfachte Verfahren steht und fällt damit, welche Kriterien Sie festschreiben. Sie haben das Kriterium der Fläche in der Ziffer 2 festgeschrieben, und das ist ein Kriterium, das nicht geeignet ist. Das ist sachlich nicht gerechtfertigt – und auch nicht zielführend. Wir lehnen das daher ab. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Eine Sorge – und das ist etwas, was immer wieder, gerade auch, wenn man mit Behördenvertretern spricht, zum Ausdruck kommt – ist, daß das Verwaltungsverfahren nicht mehr Platz des Interessenausgleichs ist. Das ist nicht nur etwas, was die Opposition behauptet, sondern das können Sie auch in einschlägigen Zeitschriften nachlesen.

Ich zitiere etwa nur aus "Recht der Umwelt", Ausgabe 1/97, was Herr Universitätsprofessor Dr. Ferdinand Kerschner und Herr Universitätsprofessor Dr. Bernhard Raschauer – Ihnen im Hause wegen des Entwurfs des einheitlichen Umweltanlagenrechtes kein Unbekannter – über diese Novelle, die Sie vorbereitet haben, die in ihren wesentlichen Grundzügen unverändert geblieben ist, schreiben. Sie meinen, daß die Konsequenzen dieser Novelle folgende sein werden – ich zitiere –:

"Die Nachbarn werden geradezu auf die Straße gedrängt; es werden wieder neue Altlasten entstehen; lang dauernde MRK-Verfahren bedeuten auch für die Unternehmen Rechtsunsicherheit. Wenn sich Wirtschaft und Umweltschutz nicht schaden, sondern positiv unterstützen sollen, kann von keiner Seite her der hier kritisierte Weg der richtige sein. Es ist an der Zeit, wieder deutlich und massiv die gegenseitige Beistandspflicht zwischen Wirtschaft und Umwelt einzufordern." – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Wenn schon jene Leute, die die Regierung selbst in wichtigen Fragen zur Beratung heranzieht, Sie so warnen, dann schlagen Sie diese Warnungen nicht in den Wind! Wenn Sie diese Novelle zur Gewerbeordnung beschließen, dann ist das ein politisch mutwillig hingeworfener Fehdehandschuh an viele Organisationen, an viele NGOs. Sie übergehen damit Nachbarn, und Sie werden das nicht erreichen, was Ihr primäres Ziel ist .... (Abg. Dr. Fekter: Aber diese Novelle sichert Arbeitsplätze!)  – Frau Abgeordnete, ich weiß schon: In Sachen Rasterfahndung und Lauschangriff sind Ihnen die einzelnen auch egal, und im Betriebsanlagenverfahren machen Sie jetzt das gleiche. Das hat aber nichts mit Arbeitsplätzen zu tun! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Die Aufgabe einer guten politischen Führung in einem Land ist es, den Menschen zu ermöglichen, Arbeitsplätze eigeninitiativ zu schaffen. Diese Arbeitsplätze zu schaffen betrifft nicht nur die Unternehmen, sondern jeden einzelnen. Jeder ist zudem noch vor unmäßigen Zugriffen in seine Privatsphäre zu schützen. Da sind jedoch Sie diejenigen, die das überhaupt nicht verhindern. Das sei hier auch noch einmal festgehalten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Frau Abgeordnete! Sie werfen diesen politischen Fehdehandschuh mit der Beschlußfassung dieser Novelle; Sie wissen das auch. (Abg. Dr. Fekter: Der Barmüller sagt genau das Gegenteil! Sie haben eine Rede für die Verhinderer gehalten, nicht für die Gestalter! ) – Das ist nicht wahr! Hätten Sie mir zugehört, dann würden Sie das nicht sagen. (Abg. Dr. Fekter: Hab’ ich!) Ich darf Ihnen noch etwas sagen, Frau Abgeordnete, weil immer behauptet wird ... (Abg. Dr. Fekter: Das war das Gegenteil von dem, was der Peter referiert hat!)  – Das war nicht das Gegenteil von dem, was der Abgeordnete Peter referiert hat, sondern der Abgeordnete Peter hat mir, was das Betriebsanlagenverfahren angeht, ausdrücklich diesen Part überlassen. Ich habe Ihnen anhand einzelner Beispiele aufgezeigt, was Ihre wahre Motivation ist: daß es nicht Einsicht ist, sondern Zwang durch die Judikatur, die es jetzt bereits gibt, daß Sie sich einfach vor Amtshaftungsverfahren fürchten, und daß Sie sich in Wirklichkeit aus dieser politischen Verantwortung herausstehlen. Sie stehlen sich aus ihr heraus! Sie ruinieren die Verwaltungsverfahren als einen Platz des Interessenausgleichs. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Die Folge wird sein, daß Sie diese Konflikte in einen anderen Bereich abdrängen. Dazu darf ich noch etwas anmerken: Es ist zwar so, daß, wenn man gerichtlich dagegen vorgeht, diejenigen, die betroffen sind, gewisse Möglichkeiten haben; aber Sie wissen, daß nach dem Umweltinformationsgesetz, und zwar nach § 7, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse davon ausgenommen


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sind. Das heißt, die privaten Nachbarn haben das Problem, daß sie, wenn sie sich in Wahrnehmung ihrer Rechte wehren, in einer viel schlechteren Position sind. Das ist ein Punkt, den Sie sich offenbar nicht genügend überlegt haben. Vielleicht wird bei der nächsten Gewerbeordnungsnovelle, die Herr Abgeordneter Kaufmann schon angekündigt hat, Gelegenheit sein, daraus ein Resümee zu ziehen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum. – Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist überhaupt nicht wahr!)

12.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster ist Herr Abgeordneter Schwarzböck zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

Bevor ich Ihnen das Wort erteile, möchte ich noch nachtragen, daß Herr Abgeordneter Mag. Barmüller einen Abänderungsantrag vorgetragen hat. Dieser ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Herr Abgeordneter Schwarzböck, bitte.

12.15

Abgeordneter Rudolf Schwarzböck (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gewerbeordnung legt wesentliche Rahmenbedingungen und Wettbewerbsverhältnisse für unser Wirtschaftsleben und für den Wirtschaftsstandort Österreich fest. Als Mitglieder des Unterausschusses und des Wirtschaftsausschusses haben wir in den vergangenen Wochen und Monaten miterlebt, wie unterschiedlich die Interessen zu dieser Gewerbeordnung sein können und wie unterschiedlich Standpunkte und Interessen im Grunde genommen auch durch Klubs und Fraktionen gehen können.

Das, was mein Vorredner, Herr Abgeordneter Barmüller, im Hinblick auf das Anlagenrecht formuliert hat, sehe ich – das können Sie noch so bestreiten – im grundsätzlichen Widerspruch zu jenen Ansichten, die Ihr Fraktionskollege Peter hier zum Versicherungsprinzip einer sehr, sehr liberalen Gewerbeordnung festgestellt hat. Wenn Sie meinen, daß die Interessen der NGOs, die Sie hier angesprochen haben, mit dem Versicherungsprinzip, das Kollege Peter angesprochen hat, vereinbar sind, dann muß ich ganz offen sagen: Ich konnte selten größere Gegensätze in Beratungen beziehungsweise Vorsprachen feststellen. (Abg. Dr. Fekter: Undenkbar! – Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller.  – Abg. Dr. Fekter: Noch mehr Bürokratie!)

Herr Kollege Barmüller! Wir sollten uns daher auf ein Prinzip beschränken: Diese Novellierung, wie sie uns heute aufgrund der Ausschußarbeit vorliegt, ist ein sehr vernünftiger Schritt, die Rahmenbedingungen auf das Wirtschaften der Gegenwart und der unmittelbaren Zukunft abzustellen. Wir sind nie davon ausgegangen, daß das jetzt ein Jahrhundertwerk sein wird, das Jahrzehnte unverändert gelten wird. Wirtschaften und gesellschaftliche Entwicklungen sind etwas Dynamisches, etwas sich ständig Bewegendes, und daher haben wir das Mögliche, das Machbare und das Notwendige zum politischen Beschluß gebracht.

Wenn Sie meinen, die Ausschußvorsitzende, Kollegin Tichy-Schreder, würde jetzt den Versuch machen, mit Lob und Dank Vereinnahmungen in alle Richtungen auszusprechen, sage ich Ihnen dazu: Es sei Ihnen unbenommen, sich nicht vereinnahmen zu lassen, nur, meine Damen und Herren: Allein wie schwer Sie von der Opposition sich aufgrund Ihrer Abwesenheit in den Ausschüssen und aufgrund des guten Ergebnisses, das hier vorliegt, tun, sieht man an Ihren Ausführungen. Sie können und wollen sich nicht zur Gänze distanzieren. Es ist für eine Opposition auch verständlich, daß sie natürlich nicht herausgeht und hier große Lobreden hält. Aber es ist das im Grunde genommen die höchste Anerkennung, die sie unserer Arbeit entgegenbringen kann.

Ich sage Ihnen ganz offen: Für jene Damen und Herren des Unterausschusses und des Ausschusses, die die ganze Zeit mitgearbeitet haben, war es eine sehr positive Erfahrung, in diesem Haus mitzuerleben, wie in verschiedenen Bereichen im Interesse des Ganzen da oder dort Standpunkte aufgegeben wurden und das Gesamte in den Mittelpunkt des Handelns gerückt ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Ich sehe als Interessenvertreter und Abgeordneter, als Bürger dieses Landes, der Interessen in diesem Bereich hat – no na!, möchte ich sagen –, diese Entwicklung sehr positiv. Diese neue Gewerbeordnung ist ein sehr starker Impulsgeber für den Wirtschaftsstandort Österreich, für die Weiterentwicklung unserer Wirtschaft, für die Arbeitsplatzsicherung. Ich freue mich sehr, daß diese neue Gewerbeordnung auch besonders starke Impulse im ländlichen Raum, in strukturschwachen Regionen unseres Landes, wo wir diese sehr dringend brauchen, ermöglichen. Wir schaffen neue Kooperationsmöglichkeiten zwischen Gewerbetreibenden und Bauern in der Lohnverarbeitung und eine viel engere Zusammenarbeit, wie wir sie ja täglich draußen erleben, wo entsprechende Erwartungen bestehen.

Wir spüren, daß sich gerade in der Lebensmittelwirtschaft angesichts einer sehr starken Entwicklung der Markenartikelindustrie, der Konzentration im Lebensmittelhandel – wir haben den höchsten Konzentrationsgrad in Europa –, eine ständig steigende Nachfrage für Bäuerlichkeit, Ursprünglichkeit, Regionalität und Frische in bezug auf Produkte ergibt. Wir können nun mit diesen Rahmenbedingungen dieser sich im Grunde genommen im Gegenzug zur Konzentration und zur Markenartikelindustrie entwickelnden Nachfrage stärker Rechnung tragen – nicht in Konfrontation, sondern in Partnerschaft mit Handel und Gewerbe und allen Bereichen der Lebensmittelwirtschaft.

Wir können im Grunde genommen – vor allem auch im Zusammenhang mit der starken Entwicklung des biologischen Landbaus – vielen Bauern die Möglichkeit geben, ihre Rohproduktion viel stärker in die Be- und Verarbeitung miteinzubeziehen, da die Unterverordnung gefallen ist. Es sind betreffend Zukauf neue Entwicklungsmöglichkeiten gegeben, und ich sehe in den allgemeinen Entwicklungen des Teilgewerbes auch viele Chancen im ländlichen Raum, wo viele mit der dualen Ausbildung die Möglichkeiten des Teilgewerbes nutzen können.

Meine Damen und Herren! Es liegt meiner Ansicht nach in der Natur der Sache und in der des politischen Lebens, daß es bei derartigen Gesetzen und Novellierungen Konfrontationen in Fragen des Steuer- und Anlagenrechtes oder in anderen Punkten gibt. Ich halte es aber für ein sehr schönes Zeichen einer funktionierenden Politik, daß wir heute ein Ergebnis präsentieren können, das im Grunde genommen davon geprägt ist, daß man die verschiedenen Standpunkte überwunden und sich in der Mitte getroffen hat.

In dieser Woche kann die Regierungskoalition Gesetzesinitiativen vorlegen und verabschieden, die nicht nur in den nächsten Wochen und Monaten weitreichende Auswirkungen haben, sondern die Weiterentwicklung unseres gesamten Wirtschafts- und Gesellschaftslebens positiv beeinflussen werden.

Meine Damen und Herren! Ich freue mich, daß wir mit dieser Gewerbeordnung Rahmenbedingungen schaffen, die viele junge, unternehmerisch Interessierte für ihre bestehende oder für den leichteren Aufbau zukünftiger Selbständigkeit nützen werden. Wir benötigen das auch angesichts der internationalen Entwicklungen und des Drucks auf den österreichischen Arbeitsmarkt. In vielen Bereichen können wir nur gegensteuern, wenn es uns gelingt, die Zahl der Selbständigen in diesem Land zu erhöhen.

Kollege Kaufmann! Ich persönlich glaube, daß wir durchaus offensiv an diese Fragen herangehen können. Es liegt in der Natur der Sache, daß Sie als Arbeitnehmervertreter Ängste äußern, Entwicklungen der amerikanischen Wirtschaftsordnung könnten sich unter Umständen auch auf Österreich auswirken.

Aber ich sage Ihnen ganz offen: Angesichts unserer jetzigen Arbeitsplatz- und Arbeitsmarktsituation gehe ich davon aus, daß auch die von Ihnen angesprochenen mobilen Arbeitsplätze sowie die Arbeitsplätze im unteren Dienstleistungsbereich, deren Zahl gerade in der amerikanischen Wirtschaft stark angestiegen ist, in einer florierenden, wachsenden Wirtschaft Betroffenen im Grunde genommen mehr Möglichkeiten bieten, als es Schutzelemente in diesem Bereich des Arbeitsmarktes tun können. (Abg. Dr. Fekter: Freisetzen!) Letztere tragen unter Umständen dazu bei, daß wir die Möglichkeit solcher Arbeitsplätze nicht nutzen können und das mit Arbeitslosenunterstützungen kompensieren müssen.


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Wenn wir diese Diskussion konstruktiv weiterführen, können wir auch dort die verschiedenen Standpunkte überwinden und damit erreichen, daß eine wachsende Wirtschaft auch in diesem Bereich neue Arbeitsplätze bietet. Das ist auf jeden Fall besser als eine zu hohe Arbeitslosigkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Sinne möchte ich noch meine Genugtuung zum Ausdruck bringen, daß es in tage-, wochen- und stundenlangen Beratungen in diesem Haus möglich war, entgegengesetzte Standpunkte zu überwinden und hiermit ein Gesetz zu präsentieren, das nicht nur von seinem Charakter her als positive Weiterentwicklung anzusehen ist, sondern auch in seiner Vollziehung viele Entschlackungen, Abschlankungen und Weiterentwicklungsmöglichkeiten für eine positive Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Österreich mit sich bringen wird. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Blünegger: Net nur schöne Sprüche machen, sondern ernst nehmen!)

12.23

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

12.23

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich beginne meine Ausführungen mit dem Abänderungsantrag meiner Kollegin Monika Langthaler:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler, Freunde und FreundInnen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Bankwesengesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 und das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 geändert werden (575 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (761 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Bankwesengesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 und das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 geändert werden (575 der Beilagen), in der Fassung des Ausschußberichtes (761 der Beilagen) wird wie folgt abgeändert:

1. § 30 Abs. 3 wird geändert und lautet wie folgt:

"§ 30. (3) Gewerbetreibende, die Tätigkeiten eines Handwerkes oder gebundenen Gewerbes ausüben, sind berechtigt, in entsprechendem Umfang Leistungen anderer Gewerbe zu erbringen, die eigene Leistungen wirtschaftlich sinnvoll ergänzen. Bei der Ausübung dieser Rechte haben sich die Gewerbetreibenden, soweit dies aus Gründen der Sicherheit notwendig ist, entsprechend ausgebildeter und erfahrener Fachkräfte zu bedienen."

2. Bei § 124 wird folgende Ziffer 21 hinzugefügt:

"§ 124. 21. Solartechnik"

3. § 172a wird eingefügt und lautet wie folgt:

"§ 172a. Der Befähigungsnachweis für das Gewerbe der Solartechnik (SolateurIn) ist zu erbringen durch ein Zeugnis über den erfolgreichen Abschluß der Ersten Wiener Solarschule."

*****

Meine Damen und Herren! Allein dieser Antrag macht deutlich, wie rückschrittlich und wie hinderlich auch diese Novelle zur Gewerbeordnung ist, wenn etwas, was in der Praxis ein echtes Bedürfnis ist und von dem niemand bestreiten wird, daß es spezielle Fachkenntnisse erfordert – auch die, die dieses Gewerbe ausüben wollen, haben ein Recht darauf, potentiellen Nach


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fragerinnen und Nachfragern ihre fachliche Ausbildung mit Brief und Siegel zu beweisen –, also eine derartige Banalität in einem 1997 neu beschlossenen Gesetz nicht enthalten ist.

Daß so etwas gerade im Zusammenhang mit Solartechnik passiert, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Regierungspolitik und auf die Akzente, die Sie setzen. Die Wurst- oder Fischmayonnaise sind Anlaß für wochenlange Auseinandersetzungen. Ein echtes Bedürfnis der Konsumentinnen und Konsumenten, nämlich Solaranlagen und alternative Energien, wird in einem Gesetz, das 1997 beschlossen wird, nicht berücksichtigt! Traurig!

Ich möchte mich auch noch mit den Ausführungen des Abgeordneten Schwarzböck insbesondere zur Landwirtschaft, aber auch mit seinen Worten zu den "Verhinderern" – unter Anführungszeichen – auseinandersetzen.

Zur Landwirtschaft: Sie stellen es so dar, als hätten Sie den großen Konsens gefunden (Abg. Schwarzböck: Das habe ich nicht gesagt!) , nach wochenlangen Auseinandersetzungen und Verhandlungen habe man nun einen für alle akzeptablen Kompromiß erreicht. Meiner Ansicht nach sind aber auch in diesem Punkt wieder wesentliche Interessen der Anbieter, der Nachfragerinnen und Nachfrager sowie der Umwelt auf der Strecke geblieben.

Heute gibt es zwischen diesen drei Bereichen – wirtschaftliches Angebot, Nachfrage und Umweltschutz – eine unauflösbare Verbindung, die oftmals immer noch nicht gebührend gewürdigt wird. Die Arge Biolandbau nimmt zu dieser Gewerbeordnungsnovelle Stellung. Sie kritisiert dabei insbesondere die Abgrenzung zwischen Gewerbe und Landwirtschaft unter dem Aspekt des Kapitaleinsatzes beziehungsweise des Einsatzes "fremder Arbeitskräfte" – unter Anführungszeichen.

Es kann doch keinen Unterschied machen, ob – ich nenne als Beispiel zwei Betriebe mit nahezu identischer Größe, Ausstattung et cetera – ein Landwirtehepaar Kinder hat, die im Betrieb mitarbeiten, oder nicht. Das ist doch kein sachliches Kriterium, um wesentliche Differenzierungen im Steuerrecht und so weiter zu begründen.

Ähnlich das Kriterium Kapitaleinsatz: Wenn man den Kapitaleinsatz in der Landwirtschaft in Kenntnis der aus meiner Sicht angesichts der finanziellen Situation der meisten kleineren und mittleren Landwirtschaftsbetriebe notwendigen geringen Einheitsbewertung von Grundstücken betrachtet, so läßt sich feststellen, daß es bald einmal der Fall sein könnte, daß etwa eine Anlage zur Weiterverarbeitung, eine Käsereianlage oder sonstiges, wertmäßig, also was die Anschaffungs- und Herstellungskosten betrifft, dem Hauptwert der Landwirtschaft, nämlich dem Grund und Boden – buchmäßig, nicht was die Bedeutung betrifft –, überlegen ist. (Abg. Schwarzböck: Es geht doch nicht um Grund und Boden, es geht um den gesamten Kapitalwert!)

Es könnte aber sein, daß diese für die Weiterverarbeitung eingesetzten Maschinen, Geräte und Vorrichtungen, und zwar nicht einmal bei einem Riesenbetrieb, sondern sogar bei einem ganz kleinen Betrieb bescheidensten Ausmaßes, insgesamt bereits den Löwenanteil stellen. Diese modernen Anlagen sind nicht gerade billig. Wenn das aber ein Kriterium ist, dann kann ein kleiner Betrieb, der – wie wir alle wissen – nur eine Chance hat, wenn er sehr viel direkt vermarktet, vielleicht in dieselbe steuerliche Beurteilung wie ein riesiger Schweinehaltungsbetrieb fallen, der in der Grundproduktion bleibt, weil er eben nur Schweine und keine Weiterverarbeitungsprodukte liefert. Diese Art der Differenzierung zwischen einem kleinen Betrieb mit eigener Käserei und einem riesigen Massentierhaltungsbetrieb kann ich nicht wirklich verstehen.

Meiner Ansicht nach wurden da unsachliche Kriterien zur Differenzierung herangezogen. Ich sehe, daß einiges, was ursprünglich enthalten war und noch nachteiliger für die Landwirtschaft gewesen wäre, herausgestrichen wurde. Aber wir hätten weiterverhandeln müssen und vor allem auch die Interessen dieser klein- und mittelbäuerlichen Betriebe stärker berücksichtigen sollen.

Durch diese Regelung wird auch einer früheren Willensäußerung des Hohen Hauses, und zwar einer einstimmigen, wieder nicht Rechnung getragen. Wir sind es aber mittlerweile gewohnt,


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daß Entschließungen des Hohen Hauses bei Regierungsmitgliedern, leider auch beim Wirtschaftsminister, keinen hohen Stellenwert haben.

Herr Bundesminister! Ich erinnere Sie aber trotzdem daran, daß bei der Gewerbeordnungsnovelle 1992 folgende einstimmige Entschließung verabschiedet wurde: Die Bundesregierung wird ersucht, mit den Bundesländern mit dem Ziel, in Gespräche einzutreten, einheitliche gesetzliche Regelungen für den Tierschutz – einheitliche gesetzliche Regelungen für den Tierschutz! – und eine artgerechte Tierhaltung bei einer gleichzeitigen Ablehnung der Massentierhaltung festzulegen. – Die ÖVP ist damals mitgegangen. – Dabei sind die höheren Kosten einer artgerechten Tierhaltung zu berücksichtigen.

Eine bescheidene Frage: Hat sich der Ministerrat mit dieser einstimmigen Entschließung des Hohen Hauses – Gewerbeordnungsnovelle 1992 – je ernsthaft befaßt? (Abg. Dr. Fekter: Da war er noch nicht Minister!) In der Öffentlichkeit war jedenfalls nichts davon zu hören. Vielleicht können Sie dazu einmal Stellung nehmen, denn das wäre gerade nach dem Tierschutzvolksbegehren ein Anliegen vieler Österreicherinnen und Österreicher und – im Lichte der Entschließung des Hohen Hauses – meiner Meinung nach ein Gebot des Anstandes und der Rechtsstaatlichkeit.

Meine Damen und Herren! Solange Anlagen mit Massentierhaltung immer noch privilegiert sind – wie gesagt: wenn sie in der Grundlagenproduktion bleiben, haben sie nicht jene Einschränkungen, die ein kleiner Käsereibetrieb hat –, so lange nehmen Sie auch schwerwiegende Gesundheitsschädigungen der Anrainerinnen und Anrainer bewußt in Kauf. Für diese gibt es nämlich kein Betriebsanlagengenehmigungsverfahren. Es gibt auch keinen Schutz der Gesundheit, obwohl mittlerweile durch seriöse, offizielle medizinische Gutachten festgehalten ist, daß rund um diese Massentierhaltungsanlagen das Krankheitsrisiko – besonders für Kinder, und für diese vor allem das Risiko, Erkrankungen der Atemwege und der Lunge zu erleiden – dramatisch ansteigt. Es geht dabei um aggressive Stäube und Ammoniakdämpfe. Es ist statistisch nachweisbar, daß Menschen dadurch krank werden.

Aber wozu brauchen wir eine Betriebsanlagengenehmigung? Es geht ja auch anders. In den Kinderbüchern druckt man dann den guten alten Bauernhof von anno dazumal mit zwei, drei Kühen, einem Pferd, ein paar Henderln und einem Haushofhund ab. Dieses Bild entspricht jedoch überhaupt nicht der Realität der leider zu Lasten der klein- und mittelbäuerlichen Betriebe und der KonsumentInnen fortschreitenden Massentierhaltung. (Beifall bei den Grünen.)

Aber Sie erleben ja genauso wie wir die Proteste von Anrainern aus Lichtenwörth, aus Gnas und aus vielen anderen österreichischen Orten, wo die Menschen einerseits die Quälereien von Tieren nicht mehr akzeptieren wollen und andererseits aber auch die Beeinträchtigung der eigenen Gesundheit nicht hinnehmen können.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Sie werden einen sehr hohen Erklärungsbedarf haben, warum Ihnen nicht nur der einheitliche Tierschutz in Österreich kein Anliegen ist, sondern auch, warum Sie mittlerweile so weit gehen, daß Sie die Gesundheit von Menschen aufs Spiel setzen. (Abg. Dr. Fekter: Uns ist Kinderschutz wichtiger als Tierschutz!)

Frau Abgeordnete Fekter! Sie hätten Gelegenheit genug, Kinder davor zu bewahren, krank zu werden. Da könnten Sie im Sinne der Prävention tätig werden! Aber offenbar paßt das manchen Lobbyinteressen der Herren des Raiffeisen-Verbandes nicht, und in einer derartigen Konstellation ist Ihre Abwägung immer sehr klar. (Abg. Dr. Fekter: Warum reden Sie zehnmal mehr über Kinderschutz als über Tierschutz?) Wenn auf der einen Seite die Interessen des Raiffeisen-Verbandes stehen und auf der anderen Seite die Hunderttausender Österreicherinnen und Österreichern, dann fällt Ihre Entscheidung immer zugunsten des Raiffeisen-Verbandes und gegen die Bevölkerung aus! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Kier. )

Noch ein Wort zu den "Verhinderern", die Herr Abgeordneter Schwarzböck angesprochen hat, die, wie etwa Herr Abgeordneter Barmüller oder Frau Abgeordnete Langthaler, behaupten, der Rechtsstaat fordere eine Chancengleichheit im Verfahren und verlange verbriefte Mitspracherechte für Anrainerinnen und Anrainer: Es ist kein rechtsstaatliches Verfahren, eine rechtlich


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irrelevante Anhörung als Feigenblatt ins Gesetz aufzunehmen. Das sind die Verhinderer! (Abg. Dr. Fekter: Nein, nur Verhinderungstaktik! Logisch ist das wirklich nicht!) Warum schreiben Sie dann keine kürzere Entscheidungsfrist für die Behörde fest? Warum müssen Sie die BürgerInneninteressen abbauen? Logisch ist das wirklich nicht!

Frau Abgeordnete Fekter! Ich sage Ihnen, ich stehe dazu, daß ich zu den Verhinderern gehöre. Ich gehöre zu den Verhinderern von Zwentendorf, und ich bin ganz, ganz stolz darauf! (Abg. Dr. Fekter: Das ist ja das Schlimme, und dann beklagen Sie die Arbeitslosigkeit!) Alle, die hier sitzen, sind auch solche Verhinderer von Zwentendorf. (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben damit vielen österreichischen Betrieben im Bereich der Alternativenergien gute Chancen eingeräumt – etwa den Jenbacher Werken, der ABB. Heute wird das durch das Versäumnis der Bundesregierung wieder aufs Spiel gesetzt. Es hängen Arbeitsplätze daran, die von den Verhinderern von Zwentendorf geschaffen wurden, nicht von Ihnen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Ich habe einen Betrieb zu Hause, ich schaffe Arbeitsplätze! Sie nicht, Sie sind Politikerin!)

Wir gehören auch zu den Verhinderern einer Zerstörung der Aulandschaft in Hainburg. Es macht uns gar nichts aus, wenn der ÖVP-Landeshauptmann von Niederösterreich und der Umweltminister bei der Eröffnung des Naturparks freudig anwesend sind, Bänder durchschneiden und ihren Stolz zum Ausdruck bringen, daß dieses Naturdenkmal gemeinsam erhalten werden konnte. – Ursprünglich waren die Äußerungen aus den Reihen der ÖVP ein bißchen anders. Aber ich bin stolz, daß wir zu den "Verhinderern" gehören! (Beifall bei den Grünen.)

Es geht nun so weiter: Wir gehören zu den Verhinderern von Tierleid. Ich garantiere Ihnen, wenn Sie nicht agieren, dann tun es Gott sei Dank andere, zum Beispiel der SPAR-Konzern und BILLA. Sie aber werden sich, auch als Wirtschaftspartei, mit Ihrer Forcierung von Tierleid so ins Abseits begeben, daß Sie weder bei den TierschützerInnen noch bei den Wirtschaftsbetrieben mehr Gehör finden werden. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Wir forcieren nicht Tierleid, wir lassen die Kirche im Dorf!)

Meine Damen und Herren! Machmal bedeutet es Unterstützung der Wirtschaft und Förderung von Arbeitsplätzen, eine Entwicklung, die nur in die Vergangenheit geht, zu verhindern. (Abg. Dr. Fekter: Darum haben wir diese Novelle beschlossen!)

Es ist heute im Bereich der biologischen Lebensmittelerzeugung und der Alternativenergien schon vieles erreicht worden. Es ist aber Ihr Verhinderertum, daß Sie die Rahmenbedingungen für eine Weiterentwicklung des bereits Geschaffenen, nämlich eine ökologische Steuerreform und ähnliche Schritte sowie eine Umwelthaftung, die die ökologisch verantwortungsbewußten Betriebe auch ökonomisch belohnt, schuldig bleiben.

Wenn das so weitergeht, dann wird das sehr, sehr viele Arbeitsplätze kosten und das Ansehen des Wirtschaftsstandortes Österreich weiter in den Keller befördern. (Abg. Dr. Fekter: Wie viele Arbeitsplätze haben die Grünen schon verhindert?) Aber dann tragen Sie allein für diese rückwärts orientierte Verhinderungspolitik die Verantwortung! (Beifall bei den Grünen.)

12.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Abänderungsantrag, den Frau Abgeordnete Dr. Petrovic vorgetragen hat, ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Parnigoni. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

12.39

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nach dem verbalen Marsch der Frau Petrovic quer durch die politische Bühne darf ich wiederum zur Gewerbeordnung zurückkehren – eine umfangreiche Materie, die unter


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anderem auch das Betriebsanlagenrecht umfaßt, mit dem ich mich ein wenig beschäftigen möchte.

Das Motto dieser Novelle des Betriebsanlagenrechtes heißt "Verfahrenskonzentration, Beschleunigung und Vereinfachung". Die Zielsetzung ist ganz einfach, Betriebsgründungen zu erleichtern und Betriebsansiedelungen schneller möglich zu machen, um damit auch die Konkurrenzfähigkeit unseres Standortes sicherzustellen.

Wir erhoffen uns – das ist in den Zwischenrufen bereits deutlich geworden – von diesen Maßnahmen natürlich Arbeitsplatzerhaltung und Arbeitsplatzbeschaffung. Das ist bei dieser Gewerbeordnung und natürlich auch bei der Änderung des Betriebsanlagenrechtes unser zentrales Ziel.

Meine Damen und Herren! Natürlich soll es auch einen zusätzlichen Effekt geben, nämlich den, daß wir trotz der Beschleunigungs- und Vereinfachungstendenzen dieses Anlagenrechtes auch die Belange des Umweltschutzes und der Anrainerrechte nicht außer acht lassen. Allerdings – und das ist heute schon zum Ausdruck gekommen –: Schnelligkeit und Eloquenz werden die Voraussetzungen dafür sein, daß Unternehmer in Zukunft bestehen können, aber mit Aufhalten und Schlangestehen bei Gewerbebehörden wird das sicherlich nicht möglich sein.

Erstens sind wir daher für eine Neugestaltung des vereinfachten Verfahrens eingetreten. Es wird möglich sein, eine wesentlich größere Anzahl von Betrieben diesem vereinfachten Verfahren unterliegen zu lassen. Wir haben – im Gegensatz zur Behauptung von Frau Petrovic – die Entscheidungsfrist der Behörde auf drei Monate verkürzt. Diese Maßnahme wird die Effizienz der Behörde steigern – das ist selbstverständlich –, und wir müssen auch festhalten, daß es derzeit Verfahren gibt, deren Dauer sich nicht in Monats-, sondern in Jahreszeiträumen rechnet.

Zweitens ist dazu zu sagen, daß der Neugestaltung der Regelungen zum Schutz der Umwelt und der Nachbarn vor allem durch eine Negativliste von jenen Betrieben, die keinesfalls diesem vereinfachten Verfahren unterliegen können, ganz deutlich Rechnung getragen wird. Diese Negativliste wird nicht vom Minister für wirtschaftliche Angelegenheiten alleine, sondern in Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen für Gesundheit und den Verantwortlichen für Umwelt und Familie erstellt, und daher wird auch sichergestellt sein, daß es zu einer vernünftigen Auslese kommt. Ich persönlich finde es auch wichtig zu sagen, daß es zur Einführung einer Kundmachungs- und Anhörungspflicht für die Anrainer kommt.

Die Grünen kritisieren, daß auf diesem Gebiet zu wenig geschehe. Dazu muß man aber schon folgendes sagen: Derzeit gibt es diesbezüglich überhaupt keine Regelung, wir führen das neu ein. Es wird die Möglichkeit geben, daß man sich in diesem Verfahren auch als Anrainer zu Wort meldet und einbringt.

Abgeordneter Barmüller meinte auch, die Rechte der Anrainer würden geschmälert. Wenn ich mir aber die politische Werbung, die Aussagen des LIF etwa zur Frage der Öffnungszeiten von Gastgärten anschaue, muß ich feststellen: Da kann ich nichts von Anrainerschutz seitens der Liberalen bemerken; da kann es ihnen nicht gar nicht anrainerunfreundlich genug sein! (Abg. Dr. Fekter: Die Liberalen, widersprüchlich auf allen Ebenen!)

Ich glaube daher, daß das nicht der richtige Weg ist. Der richtige Weg kann doch nur sein, daß man beides im Auge behält, und das ist eben dieser Spagat, der zu machen ist: einerseits schnell die Verfahren abzuwickeln, andererseits auf die Gesundheit der Konsumenten zu achten und die Sorgen der Anrainer zu hören. Daher haben wir bei dieser Gastgartengeschichte eine Regelung gefunden, die uns aufgezwungen wurde, denn der Verfassungsgerichtshof hat die bestehende Regelung aufgehoben. Daher mußte seit dem Jahre 1993 die Eröffnung privater Gastgärten einzeln genehmigt werden.

Nunmehr, so meine ich, haben wir eine günstige Lösung gefunden, bei der es dazu kommt, daß eben von 9 bis 22 Uhr – das ist für mich auch als Tourismusprecher meiner Partei wichtig – die Gastgärten, auch die privaten, geöffnet sein können. Allerdings ist es mit einer Einzelgenehmigung möglich, den Gastgarten längere Zeit offenzuhalten, es kann aber auch der


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Landeshauptmann eine Verordnung erlassen, daß er in bestimmten Gebieten eine längere Öffnungszeit, unter Umständen aber auch eine kürzere Öffnungszeit, zuläßt. – Das ist eben wieder dieser Spagat, von dem ich schon gesprochen habe: auf der einen Seite Anrainerschutz, auf der anderen Seite die Möglichkeit für das Gewerbe, sich entsprechend zu entwickeln.

Meine Damen und Herren! Zur Verfahrenskonzentration sei noch angemerkt, daß auf Bundesebene alle relevanten Verfahren – egal, ob das jetzt das Luftreinhaltegesetz, die Abfallwirtschaft, das Forstgesetz, den ArbeitnehmerInnenschutz oder das Wasserrecht betrifft – von der Gewerbebehörde abgewickelt und koordiniert werden. Das richtet sich eigentlich an die Länder, damit diese sich nunmehr in einem 15a-Vertrag dazu bekennen, diese Koordinierung auch auf Landesebene durchführen. Herr Bundesminister! Dann, so glaube ich, haben wir aus dieser Sache eine runde Angelegenheit gemacht, sodaß es einen vernünftigen Verfahrensablauf geben kann.

Noch einige wichtige Punkte, so etwa die Frage der Betriebsaufnahme, die bereits nach Vorliegen der Genehmigung in erster Instanz möglich ist – außer es gibt einen Einspruch des Arbeitsinspektors wegen gesundheitsgefährdender Gründe. Weiters scheint mir die Frage wichtig zu sein – eben als jemand, der sich mit touristischen Problemen auseinandersetzt –: Wie geht man bei der Übergabe bestehender Gastbetriebe vor? Da gibt es nicht unbeträchtliche Probleme. Jetzt ist das so geregelt, daß dann, wenn es einmal eine Konzession gibt, diese auch zugleich die Betriebsgenehmigung ist. Damit können wir vor allem im ländlichen Raum, wo es große Probleme bezüglich Übernahme gibt, einen weiteren wichtigen Schritt setzen.

Noch eine Bemerkung zur Frage der Nahversorgung. Das ist jetzt auch in dieser Gewerbeordnung und im Anlagenrecht geregelt, und das scheint mir sehr wichtig zu sein. Generell: Die Nahversorgung ist der Bevölkerung ein besonderes Anliegen. Es gibt ja die Problematik des Baus von Einkaufszentren auf der "grünen Wiese", wobei festgelegt wurde, daß bei der Genehmigung darauf Rücksicht genommen werden muß, ob der Standort entsprechend gewidmet ist, und wenn diese Betriebsanlage größer als 800 Quadratmeter ist, ist zusätzlich die Prüfung durchzuführen, ob die Nahversorgung gefährdet ist beziehungsweise ob es negative Beschäftigungseffekte gibt.

Die zweite Seite der Medaille bei der Nahversorgung ist jener Bereich, wo sie uns wegbricht, wo sie zusammenbricht. Dort wird nun die Möglichkeit geschaffen, daß, wenn es im Ortsgebiet keinen Lebensmittelhändler mehr gibt, ganz einfach der Gastwirt die Möglichkeit der Versorgung mit Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs hat. (Abg. Rossmann: Aber nur, wenn es der Landeshauptmann will!) – Selbstverständlich, wenn es der Landeshauptmann will! Ich gehe natürlich davon aus, daß jeder Landeshauptmann daran interessiert ist, daß in jeder seiner Gemeinden, in jedem Ortsgebiet die Menschen die Möglichkeit haben, Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs einzukaufen.

Meine Damen und Herren! Die Gewerberechtsnovelle 1997 ist nach der Novelle 1992 ein weiterer richtiger Schritt in die richtige Richtung, und sie beinhaltet Erleichterung beim Zugang zum Gewerbe, breitere Tätigkeitsfelder, schnellere Verfahren, Maßnahmen, die zu mehr Unternehmensgründungen und Arbeitsplätzen sowie zu einer Verbesserung des Wirtschaftsstandortes Österreich führen sollen. Daher werden wir Sozialdemokraten dieser Novelle zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Rossmann. Die freiwillige Redezeitbeschränkung beträgt 6 Minuten. – Bitte.

12.48

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Hohes Haus! Werter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vizepräsidentin der Österreichischen Wirtschaftskammer hat ihre Innungsmeister für deren Mitarbeit gelobt. Sie hat in diesem Zusammenhang einen Innungsmeister ganz besonders gelobt, und zwar den der Zahntechniker. Er hat ihr nämlich sozusagen als verlängerter Arm ihrer Gedankenwelt und ihrer Einzementierung in das Wirt


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schaftskammersystem als Handlanger ersten Ranges gedient. Das muß ich Ihnen schon sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wissen Sie, was er gemacht hat? – Sie werden es besser wissen, aber das Hohe Haus weiß es nicht. – Dieser Innungsmeister hat sich über Beschlüsse der Innung der Zahntechniker aus sämtlichen Bundesländern hinweggesetzt: über einen Beschluß Vorarlbergs mit 100 Prozent, aus Salzburg mit 90 Prozent, Kärntens mit 84 Prozent, Wiens mit 83 Prozent (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter ), und dann hat er, als er in der Bundesinnung dafür noch immer keine Mehrheit hatte, so lange abstimmen lassen, bis es eben die notwendige Mehrheit gab. – Das ist Ihr Demokratieverständnis! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich war wirklich erschüttert, als ich das gehört habe, und ich mußte zweimal nachfragen, aber es ist mir das bestätigt worden. – Dieser Dank von Ihnen, Frau Abgeordnete Tichy-Schreder, ist bei ihm wahrscheinlich ganz speziell angekommen.

Herr Minister! Zur Gewerbeordnung: Es war ursprünglich Ihr Gedanke, Ihr hehrer Wunsch, eine großangelegte Gewerbereform vorzunehmen. Sie haben auch österreichweit in sämtlichen Gratiszeitungen inseriert: Mein Ziel ist es, weniger zu regulieren, sondern die Unternehmer arbeiten zu lassen.

Herr Minister! Sie wissen selbst, daß in dieser Form die Änderung der Gewerbeordnung nicht gelungen ist. Sie haben selbst im Ausschuß zugegeben: Der große Wurf ist uns da nicht gelungen! Uns persönlich tut es auch leid, speziell weil Österreich bei den Gewerbeverfahren wirklich an vorderster Stelle liegt. Alleine in Österreich gibt 15 000 derartige Verfahren. Als Vergleich Deutschland: Dort sind es 6 000 Verfahren. In Großbritannien beträgt die Zahl der Verfahren nur 360.

Herr Minister! Sie wissen es besser: Es ist lobenswert, daß wir das vereinfachte Verfahren von Anlagen von 300 Quadratmetern bis auf solche von 1 000 Quadratmetern ausgedehnt haben, aber wenn man sich mit den Gewerbereferenten unterhält, hört man immer wieder, daß diese bereits alle von einem Bürokratieinferno, das auf uns zukommt, sprechen – von einem Bürokratieinferno deshalb, weil bisher die Behörde nicht jeder Beschwerde nachgehen mußte, zumindest nicht per Bescheid. Jetzt aber ist die Behörde gezwungen, jedes berechtigt geäußerte Anliegen – und berechtigt ist ja ein geäußertes Anliegen bereits dann, wenn es der Gesundheit widerspricht – zu prüfen. Das heißt nichts anderes, als daß die Gewerbebehörde jedem Anliegen wird nachgehen müssen, weil jedes Anliegen der Gesundheit widersprechen kann. Und die Behörde muß handeln und dann per Bescheid entscheiden. Das ist geradezu ein Bürokratiewulst, der jetzt auf uns zukommt!

Ich frage mich: Was sagen da eigentlich die Vertreter des öffentlichen Dienstes dazu, wo heulen die auf? Die demonstrieren auf der einen und streiken auf der anderen Seite – den Gewerbereferenden aber bürdet man einen Wulst an Arbeit auf, der einfach nicht bewältigbar sein wird. Dieses Gesetz ist nicht zu vollziehen, Herr Minister! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber das ist noch nicht alles: Das setzt sich fort bis zur Betriebsschließung. Wo ist da eine Vereinfachung? Wenn man einen Betrieb schließen wollte, war es bisher so, daß die bloße Anzeige bei der Behörde reichte, um ihn zuzusperren. – Jetzt aber muß die Behörde einen Bescheid erlassen, einen sogenannten Feststellungsbescheid, daß man den Betrieb schließen darf. Jetzt kann man seinen Betrieb nicht einmal mehr zusperren, wenn man das will! Wiederum sind die Gewerbereferenten gefordert, die per Bescheid handeln müssen. Das wird ein Bürokratieinferno sondergleichen!

Herr Minister! Ich weiß, daß Sie damit nicht glücklich sind. Es ist in dem Sinne auch nicht Ihr Verschulden. Daß da andere handelnde Geister am Werk waren, wissen wir auch. Mir tut es wirklich von Herzen weh, daß Sie sich beim Teilgewerbe bezüglich der Lehrlingsbeschäftigung nicht durchgesetzt haben, sodaß eben das Teilgewerbe keine Lehrlinge beschäftigen kann.

Noch einen letzten Satz zu diesem Theater um die Gastgärten: Wo waren Sie da, Herr Minister? Sie haben sich zu dieser Sache, obwohl das in Ihr Ressort fällt, überhaupt nicht geäußert.


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(Zwischenruf des Abg. Kopf. ) Manche, die involviert waren, wissen es. Wissen Sie, wer das diktiert hat? Wissen Sie, wer vorgeschrieben hat, wie lange die Gastgärten in Österreich geöffnet zu sein haben? – Der Herr Bürgermeister Häupl hat das diktiert! Er hat diesem Haus diktiert, wie lange die Gastgärten geöffnet zu sein haben! So weit haben wir es schon gebracht! – Da war auch der Herr Parnigoni still, und da auch der Herr Bundesminister nichts gesagt.

Wir Freiheitlichen werden heute dazu einen Antrag einbringen, der noch weitergehend ist, nämlich daß die Gastgärten auf nichtöffentlichem Grund zumindest bis 22 Uhr, zwischen dem 15. Juni bis zum 15. September bis 23 Uhr offenhalten dürfen, und die Gastgärten auf öffentlichem Grund nicht vom 15. Juni bis 15. September, sondern – durch Umstellung der Sommerzeit aufgrund der EU-Anpassung – vom 1. Mai bis zum 30. September. Herr Minister! Das ist sicher vernünftig, und Sie können punkten, wenn wir Sie da als Verbündeten gewinnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich ersuche Sie um eine dringende Wiedergutmachung als Signal an die Tourismusbetriebe, um eine Wiedergutmachung für dieses Kasperltheater, das sich hier bezüglich der Öffnungszeiten der Gastgärten abgespielt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Rossmann, Sie haben angekündigt, daß die Freiheitlichen einen Antrag einbringen werden, und haben dann inhaltlich das vorgetragen, was Sie als Abänderungsantrag formuliert haben. (Abg. Rossmann: Der kommt noch!) Er wird erst verlesen. – Danke für die Klarstellung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. Die Redezeit beträgt 6 Minuten. – Bitte.

12.55

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! In Österreich laufen derzeit 15 000 Genehmigungsverfahren; bei Betriebsanlagengenehmigungsverfahren beträgt die durchschnittliche Verfahrensdauer 13 Monate. Das sind Verhinderungstatbestände für Betriebsansiedelungen und Neugründungen.

Ich nehme zur Kenntnis, daß sich die Klubobfrau der Grünen offen zu dieser Form der Verhinderung in diesem Hohen Haus bekennt, ja sogar eine Fortsetzung dieser Verhinderungsbemühungen ankündigt. (Abg. Ing. Langthaler: Wer verhindert die Ökosteuer und die Solarenergie?) Ich nehme das einfach einmal als Wirtschaftstreibender zur Kenntnis, als einer, der daran interessiert ist, daß in diesem Land Arbeitsplätze erhalten beziehungsweise geschaffen werden. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Ich nehme weiters mit Genugtuung zur Kenntnis, daß Sie Gott sei Dank in diesem Haus nicht einmal annähernd über eine Mehrheit verfügen, denn das wäre furchtbar für unser Land! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir hingegen leiten aus diesem Sachverhalt, aus diesem Tatbestand Handlungsbedarf ab, und zwar im Sinne von Verfahrenskonzentration, von Verfahrensbeschleunigung und auch Verwaltungsvereinfachung Verbesserungen für den Betriebsstandort Österreich zu erreichen. Bereits die Regierungsvorlage aus dem Büro von Herrn Minister Farnleitner hat wesentliche Schritte und Vorschläge in diese Richtung gebracht. Ich darf da als Beispiel nur die erhebliche Erweiterung der Anwendung des vereinfachten Verfahrens anführen. Die Einführung einer Art Anzeigeverfahren bei Änderung beziehungsweise bei Ersatz von Maschinen in genehmigten Anlagen wird dazu führen, daß zwei Drittel der bisherigen Anlagengenehmigungsverfahren künftig als vereinfachtes Verfahren abgewickelt werden können und damit auch in ihrer Verfahrensdauer wesentlich verkürzt sein werden.

Darüber hinaus ist es uns dann noch in den parlamentarischen Verhandlungen gelungen, einige, so glaube ich, sehr wesentliche und zusätzliche Deregulierungs- und Vereinfachungsschritte zu erreichen. Ganz kurz sei erwähnt, daß bereits vor Eintritt der Rechtskraft, also nach der erstinstanzlichen Entscheidung eines Genehmigungsbescheides, mit dem Bau von Betriebsanlagen begonnen werden kann. Wir mußten ein nachträgliches Antragsrecht der Nachbarn einführen, nicht zuletzt aufgrund eines Verfassungsgerichtshofurteils. Wir konnten vor allem


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Erleichterungen im Zusammenhang mit der Beibringung von Antragsunterlagen erreichen. Weiters konnten wir – das ist ganz wesentlich – eine Verordnungsermächtigung für den Wirtschaftsminister unterbringen, mit der man bestimmte Anlagentypen per Verordnung überhaupt genehmigungsfrei stellen kann. Ich glaube, das sind doch ganz wesentliche Verbesserungen, die dazu beitragen werden, die Zahl von Bewilligungsverfahren zu senken beziehungsweise deren Dauer zu verkürzen.

Ein Thema, nämlich jenes rund um die Gastgärten, hat die Diskussion der letzten Tage beherrscht. Auch wenn ich noch nicht lange in der hohen Politik bin, muß ich doch sagen: So etwas ist mir bis jetzt noch nicht untergekommen, wie uninformierte oder schlecht recherchierende Journalisten, aber auch Funktionäre Panikmache betrieben beziehungsweise Oppositionelle es geschafft haben, dieses Thema in der Öffentlichkeit völlig falsch darzustellen und in einer Art und Weise, die wirklich nicht gerechtfertigt ist, zu dramatisieren.

Was ist Faktum? – Faktum ist, daß nach dem alten Gewerberecht eine überwiegende Zahl von Gastgärten, nämlich jene auf öffentlichem Grund und jene, die an öffentliche Verkehrswege angrenzen, die die überwiegende Anzahl stellen, eine garantierte Betriebszeit bis 23 Uhr haben, in die die Behörde nicht eingreifen kann. Und diese Rechtslage wird mit keinem Satz, mit keinem Beistrich, verändert. Also da, Frau Kollegin Rossmann, von einer Einschränkung für Gastgärten in ganz Österreich zu sprechen, also von allen Gastgärten, wie das so unterschwellig getan wird, ist schlicht und einfach falsch. (Abg. Dr. Graf: Frau Rossmann hat "privat" und "öffentlich" sehr wohl unterschieden! Genau zuhören!)

Es geht bei diesem Urteil des Verwaltungsgerichtshofes nur um einen geringeren Teil, nämlich nicht um private Gastgärten, sondern um jene, die sich auf privatem Grund befinden – und das ist ein wesentlicher Unterschied, Herr Kollege! Und für diese konnte jetzt die Regelung erreicht werden, daß auch sie eine garantierte Betriebszeit bis 22 Uhr haben werden. Für alle bisherigen Genehmigungen jedoch, die darüber hinausgehen, oder jene, bei denen es in der Betriebsanlagengenehmigung keine Einschränkung der Betriebszeit gibt, gilt die Schlußzeitregelung, also die Sperrstundenregelung. Diese werden davon gar nicht tangiert. Alle anderen, die zum Teil Einschränkungen der Behörden hinnehmen mußten, wo es zu solchen Auswüchsen gekommen ist, daß man beispielsweise Gastgärten vorgeschrieben hat, eine Mittagspause von 12 bis 14 Uhr einzuhalten – man stelle sich das vor! – oder schon um 19 Uhr zuzusperren, können sich jetzt wenigstens darauf berufen, eine garantierte und von der Behörde nicht einschränkbare Öffnungszeit von 9 bis 22 Uhr zu haben. Das ist, denke ich, ein wesentlicher Punkt, und das darf nicht dazu führen, daß das in der Öffentlichkeit völlig verkehrt dargestellt wird! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits gestern ist uns mit der Novelle zum Wasserrechtsgesetz ein großer Schritt in Richtung Deregulierung und damit Verbesserung des Betriebsstandortes Österreich gelungen. Mit der Gewerbeordnungsnovelle gelingt uns, wie ich meine, ein sehr wesentlicher nächster Schritt. Im Haus haben wir bereits zwei Anträge, einen von der SPÖ und einen von der ÖVP, zu einer Abänderung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes liegen. In diesem nächsten Schritt wollen wir das zugegebenermaßen sehr stark zersplitterte Anlagenrecht, das Wasserrecht, die Gewerbeordnung et cetera, mit unterschiedlichen Verfahrensbestimmungen in ein Verfahrensgesetz, wie es der Titel dieses Gesetzes schon sagt und was auch Sinn macht, zusammenführen, eben um die Verfahrensbestimmungen zu vereinheitlichen.

All das sollen aber nur Zwischenschritte sein, was ein Entschließungsantrag der Regierungsparteien auch deutlich aufzeigt. Ziel muß es sein, ein einheitliches Anlagenrecht für Betriebsanlagen zu schaffen. Wir haben einen diesbezüglichen Entschließungsantrag eingebracht und damit auch unseren Willen dokumentiert, in dieser Richtung tätig zu sein – was wir ja bereits sind – und das zusammenzufassen und zu korrigieren, was leider an Zersplitterung im Anlagenrecht gegeben ist.

Alles in allem kann man sagen, daß uns ein großer Schritt in Richtung Verbesserung unseres Betriebsstandortes Österreich gelungen ist. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)


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Ich möchte mich an dieser Stelle recht herzlich bei den Mitarbeitern des Ministeriums bedanken, allen voran bei Herrn Sektionschef Koprivnikar, der sich mit seiner Mannschaft viele Tage und Nächte zu diesem Thema mit uns "vergnügt" hat, aber auch bei den Mitarbeitern der Koalitionsklubs von SPÖ und ÖVP, allen voran bei den beiden Klubsekretären Mag. Hans und Mag. Thonabauer. Und weiters möchte ich mich auch bei unseren Verhandlungspartnern, bei dir, lieber Kurt Heindl, und bei dir, liebe Ingrid Tichy-Schreder, bedanken. Recht herzlichen Dank für diese sehr intensiven, aber auch sehr konstruktiven Gespräche!

Abschließend noch ein Satz dazu, was in den Ausschüssen – am Beginn waren die Oppositionsparteien ja noch ganz kurz dabei – an Kritik vorgebracht wurde. Kollege Peter hat unsere Bemühungen sehr gelobt, indem er in der ersten Ausschußsitzung gesagt hat: Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. – Allein das zeigt, auch wenn hier vom Rednerpult aus anderes an die Öffentlichkeit dringt, was wirklich hinter diesen Bemühungen gesteckt ist. Nochmals recht herzlichen Dank allen Beteiligten! Ich meine, wir haben ein gutes Stück für den Wirtschaftsstandort Österreich getan. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.04

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

13.04

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann unmittelbar an die Ausführungen meines Vorredners anknüpfen, weil er sich auf die Ausführungen meines Fraktionskollegen Helmut Peter bezogen hat. Helmut Peter hat eine sehr differenzierte Position eingenommen und ist dabei nicht angestanden, auch das einzugestehen, was im Trend positiv erkennbar war. Er hat aber gleichzeitig festgehalten, daß die ursprünglichen Überlegungen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten einerseits weitergehend, zweitens besser waren und drittens während der Verhandlungen, für die sich Kollege Kopf so herzlich bedankt hat, offenbar verschlechtert wurden.

Der Dank gilt daher tatsächlich dafür, insbesondere den Beamten des betroffenen Hauses, daß sie die Ausdauer, die Geduld und die Loyalität dazu hatten, etwas mitzuformulieren, was sie selbst so sicher nicht formuliert hätten, denn dann hätte der erste Entwurf anders ausgesehen. Wenn das, was am Schluß herausgekommen ist, dasselbe gewesen wäre wie das, was sonst die fach- uns sachkundigen Beamten des Wirtschaftsressorts gemacht hätten, dann hätten sie gleich das vorgelegt, was am Schluß als Kompromiß herausgekommen ist. (Abg. Kopf: Schauen Sie sich den Begutachtungsprozeß an, Herr Kollege!)

Das ist ein akzeptabler politischer Prozeß, aber ich würde sagen, daß man dabei die Kirche im Dorf lassen muß. Selbst dann, wenn etwas tendenziell in die richtige Richtung geht, also ein bißchen besser ist, als es vorher war, heißt das noch nicht, daß das Ziel erreicht ist. Das Ziel, nämlich eine tatsächlich moderne, dem 21. Jahrhundert entsprechende Gewerbeordnung, ist mit dem, was Sie hier vorlegen, sicher nicht erreicht. – Wir Liberalen werden daher gegen diese Vorlage stimmen.

Ich frage Sie: Wird uns der Umstand, daß wir dagegen stimmen, womöglich den Vorwurf einhandeln, daß wir Verhinderer sind? Wenn man in diesem Haus eine Gegenposition einnimmt, wird man offenbar als Verhinderer bezeichnet. Das ist etwas ganz besonders Übles, weil all das, was zum Beispiel mein Kollege Barmüller zum Betriebsanlagenrecht gesagt hat, nur ein Element eines ganzheitlichen Ansatzes ist.

Beim gewerblichen Betriebsanlagenverfahren geht es um die Umsetzung und die Beachtung der Parteienrechte. Es geht um Praxisnähe, um beschleunigte Verfahren und auch um Arbeitsplätze, auf denen in Zukunft Mitarbeiter sicher und erfolgreich arbeiten können. Letztendlich geht es auch darum, daß wir Betriebe brauchen, die dem Stand der Technik bestmöglich entsprechen. Das sind viele Ziele, die in einem Verfahren erreicht werden müssen, was daher dem Anschein nach zunächst durchaus widersprüchlich ist. Wenn aber am Ende eines Betriebs


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anlagenverfahrens ein einheitlicher Betrieb steht, dann muß dieser eben all diesen Zielen genügen.

Es ist ein Streit um des Kaisers Bart, wenn man jemandem vorwirft, wenn er bestimmte Teilaspekte besonders hervorhebt, daß er womöglich gegen Betriebsanlagengenehmigungen sei. Das halte ich für unredlich und für billig, denn es ist nicht so einfach, all diese Ziele in einem Verfahren auch umzusetzen, aber es ist möglich. Der liberale Ansatz wäre, dabei viel stärker auf die Eigenverantwortung als auf die Bürokratie abzustellen, sowie die Haftungsfragen als Schutz für die Öffentlichkeit, die Allgemeinheit, die Konsumenten und die Mitarbeiter stärker nach vorne zu stellen und das auch ernst zu nehmen.

Wenn man mit diesen Überlegungen an das Thema herangeht, dann kommt man rasch zu dem Ergebnis, daß ein straffes und schnelles Verfahren, wobei allerdings die Ausführenden der Betriebsanlage sehr stark in die Haftung eingebunden sind, sehr konsumentengerecht ist und den Interessen der Anrainer und der Parteien – im weitesten Sinne des Wortes – gerecht werden kann, auch daß es nicht notwendig ist, die Parteienrechte zu beschneiden, damit das Verfahren schneller geht, sondern den Ablauf anders zu gestalten und mehr in die nachlaufende Kontrolle zu geben als in die Bewilligungen vorweg. Allein die Idee, daß es möglich ist, in einem Behördenverfahren eine Betriebsanlagenbewilligung zu erzeugen, die ein für alle Mal regelt, wie es sein soll, ist ein schwerer Denkfehler. Das ist bestenfalls zum Zeitpunkt der Genehmigung der Fall; dann schreitet die Entwicklung fort, und die Betriebsanlage ist eine alte.

Wir stoßen dabei wieder auf das beliebte Argument der sogenannten wohlerworbenen Rechte. Es muß hier ein dynamischer Prozeß ablaufen und das statische Element überwunden werden, was dann Sinn machen würde, wenn die Haftung permanent präsent wäre. Wenn jemand einen Betrieb führt und dort etwas passiert, dann muß er voll in die Haftung genommen werden können. Er wird sich aus eigenem Interesse darum bemühen, mit diesem Betrieb dem Stand der Technik bestmöglich zu entsprechen, weil er eine Versicherung abschließen muß, und die Versicherung ist umso billiger, je besser der Zustand einer Betriebsanlage ist. – Das ist eine Regel, die zu lernen wenig Mühe machen sollte.

In einem zweiten Ansatz möchte ich mich der sozialen Dimension der Gewerbeordnung zuwenden. Sie ist bisher überhaupt noch nicht vorgekommen, was ich schade finde. Das, was beschlossen werden soll, wird den Umstieg von der unselbständigen in die selbständige Berufstätigkeit in Zukunft weiterhin sehr erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen. Durch diese Gewerbeordnung, dadurch, daß Sie weiterhin an einem zünftlerischen Gewerbezugang festhalten und es den Menschen nicht ermöglichen, sich ohne Überwindung wesentlicher bürokratischer Hindernisse selbständig zu machen, behindern Sie die Möglichkeit, zwischen selbständig und unselbständig zu wechseln, nachhaltig.

Das heißt, Sie haben kein Interesse daran, daß Menschen, die von Arbeitslosigkeit bedroht oder möglicherweise bereits arbeitslos sind, was insbesondere im Bereich der älteren Arbeitslosen von Interesse ist, das Wagnis, sich selbständig zu machen, auf sich nehmen, weil Sie sie schon in der ersten Phase, nämlich beim Erlangen der Gewerbeberechtigung, maßlos behindern. – Punkt 1.

Punkt 2: Es ist natürlich jetzt nicht Thema im unmittelbaren Sinn des Wortes, aber solange Sie an dieser krampfhaften Zwangszuteilung in Gewerbliche Sozialversicherung und in ASVG et cetera festhalten, solange Sie Arbeitslosenentschädigungsregelungen haben, die jeden, der arbeitslos geworden ist und sich dann selbständig gemacht hat, mit dem Projekt nicht wirklich erfolgreich war und wieder arbeitslos wurde, aus der Arbeitslosenversicherung hinauskatapultieren, so lange dürfen Sie sich nicht wundern, daß wir keinen dynamischen Wechsel von Unselbständigen zu Selbständigen haben, insbesondere dann, wenn diese vielleicht schon etwas älter sind. (Abg. Dr. Trinkl: Das ist die soziale Komponente!)

Daß Ihnen diese soziale Dimension nicht einmal noch aufgefallen ist, daß sie vielleicht ein Grund gewesen wäre, beim Gewerbezutritt einiges zu liberalisieren – durchaus im Verständnis der ursprünglichen Vorlage des Herrn Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten und


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besonders im Verständnis jenes Antrages, den die liberale Fraktion vorgelegt hat –, ist signifikant, aber es nicht überraschend, daß Sie dann, wenn es um Sozialversicherungspflichten geht, zu solchen Dingen wie der Werkvertragsregelung unseligen Andenkens kommen, mit der Sie um jeden Preis versucht haben, ein Zwangskorsett zu erfinden, anstatt zu einer grundsätzlichen Lösung zu kommen.

Ein Schlußsatz zum Schlagwort "Verhinderer": Wenn irgend jemand in Angelegenheiten des Gewerbezuganges den Vorwurf des Verhinderers verdient, dann diese Regierungskoalition. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

13.12

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kiermaier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.12

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Gesetz, das wir heute beschließen, ist ein sehr weitreichendes. Letztendlich sind dies die Spielregeln, nach denen sich ein nicht unerheblicher Teil unserer Bevölkerung zu richten hat. Daß es daher bei der Änderung der Spielregeln zu Interessenkonflikten kommt, ist, so meine ich, ganz natürlich. Ich möchte mich nur dagegen verwahren, daß diese Gewerbeordnung bei jeder Gelegenheit ins Lächerliche gezogen wird, indem man mit dem Hinweis auf "Ohrläppchenstecher", "Fischsalat" und diesen ganzen Schmarr’n kommt.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Daß es natürlich auch einige diesbezügliche Details gibt, ist keine Frage, daß man aber die Gewerbeordnung abzuqualifizieren versucht, indem man meint, daß sie fürs Museum sei, und dafür – ein bißchen mit Blick nach Amerika – die große, grenzenlose Freiheit präsentiert, dazu muß ich sagen: Ich danke schön dafür, ich brauche sie nicht! Ein Reglement mit Maß und Ziel, das alle Berufsgruppen einigermaßen umfaßt, ist richtig. Eine Rahmenlösung, in der man sich, wie heute mein Kollege Heindl gesagt hat, vernünftig bewegen kann, hat diesem Lande noch nie geschadet. Man sollte das nicht so einfach verdammen.

Ich möchte noch einen Satz zu meinem Vorredner, Herrn Dr. Kier, sagen. Herr Doktor! Ich habe vor Ihnen ob Ihres Fachwissens viel Respekt, aber was Sie gesagt haben, daß nämlich die ursprüngliche Vorlage so gravierend verändert wurde, finde ich nicht einmal so negativ. Umgekehrt: Wenn wir nichts verändert und uns nicht intensiv mit dieser Materie beschäftigt hätten, dann hätten wir wahrscheinlich den Vorwurf zu tragen: Die haben den Beamtenentwurf abgeschrieben! Warum sind Sie überhaupt Abgeordneter, warum sitzen Sie überhaupt da? – Ich glaube, das wäre auch nicht richtig gewesen. (Abg. Dr. Kier: Der Minister ist ja auch noch da! Der Minister war auch dabei, nicht nur die Beamten!) Ich glaube, da ist der Weg in der Mitte schon der richtige.

Meine Damen und Herren! Es ist bei dieser Gewerbeordnung auch eines zutage getreten: der Kampf um die Nebenrechte. Die eine Gruppe möchte sie haben, die andere will sie nicht hergeben. Man hat einmal mehr gesehen, wie teilweise der Egoismus fröhliche Urständ feiert. Hunderte Briefe sind es gewesen, die wir bekommen haben. Jede Berufsgruppe hat uns mitgeteilt, daß ihr Problem das wichtigste sei, das wir zu lösen hätten. Einmal mehr hat man dabei gesehen, wie schwierig der Interessenausgleich ist. Das ist jenen Herren in das Stammbuch zu schreiben, die immer von der Zwangskammer, von den Zwangsbeiträgen und von der Zwangsmitgliedschaft reden. In dieser Kammer wird eine gar nicht leichte Arbeit gemacht, eine Arbeit, die sehr schwierig ist und wo man sich damit beschäftigt, den verschiedenen Berufsgruppen ein einigermaßen harmonisches Miteinander zu ermöglichen. Ich weiß, wovon ich – auch als Vizepräsident der Wirtschaftskammer Niederösterreich – spreche.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Konfliktpotential dieser Gewerbeordnung war auch das Thema "Landwirtschaft und Gewerbe". Hier sind die Meinungen sehr hart aufeinander geprallt. Die Einigung, die sich abgezeichnet hat, ist im großen und ganzen eine akzeptable, auch aus meiner Sicht als Touristiker, als Gewerbetreibender. Die ursprüngliche Forderung nach Verdoppelung der Bettenanzahl und zusätzlicher Appartements hätte zu einer unwahr


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scheinlichen Ausdehnung geführt, die wir als Touristiker einfach nicht hätten akzeptieren können. Unsere These, die des Freien Wirtschaftsverbandes, war von der Stunde Null an: gleiche Rechte, gleiche Pflichten, dieselben Chancen sehr wohl für die Landwirtschaft als auch für das Gewerbe. Dem ist im großen und ganzen Rechnung getragen worden.

Gestatten Sie mir als Wirt, obwohl es heute schon einigemal angesprochen wurde, auch ein paar Worte zu den Gastgärten. Ich habe mit etwas Verwunderung in meiner Fachzeitung, der "ÖGZ", diesen Artikel gesehen. (Der Redner weist einen Artikel vor.) Ich glaube, die "ÖGZ" würde gut daran tun – sie hatte immer eine sehr seriöse Berichterstattung –, wieder dorthin zurückzukehren. (Abg. Rossmann: Das ist auch die Kammerzeitung!) Das ist mehr den anderen Zeitungen vorbehalten. Diesen Artikel könnte man in einer anderen Zeitung besser unterbringen; das steht einer Fachzeitung nicht zu.

Folgendes muß noch gesagt werden. Es ist nicht zu akzeptieren, wie in dieser Sache simplifiziert wird. Da stellt man sich hin und sagt – das sage ich als Wirt ganz bewußt –: Gastgärten bis 23 Uhr. Selbstverständlich! Am liebsten bis 24 Uhr. (Abg. Rossmann: Sie haben nicht zugehört!) Ich habe Ihnen sehr genau zugehört, Frau Kollegin. Aber Sie lesen die Sachen nicht, die Sie vertreten. Sie stellen sich hin und sagen: Gastgärten aufmachen bis 24 Uhr! – Ist Ihnen bewußt, worum es hier geht? (Abg. Rossmann: Ich habe das nicht gesagt!) Nein, jetzt rede einmal ich, und jetzt hören Sie einmal zu! (Abg. Rossmann: Das habe ich nicht gesagt!) Jetzt rede ich einmal! Aus! Das war’s! (Abg. Ing. Reichhold: Wir sind im Parlament! Die Rechte der Parlamentarier!)

Ich sage Ihnen: Wenn Sie heute in einer Großstadt in irgendeinen großen Wohnblock ein Gasthaus einbauen, machen mitten im Hof einen Gastgarten und sperren bis 24 Uhr – ohne Bewilligung – auf, dann müssen Sie das erst einmal den Anrainern erklären. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich sage Ihnen noch etwas: Ich habe in meinem Gasthof im Innenhof einen Gastgarten für 100 Gäste und bis 23 Uhr offen. Bis heute habe ich noch keine Probleme gehabt. Wissen Sie, warum? – Weil der Gastgarten kommissioniert ist. Da gab es eine Bauverhandlung, eine Gewerbeverhandlung, da hat man sich mit den Nachbarn zusammengesetzt und das durchverhandelt – und es gibt überhaupt keine Probleme. Aber sich hinzustellen, so wie Sie das machen, und alles zu simplifizieren, geht wirklich nicht. (Abg. Rossmann: Sie haben nicht zugehört!) Sie reden bei jeder Veranstaltung so – das ist die Taktik Ihrer Partei –, wie Sie es gerade brauchen. So wie Sie es bei der Fremdengesetzgebung gemacht haben, machen Sie es auch hier. Aber damit können Sie die Leute nicht ewig täuschen. Diese Rechnung geht nicht ewig auf, das garantiere ich Ihnen! So vereinfachen kann man gar nichts, das müssen Sie sich ins Stammbuch schreiben lassen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Rossmann: Das tut Ihnen so weh!)

Ich möchte noch auf ein anderes Thema zu sprechen kommen, und zwar auf die Sache mit den Bilanzbuchhaltern, eine Sache, die wir auch sehr vehement vertreten. Es ist heute so, daß für kleine Betriebe – Familienbetriebe mit zwei, drei Mitarbeitern – ein Wirtschaftstreuhänder, der natürlich Honorare verlangt, nicht mehr tragbar ist.

Daher fordern wir als die Vertreter der klein- und mittelständischen Betriebe die Einführung des Bilanzbuchhaltergewerbes. Und wir werden sicherlich der Lösung, wie sie jetzt dahin gehend zustande gekommen ist, daß das dann in der Wirtschaftstreuhänderordnung untergebracht wird, zustimmen. Wir sind davon überzeugt, daß wir hier auch zu einer entsprechenden Lösung kommen werden.

Das Grundmerkmal dieser Gewerbeordnung ist die Öffnung: aufmachen, liberalisieren, aber bitte in allen Branchen! Dann kann es keine geschützten Bereiche geben. Das wird auch in Zukunft den Wirtschaftstreuhändern in das Stammbuch zu schreiben sein.

Was die Zahntechniker betrifft, sind wir etwas enttäuscht. Daß es hier zu keiner Lösung gekommen ist, bedauern wir sehr. Wenn ich mir anschaue, wie zurzeit der Zahntourismus nach Ungarn läuft, glaube ich, daß eine Lösung im Sinne der Konsumenten sicherlich angebracht gewesen wäre. Daß diese leider Gottes nicht zustande gekommen ist, ist sehr bedauerlich.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auch noch zu dem Vorschlag, Lehrlinge im Teilgewerbe zu beschäftigen, Stellung nehmen. – Nein, danke! Ich habe nichts gegen das Teilgewerbe, im Gegenteil, ich trage es voll mit, aber ich bin der Meinung, ein Lehrling soll dort ausgebildet werden, wo die gesamte Palette des Berufes angeboten wird. Denn wenn er zur Prüfung geht, muß er die Ausbildergrundlinien erfüllt haben. Er muß wissen, was er alles zu lernen hat, und das ist in einem Bereich, wo er vielleicht nur Teile des Berufes erlernt, einfach nicht möglich. Das ist nicht seriös. Solche Forderungen sind nicht fundiert und entbehren jeder Sachkenntnis.

Ich möchte mich am Schluß meiner Betrachtungen an den Herrn Bundesminister wenden. Ich wende mich auch an die Beamten des Hauses, an Herrn Sektionschef Koprivnikar und an die Mitarbeiter der Klubs. Ich möchte mich bei Herrn Dr. Hechtner und bei unserer Frau Mag. Irene Hans persönlich für die wirklich sehr, sehr gute Aufarbeitung der Materie bedanken. Und ich möchte mich auch an den Koalitionspartner ÖVP wenden. (Abg. Dr. Khol: Hier! Bei der Arbeit!) In dieser sehr arbeitsreichen Zeit der Beratungen über die Gewerbeordnung haben wir, glaube ich, einmal mehr bewiesen, daß diese Koalition, obwohl einmal unser Flügel und einmal der andere Flügel ununterbrochen heruntergemacht wird, etwas leisten kann. Diese Gewerbeordnung ist ein herzeigbares Produkt dieser Koalitionsregierung. Und ich bin überzeugt, das gilt nicht nur für die Gewerbeordnung, sondern wir werden auch die anderen schwierigen Probleme, die zurzeit anstehen, lösen – ob es Ihnen gefällt oder nicht. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. )

13.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Rossmann gemeldet. Redezeit: 2 Minuten. Zuerst den zu berichtigenden Sachverhalt und dann strikt die Berichtigung. – Bitte.

13.24

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Herr Kollege Kiermaier hat behauptet, ich hätte die Forderung nach Öffnungszeiten für Gastgärten bis 24 Uhr aufgestellt. Herr Kollege, diese Behauptung ist unwahr! Wahr ist vielmehr: Ich habe einen Antrag eingebracht ... (Abg. Dr. Khol: Nicht eingebracht, angekündigt! Immer bei der Wahrheit bleiben, Frau Rossmann!) Ich habe zwei Anträge angekündigt, einen für Gastgärten auf nicht öffentlichem Grund mit Öffnungszeiten bis 22 Uhr, von 15. Juni bis 23. September bis 23 Uhr, und einen für Gastgärten auf öffentlichem Grund mit Öffnungszeiten von 1. Mai bis 30. September bis 23 Uhr. – Sind Sie damit zufrieden? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Aumayr: Zuhören! – Zwischenruf des Abg. Ing. Reichhold. )

13.25

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Öllinger vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.25

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Grünen sind über einen kleinen Aspekt dieser Gewerbeordnung tatsächlich erfreut. Er betrifft das, was Sie am Anfang auf unseren Wunsch hin – aber da haben sicherlich auch andere mitgewirkt – geändert haben, nämlich im § 8 Abs. 5, wo es heißt: Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind in der Form zu verwenden, die das Geschlecht des Trägers zum Ausdruck bringt. Das ist natürlich nicht der wesentlichste Teil dieser Reform, aber es ist ein Punkt, wo wir froh sind, daß das geändert wurde. (Abg. Dr. Khol: Das ist ein bissel wenig! Wenn das alles ist, ist es ein bißchen wenig!)

Herr Minister! Jetzt komme ich aber schon zu den Teilen, wo mir einfach der Glaube fehlt, daß diese Novellierung der Gewerbeordnung tatsächlich dazu beiträgt, eine Modernisierung zu erreichen. Ich beziehe mich auf jenen Punkt, der das Teilgewerbe betrifft und der durch § 31 geregelt ist. Da heißt es unter anderem, daß das Teilgewerbe nur ausgeübt werden darf bei Beschäftigten bis zu einer Maximalzahl von fünf Personen. Ich halte das für problematisch, für möglicherweise verfassungswidrig. Es gibt meiner Meinung nach keinen relevanten Grund, warum diese Beschränkung auf fünf Personen enthalten ist. Es ist auch, soweit wir das aus den


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Diskussionen wissen, dieser Punkt nie so beantwortet worden, daß diese Begrenzung auf fünf Personen einsichtig, verständlich, nachvollziehbar und gesetzeskompatibel geworden wäre.

Es handelt sich also um eine Beschränkung, die offensichtlich bestimmten kommerziellen Interessen, möglicherweise auch Arbeitnehmerinteressen Rechnung zu tragen versucht. Ich halte sie aber für eine problematische Bestimmung. Es gibt keinen Grund, der rechtfertigen könnte, warum die Ausübung des Teilgewerbes auf diese Größe beschränkt bleibt. Es ist selbstverständlich auch möglich, in größeren Betriebseinheiten ein Teilgewerbe auszuüben, und zwar auch wirtschaftlich auszuüben. Vor allem geht es bei diesem Punkt unter anderem auch darum, dem allgemeinen Ziel, das mit dieser Novellierung der Gewerbeordnung verfolgt werden sollte, zum Durchbruch zu verhelfen. Diese Entrümpelung der Gewerbeordnung soll ja Beschäftigung schaffen, und das wäre durchaus in bestimmten kleinen Teilbereichen eine Möglichkeit dazu. Hier wird Beschäftigung begrenzt.

Ich würde mir wünschen, Herr Minister, daß Sie in einer Wortmeldung noch erklären, was Ihre Beweggründe beziehungsweise die Beweggründe von Interessengruppen waren, diese Beschränkung auf fünf Personen anzusetzen. Und ich würde mir sehr wünschen, daß in einer weiteren Novellierung der Gewerbeordnung – ich bin mir sicher, eine solche wird bald wieder kommen – auch dieser Punkt entsprechend geändert wird.

Wenn es darum ginge, beispielsweise die durchaus sehr sinnvolle und auch gestern diskutierte Frage der Ausbildung durch diese Bestimmung zu regeln, dann muß ich sagen: Es muß ja nicht jeder Betrieb Lehrlinge ausbilden, aber wir Grünen sind der Meinung, daß jene Betriebe – und das können auch diese Teilgewerbebetriebe sein –, die nicht ausbilden können und dürfen, dann eben ihren entsprechenden Beitrag zahlen sollen. Ich kann mir auf der anderen Seite aber vorstellen, daß diese Teilgewerbebetriebe durchaus wirtschaftlich arbeiten können.

Soweit die Anmerkung zu diesem Punkt.

Da ich aber aus dem sozialpolitischen Bereich komme, werde ich Ihnen noch ein Problem offerieren, Herr Minister, das mir auch am Herzen liegt. Es ist nämlich in der neuen Gewerbeordnung von 1994 und auch in dieser Novellierung jener Passus der Gewerbeordnung von 1859 – 1859! – nicht geändert worden, der die Entlassungstatbestände für Arbeiter im Gewerbe regelt. Damals, 1859, war das möglicherweise noch in einer durchaus zeitgemäßen Art geregelt. Ich bringe Ihnen zumindest einige der damals gültigen Entlassungstatbestände zur Kenntnis, Herr Minister, von denen ich der Meinung bin, daß sie überhaupt nicht in einer Gewerbeordnung geregelt werden sollten. Dazu haben wir ein funktionierendes Arbeitsrecht, das ja auch Entlassungstatbestände regelt. Ich brauche keine Gewerbeordnung dazu. Aber soweit mir das aus den entsprechenden Erläuterungen in dem Buch von Friedrich Kuderna über Entlassungsrecht ersichtlich ist, werden auch Tatbestände aus diesem alten Entlassungsrecht nach wie vor zur Begründung in einer zeitgemäßen Judikatur herangezogen, und das halte ich für unvertretbar.

Es wird zum Beispiel – das sieht dieser damalige § 82 der Gewerbeordnung vor – ein Arbeiter mit Entlassung bedroht, wenn er ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis verrät – das haben wir woanders auch geregelt – oder ohne Einwilligung des Gewerbeinhabers ein der Verwendung beim Gewerbe abträgliches Nebengeschäft betreibt.

Herr Minister! Jetzt wissen Sie so gut wie ich: Um welche Arten von Tätigkeit geht es? – Es geht um Arbeiter. Es geht zum Beispiel um einen Blumenbinder oder was weiß ich, der etwa für vier Stunden tätig ist und daneben möglicherweise in einer anderen Blumenbinderei oder Gärtnerei drei Stunden arbeitet. Dazu sagt dieses alte Gewerberecht von 1859: Das ist unzulässig, wenn der Arbeitgeber nicht damit einverstanden ist. Ich würde meinen, wenn es um solche Arbeiten geht, ist auch die Konkurrenzklausel, die ohnehin bei derartigen Arbeiten zur Anwendung kommt, völlig daneben.

Es geht aber noch um andere Sachen. So ist zum Beispiel ein Entlassungstatbestand nach der Gewerbeordnung von 1859 auch, wenn eine Person mit einer abschreckenden Krankheit


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behaftet ist, beispielsweise äußerlich entstellt ist oder eine andere abschreckende Krankheit hat. Mit Verlaub, das halte ich für ein modernes Arbeitsrecht für so überflüssig wie nur etwas!

Es gibt noch andere Tatbestände in der Gewerbeordnung, die mit der Entlassung bedroht sind: grobe Ehrenbeleidigung, Körperverletzung, gefährliche Drohung, Alkoholgenuß et cetera. Oder wenn jemand ungeachtet vorausgegangener Verwarnung mit Feuer und Licht unvorsichtig umgeht, ist das ein Entlassungstatbestand!

Jetzt ist mir schon klar: 1859 mag es solche Tätigkeiten gegeben haben, wo man mit Hantieren bei offenem Feuer oder Licht irgendwelche unabsehbaren Reaktionen im Betrieb hervorgerufen und den Betrieb oder andere Arbeitnehmer gefährdet hat. Herr Minister! Wir sind aber im Jahr 1997, und die Verhältnisse in den Betrieben haben sich Gott sei Dank geändert. Es ist auch nach modernen arbeitsrechtlichen Bestimmungen durchaus möglich, Personen, die sich grob fahrlässig verhalten, zu entlassen. Das wissen Sie. Aber das braucht nicht in einer Gewerbeordnung, in einem nie stillgelegten Annex einer Gewerbeordnung von 1859 geregelt zu werden. Das Absurde daran ist ja, daß bei allen Novellierungen der Gewerbeordnung dieser Teil immer übernommen beziehungsweise vergessen worden ist.

Ich bringe Ihnen, Herr Minister, und natürlich in erster Linie den Parteien hier im Parlament folgenden Entschließungsantrag zur Kenntnis:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend Gewerbeordnung – Entlassungstatbestände

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Entlassungstatbestände der GewO 1859, die auch in der neuen Gewerbeordnung Gültigkeit haben, ersatzlos zu streichen.

*****

Das ist ganz einfach ein Versuch, diesen alten Kram aus 1859, der mit einem modernen Gewerberecht ohnehin nichts zu tun hat, weil das Gewerberecht nicht die Aufgabe hat, arbeitsrechtliche Beziehungen zu regeln, der Bestimmungen enthält, die für das Jahr 1997, für den Beginn des 21. Jahrhunderts so etwas von weltfremd sind, wegzubekommen. Ich glaube, daß es ein gemeinsames Anliegen der hier im Parlament vertretenen Parteien sein könnte, einen Annex zu einer Gewerbeordnung aus 1859, der noch immer Gültigkeit hat, wie Arbeitsrechtler versichern, zum Beispiel Herr Kuderna, Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs, zu eliminieren.

Dieser Punkt steht einem modernen Gewerberecht zwar nicht im Wege, aber es ist einfach eine unwürdige Sache, wenn man hier versuchen sollte, diese Punkte nach wie vor aufrechtzuerhalten und gültig sein zu lassen. Dadurch schafft man natürlich auch für Arbeitnehmer Situationen, die sie an der Ausübung ihrer Tätigkeit unter Umständen in dem einen Punkt behindern, einschränken beziehungsweise mit Entlassung bedrohen.

Was für die Gewerbebetriebe gelten soll und muß, das muß auch für die in den Gewerbebetrieben beschäftigten Arbeiter – nur solche sind hier gemeint – gelten. Deshalb würde ich die hier im Hohen Haus vertretenen Parteien auch bitten, diesem Entschließungsantrag, der keine Revolution in den Entlassungstatbeständen bedeutet, sondern nur einfach verlangt, daß die in der Arbeitsverfassung festgelegten Entlassungstatbestände auch für die Arbeiter die einzig gültigen sind, Rechnung zu tragen und ihm zuzustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

13.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Entschließungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.


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Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Dr. Fekter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

13.35

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Ich bin auch überrascht über die Ausführungen, die Herr Kollege Öllinger hier gemacht hat. Bezüglich der ersatzlosen Streichung der Entlassungstatbestände möchte ich sagen, daß da sehr wohl auch ein für mich berechtigter Entlassungsgrund, nämlich jener des übermäßigen Alkoholgebrauchs, normiert ist. Jetzt weiß ich schon, die Arbeitsverfassung hat das auch vorgesehen. Daher bin ich der Auffassung, daß wir das diskutieren sollten. Einen Entschließungsantrag, der mir erst jetzt zur Kenntnis gebracht wurde, ohne im Detail prüfen zu können, ob ich ihn auch mittragen kann, möchte ich vorweg nicht unterstützen. Aber in diesem Punkt wird man die tatsächlich geltende Rechtslage im Verhältnis zum Arbeitsverfassungsgesetz sicherlich prüfen müssen.

Nun zur Gewerbeordnung. Faire Wettbewerbsbedingungen, erleichterte Zugangsvoraussetzungen, Absicherung der Lehrlingsausbildung durch Qualifikation der Lehrherren, Entbürokratisierung und Deregulierung im Anlagenrecht – das waren die Ziele dieser Novelle. Zwei große Bereiche umfaßt sie, nämlich das Berufszugangsrecht und das Anlagenrecht. Dem Gebot der Liberalisierung, denn die Liberalisierung war es ja, die zu dieser Novelle geführt hat, dem Druck, hier eine Änderung herbeizuführen, ist man nachgekommen durch Ausweitung der Befugnisse, Vereinigung verwandter Berufe, Aufhebung der Standortbindung, Erleichterung der Übernahme von Gesamtaufträgen, die Möglichkeit der fachübergreifenden Leistungen, gewerbliche Geschäftsführer auch für Einzelunternehmer unter dem Schlagwort "Supplierung" und die Schaffung von Teilgewerben.

Das Herzstück der Novelle ist aber für mich § 30: fachübergreifende Leistungen. Damit sind erstmals die bisher sehr strengen Grenzen der Gewerbeberechtigungen geöffnet worden, und Gewerbescheininhaber dürfen in Zukunft Leistungen auch aus anderen Gewerben erbringen, wenn dies die eigene Berechtigung sinnvoll ergänzt. Die Unternehmen bekommen damit praxisnahe Freiheit und Flexibilität (Beifall bei der ÖVP) und können sich auf dem Markt so bewegen, wie es der Markt erfordert, und sind nicht eingeengt auf die engen Grenzen einer Gewerbeberechtigung, sondern agieren marktkonform. Das ist aus meiner Sicht eine der gravierendsten Änderungen in diesem Gesetz, weil wir damit die statischen Grenzen von Gewerbeberechtigungen erstmals verlassen.

Für einfache Tätigkeiten und Teilgewerbe wird in Hinkunft die Lehrabschlußprüfung genügen, um sich selbständig zu machen. Die Berufsrechtsnovelle war getragen von der Zielsetzung: erleichterter Zugang unter Aufrechterhaltung des in Österreich hervorragenden Qualifikationsniveaus. Herr Kollege Peter! Wenn ich an das Qualifikationsniveau in Österreich denke, muß ich Ihrem Modell, wonach jeder alles kann – so nach dem Motto, wie in Ihrer Vorlage ausgeführt: Hausfrauen können auch Torten backen, also warum können sie nicht automatisch Konditor sein? –, eine klare Absage erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin für die Beibehaltung des Befähigungsnachweises, Herr Kollege Peter, und für die Ablegung der Unternehmerprüfung. Die großzügige Anrechnung von Vorqualifikationen aus schulischer und universitärer Ausbildung dient dem Prinzip des erleichterten Zugangs, aber die Qualifikation der Lehrherren ist das wesentliche Element der Lehrlingsausbildung (Abg. Mag. Peter: Das habe ich nie bestritten!), und das kann man nicht fallenlassen, Herr Kollege Peter, denn damit würden wir unser duales Ausbildungssystem aufgeben! (Beifall bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. )

Die Novelle versucht, im Anlagenrecht die überbordende Bürokratie zu mildern; Kollege Kopf hat das bereits ausgeführt. Ich bringe Ihnen ein Beispiel, meine sehr verehrten Damen und Herren: Ein renommierter Betrieb in Oberösterreich hat, durch alle Instanzen kämpfend, nach mühsamem Kampf gegen Anrainerbeschwerden und Beibringung von Gutachten endlich nach fünfeinhalb Jahren alle positiven Bescheide erwirkt. Nur: Dann hat er sie nicht mehr gebraucht, weil er schon seit drei Jahren 60 Kilometer nördlich, nämlich in der Tschechei, produziert hat.


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Wenn man Arbeitsplätze erhalten will, dann darf man nicht ständig den Unternehmern Prügel vor die Füße werfen! (Beifall bei der ÖVP.)

Die neue Gastgartenregelung mit Öffnungszeiten bis 22 Uhr erlaubt den Wirten, auf jeden Fall bis zu diesem Zeitpunkt offenzuhalten. Das heißt, die Gastgärten können trotz Anrainerbeschwerden bis 22 Uhr offengehalten werden. Weitergehende Regelungen – solche, Frau Rossmann, wie Sie sie sich wünschen – kann man im Zuge eines Genehmigungsverfahrens bescheidmäßig natürlich auch bekommen, wenn sie im Sinne des Konsenses für alle Anrainer verträglich sind.

Ich hoffe, daß die Behörden diese Möglichkeiten auch ausnützen, und ich hoffe auch, daß die Gewerbebehörden den Liberalisierungsgedanken, den wir da verankert haben, vollziehen und umsetzen und ihren gesamten Ermessensspielraum zugunsten der Arbeitsplätze und für den Wirtschaftsstandort Österreich nützen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.42

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mentil. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.42

Abgeordneter Hermann Mentil (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Ich bringe vorweg den Abänderungsantrag, der vom Kollegen Haigermoser noch begründet wird, ein.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mares Rossmann, Helmut Haigermoser und Kollegen zur Regierungsvorlage 575 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 und das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 geändert werden, in der Fassung des Ausschußberichtes 761 der Beilagen.

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage 575 der Beilagen in der Fassung des Ausschußberichtes 761 der Beilagen wird wie folgt geändert:

§ 148 Abs. 1 letzter Satz lautet:

"Gastgärten, die sich weder auf öffentlichem Grund befinden noch an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, dürfen jedenfalls von 9 bis 22 Uhr, vom 15. Juni bis einschließlich 15. September bis 23 Uhr betrieben werden, wenn sie die Voraussetzungen des ersten Satzes erfüllen."

*****

Dazu kommt noch der Zusatzantrag:

Zusatzantrag

der Abgeordneten Mares Rossmann, Helmut Haigermoser und Kollegen zur Regierungsvorlage 575 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 und das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 geändert werden, in der Fassung des Ausschußberichtes 761 der Beilagen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage 575 der Beilagen in der Fassung des Ausschußberichtes 761 der Beilagen wird wie folgt geändert:

§ 148 Abs. 1 erster Satz wird wie folgt geändert:


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"Die Wortfolge ,vom 15. Juni bis einschließlich 15. September‘ wird ersetzt durch die Wortfolge ,vom 1. Mai bis einschließlich 30. September’."

*****

Ich hoffe, ich habe jetzt diesem Anliegen Genüge getan.

Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Gewerberechtsnovelle 1997 sollte die Verwaltungsverfahren vereinfachen, die Verfahren beschleunigen, die Betriebsgründungen erleichtern. (Ruf bei der ÖVP: Bravo!) Sagen Sie nicht "bravo", denn wir haben das nicht erreicht!

Herr Regierungschef Bundeskanzler Klima hat erklärt oder hat als Hypothek, als Auflage mitgegeben: Weg mit den Monopolen! Diese Forderung war mit im Gepäck. Ich rufe es in Erinnerung. Die Gewerberechtsreform sollte dazu führen, 10 000 junge Unternehmer zusätzlich zu motivieren, zu aktivieren. Das werden wir mit dieser Novelle nicht erreichen; ich werde es noch begründen, warum. (Abg. Dr. Fekter: O ja!)

Vom Greißler mit dem Kaffee-Eck, mit Lotto und Schlüsseldienst et cetera, mit allem, was da vorgeschwebt ist und angekündigt wurde und man geglaubt hat erwirken zu können, sind wir aufgrund dieser Novelle weit weg. Viel zu viele Verfahren werden wir auch in Zukunft erleben. Wir werden die Bestätigung bekommen, daß wir zu viele Verfahren haben; ich wette da mit den sehr geehrten Damen und Herren. Daß aufgrund der langsamen Verfahren jährlich Verluste bei den Investitionen in Milliardenhöhe entstehen, wird auch in Kürze bestätigt werden. (Zwischenruf des Abg. Kopf. ) Das werden Sie schon sehen, Herr Kollege. Ich werde Sie dann daran erinnern. – Die Genehmigungsverfahren werden trotz der Möglichkeiten, die Sie hochpreisen und hochjubeln, sehr lange dauern. Die Schäden bleiben! Die Bürokratie kostet die Wirtschaft weiter Geld!

Jetzt zitiere ich einmal den Herrn Bundeskanzler, weil er diese Maßnahmen so forsch vorgegeben hat, damit ich Ihnen in Erinnerung rufe, wie weit Sie von Ihrer Zielsetzung weg sind. Am 30. Jänner 1997: Veränderung als Chance begreifen, hat der Herr Bundeskanzler gesagt. Klima wörtlich: Bedarf einer Modernisierung unseres Systems. Zur Bewältigung der Herausforderungen zur Jahrtausendwende zählt vor allem auch die Sicherung Österreichs als Investitionsstandort. Dafür müßten unnötige bürokratische Hindernisse weggeräumt werden, liberale Zugangsmöglichkeiten zum Gewerbe geschaffen werden. (Abg. Kopf: Haben wir gemacht!)

Glauben Sie wirklich, daß Sie das geschaffen haben? (Abg. Kopf: Ja!) Ich sage Ihnen: Sie haben es nicht geschaffen! (Abg. Kopf: Das ist Ihre Meinung!) Sie werden weiterhin – und da treffe ich ja Herrn Maderthaner mit seiner Wirtschaftskammerzeitung genau auf der Leber (Abg. Kopf: Argumente, nicht Zitate!)  –, so wie bis dato, geduldige Unternehmer brauchen, die bereit sind, Abwicklungsverfahren mit Rekordlänge im Vergleich zu anderen Staaten über sich ergehen zu lassen.

Es ist überhaupt lustig, wenn Herr Präsident Maderthaner hier vom Rednerpult aus die mangelnde Bereitschaft der Oppositionspolitiker mitzuarbeiten urgiert. Ja was soll denn dieser Blödsinn, bitte? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kopf. )

Die Opposition hat mitgearbeitet. Das Problem ist nur, daß die Regierungsrepräsentanten nicht bereit sind, Ideen aufzugreifen. Das ist Ihr Problem! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich komme auf den Solateur zurück, den ich wiederholt vorgeschlagen habe. Mein Betrieb ist ein Solateurbetrieb. Herr Kollege Kopf weiß gar nicht, was ein Solateur ist. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. ) Er weiß noch immer nicht, daß ein Solateur alles, was er aus der Sonne an Energie gewinnen kann, weiter vertreibt und verarbeitet. Aber woher soll er das auch wissen! Er ist im Energiewirtschaftsbereich bis dato liegend umgefallen und hat alle Zusagen, die er gegenüber Alternativlern gemacht hat, hintennach nicht eingehalten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Eine Tragödie! Es geht eben einmal so bei den sogenannten Wirtschaftskompetenzlern der ÖVP.

Herr Kollege Heindl bedankte sich rund 17mal bei allen, die mitgearbeitet haben, und bei allen Parlamentariern, die so tüchtig und so fleißig waren. (Abg. Dr. Fekter: Es ist ja auch ein gutes Werk geworden!) Ja verdammt noch einmal, wofür werden denn die Parlamentarier bezahlt, wofür bekommen sie Entschädigungen? Wofür bekommen die Beamten Gehälter? – Um zu arbeiten! Das ist doch eine Selbstverständlichkeit! (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka. ) Für einen Unternehmer ist es eine Selbstverständlichkeit, Herr Kukacka, daß gearbeitet wird. Dazu sind wir da, dazu sind wir gewählt worden, dazu sind wir berufen worden! (Abg. Mag. Kukacka: Warum habt ihr den Ausschußstreik gemacht? Das ist ein Kabarett, was Sie da bieten! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Frau Kollegin Tichy-Schreder! Ich muß wirklich feststellen, bei Ihnen hat man in den Ausschußverhandlungen sehr stark das Motiv gespürt, daß Ihnen die Strukturen der Wirtschaftskammer sehr wichtig sind: Da darf sich ja nicht zu viel ändern, da darf nicht zu viel passieren! Erhalten wir unseren Moloch so, wie er ist! Schauen wir, daß sich da ja nicht zu viel bewegt! Und wenn da zu viel zusammengelegt wird und zu wenige Gewerbe entstehen, soll man nicht kaschieren! (Abg. Tichy-Schreder: Sie haben es ausgeweitet!)

Ein paar Dinge möchte ich Ihnen noch mitteilen, Dinge, über welche Sie oberflächlich und völlig uninformiert hinweggegangen sind. (Abg. Dr. Khol: Warum haben Sie das nicht im Ausschuß gesagt?) Das habe ich Ihnen gesagt! (Abg. Dr. Khol: Im Ausschuß?) Ihnen nicht, Herr Khol, Sie waren ja nicht in den Ausschuß delegiert.

Die Überschneidung der beiden Bereiche Handel und qualifizierte Technik, die Überschneidung: Was darf der Techniker, und was darf der Händler im Bereich des Technikers?, diese Grenze haben Sie lebensgefährlich gezogen.

Bei der Abgrenzung, was Kaufhausketten und Großmärkte alles tun dürfen, wieweit sie in den Bereich der Dienstleistung vordringen dürfen, und zwar gerade im Elektrotechnikbereich, da sind Sie geschwommen, da waren Sie schlecht beraten, da dürften Sie wirklich völlig unbeleckt sein (Abg. Dr. Fekter: Wollen Sie wieder mehr Grenzen haben? Wollen Sie wieder einschränken?) , und ich fürchte heute schon, daß wir dort Probleme bekommen, weil Personen, die keine qualifizierten Fachleute sind, im technischen Bereich herumklemmen, herumfuhrwerken, herumschalten werden. Sie werden das erleben. Im Pfusch wird das geschehen. (Abg. Kopf: Wollen Sie mehr Regulierung?) Sie hätten bei den steckfertigen Geräten bleiben sollen. Aber das, was Sie da gezaubert haben, zeugt von Unkenntnis. (Abg. Dr. Fekter: Wollen Sie einschränken?)

Meine Damen und Herren! Sie werden mit dieser Novelle auch zur Kenntnis nehmen müssen, daß Sie das Pfuschertum nicht in den Griff bekommen werden, wie Sie blauäugig verkündet haben. Es wird aufgrund dieser Novelle keinen Pfuscher weniger geben. (Abg. Dr. Fekter: O ja, weil wir ...!) Ich sage Ihnen, Frau Kollegin Dr. Fekter: Wer pfuschen will, der pfuscht! Mit der Gewerbeordnungsnovelle, die Sie jetzt aus dem Hut gezaubert haben, werden Sie das Pfuscherwesen nicht in den Griff bekommen können. (Abg. Dr. Fekter: Nein, so ist das nicht!) Verlassen Sie sich darauf, es wird weitergepfuscht werden.

Meine Damen und Herren! Sie werden weiterhin zur Kenntnis nehmen müssen, daß die kaufmännische Qualifikation der kommenden Unternehmer in der ganzen Konzeption zu wenig berücksichtigt wird, da darauf zu wenig der Schwerpunkt gelegt worden ist.

Glauben Sie mir, die Realität ist weit voraus, Sie laufen wieder einmal hinten nach, und Ihre Bemühungen, eine Gewerberechtsnovelle auf die Füße zu bringen, ist im Interventionssumpf steckengeblieben. (Bravoruf und Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.52

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die beiden soeben verlesenen Anträge wurden ordnungsgemäß eingebracht, sind entsprechend unterstützt und stehen mit in Verhandlung.


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Ich möchte noch bemerken, daß das Wort "blödsinnig" nicht unbedingt zum parlamentarischen Sprachgebrauch werden sollte. (Abg. Dr. Khol: Aber in der Realität ist es das schon, Herr Präsident!)

Zu Wort gemeldet ist als nächster Herr Abgeordneter Marizzi. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.52

Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, ein Dankeschön für eine gute Arbeit kostet nichts und motiviert die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, so auch jene Personen, die an dieser Gewerbeordnungsnovelle mitgearbeitet haben.

Herr Kollege Mentil! Gewerbeordnung bedeutet Wirtschaft. So soll mit dieser Gewerbeordnung eine Gründerwelle ausgelöst werden. Es sollen neue Unternehmungen und damit auch neue Arbeitsplätze geschaffen werden können und Umsatzgewinne erzielt werden können. So schlecht können wir gar nicht liegen, wenn man am Montag im "Kurier" lesen konnte, daß es in Österreich 1,6 bis 1,7 Prozent Wirtschaftswachstum gibt. Das kommt ja nicht von ungefähr, sondern das ist auf die politischen Rahmenbedingungen, die diese Bundesregierung geschaffen hat, zurückzuführen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie sollten, weil Sie immer wieder Zeitungen zitieren, auch einmal die "Neue Zürcher Zeitung" lesen, und zwar den Artikel "Ohne Wandel kein Wohlstand", "Eine Strategietagung gegen Schwarzmaler ...".

Es hat hier heute der Herr Bundesminister Farnleitner in der Fragestunde zur Kenntnis gebracht, daß Österreich Exportsteigerungen auf den Märkten zu verzeichnen hat, die im Drei-, Vier-Prozentbereich liegen. Darauf können wir doch stolz sein! Man kann doch nicht ununterbrochen alles, was wir schaffen, heruntermachen.

Ich stelle Sie, Herr Kollege Mentil, nicht auf die Stufe des Herrn Pilz, der in Amerika Aussagen getätigt hat, mit denen er unserem Land einen politischen Schaden – diesen möchte ich jetzt gar nicht werten – und auch einen wirtschaftlichen Schaden zugefügt hat, einen Schaden, der nicht auszudenken ist. Ich meine, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß der Herr Pilz in Amerika bleiben sollte. Aber wahrscheinlich behalten sie ihn dort gar nicht. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Blünegger: Was hat das mit der Gewerbeordnung zu tun?) Aber vielleicht kann er beim Zurückfliegen einen Zwischenstop in Kuba machen und dort lange, lange bleiben, denn dort ist er ohnehin immer gerne gewesen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Aber zusammen mit dem Seppi Cap!) Das glaube ich nicht, Herr Dr. Khol, der Cap war nie auf Kuba, der Pilz war auf Kuba. Der Cap war in Moskau. (Heiterkeit.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kehre nun wieder zur Gewerbeordnung zurück. Die Gewerbeordnung ist eine der wichtigsten Wirtschaftsgesetze. Sie erfüllt zwei ganz wichtige Faktoren: Sie schafft die Rahmenbedingungen für 1,4 Millionen Beschäftigte – 400 000 im Handel, 470 000 in der Industrie und 500 000 im Gewerbe –, und sie regelt vor allem den Zugang zum Gewerbe.

Meine Damen und Herren! Im "WirtschaftsBlatt" vom Donnerstag, dem 12. Juni 1997, steht unter der Überschrift "Der Schritt in die Selbstständigkeit wird einfacher – raschere Anlagengenehmigungen, Gewerbe: Sägen an Privilegien": "Gewerbebetriebe haben es bald leichter. Raschere Abwicklungen von Anlagengenehmigungen und ein einfacher Zugang zum Unternehmertum sind Ziele der heute im Parlament behandelten Gewerbenovelle." Also so schlecht kann diese Gewerbeordungsnovelle doch nicht sei! Es wird die Anzahl der Gewerbe reduziert. Es wird die Zahl der Handwerksberufe reduziert. Es werden Verbesserungen gemacht. So darf jetzt ein Installateur auch Fliesen reparieren, und ein Möbelhändler darf Küchen installieren.


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Also, meine sehr geehrten Damen und Herren, da geht es schon auch ein bißchen um politisches Kleingeld, was von der Koalition kommt, das darf eben nicht gut sein, und daher sind Sie dagegen. Das ist immer so.

Ich glaube, daß diese Gewerbeordnung auch Arbeitsplätze schafft. 1 Prozent Arbeitslosigkeit kostet uns 10 Milliarden Schilling. Das wissen wir. In einer Zeit, in der Europa dabei ist, sich mancherorts kaputtzusparen – ich bin froh, daß die Deutschen jetzt einen Meinungsumschwung erleben, daß sie neben der Währungsunion auch eine Beschäftigungsunion einführen wollen; das ist in der APA nachzulesen –, dürfen wir stolz sein, daß wir bei der Modernisierung der Wirtschaft und der Gesellschaft mittun.

Was den Stabilitätspakt und die Export- und die Technologieoffensive im Zusammenhang mit der Gewerbeordnung betrifft, bin ich sehr positiv eingestellt. Ich habe gestern in der letzten Ausgabe der Metallarbeiterzeitung gelesen (Zwischenruf des Abg. Blünegger )  – Glückauf!; ich glaube, Sie sind auch ein Metallarbeiter gewesen (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Blünegger ), richtig, das freut mich auch –, daß die Porsche-Holding zum 50. Geburtstag ihrer Unternehmensgründung 50 neue Lehrstellen schafft. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für dieses Unternehmen ist das eine große Leistung, und ich glaube, das sollte uns veranlassen, auch andere Unternehmen aufzufordern, ähnliche Dinge zu machen. Denn: Es ist nicht leicht, in der Jugend arbeitslos zu sein, und es ist sicher auch nicht leicht, mit 45 Jahren zum alten Eisen zu gehören.

Damit ich nicht nur lobe: Sehr geehrter Herr Bundesminister, ich habe mich in meiner Fraktion nicht durchgesetzt, und meine Fraktion hat sich im Unterausschuß gemeinsam mit den Gastwirten nicht durchgesetzt – ich sage das jetzt einmal vorsichtig –, daß wir eine Regelung schaffen, damit man das bei Feuerwehrfesten nicht immer aufkocht, daß das Ganze einmal weg ist. Wir stellen uns am Sonntag auf dem Land zu den Feuerwehrzelten und sagen, wie wunderbar die Feuerwehr ist und was sie alles leistet und daß wir auf die Feuerwehr nicht verzichten können, und dann schaffen wir da keine echte Regelung. (Zwischenruf des Abg. Dr. Khol. ) Ich glaube, Herr Dr. Khol, man sollte da eine Regelung angehen. Sie gehen nächstes Mal mit mir auf ein Feuerwehrzeltfest, und dann werden wir sehen, wer dort den meisten Applaus bekommt. Sie sicher nicht, Herr Dr. Khol, denn nur reden und dann nicht handeln, ist, glaube ich, nicht richtig. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Khol. )

Ich glaube, sehr geehrter Herr Bundesminister, daß man da zu einer Regelung auf Landesebene oder sogar zu einer solchen auf Bundesebene kommen sollte. Die Feuerwehr steckt das Geld sicher nicht ein, sondern sie investiert es in Geräte, in die Ausbildung der Jugend und so weiter. Es bleibt also ein kleiner Wermutstropfen.

Zusammenfassend kann man sagen: Diese Novelle schafft Liberalisierung, verhindert einen Wildwuchs, ermöglicht eine positive Entwicklung für die Arbeitnehmer und für die Unternehmer und schafft gute Bedingungen für Betriebsansiedlungen beziehungsweise Betriebsgründungen. Ein herzliches Dankeschön! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.59

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Reichhold. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.59

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Hohes Haus! Sehr verehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Bundesminister! Gewerbeordnung: eitel Wonne in der Koalition, gegenseitige Danksagungen. So weit, so gut, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Nur: So harmonisch kann es denn doch wieder nicht sein, denn es gibt eine sehr böse, gegen die Bauern gerichtete Anfrage von Kollegen, Herr Schwarzböck, die mit Ihnen gemeinsam in der Regierung sitzen, nämlich von den Abgeordneten Kiermaier und Mag. Kaufmann, in der die Hetze gegen die Bauernschaft und die Scharfmacherei wie eh und je weitergeht.


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Ich würde das noch verstehen, wenn diese Anfrage vor der Einigung im Ausschuß eingebracht worden wäre, aber sie ist, Herr Präsident Schwarzböck, am Tag der Einigung eingebracht worden. Daher glaube ich, daß Sie jenen Scharfmachern in Ihrer Koalition auch einmal ins Stammbuch schreiben sollten, daß Bauern und Gewerbetreibende in einem Boot sitzen. Die gesamte unwürdige Diskussion, bei der monatelang Bauern gegen Gewerbetreibende aufgehetzt wurden, hat weder den Bauern noch den Gewerbetreibenden etwas gebracht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Faktenlage ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, ja eine ganz andere: Nach dem EU-Beitritt – das entnehme ich dem Konsumentenbericht – gab es im Jahre 1995 bei Fleisch einen Preissturz für den Produzenten im Ausmaß von 22 Prozent. Der Konsument profitierte davon aber nicht, denn die Spanne wurde nicht weitergegeben. Für ihn verbilligte sich im Jahre 1995 das Fleisch lediglich um 1 Prozent. Bei Brotgetreide war es noch viel schlimmer: 46 Prozent minus. Dieser Preissturz wurde jedoch auch nicht weitergeleitet. Im Gegenteil: Für den Konsumenten wurde das Brot teurer.

Wer sind die "Kriegsgewinnler" des EU-Beitritts? Es sind nicht die Bauern, auch nicht die kleinen Gewerbebetriebe. Wenn Sie sich den Konsumentenbericht genau anschauen, dann werden Sie sehen, daß 90 Prozent der Verkaufsfläche im Handel größer als 150 Quadratmeter sind. Die Gewinner sind daher auch nicht die Greißler, die kleinen Bäcker oder die kleinen Fleischer, diese stehen alle mit dem Rücken an der Wand und "sterben". Sie können sich ausmalen, wer die Profiteure des EU-Beitritts sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In einer derartigen Situation eine Diskussion zu führen, die zwei Ertrinkende noch stärker in die Tiefe reißt, ist verantwortungslos. Das hätten Sie sich ersparen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Situation in der Bauernschaft ist dramatisch. Laut Caritas lebt bereits ein Drittel an der Armutsgrenze. Alle zwei Stunden wird in Österreich ein bäuerlicher Arbeitsplatz vernichtet. Zehn Betriebe sperren pro Tag zu. Deshalb haben wir uns erhofft, daß es im Rahmen der neuen Gewerbeordnung für die Bauernschaft keine Schlechterstellung geben wird, sondern Verbesserungen für die kleinen und Kleinstgewerbebetriebe. Doch wenn man sich jetzt die konkreten Auswirkungen Ihrer Gewerbeordnung anschaut, dann muß man feststellen, daß von dem, was Sie angekündigt haben, nicht viel übrig- geblieben ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben vor dem EU-Beitritt gesagt, daß die Preise fallen werden, man aber in die Direktvermarktung ausweichen könne. Sie haben nicht dazugesagt, daß es zum Teil schikanöse EU-Bestimmungen im Hygienebereich geben wird, die zwar für Großschlachthöfe ab 1 000 GVE pro Jahr finanzierbar, aber für Direktvermarkter untragbar sind. Da wird es zu einer nationalen Lösung kommen müssen, es wird zu einer – ich nenne jetzt dieses Reizwort – Renationalisierung in diesem Bereich kommen müssen, damit Waffengleichheit zwischen den Großen und den Kleinen bestehen bleibt.

Sie haben, Herr Präsident Schwarzböck, gemeinsam mit dem Herrn Schwarzenberger, der sogar kurzzeitig Herrn Stummvoll überzeugt hat, noch beschwichtigt, als es um die Pauschalierungsfrage und um die Aufzeichnungspflicht gegangen ist. Beide habt Ihr in einer Aussendung gemeint, das sei nur eine bürokratische Belastung. Jetzt tritt genau das Gegenteil ein: Jetzt haben wir die Bürokratie für den Bauern und für den kleinen Gewerbebetrieb.

Sie haben vor dem EU-Beitritt gesagt, daß es in der Frage der Fremdenzimmervermietung zu einer Verbesserung kommen wird. Der Himmel hing ja voller Geigen für die Landwirtschaft. Ich habe mir nicht vorstellen können, daß Sie die Versprechungen, die Sie vor dem EU-Beitritt gemacht haben, auch tatsächlich werden erfüllen können. Heute stellen wir fest, daß die Bettengrenze bleibt und daß es in einigen Bereichen noch zu Änderungen kommen wird. Konkreteres sagen Sie ja nicht dazu.

Sie haben vor dem EU-Beitritt gesagt, es werde in der Landwirtschaft zu einer Ausweitung der Nebengewerbe, zu Erwerbskombinationen – Fuhrwerksdienste, kommunale Dienstleistungen – kommen. Davon ist in dieser Gewerbeordnung nichts enthalten, nichts konkret formuliert. Man


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kann diese Nebengewerbe nur dann ausüben, wenn man tatsächlich auch ein Gewerbe anmeldet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Es geht dabei auch um die Glaubwürdigkeit der Politik. Das, was man vor dem EU-Beitritt verspricht (Abg. Leikam: Das haben wir nach dem Beitritt eingehalten!) , sollte man nach dem EU-Beitritt auch halten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Puttinger. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

14.05

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute begehen wir den 50. Jahrestag der Wiederbegründung des österreichischen Sozialversicherungswesens.

Ich erwähne das nicht etwa deshalb, weil ich ein falsches Konzept habe, sondern deswegen, weil ich glaube, daß die heute zur Beschlußfassung anstehende Gewerberechtsnovelle für die Wirtschaft ein ebenso großer Meilenstein ist, wie dies die Sozialversicherung für die Bevölkerung unseres Landes ist.

Die Gewerbeordnung in der neuen Fassung ist ein guter Grundstein, wird eine gute Verfassung für die Wirtschaft in der Zukunft sein.

Meine sehr geehrte Damen und Herren! Sie alle wissen, was für die Flexibilisierung der Wirtschaft gefordert wurde: die Erleichterung des Zuganges, die Verbreiterung des Gewebeumfanges, die Verwaltungsvereinfachung. Ich glaube, daß mit dieser Novelle zur Gewerbeordnung diese Punkte im wesentlichen erfüllt sind. Wir haben die Einführung der vollen Supplierungsmöglichkeit durchgesetzt. Wir haben die Zahl der Gewerbe um fast 50 Prozent reduziert. Warum glauben Sie das nicht? Lesen Sie nach! Zählen Sie das durch, dann werden Sie das Ergebnis sehen! Wir haben verbundene Gewerbe geschaffen. Wir haben die Teilgewerbe eingeführt. Das werden Sie akzeptieren müssen.

Die Verringerung der Zahl der Gewerbe sowie die Verkürzung der Verfahren sind Tatsachen. Man braucht kein Verfahren mehr, wenn man eine Maschine durch eine neue ersetzen will; solche Fälle machen immerhin 80 Prozent der derzeitigen Anlageverfahren aus.

Auch auf die Unternehmensgründungen wird sich die neue Gewerbeordnung auswirken; wie wichtig das ist, brauche ich, glaube ich, in diesem Hause nicht zu erwähnen. Wir brauchen eine Gründerwelle, wir brauchen Unternehmer, die sich etwas zutrauen, die Ideen haben und Arbeitsplätze schaffen. Meiner Meinung nach ist das eine Schicksalsfrage unseres Landes.

Hohes Haus! Die Novelle der Gewerbeordnung steht unter dem Motto: "Renovieren statt demolieren". Demolieren bedeutet, das Kind mit dem Bade auszuschütten – so wie es das Liberale Forum wollte. Das Liberale Forum will, wie wir gehört haben, überhaupt alle Zulassungsbestimmungen aufheben, mit Ausnahme von acht Gewerben. Die Meisterprüfung würde nach Vorstellung des Liberalen Forums nur eine Voraussetzung für die Ausbildung von Lehrlingen auf freiwilliger Basis darstellen. Über den Versicherungsvorschlag des Liberalen Forums möchte ich jetzt nicht mehr reden, darüber wurde bereits genügend diskutiert.

Ähnliche Vorstellungen haben die Freiheitlichen. Ich glaube, das sollte man auch öffentlich sagen, weil sich die Freiheitlichen ja immer als Vertreter des Gewerbes bezeichnen. Wenn es nach den Plänen der Freiheitlichen ginge, dann wäre die Meisterprüfung nicht mehr sichergestellt. In einem Antrag der FPÖ im Parlament ist vom Wegfall der Unternehmerprüfung und von der Freiwilligkeit der Meisterprüfung zu lesen. (Zwischenruf des Abg. Blünegger. )  – Sie werden wohl Ihren eigenen Antrag kennen. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die ÖVP ist nicht bereit, auf eine derartige Sache einzugehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Stichwort: Schrankenlose Liberalisierung. (Abg. Blünegger: Als Kammerfunktionär bauen Sie noch weiter Privilegien ab! Das paßt!)  – Horchen Sie zu! Schrankenlose Liberalisierung wird höchstens zu mehr Insolvenzen und zum Verlust des Markenzeichens Qualität führen. Mit der Verwirklichung Ihrer Vorstellung, meine sehr verehrten Damen und Herren vom Liberalen Forum und von den Freiheitlichen, können wir die europaweit anerkannte Qualität der Leistung und Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmerinnen, unserer Unternehmer, unserer Mitarbeiterinnen, unserer Mitarbeiter in den Rauchfang schreiben. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die neue Gewerbeordnung ist ein Schritt, der auf jeden Fall weitere Anpassungen nach sich ziehen wird, sei es in der Berufsausbildung, sei es in den Kammern. Dazu stehe ich! Dieser Herausforderung stellen wir uns! Wir sind gerne Unternehmer, und wir sind Unternehmer, die gewohnt sind, auf geänderte Verhältnisse einzugehen und zu reagieren.

Es gilt, bei allen Erleichterungen beim Zugang zum Gewerbe die hervorragende Qualität, die fachkundige Beratung, die gute Betreuung des Konsumenten – Herr Kollege Peter, der Kunde ist König, wie Sie immer sagen – weiterhin zu gewährleisten. Das wollen wir mit dieser Gewerbeordnung!

Der austro-amerikanische Motivforscher Ernest Dichter hat einmal überzeugend festgestellt: Der Konsument will etwas, woran er sich halten kann, woran er glauben kann. – Ich glaube, das alte österreichische Sprichwort: "Da weiß man, was man hat." ist da genauso gültig. Die Österreicherinnen und die Österreicher wissen, was sie von einer fachkundigen Ausbildung zu halten haben, wie verschiedenste Marktforschungen das ja auch immer wieder beweisen.

Zum Schluß ein Wort noch zur Landwirtschaft. Ich begrüße es absolut, daß zwischen der Landwirtschaft und der Wirtschaft eine akzeptable Lösung erarbeitet werden konnte. Die nun im vorliegenden Intiativantrag vorgesehenen Regelungen sind auch für uns akzeptabel. Ich bin der festen Überzeugung, daß damit die Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaft und den Bauern, die für mich eine unabdingbare ist, auf neue, gute Beine gestellt wird und sie von beiden Seiten akzeptiert wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir beschließen heute meiner Meinung nach eine moderne, richtungweisende Gewerbeordnungsnovelle, durch die der Wirtschaftsstandort Österreich gerade im Hinblick auf den europäischen Wettbewerb gestärkt und die heimischen Betriebe auch gewerberechtlich eurofit gemacht werden.

Bei solch großen Veränderungen wie der Gewerbeordnung sollte meiner Ansicht nach folgender Leitspruch, den die ÖVP auch befolgt, gelten: "Love it, was gut ist; leave it, was nicht mehr zeitgemäß ist; und change it, was notwendig ist." – Wir von der ÖVP bewahren das, was sich bewährt hat. Wir von der ÖVP verändern, was zu verändern ist, aber das tun wir verantwortungsbewußt. (Beifall bei der ÖVP.)

14.12

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung ist von Herrn Abgeordneten Mag. Firlinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.12

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nach dem bisher Gesagten zum Thema der Gewerbeordnung habe ich noch einiges hinzuzufügen, Herr Kollege Peter, aber eines ist sicher: Grund zum Feiern, Grund für Jubelstimmung, Grund, einen neuen Aufbruch im Lande Österreich zu feiern, ist auf Grundlage dieser neuen Gewerbeordnung sicherlich nicht gegeben.

Herr Bundesminister! Als Sie vor nicht allzu langer Zeit Ihr Amt angetreten haben, war die Erwartungshaltung sehr groß. Ich kann mich noch genau erinnern, was Sie den Gewerbetreibenden hier alles versprochen haben. Sie sind mit dem Bestreben angetreten, einen radikalen Durchbruch zu schaffen, die Gewerbeordnung wirklich radikal zu verändern, und plötzlich war


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das Erstaunen und auch die Erzürnung in Ihrer eigenen Kammer sehr groß. (Abg. Zweytick: Radikal seid nur Ihr!)

Diese große Erwartungshaltung wurde dann angesichts der Entwürfe immer kleiner, und ich würde heute sagen, die Diskrepanz zwischen dem, was Sie am Anfang propagiert haben – nämlich wirklich einen radikalen Entwurf vorzulegen –, und dem, was dabei herausgekommen ist, ist gewaltig. Es war ein langer Kampf. Ich kann aber nicht nachvollziehen, warum sich jetzt Kollegin Tichy-Schreder so beeilt, von der großen Harmonie und von der großen Eintracht, die da im Endeffekt zustande gekommen sei, zu sprechen und zu meinen, es hätte sich alles in Wohlgefallen aufgelöst. In Wirklichkeit sind, meine Damen und Herren, die Fetzen geflogen! Hinter den Türen bei Geheimverhandlungen sind die Fetzen geflogen. (Abg. Dr. Trinkl: Ihr wart ja gar nicht dabei! Ihr wart ja auf Sonderurlaub!)  – Geh, Herr Kollege Trinkl, das hat doch ein Blinder mitbekommen! Sie haben es, wie es der Kollege Haigermoser geschildert hat, wirklich verstanden, sich überall unbeliebt zu machen. (Abg. Dr. Trinkl: Der war ja auch nicht dabei!) Das war sozusagen der Output von dem, was Sie hinter den Türen verhandelt haben. Beschönigen Sie jetzt bitte nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ihre Verhandlungen mit den diversen Fachinstitutionen, mit Ihren Vertretungskörperschaften, die Sie für sich reklamieren, waren so "erfolgreich", daß überall die Faxe glühten, sodaß kein Mensch mehr eine Nachricht in die Klubs schicken konnte, weil es überall einen Sturm der Entrüstung gab und der Protest so groß war. Die Leitungen sind stillgestanden. Das war Ihre "erfolgreiche" Verhandlungspolitik! Geh, hören Sie mir auf, Herr Kollege! (Abg. Zweytick: Hart, aber herzlich!)

Daher gibt es auch jetzt keinen Anlaß für irgendwelche Lobeshymnen. Ich möchte von dieser Stelle aus sagen: Es wurden einige Verbesserungen erreicht, aber es ist Ihnen kein großer Wurf gelungen. Nehmen Sie gedanklich bitte Abstand von dieser aberwitzigen Idee!

Zweiter Punkt: Ich stelle eine These auf – ich bin so vermessen – und sage Ihnen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien: Solange es keine wirklich umfassende Reform des Kammerwesens gibt, so lange wird Ihnen auch kein großer Wurf bei der Gewerbeordnung gelingen. Ich prophezeie Ihnen das, und Sie können das in einigen Jahren überprüfen. Sie haben in Ihrem Kammerwesen einfach zu viele Aufpasser.

Aus dem Umstand der vielen Aufpasser, die darüber wachen, daß niemand ausschert – daran hat sich durch die neue Gewerbeordnung auch nichts geändert –, resultiert ein Beschäftigungsproblem. Würden Sie nämlich hergehen und die vielen Beschäftigten in den Kammern sinnvoll einsetzen, sodaß Aufträge zustande kommen, sodaß Aufträge vermittelt werden, wie das die Kammern anderer Länder machen, dann würden Sie produktiv für die österreichische Volkswirtschaft arbeiten und sich nicht nur auf die Aufpasserrolle beschränken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

An den Kollegen Kaufmann möchte ich auch ein Wort richten. (Abg. Dr. Trinkl: Sie sind wirklich ein Kenner der Materie!) Kollege Kaufmann hat sich beeilt, vom Rednerpult aus zu sagen: Eigentlich ist dieses Aufmachen etwas Amerikanisches, das abzulehnen ist, in Amerika herrscht das große Drama. – Meine Damen und Herren! In Amerika herrscht nicht das große Drama. Kollege Kaufmann sollte öfter mach Amerika fahren und dort die Verhältnisse studieren. Dort ist ein Beschäftigungswunder entstanden. Dort gibt es aber auch Kammern, die nicht reglementieren, sondern die für ihre Mitglieder tätig sind. Doch dort werden die Kammern akzeptiert, sie haben keine Akzeptanzprobleme, auch wenn es überwiegend Fachkammern sind.

Ich lasse auch das vielstrapazierte Gegenargument des McJobs nicht gelten. Das ist eine Diffamierungskampagne, die in den Bereich der primitiven Antiamerikanismen von späten Ablegern der 68er-Generation gehört.

Meine Damen und Herren! Hören Sie bitte auf, diese neue Gewerbeordnung als große Errungenschaft zu zelebrieren! Sie stellt einen kleinen Schritt mit einigen Verbesserungen dar – das habe ich schon gesagt –, aber zu bejubeln gibt es da nichts. Nehmen Sie bitte einen neuen Anlauf! Gestehen Sie gegenüber der Öffentlichkeit ein, daß zu viele Zentrifugalkräfte wirksam


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waren und daß daher der Output klein war! Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! Nehmen Sie einen neuen Anlauf! Dann wird auch unsere Begeisterung als Oppositionspartei eine größere sein als diesmal. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.18

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt vom Herrn Abgeordneten Dr. Jarolim vor. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.18

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Naturgemäß ist es so, daß die Opposition die Leistungen der Regierung etwas negativer, etwas destruktiver darstellt, als sie tatsächlich sind. Ich möchte folgendes dazu sagen: Daß die Fetzen geflogen sind, wie gesagt worden ist, habe ich – auch ich war im Unterausschuß dabei – nicht erlebt. Daß die Leitungen geglüht haben, habe ich erlebt.

Ich glaube aber, daß man folgendes sagen muß: Es ging bei dieser Gewerbeordnung eben um sehr unterschiedliche Interessen verschiedener Bevölkerungsgruppen, einerseits der Arbeitnehmer, andererseits der Arbeitgeber, einerseits der Bauern, andererseits der Gewerbetreibenden. Man kann doch wirklich nicht glauben, daß all dies unter einen Hut zu bringen ist, daß all dies ohne Wellen über die Bühne geht. Daher hat es naturgemäß weniger oder mehr massive Versuche gegeben, in die eine oder andere Richtung zu gehen. Ich finde es daher nur allzu logisch, daß man halt dann auch die Faxgeräte heiß laufen läßt. Ich finde das nicht schlecht, wenn das letztlich dazu beiträgt, bessere Lösungen zu finden. Es ist ja nicht gesagt, daß es unbedingt dazu beigetragen hat, aber ich akzeptiere wenigstens, daß wir eine Möglichkeit haben, Willenskundgebungen durchzuführen, und das würde ich nicht unbedingt als eine Abqualifikation des vorliegenden Werkes bezeichnen.

Es ist, glaube ich, völlig unbestritten, daß es eine Liberalisierung aufgrund dieser neuen Gewerbeordnung geben wird. Wenn man sich jetzt herstellt und sagt, das sei nicht richtig, das stimme nicht, so muß ich sagen: Das ist schlicht und einfach nicht nachvollziehbar! Ich würde Sie herzlich einladen, diese allgemeinen Behauptungen etwas zu präzisieren, insbesondere zu beweisen, daß das nicht zu finden ist. Dann kann man vielleicht sachlich darüber reden.

Es gibt im Verfahrensrecht deutliche Verbesserungen. Es gibt Verfahrenskonzentrationsbestimmungen, die sicherstellen, daß wir Gewerbeordnungsverfahren wesentlich schneller über die Bühne bringen können. Man kann jetzt im Rahmen laufender Großprojekte Änderungen durchführen, was bis dato nicht möglich war. Es gibt ein konzentriertes Verfahren, es gibt absehbare Verfahrenszeiten. Warum das schlecht sein soll, ist mir nicht klar.

Wir haben die Zahl der Gewerbe von insgesamt 153 auf 83 nahezu halbiert; das Handwerk von 96 auf 43. Was daran schlecht sein soll, weiß ich nicht. Ich kann nur eines dazu sagen: Schon aufgrund der Ziffern ist für mich selbstverständlich, daß es in Zukunft weniger Administrationstätigkeit geben wird als bisher.

Weil hier heute die Rede davon war, daß man jetzt sogar die Abmeldung eines Gewerbes bei der Behörde durchführen muß, dann möchte ich dazu bemerken – und ich weiß nicht, wen die FPÖ hier tatsächlich vertritt –: Wenn zum Beispiel eine Tankstelle oder andere Gewerbe kontaminierte Erde hinterlassen, dann besteht naturgemäß ein Interesse daran, daß die Beendigung dieses Gewerbebetriebes überprüft wird. Die Überprüfung dieser Beendigung wird dann ans Tageslicht bringen, ob noch irgendwelche Reste – etwa im Umweltschutzbereich – vorhanden sind, die noch zu sanieren sind, und zwar durch den Gewerbetreibenden.

Sie sagen, das stört Sie. Das ist natürlich ein legitimer Standpunkt, aber es ist ein Standpunkt, den wahrscheinlich der Großteil der Bevölkerung nicht vertritt.

Genauso ist es hinsichtlich des Standpunktes in der Diskussion um die Sperrzeiten der Gastgärten. Man weiß, daß alle Gastwirte auf privaten Flächen – also nicht anrainend an öffentliche Flächen – die Möglichkeit haben, eine Sperrzeitverlängerung zu erwirken, wenn die Umgebung, wenn die Anrainer dies tolerieren, wenn nicht zu befürchten ist, daß dadurch übermäßig viel


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Lärm erzeugt wird. Ich meine, man soll unter diesen Umständen von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machen.

Irgendwer muß aber auch die Anrainerinteressen wahren. Wenn man festlegt, bis 23 Uhr kann, egal in welcher Anlage auch immer und unabhängig davon, ob das auf privaten oder öffentlichen Grundstücken ist, offengelassen werden, dann schafft man dadurch ein Problem, nämlich daß sich die Anrainer wahrscheinlich nur sehr schwer wehren können.

Warum soll es nicht legitim sein, bei der Behörde einen Antrag zu stellen und zu sagen: Wir wollen die Verlängerung, wir können garantieren, daß es keine Ärgernisse gibt! Dann wird es diese Genehmigung auch geben. – Warum man deshalb hier einen Wirbel inszeniert, ist mir unverständlich.

Zusammenfassend kann man sagen, daß das Ergebnis ein gutes, ein ausgewogenes ist. Es wird sich zeigen, wie die Behörde damit umgeht, ob es tatsächlich das wird, was wir alle uns davon erhoffen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Fekter .)

14.23

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Prinzhorn. Freiwillige Redezeitbeschränkung 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.23

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Wer heute früh den Fernseher eingeschaltet hat, hat schon gewußt: Heute gibt es eine große Feier im Regierungsfernsehen. Im Proporzfernsehen hat man erfahren können, daß von 800 Berufen nur mehr 10 Prozent geregelt sind. Eine tolle Meldung, die wirklich zu großer Hoffnung Anlaß gibt! Tatsache ist aber, daß 80 Berufe nach wie vor geregelt sind.

Wenn Sie, Herr Präsident Maderthaner und Frau Fekter, bei dieser Gewerbeordnungsnovelle von einem Meilenstein sprechen, dann muß ich dem Abgeordneten Haselsteiner wirklich recht geben, wenn er meint, das sei ein Steinchen, ein kleines Kieselsteinchen. (Abg. Dr. Fekter: Aber ein gutes!) Ich gebe schon zu, es geht einmal in die richtige Richtung, Frau Fekter, Sie wandeln schon wieder auf unseren Spuren. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Aber leider sind Sie auf halbem Wege steckengeblieben, Frau Fekter, wie Sie das meistens tun. (Abg. Tichy-Schreder: Herr Abgeordneter Prinzhorn! Sie haben mit Ihrem Antrag 100 Berufe vorgeschlagen!) Sie, Frau Tichy, gehören da auch dazu. (Abg. Dr. Khol: Über 100 Berufe! – Abg. Tichy-Schreder: Über 100 Berufe haben Sie vorgeschlagen!) Regen Sie sich nicht so auf, Frau Tichy, das tut Ihrer Gesundheit nicht gut!

Die Modisten, Hutmacher und Kappelmacher haben Sie auf einen Beruf zusammengezogen. Ich gratuliere Ihnen, Frau Tichy-Schreder! Die Kappelmacher haben Sie mit den Modisten zusammengezogen. Na gratuliere! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Sie wissen, wie unsere Vorschläge ausschauen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie sind auf halbem Weg steckengeblieben. Sie müssen nicht den ganzen Weg der Liberalen gehen, aber 50 Jahre zu spät sind Sie dran, und da sind Sie noch steckengeblieben. So ist es!

Die Regierungsvorlage, die Sie hier vorgelegt haben, enthält keine Verfahrenskürzung (Abg. Dr. Fekter: Dann haben Sie sie aber nicht gelesen! – Abg. Tichy-Schreder: Er versteht es nicht!) Sie enthält nichts Neues hinsichtlich der Betriebsanlagengenehmigungen, daß man nämlich die Genehmigungen unbeschadet dessen, ob man bei Fristsetzungen säumig ist oder nicht, bekommt. Es müßte so sein, daß man diese Genehmigungen bekommt und auf eigene Gefahr mit seinen Betriebsanlagen anfangen kann. (Abg. Dr. Fekter: Das vereinfachte Verfahren bringt eine Verkürzung, Herr Prinzhorn!)

Mit den Bescheidwesen und den Kommissionen, die Sie eingeführt haben, werden keine Verkürzungen erreicht werden können. Das ist eben das Problem! Sie haben Gummiparagraphen gemacht, Frau Fekter, wie zum Beispiel den, daß der Stand der Technik gewahrt bleiben muß.


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Was heißt denn Stand der Technik? – Daß jeder Beamte willkürlich sagen kann: Das oder das ist der Stand der Technik! Wir streiten wieder für Generationen um des Kaisers Bart, und es wird nichts weitergehen. So ist es! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fekter: Aber er kann nicht willkürlich sagen, das ist nicht Stand der Technik!)

Aber die Sache ist auch noch aus einem anderen Grund ein Streit um des Kaisers Bart. Seit unserem EU-Beitritt sind ausländische Gewerbetreibende berechtigt, bei uns Dinge zu tun, die wir Österreicher nicht tun dürfen. Da schreibt der Herr Tschebull ganz richtig: "Die Kopfbekleidungserzeuger als Sensation!", wie ich zuvor erwähnt habe. "Die ganze Diskussion ist ein Streit um des Kaisers Bart, denn nach EU-Recht kann sich jeder Gewerbetreibende, der seinen Beruf in seinem Heimatland drei Jahre lang gesetzeskonform ausgeübt hat, in jedem anderen EU-Land nach Belieben niederlassen und seine gewerbliche Tätigkeit aufnehmen." (Abg. Dr. Fekter: Also wir warten auf die protugiesischen Kappelmacher!)

Daher ist die ganze Debatte um die Liberalisierung des Gewerberechtes notwendig. Sie kommt um 50 Jahre zu spät, sage ich noch einmal. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber das Ganze hat natürlich auch einen anderen Aspekt. Herr Minister, Sie sind letztlich dafür verantwortlich. Sie haben am 1. Oktober 1996 – das ist in den Fachmedien vielleicht ein bißchen überzogen dargestellt worden – einen Traum geäußert. Was alles in diesem ersten Entwurf im Oktober 1996 enthalten war und wie am 28. Mai die Wirklichkeit ausschaut, das wissen Sie selbst.

Ich muß Ihnen sagen: Es ist wieder einmal die zünftlerische, protektionistische Haltung der Kammern – nur der Kammern! – beschämend, mit der sie mit 8 bis 9 Milliarden Schilling Kammerbeiträgen verhindern, daß es bei uns zu neuen Unternehmensgründungen kommt, obwohl wir, Herr Präsident, das Schlußlicht sind. Wir haben 6,3 Prozent Unternehmer. Ganz Europa hat mehr als wir. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Maderthaner: Aber so lesen Sie es doch nach!)

Der Höhepunkt der ganzen Sache ist das neue Bescheidwesen. Das schaut so aus – das schreibt das "WirtschaftsBlatt" ganz richtig –: "Zusperren geht nur mehr mit Bescheid." Das ist die Mentalität dieser Gewerbeordnung: Zusperren geht nur mehr mit Bescheid! (Abg. Dr. Stummvoll: Wir wollen aufsperren und nicht zusperren! – Abg. Dr. Fekter: Wir haben den Schwerpunkt beim Aufsperren!)

Herr Minister, da kann ich Ihnen nur eines raten: Denken Sie doch einmal darüber nach, ob Sie sich im Lichte dieser Entwicklung diesen Bescheid nicht einmal selbst ausstellen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.28

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Maier. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.28

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Koalitionspartei sieht natürlich diese Gewerbeordnungsnovelle etwas anders als die Vertreter der Opposition. Aus unserer Sicht regelt diese Gewerbeordnung einerseits einmal ordnungspolitische Anliegen, andererseits dient diese Gewerbeordnung – und gerade diese Novelle – dem Schutz und der Förderung der gewerblichen Erwerbswirtschaft sowie dem Schutz vor unterschiedlichen Gefahren.

Ich möchte das mit aller Deutlichkeit betonen. Es geht dabei nämlich auch um die Konsumenten. Gemeint ist da der Schutz vor Gesundheits- und Vermögensschäden. Daher haben jede Deregulierung und jede Liberalisierung dort ihre Grenzen, wo es um den Schutz vor Gesundheits- und Vermögensschäden geht. Daher werden wir uns der Linie, die von den Freiheitlichen, wie etwa in der Person des Kollegen Prinzhorn, oder von der liberalen Fraktion vertreten wird, nie anschließen können.


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Aus unserer Sicht bedeutet das natürlich, daß wir uns mit dieser Vorlage sehr kritisch auseinandersetzen müssen. Kritische Anmerkungen müssen aus unserer Sicht gerade deswegen, weil es um den Schutz vor Vermögens- und Gesundheitsschäden geht, erlaubt sein

Erlauben Sie mir dazu zwei Anmerkungen. Die eine betrifft die sogenannte Bauernfrage. Kollege Reichhold hat von einer Hetze gegen die Bauern gesprochen. Ich sehe keine Hetze gegen die Bauern. (Abg. Ing. Reichhold: Lesen auch Sie die Vorlage!) Ich betrachte die Diskussion als eine sehr sinnvolle und notwendige. Ich sehe die Zukaufsmöglichkeiten sehr kritisch, Kollege Reichhold, weil es mir um die Frage der Ursprungskennzeichnung geht, und da habe ich kein Verständnis dafür, daß, wie wir es vor kurzem nachweisen konnten, im bäuerlichen Bereich manipuliert wird. (Abg. Ing. Reichhold: Passen Sie auf, was Sie sagen! – Zwischenruf der Abg. Aumayr. )

Wenn Sie bei Fragen der Hygienebestimmungen meinen, diese als schikanös bezeichnen zu müssen, dann frage ich Sie: Wie schaut es denn aus mit der Enterohämorrhagischen Escherichia coli? Sechs Todesfälle in Bayern! Es geht um den Schutz vor Gesundheitsschäden. Dieser hat Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen. (Abg. Ing. Reichhold: Es geht um Fragen der Kontrolle!)

Sie haben von "Kriegsgewinnlern" gesprochen. Beim Rindfleisch gebe ich Ihnen recht, da ist das Geld irgendwo versickert, aber beim Schweinefleisch nicht. Da gibt es die großen Gewinner unter den Bauern. Sagen Sie das auch! (Abg. Ing. Reichhold: Ja, jetzt! Vorher nicht!) Sie haben nämlich nur die halbe Wahrheit gesagt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiterer Aspekt in dieser Diskussion ist das Problem der Strukturbetriebe, und ich gestehe hier ein, daß wir dieses Problem nicht lösen konnten. Da geht es um die Fragen der Multi-Level-Betriebe, der Strukturvertriebe, bei denen Lebensmittel im Direktvertrieb verkauft werden. Wir stellen als Konsumentenschützer immer mehr fest, daß da Sekten tätig sind. Daher ist eine sehr kritische Beobachtung dessen gefragt, und wir Sozialdemokraten werden uns rechtzeitig auch entsprechend äußern.

Erlauben Sie mir auch einige positive Anmerkungen. Es war erfreulich, festzustellen, daß gegenüber der Regierungsvorlage die Haftpflichtversicherungssumme für Versicherungsmakler reduziert wurde. Wäre die ursprüngliche Versicherungssumme nun Gesetz geworden, dann hätte das für zahlreiche Betriebe den Ruin bedeutet. Mit dieser geänderten Regelung werden nun die Arbeitsplätze in dieser Branche weiterhin gesichert.

Eine weitere positive Anmerkung betrifft die Zusammenarbeit zwischen den Fraktionen. Es ist doch noch gelungen, einen gemeinsamen Entschließungsantrag der Abgeordneten Kaufmann, Gatterer, Haigermoser, Peter, Öllinger und Genossen betreffend Gewerbeordnung und Entlassungstatbestände zu formulieren, den ich nun einbringen möchte.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Herbert Kaufmann, Edeltraud Gatterer, Helmut Haigermoser, Mag. Helmut Peter, Karl Öllinger und Genossen betreffend Gewerbeordnung – Entlassungstatbestände; eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (644 d. B.): Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 und das Arbeitsverfassungsgesetz geändert werden

Da die Entlassungstatbestände der alten Gewerbeordnung 1859 nach wie vor gültig sind und eine Reihe von Bestimmungen enthalten, die mit einem modernen Arbeitsrecht nicht im Einklang stehen beziehungsweise durch andere arbeitsrechtliche Bestimmungen geregelt sind, stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:


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Die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten werden ersucht, die Entlassungstatbestände der Gewerbeordnung 1859 zu überprüfen und Vorschläge für eine zeitgemäße Neuregelung dem Nationalrat vorzulegen.

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Gewerbeordnungsnovelle bringt einerseits mehr Wettbewerb und sichert damit Arbeitsplätze, andererseits geht es um die Rechte und den Schutz der Arbeitnehmer und um den Schutz der Konsumenten. Das ist die Linie, die die sozialdemokratische Fraktion in den nächsten Monaten und Jahren vertreten wird. (Beifall bei der SPÖ.)

14.33

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Herr Abgeordneter Reichhold hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. Herr Abgeordneter, 2 Minuten maximale Redezeit. Die Geschäftsordnungsbestimmungen sind bekannt. – Bitte.

14.33

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Herr Präsident! Mein Vorredner, Abgeordneter Wimmer, hat gemeint, daß die Bauern ihre Produkte in der Produktion manipulieren, und behauptet, daß das nachgewiesen worden ist.

Diese Aussage ist unrichtig! Ich möchte sie daher mit aller Schärfe zurückweisen. Es gibt keinen einzigen Beweis dafür, daß Bauern ihre Produkte manipulieren. Es hat lediglich auf Bauernmärkten der Nachweis geführt werden können, daß Nichtbauern nichtbäuerliche Produkte angeboten haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Das ist doch keine tatsächliche Berichtigung! – Abg. Dr. Mertel: Und der Wimmer hat auch nicht geredet!)

14.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist als nächster Herr Bundesminister Dr. Farnleitner. – Bitte, Herr Bundesminister.

14.34

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Vorsitzender! Hohes Haus! Als ich vor rund einem Jahr meine neue Aufgabe hier angetreten habe, habe ich nicht zufällig dem Auditorium dieses Hohen Hauses gesagt, daß mir die Gewerbeordnung insofern ein Anliegen ist, als sie nicht die Liberalität per se ist, sondern auch die Sicherung einer Berufsausbildungsbasis. Ich darf daran erinnern! Das habe ich damals gesagt, auch unter Inkaufnahme der Kritik vieler Medien.

Wenn ich heute das, was das Hohe Haus sich zu beschließen anschickt, zu beurteilen wage, dann darf ich aus meiner langjährigen wirtschaftspolitischen Erfahrung sagen: Ich habe selten ein Gesetz erlebt, bei dem die Emotionen der beteiligten Wirtschaftstreibenden so hoch waren. Mißt man den Ärger, den wir nicht mit Kammern – das möchte ich ausdrücklich sagen –, sondern mit Zehntausenden einzelnen Unternehmern und werdenden Unternehmern via Fax, Telefon und Versammlungen hatten, dann muß man sagen: Das muß eine Reform sein, die offenbar ans Mark geht! Wäre sie das nicht, dann hätte sie diese Reaktionen nicht hervorrufen können. – Das war mein erster Punkt.

Mein zweiter Punkt: Ich habe zwei Dinge in dieser Zeit gelernt. Erstens: Was hilft es, die schönsten Sprüche zu äußern, wenn man Mehrheiten nicht zuwege bringt. Man muß Lösungen zuwege bringen, die im Hohen Haus eine Mehrheit erhalten.

Doch es bleibt trotzdem ein Gesetz, auf das ich persönlich sehr stolz bin: Von etwa 800 im Gewerberegister eingetragenen Berufen sind in Hinkunft 84 geregelt, und wenn man nicht in der


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Gewerbeordnung aus den Jahren um 1850 nachliest, sondern in der jetzigen Gewerbeordnung im § 5 Abs. 3, so kann man dort lesen, daß alle Berufe, die nicht zu diesen 84 geregelten zählen, in Hinkunft freie Berufe sind. Da frage ich mich: Wenn das kein Signal ist!

Wenn wir darüber hinaus das Gewerberegister verpflichten, einmal im Jahr die anderen Berufe zu publizieren und damit Jugend und Mitbewerber, Wettbewerber, Unternehmer darauf aufmerksam zu machen, welche Möglichkeiten sich in der österreichischen Marktwirtschaft in diesem Bereich von Dienstleistungen, Handwerk und anderen Gewerben bieten, dann kann man sagen: Das ist sicher ein Fortschritt! (Beifall bei der ÖVP.)

Lassen Sie mich einen weiteren Punkt feststellen, meine Damen und Herren, und zwar einen der entscheidenden Punkte bei den vielen Interventionen, die auch ich erfahren habe. Ich habe die meisten meiner Intervenienten mit den Worten begrüßt: Sagen Sie mir nicht, was Sie dem anderen nicht gönnen, sondern sagen Sie mir, was Sie mehr an Gewerbeumfang brauchen, um im Wettbewerb bestehen zu können! Das Empowerment ist sicher einer der wichtigsten Punkte, die wir heute bei den verbleibenden geregelten Berufen anstreben müssen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ein weiterer, ebenfalls sehr wichtiger Punkt, meine Damen und Herren: Wir haben mit der Diskussion um die Gewerbeordnung, vor allem aber auch mit der Diskussion um das Anlagenrecht eine geradezu dramatische Veränderung des Verhaltens vieler Behörden herbeigeführt. Ich weiß nicht, woher viele der heutigen Redner ihre Erfahrung beziehen. Ich war in den letzten Wochen mit den meisten Bezirkshauptmannschaften in Kontakt, habe eine große Anzahl von Unternehmern befragt oder mit Unternehmern gesprochen, die mich besucht haben. Es ist, seit wir das neue Anlagenrecht diskutieren, die Erledigungsfreudigkeit in den Behörden dramatisch gestiegen. Wir haben eine Verbesserung der Dienstleistungsmentalität quer durch das Land erreicht. Daher ist es wichtig, daß dieses Anlagenrecht schlußendlich auch in Kraft tritt.

Eines kann ich noch dazusagen: Durch viele Verordnungsermächtigungen, vor allem aber auch durch die politische Verantwortung für den Novellenteil – sowohl im Antrittsrecht als auch im Anlagenrecht – werden wir in den nächsten Monaten sehr viel zu arbeiten haben, um die Dynamik des Prozesses nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern zu verstärken.

Meine Damen und Herren! Ich bin zu dem Bereich der Teilgewerbe viel befragt worden. Bei den Teilgewerben gibt es eine unglaubliche mentale Widerstandsfront bei den bestehenden Betrieben, mehr als bei allen Dingen, die an dem neuen System kritisiert werden. Ich habe bereits einen Entwurf mit 33 Teilgewerben zur internen Diskussion gestellt. Ergebnis: Die Zustimmung zu sechs Teilgewerben ist gekommen. Warum? – Meine Schlußfolgerung daraus: Auch im Bereich der geregelten Gewerbe verstärkt sich, wie insgesamt, der Wettbewerb um Kunden. Es gibt zweitens dank des hervorragenden Ausbildungssystems immer mehr Befähigte in Österreich, die den Weg in die Selbständigkeit gehen können. Weil unter den Prämissen: Aufnahmesperre in weiten Bereichen des öffentlichen Dienstes, keine große Aufnahme im Bereich der Industrie ein geradezu dramatischer Druck, in die Selbständigkeit, in den Bereich von Dienstleistungen und Handwerksgewerben auszuweichen, besteht, wird der Wettbewerb mit allen Preiseffekten weiter zunehmen.

Hohes Haus! Einige Worte auch zu dem Streit zwischen Landwirtschaft und Gewerbe. Eines müssen wir uns, glaube ich, in Erinnerung rufen: Dieser Streit hat die Auseinandersetzungen um die Gewerbeordnung seit den fünfziger Jahren jedesmal durch große Krisenerscheinungen geprägt. Ich habe mich auf die Seite von Nebenrechten auch in der Landwirtschaft gestellt, allerdings unter der Prämisse, daß es auf Dauer in einem Rechtsstaat nicht davon, wieviel an Grund und Boden jemand ererbt oder erheiratet hat, abhängen kann, welche Befähigung und Rechte er im Industrie- und Gewerbebereich hat. Daher ist die jetzige Lösung, die die Nebenrechte erweitert, die für neue Berechtigungsbereiche deutliche Abgrenzungen schafft, ein Schritt in die richtige Richtung, weil wir nicht wissen, wohin die Entwicklung in diesem Bereich schlußendlich geht.


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Ich bin zu der Frage der Feuerwehren angesprochen worden. Hohes Haus! Mein Haus hat bei den diversen Vorsprachen kein Hehl daraus gemacht, daß, würden wir uns darüber verständigen können, Feuerwehrfeste zwei Tage dauern und wir in gewerberechtlichen Angelegenheiten überhaupt nicht zu streiten bräuchten. Die Anwort war: Ja, wir prüfen das!, und am Schluß kam eine böse Resolution: entweder vier Tage oder Streit. – Daher ist dieses Gespräch weiterzuführen. Es hat sich dieses Problem in der Zwischenzeit auf ein Bundesland reduziert, weil in den meisten Bundesländern die Feuerwehren sehr wohl mit den etablierten Gewerbeunternehmen kooperieren.

Meine Damen und Herren! Am Schluß noch ein Hinweis zu einem Vorurteil, dem in diesem Haus widersprochen werden muß. Es war letzte Woche im BBC eine Morgensendung über das Wirtschaftswunder Holland, und zwar mit dem Hinweis, daß es dieses Land jetzt geschafft habe, nur 6,3 Prozent Arbeitslosigkeit und ein Drittel Teilzeitbeschäftigte zu haben. Ich sehe nicht ein, warum man nicht eine Jubelsendung über Österreich machen sollte. In Österreich gibt es 4,3 Prozent Arbeitslosigkeit, und der gleiche Maßstab ... (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das haben die anderen Länder auch, geschätzter Herr Abgeordneter. Die Holländer haben noch ganz andere "Türkungsspiele"; darüber können wir gerne einmal reden.

Nun noch zum amerikanischen Beispiel ein paar Bemerkungen: Die Amerikaner weisen 5,6 Prozent Arbeitslosigkeit aus und werden in diesem Haus ständig als gutes Beispiel hingestellt. Wir werden mit dem österreichischen Weg: mehr Konsens und Kooperation und mehr Empowerment, mehr Berechtigung wahrscheinlich bessere Ergebnisse erzielen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.42

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer persönlichen Erwiderung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Maier gemeldet. – Zwei Minuten maximale Redezeit. Ich bitte Sie, Herr Abgeordneter, sich auf die Sachverhaltsdarstellung zu beschränken.

14.42

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Abgeordneter Kollege Reichhold hat behauptet, sein Vorredner, Kollege Wimmer, habe behauptet, daß Bauern Eier manipuliert hätten. (Abg. Dr. Khol: Sie heißen Maier und nicht Wimmer!)

Ich berichtige: Sein Vorredner war Kollege Maier, nämlich meine Person.

Ich berichtige des weiteren: Einige Bauern haben auf Bauernmärkten Eier falsch gekennzeichnet und damit manipuliert. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Wie geht das? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

14.43

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort der Berichterstatter entfällt.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein.

Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, zu diesem Zweck ihren jeweiligen Platz einzunehmen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 761 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Tichy-Schreder, Dr. Heindl und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Rossmann und Genossen einen Zusatz- sowie einen Abänderungsantrag eingebracht.


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Ferner haben die Abgeordneten Mag. Peter und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Schließlich haben die Abgeordneten Ing. Langthaler und Genossen einen Abänderungs- beziehungsweise Zusatzantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Abänderungs- beziehungsweise Zusatzanträgen betroffenen Teile, und zwar in der Systematik des Gesetzentwurfes, und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Tichy-Schreder, Dr. Heindl und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend den 1. Abschnitt, Artikel 1 Ziffern 1a, 1c und 98, eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung ersuche ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Ing. Langthaler und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend den 1. Abschnitt, Artikel 1 Ziffer 14 § 30 Abs. 3 sowie Ziffer 31, eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse daher sogleich über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Ing. Langthaler und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung eines § 172a in den 1. Abschnitt, Artikel I, vorsieht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Rossmann und Genossen haben einen Zusatzantrag betreffend § 148 Absatz 1 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Mag. Peter und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend den 2. Abschnitt, Artikel I Ziffer 12a § 148 Absatz, eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Rossmann und Genossen haben ebenfalls einen Abänderungsantrag betreffend den 2. Abschnitt, Artikel I Ziffer 12a, eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt durch die Minderheit. Abgelehnt.

Ferner haben die Abgeordneten Tichy-Schreder, Dr. Heindl und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend den 2. Abschnitt, Artikel 1 Ziffer 12a, eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Tichy-Schreder, Dr. Heindl und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend den 2. Abschnitt, Artikel I Ziffer 18 Punkt 4 § 359b Absatz 5, eingebracht.


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Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt durch die Mehrheit. Angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt durch die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen daher sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in der dritten Lesung die Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt durch die Mehrheit.

Ich stelle fest, der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 761 der Beilagen beigedruckte Entschließung betreffend steuerliche Behandlung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen. (E 63.)

Wir kommen weiters zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 761 der Beilagen beigedruckte Entschließung betreffend Einführung eines Bilanzbuchhaltergewerbes.

Dem wird mehrheitlich die Zustimmung erteilt. Angenommen. (E 64.)

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 761 der Beilagen beigedruckte Entschließung betreffend ein einheitliches Anlagenrecht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen. (E 65.)

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend Gewerbeordnung – Entlassungstatbestände.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Kaufmann, Gatterer, Haigermoser, Peter, Öllinger und Genossen betreffend Gewerbeordnung – Entlassungstatbestände.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Angenommen. (E 62.)

2. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (560 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Usbekistan über die bilaterale außenwirtschaftliche Zusammenarbeit (762 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (615 der Beilagen): Erklärung des Rücktritts vom Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (763 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Hohes Haus! Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 2 und 3 Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.


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Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich bis jetzt – ich stelle das gleich einmal fest – nur Herr Abgeordneter Haigermoser.

Herr Abgeordneter Haigermoser, Sie haben das Wort. – Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

14.49

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Die Lehrlingsfrage ist nicht erst seit heute in aller Munde. In der Vergangenheit gab es Berichte sonder Zahl. Den Berufsbildungsbericht 1995 – ich habe mir nur einige wenige ... (Abg. Dr. Schwimmer: Usbekistan! – Weitere Rufe bei der ÖVP: Usbekistan! Usbekistan!)

Entschuldigung, Herr Präsident! Es gab einen Rückzug meinerseits von der Rednerliste. Ist das nicht durchgeführt worden?

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Das scheint hier nicht auf. Ich bitte um Entschuldigung! Sie scheinen hier auf der Rednerliste auf.

Abgeordneter Helmut Haigermoser (fortsetzend): Dann darf ich bekanntgeben, daß das ein Fehler am Pult war, und ich ersuche, das Stricherl bei meiner Rednerliste nicht einzutragen. (Weitere heftige Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

14.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist daher niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort wird von den Berichterstattern nicht gewünscht.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren zu den Tagesordnungspunkten 2 und 3 ein.

Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, ihren Platz einzunehmen. (Unruhe im Saal.)

Ich darf wiederholen, daß wir in das Abstimmungsverfahren zu den Tagesordnungspunkten 2 und 3 eintreten. Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, im Augenblick nur die Herren Abgeordneten, ihren Platz einnehmen zu wollen.

Ich werde die Abstimmung über jeden Ausschußantrag getrennt vornehmen lassen. Um die Abstimmung korrekt durchführen zu können, bitte ich Sie um etwas mehr Aufmerksamkeit.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Wirtschaftsausschusses, dem Abschluß des Staatsvertrages: Abkommen mit der Republik Usbekistan über die bilaterale außenwirtschaftliche Zusammenarbeit in 560 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Die Zustimmung erfolgt stimmeneinhellig. Angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Wirtschaftsausschusses, der Erklärung des Rücktritts vom Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen in 615 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Mit Rücksicht darauf, daß die Erklärung des Rücktritts verfassungsändernd ist, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Absatz 2 Ziffer 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die die Genehmigung erteilen wollen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies erfolgt mit Stimmeneinhelligkeit. Angenommen.

Ich stelle ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.


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4. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (699 der Beilagen): Berufsausbildungsgesetz-Novelle 1997 (764 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Anträge 459/A der Abgeordneten Mag. Dr. Josef Höchtl und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung und

460/A der Abgeordneten Dr. Dieter Antoni und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung (752 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir kommen nunmehr zu den Punkten 4 und 5 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die erste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Haigermoser vor. – Bitte, Herr Abgeordneter. Die freiwillige Redezeitbeschränkung wären 10 Minuten, aber in 6 Minuten beginnt die Behandlung der Dringlichen Anfrage. (Abg. Haigermoser: 6 Minuten!) – Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

14.54

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Jetzt bin ich auf dem richtigen Dampfer. (Abg. Kiss: Redest du jetzt über Tadschikistan?)

Meine Damen und Herren! Kollege Kiss, alter Freund! Wir behandeln jetzt ein ernsthaftes Thema, nämlich die Lehrlingsfrage, und ich hoffe, daß du mit mir einige Dinge tiefergehend betrachtest. Ich versuche, in wenigen Minuten einige freiheitliche Eckpunkte herauszuarbeiten. (Abg. Mag. Steindl überreicht dem Redner eine Broschüre zum Berufsausbildungsgesetz.) – Danke vielmals, Kollege! Das ist Zusammenarbeit!

Ich habe schon mehrmals davon sprechen können, daß es Ausbildungsberichte und Enqueten zuhauf gegeben hat, beispielsweise den Bericht über die Berufsausbildung in Österreich 1993 des Wirtschaftsministeriums, den Bericht über den schulischen Bereich der Berufsausbildung des Bundesministers für Unterricht und Kunst 1993, den Berufsbildungsbericht des Ministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten et cetera.

Meine Damen und Herren! Papier gibt es hiezu genug, die Problemlösungskapazitäten schauen allerdings ein bißchen anders aus. Bei der Gegensteuerung gegen die in den Berichten festgestellten Probleme sind Sie nämlich – ich möchte es so sagen – nicht zurückhaltend, sondern nachlässig, meine Damen und Herren. Siehe die Kommunalabgabe auf die Lehrlingsentschädigung, welche jetzt die einzelnen wohlmeinenden Kommunen im mühseligen Abschaffungsprozeß konterkarieren müssen.

Herr Kollege Stummvoll war einer jener, der die "Lanze eingepflanzt" hat und auf die "Wallstadt" geritten ist (Abg. Kiss: In die Wallstadt, nicht "auf" die Wallstadt!) und sich dafür ausgesprochen hat, daß diese Kommunalabgabe jetzt endlich auch für Lehrlinge eingeführt werden müsse, weil damit die Kommunen Geld in den Säckel bekämen, um Wirtschaftsaktivitäten zu setzen. – Das klingt so ähnlich wie die Debattenbeiträge zum sogenannten Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnenschutzgesetz. Meine Damen und Herren! Da sind Sie einmal mehr auf frischer Tat ertappt worden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Stummvoll: Ich habe das gesagt? Der träumt ja!)

Meine Damen und Herren! Was ist nun im Vorblatt zu dieser Berufsausbildungsgesetz-Novelle 1997 an Gründen enthalten (Abg. Kiss: In Usbekistan aber!) , warum in zunehmenden Maße Betriebe weniger Lehrlinge ausbilden, wiewohl es noch eine erkleckliche Anzahl gibt? – Der Rückzug der österreichischen Betriebe aus der Lehrlingsausbildung ist ein Problem, ebenso


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das Fehlen von neuartigen Anreizen für österreichische Betriebe, die Lehrlingsausbildung aufzunehmen oder fortzusetzen, das Fehlen von Förderinstrumenten und die geringe Teilnahmequote von Lehrlingen und Lehrabsolventen sowie Ausbildnern an europäischen Bildungsprogrammen. (Abg. Dr. Trinkl: Deswegen machen wir die Novelle!) So schaut es aus nach Jahrzehnten großkoalitionärer Politik. Bejammern Sie das, was Sie schon längst hätten abstellen müssen und können! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von Rot und Schwarz! Sie sind vor den Wähler hingetreten und haben gesagt, nur diese große Koalition könne die großen Probleme in diesem Land bewältigen, abhaken. Nichts von alledem ist passiert. Was Ihnen eingefallen ist, ist eine Kommunalabgabe auf die Lehrlingsentschädigung. Das war die große Tat des Herrn Trinkl, der da Helfershelferdienste geleistet hat, der quasi den Sozialisten die Räuberleiter gemacht hat, damit sie aufs hohe Roß hinaufkommen.

Herr Kollege Trinkl! Das sind Dinge, die auf Sie zurückfallen werden, genauso wie die jetzt groß gefeierte Anhebung der Krankenversicherungsbeiträge um 0,1 Prozent bei den Angestellten, damit man bei den Lehrlingen sozusagen herunterfahren kann. (Abg. Dr. Trinkl: Dann mußt du das andere auch sagen!) – Sowieso. Von der linken Tasche wird etwas herausgenommen, in der Mitte zweigt die Bürokratie 50 Prozent ab, und der Rest wird dann in die rechte Tasche hineingesteckt. Wenn so die Lehrlingsförderung aussieht, Kollege Trinkl, dann tust du mir leid! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich habe schon erwähnt, daß es zu diesem Thema Enqueten gab. Eine hat es im Parlament gegeben, und zwar mit dem Titel: Zukunft der Lehrlingsausbildung. Diese fand nicht gestern, auch nicht vorgestern statt, sondern schon am Mittwoch, den 24. Feber 1993. Der "berühmte" Abgeordnete Dr. Höchtl hat bei dieser Enquete den Vorsitz geführt. Damals war er noch ÖAAB-"Kapo". Bei dieser Enquete sagte Herr Sektionschef Max Mathys vom Schweizerischen Institut für Berufspädagogik folgendes: Es kommt noch dazu, daß Bemerkungen, wie: die Betriebe verdienen an den Lehrlingen, durch eine Untersuchung an der Hochschule von St. Gallen klar widerlegt werden. Die zusätzlichen Kosten belaufen sich, je nach Intensität der Ausbildung, auf zwischen 20 000 und 70 000 Schweizer Franken. Das sind umgerechnet etwa 160 000 S bis 560 000 S, die an zusätzlichen Kosten anfallen. (Abg. Kiss: Über welches Land redest du? Usbekistan? Mongolei?)

Meine Damen und Herren! Das ist das Problem! Da liegt der Feldhase einmal mehr im Pfeffer, Herr Kollege Kiss! Was haben Sie getan? – Sie haben zum dritten Mal die Kommunalabgabe auf Lehrlinge – eine Kopfsteuer! – eingeführt. Damit wollen Sie mehr Lehrlingsausbildungsplätze "festnageln"? (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Mitnichten wird Ihnen das gelingen. Es ist schlußendlich auch der Ausdruck des schlechten Gewissens, was Sie in der Regierungsklausur im Burgenland zu Papier gebracht haben. Wieder nur Absichtserklärungen, Training on the Job, Steering Committees kündigen Sie an, neue Bürokratien. Das alles soll Arbeitsplätze und Lehrlingsausbildungsplätze schaffen?

Meine Damen und Herren! Nichts ist passiert! Neuer Schwung für die Lehre durch Entlastung der Lehrbetriebe empfindet Herr Kollege Maderthaner als "Dampfmachen". Das sagt er in Pamphleten, die er durch die Gegend schickt und in denen er schreibt: Der Lehrvertrag muß leichter lösbar werden, und realistische Jugendschutzbestimmungen sind einzuführen. Das einzige, was ihm einfällt, ist, die Schutzbestimmungen für die Lehrlinge zu reduzieren.

Auf der anderen Seite entwirft er einen Plan für mehr Bürokratie, und dann sagt er, die Betriebe sollen sich die Lehrlingsausbildung wiederum leisten können. Er schreibt also einen Brief an sich selbst, mit dem Erfolg, daß er ihn zur Briefmarkensammlung ablegt und im Hohen Haus stets gegen die vernünftigen Anträge der Freiheitlichen stimmt. Wir haben dazu namentliche Abstimmungen verlangt. Wir werden Sie mit Anträgen bombardieren, und Sie werden den Offenbarungseid leisten müssen. Wir werden Sie mit Anträgen bombardieren, die das enthalten, was Sie in Ihren Papieren fordern, meine Damen und Herren, und wo Sie dann bei der Abstimmung


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umfallen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Trinkl: Auf Sonderurlaub waren Sie damals!) Ihnen gelingt es, auch noch im Liegen umzufallen. Nur der Österreichischen Volkspartei ist das bis dato gelungen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 4 und 5 der heutigen Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung in Angriff genommen werden kann.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Haider und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Experiment Euro (2585/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Diese Dringliche Anfrage ist inzwischen verteilt worden und allen Abgeordneten zugegangen, sodaß sich die Verlesung durch einen Schriftführer erübrigt. Die Dringliche Anfrage hat die Nummer 2585/J und ist an den Herrn Bundeskanzler gerichtet. Sie gelangt um 15 Uhr zum Aufruf. (Ruf bei den Freiheitlichen: Wo ist der Bundeskanzler? – Abg. Mag. Stadler: Ist er schon zurückgetreten? – Abg. Dr. Khol: Er kommt schon! Er kömmt!)

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Am 1. 1. 1999 soll entsprechend dem Vertrag von Maastricht die Europäische Währungsunion zwischen jenen Mitgliedstaaten in Kraft treten, die bis 1998 die im EGV festgelegten rein monetären Konvergenzkriterien erfüllen. Mit 1. Jänner 1999 soll der Euro als Verrechnungseinheit eingeführt werden, und für die Bürger der Mitgliedstaaten soll der Euro im Jahr 2002 das alleinige gesetzliche Zahlungsmittel werden.

Die Schaffung einer Europäischen Währungsunion wird einerseits als die große Herausforderung, als d a s Jahrhundertprojekt schlechthin gesehen. Andererseits wird die Währungsunion vielfach als das "größte monetäre Experiment der Wirtschaftsgeschichte" qualifiziert. Dies bestätigt auch die von der Bundesregierung in Auftrag gegebene und vom Bundesminister für Finanzen präsentierte WIFO-Studie über die Auswirkungen der Wirtschafts- und Währungsunion. Demnach ist nur "eine sorgfältig vorbereitete Währungsunion mit durchdachten wirtschaftspolitischen Verantwortungen, Abläufen und Strategien geeignet, die wirtschaftliche Wohlfahrt und damit auch die Beschäftigungslage gegenüber einem Zustand ohne gemeinsame Währung zu verbessern". Lt. dieser WIFO-Studie sind nicht nur Unwägbarkeiten bei der Abschätzung aller Konsequenzen, beispielsweise die ökonomischen Folgen, zu konstatieren, vor allem aber gibt es zahlreiche unbeantwortete Fragen auf dem Weg zum Euro. Diese betreffen die Zahl der Teilnehmer, die Methode, mit der die Wechselkurse der am Euro-Währungsraum teilnehmenden Staaten umgerechnet werden, die Bewältigung der Anpassungsprobleme (z.B. im Bankensektor), die Abstimmung der (dezentralen) Budgetpolitik mit der zentralisierten Währungspolitik, unterschiedliche nationale Interessen sowohl in allgemein politischer wie in wirtschaftlicher Hinsicht, die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen und vieles mehr.

Die Regierungen jedoch sind bei der Bewältigung dieser Probleme säumig, die Ungewißheit bleibt. Problemlösungen werden zum einen ersetzt durch eine unbedingte Fixierung auf einen bestimmten Termin zur Einführung des Euro, obwohl lt. WIFO-Studie über die Auswirkungen der WWU und lt. Evaluierungsbericht Binnenmarkt 1996 der EU-Kommission Zweifel über die eingetretene allgemeine Konvergenz bestehen. Problemlösungen werden zum anderen substituiert durch mehrere hundert Millionen-teure Werbekampagnen auf EU- und nationaler Ebene. Ob damit das gewünschte Ziel, angesichts der negativen Stimmung in der Bevölkerung und angesichts der wirklichen Anliegen der Bürger erreicht werden kann, ist mehr als fraglich, zumal es offensichtlich nicht um eine objektive Aufklärung über die Vor- und Nachteile einer einheitlichen Währung und um eine sachliche Information über ihre Auswirkungen geht, wie folgende Beispiele zeigen:


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Bundeskanzler Mag. Klima meinte als damaliger Finanzminister, daß es bis zur Einführung des Euro in Österreich darum geht, "gegen die emotionellen Widerstände der Bevölkerung eine Kampagne zu fahren, um sie überzeugen zu können" (OTS097, 22.11.1996).

Die Europäische Kommission nahm in den Mitgliedstaaten prominente Wirtschaftsfachleute unter Vertrag, um für den Euro zu sprechen. Diese engagierten Wirtschaftsfachleute mußten sich jedoch verpflichten, daß sie bei öffentlichen Aufträgen als unabhängige Persönlichkeiten auftreten, die ihre eigene Meinung vertreten. Doch dieselben Experten mußten zudem unterschreiben, daß sie in ihren Äußerungen und Vorträgen keine Ansichten und Positionen vertreten, die jenen der Kommission widersprechen.

Diese demokratiepolitisch bedenkliche Vorgangsweise der Bundesregierung, aber auch der Organe der Europäischen Union beweisen ganz klar, daß fehlendes Vertrauen, wie auch die mangelnde Zustimmung der Bevölkerung zur geplanten EWU abermals durch billige Slogans (Stichwort: Ederer-Tausender) erkauft werden soll.

Doch die Verwirklichung der gemeinsamen Währung unter den derzeitigen Bedingungen bedeutet:

Einen weiteren Anstieg der dramatisch hohen Arbeitslosigkeit in Europa. Zur Zeit sind EU-weit mehr als 18 Millionen Menschen ohne Arbeit. Studien (z.B. das Londoner ,National Institute of Economic and Social Research‘) gehen davon aus, daß die volle Erfüllung der Konvergenzkriterien den Verlust von weiteren 1,5 Millionen Arbeitsplätzen in ganz Europa bis zur Jahrtausendwende zur Folge haben werden.

Der EU-weite rigorose, in diesem Tempo sonst nicht notwendige und simultan erfolgende Sanierungskurs (Stichwort: Belastungspakete), nur um die fiskalischen Konvergenzkriterien innerhalb von 2 Jahren zu erreichen, sowie die damit einhergehenden Wachstumseinbußen wird die hohe Arbeitslosigkeit in Europa noch weiter nach oben treiben.

Die überhastete Erfüllung der Konvergenzkriterien durch drastische Sparmaßnahmen führt zu sozialen Spannungen und zu Arbeitsmarktproblemen, wie die jüngsten Streiks in den Mitgliedstaaten zeigen. Arbeitsmarkt- und sozialpolitisch notwendige Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit werden daher mangels finanziellen Spielraums seitens des Staates nicht ergriffen. Außerdem läßt die Verpflichtung, daß die Mitgliedstaaten in Hinkunft zumindest ausgeglichen bilanzieren müssen, keine zusätzliche Bereitstellung von finanziellen Mitteln für arbeitsplatzerhaltende und -schaffende Maßnahmen zu.

Selbst über die Sinnhaftigkeit der Kriterien gehen die Meinungen renommierter Wirtschaftsfachleute stark auseinander.

An technischen Umstellungskosten bei Banken werden für den gesamten EU-Raum mindestens 10 Mrd. ECU (rd. 135 Mrd. ÖS) veranschlagt. Lt. Financial Times vom 5.6.1997 belaufen sich die Umstellungskosten sogar auf 25 Mrd. USD (rd. 300 Mrd. ÖS). Diese Kosten können aber durch die propagierten Vorteile nicht abgedeckt werden.

Von den österreichischen Banken wird ein Umstellungsbedarf mit Kosten von ca. 8 Mrd. ÖS prognostiziert. Dazu kommt durch den Wegfall von Geschäftsbereichen (z.B. Wechselstubengeschäft, Devisenhandel, Wechselkursabsicherungsgeschäfte etc.) es zu Ertragsausfällen in einer Größenordnung von 3,5 Mrd. ÖS. Die Folgen werden ein massiver Abbau von Arbeitsplätzen im Bankensektor sowie eine Erhöhung der Bankspesen sein.

Die Umrechnungskurse bzw. deren Berechnungsmethode sind noch nicht bekannt. Die diesbezüglichen Folgen, notwendige Rundungen in Form von Aufrundungen, allfällige Umrechnungsfehler und verdeckte Preiserhöhungen, können zu Lasten der Konsumenten gehen.

In der Währungsunion übernehmen die Löhne die Rolle des Wechselkurses bei der Bewältigung von wirtschaftlichen Problemen und Schocks. Wenn ein Land an Wettbewerbsfähigkeit verliert


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und die Arbeitslosigkeit steigt, kann es über niedrigere Lohnsteigerungen, Senkung von Lohnnebenkosten, verstärkte Rationalisierungen gegensteuern.

Durch den zu erwartenden Anstieg der Arbeitslosigkeit ist mit einer weiteren Verschärfung der Frühpensionsproblematik bzw. mit einer erschwerten Wiedereinstellung von älteren Arbeitnehmern in den Arbeitsprozeß zu rechnen.

Der Druck auf die Arbeitsmärkte könnte nur gemildert werden, wenn weitere Transferzahlungen (Finanzausgleich) in eine Krisenregion fließen. Zusätzliche finanzielle Zahlungen an die Europäische Union sind nicht zuletzt aufgrund der derzeitigen Budgetsituation unverantwortlich.

Zur Erreichung der Konvergenzkriterien werden eine Vielzahl von Budgettricks (Stichwort: kreative Buchführung) angewandt. So fand etwa Frankreich in der Privatisierung der France Telecom einen Weg, das Budgetdefizit zu reduzieren, indem der Staat von seinem Fernmeldekonzern -zig Milliarden FF kassierte und im Gegenzug die Pensionszahlungen der Telecom-Beschäftigten übernimmt. Belgien verkaufte massiv Gold der Zentralbank, um seinen Schuldenberg abzubauen. Italien hingegen führte eine "Europa-Steuer" ein und kassiert in späteren Jahren fällige Steuern 1997 vorab und verlagert dafür fällige Ausgaben auf spätere Staatshaushalte. Die Auseinandersetzung in Deutschland zwischen Regierung und Bundesbank über die Neubewertung, und damit Aufwertung der Gold- und Devisenreserven, war dem Image des Euro in der Öffentlichkeit auch nicht gerade förderlich. Schließlich werden in Österreich, um die Euro-Hürde leichter nehmen zu können, kommunale Unternehmungen ausgegliedert, um nur einige Beispiele zu nennen. Jedoch nur eine sorgfältig vorbereitete Währungsunion (ohne derartige Manipulationen) ist geeignet die wirtschaftliche Wohlfahrt und Beschäftigungslage gegenüber dem derzeitigen Zustand zu verbessern, wie WIFO-Chef Dr. Kramer, in der von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Studie zu den Auswirkungen der WWU feststellt.

Eine, einerseits durch Budgettricks angestrebte und andererseits, seit dem Wahlsieg des Linksbündnisses in Frankreich geforderte, und infolge einer großzügigen Auslegung der Konvergenzkriterien immer wahrscheinlicher werdende große Währungsunion ist mit höheren wirtschaftlichen Risiken behaftet sowie mit einer Gefährdung der inneren (Preisstabilität) und äußeren Stabilität verbunden. D.h., entgegen den Versprechungen der Regierung ist in diesem Fall ein weicher Euro zu erwarten.

Eine Abschaffung des Schilling geht, lt. einer neuen Studie des Center for Economic Studies in München vom Mai 1997, mit einem enormen Ressourcentransfer, einem finanziellen Verlust für Österreich in der Höhe von bis zu 5,3 Milliarden DM (rd. 37 Mrd. ÖS) einher, da die Oesterreichische Nationalbank ihre Geldschöpfungsgewinne an die Europäische Zentralbank (EZB) abtreten muß.

Die Entscheidung eine Währungsunion zu gründen ist somit unter den derzeitigen Voraussetzungen, wie die Ereignisse der letzten Wochen klar aufzeigen, überhaupt nicht ökonomisch begründbar, sondern geht einzig und allein auf den politischen Willen zurück, wobei bereits Großbritannien und Dänemark das vertraglich festgelegte Recht haben, trotz Erfüllung der Konvergenzkriterien, auch dann nicht an der WWU teilzunehmen. Schweden gab im Zuge der Beitrittsverhandlungen eine Erklärung ab, über eine etwaige Teilnahme an der WWU selbst zu entscheiden.

Da weder der Weg in die Europäische Währungsunion derzeit sozial- und arbeitsmarktverträglich ausgestaltet ist, noch die monetären Konvergenzkriterien die äußerst problematische und drastische Beschäftigungslage in irgendeiner Art und Weise berücksichtigen, und die Erfüllung dieser Kriterien zu Arbeitsplatzverlusten führt, ist es nicht vertretbar, bereits 1999 eine gemeinsame Währung zu schaffen. Vielmehr ist die Aufnahme eines zusätzlichen Konvergenzkriteriums, das ein hohes Beschäftigungsniveau als wirtschaftspolitische Zielgröße definiert, sowie eine Verschiebung des Starttermins zur Vermeidung von Nachteilen für die Arbeitnehmer und zur Minimierung der Risken, aufgrund einer überhasteten Einführung des Euro, unbedingt erforderlich. Diese Ansicht setzt sich auch zunehmend in anderen Mitgliedsstaaten durch, wie die laufenden Diskussionen in Frankreich, Italien oder Deutschland zeigen. Gerade das Maastricht-


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Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe hält fest, daß Deutschland durch die Ratifikation des EU-Vertrages sich nicht einem unüberschaubaren, in seinem Selbstlauf nicht mehr steuerbaren "Automatismus" zu einer Währungsunion unterworfen hat, und der Zeitpunkt für den Eintritt in die dritte Stufe der WWU (spätestens 1999) "eher als Zielvorgabe, denn als rechtlich durchsetzbares Datum" zu qualifizieren ist. Letztlich erteilt das Bundesverfassungsgericht mit seiner Interpretation jener Auffassung eine Absage, die in der Endstufe der Währungsunion eine Solidargemeinschaft "auf Gedeih und Verderb" sieht und bejaht die Möglichkeit des Ausscherens des einzelnen Mitgliedstaates.

Glaubwürdigkeit, notwendige Legitimation und wirtschaftliche Konvergenz, welche wesentliche Voraussetzungen und Grundbedingungen für einen erfolgreichen Start der EWU wären, können nicht durch einseitige Werbekampagnen, großartige Versprechungen, Beteuerungen und Wunschvorstellungen erreicht werden. Sie bedürfen des nachhaltigen Vertrauens der Bürger und der Märkte. Wie soll jedoch Vertrauen entstehen, wenn beim Erreichen der Voraussetzungen bereits derart manipuliert wird, und sich die Bundesregierung einer breiten öffentlichen Diskussion über zahlreiche ungelöste Fragen mit weitreichenden Konsequenzen für die Bevölkerung entzieht bzw. sie den Bürgern die ganze Wahrheit vorenthält? Eine derart sensible Entscheidung, die Ablösung des österreichischen Schilling durch den Euro, kann unter diesen Rahmenbedingungen nur im Rahmen einer Volksabstimmung durch die allfällige Zustimmung der österreichischen Bevölkerung legitimiert werden.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Herrn Bundeskanzler nachstehende

Dringliche Anfrage:

1. Wie ist es zu rechtfertigen, daß weder der Bundesminister für Finanzen noch sein Stellvertreter, Staatssekretär Dr. Ruttenstorfer, der ja nicht zuletzt mit der Begründung des hohen Arbeitsanfalls auf europäischer Ebene installiert wurde, an der jüngsten ECOFIN-Tagung teilgenommen haben?

2. War aus Ihrer Sicht bzw. aus Sicht der Bundesregierung diese ECOFIN-Tagung von untergeordneter Bedeutung?

Wenn ja, warum?

3. Bei welchen sonstigen Ratssitzungen haben österreichische Regierungsmitglieder nicht teilgenommen?

4. Auf welche Weise ist Ihrer Auffassung nach sichergestellt, daß Österreich bei wichtigen Ratstagungen trotz der Abwesenheit von Regierungsmitgliedern wesentliche Anliegen und Positionen in den Entscheidungsfindungsprozeß auf europäischer Ebene durchsetzen kann?

5. Sind Sie für eine punktgenaue Erfüllung der Konvergenzkriterien, insbesondere des Defizitkriteriums und des Kriteriums öffentlicher Schuldenstand?

Wenn nein, warum nicht?

6. Wird der österreichische Vertreter im Rat dafür eintreten, daß die Konvergenzkriterien nicht strikt ausgelegt werden, damit eine möglichst große Zahl der EU-Mitgliedstaaten von Beginn an an der 3. Stufe der WWU teilnehmen können?

Wenn ja, warum und welche Kriterien können Ihrer Meinung nach um wieviel aufgeweicht werden?

7. Sind Sie ebenso wie der Mitautor der von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Studie über die Auswirkungen der WWU, Dr. Breuss, der Auffassung, daß eine große WWU mit höheren wirtschaftlichen Risken behaftet ist?

Wenn nein, warum nicht?


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8. Dr. Breuss hegt in der zitierten Studie massive Zweifel über die bereits eingetretene allgemeine Konvergenz. Auch der von der EU-Kommission vorgelegte "Evaluierungsbericht Binnenmarkt 1996" bestätigt diese Zweifel. Teilen Sie diese Zweifel?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, warum ist es aus Ihrer Sicht dann vertretbar 1999 eine Währungsunion mit einem möglichst großen Teilnehmerkreis zu beginnen?

9. Dr. Breuss kommt in der genannten Studie auch zum Schluß, daß eine große WWU nicht nur die interne Preisstabilität (zumindest jener der Hartwährungsländer) gefährden könnte, sondern auch den Außenwert des Euro. Wenn Hart- und Weichwährungsländer in einer WWU zusammengespannt sind, ist es schon rein logisch unmöglich zu erwarten, daß der Euro ebenso "hart" sein wird wie die härteste Währung, die DM. Schließen Sie sich dieser Auffassung an?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, warum verspricht die Bundesregierung der Bevölkerung das Gegenteil?

10. Andererseits geht aus der zitierten WIFO-Studie hervor, daß eine kleine Währungsunion, mit den sog. Hartwährungsländern, makroökonomisch fast nichts am status quo ändern würde. Aus welchen Gründen bürdet die Bundesregierung der österreichischen Bevölkerung Belastungspakete in Milliardenhöhe auf, die in diesem Umfang und vor allem in diesem Tempo nicht notwendig wären?

Wäre es auch in diesem Fall nicht sinnvoller den Beginn der 3. Stufe der WWU zu verschieben, zumal lt. Prof. Kramer die absehbare Spaltung der EU in WWU-Teilnehmer und Nichtteilnehmer sehr schwerwiegende Folgen für den Integrationsprozeß haben könnte?

Wenn nein, warum nicht?

11. Seitens der Bundesregierung werden als Vorteile einer gemeinsamen Währung stets eine Steigerung des BIP, der Wegfall von Transaktionskosten etc. angeführt. Wie bewerten Sie die Aussage von Prof. Kramer in der WIFO-Studie, daß es "schwer möglich ist, exakte Angaben darüber zu machen, welche Steigerung des BIP insgesamt im Vergleich zu einem Zustand ohne Währungsunion die Realisierung der WWU kurz- bis mittelfristig tatsächlich bringen könnte"?

12. WIFO-Chef Kramer kam in der zitierten Studie zum Schluß, daß "nur eine sorgfältig vorbereitete Währungsunion mit durchdachten wirtschaftspolitischen Verantwortungen, Abläufen und Strategien geeignet ist, die wirtschaftliche Wohlfahrt und damit auch die Beschäftigungslage gegenüber dem derzeitigen Zustand zu verbessern, wobei allerdings zwei Jahre vor Beginn der gemeinsamen Währung eine Reihe heikler wirtschafts- und allgemeinpolitischer Fragen noch nicht ausreichend beantwortet sind". Sind Sie der Meinung, daß die von Prof. Kramer eingeforderten Rahmenbedingungen bzw. offenen Fragen erfüllt bzw. befriedigend gelöst sind?

Wenn nein, welche diesbezüglichen Maßnahmen werden wann gesetzt?

Wenn ja, inwiefern?

13. Denken Sie daran, so wie es die Bundesregierung in Deutschland beabsichtigte, die Gold- und Devisenreserven der OeNB neu bewerten zu lassen, um dadurch leichter die Konvergenzkriterien zu erreichen?

Wenn ja, aus welchen Gründen?

14. Ist Ihnen die Studie des Center for Economic Studies: "Eurowinners and Eurolosers: The Distribution of Seignorage Wealth in EMU", München, Mai 1997, bekannt, aus der hervorgeht, daß Österreich neben Deutschland, Finnland, die Niederlande aufgrund der Abtretung der Geldschöpfungsgewinne der Nationalbanken in Form der Übertragung von Wertpapieren auf die Europäische Zentralbank (EZB) zu den Verlierern einer WWU zählen und bis zu rd. 37 Mrd. ÖS, die als Umverteilungseffekte auftreten können, belastet würde?


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Welche Schritte wird die Bundesregierung setzen, damit dieser negative Effekt nicht eintritt?

Warum hat die Bundesregierung diesen wesentlichen Umstand bislang verschwiegen?

15. Wie stehen Sie zum Vorschlag ein Gegengewicht, etwa in Form einer "Wirtschaftsregierung" zur "übermächtigen" Europäischen Zentralbank einzurichten?

Wenn positiv, warum und wie soll diese aussehen?

Welche Aufgaben hätte diese und auf welcher vertraglichen Grundlage würde diese basieren?

16. Welche Gestaltungsmöglichkeiten sollen dieser Wirtschaftsregierung/koordinierten Wirtschaftspolitik eingeräumt werden?

17. Inwieweit ist eine Institutionalisierung dieser Wirtschaftsregierung/koordinierten Wirtschaftspolitik vorgesehen?

18. Sie haben sich hinsichtlich des von Deutschland vorgeschlagenen Stabilitätspakts gegen einen Automatismus von Sanktionen bei Verstößen gegen die Maastricht-Stabilitätskriterien ausgesprochen. Beim informellen Gipfeltreffen in Noordwijk Anfang April d.J. einigten sich die Finanzminister auf einen Stabilitäts- und Wachstumspakt, der, wie Gerrit Zalm und Jacques Santer unisono bekräftigten, bei einem übermäßigen Defizit eines Staates automatisch Sanktionen nach sich zieht. Warum kam es zu der diesbezüglichen Meinungsänderung des österreichischen Vertreters im Rat?

19. Mit diesem Automatismus ist eine Veränderung des Maastricht-Vertrages gegeben. Ist durch diese offensichtliche Vertragsänderung nicht die Notwendigkeit entstanden den Maastricht-Vertrag neu zu ratifizieren?

Wenn nein, warum nicht bzw. welche rechtliche Qualität haben Entschließungen des Rates?

20. Welche konkreten Maßnahmen im Stabilitäts- und Wachstumspakt werden zu einem zusätzlichen Wachstum, insbesondere aber zu einer Verbesserung der Beschäftigungssituation führen?

21. Soll nach Ansicht der Bundesregierung, wie von Frankreich vorgeschlagen, der Stabilitätspakt geändert bzw. erweitert werden?

Wenn ja, wie soll der vorliegende Stabilitätspakt geändert werden, damit tatsächlich Wachstum und Beschäftigung entsteht?

22. Wenn der Stabilitätspakt bereits zwischen 1992 und 1996 gültig gewesen wäre, wieviel Milliarden ÖS hätte Österreich im schlimmsten Fall an Strafgelder zahlen müssen und durch welche Maßnahmen hätten diese finanziert werden müssen?

23. Welche Konvergenzkriterien wird Österreich 1997 voraussichtlich nicht erfüllen?

24. Welche Konvergenzkriterien wird Österreich 1998 voraussichtlich nicht erfüllen?

25. In der Währungsunion übernehmen die Löhne die Rolle des Wechselkurses. Daraus folgt, daß in der Währungsunion die nationalen Arbeitsmärkte unter größeren Anpassungsdruck geraten. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dieser Tatsache?

26. Der ÖGB verlangte, zuletzt wieder in seinen "12 Punkten für Europa", das Kriterium Beschäftigung als zusätzliches Konvergenzkriterium aufzunehmen. Unterstützt die Bundesregierung diese Forderung?

Wenn ja, welche konkreten Schritte wird die Bundesregierung wann setzen?

Wenn nein, aus welchen Gründen nicht?


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27. Sind Sie, ebenso wie Prof. Nowotny, der Auffassung, daß "aus Beschäftigungsgründen die zeitgerechte Einführung des Euro wichtig ist"?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, wie ist dies aufgrund der Tatsache, daß die Einführung des Euro zu zusätzlichen Arbeitsplatzverlusten führen wird, wie auch die WIFO-Studie belegt, zu verstehen?

28. Sind Sie, ebenso wie Vizekanzler Dr. Schüssel, der Auffassung, daß "wenn der Euro nicht kommt, dies der Abschied von der europäischen Beschäftigungspolitik ist"?

Wenn ja, wie begründen Sie diese Auffassung?

Wenn nein, warum nicht?

29. Gibt es Ihrer Meinung nach eine europäische Beschäftigungspolitik?

Wenn ja, wie wirkt diese in Anbetracht von mehr als 18 Millionen Arbeitslosen?

30. Von den österreichischen Banken wird ein Umstellungsbedarf mit Kosten von ca. 8 Mrd. ÖS prognostiziert. Weiters kommt es durch den Wegfall von Geschäftsbereichen (z.B. Wechselstubengeschäft, Devisenhandel, Wechselkursabsicherungsgeschäfte etc.) zu Ertragsausfällen in einer Größenordnung von 5% bis 10% der Ertragsbasis, die hauptsächlich Banken in kleineren Ländern, wie Österreich treffen. Die Folge ist lt. WIFO-Studie ein nicht unerheblicher Abbau von Arbeitskräften in diesem Wirtschaftsbereich. Wie viele Arbeitsplätze werden allein im Bankensektor kurz- und mittelfristig verloren gehen?

31. Wie beabsichtigt die Bundesregierung der durch die Euro-Einführung zu erwartenden Verschärfung der Pensionsproblematik (Abschieben von Arbeitnehmern in den vorzeitigen Ruhestand, infolge Rationalisierungsdrucks) zu begegnen?

32. Wie wird sichergestellt, daß die Umstellung auf den Euro nicht zu versteckten Preis- bzw. Gebührenerhöhungen, auch der öffentlichen Hand führt?

33. Wird die Bundesregierung, im Falle der fristgerechten Einführung des Euro, soziale Maßnahmen für vom Euro negativ betroffenen Beschäftigungsgruppen ergreifen?

Wenn ja, wann, welcher Art und wie sollen diese angesichts des angespannten Budgets finanziert werden?

34. Können Sie sich der von nicht unbedeutenden Politikern, Wissenschaftern und Experten vertretenen Meinung anschließen, wonach die Verschiebung des Zustandekommens der 3. Stufe der WWU unter den gegebenen Bedingungen der eher attraktivere Weg sei?

Wenn nein, warum nicht?

35. Treten Sie vor Einführung des Euro in Österreich für eine österreichische Volksabstimmung ein?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt sollte diese erfolgen?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 1 GOG-NR vor Eingang in die Tagesordnung zum frühest möglichen Zeitpunkt zu behandeln."

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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung erhält zur Begründung dieser Dringlichen Anfrage Herr Abgeordneter Dr. Haider das Wort. Die Redezeiten sind bekannt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.01

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Die Freiheitlichen wollen im Rahmen einer Dringlichen Anfrage die Problematik der Vorbereitung der Einführung einer gemeinsamen europäischen Währung erörtert wissen, vor allem deshalb, weil zwar vom Grundsatz her auch in Österreich schon sehr viel über diese Fragen diskutiert worden ist, aber der Teufel bekanntlich im Detail steckt und es sicherlich für die Mehrheit der Österreicher wichtig und bedeutend ist zu wissen, welche konkreten Konsequenzen mit der Einführung einer derartigen europäischen Einheitswährung verbunden sind.

Es ist völlig klar, daß dann, wenn die wirtschaftliche Integration mehrerer Länder ein Niveau erreicht hat, das eine Vergleichbarkeit der einzelnen Volkswirtschaften hinsichtlich deren Entwicklungsniveau möglich macht, auch eine gemeinsame Währung Sinn macht. Daran haben wir Freiheitliche nie einen Zweifel gelassen.

Das Problem, mit dem wir heute konfrontiert sind, hat das Wirtschaftsforschungsinstitut in seiner Studie zur Einführung der Europäischen Währungsunion für die österreichische Bundesregierung selbst formuliert. Das Wirtschaftsforschungsinstitut geht davon aus, daß ein vergleichbarer Entwicklungsstand der nationalen Volkswirtschaften jener Länder, die mit uns in einen Währungsverbund eintreten sollen, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gegeben und daher die Einführung einer einheitlichen Währung sehr risikoreich ist. Es werden vom Wirtschaftsforschungsinstitut deutliche Zweifel angemeldet und in diesem Gutachten zum Ausdruck gebracht.

Man weiß, daß ein eigenes Geldwesen und die Verfügung über eine eigene Währung auch eine Frage der persönlichen Freiheit der Bürger in einem Gemeinwesen ist. Der Schilling ist ein Symbol unserer Eigenstaatlichkeit, und mit ihm ist letztlich unsere wirtschaftliche Verfügungsmacht verbunden, auch wenn es darum geht, Einkommenssicherheit zu ermöglichen. Es ist damit die Chance verbunden, Arbeitsplätze zu schaffen, aber auch die Gefahr, Arbeitsplätze zu vernichten. Aufgrund dieser Überlegungen haben wir diese Anfrage gestellt. Denn das Wirtschaftsforschungsinstitut sagt: Nur eine sorgfältig vorbereitete Währungsunion mit durchdachten wirtschaftspolitischen Verantwortungen und Strategien ist geeignet, die wirtschaftliche Wohlfahrt und damit auch die Beschäftigungslage gegenüber dem Zustand ohne gemeinsame Währung zu verbessern. – Das ist es. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, der Herr Bundeskanzler wird dafür Verständnis haben, wenn wir sagen: Ein Experiment so riesigen Ausmaßes, wie es mit der Einführung des Euro geplant ist und das es im Laufe der Wirtschaftsgeschichte in dieser Form noch nie gegeben hat, ein derartiges wirtschaftliches Projekt muß entsprechend gut vorbereitet werden. Doch haben die Schritte der Bundesregierung, die wir in den letzten Tagen und Monaten beobachten konnten, mit solider und guter Vorbereitung sehr wenig zu tun.

In der launigen Stimmung von Rust etwa wurde verkündet, daß es eine neue Exportoffensive geben werde. (Abg. Dr. Kostelka: Launig war das nicht!) Der Schwerpunkt dieser Exportoffensive aber liegt ausgerechnet auf Exporten in die ehemaligen russischen Teilstaaten, in die GUS-Staaten, mit denen derzeit ein Entschuldungskonzept ausgehandelt wird, demzufolge 80 Prozent der bisher nicht zurückgezahlten Schulden – auch der österreichischen Kredite – überhaupt gestrichen werden sollen. Dort will der Bundeskanzler jetzt Geschäfte für Österreich machen! Dabei wissen wir heute schon über solche Geschäfte, daß zwar Milliardenkredite vergeben worden sind, jedoch 80 Prozent der Wertschöpfung und damit der Arbeitsplätze auf ausländischem Territorium und nicht hier in Österreich vorzufinden gewesen sind. Herr Bundeskanzler! Verstehen Sie deshalb, daß wir erhebliche Zweifel daran haben, daß Sie überhaupt wissen, was Arbeitsplatzpolitik für die österreichische Bevölkerung, für die Menschen in diesem Lande heißt? (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Sie erleben ja gerade, wie im Zusammenhang mit dem jüngsten Pensionschaos eine Woge der Empörung über Sie hereinbricht, weil wieder einmal so ein "Schnellschuß" gemacht worden ist. Man hat gesagt: Wir haben kein Geld mehr in der Staatskasse, also kürzen wir einfach die Pensionen an allen Ecken und Enden zusammen. – Sie wissen gar nicht, was Sie mit dieser Politik anrichten! Sie verunsichern die Menschen zutiefst, wenn Sie, statt ein Konzept vorzulegen, nur Inkassoaufträge erteilen. Neuerlich soll bloß einkassiert werden, statt Reformen solide vorzubereiten und den Menschen eine Zukunftsperspektive zu geben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Offenbar hat das den Bundespräsidenten heute bewogen, einen dringenden Appell an Sie zu richten, die Menschen nicht zu verunsichern. Vielleicht war es auch das, was Kollegen Fasslabend von der ÖVP bewogen hat, von der weinlaunigen Zustimmung von Rust wieder abzuspringen. Nachdem er sozusagen die nüchternen Fakten in nüchternem Zustand gesehen hat, ist er einen Tag später plötzlich gegen die geplanten Pensionskürzungen aufgetreten. – Ich sage Ihnen eines, liebe Freunde: ÖVPler sollten vorsichtig sein beim übermäßigen Konsum von Rotwein! Roter ist nicht bekömmlich für die Schwarzen in diesem Lande. Vielleicht habt ihr das in den letzten Jahren schon mitbekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es ist schon einmal einem Bundeskanzler die Pensionsfrage zum Stolperstein geworden. – Herr Bundeskanzler! Ihrem Vorgänger ist diese Frage zum Stolperstein geraten, und Sie sind auf dem besten Wege dorthin. Die Frage der Pensionslüge war der Anfang vom Ende der politischen Laufbahn von Franz Vranitzky. Sie sind mit diesen "Schnellschüssen" dabei, dasselbe zu tun. Ihre Zeit als Kanzler wird sehr kurz bemessen sein, wenn Sie jetzt schon damit anfangen, mit "Schnellschüssen" den Pensionisten und denjenigen, die ihre in den nächsten Jahren hart zu erarbeitenden Lebensverdienstsummen im Alter ein wenig genießen wollen, wieder etwas wegzunehmen.

Daher kommt unser Mißtrauen, und unser Mißtrauen sitzt tief angesichts des konzeptlosen "Schnellschusses" bei den Pensionen, aber auch angesichts der Neuregelungen im Sozialbereich. Ausgerechnet die Regierung, die darauf gepocht hat, daß Frauenrechte nicht gefährdet werden dürfen, macht jetzt Pensionsvorschläge, die auf längeren Durchrechnungszeiträumen beruhen. Das heißt nichts anderes, als daß die berufstätige Frau auf der Strecke bleiben wird. Sie hat es jetzt schon schwer genug, eigenständige Pensionsansprüche zu erwerben. Wenn aber für die Pensionsberechnung ein Durchrechnungszeitraum von 20 Jahren gilt, werden berufstätige Frauen bei den Pensionen überhaupt durchfallen oder mit Schandpensionen von ein paar tausend Schilling abgefertigt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zur Frage der Arbeitsplätze: Es hat geheißen, sofort würden Arbeitsplätze geschaffen werden. – Im Mai aber hat die Arbeitslosigkeit allein bei den Frauen um 8,8 Prozent zugenommen. In den anderen Ländern geht sie zurück, nur in Österreich nimmt sie zu. Da muß etwas falsch laufen, Herr Bundeskanzler!

Denken Sie an Ihr Versprechen, kein neues Sparpaket zu schnüren! Kaum haben Sie es ausgesprochen, gibt es eine höhere "Tschick-Steuer", gibt es Gebührenvandalismus, der bis zu 50 Prozent Gebührenerhöhungen bringen wird, gibt es ein Aussetzen der Freibeträge, wodurch die Arbeitnehmer wieder dem Staat quasi einen Kredit geben und jahrelang warten "dürfen", bis sie endlich die ihnen gesetzlich zustehenden Freibeträge in Anspruch nehmen können.

Ich glaube, daß das keine Politik mehr ist. Die einzige Stempelmarke, die die Österreicher zu kleben bereit sein werden, wird die Stempelmarke für das Entlassungsschreiben dieser Bundesregierung sein. Dafür ordentlich zu bezahlen, werden sie bereit sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Von Einkommensstärkung war die Rede. – Jetzt verkündet der Bundeskanzler, Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich sei die Solidarität der neunziger Jahre und der Jahrtausendwende. Das bedeutet nichts anderes als einen Einkommensverlust für fleißige Leute.


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78. Sitzung / Seite 115

Versprochen wurde, daß es keine Pensionskürzungen geben werde. – Tatsächlich haben wir schon Nullrunden hinter uns, und jetzt beginnen Sie mit einer neuen Inkassomethode, anstatt ein Konzept auf den Tisch zu legen.

Herr Bundeskanzler! Wer hindert Sie daran, einmal nachzuforschen, ob nicht vielleicht die Administration des gesamten Sozialversicherungssystems zu reformieren wäre, bevor Sie Leistungen kürzen und Beiträge erhöhen? Wer hindert Sie daran, damit zu beginnen, die 28 Sozialversicherungsanstalten zusammenzulegen? Legen Sie die 28 Anstalten zusammen und machen Sie fünf daraus! Es gibt dafür vernünftige Konzepte. Verhindern Sie einen Verwaltungsaufwand von 11 Milliarden Schilling!

Es funktioniert ohnehin alles nicht. Die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter hat einen neuen Computer gekauft, der bis heute nicht funktioniert, und die Mitarbeiter müssen mit dem Taschenrechner die Pensionszeiten ausrechnen. Das dauert im Durchschnitt länger als neun Monate! Sind das die modernen Leistungen des Staates, die Sie uns versprochen haben? Fahren Sie lieber dort dazwischen, anstatt den Leuten etwas zu kürzen, für das sie ihr Leben lang fleißig gearbeitet haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Fahren Sie dort dazwischen, wo Sie sparen könnten, etwa bei der Oesterreichischen Nationalbank! Ich kann nicht einsehen, daß Sie jetzt bei den Pensionisten und bei denjenigen, die in den nächsten Jahren in Pension gehen werden, scharfe Maßnahmen ergreifen, aber zugleich zusehen, wie in der Oesterreichischen Nationalbank für 1 300 Pensionisten 24,6 Milliarden Schilling Pensionsreserven gebildet worden sind, obwohl man weiß, daß dort die große Masse derer, die von diesem System begünstigt werden, ihr ganzes Leben lang keinen Schilling Pensionsbeitrag bezahlt haben! Erst seit dem Jahr 1993 bezahlen sie freiwillig 2 Prozent Pensionsbeitrag, freiwillig und ohne Verpflichtung. Das ist doch ungeheuerlich!

Herr Bundeskanzler! Ich glaube daher, daß Sie dort eingreifen und nicht hergehen und sagen sollten: Wir können uns die Pensionen nicht mehr leisten, daher – Rübe ab und darübergefahren! – Gleichzeitig aber richten Sie für die Politiker eine eigene Pensionskasse ein, in welcher der Staat noch einmal mit 10 Prozent für die erforderliche Deckung sorgt. Das alles paßt nicht zusammen: hier die politische Klasse, die es sich richtet, und dort draußen die Menschen, denen man eins drübergibt, auch wenn sie fleißig gearbeitet haben. Das verstehen die Menschen nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist sehr einfach, herzugehen und zu sagen: Die Beamten sind daran schuld, daß alles nicht funktioniert. – Aber wer hat dieses System geschaffen? Wer regiert seit 1945? Wer hat die Macht in Händen, es besser zu machen?

Nicht die Beamten sind schuld, sondern das System, das letztlich Bürokratie in einem Ausmaß erzwingt, daß die Bürokratie selbst mit den Anforderungen nicht mehr zu Rande kommt. Denken Sie nur an das Gesetz über die Mindestkörperschaftsteuer, das diese Regierung gemacht und der Verfassungsgerichtshof jetzt aufgehoben hat. 130 000 Anträge werden derzeit in Sachen Mindestkörperschaftsteuer in den Finanzämtern gelagert. Allein wegen dieses blödsinnigen Gesetzes stehen 130 000 Anträge zur Behandlung und sind 11 000 Klagen eingereicht worden! Da zeigt sich, was danebengeht. 1 Milliarde Schilling Steuerrückstände, die nicht eingetrieben werden, gibt es allein im kleinen Finanzamt Klagenfurt! Beträge unter 10 000 S werden von vornherein nicht mehr eingetrieben, weil dort nur drei Exekutoren tätig sind. Drei Personen sollen alle diese Rückstände hereinbringen. – Das kann nicht funktionieren, Herr Bundeskanzler!

Oder: die Rückerstattung der Außenhandelsförderungsbeiträge: 200 000 Anträge sind allein beim Hauptzollamt Wien zu bearbeiten! 50 000 Parteien wurden über ihre Rückforderungsansprüche schriftlich informiert. Zu alledem konnte es nur kommen, weil Sie von der Regierung gesetzwidrig gehandelt haben! Weil Sie die Verfassung und die Gesetze nicht eingehalten haben, sind Tausende und Abertausende bürokratischer Akte zu erledigen, weil die Leute mit Gerichtsurteil ihr Geld zurückverlangen müssen. Das ist der Zustand dieser Republik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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78. Sitzung / Seite 116

In Deutschland gibt es jährlich 6 000 Umweltverfahren, dagegen 15 000 bei uns im kleinen Österreich. 15 000! Auf diese Weise kann das alles nicht gehen.

Als nächstes steht uns nun der Euro ins Haus. Der nächste Wortbruch kommt bestimmt. Herr Bundeskanzler! Genauso wie Ihr Vizekanzler haben Sie versprochen: Wir werden darauf achten, daß der Euro so hart ist wie der Schilling. – Schon jetzt hört man nichts mehr davon. Das Wifo erstellt für die Bundesregierung eine Studie, in der geschrieben steht, daß der Euro nicht so hart wie der Schilling sein wird. Es wird von Anbeginn an zu einer Abwertung von etwa 6,75 Prozent kommen. 6,75 Prozent, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Nowotny: Das stimmt doch nicht!) Lesen Sie es nach! Nicht einmal lesen kann er mehr, der Herr Kollege Nowotny. Sie sollten sich eine Brille kaufen, Herr Kollege! – 6,75 Prozent! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Kostelka: Er kennt sich halt aus, das ist der Unterschied! – Abg. Dr. Nowotny: Sie haben das nicht verstanden!)

Ja, Herr Kollege, wir sind immer diejenigen, die etwas "nicht verstehen"! Wir haben auch die Reserven-Geschichten der Nationalbank "nicht verstanden", bis Sie darauf gekommen sind, unsere Idee zu übernehmen. Das ist in der Zwischenzeit hinlänglich bekanntgeworden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun, Herr Kollege Nowotny, fragen wir einmal höflich den Herrn Bundeskanzler nach seinem Konzept dafür, wie er den harten Schilling in einen harten Euro transferieren wird. Denn das hat er versprochen. Sie wissen ganz genau, daß es in Österreich 26 Millionen Sparbücher gibt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny. ) Die Besitzer dieser Sparbücher sind zutiefst verunsichert. Der Herr Bundespräsident hat seinen Appell an die Adresse dieser Regierung gerichtet: Verunsichert nicht die fleißigen Leute, hat er heute gesagt, verunsichert nicht die anständigen Leute. – Wir sind nicht an der Regierung. Regieren ist Sache von Klima und Co, und diese gehen auf Tauchstation, wenn sich zeigt, wie den Leuten das Geld aus der Tasche gezogen wird und Reformprojekte verweigert werden! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny. )

Sie können es sich so ausrechnen, wie es der Exbundesbankpräsident Schlesinger für Deutschland ausgerechnet hat. Er hat gesagt: Wenn der Euro gegenüber der DM um nur 1 Prozent abgewertet wird, so bedeutet das mit einem Strich einen Vermögensverlust für die deutsche Bevölkerung in Höhe von 230 Milliarden Schilling. Stellen Sie die entsprechende Rechnung für Österreich an! Auf Basis der Sparguthaben bedeutet 1 Prozent rund 30 bis 35 Milliarden Schilling Vermögensverlust mit einem Strich. 3 Prozent bedeuten rund 100 Milliarden Schilling, meine Damen und Herren! 100 Milliarden Schilling den Österreichern einfach so wegzunehmen ist nichts, was man in Kauf nehmen sollte. Daher rührt berechtigterweise das Mißtrauen, das wir Ihnen in dieser Frage entgegenbringen.

Meine Damen und Herren! Es ist zwar richtig zu sagen, daß ein weicherer Euro die Exporte fördere, doch ist damit nichts über die negative Wirkung gesagt. Unsere Klein- und Mittelbetriebe sind in hohem Maße auf Importe angewiesen, auch von Rohstoffen. Diese würden teurer werden. Wenn dann die Zinsen steigen, werden Investitionen in Arbeitsplätze in Österreich teurer. – Aber im Zweifel bin ich für Arbeitsplätze, Herr Bundeskanzler, und nicht für den Ausverkauf unserer Unternehmen an die Multis! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was ist mit den Kosten, Herr Bundeskanzler? – Laut einer Untersuchung des Londoner Institutes für ökonomische und soziale Fragen wird die Einführung des Euro kurz- und mittelfristig zur Vernichtung von 1,5 Millionen Arbeitsplätzen in Europa führen. 1,5 Millionen Arbeitsplätze! Wir wissen, daß die Einführung des Euro allein im Bankenbereich in Österreich – ich zitiere Herrn Exgeneraldirektor Schmidt-Chiari – 15 000 bis 20 000 Arbeitsplätze kosten wird. Das sind neue Arbeitslose, meine Damen und Herren, Menschen, die am Arbeitsmarkt untergebracht werden sollen! Wie werden wir das finanzieren?

Als gebrannte Kinder wissen wir, was Sie uns 1994 vor dem EU-Beitritt alles versprochen haben: 43 000 neue Arbeitsplätze würden geschaffen werden. Wo sind sie heute? – Wir haben eine höhere Arbeitslosigkeit als je zuvor. Wir erreichen Rekordwerte bei der Arbeitslosigkeit, und


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ein Betrieb nach dem anderen sperrt zu. Die angeblich so Europa-konforme Unilever schließt jetzt schon wieder einen Betrieb, dem die Regierung vorher noch ausgiebig Subventionen im Sinne des Eurofit-Programmes gegeben hat. Wieder stehen ein paar hundert Leute auf der Straße. Dasselbe geschieht bei Semperit, bei der Lenzing AG und bei anderen Betrieben! Das ist Ihre Politik: desaströs und zunehmend gefährlich für die Republik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

300 Milliarden Schilling wird die Umstellung auf den Euro kosten. Ich zitiere aus einer Untersuchung der "Financial Times" von voriger Woche: 300 Milliarden Schilling Umstellungskosten für den Euro, 8 Milliarden Schilling neue Gebührenbelastungen für die österreichischen Bankkunden, 3,5 Milliarden Schilling Ertragsminderung der österreichischen Banken pro Jahr. (Abg. Mag. Mühlbachler: Und wie hoch sind die Courtagen?)

Ich werde Ihnen das gleich vorrechnen, Kollege! – Die Gewinn- und Verlustverteilung in der neuen Europäischen Zentralbank durch Abliefern von Gold- und Devisenreserven bedeutet nach dem Central Banking Institute of London ... (Zwischenruf des Abg. Mag. Mühlbachler. ) Herr Kollege! Ich empfehle Ihnen die Lektüre des Central Banking Institute of London ... (Zwischenrufe.) Ich werde es Ihnen übersetzen und auf Spanisch ausdrucken lassen. Vielleicht verstehen Sie das besser, denn Ihnen kommt an dieser ganzen Angelegenheit vieles spanisch vor! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Mühlbachler: Das ist mehr als primitiv!)

Meine Damen und Herren! Gewinn- und Verlusttransfer bedeutet nach diesen Untersuchungen 3,5 Milliarden Schilling Gewinnentgang per anno für die Oesterreichische Nationalbank alleine durch das Abziehen von Gold- und Devisenreserven. Dazu kommt noch das Abliefern der Wertpapierdepots, das, wie jüngst eine Untersuchung ergeben hat, noch einmal 40 Milliarden Schilling Verlust für Österreich bringt. Dazu kommt noch die Mindestreserve-Politik, über die noch gar nicht geredet wurde, darüber haben die Finanzminister noch nicht einmal beraten, meine Damen und Herren. (Lebhafte Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Aber das ist es doch, was wir von Ihnen wollen, meine Damen und Herren: daß Sie endlich einmal Flagge zeigen und endlich sagen, was Sie den Österreichern mit diesem Modell einbrocken! Denn wenn Sie das nicht sagen können, dann geht Österreich einer ungewissen Zukunft entgegen. Deshalb fragen wir ja den Bundeskanzler!

Er hat bis jetzt bei allen wichtigen Fragen sagen können: Ich habe das nicht gewußt. Bei der Werkvertragsregelung hat er – obwohl er zuständig war – gesagt: Ich kenne mich nicht aus. Bei der Frage der WestLB-Kooperation mit der Bank Austria hat er gesagt: Ich habe nichts gewußt, mein Name ist Hase. Und die ÖVP hat gesagt: Wir glauben es ihm, daß er nichts weiß, weil ein Unwissender in der Regierung besser ist als ein wissender Konkurrent. Daher glauben wir, daß er es nicht weiß.

Wir Freiheitlichen wollen aber, daß Sie in Zukunft wissen, was Sie uns sagen, Herr Bundeskanzler. Wir wollen von Ihnen zum Beispiel wissen, welche Konsequenzen die Einführung des Euro unter den jetzigen Bedingungen hat. Wo ist Ihr Arbeitsplatzkonzept? Wie sieht Ihre Lohnpolitik aus? – Sie wissen ganz genau, daß in der Wifo-Studie steht: Wenn der Euro kommt, dann bleibt, um die nationale Konvergenz herzustellen, nur mehr die Möglichkeit, über die Lohnpolitik zu fahren. Das bedeutet aber Lohnkürzungen, Kürzung der Lohnnebenkosten und das Ausschöpfen von Rationalisierungsreserven – ist gleich Arbeitsplatzverlust. Geben Sie uns bitte Antworten darauf! (Abg. Mag. Stadler: Was sagt die Gewerkschaft?)

Die Gewerkschaften schweigen, weil sie ja im Zweifelsfall regierungstreu sind. Die Gewerkschaften sind im Zweifelsfall dafür, daß man den Kopf in den Sand steckt.

Wir Freiheitlichen werden das sicherlich nicht machen, denn wir gehen davon aus, daß letztlich, selbst dann, wenn alles stimmt und alles zutrifft, was Sie so versprochen haben, eines bleiben wird: Die minderentwickelten europäischen Partnerländer, insbesondere die südlichen Mitgliedsländer, werden dann, wenn sie in der Währungsunion sind, durch eine steigende Arbeitslosigkeit große soziale Probleme bekommen. Jeder Experte – keiner bezweifelt das mehr! – sagt voraus, daß dies letztlich zur Konsequenz haben wird, daß wir als die Reicheren mit Transferzahlungen


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für diese Länder mit höherer Arbeitslosigkeit in Vorlage werden treten müssen. Das bedeutet eine neue Euro-Steuer für die Österreicher, damit wir diesen Euro finanzieren und die Arbeitslosigkeit und die hohen Sozialkosten in den schwächeren Ländern ausgleichen können.

Professor Hankel hat richtigerweise gesagt: Die Zeche für dieses Experiment zahlen die Arbeitnehmer und die Sparer. – Da machen wir Freiheitlichen aber nicht mit. (Rufe bei der SPÖ: Redezeit! Den Schlußsatz!)

Wir fragen Sie jetzt, nachdem sich immer mehr Länder von diesem Projekt verabschieden, Herr Bundeskanzler, wie Sie weiter vorgehen werden. Ihr Kollege Blair, den Sie ja so hochgelobt haben, geht wenigstens her und sagt: Ja, ich frage zuerst die englische Bevölkerung! – Machen Sie es wie Blair! Sagen Sie hier vor dem österreichischen Parlament: Ich bin bereit, die österreichische Bevölkerung zum Thema Euro zu befragen! Sagen Sie das einmal ganz offen! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie bewundern ihn ja so, den Herrn Blair.

Auch Ihr SPD-Kollege Schröder in Deutschland ist gegen dieses Projekt. Er sagt: Verschieben! Wir sind noch nicht reif, um es zu machen. – CSU-Ministerpräsident Stoiber sagt: Verschieben! Wir sind noch nicht reif, um es zu machen. – Die Dänen machen überhaupt nicht mit, die Schweden machen überhaupt nicht mit, die Franzosen sind skeptisch, und die Engländer wollen zuerst abstimmen. Ja, warum müssen Sie denn ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (fortsetzend): Herr Bundeskanzler! Warum müssen Sie denn letztlich ohne Wenn und Aber – wie Sie es der "Kleinen Zeitung" ausgerichtet haben – einen Weg mitgehen, der für Österreich die Gefahr in sich birgt, mehr Arbeitslose und mehr soziale Probleme zu bekommen, weil diese Dinge nicht wirklich vorbereitet sind?

Das ist unser Appell an Sie: Wir möchten Sie unterstützen auf diesem Weg, aber es muß ein Weg sein, bei dem es nicht mehr Arbeitslose und mehr soziale Katastrophen in diesem Lande gibt. Dann können Sie auch mit der Unterstützung der Freiheitlichen rechnen! (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.24

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, gebe ich bekannt, daß Herr Abgeordneter Mag. Stadler gemäß § 33 Abs. 1 GOG einen Antrag betreffend die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der Verantwortung im Zusammenhang mit der mehr als zweijährigen Behinderung der Ermittlungen zum Bombenterror eingebracht hat.

Die Durchführung einer Debatte wurde nicht verlangt.

Nach § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung findet die Abstimmung über diesen Antrag des Kollegen Mag. Stadler nach Erledigung der Tagesordnung der heutigen Sitzung statt.

*****

Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich der Herr Bundeskanzler zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

15.25

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe hier zwar die Dringliche Anfrage mit 35 zum Teil sehr detaillierten Fragen zum Thema Wirtschafts- und Währungsunion und den Vorbereitungsarbeiten dazu, aber ich erlaube mir trotzdem, auf die einleitenden Bemerkungen von Herrn Abgeordneten Dr. Haider hin


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sichtlich Beschäftigungspolitik und hinsichtlich der Frage der nötigen Konsolidierung der Staatshaushalte – diese zwei Dinge hängen doch miteinander zusammen – einzugehen.

Sehr geehrter Herr Dr. Haider! Ich glaube, wir können rasch ein Einvernehmen dahin gehend erzielen, daß wir beide es bedauern, daß private Unternehmen – Sie haben unter anderem Eskimo-Iglo von Unilever erwähnt – ihre Produktion in Österreich schließen oder vielleicht auch verlagern wollen. Der einzige Unterschied zwischen uns liegt, wie ich meine, darin, daß ich klipp und klar sage: Wir glauben nicht, daß es sinnvoll ist, den Leuten vorzugaukeln, daß wir ein Wirtschaftssystem haben könnten, in dem die Politik den Unternehmen anschafft, irgend etwas nicht zu tun. (Abg. Dr. Haider: Rahmenbedingungen!)

Daher ist es viel ehrlicher, sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Haider, zu sagen: Wir als Bundesregierung haben uns in dem Neun-Punkte-Programm, das hier vor drei Monaten besprochen und diskutiert wurde und das auch in Rust unverzüglich Auswirkungen, zum Beispiel auf dem Gebiet der Technologieoffensive, der Exportoffensive, der Jugendbeschäftigung, gefunden hat, dazu verstanden, daß wir hier konkrete Maßnahmen für Beschäftigung setzen müssen. (Abg. Dr. Haider: Was ist mit der Jugendarbeitslosigkeit? – Abg. Mag. Stadler: Sie reden die ganze Zeit davon! Sagen Sie, wie Sie es machen werden!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. Haider! Das Thema Exportoffensive ist zum Beispiel ein sehr gelungener Erfolg. Die Bundesregierung hat hiezu Experten aus dem Bereich der Wirtschaft beauftragt, keine neue Studie, sondern ein konkretes Maßnahmenprogramm auszuarbeiten. (Abg. Dr. Haider: Die alte Strategie!) Diese Experten sagen, daß damit ein Volumen von etwa 20 000 bis 30 000 Arbeitsplätzen gesichert oder auch neu geschaffen werden kann und daß dieses Volumen von der österreichischen Bundesregierung auch rasch mit umgesetzt werden muß.

Sehr geehrter Herr Dr. Haider! Sie wissen, daß eine Forderung lautet, daß wir eine Möglichkeit suchen sollen, die österreichischen Zahlungen für die Erdgaslieferungen, die wir Jahr für Jahr erhalten, als Absicherung von künftigen Lieferungen und Leistungen österreichischer Unternehmen, die österreichische Arbeitsplätze sichern, in den GUS-Staaten zu verwenden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Warum streichen wir 80 Prozent der Schulden der GUS-Staaten?)

Das ist ein sehr wichtiger Ansatz! Sie versuchen hier immer den Eindruck zu erwecken, daß es uns darum ginge, zum Schaden der österreichischen Steuerzahler Geld wegzuwerfen. So ist es doch nicht!

Zum zweiten: Ich glaube, daß auch der Ansatz im Bereich der Technologiepolitik ein durchaus bahnbrechender, mutiger ist. Wir haben hier ein System – vorgeschlagen von zwei Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft – umzusetzen, das erstmals die starren Mauern zwischen den Ministerien aufbricht und eine gemeinsame Koordination, eine gemeinsame Entwicklung der Forschungs- und Technologiepolitik in Österreich möglich macht. Ein vorsichtiger Manager, der Generaldirektor von Siemens Österreich, schätzt, daß allein dadurch – durch hohe Technologie – in Österreich etwa 30 000 bis 40 000 Arbeitsplätze gesichert oder neu geschaffen werden können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Das ist die Antwort, die wir geben wollen. (Abg. Dr. Haider: Seit vier Jahren hören wir das! – Abg. Mag. Stadler: Herr Klima! Das hat uns schon Ihr Vorgänger erzählt! Das können wir schon auswendig!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei aller Kritik der Opposition, die ich immer wieder verstehe, möchte ich Sie fragen: Ist es für Sie nicht auch ein positives Zeichen, daß sich die österreichische Bundesregierung mit dem Präsidenten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes und mit dem Präsidenten der Bundeswirtschaftskammer zusammensetzt und ein Projekt zur Ausbildung der Jugend – Chancen für die Jugend, Jugendbeschäftigung mit der Garantie, jedem 15jährigen eine Lehrstelle oder einen Schulplatz anzubieten – ausarbeitet? In anderen Ländern Europas gibt es bei der Jugend eine Arbeitslosenquote von 20 Prozent, aber in Österreich gibt es konkrete Maßnahmen der Bundesregierung! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es würde, wie ich meine, Ihre Kritik in einigen Punkten glaubwürdiger machen, wenn Sie in anderen Punkten die Erfolge, die die österreichische Bundesregierung mit den Sozialpartnern hat, durchaus auch einmal anerkennen würden. (Abg. Dr. Haider: Sie sind ja in der Regierung, nicht die Opposition!)

Es ist kein Zufall, daß Österreich die zweitniedrigste Arbeitslosenquote der entwickelten Industriestaaten in Europa hat. (Abg. Dr. Haider: 250 000 Arbeitslose!) Das ist das Ergebnis der aktiven Beschäftigungspolitik dieser Bundesregierung, das Ergebnis einer vernünftigen Zusammenarbeit der Sozialpartner, der flexiblen Lohnpolitik, der ordentlichen Lohnpolitik, der Hartwährungspolitik und der stabilen Fiskalpolitik in den letzten Jahrzehnten! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Sehr geehrter Herr Dr. Haider! Ich denke, auch Sie werden die Leistung der Österreicherinnen und Österreicher, in kurzer Zeit einen stabilen Haushalt erreicht zu haben, nicht schmälern wollen. Wir haben beim Budget des Jahres 1996 gezeigt, daß wir besser als budgetiert abschließen können, und ich bin überzeugt davon, daß Österreich im Jahr 1997 – vorbildhaft für Europa – eine stabile Wirtschaftslage und ein niedriges Zinsniveau haben wird! (Abg. Mag. Stadler: Sie tun so, als ob wir eh keine Probleme hätten! – Rufe bei der SPÖ: Reden Sie doch nicht immer drein! – Abg. Mag. Stadler: Seien Sie ruhig! Ihr Chef redet!)

Was ist denn schlecht an dem Stabilitätskriterium eines niedrigen Zinsniveaus? – Es ist hervorragend, und wir sind froh, daß wir es erreichen! (Abg. Dr. Haider: Ein weicher Euro erhöht die Zinsen!)

Was ist zweitens schlecht an einer niedrigen Inflationsrate? Was haben Sie denn gegen eine niedrige Inflationsrate? – Wir alle sind sehr froh, daß wir eine niedrige Inflationsrate haben!

Drittes Kriterium: Wir sind sehr froh darüber, daß wir einen stabilen Wechselkurs haben. Auch dieses Kriterium ist erreicht.

Viertes Kriterium: Der "alte" Professor Seidel hat schon gesagt, ein Defizit sollte nicht mehr als 2,5 Prozent betragen. – Wir sind sehr froh darüber, daß wir die Defizite der öffentlichen Hand durch eine gemeinsame Leistung der Österreicherinnen und Österreicher auf 3 Prozent reduzieren werden können.

Schlußendlich muß ich ganz offen und ehrlich etwas zugeben. Für mich persönlich ist der Schuldenstand in Österreich ein Problem, aber nicht deswegen, weil Schulden an sich ein Problem wären, sondern aufgrund der Tatsache, daß wir bereits etwa 100 Milliarden Schilling pro Jahr für Zinsaufwand zu zahlen haben. Das stellt ein Problem für die Struktur unsere Haushaltes dar. (Abg. Dr. Haider: Dafür holt ihr es euch bei den Pensionisten!)

Wir haben uns daher zur Aufgabe gesetzt, auch diesen Schuldenstand schrittweise zurückzuführen (Abg. Dr. Haider: Wer hat denn die Schulden gemacht? – Abg. Mag. Stadler: Sie tun so, als ob die Opposition die Schulden gemacht hätte!) , damit wir nicht Zinsen an die Reicheren dieser Welt zahlen müssen, sondern Geld für eine aktive Arbeitsmarktpolitik, Ausbildungspolitik und Wirtschaftspolitik in diesem Lande haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wissen Sie, Herr Dr. Haider, ich glaube, es tut Ihnen ein bißchen weh, daß die Bundesregierung sich vorgenommen hat, auch die Budgets 1998 und 1999 ohne Steuererhöhungen durchzuführen, und zwar ohne daß das auf die Budgets 1998 und 1999 eine Auswirkung haben wird. Das dürfte Ihnen ein bißchen weh tun. (Abg Mag. Stadler: Den Pensionisten tun Sie weh! – Rufe bei der SPÖ: Dobermann!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wissen Sie, was uns noch unterscheidet? – Wir sind in der Politik gefragt. Es zeigt sich auch, daß in Europa eine derartige Politik erfolgreich ist, wenn offen angesprochen wird, daß Veränderungen und Reformen nötig sind. Wir haben nur durch entsprechende Verhandlungen, durch entsprechende Begleitmaßnahmen dafür zu sorgen, daß Reformen verträglich und sozial ausgewogen stattfinden. (Abg. Mag. Stadler: Volksabstimmung – ja oder nein?)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden uns zum Beispiel offen dazu bekennen müssen, daß wir im Bereich des Lohn- und Gehaltsaufwandes, aber auch des Personalaufwandes für die Bundesbeamten – die Länder und Gemeinden sind ja relativ autonom in ihrer Entscheidung – tatsächlich ein Sparprogramm weiter fahren werden müssen. Es ist einfach nicht zumutbar, daß wir einerseits den Arbeitnehmern, den Arbeitgebern, den Unternehmern und auch den anderen Beamten mehr Steuergeld wegnehmen, aber andererseits ein ungebremstes Wachstum des Personalaufwandes im öffentlichen Haushalt zulassen. (Abg. Mag. Stadler: Wollen Sie den Rechtsstaat abschaffen?)

Wir haben uns daher vorgenommen, so, wie es sich in einem vernünftigen System gehört, in Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern einzutreten, und die Arbeitgeberseite, sprich die Bundesregierung, hat sich zum Ziel gesetzt, mit den Gewerkschaften im Bereich der Bundesbediensteten zu verhandeln, um sicherzustellen, daß der Personalaufwand nicht mehr als 1,3 Prozent pro Jahr wächst. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dabei wollen wir eine Form finden, bei der diejenigen, die weniger Einkommen haben, die kleinere Einkommen haben, wenig oder gar nicht berührt werden, diejenigen aber, die höhere Einkommen haben, etwas stärker betroffen werden. (Abg. Dr. Haider: Die "Tschick-Steuer"!)

Ich bitte Sie, sich auch das Thema Verunsicherung hinsichtlich der Pensionen zu überlegen. (Abg. Dr. Haider: Der Bundespräsident sagt Ihnen das!) Meine Aussage war, daß die österreichische Bundesregierung im Jahre 1998 – obwohl der Beirat rein rechnerisch aufgrund der Formel eine Nullerhöhung empfiehlt – dafür eintreten wird, daß die Pensionisten und Pensionistinnen in Österreich im Jahr 1998 zwar eine moderate, aber immerhin eine Erhöhung der Pensionen bekommen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich füge noch hinzu, daß das in der Form geschehen wird, daß jene, die wenig Pension haben, etwas mehr bekommen werden – das ist wirtschaftspolitisch vernünftig, weil es dem Inlandskonsum zugute kommt –, und jene, die höhere Pensionen haben, eben weniger bekommen. Das heißt, daß es die eine oder andere Staffelung geben wird, die mit den Pensionistenverbänden noch zu verhandeln sein wird. (Abg. Mag. Stadler: Die einzige Gruppe, die mehr bekommt, ist die Politikerkaste! Er hat leicht reden! Eine Million verdient er mehr, das haben Sie beschlossen und nicht wir, die Opposition! Erhöht sich die Gage um eine Million und greift den Pensionisten in die Tasche!)

Meine Damen und Herren! Noch ein ganz offenes Wort: Ich glaube, daß es wichtig ist, daß wir in ruhige, in sachliche Verhandlungen mit den Interessenvertretungen und Gewerkschaften eintreten, um sicherzustellen, welche soziale Absicherungen, welche Rahmenbedingungen wir für die Frauen, welche Absicherungen wir für kleinere Pensionsempfänger brauchen werden, um eine nötige Pensionsreform auch durchführen zu können. Es kommt für mich nicht in Frage, daß isoliert irgendeine Gruppe behandelt oder irgendein Problem gelöst wird. (Abg. Dr. Haider: Wen trifft es denn? Die Frauen sind bereits betroffen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben gemeinsam die Frage der Einbeziehung aller Erwerbseinkommen in die Sozialversicherungspflicht zu lösen, und wir haben gemeinsam die Frage der geringfügigen Beschäftigung zu lösen. (Abg. Dr. Haider: Die berufstätige Frau ist bei der Durchrechnung betroffen!)

Herr Kollege Haider! Sie haben in Ihrer Rede erläutert – ich möchte das ganz offen ansprechen – beziehungsweise in einer Bemerkung gesagt, es seien immer mehr Frauen arbeitslos. Ich gebe Ihnen völlig recht, das ist eines der anstehenden Probleme. Wir freuen uns zwar darüber, daß die Arbeitslosenquote insgesamt ein bißchen zurückgegangen ist – zumindest im Februar, März und April; im Mai nicht so sehr –, aber wir wissen, daß das darauf zurückzuführen ist, daß sich die Situation bei den Männern überproportional gut entwickelt, während bei den Frauen die Arbeitslosenquote leider gestiegen ist.

Was ist der Grund? – Daß immer mehr Frauen aus einem regulären Arbeitsverhältnis in die geringfügige Beschäftigung gedrängt werden. Es wäre unverantwortlich, diesen Frauen vorzugaukeln, es sei ohnehin egal, ob sie eine soziale Absicherung haben oder nicht. Daher treten wir


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dafür ein, daß wir auch geringfügig Beschäftigte in die Sozialversicherung mit hineinnehmen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich freue mich, daß das als Prinzip, als Verhandlungsauftrag von der Bundesregierung auch von Rust aus klipp und klar formuliert wurde. In diesem Zusammenhang wollen wir auch im Sinne der Fairneß und Gerechtigkeit und unter der Berücksichtigung von individuellen Lebensverläufen – das muß man alles erst in Ruhe ausarbeiten – von dem Ziel einer mittel- und langfristigen Harmonisierung der Arbeitsbedingungen und der Pensionssysteme in Österreich ausgehen.

Ich bitte Sie nur um eines: Bewahren wir uns in Österreich die Verhandlungsbereitschaft und die Kommunikationsfähigkeit! Denn eines sichere ich zu: Es ist nicht die Absicht der Bundesregierung, Beschlüsse zu fassen, über die nicht verhandelt wurde. Das ist für mich ein sehr wesentliches Prinzip unserer Sozialpartnerschaft, und ich bin davon überzeugt, daß wir das auch aufrechterhalten werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Es geht auch darum, daß wir zum Beispiel ganz offen sagen: Wir wollen die Kolleginnen und Kollegen der Exekutive, die mit Nachtschichtschwerarbeit belastet sind, in eine vernünftige Regelung mit einbeziehen, die den Umstand, daß sie Tag für Tag, Nachtdienst für Nachtdienst für unsere Sicherheit tätig sind, entsprechend berücksichtigt, sodaß es zu Regelungen im Nachtschichtschwerarbeitsgesetz im Sinne eines möglichen Ausgleiches dieser Belastung kommt. Das sind wir, wie ich meine, den Kolleginnen und Kollegen bei der österreichischen Exekutive auch schuldig! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Sie sehen also, ich bin, obwohl diese Frage für die Budgets 1998 und 1999 marginalste Auswirkungen hat, offen und ehrlich genug, zu sagen: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sollten uns gemeinsam dieses Paket der schrittweisen Einführung – selbstverständlich mit sozialer Absicherung, unter Berücksichtigung der Lebenslage, nicht unmittelbar vor Pensionsantritt, weil das die Lebensplanung ändert, und so weiter – eines Durchrechnungszeitraumes auch im Bereich der Bundesbeamten überlegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sollten auch überlegen, inwieweit ein Pensionsanpassungsfaktor, wie wir ihn haben, unterschiedliche Positionen berücksichtigt – Arbeitslosenquote, Inflationsrate, vielleicht auch die Lebenserwartung –, aber alles nur unter einer Bedingung: daß es uns auch möglich ist, alle Erwerbseinkommen in die Sozialversicherung mit einzubeziehen und die Frage der geringfügig Beschäftigten zu lösen – zum Wohle der Frauen in diesem Lande. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Haider! Zum Thema Währungsunion. – Natürlich – da haben Sie völlig recht – ist der Schilling ein Zeichen der österreichischen Identität nach dem Krieg geworden. Völlig richtig. Aber ich glaube, daß es für uns als exportabhängiges, in einen Wirtschaftsverbund eingebundenes Land von größter Wichtigkeit ist, zum Beispiel von unserem Haupthandelspartner in der Währungspolitik nicht getrennt zu sein. Wir haben aus gutem Grund mit Deutschland zum Beispiel die letzten 20 Jahre eine nahezu gleichlaufende Währungspolitik gehabt. Wir haben daher die Verpflichtung, meine sehr geehrten Damen und Herren, klipp und klar zu sagen – und ich sage das in aller Deutlichkeit –: Es wäre für die Wirtschaft und die Arbeitsplätze in Österreich ein immenser Schaden, wenn es zum 1. Jänner 1999 mit Ländern wie Deutschland, aber auch Frankreich und anderen zu dieser Währungsunion kommt und Österreich nicht dabei wäre. (Abg. Dr. Haider: Wir sind jetzt schon verbunden mit Deutschland! – Abg. Dr. Stadler: Eins zu sieben heißt unsere Verbindung!)

Sie sind sicher dieser meiner Meinung, denn es wäre tatsächlich ein Schaden, wenn Deutschland, Frankreich und andere in einer Währungsunion wären, Österreich aber nicht. Würden Sie wirklich empfehlen, für den Fall, daß Deutschland in einer Währungsunion ist, daß Österreich draußen bleibt? – Nein, das würden Sie nicht, wenn Sie seriös sind, Herr Dr. Haider. Das können wir auch nicht. (Abg. Dr. Haider: Ich bin gegen mehr Arbeitslose, und dieses Konzept bringt mehr Arbeitslose!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das heißt, wir brauchen aus ökonomischen Gründen, aber auch aus politischen Gründen diese Wirtschafts- und Währungsunion. (Abg. Mag. Stadler:


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Denken Sie einmal daran, was der Schröder gesagt hat! Schröder, Jospin, Blair – lauter Genossen von Ihnen! Der Blair ist kein Freiheitlicher! Der Jospin ist kein Freiheitlicher! Der Schröder ist kein Freiheitlicher!) Darf ich Ihnen ein einfaches Beispiel bringen, nur als Vorbemerkung: 50 Prozent des Welthandels werden in Dollar fakturiert, obwohl die Amerikaner nur 10 Prozent der Anteile haben. Das heißt, auch viele österreichische Firmen müssen ihre Produkte in Dollarfakturen verkaufen. (Abg. Mag. Stadler:  Das ist der allerneueste Schmäh!) Vor zehn Jahren konnte ein Produkt, das um 100 Dollar verkauft wurde, 2 400 S Produktionskosten haben. Heute hat ein Produkt, das um 100 Dollar verkauft wird, nur 1 100 S Produktionskosten. (Abg. Dr.  Haider: Wie viele Firmen sind denn das? Herr Bundeskanzler, wie viele Exporte gehen denn außerhalb der EU?) Also um 50 Prozent muß dieses Produkt in der Produktion weniger kosten aufgrund des Währungskampfes, aufgrund der Währungsmacht des Dollars.

Es wundert mich sehr, Herr Dr. Haider, daß Sie plötzlich nicht dafür eintreten, daß Österreich teilhaben kann an einer starken, gemeinsamen europäischen Währung, die die Chance hat, dem Dollar und dem Yen die Stirn zu bieten, die die Chance bietet, für Beschäftigung in Europa im globalen Wettbewerb zu kämpfen. Das ist eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür. (Abg. Dr. Haider: Arbeitslosigkeit wird produziert, Herr Bundeskanzler! Das ist ein Wahnsinn!)

Was die Amerikaner mit ihrer Währungspolitik schaffen, das mag Ihnen vielleicht gefallen, weil Sie dauernd in Harvard sind. Aber denken Sie an Europa, denken Sie an Österreich! Wir wollen weiterhin eine europäische, eine österreichische Währungspolitik haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Ihnen täte ein Harvard-Kurs auch nicht schlecht!) – Ich war lange vor ihm beim Harvard Case Study Program.

Aber ich möchte auch auf etwas Zweites hinweisen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin der letzte, der sich hierherstellt und sagt, das Projekt Europa ist perfekt. Es gibt noch viele Unzulänglichkeiten. Es gibt noch eine Menge Überbürokratisierung, es sind Verbesserungen in der Kontrolle der Verwendung der Mittel notwendig. All das ist notwendig in diesem gemeinsamen Europa. Aber das Problem ist: Es gibt kein anderes Projekt für ein friedliches und gemeinsames Europa.

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, halte ich im Bereich der Währungsunion eines für besonders wichtig: Es ist ein weiterer Schritt gegen Renationalisierung, gegen Chauvinismus, gegen einen Zerfall in Nationalstaaten, die sich waffenstarrend gegenüberstehen, ein weiterer Schritt für ein friedliches und gemeinsames Europa, es unumkehrbar zu machen mit einer gemeinsamen Währungs- und Wirtschaftsunion. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Haider: 20 Millionen Arbeitslose ist nicht schlecht! – Abg. Scheibner: Das müssen Sie bei der Sicherheitspolitik sagen, nicht bei der Währungspolitik!)

Und noch etwas: Sehr geehrter Herr Dr. Haider! Ich bin der letzte, der zufrieden ist mit der Beschäftigungspolitik auf europäischer Ebene. Aber eines darf ich Ihnen schon sagen: Österreich wurde vor zwei Jahren belächelt und belacht, als es dafür eingetreten ist, daß wir uns auf europäischer Ebene für mehr Beschäftigung engagieren wollen. (Abg. Dr. Haider: Das ist jetzt eine Leerformel! Da kann sich ein Arbeitsloser nichts herunterschneiden!)

Ob es Ihnen paßt oder nicht: Österreich ist erfolgreich dabei, das Thema Beschäftigung zu einem zentralen Anliegen in Europa zu machen. (Abg. Mag. Schweitzer: Wo denn?) Das drückt sich jetzt eben durch ein Beschäftigungskapitel aus. Wenn wir das nicht erreicht hätten – Ihre Häme und Ihr Spott wären uns sicher gewesen. Applaudieren Sie einmal, freuen Sie sich einmal mit uns, daß es gelungen ist, ein Beschäftigungskapitel im europäischen Vertrag zu verankern, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Ins Vorwort kommt das vom Vertrag, in die Präambel! – Abg. Dr. Haider: Soviel wert wie dem Vranitzky sein Vorwort beim "Konsum"!)

Ich selbst trete dafür ein, daß mit demselben Engagement, wie sich die Finanzminister Monat für Monat um die Stabilitätskriterien annehmen, sich in Zukunft Monat für Monat die Wirtschaftsminister, die Sozialminister im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit koordinieren. Und das wird der Inhalt dieses Beschäftigungskapitels sein, mit einem klaren Monitoring-Prozeß, wo die Länder


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Rechenschaft werden geben müssen (Abg. Dr. Haider: ..., warum es so viele Arbeitslose gibt!) , warum sie zum Beispiel erfolglos sind im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, Maßnahmen vorschlagen müssen, die Wirksamkeit dieser Maßnahmen überprüft wird (Abg. Mag. Stadler: Blaue Briefe gibt es!) , endlich auch blaue Briefe in diesem Zusammenhang geschrieben werden. Das ist ein wichtiges Konzept, gemeinsam gegen die Arbeitslosigkeit in Europa zu kämpfen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich erlaube mir jetzt, auf Ihre 35 Fragen einzugehen, die Sie mir gestellt haben. Das wird ein bißchen mühsam.

Zu den Fragen 1 bis 4:

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den ersten vier Fragen geht es im wesentlichen darum, warum der Ruttenstorfer und der Edlinger bei der Regierungsklausur anwesend waren.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Haider! Ich kann grundsätzlich feststellen, daß für jede Ratstagung sichergestellt ist, daß Österreich seine Position klar vorbringt. Es entspricht auch den Usancen auf der europäischen Ebene, daß im Fall der Abwesenheit des zuständigen Regierungsmitgliedes die jeweiligen Ständigen Vertreter auch mitarbeiten können. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Zu den Fragen 5 und 6:

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Haider! Sie fragen mich, ob wir für eine punktgenaue Erfüllung der Konvergenzkriterien sind und wie der österreichische Vertreter im Rat dafür eintreten wird. (Abg. Ing. Reichhold: Können Sie die Frage 3 auch beantworten?) Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die ist schon beantwortet mit der Aussage, daß ein österreichischer Vertreter bei den Ratssitzungen durch den Ständigen Vertreter immer vertreten ist. (Abg. Dr. Haider: Ich habe um Regierungsmitglieder gefragt!) Bitte. Selbstverständlich. Es ist Usance – haben Sie mir zugehört?, ich wiederhole den Satz noch einmal –, es ist Usance in der Europäischen Union, daß die Ständigen Vertreter die Position eines Landes vertreten und sich im konkreten Anlaßfall zu Wort melden und klare österreichische Positionen vertreten. (Abg. Dr. Haider: Ich habe Sie um die Regierungsmitglieder gefragt! Sie wissen das sehr genau! – Abg. Dr. Graf: Da schwimmen Sie, bei dieser Frage!)

Bitte, seien Sie doch nicht so kindisch! Also ich werde alle Regierungsmitglieder fragen lassen, wer wann wo nicht bei einem Europäischen Rat war. Ich werde Ihnen das schriftlich zukommen lassen. – Gut. Einverstanden. Bravo! Sehr gut! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Das ist der politische Informationsgewinn: Wie oft war ein Regierungsmitglied vertreten durch den Ständigen Vertreter im Europäischen Rat? Das ist der Informationsgewinn, der politisch wichtig ist für die Frage der Währungsunion! Einverstanden. Wir werden das machen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich schicke es Ihnen also schriftlich. Einverstanden.

Interessiert Sie die meiner Meinung nach wesentlichere Frage, nämlich wie die Beurteilung der Kriterien aussieht?

Ich habe schon mehrfach erklärt, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß ich es für klar und eindeutig halte, daß der Europäische Vertrag, wie er heute formuliert ist, ausreichend Flexibilität gibt, sodaß die Entscheidung der Staats- und Regierungschefs im März, April, Mai des Jahres 1998, wer an dieser Währungsunion teilnimmt, nicht die Lösung einer Mathematikaufgabe ist, sondern eine politisch weise Entscheidung sein kann und sein wird.

Ich möchte Ihnen das auch konkret an einem Beispiel vorlegen, nämlich zur Frage des öffentlichen Defizits. Da steht bereits im Vertrag ganz klar: Ein öffentliches Defizit darf einen bestimmten Referenzwert, zum Beispiel 3 Prozent, nicht überschreiten, es sei denn, daß das Verhältnis entweder erheblich und laufend zurückgegangen ist und einen Wert in der Nähe des Referenzwertes erreicht hat oder dieser Referenzwert nur ausnahmsweise und vorübergehend überschritten wird und das Verhältnis in der Nähe des Referenzwertes bleibt.


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Ich würde allen, die diese Frage stellen, eines empfehlen: Lesen Sie den Vertrag! Er gibt ausreichend Flexibilität, und es ist nicht notwendig, die Bedingungen zu verändern. Dazu bekennt sich auch Österreich, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Zur Frage 7:

Ich sehe kein Risiko, das dem österreichischen Bürger oder dem Staat einen Verlust an Wohlstand bringen würde. Herr Professor Nowotny wird auf die Frage der Wifo-Studie noch näher eingehen, aber ich kann Ihnen schon sagen, daß diese Wifo-Studie zeigt, daß eine Teilnahme Österreichs zum frühestmöglichen Zeitpunkt wirtschaftliche Vorteile bringt. Wieso zitieren Sie das nicht aus der Wifo-Studie? (Abg. Dr. Haider: Lesen Sie die Zusammenfassung einmal!) Da steht klipp und klar drinnen: Eine Teilnahme Österreichs zum frühestmöglichen Zeitpunkt bringt wirtschaftliche Vorteile, während eine Nichtteilnahme negative Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung hätte. – Das ist das Originalzitat aus der Wifo-Studie, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nur paßt es Ihnen nicht in den Kram, drum wird es halt nicht zitiert. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Herr Präsident! Ich würde bitten, daß Sie das Regierungsmitglied darauf aufmerksam machen, daß es antworten soll!)

Zur Frage 8:

Das ist, glaube ich, sehr wichtig, weil im Gegensatz ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, eine Sekunde.

Meine Damen und Herren! Ich höre mir das jetzt, so wie die Öffentlichkeit, schon eine gute Weile an. Ich bin dafür, zehn Fragen, 20 Fragen, 30 Fragen zu stellen. Aber ich bin sehr dafür, auch die Antworten anzuhören und erst dann zu diskutieren.

Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima (fortsetzend): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, ich habe dank Unterstützung durch die Lautsprecheranlage eine genügend kräftige Stimme, daß die, die hören wollen, auch hören können. Die, die nicht hören wollen, die werden auch nie hören können – egal, unter welchen Bedingungen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Herr Präsident! Bringen Sie dem Bundeskanzler einmal die Geschäftsordnung bei! 20 Minuten! Das haben Sie nicht eingemahnt!)

Die Frage 8 halte ich wirklich für wesentlich, und ich darf Ihnen hier sagen, daß im Gegensatz ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Stadler! Sie können einen Antrag zur Geschäftsordnung stellen, daß der Herr Bundeskanzler die Beantwortung beendet. (Abg. Mag. Stadler: 20 Minuten soll er nicht überschreiten!)

Das ist eine Sollvorschrift, und wenn Sie es lange so treiben, wird der Bundeskanzler sagen: Ich beende die Beantwortung. (Heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Sie haben recht: Sie haben einen Lautsprecher, ich habe einen Lautsprecher, und ich würde Sie ersuchen, die restlichen Fragen zu beantworten und darauf Bedacht zu nehmen, daß die Geschäftsordnungsbestimmung hinsichtlich Redezeit keine zwingende, sondern eine Sollvorschrift ist. Wir werden sehen, wie lange es notwendig ist, die gestellten Fragen zu beantworten. Und wenn einmal 200 Fragen gestellt werden sollten, dann wird es vier Stunden dauern, sie zu beantworten.

Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima (fortsetzend): Ich möchte jetzt nicht der Versuchung erliegen, plötzlich meine Geschwindigkeit zu erhöhen: Im Gegensatz zu früheren Prognosen zeigt der jüngste Bericht der Kommission ... (Der Redner spricht absichtlich sehr schnell. – Abg. Mag. Stadler: 20 Minuten für eine einzige Frage! – Abg. Dr. Haider: Herr Präsident! Sie sind Organ des Parlaments und nicht ein Regierungsverteidiger!) – Nein, lieber in normaler Ge


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schwindigkeit. Also: Wichtig ist die Frage 8. Es ist wichtig, daß im Gegensatz zu früheren Prognosen der jüngste Bericht der Kommission zur Umsetzung der Grundzüge der Wirtschaftspolitik tatsächlich wesentliche Fortschritte in Richtung Konvergenz aufzeigt. Und auch die letzte Konjunkturprognose der Kommission weist auf eine große Zahl von Mitgliedstaaten hin, die die Konvergenzkriterien erfüllen können.

Zur Frage 9:

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Haider! Das EUROSTAT hat im April 1997, jüngst also – Breuss hat auf ältere Daten zurückgreifen müssen in der Wifo-Studie – , berichtet, daß bis auf Griechenland alle anderen Mitgliedstaaten der Union eine Inflationsrate von unter 2 Prozent haben. Das ist, glaube ich, ein wichtiger Hinweis darauf, daß es diese Weichwährungsländer, wie Sie es zitieren, nicht gibt.

Zur Frage 10:

Aus der Wifo-Studie geht hervor, daß es sehr wohl auch in einer kleinen Wirtschafts- und Währungsunion makroökonomische Vorteile gibt, die durch den Wegfall der Umtauschkosten, durch mehr Wettbewerb im Finanzsektor, Wechselkursstabilität und dynamische Effekte entstehen. Von den etwa 2,25 Prozent möglichen Zuwachses beim realen BIP entstehen laut Wifo-Studie bereits 2 Prozentpunkte bei einer kleineren WWU.

Die Frage der Auswirkung einer möglichen Spaltung, würde ich meinen, ist eine primär politische Einschätzung, und in der politischen Sphäre kann ich derzeit eine derartige Spaltung nicht erkennen. Im Gegenteil: Es ist gerade durch die politischen Veränderungen eine größere Konvergenz, ein stärkeres Zusammenrücken in Europa feststellbar.

Zur Frage 11:

Professor Kramer hat darauf hingewiesen, daß Modellrechnungen immer davon ausgehen, daß die bisherigen und durch das Modell abgebildeten Verhaltensbeziehungen aufrechtbleiben. Ich werte die Aussage von Professor Kramer als wichtigen wissenschaftstheoretischen Hinweis, wobei es natürlich davon abhängen wird, wie wir die Rahmenbedingungen gestalten.

Zur Frage 12:

Ich teile die Ansicht, daß die Wirtschafts- und Währungsunion sorgfältig vorbereitet werden muß, aber ich glaube, daß es kaum ein Projekt in Europa gibt, das so intensiv, so langjährig vorbereitet wurde wie die Wirtschafts- und Währungsunion – mit dem Wechselkursmechanismus, mit dem rechtlichen Status des neuen Euro und mit dem Pakt für Stabilität und Wachstum.

Zur Frage 13:

Ich glaube, sehr geehrter Herr Dr. Haider, Sie wissen, daß die Frage der Bewertung von Goldreserven oder Devisenreserven ausschließlich die Angelegenheit der unabhängigen Notenbank ist und nicht von der Bundesregierung bewertet wird.

Zur Frage 14:

Das Center for Economic Studies hat in seiner Umverteilungsaussage Ansichten geäußert, die meiner Ansicht nach grundlegend falsch sind, da im Zuge des "monetary income" im europäischen System der Zentralbanken nicht Kapital umverteilt wird, sondern Erträge, die Vermögenswerte erzielt haben, die die Gegenposition zum Banknotenumlauf sind und deren Verbindlichkeiten gegen Kreditinstitute bilden.

Es muß also im Gegensatz zu der von Ihnen vertretenen These, Herr Dr. Haider, an die EZB kein Geldschöpfungsgewinn abgetreten werden. Die Verteilung der Notenbankgewinne hängt direkt mit der Anzahl der Teilnehmer und dem Teilnehmerkreis an der Wirtschafts- und Währungsunion zusammen, und auch die Nachfrage nach Notenbankgeld, die den Gewinn der Notenbanken ja maßgeblich beeinflußt, kann für die WWU heute noch nicht ausreichend genau vorhergesagt werden. Ich glaube, daß es heute nicht möglich ist, ausreichend genaue zahlen


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mäßige Angaben hinsichtlich möglicher Auswirkungen aus dieser Frage auf Österreich zu treffen, und es kann daher von einem Verschweigen seitens der Bundesregierung sicherlich nicht die Rede sein.

In den Arbeitsgruppen des Europäischen Währungsinstituts werden derzeit Maßnahmen, die die allfälligen Negativeffekte in der Übergangszeit minimieren sollen, diskutiert. Die Beratungen sind aber noch nicht abgeschlossen.

Zu den Fragen 15 bis 17:

Herr Dr. Haider! Sowohl Kollege Edlinger als auch ich sind immer dafür eingetreten, daß es im Rahmen der Währungsunion eine ausgewogene Wirtschaftspolitik gibt, eine Wirtschaftspolitik, in der Geld- und Fiskalpolitik nicht im Widerspruch stehen, eine Wirtschaftspolitik, in der sich auch die Frage der Beschäftigungspolitik und der Sozialpolitik entsprechend niederschlägt.

ECOFIN hat dieses Thema schon lange vor den französischen Wahlen angesprochen, und es wird wichtig sein, daß wir im Rat und auch in Europa mittelfristig eine Art Stabilitätspakt schaffen, der den wirtschaftspolitischen Counterpart zur Europäischen Zentralbank darstellt, ohne die Illusion zu erwecken, sich in die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank einzumischen. Aber der wirtschaftspolitische Counterpart, die Koordination sollte sich mittelfristig in einem Institut wie dem vorgesehenen Stabilitätsrat wiederfinden.

Zur Frage 18:

Durch die im Dezember 1996 in Dublin erzielte Einigung wurde sichergestellt, daß auf jeden Fall der Rat für Wirtschafts- und Finanzminister die entsprechenden Entscheidungen zu fällen hat. Damit ist eine politische Wertung dieser einzelwirtschaftlichen Umstände vorzunehmen. Der Automatismus bezüglich Sanktionsentscheidungen gemäß rechtsverbindlichen Akten wie Verordnungen oder ähnlichem ist nicht gegeben.

Der politische Kompromiß von Dublin, der das Grundgerüst für die ausgearbeiteten Rechtstexte darstellt, läßt daher nach wie vor einen Entscheidungsspielraum offen.

Ich nütze die Gelegenheit, um klarzustellen, daß die Entschließung, die häufig angesprochen wird, eine politische Erklärung und kein rechtsverbindlicher Akt ist und durch Formulierungen wie "in der Regel" auch Spielraum für das Verhalten von Einzelstaaten zuläßt.

Zur Frage 19:

Da in der Verordnung kein Automatismus für Entscheidungen des Rates vorgesehen ist, handelt es sich auch um keine Änderung des EG-Vertrages – ich spreche hier von rechtsverbindlichen Normen. Ihre dieser Frage zugrundeliegende Rechtsauffassung kann ich daher nicht teilen.

Der vorgesehene Mechanismus basiert auf den Regelungen des Vertrages von Maastricht sowie auf auf dessen Grundlagen erlassenen Verordnungen des Rates. – Die Entschließungen des Europäischen Rates sind – rechtlich betrachtet – ausschließlich politische Willenserklärungen von Mitgliedstaaten.

Zur Frage 20:

Herr Abgeordneter Dr. Haider! Ich glaube, uns allen hier ist klar, daß eine wesentliche Voraussetzung für mittel- und langfristiges Wachstum und Beschäftigung Stabilität in einem Land ist: nicht nur die soziale Stabilität, sondern auch die Fiskalstabilität. Daher meine ich, daß der Stabilitätspakt mittel- und langfristig eine wesentliche Voraussetzung für die positive wirtschaftliche Entwicklung in Europa ist und dazu beitragen wird, daß wir Beschäftigung in Europa nachhaltig sichern können.

Zur Frage 21:

Die letzten Informationen sagen uns klipp und klar, daß Frankreich nicht beabsichtigt, den Stabilitätspakt zu verändern, und auch nicht beabsichtigt, die entsprechenden Verordnungen


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und ähnliches zu verändern. (Abg. Mag. Stadler: Sagt der Chirac!) Es wird daran gedacht, eine Entschließung zum Thema einer engagierteren beschäftigungs- und wirtschaftspolitischen Koordination hinzuzufügen. Und das wird auch von Österreich unterstützt. (Beifall des Abg. Dr. Nowotny. ) – Danke für dieses Einzelereignis. Das macht mehr Freude, als wenn es organisiert ist. Sie wissen: Eine Claque macht nie Freude. Es ist immer besser, wenn es vom Herzen kommt. Man freut sich auch über ein reuiges Schaf viel mehr.

Zur Frage 22:

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Grundsätzlich ist in der Wirtschaftspolitik davon auszugehen, daß sich Verhaltensmuster von Wirtschaftssubjekten ändern, wenn sich das wirtschaftspolitische Umfeld insgesamt ändert. Und das wird auch auf die Etablierung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes zutreffen, der neue fiskalpolitische Rahmenbedingungen für nationale Regierungen setzt. Ich glaube daher, daß eine retrospektive Betrachtung des Stabilitätspaktes nur von sehr beschränkter Aussagekraft ist; es wurde in der kurzen Zeit nichts durchgeführt.

Ich darf aber auf folgendes verweisen: Gestern oder vorgestern wurde von einer Tageszeitung auszurechnen versucht, welche Pönalezahlungen im Zeitraum von 1960 bis 1997 (Abg. Dr. Haider: 1995!) , 1960 bis 1995 für Österreich fällig gewesen wären. (Abg. Dr. Haider: 15 Millionen!) Ich erinnere mich: Es waren Pönalezahlungen in Höhe von etwa 1 400 S pro Kopf in 35 Jahren. Das ist heikel, 1 400 S in 35 Jahren, das muß man sich anschauen. Aber wichtig ist, daß wir uns ja in Zukunft zu einer Stabilitätspolitik verpflichten wollen, die das ... (Abg. Dr. Haider: Ein Packerl Tschick am Tag ist es auch!)

Die Tschick, Herr Dr. Haider! Ich sehe überhaupt nicht ein, wieso Sie plötzlich dafür eintreten, daß die Österreicher die Tschick in Slowenien, in der Slowakei, in Tschechien und in Ungarn kaufen! (Abg. Dr. Haider: Ich bin Nichtraucher!) Die sollen die Tschick bei den österreichischen Trafikanten kaufen, die liegen mir auch am Herzen! (Beifall bei der SPÖ.) Aber Sie als Nichtraucher sind ohnehin nicht betroffen. (Abg. Mag. Stadler: Wenn wir das sagen, Herr Bundeskanzler, sind wir ausländerfeindlich!)

Zu den Fragen 23 und 24:

Ich bin überzeugt davon – die Konvergenzkriterien brauche ich nicht näher zu erläutern –, daß Österreich in den Jahren 1997 und 1998 alle Stabilitätskriterien und Konvergenzkriterien erfüllen wird, und zwar in dem Sinn, wie ich es zuerst erwähnt habe. Natürlich werden wir nicht den Gesamtschuldenstand aller öffentlichen Haushalte von 60 Prozent erreichen – das habe ich auch nie gesagt –, aber wir werden die Bedingungen des Vertrages erfüllen. Wir werden deutlich genug eine Senkung des Schuldenstandes aller öffentlichen Haushalte erreichen, und das erfüllt die Stabilitätsbedingungen des Vertrages. – Jetzt muß ich mich aber wirklich beeilen. (Abg. Ing. Reichhold: Haben Sie einen Termin oder was?) Nein, aber damit Sie auch noch reden können. Ich höre Ihnen gerne zu.

Zur Frage 25:

Da Österreich seit mehr als 20 Jahren in einem Hartwährungsverbund mit Deutschland lebt und sich die Lohnpolitik seit Jahrzehnten daran orientiert, glauben wir, daß hier kein zusätzlicher Handlungsbedarf besteht. (Abg. Gaugg: Sagen Sie mir, was in Schweden passiert!)

Das sage ich Ihnen gerne, Herr Kollege. Wissen Sie, warum? – Lesen Sie die Studie des schwedischen Expertenrates! – Ich beantworte die 36. Frage, Herr Präsident, die mündlich gestellt wurde. – Die Studie des schwedischen Expertenrates sagt klipp und klar, daß Österreich eine andere Integrationsstellung in seiner Wirtschaftspolitik hat als Schweden und daß Österreich aufgrund der Tatsache, daß wir schon jahrelang intensive Handelsbeziehungen zum Beispiel mit den Kernländern der Europäischen Union haben, daß wir seit 20 Jahren im wesentlichen in einem Währungsverbund mit der D-Mark sind, besser auf diesen Integrationsschritt vorbereitet ist. Daher, sagt diese Studie, wird im Gegensatz zu Österreich empfohlen, daß sich


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Schweden noch ein bißchen darauf vorbereitet. Das ist eine ernste und seriöse Studie. (Abg. Gaugg: Über das reden wir noch! – Abg. Dr. Haider: Was ist dann mit Dänemark?)

Zur Frage 26:

Die Forderung des ÖGB ist eine, die wir in ihren praktischen Auswirkungen seitens der österreichischen Bundesregierung sehr unterstützen. Das bedeutet, daß der Lösung der Beschäftigungsprobleme sowie der Probleme der Arbeitslosigkeit in Europa – nicht nur in den Mitgliedstaaten, sondern auch auf europäischer Ebene –, ein, wie ich hoffe, hoher Stellenwert eingeräumt werden muß. – Ich könnte jetzt ungefähr 25 Minuten lang darüber reden, was wir wirklich unter Beschäftigungspolitik in Europa erwarten und was wir aus diesem Beschäftigungskapitel machen werden, aber das machen wir bei einer der nächsten Dringlichen Anfragen. (Abg. Mag. Trattner: Morgen im Hauptausschuß!) – Gut, morgen im Hauptausschuß.

Zu den Fragen 27 und 28:

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß eine Verschiebung der Währungsunion ein politisch und wirtschaftlich äußerst gefährliches Unterfangen wäre. Ich bin überzeugt davon, daß es dadurch zu enormen Währungsbewegungen käme, daß es, insbesondere was D-Mark und Schilling betrifft, zu einer Gefährdung der Exportstärke durch eine rapide Aufwertung käme. Ich bin aber auch überzeugt davon, daß ein Verschieben ein sehr langes Verschieben, wenn nicht gar Verunmöglichen dieses wirtschaftspolitisch wichtigen Projektes für Europa zur Folge hätte.

Zur Frage 29:

Dazu sage ich ganz klipp und klar: Die europäische Beschäftigungspolitik ist noch nicht ausreichend. Darum haben wir auch sehr konkrete Maßnahmen vorgelegt, die wir in Europa gemeinsam mit den anderen Staaten durchsetzen wollen.

Zur Frage 30:

Zu den von Ihnen in Ihrer Anfrage zitierten Kosten der Umstellung möchte ich festhalten, daß es durchaus divergierende Ansichten hinsichtlich der Umstellungskosten gibt, nicht zuletzt deswegen, da darin grundsätzlich eine Reihe von ohnehin zu tätigenden Erneuerungsinvestitionen enthalten ist. Unbeschadet der tatsächlichen Größe der in diesen Jahren für die österreichischen Banken anfallenden Kosten erscheint es jedoch gesichert, daß der Großteil dieser Investitionsmaßnahmen auch aufgrund des technologischen Wandels in diesem Sektor anfallen würde und die österreichischen Banken entsprechende Kostensenkungspotentiale im Vergleich zu ausländischen Unternehmungen haben werden.

Sie wissen, daß zum Beispiel die Schweizer Banken die Kostensenkungspotentiale in den letzten Jahren sehr stark genützt haben, obwohl die Schweiz meines Wissens nicht dem Euro-Raum beitreten wird.

Ich sage ganz offen: Das ist selbstverständlich ein Problem, dem wir besondere politische Aufmerksamkeit schenken müssen – aber nicht, indem wir nur darüber schreiben, sondern es werden sich die österreichische Sozialpartnerschaft und auch die österreichische Bundesregierung mit der Frage einer Senkung der Beschäftigtenzahlen im Bankenbereich mittel- und langfristig auseinanderzusetzen haben. Wir werden eine Lösung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Banken ausarbeiten – darauf, sehr geehrter Herr Dr. Haider, können Sie sich verlassen.

Zu den Fragen 31, 32 und 33:

Die Frage der Pensionen habe ich, glaube ich, schon ausreichend erläutert. Wir haben auch immer klar darauf hingewiesen, daß eine strikte Haushaltsdisziplin nichts mit dem Euro zu tun hat, sondern auch ohne Euro eine österreichische Pflicht ist. Aber ich glaube, es ist trotzdem wichtig zu ergänzen, daß aus meiner Sicht die nötigen Begleitmaßnahmen eingerichtet werden,


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damit die Österreicherinnen und Österreicher sicher sein können, daß die Umstellung von Schilling auf Euro ausschließlich ein Umrechnungsvorgang ist und kein Vorgang, bei dem zum Beispiel gleichzeitig eine Teuerung stattfindet, Sparguthaben, Pensionen, Löhne und Gehälter an Wert verlieren. Das wird sichergestellt werden müssen, und zwar durch entsprechende begleitende Abkommen der österreichischen Bundesregierung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird ja vom Ablauf her – ich darf ihn hier kurz in Erinnerung rufen – relativ einfach sein. Wir werden spätestens zum 1. Jänner 1999 wissen, welches fixierte Verhältnis Schilling – Euro gegeben ist. Wir haben dann drei Jahre lang – 1999, 2000 und 2001 – noch immer unseren Schilling als Zahlungsmittel. Wir werden uns dann davon überzeugen können, daß – wie es sich die Sozialpartner und die Bundesregierung vorgenommen haben – die Relation Schilling – Euro ein festes Umtauschverhältnis ist und daß es nicht zu irgendwelchen Teuerungen kommt. Es wird ja erst vom 1. Jänner 2002 bis zum 30. Jänner 2002 tatsächlich der Umtausch der Banknoten und der Münzen erfolgen.

Ich trete dafür ein, daß von der öffentlichen Hand sogar deutliche Signale gegeben werden. Natürlich haben wir zum Beispiel das Problem hinsichtlich von Rundungen. Wenn Sie ein Strafmandat von 300 S in Euro umrechnen, indem Sie es durch 13,56 dividieren, wird ein unrunder Betrag mit vielen Kommastellen herauskommen. (Abg. Dr. Haider: Strafmandat erhöhen!) Da ist es dann die Pflicht gerade der öffentlichen Hand – Bund, Länder und Gemeinden –, den Betrag zu senken, abzurunden, um ja nicht einen solchen Eindruck entstehen zu lassen. Darauf wird von seiten des Konsumentenschutzes geschaut werden. (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Dr. Khol. )  – Bitte nicht so lange applaudieren, damit wir schnell fertig werden; ich habe noch einige Fragen zu beantworten. (Abg. Mag. Stadler: Das war jetzt organisiert!) Ich hebe immer wieder den Taktstock, damit das funktioniert. – 35 Fragen in zwei Stunden, da müßt ihr euch bei der Geschäftsordnung einmal etwas überlegen. Sind wir uns einig, daß ich bis jetzt alle Fragen beantwortet habe außer der dritten, die schriftlich beantwortet wird? – Gut. (Abg. Dr. Haider: Die wißbegierige Opposition!)

Zur Frage 34:

Diese Frage habe ich wirklich schon beantwortet. Ich trete nicht dafür ein, daß es zu einer Verschiebung der Währungsunion kommt, und habe sowohl die wirtschaftspolitischen als auch die stabilitätspolitischen Gründe dargelegt, die gegen eine Verschiebung der Wirtschafts- und Währungsunion sprechen.

Zur Frage 35:

Das ist eine sehr wichtige Frage. Wissen Sie, ich habe durchaus im Gegensatz zu meinem Regierungspartner gesagt: Wenn Österreich sich einmal entschließen sollte – wenn, wenn, wenn! –, das sicherheitspolitische Konzept zu verändern (Abg. Ing. Reichhold: Zur NATO zu gehen!), bin ich für eine klare und offene Vorgangsweise, wie in der Vergangenheit. Eine klare und offene Vorgangsweise bedeutet, daß sich die Bundesregierung dann entscheiden müßte, eine bestimmte Position einzunehmen, das Parlament das zu beraten, zu beschließen hätte und daß wir dann – ich trete dafür ein –, wenn diese grundsätzliche sicherheitspolitische Option Österreichs aufgegeben wird, eine Volksabstimmung durchführen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Aber ich bin nicht – und auch das in aller Offenheit – für Jux und Pflanzerei. Wenn wir bei den Beitrittsverhandlungen einen rechtsverbindlichen Vertrag eingegangen sind, bei Erfüllung der Stabilitätskriterien ohne Opting-out an der Wirtschafts- und Währungsunion teilzunehmen, dann halte ich es nicht für seriös, den Österreicherinnen und Österreichern vorzugaukeln, daß sie mit einer Volksabstimmung eine Entscheidung herbeiführen können.

Mit dem Beitritt zur Europäischen Union ist Österreich eine rechtsverbindliche Verpflichtung eingegangen. (Abg. Ing. Reichhold: Warum haben Sie das den Leuten nicht gesagt?) Ausgenommen sind jene Staaten, die ein Opting-out vereinbart haben, und das hat Österreich nicht getan. (Abg. Dr. Haider: Der Stabilitätspakt verändert das also! Das hat er damals noch nicht getan!) Wir sind die völkerrechtliche Verpflichtung eingegangen.


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Sehr geehrter Herr Dr. Haider! Nachdem ich Ihnen nun – ich glaube, zur allgemeinen Zufriedenheit – alle 35 Fragen ordentlich beantwortet habe, komme ich auf das zurück, was Sie abschließend gesagt haben: Für den Fall, daß wir ordentlich und gut Auskunft geben, bieten Sie Ihre Zusammenarbeit zum Thema Währungsunion an. (Abg. Dr. Haider: Fragen wir die Österreicher! Alle Österreicher!) – Machen wir es gemeinsam, setzen wir gemeinsam einen wichtigen Schritt: Alle Parteien in diesem Parlament werden die Österreicher auf diesem wichtigen Weg in die Wirtschafts- und Währungsunion begleiten. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundeskanzler.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schreiner. Die Redezeiten sind bekannt. – Bitte.

16.17

Abgeordneter Ing. Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Bei der Beantwortung der Dringlichen Anfrage – die ja eine Anfrage mit Fragen ist –, sind wir deswegen nach 30 Minuten so nervös geworden, weil Sie uns noch immer keine Frage konkret beantwortet haben und eher so schwadroniert haben, angefangen von Ihren Ergüssen aus Rust bis hin zu all den Themen, die die Innenpolitik betroffen haben. Da eine Sollzeit von 20 Minuten vorgesehen ist, hatten wir fast geglaubt, Sie kämen überhaupt nicht zur Beantwortung dieser Fragen. (Abg. Dr. Nowotny: Und Sie waren angenehm überrascht!)

Herr Bundeskanzler! Zur Frage 3: Daß wir in Zwischenrufen mehrmals moniert haben, daß Sie antworten sollten, hat einen Grund. Es geht um die Frage der Vertretung der österreichischen Regierungsmitglieder im Rat durch Botschafter. – Herr Bundeskanzler! Das ist eine wichtige Frage! Vergegenwärtigen Sie sich einmal die EU-Verfassung: Der Rat ist der Gesetzgeber. Und wir wollen nicht den Botschafter dort entscheiden lassen, sondern das Regierungsmitglied. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Frage ist für uns Freiheitliche deswegen so wichtig, weil es darum geht, daß wir seit dem EU-Beitritt sehr viele Kompetenzen dorthin abgetreten haben, wir aber dort nicht die zweite Garnitur entscheiden lassen wollen. Das wäre ungefähr so, als säßen hier im Plenum statt den Abgeordneten ihre parlamentarischen Mitarbeiter. Es geht doch zu weit, wenn Sie hier sagen, das sei eine Frage, die eher unwichtig ist.

Herr Bundeskanzler! Mir kommt so vor, als gingen Sie bei der Frage Euro nach dem Motto vor: nichts reden, nichts hören, nichts wissen. (Abg. Dr. Haider: Er will nichts wissen!) Herr Bundeskanzler! Keine Änderung der österreichischen Währungspolitik – das war am 3. August 1993 in einem Originaltext Ihres Vorgängers, Altbundeskanzlers Vranitzky, zu lesen, der gesagt hat, und zwar knapp ein Jahr vor der Volksabstimmung, ein Ersatz des österreichischen Schillings durch den Ecu sei kein Thema des Tages und werde dies auch in den nächsten Jahren nicht sein. (Abg. Haigermoser: Geh, wer war das?) – Vranitzky, Originaltext. – Die nationale Währung nicht aus dem Denken und Handeln und Rechnen des Staatsbürgers, wäre eine Aufgabe für ihn. – Vier Jahre danach: nichts reden, nichts hören, nichts sehen – trotz internationaler Medienberichte.

"Standard", "WirtschaftsWoche" – Deutschland: Euro kaputt. Oder: Währungsinstitut-Chef Lamfalussi, der Chef der Währungsbehörde, der Vorgänger der Europäischen Zentralbank, schließt Verschiebung nicht aus; "Euro im Stimmungstief".

Herr Bundeskanzler! Das ist der Grund dafür, daß wir heute eine Dringliche Anfrage an Sie gerichtet haben und Sie fragen, wie denn die österreichische Bundesregierung und Sie als Regierungschef dazu stehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Das können Sie nicht mit einer schnoddrigen Beantwortung abtun: Vielleicht beantworte ich die Anfrage schriftlich, na ja, ich beantworte sie doch gleich. Es ist wohl Ihre Verpflichtung, daß wir von Ihnen eine Antwort hier bekommen, wenn alle Österreicher in


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einigen Jahren ihren Schilling hergeben müssen und statt dessen eine Kunstwährung in ihr Geldbörsel bekommen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Es ist bei Ihrer Beantwortung der Fragen schon darauf hingewiesen worden, daß die Frage der Harmonisierung der Volkswirtschaften ein zentraler Punkt ist. Die Frage ist nur: Sind diese Volkswirtschaften auch bereits harmonisiert? Und die Frage ist auch: Wie macht man es nun scheinheilig, daß diese Volkswirtschaften scheinbar auch wirklich harmonisiert sind? – Das nennt man in einem neuen Jargon der Bilanzkosmetik "kreative Buchführung". "Kreative Buchführung" ist, wenn eine Fälscherbande unterwegs ist, die nicht Geld fälscht, sondern die Bücher!

Herr Bundeskanzler! Sie sind Mitglied dieser Fälscherbande! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Die Fälscherbande beginnt in Belgien, wo das Gold massiv verkauft wird, um die Schulden zu bezahlen. (Abg. Marizzi: Das ist ja unerhört! – Abg. Kiss: Herr Präsident! Ist das kein Ordnungsruf? – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Sie setzt sich fort in der Bundesrepublik Deutschland durch Höherbewertung der Währungsreserven und der Goldreserven. Sie setzt sich weiters in Frankreich fort, wo die France Telecom um zig Millionen Schilling, um zig Milliarden Franc verkauft wird, im Gegenzug aber der Staat die Pensionszahlungen übernehmen muß. Da die Pensionszahlungen aber erst später fällig werden, ist das jetzt nicht Euro- beziehungsweise Maastricht-wirksam.

Und in Italien wird eine sogenannte Europasteuer kassiert. Genau zwei Jahre lang. In diesen zwei Jahren braucht man sie, danach nicht mehr. Danach kommt die Sintflut für die Budgets, denn danach ist das alles uninteressant. Es gibt dann vielleicht einen Stabilitätspakt, aber es ist jetzt noch nicht klar, was wirklich daraus wird, weil diese Diskussion zwar geführt wird, aber ökonomisch nicht mit den richtigen Instrumenten beantwortet wird.

Die ökonomisch richtigen Instrumente wären: Wenn es zu einer gemeinsamen Währung kommt, müssen alle Länder daran teilnehmen. Es müssen die Konvergenzkriterien, die ja bei ihrer Einführung Sinn gemacht haben, auch wirklich eingehalten werden – nicht gebogen werden! Und es braucht das Vertrauen der Bevölkerung Europas, und sie hat zu entscheiden, ob es eine gemeinsame Währung haben will oder nicht, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und da können Sie uns nicht sagen, die Österreicher hätten am 12. Juni 1994 für den Wegfall des Schilling und die Einführung des Ecu oder des Euro gestimmt! Haben Sie denn, Herr Kollege Kiss, eine alte Burgenländerin, die mit Ja gestimmt hat, weil sie geglaubt hat, das Burgenland bekäme dann Millionen über Millionen an Förderungen, nachdem sie aus ihrer Wahlzelle herausgekommen ist, gefragt, ob sie gewußt hat, daß sie mit dafür gestimmt hat, daß der Schilling abgeschafft wird? (Abg. Kiss: Die Burgenländer haben es gewußt! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Reichhold: Ein echter Burgenländer-Witz!)  – Die Burgenländer haben es gewußt. Das ist das Tollste: Die Burgenländer haben es gewußt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Warum gibt es denn ein Stimmungstief quer durch Österreich? – Eher dagegen sind 31 Prozent, sehr dagegen 25 Prozent, eher dafür – noch nicht ganz dafür – 27 Prozent, sehr dafür – die einzigen, die wirklich für den Euro sind – sind 10 Prozent der Österreicher. Und Sie stellen sich hierher und sagen: Hinein in den Euro ohne Wenn und Aber! Ohne Wenn und Aber – das haben wir alles schon gehört. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Überlegen Sie einmal, was wirklich die Voraussetzung für die Einführung eines Euro in einem Binnenmarkt wäre! – Nämlich eine echte Harmonisierung. Normalerweise sollte ja die Einführung des Euro die Krönung des Binnenmarktes, der Abschluß sein. Fachleute sagen, erst 50 Prozent des Binnenmarktes sind maximal verwirklicht. Ich nenne Ihnen einige Beispiele, wo der Binnenmarkt noch sehr lange auf sich warten läßt. Das ist einmal bei den Steuern der Fall. Oder: Wenn Sie ein Fax-Gerät aus Brüssel nach Wien mitnehmen, können Sie es hier nicht anschließen; Sie können es wegwerfen. Die österreichische Post schließt es nämlich nicht an. (Abg. Mag. Stadler: Das ist Harmonisierung!)


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Oder: Bankspesen bei Euro-Überweisungen. In einem Land gilt der eine Satz, in einem anderen Land ein anderer Satz.

Herr Bundeskanzler! Selbst die Bierfässer sind nicht europaweit einheitlich genormt. (Bundeskanzler Mag. Klima: So ein Jammer!) Eine Freistädter Brauerei kauft ein Bierfaß aus Deutschland. Darauf steht "DIN-Norm 25 Liter". Aber da muß ein österreichischer Eichbeamter kommen und nachmessen, ob wirklich 25 Liter drinnen sind. Es wäre Aufgabe des Binnenmarktes, endlich einmal die Normen zu vereinheitlichen, die Steuern zu vereinheitlichen, bevor man sich an das Experiment Euro wagt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Diese Schritte würden Sinn machen, aber nicht ein Experiment Euro, von dem wir nicht wissen, ob es nicht eine ökonomische Geisterbahnfahrt wird.

Herr Bundeskanzler! Wir Freiheitlichen haben eine sehr klare Position. Wir sind nicht grundsätzlich gegen dieses Experiment Euro, wenn es Sinn macht. Wir sagen nicht, in alle Ewigkeit darf das nicht kommen. Nur muß das Vertrauen der Bevölkerung vorhanden sein, es muß ökonomisch Sinn machen, und es müssen alle Länder daran teilnehmen. Es kann nicht ein Europa der zwei Geschwindigkeiten geben, bei dem ein paar draußengelassen werden, für die wir dann zahlen müssen, eine zweite Entwicklungshilfetranche, und ein paar andere drinnen sind und den Euro haben.

Das heißt, Herr Bundeskanzler: Aus nationaler Verantwortung für unseren Schilling sind wir nicht bereit, diesen auf dem Altar in Brüssel zu opfern. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Und solang Sie das vorhaben, ist das für uns ein monetäres Himmelfahrtskommando, bei dem wir nicht mittun werden und mit dem wir nichts zu tun haben wollen! (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das, was drei Klubobleute heute in der Früh gesagt haben, nämlich daß man über verschiedene Ausdrücke morgen in der Präsidiale wird reden müssen, gilt auch für den Satz: "Herr Bundeskanzler, Sie sind Mitglied dieser Fälscherbande." – Herr Abgeordneter Schreiner, es wäre gut, wenn Sie das mit dem Ausdruck des Bedauerns zurückziehen würden.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Nowotny. (Abg. Mag. Stadler: Das war eine Metapher!)

16.28

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Wenn das eine Metapher war, dann war es eine höchst mißglückte. Und es tut mir eigentlich leid, daß sich Herr Kollege Schreiner, den ich sonst aus dem Finanzausschuß eigentlich als seriösen Mitarbeiter des Hauses kenne und schätze, offensichtlich angesteckt vom Klima in diesem Klub (lebhafte Heiterkeit bei den Freiheitlichen), zu solchen Dingen hier hat hinreißen lassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, das Thema der Wirtschafts- und Währungsunion ist tatsächlich ein wichtiges Thema. (Abg. Dr. Haider: Er hat es nicht böse gemeint! – Weiterer Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)  – Die Ansteckung, die von Ihnen ausgeht, beschränkt sich Gott sei Dank auf kleine Kreise. Und dafür werden wir auch in Zukunft sorgen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wäre an sich wichtig, über die Fragen der Währungsunion zu sprechen, gerade in diesen Tagen, in denen dieses Thema in vieler Weise aktualisiert wird. Unter Umständen wäre das sogar ein Thema für eine Aktuelle Stunde – oder auch für eine Dringliche Anfrage. Nur: Die Tatsache, wie Sie es gebracht haben (Abg. Dr. Haider: Nicht schlecht!), zeigt halt, daß Sie leider nicht bereit sind zu einer seriösen Diskussion. Sie haben halt wieder einmal in der altbackenen Art ein Potpourri hier veranstaltet: Alles, was von der Regierung kommt, ist schlecht. Und wenn Sie hier vor Verunsicherung warnen, dann ist das einfach das Modell "Haltet den Dieb!", aber jedenfalls nicht die Art, wie man ein wirklich wichtiges Thema seriös angehen kann. (Abg. Dr. Haider: Ich bin sehr betroffen, Herr Kollege!)  – Das hoffe ich auch. Es würde Ihnen auch gar nicht schaden, Herr Kollege Haider.


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Auf jeden Fall möchte ich mich diesem Stil nicht anschließen, sondern werde mich bemühen, tatsächlich einige Punkte in seriöser Weise zu diskutieren.

Erster Punkt: Warum überhaupt Währungsunion? Das ist letztlich der Punkt, um den es hier geht. Und die grundlegende Logik, um das noch einmal hier sehr klarzumachen, ist eine klare und zwingende.

Wenn wir davon ausgehen, daß es für Europa sinnvoll ist, eine Wirtschaftsgemeinschaft zu schaffen, dann ist es offensichtlich auch sinnvoll, daß diese Wirtschaftsgemeinschaft langfristig über eine einzige gemeinsame Währung verfügt, weil dann die Möglichkeiten voll genutzt werden können. Diese Konstellation, die wir jetzt haben, bedeutet den Beginn. Die Wirtschafts- und Währungsunion, wie wir sie jetzt vorgesehen haben, ist prinzipiell für sämtliche Mitglieder der Europäischen Union angelegt. Konkret teilnehmen können die, die sich jetzt dafür qualifizieren. Das ist der Weg, den wir hier gehen wollen, und das ist der Weg, der für Europa auch sinnvoll ist.

Gerade Kollege Haider, der sich immer ganz gerne in den USA aufhält, muß sich ja vorstellen können, wie es sein würde, wenn die USA, ein großes Wirtschaftsgebiet, in fünf Währungszonen getrennt wäre. Das würde zweifellos eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Dynamik der USA darstellen. Völlig analog können wir davon ausgehen, daß eine einheitliche Währung in Europa eine Erhöhung der Dynamik für diesen Kontinent bringt. Das ist die grundlegende Position.

Ich glaube, man sollte das nicht durch andere Dinge vernebeln. Nur darum geht es, und das werden wir jetzt konsequent anstreben – mit aller Vorsicht und mit aller Zurückhaltung in bezug auf die Kosten zum Beispiel. Man muß das ganz deutlich sagen: Natürlich sind damit unmittelbar Kosten verbunden, weil es um eine Umstellung der Währung geht. Ich möchte noch einmal betonen: um eine Umstellung, nicht um eine Währungsreform, wie das immer wieder unterstellt wird. Es handelt sich um eine Umstellung. So, wie man Schilling in D-Mark umwechselt, wird der Schilling in Euro umgetauscht. Das geschieht in diesem Fall natürlich in einem größeren Ausmaß, daher gibt es größere technische Anforderungen. Aber in bezug auf die Stabilität dieser neuen Währung ändert sich überhaupt nichts. Ich meine, man muß hier ganz deutlich sagen: Jeder Verunsicherung in dieser Hinsicht ist wirklich strengstens entgegenzutreten.

Nächster Punkt: Sie haben mich selbst in der Anfrage zitiert und die Frage gestellt, wieso ich meine, daß eine zeitgerechte Einführung des Euro aus Beschäftigungsgründen wichtig ist. Ich kann Ihnen die Antwort darauf sehr einfach geben, sie ergibt sich schon aus dem, was in dieser Woche auf den Währungsmärkten geschehen ist: Allein schon die Befürchtung, daß es zu einer Verschiebung kommt, hat dazu geführt, daß etliche Währungen wie speziell der Franc, aber auch etliche Währungen südlicher Länder schwächer geworden sind, wodurch die D-Mark stärker geworden ist – was heißt stärker? –, aufgewertet wurde. Das bedeutet natürlich (Abg. Dr. Haider: Das heißt, daß es noch keinen wirklichen Währungsrahmen gibt!), daß die deutsche Wirtschaft und die österreichische Wirtschaft hinsichtlich ihrer Wettbewerbsfähigkeit benachteiligt sind. (Abg. Dr. Haider: Sie nehmen aus Ihrer Theorie immer das heraus, was Sie gerade brauchen!) Deshalb ist es für uns enorm wichtig, daß wir Währungsrelationen haben, damit es zu keiner Kostenbenachteiligung der österreichischen Wirtschaft kommt.

Ich denke, gerade jemand, der sich dem Land Kärnten vielleicht verbunden fühlt, müßte in besonderem Maße Interesse daran haben, daß es zu keiner Verschiebung des Euro kommt, daß es zu keiner Abwertung der Lira und zu keiner Aufwertung des Schilling kommt, weil Sie ja erlebt haben, wie das die Wettbewerbssituation verschlechtert. (Abg. Dr. Haider: Das ist nicht logisch, was Sie da erzählen!) – Wenn Sie nur irgendwo bereit sind, Fakten anzuerkennen, so müßten Sie dieses Faktum hier anerkennen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Haider: Sie sollten einmal anfangen, über das nachzudenken, was Sie jetzt gesagt haben!)

In diesem Zusammenhang tut es mir leid, daß ich Sie doch wieder einmal – damit Sie es das nächste Mal vielleicht besser machen; man soll ja die Hoffnung nie aufgeben – auf ein Beispiel


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der mangelnden Seriosität Ihrer Partei bei Anfragen hinweisen muß. Vielleicht könnten Sie diesen Punkt einmal verbessern.

In der Anfrage schreiben Sie, daß das Wifo behauptet, der Euro werde zu einem zusätzlichen Verlust an Arbeitsplätzen führen. Das ist genau in dieser Frage drinnen, wo Sie mich angesprochen haben. – Das ist schlicht und einfach falsch. Ich darf Sie auf die Seite 62 hinweisen. (Abg. Dr. Haider: Das ist nicht eine Studie des Wifo! Wir haben englische Studien zitiert!)  – Jetzt ist es auf einmal nicht mehr die Wifo-Studie? Herr Kollege Haider! So billig können Sie es sich nicht machen! Sie berufen sich die ganze Zeit auf eine Wifo-Studie, und wenn man Ihnen dann nachweist, daß in dieser Wifo-Studie überhaupt nicht das steht, was Sie gesagt haben, sagen Sie, Sie hätten von etwas anderem geredet. Herr Kollege Haider! Ich kann Ihnen nur sagen: Werden Sie seriös! Bemühen Sie sich zumindest! Aber ich glaube, es ist noch ein langer Weg bis dorthin. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was nämlich das Wifo aufzeigt, ist genau das Gegenteil dessen, was Sie sagen. Das Wifo schreibt, daß die Beschäftigungszahlen zunehmen werden und daß die Arbeitslosenrate um 0,51 Prozent sinken wird. Das ist das, was drinsteht. Es muß Ihnen ja selbst unangenehm sein, sich immer wieder zu blamieren, wenn Sie etwas behaupten, das so leicht als unwahr zu widerlegen ist. Also in diesem Sinne würde ich Sie bitten, sich ein bißchen seriöser mit den Sachen zu beschäftigen. Auf jeden Fall haben Sie hier eindeutig nicht die Wahrheit gesagt!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nächster Punkt: Stabilitätspakt. Auch da muß man sehen, daß es einerseits eine prinzipielle Ausrichtung in die Richtung von soliden öffentlichen Finanzen, die von uns voll unterstützt wird, gibt. Was gleichzeitig notwendig ist, ist, daß im Rahmen dieses Stabilitätspaktes die notwendige Flexibilität, und zwar konjunkturelle Flexibilität, und auch Zeit, um Anpassungen durchzuführen, speziell in bezug auf den Arbeitsmarkt, gewährleistet sind. Österreich hat in diesem Zusammenhang erreicht, daß es eben keinen Automatismus in dem Sinn gibt, sondern daß diese Flexibilität gewahrt bleibt. Wir werden uns ja morgen in der Sitzung des Hauptausschusses noch einmal speziell mit diesem Thema zu beschäftigen haben.

Ich gebe zu, daß wir uns derzeit in der Situation befinden, daß man manchmal Europa vor bestimmten Dogmatikern sozusagen im eigenen Haus schützen muß. Und genau deshalb habe ich es sehr begrüßt, daß sich Österreich durchgesetzt hat mit seiner Haltung, daß die Stabilität mit der notwendigen Arbeitsplatzsicherung einhergehen muß. Das ist kein Gegensatz zur Zielsetzung eines preisstabilen Euro.

Ich möchte zum Schluß noch folgenden Punkt sagen: Es ist völlig absurd, hier Inflationsängste zu wecken, in einer Zeit, in der wir in Europa – Gott sei Dank! – keine Inflation haben. (Abg. Dr. Haider: Davon hat niemand geredet!) Die Inflationsrate oder Preissteigerungsrate, wenn Sie so wollen, ist in Europa von 4,4 auf 2,1 Prozent zurückgegangen. (Abg. Mag. Stadler: Wer hat denn von Inflation geredet?) Sie haben gerade von den Ängsten der Sparer gesprochen. Wovor sollen denn die Sparer sonst Angst haben? Natürlich suggerieren Sie, daß der Euro zu Preissteigerungen führt. (Abg. Mag. Stadler: Wir reden von etwas anderem! Sie haben nicht zugehört! Dr. Haider hat von etwas ganz anderem geredet!)

Wieder muß ich Ihnen sagen: Die Fakten sprechen gegen Sie! Lernen Sie, in Zukunft mit Fakten zu argumentieren! Es genügt nicht, in dieser Sache nur Emotionen zu wecken; das hat kurze Beine. Die Fakten zählen, und die Fakten sprechen für die Politik, die die Bundesregierung in bezug auf den Euro vertritt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ellmauer. – Bitte. Gleiche Redezeit.

16.38

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Heute vor drei Jahren haben sich mehr als 66 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher für einen Beitritt Österreichs zur


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Europäischen Union ausgesprochen. Und gerade heute stellen die Freiheitlichen eine Dringliche Anfrage an den Herrn Bundeskanzler in Sachen Europäische Währungsunion.

Meine Damen und Herren! Leider – wie bei der "F" üblich – ist diese Anfrage nur teilweise von sachlichen Überlegungen getragen, mit unrichtigen und halbrichtigen Fakten gespickt und soll offensichtlich die Unsicherheit der österreichischen Bevölkerung, die zurzeit durch zuwenig Aufklärung und sachliche Darstellung leider noch vorhanden ist, verstärken. Mit Ihrer Verunsicherungskampagne leisten Sie unserer Bevölkerung einen schlechten Dienst! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Geschichte der letzten 25 Jahre der Europäischen Union beziehungsweise der Europäischen Gemeinschaften ist gekennzeichnet vom ständigen Streben der Mitgliedstaaten nach einer engeren Zusammenarbeit untereinander und von der Stärkung der politischen Beziehungen zum Schutz ihrer zentralen Errungenschaften des gemeinsamen Marktes.

In den Bestimmungen betreffend die Wirtschafts- und Währungsunion im Maastrichter Vertrag spiegeln sich viele Erkenntnisse wider, die man während der letzten 25 Jahre gewonnen hat. Durch die Turbulenzen der europäischen Währungen Anfang der siebziger Jahre wurde der Wunsch der Mitgliedsländer immer stärker, währungspolitisch zusammenzuarbeiten. Dies führte schließlich zur Gründung des Europäischen Währungssystems. In der Folge wurden die Wechselkursschwankungen etwa um die Hälfte reduziert.

Nach Einführung des Binnenmarktes, also nach Unterzeichnung des Maastrichter Vertrages, wurde allen beteiligten Staaten klar, daß als Ergänzung und für ein volles Funktionieren des Binnenmarktes die Einführung einer einheitlichen europäischen Währung unbedingt notwendig ist. Dieser Maastrichter Vertrag ist darauf ausgerichtet, die einheitliche Währung zu einer stabilen, ja ich möchte sagen, zur stabilsten Währung der Welt zu machen.

Starke und ausgewogene wirtschaftliche und monetäre Entscheidungsinstanzen setzt sich eine einheitliche Währung zum Ziel, die den Währungen der Mitgliedstaaten mit den besten wirtschaftlichen Grundfesten vergleichbar ist, und legt einen präzisen und realistischen Zeitplan fest.

Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, weshalb unbedingt eine einheitliche Währung in Europa?

Erstens: zur Stabilität und zur Sicherung unseres Wohlstandes.

Zweitens: als wesentliche Ergänzung zum bereits bestehenden Binnenmarkt.

Drittens: als Stimulans für Wachstum und Beschäftigung. Die öffentlichen Defizite sind in Hinkunft unter entsprechender Kontrolle zu halten, und die unabhängige Europäische Zentralbank wird die Preisstabilität sichern.

Viertens: Kosteneinsparungen. Devisengeschäfte, Absicherung von Wechselkursrisken fallen weg, und dies bedeutet, daß zirka 0,4 bis 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Union in Hinkunft nicht mehr anfallen werden. Für Österreich sind das etwa 12 bis 13 Milliarden Schilling jährlich. Die Kosten des Beitritts werden auf 8 Milliarden geschätzt, das bedeutet, daß jährlich wesentlich mehr eingespart wird, als die einmaligen Kosten betragen werden.

Ein Vergleich, anhand dessen man sieht, warum es unbedingt notwendig ist, den Euro einzuführen: Wenn man 1 000 S in den 15 Staaten der Europäischen Union konvertiert, also von Schilling in D-Mark, von D-Mark in Belgische Franc und so weiter, dann hat man nach den 15 Konvertierungen nur noch 55 Prozent, also 550 S. Dies allein zeigt, daß eine einheitliche europäische Währung unbedingt notwendig ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Weiters ist sie ein wesentlicher Beitrag zur internationalen Stabilität. Die Europäische Union ist die größte Handelsmacht der Welt; wir bestreiten zirka 49 Prozent des gesamten Welthandels. Der Euro wird daher in Zukunft zu einer der wichtigsten Handels- und Reservewährungen werden.


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Betrachten wir nur unsere jüngste Vergangenheit: Die Vereinigten Staaten von Amerika exportierten zum Teil ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten über den Wechselkurs des Dollar. Wir alle wissen, daß der Wechselkurs des Dollar heute etwa 12 S ist, wenn man in Amerika ist, hat er die Kaufkraft von etwa 16 S. Daß dadurch die amerikanischen Waren, die zu uns exportiert werden, natürlich günstig sind, liegt auf der Hand.

Sechstens – etwas, das mir auch ganz wesentlich erscheint –: eine gestärkte gemeinsame Währungssouveränität. In der Europäischen Zentralbank – dort sind alle 15 Mitgliedstaaten vertreten, so wird auch ein österreichischer Vertreter als Governor dabeisein – kann Österreich mitbestimmen und mitentscheiden.

Betrachten wir unsere derzeitige Situation: Wir befinden uns zurzeit de facto in einem Währungsverbund mit der Deutschen Mark, und die Oesterreichische Nationalbank kann Entscheidungen der Deutschen Bundesbank bestenfalls nachvollziehen, aber nicht mitentscheiden. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Wir sind auch in den wichtigsten Institutionen der Wirtschafts- und Währungsunion vertreten, etwa im Rat der Wirtschafts- und Finanzminister, die gemeinsam die Grundzüge der Wirtschaftspolitik festlegen, und auch im europäischen Zentralbankensystem. Die Zentralbanken sind Mitglieder der Europäischen Zentralbank, und diese ist unabhängig. Sie darf weder von Mitgliedstaaten noch von Organen der Gemeinschaft in irgendeiner Form Weisungen erhalten. Das bedeutet auch für die Zukunft Preisstabilität nach innen und Währungsstabilität nach außen.

Natürlich sind in Österreich die Vorarbeiten für den Beitritt zur Währungsunion noch nicht abgeschlossen. Im Zusammenhang mit gleichen Chancen in der gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsunion sei zum Beispiel auf die Situation der österreichischen Kreditinstitute hingewiesen. Wir haben gegenüber der europäischen Konkurrenz Nachteile, zum Beispiel bei den Mindestreservensätzen der Primärmittel der österreichischen Kreditinstitute, die bei der Nationalbank stillzulegen sind. Je nach Fristigkeit müssen die österreichischen Kreditinstitute 5 Prozent oder – über 36 Monate – 3 Prozent zahlen. Ein Vergleich mit der Bundesrepublik Deutschland: Dort zahlen die deutschen Kreditinstitute bis 36 Monate 2 Prozent, also ein Drittel, und darüber hinaus 1,5 Prozent, also die Hälfte. In diesem Bereich ist ehest Chancengleichheit herzustellen.

Eine wichtige Frage: Was wäre Österreich ohne den Euro? – Die enorme wirtschaftliche Bedeutung des EU-Raumes für Österreich geht aus der Außenhandelsstatistik eindeutig hervor. Zwei Drittel aller österreichischen Warenexporte gehen in Richtung Europäische Union. Fast 70 Prozent der Importe kommen aus diesem Raum nach Österreich. Deshalb haben wir ein vitales Interesse daran, beim ersten Schritt der Europäischen Währungsunion dabeizusein, ein wesentlich größeres als Länder, die eine geringere EU-Verflechtung haben. (Abg. Aumayr: EU-Experte! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Hören Sie zu, meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie hören hier etwas aus der Praxis! (Beifall bei der ÖVP.)

Die größte Sorge der Österreicher ist: Bleibt das Geld mit dem Euro gleich viel wert? – Diese Frage ist unbedingt mit einem Ja zu beantworten, denn die Währungsunion ist im wahrsten Sinne des Wortes keine Währungsreform, sondern eine Umstellung. Bei der Umstellung wird nur der Name geändert und der Betrag zu einem vorher fixierten Kurs getauscht. Statt für eine Sache 100 S zu bezahlen, sind es dann bei einem angenommen Kurs von 13 S pro Euro 7,69 Euro, für die man dieselbe Ware erhält. Statt auf einem Sparbuch 100 000 S zu haben, hat man dann rund 7 692 Euro. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haider. ) Dieselbe Logik gilt für Kredite: 10 000 Euro statt 130 000 S, Herr Kollege Haider. Es besteht auch kein Unterschied, ob ein Österreicher für seine Schilling oder ein Deutscher für seine D-Mark Euro erhält.

Noch ganz kurz zu den internen und externen Stabilitätskriterien. Die interne Stabilität wird an der Inflationsrate gemessen. So stabil wie heute war der Schilling noch nie. Erinnern wir uns: Im Jahre 1974 hatten wir in Österreich eine Inflationsrate von 10 Prozent. Im Jahr 1996 lag der Wert bei 1,9 Prozent, und heuer erwarten wir 1,7 Prozent.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Bitte um den Schlußsatz, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Matthias Ellmauer (fortsetzend): Für 1998 ist ein weiteres Sinken der Inflationsrate zu erwarten.

Wir haben die beiden ersten Stufen der Währungsunion bereits mitvollzogen. Fast 30 Jahre sind ... (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Matthias Ellmauer (fortsetzend): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Fragestunde heute vormittag (Abg. Aumayr: Schlußsatz, Herr Kollege! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen)  – Sie versuchen immer, mich aufzuhalten – wurde im Zusammenhang mit der Diskussion ... (Beifall bei der ÖVP.)

16.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Alle müssen gleich behandelt werden.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Dr. Haider gemeldet.

16.49

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Nowotny hat behauptet, daß wir unrichtigerweise aufgrund der Wifo-Studie auf die Gefahr des Arbeitsplatzverlustes bei Einführung des Euro verwiesen hätten. Das sei nicht der Fall. – Seine Behauptung ist unrichtig.

Auf Seite 103 dieser Studie des Wifo gibt es ein eigenes Kapitel mit der Überschrift "Gefahr von Rezession und Arbeitslosigkeit". Und darin heißt es: Bei einem europaweiten scharfen Sanierungskurs wären Wachstums- und Beschäftigungseinbußen zu befürchten, welche die hohe Arbeitslosigkeit in Europa weiter nach oben treiben würden. – Und dann werden die Bedingungen entsprechend angegeben. (Abg. Dr. Nowotny begibt sich zum Präsidium. – Ruf bei den Freiheitlichen: Herr Professor, das geht nicht!)

Ich meine daher, daß sehr wohl korrekt zitiert worden ist und daß der Hinweis auf die möglichen Gefahren mit den Implikationen eine korrekte Darstellung des Inhalts der Studie des Wifo gewesen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Fachlich ist es falsch! Nur die Geschäftsordnung verhindert, daß ich etwas dazu sage! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

16.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. – Bitte.

16.50

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, wir führen diese Euro-Debatte heute hier ab, weil in den letzten Wochen und Monaten nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa eine Tendenz zu bemerken ist, die gegen den Euro gerichtet ist. Ich führe das in erster Linie darauf zurück, daß in mehreren großen europäischen Ländern Wahlgänge vor der Türe standen und im Vorfeld dieser Wahlgänge sich sozusagen die Positionen zur Regierungslinie festlegen mußten. Und wenn diese für den Euro waren – und das waren sie überwiegend; sehr deutlich zumindest in Frankreich, tendentiell aber auch in Großbritannien –, dann war es sozusagen ein politisches Spiel, zu sagen: Ich gehe jetzt gegen den Euro!, denn damit hat man ein Einstellungsmerkmal oder was immer die Strategen da erfunden haben.

Meine Damen und Herren! Und siehe da: Auf einmal haben sich die Populisten ganz Europas gefunden. Sie haben natürlich das Sachargument verleugnet. Sie haben ja quasi auf die populistische, auf die angstmacherische Schiene gehen müssen, um dieses Potential für sich zu gewinnen. Ich bedauere natürlich, daß dieser Populismus ein europäisches Phänomen ist. Aber noch viel mehr bedauere ich, daß er ein österreichisches Problem ist. Dabei stört es mich noch am allerwenigsten, daß der Jörg und seine Fraktion hier meisterhaft vorangehen; das kann er


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wirklich gut. Schreiner kann es schon weniger gut, denn wie kann man denn von einer "Kunstwährung" reden? – Es gibt eine Umfrage, wer sehr dafür und wer sehr dagegen ist. Dreimal darf man raten, wo Herr Schreiner ist. – Er ist natürlich dort, wo die Mehrheit ist. Das macht ja den Populismus aus! (Ruf bei den Freiheitlichen: Das kann man euch nicht unterstellen!)  – Nein, das kann man wirklich nicht, Herr Schreiner!

Meine Damen und Herren! Aber noch viel bedenklicher empfinde ich es, daß nach einer Regierungsklausur die Regierungsparteien einmal frech unter dem Tisch hervorgeschaut und gesagt haben: Das ist nunmehr Mut, schaut her, wie frech wir unter dem Tisch – aus sicherem Versteck – hervorschauen! Jetzt verkünden wir eine Pensionsreform.

Das war kein großer Schritt, aber es war ein Zeichen. Es war ein etwas ermutigendes Zeichen, daß die Bereitschaft besteht, die unpopuläre, aber notwendige bittere Medizin zu schlucken. Aber dieses Hoffnungsschimmerchen wird damit beantwortet, daß sich der Herr Bundespräsident zu Wort meldet und in populistischer, aber hervorragender Manier sagt: Ja um Gottes willen – das hätte der Jörg sagen können; der Herr Bundespräsident hat bei dir gelernt –, alte Menschen haben ein Recht darauf, nicht verunsichert zu werden! Ich erwarte mir deshalb, daß die Bundesregierung sehr rasch und sehr klar erklärt – so geht das weiter – für die tüchtigen, braven Österreicher, die aufgebaut haben und nicht bestraft werden dürfen, et cetera. (Beifall der Abgeordneten Dr. Haider und Scheibner. )

Dieser Bundespräsident, der sich anscheinend auch schon im Wahlkampf befindet und dem offensichtlich das Thema Familie, weil die heile Welt der Familie nicht mehr gegeben ist, abhanden gekommen ist, setzt nunmehr wie Herr Bundeskanzler Vranitzky vor den letzten Wahlen auf die Pensionisten. Er gibt zum Schluß populistisch folgendes von sich: Eine Vertrauenskrise zwischen jenen, die diesen Staat mit ihrer lebenslangen Arbeit aufgebaut haben, und den Verantwortungsträgern unserer Republik darf es einfach nicht geben!

Meine Damen und Herren! Das sagt der Bundespräsident, der sich weigert, für einen Untersuchungsausschuß in der Kurdenfrage einzutreten (Abg. Dr. Haider: Uns sind die Pensionisten wichtiger als die Kurden!), wiewohl er genau weiß, daß diese Weigerung und seine zwielichtige Figur in diesem Spiel (Rufe bei der ÖVP: Pfui!), seine zwielichtige Stellung in dieser Frage vertrauenserschütternd genug sind. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Ing. Langthaler. )  – Ich glaube, es ist tatsächlich so. Wenn jemand im Verdacht ist, die Öffentlichkeit als Bundespräsident falsch informiert zu haben, dann weiß ich nicht, was man da noch alles sagen dürfte.

Ich möchte jetzt aber auf den Euro zurückkommen. Österreich sollte weiter für diese Entwicklung eintreten; ich glaube, es gibt gute Gründe dafür, meine Damen und Herren. Wir haben sie alle schon diskutiert. Ich glaube, der Euro ist nicht nur, wie Herr Nowotny gesagt hat, sozusagen die logische Konsequenz einer Wirtschaftsunion, sondern der Euro ist auch Kitt für diese Union, der Euro wird die Union in das nächste Jahrtausend tragen und verhindern, daß die nationalstaatlichen Tendenzen wieder überhandnehmen.

Meine Damen und Herren! Glauben Sie mir eines: Wir haben mit den bisherigen Schritten und Entwicklungen weder den wirtschaftlichen noch den nationalen Frieden in Europa gepachtet. Wir müssen diese positive Entwicklung Europas in den kommenden Generationen neu erarbeiten, und der Euro wäre hiezu ein Instrument; wie ich glaube, ein sehr wichtiges Instrument. Ich meine darüber hinaus, daß der Euro als einzige Maßnahme auch praktisch den Abwertungswettbewerb verhindern kann. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haider. )

Du weißt, wie sehr zum Beispiel die Kärntner Wirtschaft gelitten hat, und du hast ja auch deutlich genug kritisiert, daß die Italiener über Nacht um 40 Prozent abgewertet haben und dadurch im besonderen die Kärntner Unternehmer vor großen existentiellen Schwierigkeiten gestanden sind. Der Euro kann als einzige Maßnahme eine solche Politik der Nationalstaaten verhindern. (Abg. Dr. Haider: Werten wir insgesamt ab!) – Das ist ein zweites Kapitel. Ich komme darauf zu sprechen, Jörg, warte zwei Minuten, dann gebe ich dir auch darauf eine Antwort.


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Ein weiteres Argument: Ich glaube, es ist ein berechtigtes Anliegen Europas, zu sagen: Wir sind stark genug und haben einen Anspruch auf eine Leitwährung. Wir brauchen als Europäer nicht zwangsläufig den Japanern beziehungsweise den Amerikanern als Leitwährung hintennachzuhoppeln. Wir sind stark genug, und wir sollten diese Chance nutzen, und wir können sie nur mit dem Euro nutzen! (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Ing. Langthaler. )

Darüber hinaus geht es auch noch um die Kostenfrage. Eines deiner Argumente ist, wie ich glaube, ein populistisches: Um Gottes willen, das kostet 3,5 Milliarden Schilling! 3,5 Milliarden Schilling lautet die Prognose des Wifo in diesem Fall. (Abg. Dr. Haider: Ist das populistisch vom Wifo?) Du sagst aber nicht dazu, daß diese 3,5 Milliarden Schilling Ertragsausfall bei den Banken (Abg. Dr. Haider: Jedes Jahr!) natürlich Kosteneinsparungen bei den Unternehmern und bei den Konsumenten sind. Das ist doch ein Nullsummenspiel, Jörg, und das weißt du ja! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Hier zu sagen, das kostet 3,5 Milliarden Schilling, und nicht zu sagen, es bringt auch 3,5 Milliarden Schilling, aber einem anderen Personenkreis, ist nicht redlich argumentiert und daher populistisch! – Tut mir leid! (Neuerlicher Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Ing. Langthaler. )

Genauso ist deine Argumentation mit den Arbeitsplätzen. Du zitierst die Studie, die besagt: soundsoviel tausend Arbeitsplätze im Bankensektor. Ich gebe dir recht. Ich mache dich nur darauf aufmerksam: Was hast unter anderen du gesagt, lange bevor ich jemals davon träumte, hier zu stehen und dir als politischer Mitbewerber gegenübertreten und mit dir argumentieren zu müssen? Was hast du gesagt, als die VOEST und die übrige österreichische verstaatlichte Industrie in der Krise waren? – Die Sozialisten haben damals gesagt: Da müssen wir etwas tun, das muß 10 Milliarden Schilling kosten, 20 Milliarden Schilling kosten, denn das sind Arbeitsplätze. Aber du und deine Fraktion haben argumentiert: Solch ein Wahnsinn! Solch ein Blödsinn! Unvertretbar! Unverantwortbar! Rationalisierungen kann man nicht aufhalten. (Ruf: Und jetzt muß zugesperrt werden!)

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich haben wir hinsichtlich der Arbeitsplätze kurzfristig negative Auswirkungen, insbesondere auf dem Finanzdienstleistungssektor; das besagen alle Studien. Aber wir haben mittel- und langfristig – auch das besagen alle Studien, und Abgeordneter Nowotny hat diesbezüglich recht – eine positive Auswirkung auch auf den Arbeitsmarkt. Das muß man einfach dazusagen! (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Ing. Langthaler. )

Ich möchte aber noch ganz kurz auf etwas zu sprechen kommen. Herr Bundeskanzler! – Jawohl, er ist noch hier; danke. – Wenn Sie sagen, die Arbeitslosensituation in Österreich sei so günstig und alle anderen Daten seien so günstig, dann bitte ich, aber auch zum Beispiel den neuesten OECD-Bericht, der erst wenige Stunden alt ist, zur Kenntnis zu nehmen, wonach wir nach Griechenland und Italien als drittschlechteste europäische Nation im Hinblick auf unser zukünftiges Defizitwachstum eingestuft werden. Herr Bundeskanzler! Das sind leider Gottes sozusagen unbestechliche Instanzen, und darauf werden Sie eine Antwort finden müssen. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Sie sagen: Wir Österreicher haben die Arbeitsplatzkriterien nunmehr eingeführt, und das wird ergänzt werden! Ich glaube, damit haben die nationalen Regierungen ein Thema nach Brüssel entsorgt, sie haben gemeint: Wir sind dann nicht mehr so in der Schußlinie, entsorgen wir es nach Brüssel! – Diese Politik ist nicht geeignet, das Vertrauen der Bürger Europas in die Union zu stärken. Wir lehnen daher dieses Entsorgen von Problemen und diese Inanspruchnahme von positiven Seiten der Union ab.

Im übrigen hoffe ich, Herr Bundeskanzler, daß Sie, wenn Sie jetzt schon sozusagen unter dem Tisch hervorschauen und sagen: Das ist Mut!, ganz heraustreten und sagen: Jawohl, jetzt gehen wir diese Reformen an! Ich meine nicht nur die Pensionsreform, sondern auch die Reform der staatlichen Verwaltung, die Frage des Rückbaues des Staates, aber auch die Reform des Sozialwesens und des Gesundheitswesens und eine Reihe anderer Reformen, unter anderem


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auch die der Landesverteidigung, Herr Kollege Moser. (Abg. Hans Helmut Moser: So ist es! – Abg. Mag. Stadler: Das ist ein neuer Schmäh!) All diese Reformen sind notwendig und wichtig.

Wir sehen es als ein ermutigendes Zeichen, daß Sie unter diesem Tisch hier herauslugen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Haselsteiner dreht sich, bevor er das Rednerpult verläßt, zum Bundeskanzler um und reicht diesem die Hand.)

17.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Haider hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Dr. Haider folgt dem Beispiel des Abgeordneten Dr. Haselsteiner und begrüßt den Bundeskanzler.) Bleiben Sie so freundlich in der Berichtigung! (Heiterkeit.)

17.01

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Haselsteiner hat gemeint, daß es eine populistische, falsche Behauptung ist, von einem 3,5 Milliarden schweren jährlichen Ertragsausfall für die heimischen Banken zu reden, weil dem ja Vorteile für die Konsumenten gegenüberstünden.

Diese Behauptung ist falsch, denn die österreichischen Banken haben ja – mit Bericht von gestern in den heimischen Tageszeitungen – bereits angekündigt, daß die Umstellungskosten von 8 Milliarden Schilling über eine Gebührenerhöhung zu Lasten der Konsumenten und der Wirtschaft hereingebracht werden müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

17.02

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Haselsteiner hat gemeint, es sei ein Ansturm des Populismus gewesen, der in den letzten Monaten dazu geführt habe, daß der Euro wieder zu wackeln beginnt. – Da möchte ich ihn gleich zu Beginn korrigieren: Es sind in zwei Ländern – in Großbritannien und in Frankreich – populistische Regierungen abgewählt worden (Abg. Dr. Haselsteiner: Alle sind populistisch, wenn ..., vielleicht auch die Grünen und die Liberalen!) , und ihre Politik ist nicht durch eine Euro-populistische Politik ersetzt worden. Es hat relativ klare Vorgaben von seiten der sozialdemokratischen beziehungsweise der sozialdemokratisch-grünen Koalition in Frankreich gegeben, wie denn mit Europa umzugehen ist.

Die Haltung dieser Länder – egal, in welchen Parteien – ist genauso wie in Österreich und in allen anderen europäischen Ländern von der Sorge um die Beschäftigung in Europa geprägt, und das hat zu diesem Stimmungsumschwung in diesen europäischen Ländern geführt. Zum erstenmal sind wir in der Situation – Gott sei Dank! –, daß auf europäischer Ebene über Beschäftigung und soziale Sicherheit mitdiskutiert werden muß, wenn es um den Euro geht. Was nützt den Bürgerinnen und Bürgern ein noch so starker Euro, wenn die Leute ihn sich nicht leisten können, wenn die Leute zuwenig Pension erhalten, weil sie in Vorbereitung auf den Euro gekürzt wird, wenn die Leute Arbeitslosengeld erhalten – 20 Millionen Personen in Europa – und sich daher wenig mit diesem Euro kaufen können? – Das ist die reale Situation, und diese hat dazu geführt, daß zum erstenmal in Europa Gott sei Dank andere Fragen auf der Tagesordnung stehen als nur das Geld!

Sie, Herr Kollege Haselsteiner, wissen genauso wie ich, daß weder der harte Euro noch der weiche Euro Beschäftigung schaffen kann. Es wäre interessant gewesen, darüber zu diskutieren, daß auch der harte Euro keine Beschäftigung schafft. Das haben wir ja jetzt erlebt: Eine Politik, wie sie die Bundesrepublik Deutschland vorgelebt hat, mit der versucht wurde, durch Stabilitätspolitik, durch monetäre Kriterien einen harten Euro zu erreichen, hat dazu geführt, daß genau in diesem Land, das am meisten von allen europäischen Ländern auf die Einhaltung der Stabilitätskriterien gepocht hat, die Arbeitslosigkeit am höchsten gestiegen ist und genau die


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Probleme durch diese Stabilitätspolitik aufgetreten sind, die alle Kritiker dieser Stabilitätspolitik schon lange vorausgesagt haben.

Ich gebe Ihnen aber andererseits auch recht, wenn Sie sagen, daß ein weicher Euro auch keine Probleme löst. Hohe Zinsen schaffen keine Arbeitsplätze. Da haben Sie auch recht, da haben alle recht, die sozusagen von diesem Standpunkt aus argumentieren, aber daraus kann man nur eines lernen: Weder der harte Euro noch der weiche Euro sichert uns das, was die Bürgerinnen und Bürger in Europa brauchen. Das steht derzeit Gott sei Dank wieder auf dem Tapet. Es braucht etwas anderes, wie es Galbraith schon vor Jahren formuliert hat, als er meinte, der Euro müsse vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Es kann dieses Europa nur dann funktionieren, wenn es eine gemeinsame Wirtschafts- und eine gemeinsame Sozialpolitik gibt. Anders kann dieses Europa nicht funktionieren.

Jahrelang wurde aber in Europa genau dieser Weg gegangen, aber die Bundesregierung versucht, ihn noch weiterzugehen – mit dem Kopf durch die Wand, egal, was es kostet!

Damit bin ich schon bei der Kritik an dieser Bundesregierung angelangt. Es ist nicht so, Herr Bundeskanzler, wie Sie es uns gesagt haben. 1995 haben die Österreicher nicht gewußt, wie die Währungsunion aussehen wird. Natürlich kann man damit argumentieren, daß sie ja durch die Zustimmung bei der Volksabstimmung den Vertrag mit unterschrieben haben, aber ich erinnere Sie, meine Damen und Herren, auch jene von den Regierungsparteien, daran, daß damals die Situation eine andere war, daß damals den Österreicherinnen und Österreichern gesagt wurde, daß alle – alle! – Länder die Währungsunion bilden werden. Heute ist aber nicht mehr davon die Rede, daß alle EU-Länder an der Währungsunion teilnehmen werden. Wir wissen nicht nur von Großbritannien und von Dänemark, daß sie sich das Opting-out vorbehalten haben und bei der ersten Runde nicht dabeisein werden, sondern wir wissen auch, daß Griechenland nicht dabeisein wird. Es ist auch denkbar, daß Italien nicht dabeisein wird. Es ist sehr wahrscheinlich, daß Schweden – das übrigens diesen Vertrag auch unterschrieben hat – nicht dabeisein wird; zumindest hat das die schwedische Regierung schon angekündigt. (Abg. Kröll: Wir haben bessere Voraussetzungen!)

Damit bin ich natürlich bei dem Punkt angelangt, daß es durchaus legitim ist, auch diese Frage einer Volksabstimmung zu unterziehen, und zwar unter bestimmten Voraussetzungen. Wir Grüne sind nicht für und nicht gegen den Euro, sondern wir stellen bestimmte Bedingungen. Es wird sehr davon abhängen, wie sich dieses Europa in den nächsten Monaten schon entwickelt, wie sehr die Regierungen dieser europäischen Länder bereit sind, auf das, was sich in Europa in den letzten Monaten getan hat, einzugehen. Da wird es nicht reichen, wenn nur ein Beschäftigungskapitel irgendwo im Annex eine hohe Beschäftigungspolitik vorschreibt. Das wird zuwenig sein! Die Bürger, egal in welchem Land, werden diese Versprechungen mit dem konfrontieren, was sie tatsächlich in den einzelnen Ländern an Politik erleben, mit der Frage, ob ihre Sozialleistungen in Vorbereitung auf den Euro gekürzt werden.

Da ist die Bundesrepublik Deutschland offensichtlich ganz gern wieder vorangegangen. Sie betreibt ja eine Politik des Sozialabbaus auch unter der Perspektive, den Euro einführen zu müssen. Ich muß Ihnen sagen: Ich bin froh, daß diese Dringliche Anfrage auf der Tagesordnung ist, ich bin aber auch froh, daß dieses Thema nicht nur durch diese Dringliche Anfrage, sondern auch durch das, was in Europa in den letzten Monaten und Wochen diskutiert wird, auf der Tagesordnung ist.

Ich habe einen Leitartikel aus der "Frankfurter Rundschau" vom 7. Juni hier, der unter dem Titel steht: "Kein Europa des Geldes". Ich zitiere Ihnen ein paar Sätze daraus. Da heißt es: "In der Tat droht die letzte Etappe zur Europäischen Währungsunion mit der Methode ,Augen zu und durch’ zu einem anachronistischen Zug zu werden. Die verantwortlichen Akteure müssen schleunigst die Konsequenzen aus der ,Unreife‘" – unter Anführungszeichen – "der Bevölkerung für diese Art von Gemeinschaftsgeld ziehen. Der Euro ist nicht nur nicht gegen die Finanzmärkte zu verwirklichen, sondern auch nicht gegen die Arbeitsmärkte und die um sich greifenden Ängste vor millionenfacher Perspektivenlosigkeit. Die einseitige Interpretation des Vertrages von Maastricht


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als ein Europa des Geldes und nicht der Arbeitslosen stammt noch aus der nun dem Ende zugehenden Ära des Neoliberalismus mit seinen marktradikalen Übertreibungen."

Ich finde, das ist eine präzise Beschreibung dessen, was die europäischen Regierungen an Politik oder Nichtpolitik in den letzten Jahren in bezug auf Europa vorgelebt haben. Das hat dazu geführt, daß die Spannungen nicht nur innerhalb der Länder, sondern auch zwischen den europäischen Ländern wieder zugenommen haben.

Auf Österreich bezogen möchte ich sagen, da jetzt nur mehr Sie, Herr Staatssekretär, da sind: Sie waren einer derjenigen, die noch vor wenigen Wochen gesagt haben, die Umstellung auf den Euro koste uns nichts, sie werde zu keinen Mehrkosten führen. Herr Staatssekretär! Wenn Sie in der Frage des Euro eine Politik betreiben wollen, die den Österreicherinnen und Österreichern auch glaubwürdig erscheinen soll, dann müssen Sie die Fakten auf den Tisch legen. Aber Sie legen die Fakten nicht auf den Tisch! Selbstverständlich wird die Umstellung, egal in welchem Bereich, nicht nur den Steuerzahler oder den Versicherungsnehmer, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger ganz allgemein, egal, welche Dienstleistung sie auch immer abfragen, Geld kosten.

Ich nenne nur – es sind ja schon Beispiele genannt worden – die 8 Milliarden Schilling direkte Umstellungskosten im Bankensektor und die indirekten Umstellungskosten durch die Arbeitsplatzverluste beziehungsweise durch den Entfall der Einnahmen.

Die kleinen und mittleren Unternehmen, bezüglich der es vorige Woche von seiten der Wirtschaft eine Konferenz gegeben hat, warnen die Experten vor der zu späten Vorbereitung auf die Umstellung, weil sie nicht gerüstet sein werden. Ja was glauben Sie, welchen Effekt das haben wird, wenn die kleinen und mittleren Unternehmen nicht vorbereitet werden?

Herr Staatssekretär, warum werden sie nicht vorbereitet? Angeblich gibt es auch vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Studien, die versuchen, die Auswirkungen des Euro auf kleine und mittlere Unternehmen zu beschreiben. Offensichtlich werden diese Studien wieder einmal unter Verschluß gehalten. Das ist genau dieselbe Politik wie schon vor Jahren, vor dem Beitritt zur Europäischen Union, eine Politik, bei der nicht diskutiert wird, bei der die Vor- und Nachteile nicht gegenübergestellt werden, bei der nicht versucht wird, eine gemeinsame Politik zu machen, bei der nicht versucht wird, auch in Europa etwas weiterzubringen.

Es ist ja eine komische, fast absurde Situation, daß wir Grüne immer als diejenigen auftreten müssen, die von allen Parteien hier im Parlament am europäischsten sind. Schauen Sie sich doch an, wie Sie bei den letzten Europawahlen den Wahlkampf geführt haben! Schauen Sie sich doch an, mit welchen nationalen Parolen Sie aufgetreten sind! Es ist absurd und lächerlich, daß Sie jetzt schon wieder, und zwar unter dem Vorwand, das alles geritzt sei, den Österreicherinnen und Österreichern eigentlich alles verschweigen, was im Zusammenhang mit der Europäischen Union zu sagen wäre.

Es gäbe noch genug Beispiele anzuführen. Die österreichischen Versicherungen sind nicht europareif, stellt eine Studie fest. Die österreichische Pensionsversicherung sagt: Natürlich wird es bei der Umstellung Kosten geben, die Pensionisten sollen sie nicht zahlen, aber wahrscheinlich müssen sie durch Beitragserhöhungen bezahlt werden, weil die Pensionsversicherung beziehungsweise die Sozialversicherung insgesamt kein Geld mehr hat, um die Umstellungskosten zu bezahlen. Das ist die Realität!

Meine Damen und Herren! Was nützt uns dieses Europa ...


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Herr Abgeordneter, bitte den Schlußsatz!

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Was nützt uns dieses Europa, wenn es nicht von einer sozialen Verantwortung getragen ist? Diese fordern wir ein! Diese brauchen wir als Voraussetzung, um uns für oder gegen einen Euro entscheiden zu können! (Beifall bei den Grünen.)

17.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Nußbaumer. – Herr Abgeordneter, Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 5 Minuten angegeben? (Abg. Ing. Nußbaumer: Ja!) Bitte.

17.13

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die Beantwortung der Dringlichen Anfrage durch den Herrn Bundeskanzler zeigt die große Konfusion und die Unsicherheit rund um die Einführung des Euro. Sie zeigt eigentlich sehr deutlich auf, daß die Frage der Einführung des Euro weder von der Union noch von der österreichischen Bundesregierung sorgfältig vorbereitet ist, daß sie weder in wirtschaftspolitischer Verantwortung durchdacht ist, noch die Abläufe und Strategien frühzeitig und exakt entwickelt sind (Beifall bei den Freiheitlichen)  – dies trotz massiver Warnungen vieler Experten, wie etwa von Professor Hax, dem Chef der "fünf Weisen", oder von Bundesbankchef Tietmeyer, aber auch vom Wifo durch die Studie von Kramer und Breuss, die ja schon zitiert und richtig interpretiert wurde – und nicht so, wie sie Herr Abgeordneter Nowotny interpretiert hat.

Der Bundeskanzler hat der Öffentlichkeit gegenüber erklärt, daß er sich in bezug auf die Einführung des Euro für ein Beschäftigungskapitel einsetzen werde. Wie schaut aber die Realität aus? In der Beantwortung der Anfrage 1518/J mit Verweis auf die Anfrage 1517/J des Herrn Bundeskanzlers schreibt er auf die Frage "Treten Sie für die Aufnahme der Beschäftigung als zusätzliches Konvergenzkriterium ein?": "Ein Aufschnüren des Konvergenzpaketes beziehungsweise die Ergänzung der bestehenden Kriterien um ein Beschäftigungskriterium würde das gesamte Projekt WWU in Gefahr bringen." (Abg. Böhacker: Wer sagt das?) Das sagt der Herr Bundeskanzler in seiner Beantwortung der Anfrage 1517/J. (Abg. Böhacker: Heute hat er etwas ganz anderes gesagt!) Der Herr Bundeskanzler hat also die Beschäftigungskriterien aufgegeben. Ich verstehe das auch, denn am Montag hat der Ratspräsident Wim Kok vor Parlamentariern aller 15 EU-Länder in Den Haag festgestellt, daß jetzt 14 Staaten – auch Österreich, Frankreich noch ausgenommen – für den Stabilitäts- und Wachstumspakt eintreten, und Kok führte weiters aus, daß zwar alle mehr Beschäftigung wollen, dies aber doch primär Aufgabe der Nationalstaaten sei. Wörtlich hat Kok gesagt: "Arbeitsplätze werden geschaffen durch Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern; da gibt es keinen Zauberstab in Brüssel."

Herr Kollege Verzetnitsch ist jetzt nicht im Saal, aber es müßte in Anbetracht seiner Forderungen an die EU seinerseits ein Aufschrei erfolgen, denn diese beiden Aussagen gehen eigentlich am Sinn und am Ziel einer Währungsunion vorbei.

Professor Nowotny hat versucht, diesen Sinn zu erläutern, aber er hat ihn falsch interpretiert. Der Sinn einer Wirtschafts- und Währungsunion liegt doch darin, daß am Ende eines Integrationsprozesses alle Länder der Union sowohl eine Wirtschafts- als auch eine Währungsunion bilden, also alle Länder der EU den Euro einführen. So lange aber die Mehrzahl der Bürger und die Regierungen von Staaten wie Großbritannien, Schweden, Dänemark und jetzt auch noch Frankreich, das im Moment in dieser Frage schwankt, nicht an die Einheitswährung Euro glauben, kann das Projekt doch nur zum Scheitern verurteilt sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das Gelingen der Einführung des Euro ist also, wie auch Professor Hax immer wieder betont hat, nicht vom Zeitpunkt der Einführung, sondern von der Harmonisierung der einzelnen Volkswirtschaften abhängig. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der holländische Finanzminister Zalm hat anschließend an den ECOFIN-Rat am Dienstag bei der COSAC-Konferenz erklärt, daß eine spätere Teilnahme am Euro nur dann möglich ist, wenn die nicht teilnehmenden Länder im neuen EWS, das eine Bandbreite von plus/minus 15 Prozent vorsieht, teilnehmen. Schweden ist aber nicht im EWS eingebunden. Der Schluß daraus, Herr Staatssekretär, ist folgender: Schweden will den Euro weder jetzt noch später einführen. Damit wird doch die Einführung des Euro zum jetzigen Zeitpunkt eine Farce und deren Erfolg in Frage gestellt, und zwar deswegen, weil der Erfolg des Euro vom Vertrauen der Bürger in ihn abhängt. Aber Vertrauen kann nicht geschaffen werden, Herr Nowotny, wenn ein oder mehrere Länder


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dem Euro bewußt fernbleiben wollen. Dann bleiben beim Bürger eben die Skepsis und berechtigte Unsicherheit.

Herr Staatssekretär, wenn Sie die Fragen nicht beantworten können, welche wirtschaftlichen Auswirkungen eine kleine WWU für Österreich hat, welche Auswirkungen eine große WWU für Österreich hat, wie sich die Löhne in einem dem Euro unterworfenen Europa entwickeln werden, welche Maßnahmen zur Stützung der österreichischen Wirtschaft bei einem Europa der zwei Geschwindigkeiten die Bundesregierung ergreift, wenn Sie diese und viele weitere offene Fragen nicht beantworten können, können Sie nicht guten Gewissens für die Einführung des Euro zum jetzigen Zeitpunkt eintreten. Das den anderen Ländern mitzuteilen, wäre am Montag und Dienstag dieser Woche wichtig gewesen, und deshalb haben wir bedauert, daß weder der Finanzminister noch der Staatssekretär an der Sitzung des ECOFIN-Rates teilgenommen hat. – Danke schön (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

17.19

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich mit dem Streit über die Interpretation der Wifo-Studie zu den Auswirkungen der Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion auf die Beschäftigung beginnen.

Herr Kollege Nußbaumer! Streiten wir nicht über Interpretationen, halten wir uns an die nackten Zahlen, die die gesamte Wahrheit undiskutierbar ausdrücken. Auf Seite 62 dieser Wifo-Studie wird eine Basislösung, nämlich die Beibehaltung der fixierten Wechselkurse zur D-Mark auch ab 1. Jänner 1999, der Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion gegenübergestellt. (Abg. Ing. Nußbaumer: Das ist schon richtig, aber das Problem ist doch, daß ...!) Hören Sie zu! Lassen Sie mich doch einmal richtigstellen! Warum fangen Sie denn schon wieder zu dazwischenkeppeln an? (Abg. Ing. Nußbaumer: Weil Sie nicht richtig interpretieren! – Abg. Böhacker: Wer keppelt?)

Auf Seite 62 (Abg. Ing. Nußbaumer: Sie müssen eben auch die Kritiken herauslesen!) stehen die mittelfristigen Auswirkungen der Teilnahme Österreichs an einer Wirtschafts- und Währungsunion; Arbeitslosenquote minus 0,51 Prozent. – Das ist die zusammengefaßte Beurteilung des Wifo in bezug auf die Wirkung der Wirtschafts- und Währungsunion. An dem gibt es auch nichts herumzuinterpretieren.

Zweiter Punkt. Herr Kollege Öllinger und auch andere haben die Frage der Volksabstimmung angeschnitten. Ich bin nicht grundsätzlich gegen eine Volksabstimmung, ich bin in dieser Frage relativ offen. Nur sollte man sie nicht so argumentieren, wie Kollege Öllinger das getan hat. Denn zum Zeitpunkt der Volksabstimmung in Österreich war bereits völlig klar, welche Staaten ein Opting-out haben und welche nicht. Denn der Maastricht-Vertrag stammt aus dem Jahr 1992. Das Opting-out Großbritanniens und Dänemarks war zu diesem Zeitpunkt bekannt. (Rufe bei den Freiheitlichen: Schweden!)

Das heißt, als die Österreicherinnen und Österreicher über die Wirtschafts- und Währungsunion und den Beitritt zur Europäischen Union abgestimmt haben, war das Faktum, daß nicht alle von vornherein dabeisein werden, klar. Ebenso war klar, daß es zur Erreichung der Teilnahme Konvergenzkriterien geben wird und daß sich einzelne Staaten unterschiedlich schwertun werden, diese Konvergenzkriterien zu erfüllen. Daher sollte man nicht behaupten, die Österreicherinnen und Österreicher hätten im Jahr 1994 unter unbekannten Voraussetzungen abgestimmt, sondern ganz im Gegenteil: Man sollte sich, wenn man der Auffassung ist, es sollte noch eine Volksabstimmung geben, eine andere Argumentation dafür einfallen lassen.

Dritter Punkt: Es wurde heute bei den Redebeiträgen, vor allem bei jenen der FPÖ, ein Punkt relativ deutlich. Ich finde ja, daß die Anfrage durchaus interessant formuliert ist, weil sie Fragen


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enthält, die man wirklich stellen kann und die, so meine ich auch, der Herr Bundeskanzler in aller Ausführlichkeit beantwortet hat.

Mich würde aber nur schön langsam interessieren, was denn eigentlich Ihre Position zu den wirtschaftspolitischen Kernfragen, die damit verbunden sind, ist. Sind Sie zum Beispiel der Auffassung, daß, wenn es zur Wirtschafts- und Währungsunion kommt – und die kommt nur, wenn Deutschland dabei ist –, Österreich dann mit dabeisein soll oder nicht? Sollten wir, wenn wir nicht beitreten, das bisher untrennbare Band mit der D-Mark, das seit über 20 Jahren besteht, durchtrennen? Sollten wir uns auf das Risiko einlassen, daß wir das erste Mal, seit es liberalisierte Finanzmärkte gibt und wir mit der D-Mark verbunden sind, durch eine Nichtteilnahme am Euro nicht mehr an die D-Mark gebunden sind? Sollten wir uns daher dem Risiko aussetzen, daß unter Umständen der Schilling zu einer spekulationsabhängigen Währung auf den internationalen Finanzmärkten wird? Auf diese Fragen müssen Sie eine klare Antwort geben: Sind Sie dafür oder sind Sie dagegen? Schwindeln Sie sich nicht jedesmal um die Kernfragen herum! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Nußbaumer: Sie müssen eine Antwort geben!)

Vierter Punkt (Abg. Ing. Nußbaumer: Sie müssen dazusagen, daß Frankreich noch nicht ja gesagt hat!): Sie beklagen ständig, was die Teilnahme betrifft, es gäbe eine ... (Abg. Ing. Nußbaumer: Es muß die Regierungskonferenz verschoben werden!)  – Erzählen Sie keinen Lavendel. Das hat mit der Bindung D-Mark und österreichischer Schilling überhaupt nichts zu tun.

Die zweite Frage, die Sie beantworten müssen, ist folgende: Wer soll an der Wirtschafts- und Währungsunion teilnehmen? Sie sagen ständig, daß, wenn einige Weichwährungsländer teilnehmen, es unter Umständen keine harte Währung wird. Auf der anderen Seite sagen Sie, na gut, wenn Italien und andere nicht dabei sind, dann können wir ja nicht wirklich die positiven Effekte aus dem Ganzen lukrieren. (Abg. Aumayr: Dann sind Sie in der Schwierigkeit!) Mich interessiert schön langsam, wofür Sie sind! Sind Sie für eine kleine Kernwährungsunion, oder sind Sie für eine große Währungsunion? Denn beides gleichzeitig wird mit diesen "Ausschließlichkeitskriterien" nicht zu haben sein. (Abg. Ing. Nußbaumer: Das ist das, was wir ganz klar ausgeführt haben, wenn Sie zugehört hätten! Wir sind für den Euro nach Beendigung der Integration und nicht währenddessen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Freiheitlichen! Sie wollen sich um die Kernfragen der Wirtschaftspolitik herumdrücken! Lautstärke und Polemik ersetzen kein wirtschaftspolitisches Argument, tut mir leid, Herr Kollege. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang, der auch immer wieder gekommen ist: Sie befürchten immer, daß der Euro nicht so hart sein wird, wie es bisher unsere Währung war. Ich muß sagen: Unsere Währung ist zum Glück eine stabile Währung. Wir haben uns nicht gewünscht, daß der amerikanische Dollar gegenüber der D-Mark und dem österreichischen Schilling in den vergangenen zehn Jahren um die Hälfte abgewertet wurde. Das war nicht unsere Entscheidung, und das hat uns auch nicht sehr gefreut.

Sie reden von der Gefahr für die Rohstoffpreise, falls sich da nur marginal etwas tut. Also ich bitte Sie: Die Rohstoffpreise des Jahres 1996 sind weltweit um 45 Prozent geringer, als sie es noch im Jahr 1985 waren. Sie sind um 10 Prozent geringer als ihr niedrigster Stand in der Geschichte der Wirtschaft war, nämlich zum Zeitpunkt der Wirtschaftskrise im Jahr 1932, und Sie malen hier den Popanz steigender Rohstoffpreise an die Wand. Es tut mir leid, aber das ersetzt keine wirkliche wirtschaftspolitische Orientierung, die diesem Land eine dementsprechende Sicherheit geben könnte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Haselsteiner hat gemeint – und ich glaube, das sollte man seriös diskutieren –, daß man die Verantwortung für Beschäftigungspolitik nicht nach Europa abschieben sollte oder, besser gesagt, sie nicht nach Brüssel "entsorgen" sollte. Und das ist entscheidend.

Ich bin der Auffassung, daß wir natürlich weiterhin Verantwortung für die Beschäftigungspolitik haben: durch unsere Ausbildungsmaßnahmen, durch unsere Strukturmaßnahmen, durch unsere technologischen Maßnahmen und so weiter. Aber klar ist doch auch: Wenn es zur Wirt


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schafts- und Währungsunion kommt, die ja auch der Herr Haselsteiner unterstützt, und damit eine gewisse Verlagerung von Kompetenzen auf die europäische Ebene stattfindet, zumindest was die Zinspolitik betrifft, dann ist auch ein Teil der makroökonomischen Entscheidungskompetenz auf europäischer Ebene. Und wenn diese Entscheidungskompetenz dort liegt, dann muß auch makroökonomisch gestaltend vorgegangen werden, und dann muß man auch von der Europäischen Union eine Politik verlangen können, die die Beschäftigungspolitik, die auf nationaler Ebene stattfindet, auch gehörig unterstützt. (Zwischenruf des Abg. Jung. )

Auch in den Vereinigten Staaten – Herr Kollege Jung, ein Land, das Ihnen besonders gut gefällt – ist das Beschäftigungswachstum nicht alleine durch niedrige Löhne und Strukturmaßnahmen zustande gekommen, sondern durch die makroökonomische Politik, die von der Amerikanischen Bundesbank betrieben wurde.

Wir werden eine Wirtschaftspolitik nicht zulassen, die ausschließlich Beschäftigungspolitik auf mikroökonomische Maßnahmen reduziert und die makroökonomische Seite außer acht läßt. (Abg. Ing. Nußbaumer: Herr Gusenbauer! Haben Sie das nicht verstanden?) Wir sind der Auffassung, daß diese Verantwortung auch in Brüssel wahrgenommen werden muß, und das werden die europäischen Sozialdemokraten – zu Ihrem großen Mißvergnügen – durchsetzen. (Beifall bei der SPÖ. – Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Ing. Nußbaumer. )

17.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte. (Abg. Aumayr: Das ist angenehm, wenn der Gusenbauer ruhig ist!)

17.28

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Als heute früh die Mitteilung kam, daß es eine Dringliche Anfrage gibt, stellte sich die Frage, zu welchem Thema sie wohl sein wird. Sie lautet: Experiment Euro. Die Spannung stieg. Als die schriftliche Anfrage dann formuliert vorgelegt wurde, sah man: Sie ist an Harmlosigkeit kaum zu überbieten.

Was steht auf der ersten Seite? – "Die Regierung jedoch ist bei der Bewältigung der Probleme säumig." Das ist etwas, was wir laufend hören, aber wir haben noch keine Vorschläge bekommen. Wir warten auch nicht darauf.

Es heißt dann weiter, daß es emotionelle Widerstände gibt. Das sind Themen, Aussagen, die jeder von uns hinlänglich kennt. Besonders schwergetan hat sich aber der Anfragebegründer Dr. Haider. Er hat nämlich nicht zur Sache gesprochen, sondern er hat wieder seine Lieblingsthemen hervorgeholt, wie zum Beispiel die Nationalbank – Frage: Was hat diese mit dem Projekt Euro zu tun? –, die Sozialversicherungen und die dort vorhandenen Einsparungspotentiale – ja was denn da alles möglich wäre! – und die sogenannte Stimmung von Rust. Ich frage Sie: Was hat das mit dem Euro zu tun?

Herr Mag. Schreiner! Sie haben sich dann während der gesamten Diskussion im Punkt 3 verfangen, nämlich was die Anwesenheit betrifft. (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Mag. Schreiner. ) Jetzt kommt es, Mag. Schreiner: Sie waren im Europaparlament, und "Die Presse" hat anläßlich der Europawahl geschrieben, daß Sie auch einer jener waren, die zwar gewählt, aber dort nie anwesend waren. – Das schreibt "Die Presse".

Wie peinlich ist das – fragen Sie Ing. Reichhold, wie das ausschaut –, wenn man dort sein müßte, man aber nicht dort war, dies entdeckt wird und man dann etwas zurückzahlen muß. Leute, das sind eure Probleme, was die Anwesenheit anlangt, nicht unsere – eure! Darüber sollten Sie einmal nachdenken. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Öllinger! Wenn Sie sagen, Sie von den Grünen sind nicht für und nicht gegen das Euro-Projekt, dann sind Sie genau das, was Sie sind: nämlich jene, die nicht wissen, wohin sie wollen. Sie haben gesagt, Sie stellen nur Bedingungen. Ich sage Ihnen unsere Antwort: Wir erfüllen die Bedingungen, und deshalb werden wir den Weg konsequent im Interesse Österreichs, seiner Bürger und seiner Wirtschaft gehen.


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Ich weiß schon, daß es schmerzlich ist. Es ist doch so, daß wir eine Menge an Einzelinteressen aufgeben müssen – nicht nur wir Österreicher, sondern alle, die sich da mit beteiligen –, und viel mehr Gemeinschaftsinteressen letztendlich gelebt werden müssen. Das ist ganz klar. Aber bitte, das Problem lösen wir nicht dadurch, daß wir dauernd Verunsicherung schaffen, das macht doch keinen Sinn. Es geht auch nicht darum, dem Bürger etwas wegzunehmen, sondern es geht darum, daß der Bürger das, was er sich erarbeitet, erspart und erwirtschaftet hat, auch morgen noch gesichert weiß. Das ist verantwortungsvolle Politik. Und dafür arbeiten wir. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und wir gehen diesen Weg auch, damit wir den Einfluß und die Position auf dem Markt nicht verlieren, sondern stärken, denn folgendes ist klar: Wenn die Wirtschaftskraft Europas erhalten bleibt, dann sind wir die Nummer 3 in der Weltwirtschaft. Wenn wir durch Euro und durch interne Maßnahmen, durch kollegiale und soziale Maßnahmen die Wirtschaftskraft stärken, dann können wir Nummer 2 oder vielleicht Nummer 1 werden. Und das wollen wir, und dafür müssen wir arbeiten. Das ist die Herausforderung – und nicht der immer wieder hier von Ihnen vorgetragene Jammer.

Ich glaube, es ist auch nicht die Frage, ob harter oder weicher Euro, sondern die Frage ist, wie wir die Problematik gemeinsame Währungspolitik bewältigen. Und ich würde mir wünschen, daß wir nicht nur in der Währungsfrage zu mehr Gemeinsamkeit, sondern daß wir auch in der Sozialpolitik, in der Sozialfrage europaweit zu mehr Gemeinsamkeit finden würden. Das täte uns wohl allen gut. Das ist die Herausforderung, für die wir zu arbeiten haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Und wenn hier so gerne aus Zeitungen zitiert wird, dann darf ich Sie fragen: Warum haben Sie nicht vor Einbringung Ihrer Dringlichen Anfrage "Die Presse" gelesen, in der der Präsident der Nationalbank, Klaus Liebscher, zitiert wird, er befürchte, daß es bei einem Nichtkommen des Euro oder bei einer Verschiebung zu höheren Zinsen komme, zu weniger Investitionen, zu Vertrauensverlust bei den Bürgern. Warum lesen Sie nicht das, was für Sie wichtig ist, damit Sie endlich einmal begreifen, worum es geht? Warum lesen Sie nicht die Wirtschaftsseite des "Kurier", in dem zum Beispiel die Präsidentin der finnischen Nationalbank sagt: Bei uns weiß man nämlich, daß die Einhaltung der Konvergenzkriterien nicht nur im Interesse der Wirtschaft ist, sondern auch der Erhaltung der Arbeitsplätze dient.

Sie haben heute die Arbeitsplätze, die Beschäftigung mehrmals angesprochen – zu Recht: 18 Millionen Arbeitslose in Europa sind keine schöne Sache. Das zu verändern, ist unsere Aufgabe. Aber haben Sie sich schon einmal gefragt, wie es ausschauen würde, wenn wir nicht der Union beigetreten wären? Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht? Das, glaube ich, gehört auch mit Ihnen einmal ganz klar diskutiert.

Sie haben heute gesagt, welche Probleme Sie sehen. Bitte lesen Sie die Wifo-Studie. Herren wie Baumgartner, wie Breuss, wie Kramer, wie Walterskirchen sind doch ein Begriff in diesem Land. Da steht ganz klar, daß man über die gesamte Entwicklung nicht sorgenfrei ist, daß sie von uns viel abverlangt, daß wir jedoch an der Entwicklung nicht vorbeikönnen, wenn wir auch in unserem Land weiterhin eine positive und gute Entwicklung haben wollen.

Wir müssen wissen, daß, wenn wir das alles nicht erreichen, morgen vieles von dem, was wir bereits erreicht haben, was wir uns geschaffen haben, letzten Endes auf dem Spiel steht. Und da können wir doch nicht tatenlos zusehen.

Daß wir uns auf Sie von der FPÖ nicht besonders verlassen können, das beweisen ja Ihre Presseaussagen der vergangenen Jahre, in denen Sie gesagt haben, wir würden zuwenig für das gemeinsame Europa tun, wir würden zuwenig tun, um diese Entwicklung zu fördern. – Heute sind wir drauf und dran, und heute sind wir dabei, das auch umzusetzen. Jeder ist gefordert. Die Regierung im besonderen, aber auch der Opposition ist es nicht verboten, hier konstruktiv mitzuarbeiten.

Meine Damen und Herren! Wir werden uns der Herausforderung stellen, und wir werden nicht, wie viele andere, resignieren, sondern wir werden reagieren – nein, wir werden nicht nur reagieren, wir regieren! Wir gehen daran, die Rahmenbedingungen zu schaffen, gemeinsam mit unse


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ren Bürgern, mit unserer Wirtschaft, mit unserer Geldwirtschaft, damit wir möglichst reibungslos beitreten und diese neue Entwicklung auch produktiv für unser Land nützen können.

Unser Ziel ist es, am Integrationsprozeß voll und ganz mitzuarbeiten und mitzuwirken, denn ich glaube, ein Europa von morgen braucht mehr Gemeinsamkeit. Ich glaube, Europa braucht Arbeit, braucht Märkte, nur dann ist auch Stabilität gesichert, nur dann gehen wir einer höchstmöglichen sicheren Zukunft entgegen, und nur dann sind Friede und Demokratie gesichert. Deshalb haben wir uns das zum Ziel gesetzt und sind dabei, behutsam und ehrgeizig dieses Ziel auch zu erreichen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Mag. Schreiner hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, Sie kennen die Geschäftsordnung. – Bitte.

17.36

Abgeordneter Ing. Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Kollege Donabauer hat behauptet, ich persönlich hätte im Europaparlament – so berichtet "Die Presse" – durch Abwesenheit "geglänzt", ich wäre dort nie anwesend gewesen.

Herr Kollege Donabauer, Sie haben hier die Unwahrheit gesagt. In einer Statistik der Tageszeitung "Kurier", die eine Woche vor der Wahl zum Europaparlament in Österreich am 13. 10. 1996 erschienen ist, kann man nachlesen, daß Kollegin Dr. Gredler vom LIF mit 76 Wortmeldungen in eindreiviertel Jahren – von 1. 1. 1995 bis September 1996 – die Nummer 1 Österreichs war. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Gredler: Danke!) Den zweiten Platz hat der freiheitliche Abgeordnete Nußbaumer mit 46 Wortmeldungen eingenommen, den dritten Platz habe ich mit 44 Wortmeldungen eingenommen.

Herr Kollege Donabauer! Da es nicht möglich ist, daß jemand, der physisch wo nicht anwesend ist, dort Reden halten kann, ist Ihre Behauptung unrichtig. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Donabauer: Sie lesen den "Kurier", ich lese "Die Presse"!)

17.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte.

17.38

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Sehen Sie, liberale Frauen können doppelt so schnell beziehungsweise doppelt soviel arbeiten wie freiheitliche Männer; ganz zu schweigen von den Vertretern der Regierungsparteien. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Donabauer! Sie haben gefragt, was die Stimmung in Rust mit der Nationalbank zu tun hat. Ich möchte Ihnen das gar nicht vorwerfen, denn es gibt eine Informationskampagne der Regierung, die ja noch nicht gestartet ist. Sie können vielleicht noch gar nicht wissen, daß die zweite Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion bereits eingeläutet wurde, wobei das Europäische Währungsinstitut als Vorläufer der Europäischen Zentralbank zu fungieren hat. Deswegen hat die Nationalbank sehr wohl damit zu tun.

Sie haben weiters behauptet, Herr Kollege Donabauer, die Stimmung in Rust hätte eigentlich mit dem Euro nichts zu tun gehabt. Nur: Bei der Erstellung der Budgets für 1998 und 1999 – das werden Sie doch zugeben – wird der Finanzminister versuchen, die Konvergenzkriterien einzuhalten. Oder stimmt das nicht? Hat er das nicht vor? Das wäre eine interessante Meldung, die aus Ihren Reihen kommen könnte. Ich glaube daher sehr wohl, daß die Budgetklausur in Rust mit der Wirtschafts- und Währungsunion und insbesondere mit der Einführung des Euro zu tun hat. (Beifall beim Liberalen Forum. – Zwischenruf des Abg. Donabauer. )

Ich habe die Euro-Kampagne erwähnt. Die Euro-Kampagne wurde groß angekündigt, es wurde ein Arbeitsplatz geschaffen, der dann wieder aufgelöst wurde, da man von seiten der Bundes


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regierung draufgekommen ist, daß nicht die geeignete Person an dieser Stelle sitzt, und daher hat man da gleich wieder eingespart. – Okay.

Was ich vermisse, ist allerdings, daß die Bürgerinnen und Bürger Österreichs informiert werden, was in Zukunft zu erwarten ist. Ich habe wirklich versucht, mich über das Internet kundig zu machen, weil ich angenommen habe, daß das die Technologie sei, über die die Bundesregierung rasch und umfassend informiert. Was finde ich dort? – 32 Zeilen über den Euro, über die Wirtschafts- und Währungsunion. Ein Problem, das werden Sie zugeben, denn das reicht nicht aus, um wirklich umfassend zu informieren. Offensichtlich haben Sie auch keinen sehr großen Erfolg gehabt, denn Sie haben die zweite Phase dieser Wirtschafts- und Währungsunion nicht gekannt.

Wir vom Liberalen Bildungsforum haben uns erlaubt, die Bürgerinnen und Bürger zumindest selbst zu informieren. Wir haben eine Informationsbroschüre herausgegeben – in der Erwartung, daß die Bundesregierung eine umfassende Darstellung der Probleme gibt und sie sich nicht damit begnügt, eine Telefonnummer anzugeben, wo man sich informieren kann. Das ist wirklich nicht ausreichend.

Die Europäische Union hat für die Euro-Informationskampagne in ganz Europa 20 Millionen ECU vorgesehen. Wenn man das umrechnet, sind das knapp unter 500 Millionen Schilling. Jedes Land kann dort für ein Budget für seine Kampagne einreichen und kann bis zu 50 Prozent der Kosten rückerstattet bekommen. Nur das Motto dort ist natürlich: First come, first serve! Das heißt, wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

Wenn wir jetzt noch lange warten, ist in dem Topf überhaupt nichts mehr übrig, und wir können 100 Prozent dieser Kosten übernehmen. Ich halte es nicht für besonders klug, daß man, wenn man überall versucht, Einsparungen zu tätigen, dann nicht zumindest das annimmt, was von seiten der Europäischen Union angeboten wird. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Vom Herrn Bundeskanzler ist zum Beschäftigungskapitel einiges gesagt worden. Es ist sicherlich ein Erfolg der österreichischen Vertreter dort, daß sie das in den neuen Vertragstext hineinmoniert haben. Übrigens die Skurrilität: Wir haben erst heute nachmittag die Vorlagen für den Hauptausschuß morgen bekommen, über die wir verhandeln und möglicherweise eine gemeinsame Position mit den Kollegen der Regierungsparteien erarbeiten sollen. – Über Nacht wird das wahrscheinlich von uns erwartet. Nicht schlecht. Aber man hätte es vielleicht entspannter machen können und nicht so unter Druck. Sie werden zugeben, es wäre sicherlich sinnvoller gewesen, wenn wir dieses Dokument am Samstag bekommen hätten. Daß man es den Oppositionsparteien von Samstag bis heute mittag vorenthalten hat, halte ich nicht für besonders fair.

Herr Gusenbauer! Ich hoffe, Sie werden in Zukunft dafür Sorge tragen, daß ich diese Dokumente so schnell bekomme wie Sie, nämlich – nehme ich an – am Sonntag. Und wenn Sie es nicht am Sonntag bekommen haben, dann haben Sie ein Problem mit Ihrer eigenen Partei. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Gusenbauer: Reden wir dann im Ausschuß darüber!) Gut.

Es geht um das Beschäftigungskapitel. Nur: Es sagt mir keiner, was in diesem Beschäftigungskapitel drinnen steht. Jeder sagt, das ist so wichtig, das brauchen wir aus makroökonomischen Gründen. Da gebe ich Ihnen allen recht. Nur sagen Sie mir konkret, wie viele Arbeitsplätze über das Beschäftigungskapitel für die 18 bis 20 Millionen Arbeitslosen in Europa geschaffen werden. Konkrete Zahlen! Was werden Sie innerhalb des Budgets der Europäischen Union ändern, damit nicht einfach nur nominell kleine Prozentsätze für Beschäftigungsinitiativen vorgesehen werden, sondern nennenswerte.

Und woher nehmen Sie das Geld? Nehmen Sie das Geld von der Landwirtschaft? Ja? Interessant! Oder, Kollegen von der ÖVP? Die SPÖ sagt, das Geld wird vom Landwirtschaftsbudget genommen. Das finde ich höchst interessant. Seid ihr euch da einig oder ist das eine Diskussion, die auf so einer Ebene wie jene über die NATO geführt wird? (Abg. Dr. Gusenbauer: Kommissar Fischler hat das selbst vorgeschlagen!)


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Mich würde es wirklich interessieren, was konkret gemacht wird. Eine Überschrift gefällt mir sehr gut, aber ich hätte das Ganze gern mit Leben erfüllt. Sagen Sie doch, wenn Sie das Budget von Europa neu gestalten, in welche Richtung das geht! Auch die Bauern haben das Anrecht, zu wissen, was von ihrem Budget heruntergeschraubt wird und in welche Kanäle es geht. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Ing. Langthaler zu
Wort. – Bitte.

17.45

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich war sehr positiv überrascht, als ich am Morgen gehört habe, daß es eine Dringliche Anfrage zum Thema "Europäische Währungsunion" gibt. Ich halte es für richtig, daß wir in der Woche vor dem Regierungsgipfel in Amsterdam in diesem Haus über die Frage der gemeinsamen europäischen Währung diskutieren und auch über Rahmenbedingungen, wie beispielsweise über die Frage, wie sehr es gelingt, die Frage der Beschäftigung endlich unmittelbar in die europäische Unionspolitik zu integrieren, und auch, was das konkret heißen soll. Insofern habe ich die Möglichkeit, mit dieser Dringlichen dieses Thema auch ins Hohe Haus zu bringen, sehr begrüßt.

Auch ist die Dringliche äußerst gut gemacht. Was mich mehr enttäuscht hat, ist, welche Reden die Freiheitlichen hier konkret dazu gehalten haben, denn das waren dann tatsächlich wieder die altbekannten Beispiele von den Sozialversicherungsanstalten bis hin zu dem Thema, wer die fleißigen und anständigen Leute in diesem Land sind und wer nicht. Also nicht wirklich das, was die Dringliche in ihrer Einleitung versprochen hat, hat sich hier in den Reden der Antragsteller niedergeschlagen. Nichtsdestoweniger ist jede Möglichkeit, über die europäische Ebene und auch über die gemeinsame europäische Währung zu diskutieren, sinnvoll, und insofern begrüße ich das.

In der Einleitung der Dringlichen findet sich für mich eines der zentralen Spannungsfelder, in dem sich die Debatte rund um eine gemeinsame europäische Währung bewegt. Die Schaffung einer europäischen Währungsunion wird einerseits als die große Herausforderung, als das Jahrhundertprojekt schlechthin gesehen, andererseits wird die Währungsunion vielfach als das größte monetäre Experiment der Wirtschaftsgeschichte qualifiziert.

Genau in diesem Spannungsfeld bewegen sich die Argumente, das Pro und Kontra, und ich verhehle nicht, daß ich auf der Seite der Befürworter einer gemeinsamen europäischen Währung bin, wiewohl ich auch der Meinung bin, daß es einfach notwendig ist, die berechtigten Sorgen und Ängste der Leute, die man in den letzten Wochen gerade in jenen Ländern, in denen es Wahlen gegeben hat, gespürt und gesehen hat, weit ernster zu nehmen als bisher.

Was man gesehen hat – und das war doch durch die Diskussion rund um eine gemeinsame Währung ausgelöst –, ist, daß es plötzlich wieder zu einer Politisierung dieser gesamten Europapolitik gekommen ist. Zwangsläufig ist die europäische Einigung über die wirtschaftliche Harmonisierung gekommen. Das mag man bedauern, aber es ist einfach ein Faktum. Von den ersten Verträgen innerhalb der damaligen EG angefangen bis heute besteht natürlich eine Dominanz der Harmonisierung im wirtschaftlichen Bereich, weil es nicht gelungen ist, sich in politischen Bereichen schneller auf einen gemeinsamen Nenner zu einigen. Bis heute sind die Europäer nicht in der Lage, zu definieren, wie die politische Union konkret aussehen soll. Die gemeinsame Außenpolitik ist eher ein Drama als etwas, worin man konkrete Ansätze zu einer wirklich fortschrittlichen gemeinsamen europäischen Unionspolitik sieht.

Wo es funktioniert hat und wo es in den letzten Jahren Fortschritte – wie auch immer man die interpretieren mag – im Sinne einer Integration gegeben hat, war zweifellos immer im wirtschaftlichen Bereich. Und die logische Konsequenz aus dieser Entwicklung ist natürlich eine gemeinsame europäische Währung.


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Aber nicht nur aus ökonomischen Gründen wäre sie anzustreben. Ich habe mir doch auch die ökonomischen Bereiche genauer angesehen, vor allem auch in der Hinsicht, was in Europa passierte, wenn es nach diesen vielen Vorbereitungsschritten zu keiner gemeinsamen europäischen Währung käme. Welche Konsequenzen hätte das für die verschiedenen Märkte? Man sieht ja schon an einer Ankündigung des französischen Finanzministers zum Stabilitätspakt in dieser Woche, welche unglaublichen Auswirkungen das auf europäische Märkte hat, wie sehr die D-Mark plötzlich angezogen hat, der Franc und der Dollar verloren haben. Kleinste Äußerungen führen also zu unglaublichen Eruptionen.

Die würde es natürlich auch geben, wenn das gemeinsame europäische Währungsunionsprojekt aufgegeben würde. Aber was ich noch für viel problematischer hielte, ist, daß insgesamt das Moment, um das es geht im Sinne einer Integration, für – wie ich meine – viele Jahre aufgegeben werden müßte.

Es gibt Zeitpunkte, die man dann als "historisch" bezeichnet, wo ein wirklich großer Schritt möglich ist. Da spielen viele Faktoren zusammen. Ich meine, es ist in Deutschland nach wie vor ein wichtiger Faktor, daß Helmut Kohl dort Bundeskanzler ist und es für ihn tatsächlich so etwas wie ein Lebenswerk ist und daß es von seiten der Deutschen auch ein Versprechen gab, bei einer solchen gemeinsamen Währungspolitik deshalb mitzumachen, um Deutschland tatsächlich endgültig in der Union zu verankern in dem Sinn, daß es keine hegemoniale Stellung innerhalb der Europäischen Union einnimmt.

Ich möchte alle Kritiker fragen, nicht eigentlich die Kritiker und Skeptiker der gemeinsamen Währungsunion, denn das kann ich nachvollziehen, aber die echten Gegner einer gemeinsamen Währung würde ich wirklich fragen wollen, wie sie sich denn nicht nur die Alternative vorstellen, sondern die Rolle, die dann Deutschland innerhalb Europas tatsächlich hätte.

Es ist für mich daher kein Wunder, daß der Bundesbankpräsident in Deutschland eigentlich einer der größten Kritiker dieser gemeinsamen Währung ist und daß es auch von seiten der CSU sehr viele Kritiker gibt. Da geht es für mich eher um das Thema Chauvinismus und ganz sicher um keine europäische Dimension, die man in ihren Argumenten dort jedenfalls erkennen kann. Ich hielte es für die Zukunft Europas für ein riesiges Problem, Deutschland mit seiner nach wie vor starken Finanz- und Wirtschaftskraft, die es innerhalb Europas einfach hat, nicht so einzubinden, und zwar tatsächlich so fest zu fesseln mit einer gemeinsamen Währung, daß kein einseitiges deutsches Vorpreschen in Europa – weder wirtschaftspolitisch noch vor allem auch politisch – je mehr möglich ist.

Insofern ist für mich der Euro nicht nur ein ökonomisches, sondern fast mehr noch ein politisches Projekt, ein politisches Projekt, bei dem es tatsächlich darum geht, eine Integration zu erreichen, die unumkehrbar ist.

Eine Europäische Währungsunion würde meiner Ansicht nach außerdem tatsächlich ein großer Schritt zu einer europäischen Identität sein. Man sieht das in den Vereinigten Staaten, wo sowohl der Dollar als auch vor allem die Sprache die größten Identitätsstifter sind. Man sieht das gerade auch bei Einwanderern, die nach Amerika kommen. Da sind es natürlich der Dollar und die Sprache, die es zustande bringen, in einem so großen Land mit so großen strukturellen Unterschieden und zum Teil auch großen – natürlich nicht so große wie in Europa – historischen Unterschieden und Entwicklungen auch eine gemeinsame Identität zu schaffen, die für eine Gesellschaft, wenn sie so groß ist und so komplizierte Fragen zu verwalten hat, einfach enorm wichtig ist. Eine europäische Währung würde konkret eine europäische Identität stiften, und das gehört für mich einfach zu den Positiva.

Ich möchte aber nicht verhehlen, daß ich sehe, daß es auch viele potentielle Problembereiche gibt. Es ist ein Faktum, daß es in den ersten Monaten und Jahren mit einer gemeinsamen Währung Verlierer geben wird. Es ist ein Faktum, daß man eine europäische Währung nicht an den Sorgen der Bevölkerung vorbei einführen kann, und deshalb muß man vor allem eben diese Wahlergebnisse in Großbritannien und Frankreich mehr als ernst nehmen. Ich freue mich ja, daß dort jetzt linke Regierungschefs am Ruder sind, und ich freue mich ganz besonders, daß


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über diesen Druck, der vor allem auch durch Frankreich entsteht, endlich das Beschäftigungs- und Sozialkapitel ernsthaft in der Europäischen Union diskutiert wird.

Schon alleine daraus ersieht man, daß selbst bei Kritikern der Währungsunion das wenigstens als positiv gesehen werden kann, daß aufgrund der Notwendigkeit der Budgetkonsolidierung, aufgrund der Notwendigkeit, die Maastricht-Kriterien zu erreichen, jetzt ein Druck in der Bevölkerung herrscht, der auch eine Chance bietet. Und es gibt zu Recht eine Unzufriedenheit, denn dieser Druck entsteht aufgrund zum Teil enorm schneller Strukturbereinigungen in diesen Ländern – die mir in vielen Bereichen auch zu schnell, zu harsch sind und vor allem zu sehr auf Kosten der schwachen Einkommensschichten gehen –, aber eben über diesen Druck gelingt es endlich, ernsthaft eine europäische Sozialpolitik und eine europäische Beschäftigungspolitik zu diskutieren.

Wir sind erst beim Schritt des Diskutierens, Herr Abgeordneter Gusenbauer, aber selbst wenn wir ein Beschäftigungskapitel in den Vertrag bekommen, kann mich das noch nicht überzeugen, daß das unmittelbare Auswirkungen hat. Aber das Bewußtsein scheint in die Köpfe vor allem der europäischen Regierungen gekommen zu sein, und es muß gelingen, das nicht nur in das Bewußtsein der Köpfe, sondern in die konkrete Regierungspolitik zu bringen, sodaß es gelingt, eine wirklich gemeinsame Beschäftigungspolitik zu schaffen, die in Zukunft konkrete Investitionen auch der öffentlichen Hand – und zwar mehr, als es in den letzten zwei, drei Jahren der Fall war – und eine gemeinsame europäische Währung bedeutet.

Ich bin noch optimistisch, daß es gelingen kann, im Zeitplan zu bleiben. Ich würde es mir sehr wünschen, weil ich befürchte, wenn der Euro jetzt nicht nach dem vorgeschriebenen Zeitplan kommt, dann kommt er lange nicht. Ich hielte das für sehr schlecht für Europa, und ich hielte es auch für schlecht für Österreich. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaugg. – Bitte, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

17.55

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! In einer sehr salbungsvollen Rede des Bundeskanzlers haben wir heute alle Vorteile der raschen und unvorbereiteten Einführung des Euro gehört. Irgendwie erinnert das ein bißchen an eine Situation vor knapp vier Jahren. Auch damals wurde für den EU-Beitritt geworben, in einer penetranten Art und Weise, mit vielen Millionen Schilling an Werbeeinsatz, aber keine der Prognosen, was die Arbeitsplätze betrifft, ist eingetreten. So wie man in Rust von Zigtausenden Arbeitsplätzen sprach, die man schaffen will, waren es auch damals 70 000, die durch den Beitritt zusätzlich geschaffen werden sollten. Diesmal sind es 70 000 angekündigte Arbeitsplätze durch eine Exportoffensive.

Die Wirklichkeit schaut anders aus. Die Firma Eskimo wird in wenigen Wochen geschlossen. 300 Mitarbeiter sind wiederum Opfer einer Regierung geworden, die nicht in der Lage ist, EU-Vorteile zu nutzen. (Abg. Edler: So ein Unsinn! So einen Unsinn da zu reden!) Das ist ein Faktum. Ihren Standpunkt können Sie, Herr Kollege, den betroffenen Mitarbeitern erklären. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Edler: So ein Unsinn! – Abg. Dr. Haider: Das sind eure versprochenen 43 000 Arbeitsplätze!)

Dann geht ein Vertreter der Volkspartei hier herunter und verliest eine Rede, in der steht, daß es durch das Vorgehen der Oppositionsparteien in Österreich eine Verunsicherung der Bevölkerung gibt. Das ist ja überhaupt der Gipfel! Am liebsten hättet ihr wahrscheinlich, daß alle in Lobgesang fallen, nur weil jetzt der Euro kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wo sind denn die Beitrittsvorteile für den einzelnen Arbeitnehmer? Wo sind sie denn? Sie versagen in der Jugendbeschäftigung, Sie versagen in der Sicherung der bestehenden Arbeitsplätze und bei vielem mehr. (Abg. Dr. Puttinger: Aber geh!) Herr Kollege, lesen Sie doch die Statistiken! Sie wissen ja überhaupt nichts! (Abg. Dr. Puttinger: Da redet der Richtige!) Sie werden wieder Millionen Schilling verbrauchen. Der Herr Schüssel hat angekündigt, 2 000 Ju


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gendliche werden bis zum Mai beschäftigt werden. Wo sind denn diese Arbeitsplätze? (Abg. Dr. Haider: 3 500 suchen einen Arbeitsplatz!)

Nach dem überhasteten EU-Beitritt erfolgt jetzt der überhastete und kniefällige Beitritt zum Euro. Ohne Wenn und Aber! Und dann werden die Gewerkschaften, die sich angeblich distanzieren, wieder eifrige Berichterstattung für diese versagende Regierung betreiben.

Da wird von der Stabilität des Euro gesprochen. Jetzt frage ich mich, wie das gehen soll, wenn jetzt beinahe in allen Ländern Europas Scheinbudgets erstellt werden. Sie lagern aus, Sie verkaufen – der Abgeordnete Schreiner hat das schon im Detail erläutert –, damit soll die Stabilität erreicht werden. Wie denn? Es wird hinausgeschoben, und dann kommt der große Crash.

Da wird seitenweise vom Erfolg und vom Ausbau des sozialen Schutzes gesprochen. Ja, meine Lieben, gestern haben wir gehört, daß Österreich ohnehin ein Paradies ist im Vergleich zur EU. Es ist ein Paradies, in dem die Jugendbeschäftigung noch funktioniert im Gegensatz zu Frankreich, Italien und Spanien. Da frage ich mich schon: Warum sucht diese Regierung Schutz bei Ländern, die bei weitem nicht mehr in der Lage sind, sozial- und beschäftigungspolitische Maßnahmen zu setzen? Es geht halt nicht immer, alles nach oben zu schieben. Wir bringen da nichts zusammen, daher soll die EU das jetzt machen.

Das sind die Dinge, die Sorge bereiten, und diese Finanzjonglierereien werden Sie zu verantworten haben, denn Sie bleiben bis heute eine Antwort schuldig, warum die Beschäftigungsoffensiven nicht greifen (Abg. Dr. Puttinger: Sie greifen ja!) , Sie bleiben eine Antwort schuldig, warum die Jugendbeschäftigung nicht funktioniert, und Sie bleiben eine Antwort schuldig, wo die Vorteile des Beitritts liegen. Sie sind ja nicht einmal in der Lage, die EU-bedingten Möglichkeiten für eine entsprechende Berufsausbildung zu nutzen. Kein einziger Lösungsansatz wird konkret von Ihnen vorgetragen – bis hin zum Tausender von der Frau Ederer. Den haben wir alle schon vergessen. Davon sind nackte 200 S geblieben. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Die Ederer hat das schon gemerkt!) Viele von Ihnen waren ja dabei, als sie das gesagt hat.

Es freut mich schon, zu hören, wenn der Bundeskanzler sagt, die Rundungen werden nach unten gehen. Das werden wir uns ganz genau anschauen. Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

In Wirklichkeit werden diese Rundungsdifferenzen wieder dazu führen, Budgetsanierungen machen müssen – in allen öffentlichen Betrieben, in den Stadtwerken, in den Energiewirtschaften. Dort wird man sparen, um weiterhin die Vorstandsgehälter zu sichern, bis hin zu den ÖBB-Tarifen; in diesem Bereich wird Ihnen auch noch etwas einfallen, allerdings nicht zur Sicherung der Arbeitsplätze der Mitarbeiter, sondern letztlich ausschließlich für die berühmten Bonzen in dieser Republik, die immer mehr werden.

Früher seid ihr bei der ÖBB mit zwei Vorstandsdirektoren ausgekommen, jetzt braucht ihr fünf. Mehr Köpfe bedeuten aber keine bessere Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik in dieser Republik. Es würde Ihnen von der Regierungsfraktion gut tun, endlich einmal darüber nachzudenken, wie Sie, statt leere Worte zu reden, endlich Taten setzen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Fuchs. Ihre Redezeit beträgt noch 7 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.01

Abgeordnete Brunhilde Fuchs (SPÖ): Werter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Hohes Haus! Ich habe gerade in einem Zwischenruf gehört: Die bringt jetzt die Antwort! – Es ist sehr schwierig, eine Antwort auf das zu geben, was Sie heute schon ununterbrochen gezeigt haben. Sie haben eine Linie voll durchgezogen, allerdings nicht die Linie in der Sache, denn da gibt es immer wieder Schwankungen (Abg. Dolinschek: Das glaube ich nicht! – Abg. Dr. Graf: Dann haben Sie sich verhört! Das haben wir nicht gesagt!) , wohl aber in der Taktik: Verunsicherungen und das Behaupten von falschen Tatsachen – darin haben Sie sich alle wiederholt. Dabei ist


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keiner der Redner ausgeschert. (Abg. Dr. Graf: Falsche Tatsachen gibt es nicht! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Alle anderen Redner der anderen Fraktionen haben immer wieder auf die Unwahrheiten hingewiesen, die Sie heute von sich gegeben haben. Es ist schon sehr schwierig, jetzt irgend etwas darauf zu sagen. (Abg. Dr. Krüger: Die Schönfärberei betreibt ihr!)

Gleich zur Schönfärberei: Sie erheben beispielsweise im letzten Absatz der Begründung Ihrer Anfrage den Vorwurf von Manipulation und vom Vorenthalten der Wahrheit. Da liegen Welten dazwischen, Herr Kollege! Das hat mit Sachlichkeit überhaupt nichts zu tun! (Abg. Dr. Krüger: Auch durch Verschweigen kann man die Unwahrheit sagen! Auch durch Verschweigen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Nein, nein! Da muß man wirklich einmal sagen, Unwahrheit zu unterstellen ist etwas – das hat Ihnen der Herr Bundeskanzler heute ganz deutlich gesagt ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: So deutlich sagt er überhaupt nie etwas! – Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Wenn Sie immer nur konstruktiv wären, dann würden wir heute nicht in dieser Art diskutieren. Das muß ich Ihnen jetzt leider schon sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Da steht nichts von Manipulation drinnen! Lesen Sie das! – Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Ich darf für die Sozialdemokraten sagen: Wir stehen zu einer Europäischen Integration, wir stehen auch zur Währungsunion. Wir stehen auch dazu, daß diese Beschäftigungsunion ... (Abg. Mag. Schreiner: Reden Sie ein bißchen mehr darüber! – Zwischenruf des Abg. Böhacker. )  – Vielleicht. Ich denke, Sie disqualifizieren sich mit Ihren Zwischenrufen. Es wird schön langsam ohnehin schon peinlich. Ich werde überhaupt nicht mehr hinhören, was Sie zu sagen haben. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Schauen Sie sich einmal Ihre Fraktion an! Nicht einmal die hört zu! – Abg. Böhacker: Ist das Ihr konstruktiver Beitrag zur Debatte? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Die Schaffung und die Absicherung bestehender Arbeitsplätze ist ganz einfach das wichtigste Anliegen der Sozialdemokratie, das wurde heute schon mehrmals gesagt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Das wurde heute schon mehrmals gesagt, ich möchte das noch einmal betonen. Es ist allerdings noch nicht bis zu Ihnen vorgedrungen, das tut mir sehr leid! (Abg. Mag. Schweitzer: Der Euro kostet bis jetzt Arbeitsplätze! Das wissen Sie!)

Ich kann Ihnen auch etwas sagen: Es gibt ein vertraglich festgelegtes Ziel: gesunde öffentliche Finanzen und hohe Preisstabilität sowie die gemeinsame Währung. Sie schaffen nämlich die geeignete Grundlage für Wachstum und Beschäftigung. Und das sind ganz einfach Fakten. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Unsere Zielsetzung ist auch eine verbesserte Nutzung der vorhandenen Mittel für einen sinnvollen Mix an längerfristig wirksamen Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungssituation. Und dazu zählt insbesondere auch eine verbesserte Koordinierung auf europäischer Ebene, die wir ... (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Entschuldigen Sie, Frau Abgeordnete. (Abg. Fuchs: Ich wollte eh nicht hinhören!) – Meine Damen und Herren! Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit für die Rednerin. Wir haben gestern in der Nacht eine Debatte gehabt, die nicht unbedingt wiederholt werden muß. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. ) – Ob es neu oder alt ist, das mögen Sie beurteilen, aber vielleicht mit weniger Zwischenrufen, wenn es geht.

Bitte, Frau Abgeordnete, fahren Sie fort. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber die eigene Fraktion hat nicht einmal die Aufmerksamkeit!)

Abgeordnete Brunhilde Fuchs (fortsetzend): Meine Damen und Herren! Sie haben hoffentlich gehört, daß ich jetzt am Wort bin. Ich ersuche Sie, soviel Höflichkeit aufzubringen, vielleicht doch soviel Disziplin zu erbringen, daß Sie doch einmal ausnahmsweise zuhören könnten. (Bei


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fall bei der SPÖ. – Abg. Böhacker: Beginnen Sie bitte endlich! – Abg. Dr. Graf: Ganz konkret! Ganz konstruktiv und konkret! – Rufe bei den Freiheitlichen: Pst! Pst! Pst!)

Die Vorteile des europäischen Binnenmarktes werden erst dann in einer europäischen Währungsunion voll zur Geltung kommen, wenn die Umwechslungs- und Kurssicherungskosten wegfallen, und Fehlinvestitionen werden aufgrund von Wechselkursschwankungen vermieden werden. Und damit können Unternehmen in Europa – ähnlich wie ihre Konkurrenten in den USA – für einen großen Markt produzieren.

Die mit der Vielzahl von Währungen verbundenen Kosten und Planungsunsicherheiten fallen weg, was einen effizienteren Einsatz knapper Mittel ermöglicht. Der Wegfall der Kosten des Währungstausches beim Kauf von Gütern und Dienstleistungen im Ausland ist wahrscheinlich der in der Öffentlichkeit am meisten beachtete Vorteil einer gemeinsamen europäischen Währung. Die Verbraucher werden aber auch von der besseren Vergleichbarkeit der Preise profitieren. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)  – Dazu fällt mir jetzt ein gutes Beispiel ein:

Ich war vor kurzem einige Tage in China und in Malaysia. Weil ich davor wenig Zeit hatte, Geld zu wechseln, bin ich mit österreichischer Währung auf die Bank gekommen. Dort haben mich alle angeschaut, alle haben sich sehr gefreut, österreichische Schilling zu sehen. Hätten wir schon den Euro, wäre das nicht passiert. (Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Der Euro ist die logische Fortsetzung unserer erfolgreichen Hartwährungspolitik der letzten 20 Jahre. Nicht dabeizusein, wäre ein schwer zu vertretendes Risiko. Damit Österreich einen erfolgreichen Start in der Währungsunion hat, muß sich unsere Wirtschaft rechtzeitig auf die Einführung des Euro vorbereiten und an strategischen Positionierungen unter neuen Rahmenbedingungen im betreffenden Gebiet arbeiten. (Abg. Aumayr: Fahren Sie wieder nach China! – Abg. Böhacker: Fahren Sie wieder nach China!)

Wenn wir die Umstellung vom Schilling zum Euro einmal geschafft haben, dann werden sich die Vorteile deutlich machen, und ich hoffe, daß auch Sie dann die Vorteile merken werden, und zwar aufgrund einer leistungsfähigeren Volkswirtschaft und niedrigerer Preise. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Und wir werden dem Ziel eines gemeinsamen und geeinten Europas einen großen Schritt nähergekommen sein – mit Ihnen oder ohne Sie. (Beifall bei der SPÖ.)

18.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. Redezeit: 8 Minuten. – Bitte. (Abg. Mag. Schweitzer: Der Spindelegger weiß jetzt Bescheid!)

18.08

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Neu an dieser heutigen Debatte im Zuge der Dinglichen Anfrage war nicht, daß man über die Währungsunion diskutiert. Das haben wir in diesem Haus schon öfter getan. Neu war vielmehr, daß eine Partei, nämlich die anfragestellende FPÖ, ihre Karten auf den Tisch gelegt hat. Und damit möchte ich mich gerne auseinandersetzen.

Meine Damen und Herren! Die Anfrage beginnt damit, daß ein Bericht zitiert wird – der Wifo-Bericht –, und sie beginnt mit einer selektiven Wahrnehmung. Selektiv wird auf Seite 63 ein Datum herausgenommen, ohne in Wahrheit den Gesamtzusammenhang zu diskutieren.

In der Kriminologie nennt man das Konfabulation: Wenn ein Täter etwas oft genug wiederholt, was nicht wahr ist, dann glaubt er es schließlich selbst. Diesen Eindruck, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, habe ich mittlerweile bei Ihnen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Für mich bleibt als Faktum bestehen, daß in diesem Wifo-Bericht ein Satz steht, zu dem eigentlich jeder, der wirtschaftlich denken kann, stehen muß: Insgesamt könnte mittelfristig das reale Bruttoinlandsprodukt um bis zu 2,25 Prozent gesteigert werden. – Das zum Faktum eins.


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Zum Faktum zwei: Sie beklagen sich, daß niemand vor der Volksabstimmung gewußt habe, daß die Währungsunion eigentlich mit ein Projekt der Europäischen Integration ist. Entwaffnend haben Sie heute selbst bekannt, daß Sie es offenbar nicht gewußt haben. – Das nehme ich Ihnen wirklich nicht ab, meine Damen und Herren! Bei Ihrer Polemik gegen die Europäische Union zu vergessen, daß die Währungsunion ein wesentlicher Bestandteil davon ist, das nehme ich Ihnen nicht ab! (Beifall bei der ÖVP und beim Liberalen Forum. – Abg. Scheibner: Ihr habt im Wahlkampf den Schilling plakatiert! Die ÖVP hat den Schilling plakatiert!)

Meine Damen und Herren! Faktum bleibt in diesem Zusammenhang, daß ein wesentlicher Punkt der Europäischen Integration natürlich die gemeinsame Währung ist. Ich bin mir sicher, daß sich die Österreicher, die sich zur Europäischen Integration bekannt haben, letztlich auch zu dieser Währungsunion bekennen.

Meine Damen und Herren! Faktum drei war für mich eine echte Überraschung. (Abg. Mag. Schweitzer: Herr Spindelegger! Herr Spindelegger!) Sie haben heute erklärt: Haider ist gegen die Teilnahme Österreichs an der Währungsunion, aber er ist dafür für mehr Arbeitsplätze in Österreich. (Abg. Schwarzenberger: Der Prinzhorn hat sich aber einmal dafür ausgesprochen!)

Meine Damen und Herren! Wenn ich mir das anschaue, dann stelle ich fest, Sie haben das mit – de facto aus diesem Wifo-Bericht hervorgehend – vier Argumenten zu begründen: Wenn wir nicht an der Währungsunion teilnehmen, bleiben die Transaktionskosten hoch. Wenn wir nicht teilnehmen, wird es höhere Preise für Finanzdienstleistungen geben. Wenn wir nicht teilnehmen, müssen wir bei den Wechselkursen durchaus mit Schwankungen (Abg. Mag. Peter: Das schafft alles Arbeitsplätze!) – ganz genau – rechnen. Der vierte Punkt, meine Damen und Herren: Wir werden auch keine dynamischen Wachstumsprozesse in Kauf nehmen dürfen.

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie: Das schafft Arbeitsplätze? Es schafft vielleicht Arbeitsplätze bei der von Ihnen so geliebten Nationalbank, um unsere Währung stabil zu halten, aber sonst sicher keine. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte in diesem Zusammenhang festhalten, daß für uns nicht die dritte Republik, vielleicht mit einer Haider-Mark oder einem Stadler-Pfennig, die Zukunft ist. (Abg. Dr. Graf: Für Sie ist nur das Euro-Magnat wichtig!) Für uns bleibt ein europäischer Integrationsprozeß mit einer Teilnahme Österreichs und einem Euro, um den sich die Österreicher etwas kaufen können, das Ziel, und wir werden es auch erreichen! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte zu einem vierten und letzten Punkt kommen. Herr Abgeordneter Haider hat hier heute erklärt, der Schilling sei das Symbol der Eigenstaatlichkeit Österreichs. (Abg. Dr. Graf: Eines der Symbole! – Abg. Schwarzenberger: Vor Jahren sagte er noch: eine Mißgeburt!) Ich widerspreche dem ganz bewußt. Meiner Meinung nach kann man das Nationalbewußtsein Österreichs nicht mit dem Namen unserer Währung definieren, sondern es gibt viele andere Argumente, wie wir unser Nationalbewußtsein begründen wollen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß die Frage der Währungsunion und die Frage des europäischen Integrationsprozesses in diesem Zusammenhang durchaus eine Chance sind, um zu einer europäischen Identität zu kommen, zu einer Identität, die auch durch die österreichische Geldbörse gehen soll, damit es bewußt wird, daß wir Europäer sind und bleiben. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.12

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Eine tatsächliche Berichtigung hat Herr Abgeordneter Mag. Schreiner begehrt. Redezeit: 2 Minuten unter Wahrung der Geschäftsordnung. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Er berichtigt die Haider-Mark!)

18.12

Abgeordneter Ing. Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Kollege Spindelegger hat hier vom Rednerpult aus behauptet, wir, die Politiker – er hat die freiheitlichen Politiker gemeint, auf diese hat er gezeigt –, hätten nicht gewußt, daß im


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Maastrichter Vertrag das Projekt Euro beziehungsweise das Projekt einer Gemeinschaftswährung bereits festgeschrieben ist.

Ich berichtige tatsächlich: Ich habe in meinen Ausführungen nicht auf Politiker Bezug genommen, Herr Kollege Spindelegger, sondern ich habe Bezug genommen auf die Bevölkerung, die trotz Informationskampagne der Bundesregierung, die trotz Informationskampagne von politischen Parteien, die trotz Informationskampagne der Regierungsparteien bei der Abstimmung am 12. Juni nicht gewußt hat, daß sie den Schilling verliert und daß an dessen Stelle eine Einheitswährung tritt. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die letzte Wortmeldung in dieser Debatte kommt von Herrn Abgeordneten Mag. Peter. 9 Minuten Redezeit. – Bitte.

18.13

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Erich Schreiner! Du bist offensichtlich der begabteste Marktforscher in diesem Land. Du weißt genau, was die Leute gewußt oder nicht gewußt haben, als sie abgestimmt haben. Aber das schließt sich so nahtlos an deine "Kunstwährung" an. Das war wohl eine einem Ökonomen nicht würdige Aussage, die du getroffen hast. (Zwischenruf des Abg. Rosenstingl. )

Ich möchte jetzt einmal dem Kollegen Gaugg gratulieren, weil er eher unbewußt als bewußt einen ganz epochalen Satz gesagt hat. Er meinte: Wir bringen in Österreich nichts zusammen und schieben alles nach oben. – Jawohl, Kollege Gaugg, das ist das Problem!

Viele Politiker, die in Österreich nichts zusammenbringen, schieben die Verantwortung nach Europa. Aber das ist nicht das Thema. Es geht vielmehr darum, daß wir einen Reformbedarf in diesem Land haben, gleichgültig, ob wir der Währungsunion beitreten oder nicht. Dieser Reformbedarf ist aufgrund einer Politik entstanden, wonach in den letzten Jahren schlicht und ergreifend mehr ausgegeben wurde als zur Verfügung stand.

Kollege Gaugg! Ich kann dir natürlich nicht zustimmen, wenn du vom überhasteten Beitritt zur EU sprichst. Ich erinnere mich noch sehr genau, als ich noch die Ehre hatte, im freiheitlichen Klub für Wirtschaftspolitik mitverantwortlich zu sein, daß wir damals den Beitritt zum EWR diskutiert haben. Da hieß es, der EWR sei ein unnötiger Zwischenschritt. Gilbert Trattner, du wirst dich doch noch daran erinnern, Erich Schreiner! Es ist ein unnötiger Zwischenschritt. Nein!, haben wir damals, 1991, getrommelt, wir wollen sofort in die EU gehen! (Abg. Böhacker: Aber nicht ohne Wenn und Aber!) Jetzt auf einmal ist die freiheitliche Fraktion so viel klüger geworden. Jetzt auf einmal meint sie, es sei ein überhasteter Schritt gewesen.

Kollege Gaugg! Ich sage dir, der Schritt wurde eigentlich zu spät getan, und ich geißle die Bundesregierung heute noch dafür, daß sie in den Jahren 1988, 1989 und 1990 das Fenster, das damals nur für Österreich für eine Erweiterung offen gewesen wäre, nicht wahrgenommen hat. Österreich hätte es damals mit Unterstützung von Bundeskanzler Kohl schaffen können, direkt in die Europäische Union zu gehen. Nur damals waren die Sozialdemokraten noch nicht soweit, weil sie ihr SPÖ-Zeichen noch nicht mit dem Euro-Zeichen unterlegt hatten. Nachdem das geschehen war, ist auch der Beitritt möglich geworden.

Es ist auch ganz spannend, wenn Jörg Haider die Währungspolitik und die Lohnpolitik verknüpft. Das ist wirklich spannend, muß ich sagen! Wie ein Mensch, der so viel von Wirtschaft versteht, soviel Unsinn daherredet, ist wirklich atemberaubend! Für wie blöd haltet ihr denn die Menschen in diesem Land? – Wenn ihr schon die Menschen für blöd haltet, haltet bitte uns Abgeordnete im Parlament nicht für blöd! Wir beschäftigen uns wirklich intensiv mit diesen Dingen.

Das ist doch genau das Problem, daß über Währungsabwertungen falsche Lohnpolitik immer wieder zu Lasten Österreichs als Hartwährungsland umgesetzt wurde, daß man uns über kompetitive Abwertungen aus dem Markt "hinausgepreist" hat. Das ist gerade das Wichtige an einer Währungsunion, daß diese kompetitive Abwertung nicht mehr möglich ist, daß ein Land seine


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durch schlechtes Wirtschaften Probleme nicht mehr im Wege der Abwertung in ein anderes transferieren kann. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es ist außerdem sehr spannend, daß auf einmal in der Dringlichen Anfrage wörtlich steht: Von den österreichischen Banken wird ein Umstellungsbedarf mit Kosten von 8 Milliarden et cetera prognostiziert. – Wissen Sie, wer die österreichischen Banken sind? Das sind normalerweise alle. Das ist in diesem Fall jedoch ein einziger Bankdirektor, Herr Bankdirektor Manfred Holztrattner, Generaldirektor des Raiffeisenverbandes Salzburg. Dieser hat gemeint, es wäre aus seiner Sicht nicht vorstellbar, die Kosten der Umstellung und die Verluste aus den Währungsgeschäften alleine zu tragen.

Nicht die österreichischen Banken haben das gesagt, wie es in dieser Dringlichen Anfrage steht, sondern ein einziger Bankdirektor hat das gesagt. Dieser Herr Holztrattner – das bitte ich, ihm ins Stammbuch zu schreiben – hat bisher in einem mehr oder weniger geschützten Bereich gearbeitet, in einem Bereich, der relativ "wasserdicht" war, in dem es relativ wenig Wettbewerb gab. Jetzt kommt die Herausforderung auf die Bankenlandschaften, auf den ganzen Bankensektor zu, sich dem Strukturwandel zu stellen, den andere Branchen schon sehr schwer und sehr bitter hinter sich gebracht haben.

Wir werden als österreichische Politiker und als österreichische Unternehmer einen europäischen Währungsraum anstreben, um in diesem europäischen Währungsraum auch dort Kredite zu holen, wo sie zinsgünstig sind, dort Konten zu führen, wo es die geringsten Provisionen gibt und dort, meine Damen und Herren, Kreditkarten abzurechnen, wo nicht wie heute im Sinne eines stummen Kartells 3 bis 4 Prozent Disagio von den Gewerbetreibenden eingehoben wird, sondern wie in den anderen Staaten nur 1 oder 2 oder maximal 2,5 Prozent.

Wir stehen also in einer faszinierenden Auseinandersetzung zwischen den Nationalpopulisten in Europa – gleichgültig, ob sie in Spanien, Frankreich oder in Österreich zu Hause sind, wobei die Freiheitlichen die Rolle natürlich besonders gut spielen, dazu muß man ihnen gratulieren – und jenen Europäern und Sachpolitikern, die immer wieder in Argumentationsnotstand kommen, wenn es um die unerhört vereinfachten Äußerungen und Behauptungen geht: Die Banker haben das gesagt!

Meine Damen und Herren! Diese Auseinandersetzung finde ich spannend. An jene Fraktionen gerichtet, die für den Euro eintreten: Wir werden uns in dieser Auseinandersetzung noch viel mehr und viel intensiver engagieren müssen. Wir werden euch dort festnageln müssen, wo es notwendig ist; an euren schwachen Argumenten, an euren populistischen Argumenten werden wir euch festnageln. Die europäische Einigung wird sicherlich nicht an euch scheitern! Ihr werdet sie möglicherweise in Österreich schwieriger machen können, ihr werdet sie bremsen können, aber das liegt wohl im Spiel der Politik, daß jeder das Recht hat, seine Meinung zu vertreten. Dafür werde ich auch immer eintreten. (Abg. Böhacker: Wieviel kostet dann der Apfelstrudel bei dir in Euro?)  – Auf diese Frage habe ich gewartet. Da Haigermoser heute nicht da ist, war mir klar, die Frage mußtest du stellen. (Abg. Gaugg: Wirst du auf- oder abrunden?) – Diese Frage beantworte ich schriftlich. (Beifall und Heiterkeit beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Das tatsächliche Problem ist aber, daß wir in Österreich wie in vielen anderen Staaten vor einem Keynesianischen Scherbenhaufen stehen. 1970 hatten wir 47 Milliarden Schilling Staatsschuld. – Bitte zum Mitschreiben: 1970 hatten wir 47 Milliarden Schilling Staatsschuld, 1990 an die 1 800 Milliarden. Offensichtlich erfolgte das Wohlleben der siebziger und achtziger Jahre auf Kosten der neunziger Jahre. Wir bezahlen jetzt die Zeche.

Der Herr Bundeskanzler hat heute sehr offen, sehr deutlich und sehr richtig gesagt: Die Nettosteuerzinsquote, jene 100 Milliarden Schilling, die wir vom Nettosteuerertrag des Bundes jährlich als Zinsaufwand bezahlen und die eine Umverteilung von den Steuerzahlern hin zu den Kapitalbesitzern darstellt, bereite ihm Sorge. – Das ist jedoch der Ausfluß von 25 Jahren Finanzpolitik durch sozialistische Finanzminister. Diese Politik haben die Vranitzkys und Lacinas, ganz kurz die Staribachers, dann ein bißchen die Klimas und jetzt die Edlingers betrieben. Das muß man einmal klar sagen. (Abg. Haigermoser: Androsch!)


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Wer hat die Schulden von 47 Milliarden auf 1 800 Milliarden Schilling erhöht? Das waren sozialdemokratische Finanzminister, die in einem Vorgriff auf die Zukunft ein Wirtschaftswachstum in Österreich ermöglicht haben, das eigentlich auf Pump zu Lasten der nächsten Generation finanziert worden ist. (Abg. Leikam: Wäre es gescheiter gewesen, eine höhere Arbeitslosigkeit zu haben?)  – Diese Ausrede konzediere ich Ihnen. – Das ist das Problem, das wir haben und viele andere europäische Staaten auch. Wie viele andere europäische Staaten müssen wir jetzt die Schulden für dieses Leben auf Kosten der Zukunft zurückzahlen. Darum ist der Maastricht-Prozeß und sind die Maastricht-Konvergenzkriterien so wichtig, denn dadurch sind wir jetzt endlich gezwungen, Farbe zu bekennen und uns auf eine Wirtschaftspolitik umzustellen, die verantwortungsvoll ist.

Einen letzten Satz zur Beschäftigungspolitik: Auch in diesem Bereich werden unendlich hohe Wortgebirge mit wenig Inhalt transportiert. Ein kleiner Staat mit 41 Prozent Außenhandelsabhängigkeit, dessen Wirtschaftsdynamik heute ausschließlich exportorientiert ist, kann keine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik betreiben. Wirtschaftspolitik gemäß Keynes ist – wenn überhaupt – erst in einem europäischen Wirtschaftsraum wieder möglich, der nur eine achtprozentige Außenhandelsverflechtung hat. Wenn Sie heute eine Wirtschaftsbelebung über die Einkommen der Menschen herbeizuführen versuchen, dann beleben Sie im wesentlichen nur die Importe und die Auslandsreisen.

Daher werden wir sehr wohl in diesen europäischen Wirtschaftsraum eintreten. Wir werden in diesem europäischen Wirtschafts- und Währungsraum eine gemeinsame Wirtschaftspolitik, eine gemeinsame Umweltpolitik, eine gemeinsame Finanzpolitik und eine gemeinsame Sozialpolitik entwickeln. Danach wird es viel leichter sein, in der Beschäftigungsfrage aktiver zu sein und den Wirtschaftsstandort Europa in der Triade in der Welt wieder so wettbewerbsfähig zu machen, wie er sein könnte. Das alte Europa ist nicht tot, das alte Europa ist lebendiger, als es je war! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

18.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich jetzt noch Herr Abgeordneter Mag. Trattner zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit beträgt noch 5 Minuten. – Bitte.

18.22

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Helmut Peter! Du hast mit dem Übergang zur EU etwas verwechselt. Als wir damals die Diskussion über den EWR führten, gab es noch keine EU, sondern die EG. Zwischen den beiden besteht ein riesengroßer Unterschied. – Auch du solltest in deinen Aussagen seriös bleiben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Staatssekretär! Was mich an der ganzen Angelegenheit stört, ist etwas anderes. Sie waren zwar 1994 noch nicht in der Regierung, aber Sie haben offensichtlich aus den Erfahrungen dieses Jahres nichts gelernt. Es waren nämlich nicht wir Freiheitliche, die mit einer Angstkampagne über die Bevölkerung gefahren sind, sondern vielmehr ist die Bundesregierung mit einer Angstkampagne über die Bevölkerung gefahren, und zwar in der Form, daß sie behauptete: Wenn wir nicht der EU beiträten, werde es zur Besteuerung der Sonderzahlungen kommen, zur Kürzung von Pensionen, zu höheren Arbeitslosenzahlen und so weiter. Diese Angstkampagne sind nicht wir als Oppositionspartei gefahren, sondern Sie als Regierungsparteien! (Abg. Dr. Maitz: Das ist falsch!)

Jetzt wollen Sie es genauso machen und wieder über die Bevölkerung drüberfahren. Der Bundeskanzler, der damals die Funktion des Finanzministers ausübte, sagt jetzt, daß es bis zur Einführung des Euro in Österreich darum gehe, gegen die emotionellen Widerstände der Bevölkerung eine Kampagne zu fahren, um sie zu überzeugen. Genau das ist es wieder. Sie sollten sich lieber mit dem Problem befassen, die Vor- und Nachteile abwägen und die Gewinner und Verlierer feststellen. Wagen Sie diesen Vergleich! Erstellen Sie einen Sachkatalog und listen Sie taxativ Gewinner und Verlierer auf. Dann werden wir uns mit dieser Frage auseinandersetzen. Aber solange es nur zwei Positionen gibt, solange alles, was die Oppositionsparteien des Hohen Hauses sagen, gleich verteufelt wird und man sich die Argumente überhaupt nicht anhört, so


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lange wird das zu keinem Ziel führen. (Abg. Leikam: Wer ist für die landwirtschaftlichen Exporte nach Italien gewesen?)

Herr Staatssekretär! Ich könnte auch aus dem OECD-Wirtschaftsbericht zitieren, das wäre kein Problem. Ich könnte auch irgendwelche Artikeln heraussuchen, tue das aber nicht. Jedoch steht etwas Essentielles darin: Es besteht die Möglichkeit, aus dem EU-Beitritt Wachstumschancen beziehungsweise Beschäftigungszuwachs zu lukrieren, allerdings bedarf es dafür struktureller Veränderungen. Bei strukturellen Veränderungen sind Sie schwer in Verzug. Die Bundesregierung ist bei strukturellen Veränderungen insofern schwer in Verzug, als sie ihre Hausaufgaben in der Vorbereitung auf den Euro nicht gemacht hat. Und das kritisiert der OECD-Bericht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Herr Bundeskanzler kann sich heute offensichtlich nicht mehr daran erinnern, daß er im November 1996 als Finanzminister dem Hohen Haus das Konvergenzprogramm der Bundesregierung vorlegte. Darin steht auf Seite 16 über die Bundesbudgets von 1998 bis 2000: Die strikte Einhaltung der Konvergenzkriterien bleibt Ziel der Budgetpolitik. – Explizit sind darin die 3 Prozent Defizit und die 60 Prozent Staatsverschuldung angeführt.

Heute hören wir in der Antwort auf unsere Dringliche Anfrage etwas ganz anderes. (Zwischenruf.) Diese 3 Prozent und diese 60 Prozent hätten für uns keine Geltung mehr, weil es nicht mehr um wirtschaftspolitische Sachargumente gehe, sondern um eine rein politische Entscheidung. Sie wollen mit Ihrer politischen Entscheidung für den Euro mit aller Gewalt der Währungsunion beitreten und vergessen die Konvergenzkriterien.

Aber Sie müssen das der österreichischen Bevölkerung offen sagen. Früher standen Sie für einen harten Schilling und einen entsprechenden Übergang zum Euro ein. Sie müssen nun der Bevölkerung klarmachen, wie es sich verhält, wenn Sie die strengen Stabilitätskriterien verlassen. Wenn Sie – wie Aussagen seitens der Bundesregierung belegen – die Stabilitätskriterien verlassen, dann wird es selbstverständlich zu einer weicheren Währung kommen sowie zu Einkommens- beziehungsweise Vermögensverlusten der österreichischen Bevölkerung in einer Größenordnung, wie Herr Dr. Haider sie heute schon beschrieben hat.

Ich erinnere mich noch sehr genau an Ihre Budgets der letzten Jahre. Als wir die Budgeterstellung des Finanzministers Staribacher erlebten, hieß es zuerst, 30 Milliarden Schilling würden für das Budget fehlen. Daraufhin setzten sich die Sozialpartner zusammen und schnürten ein Sparpaket in der Größe von 32 Milliarden Schilling. Das sollte es gewesen sein. Aber zwei Wochen darauf mußten sich die Herrschaften wieder zusammensetzen, weil nicht 32 Milliarden, sondern 50 Milliarden Schilling fehlten. Nachdem es 50 Milliarden gewesen waren, erstellte man ein Budgetprogramm für 1997 und 1998 und behauptete, man werde die fehlenden 100 Milliarden Schilling zu zwei Dritteln durch Ausgabeneinsparungen und zu einem Drittel durch Steuererhöhungen aufbringen. Im Endeffekt wurden 80 Milliarden Schilling durch Steuererhöhungen aufgetrieben. – All das steht im Bericht zum Finanzausgleich.

Herr Staatssekretär! Das gleiche geschieht jetzt wieder. (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Der Finanzminister hat zuerst einen Fehlbetrag von 10 Milliarden Schilling gemeldet, jetzt sind es bereits 17 Milliarden. Im Endeffekt werden es wahrscheinlich 40 Milliarden sein. – Informieren Sie die Bevölkerung entsprechend über die Abwägung der Vor- und Nachteile, dann haben Sie in uns einen Partner. Aber mit Ihrer heutigen Politik werden Sie in uns keinen Partner finden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Diese Debatte ist geschlossen.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 2231/AB

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zu der kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales, die die Ordnungszahl 2231/AB trägt.


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Diese Anfragebeantwortung ist vervielfältigt und im Saal verteilt worden, sodaß sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein. Ich rufe die Redezeiten für diese Debatte in Erinnerung. Die Erstrednerin hat zur Begründung 10 Minuten Redezeit, alle anderen Abgeordneten 5 Minuten. Regierungsmitglieder und Staatssekretäre sollten nach Möglichkeit in ihren Stellungnahmen auch die Grenze von 10 Minuten Redezeit einhalten.

Ich ersuche jetzt Frau Abgeordnete Motter als Antragstellerin des Verlangens, die Debatte zu eröffnen. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

18.29

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Bundesministerin Hostasch! Ich bin enttäuscht, wirklich enttäuscht, das muß ich Ihnen sagen! Es tut mir leid, aber meine Enttäuschung darüber, wie Sie sich als zuständige Ministerin für Gesundheitsfragen aus der Verantwortung ziehen, ist grenzenlos. Ich bin darüber enttäuscht, wie Sie sich als Sozialministerin längst fälligen Entscheidungen entziehen. Ich bin aber auch enttäuscht darüber, wie Sie Anfragen von Abgeordneten behandeln, wie locker Sie mit Anfragen umgehen und wie Sie uns die Antworten geben: geradeso, als müßten Sie ganz allgemein und unverbindlich auf irgendwelche Fragen antworten. Ich vermisse Ihr Verantwortungsbewußtsein. Denn wie könnte es sonst sein, daß längst fällige Entscheidungen nicht getroffen werden?

Meine Damen und Herren! Frau Ministerin! Wenn man sich – wie ich – die Ankündigungspolitik von verschiedenen Ministerinnen und Ministern der letzten zehn bis zwölf Jahre im Gesundheitsbereich vor Augen halten kann, kommt man aus dem Staunen und einer gewissen Ohnmacht nicht heraus. Dem setzt Ihre Anfragebeantwortung die Krone auf, Frau Ministerin!

Wir wissen, daß durch Aufhebung des § 23 Abs. 1 des Ärztegesetzes durch den Verfassungsgerichtshof im März 1996 die Bildung von Gemeinschafts- beziehungsweise Gruppenpraxen nach dem Erwerbsgesetz von April dieses Jahres an möglich ist. Wir alle wissen auch, daß seit 21. Juli 1995 ein Entwurf des damaligen Gesundheitsministeriums vorliegt, der die Gruppenpraxen umfassend geregelt hätte.

Es ist uns allen bekannt, daß dieser diskussionswürdige Entwurf – auch wenn ich zugebe, daß er im Detail Mängel aufweist – in den letzten zwei Jahren totverhandelt wurde, aber nicht hier, wo er hätte verhandelt werden sollen, sondern in Ihrem Ministerium, im besten Sinne nach dem Wunsch der Sozialhilfeträger, die durch ihren Widerstand in Zukunft dafür die Verantwortung tragen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Damit bleibt der Zustand bestehen, der als unbefriedigend angesehen werden kann. Das ist eine Einschätzung Ihres eigenen Ressorts, Frau Ministerin, nachzulesen in den erläuternden Bemerkungen des Gesetzentwurfes zu den Gruppenpraxen. Mehr noch, Sie selbst verlauteten am 8. April dieses Jahres via Austria Presse Agentur: Die Einbindung der Gruppenpraxen in das Gesundheitssystem ist ein wichtiges Anliegen. – Umso mehr erstaunt es mich, daß Sie in der Beantwortung meiner Anfrage aus der Vorwoche schreiben, daß Sie derzeit keinen Handlungsbedarf im Hinblick auf ein Gruppenpraxengesetz sähen. Frau Ministerin! Ich frage Sie, wann Sie endlich Bedarf für ein Gruppenpraxengesetz sehen werden. Vielleicht in zehn bis zwölf Jahren? Oder noch später? (Beifall beim Liberalen Forum.)

Frau Ministerin! Ich muß Sie leider nochmals daran erinnern, welche Absichten mit der Schaffung eines solchen Gesetzes verbunden sind. Es hatte zum Ziel die Steigerung der Leistungsfähigkeit im ambulanten Gesundheitsbereich gerade durch die Möglichkeit einer interdisziplinären Kooperation zwischen ÄrztInnen, PsychologInnen und PsychotherapeutInnen, Hebammen und den medizinisch-technischen Diensten. Wenn ich mir allerdings die Plenardebatte im Europäischen Parlament vom 3. Juni vergegenwärtige, so meine ich, daß wir im Zusammenhang eines Gruppenpraxengesetzes ohne weiteres auch die Stellung der nichtkonventionellen Medizinrichtungen diskutieren sollten. Darüber möchte ich jetzt keine Prämissen vorgeben, aber ich glaube, es wäre notwendig, auch darüber zu diskutieren.


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Das wichtigste Argument ist, daß wir im kommenden Spätherbst harte Debatten über erste Kostenergebnisse des neuen LKF-Systems in diesem Hause werden führen müssen, und die Gruppenpraxen werden fehlen, obwohl sie – davon bin ich überzeugt – den kostenintensiven Bereich der Krankenanstalten entlasten würden.

Frau Ministerin! Sie haben im Spitalsbereich durch die Deckelung der Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 37 Milliarden Schilling Ihre politische Mitgestaltung abgegeben. Das wird uns – das sage ich heute ganz bewußt – noch sehr teuer zu stehen kommen.

Meine Damen und Herren! Es ist uns allen bekannt, daß sich der Hauptverband bei den Gruppenpraxen querlegt, weil die niedergelassene Ärzteschaft – im Gegensatz zu den Spitälern – ausschließlich über die Kassen abgerechnet werden und schon gar nicht bei den Kosten gedeckelt sind. Frau Ministerin! Auch hier sind Sie gefordert, dem Hauptverband der Sozialhilfeträger endlich klarzumachen, daß er nicht das Recht hat, sich für alle Zeiten der Forderung nach Gruppenpraxen zu entziehen. Denn ich bin davon überzeugt, daß die Spitäler schon jetzt, und in Zukunft in wachsendem Maße, aufgrund der leistungsorientierten Abrechnung immer weniger Leistungen werden anbieten können. Darum muß sichergestellt werden, daß durch die niedergelassenen Ärzte dieses Manko im Interesse der Bevölkerung ausgeglichen werden kann. Das wird sicher nicht ohne Kassenverträge möglich sein.

Frau Ministerin! Wenn die Sozialversicherungsträger nicht mehr in der Lage sind, die allgemeinen Gesundheitskosten aus den Beiträgen zu finanzieren, dann gestehen Sie das hier ein! Dann sollten wir darüber nachdenken, wie eine medizinische und gesundheitliche Vorsorge auch in Zukunft für alle zu finanzieren sein wird. Ich möchte nicht die Hände in den Schoß legen und zusehen, wie die niedergelassenen Gruppenpraxen die gleichen Leistungen vor Ort zu niedrigen Preisen und Kosten anbieten könnten, aber dies deshalb nicht dürfen, weil der Hauptverband ihnen die Kassenverträge verweigert.

Frau Bundesministerin! Trotz Wertschätzung Ihrer Person bin ich zutiefst enttäuscht über die Beantwortung meiner Anfrage, durch die meiner Ansicht nach ein geringes Interesse an einer längst fälligen Gesundheitsreform, bei der wir erst am Anfang stehen, dokumentiert wird. Denn auf Gespräche zwischen Sozialversicherung und interessierten Ärzten zu warten, ist wohl zu wenig. Ich glaube keineswegs, daß die Ärzte kein Interesse an Gruppenpraxen hätten. Mir sind Ärzte bekannt, die sofort Interesse bekunden würden, wenn sie Kassenverträge bekommen könnten. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

18.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Guggenberger. Für Sie und für die folgenden Redner beträgt die Redezeit 5 Minuten. – Bitte.

18.36

Abgeordneter Mag. Walter Guggenberger (SPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Motter – ich schätze sie sehr als engagierte Gesundheitspolitikerin – hat die Erlassung eines Gruppenpraxengesetzes urgiert. (Abg. Dr. Schmidt: Das läßt nichts Gutes erwarten!) Ich darf darauf hinweisen, daß selbst der Präsident der Österreichischen Ärztekammer, Neumann, unlängst folgendes gesagt: Wir können aufatmen, so Neumann, ich habe von der Gesundheitsministerin und der ÖVP positive Signale bekommen, nicht regulierend eingreifen zu wollen. Daß es kein Gesetz geben wird, ist das Beste, was uns passieren kann. – Das sagt immerhin der Präsident der gesetzlichen Interessenvertretung der österreichischen Ärzte, Neumann.

Das bedeutet nicht, daß wir mit Präsident Neumann immer einer Meinung sind. Man kann auch diese Aussage kommentieren und werten, wie man will. Aber es ist doch verwunderlich, daß ausgerechnet Liberale für eine Regulierung eintreten, die die Betroffenen selbst so gar nicht haben wollen – wenn Sie mir diese Bemerkung erlauben, Frau Kollegin.

Es ist richtig: Seit 1. April dieses Jahres ist es möglich, daß sich Ärzte zu Gemeinschaftspraxen, zu Gruppenpraxen nach dem Erwerbsgesellschaftenrecht zusammenschließen können. Möglich


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wurde dies durch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom März des vorigen Jahres. Andere freie Berufe haben diese Möglichkeit bekanntlich schon sehr lange.

Wir als Sozialdemokraten haben uns immer zu Gruppenpraxen bekannt. (Abg. Dr. Leiner: Das ist eine Lüge!) Sie sind eine sinnvolle Ergänzung, Kollege Leiner! Neben den Einzelpraxen und den Krankenanstalten wird eine dritte Ebene eingezogen. Diese Konstruktion hat einige Vorteile, für Patienten etwa den Vorteil, daß mehrere Gesundheitsberufe unter einem Dach angesiedelt und leichter erreichbar sind. Es wird vielleicht sogar die Möglichkeit geben, solche Dienste rund um die Uhr anzubieten. Wir verbinden damit allerdings ganz konkret die Forderung, daß sich diese Gruppenpraxen nicht auf die Ballungszentren beschränken – dort werden ärztliche Dienste meist im Übermaß angeboten –, sondern sich vornehmlich dort etablieren, wo Versorgungslücken bestehen.

Es gibt auch Vorteile für die Ärzte. Ich denke beispielsweise an die erleichterten Investitionsmöglichkeiten oder daran, daß gemeinsame Infrastruktur angeboten werden kann. Nicht zuletzt ist auch die dadurch mögliche interdisziplinäre Kooperation etwas sehr Wichtiges. Davon können wir uns eine Qualitätssteigerung erwarten.

Es kann jedoch sicherlich nicht so sein, daß in dieser Konstruktion die soziale Krankenversicherung draufzahlt. Sie – und ihre Finanzierbarkeit – liegt uns Sozialdemokraten ganz besonders am Herzen.

Es gibt eben die nicht von der Hand zu weisende Sorge, daß durch eine Gemeinschaftspraxis die Versuchung besteht, daß ein Patient sozusagen von Arzt zu Arzt weitergereicht wird und daß man sich dabei bedient. (Abg. Dr. Leiner: Eben nicht!) Dagegen müssen wir – daran sind wir lebhaft interessiert – ganz einfach entsprechend Hürden errichten. Darum geht es uns.

Die Frau Ministerin hat korrekt und emotionslos wiedergegeben, wie der Stand der Gespräche derzeit ist. Es gibt Gespräche zwischen dem Hauptverband und den Ärzten. Mit wem soll der Hauptverband denn bitte sonst reden als mit den Ärzten? Die Ergebnisse dieser Gespräche werden wir abwarten. Vorerst hat, zumindest aus unserer Sicht, die Politik keinen Handlungsbedarf. Ich meine daher, daß die Frau Bundesministerin diese Anfragebeantwortung korrekt und informativ erstellt hat. Diese Besprechung ist daher, mit Verlaub, aus meiner Sicht wirklich nicht notwendig! (Beifall bei der SPÖ.)

18.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Leiner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.41

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Ich bin eigentlich sehr froh über diese Aktion, die vom Liberalen Forum gestartet wurde, denn ich glaube, es ist Handlungsbedarf gegeben. Davon bin ich fest überzeugt.

In den üblichen Kassenpraxen haben wir heute ein System, bei dem jener Arzt, der sich am wenigsten antut, eigentlich am meisten belohnt wird. Wenn zum Beispiel zehn Patienten in eine Praxis kommen und der Arzt jedem ein Rezept verschreibt oder den jeweiligen Patienten krank schreibt, dann bekommt er dafür eine bestimmte Summe. Wenn aber ein Patient kommt, der eine schwere Krankheit hat, und der Arzt für diesen die gleiche Zeit aufwendet wie für die zehn Patienten davor, dann bekommt er nur ein Zehntel von dem, was er zuvor bekommen hat. Das muß man sich einmal vergegenwärtigen, das ist einem normalerweise gar nicht so richtig bewußt.

Das ist natürlich ganz grob schematisiert, das gebe ich schon zu, aber dieses Honorarsystem sowie die Motivation des Patienten und des Arztes bringen eigentlich verblüffende Diskrepanzen in unser Gesundheitssystem, auch das müssen wir berücksichtigen. Auf der einen Seite haben wir eine übergroße Ärztedichte und einen Ärzteüberschuß und auf der anderen Seite überfüllte Wartezimmer mit endlos langen Wartezeiten, vielfache Klagen über zu kurze Befassungszeiten


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überbeanspruchter Ärzte mit den Patienten, mangelhafte menschliche Zuwendung und Betreuung, das Fehlen von Fachärzten im ländlichen Bereich, eine Überlastung des ärztlichen Krankenhauspersonals und der Krankenhäuser. Aus diesen Gründen haben wir eigentlich diese Strukturänderung des LKF in die Welt gesetzt, und das war notwendig. Daher ist es nicht ganz richtig, Herr Kollege Guggenberger, wenn du sagst, es wäre nicht notwendig, auf diesem Gebiet etwas zu tun.

Es ist richtig, daß es ein Verfassungsgerichtshoferkenntnis bezüglich der Gruppenpraxen gibt, und ich bin davon überzeugt, daß diese Gruppenpraxen ein ganz wesentlicher Akzent hinsichtlich des LKF-Systems sind. Denn erst dann, wenn man die Patienten in die Peripherie hinausverlagern kann, wird das LKF-System greifen. Aber dafür muß man natürlich die Infrastruktur schaffen. Und da, Frau Ministerin, sind Sie gerufen, diese Struktur mitzugestalten. Wir werden Sie nicht von der Verantwortung entlassen, glauben Sie mir das! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Motter. )

Sie haben doch wirklich den nötigen Zugriff. Irgendwo im Hintergrund des Saales befindet sich Herr Direktor Dr. Probst. Er hat sich ein bißchen versteckt, er wagt sich nicht ganz hervor. Ich meine, auch er ist aufgerufen, aber die Sozialversicherung versteckt sich und hat ihre Verantwortung noch nicht wahrgenommen.

Wir müssen auch in den Ländern die Möglichkeit bieten, daß Gruppenpraxen ihre Tätigkeit aufnehmen können, nämlich die verantwortliche Tätigkeit zur Abdeckung von regionalen Versorgungslücken in unversorgten und unterversorgten Gebieten, die Erweiterung des ambulanten Leistungsspektrums zur Entlastung von stationären Einrichtungen und die Verminderung der Warte- und Wegzeiten für den Patienten. Gleichzeitig muß eine bessere Ausstattung der Arztpraxen mit Diagnose- und Therapiemöglichkeiten erfolgen. Volkswirtschaftlich gesehen ist dies für das Gesundheitswesen sogar billiger. Die Behandlungen in den Spitälern oder Spitalsambulanzen sind einfach teurer, dessen müssen wir uns bewußt sein. Die Umsetzung des LKF-Systems kann nur so funktionieren.

Ich bitte Sie, Frau Ministerin: Diesbezüglich müssen wir aktiv werden! Ich meine, wir – beziehungsweise Sie, ich muß es leider wirklich sagen, es tut mir leid – sind da wirklich nachlässig; natürlich nicht Sie allein, das gestehe ich Ihnen zu. Es sind auch die Ärzte und die Ärztekammer aufgerufen. Wir dürfen doch nicht hinnehmen, daß sich zum Beispiel, wie das in Salzburg anhand einer Umfrage unter Fachärzten, ob jemand bereit ist, Samstag und Sonntag Dienst zu machen, zum Ausdruck gekommen ist, in solch einem Fall nur ein einziger Internist dazu bereit erklärt. Ich muß sagen, da ist wirklich auch die Ärzteschaft aufgerufen, mitzutun und diese Aktivitäten mitzugestalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber auch die Länder sind aufgerufen. Landesrat Dr. Bischof hat zum Beispiel gesagt, Vorarlberg habe durch das LKF-System 170 Millionen Schilling eingespart. Aber es darf natürlich dann nicht wieder so sein, daß diese Mittel in den Ländersäckel hineinfließen, sondern das Geld muß für das Gesundheitssystem bereitgestellt werden, in die Peripherie fließen, damit dort das System aufgebaut werden kann. Dazu müssen auch die Länder bereit sein. Ich rufe Sie auf, auch diesbezüglich mitzutun und mitzuarbeiten! (Beifall bei der ÖVP.)

Drei Systeme gibt es, die aktiv werden müssen: das Sozialversicherungssystem, die Länder und die Ärztekammer. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Jugendliches Feuer!)

18.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Povysil. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Machen Sie so weiter wie der Leiner! – Abg. Schwarzenberger: Mit dem gleichen Temperament! – Abg. Dr. Povysil: Bitte vergleichen Sie mich nicht!)

18.47

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! – Frau Ministerin! Ich empfinde Ihre Beantwortung


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der Frage des Liberalen Forums betreffend die Gruppenpraxen wirklich als Mißachtung und Beleidigung des Wissens und der Intelligenz eines Abgeordneten.

Ich darf Sie zitieren. Auf die Fragen 3 bis 5 betreffend die Konzeption und die Finanzierung der extramuralen Gesundheitsversorgung berichten Sie uns, daß mit 1. 1. 1997 die LKF eingeführt worden ist. – Ja, das wissen wir. Dieses Thema haben wir doch wochenlang diskutiert!

Sie berichten uns, daß eine umfassende Gesundheitsreform im Gange ist. – Das ist uns auch bekannt, Frau Ministerin.

Dann sagen Sie uns, daß es – ich zitiere – "so bald wie möglich" zu einer umfassenden Beurteilung des extramuralen Raumes kommen wird, und daß Sie auch – wie schon meine Vorredner erwähnt haben – keinen Handlungsbedarf im Hinblick auf eine gesetzliche Regelung von Gruppenpraxen sehen. – Dabei wissen wir alle hier im Saal, daß es bereits 1994 einen Fünfparteienbeschluß zu dieser gesetzlichen Regelung der Gruppenpraxen gegeben hat. (Abg. Meisinger: Sie ist wirklichkeitsfremd!)

Frau Ministerin! Darf ich Ihnen ein bißchen Nachhilfe geben? – Ein Ziel der von Ihnen ebenfalls zitierten Gesundheitsreform durch die Einführung der LKF wäre es nämlich gewesen, die Spitalslastigkeit des Systems zu bremsen. Wenn Sie diese Spitalslastigkeit aber bremsen wollen, wenn man Spitäler entlasten will, dann muß man sich vorher darüber Gedanken machen, wohin man die Patienten bringt, nicht nachher und nicht "vielleicht irgendwann einmal" oder "so bald wie möglich"! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das heißt, Gruppenpraxen sollten bereits bestehen. Ärzte müssen Ärzte anstellen können, das heißt, die österreichischen Sozialversicherungen sollten endlich akzeptierbare Kassenverträge für Gruppenpraxen einrichten. Das heißt aber auch, die Hauskrankenpflege sollte endlich einer gesetzlich und finanziell wirklich reellen Regelung zugeführt werden. Die Sozialversicherungen sind aber daran gar nicht interessiert, weil sie sich ja bekanntlich aus der Spitalsfinanzierung verabschiedet haben und daher nur mehr Interesse daran haben, die Patienten in die Spitäler zu bekommen.

Noch ein Vorwurf, Frau Ministerin: Ein Unternehmen, das auf die dezidierte Frage, welche Einsparungen sich aus einer Reformmaßnahme ergeben, keine einzige Berechnung parat hat, ja nicht einmal eine ungefähre finanzielle Vorstellung darüber hat, wird Konkurs anmelden müssen, Frau Ministerin! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In den Wiener Spitälern sind in den letzten vier Monaten dieses Jahres zwischen 3 und 12 Prozent mehr Patienten aufgenommen worden als letztes Jahr – keine Spur also von irgendeiner Entlastung im Spitalssystem! Also einerseits fehlende Infrastrukturen, fehlende Standards und Wertung hinsichtlich der gesamten medizinischen Diagnose, Therapie und Pflege im extramuralen Bereich und andererseits eine Steigerung der Wiederaufnahmeraten in den Spitälern – und das Patientenkarussell dreht sich immer weiter.

Da gibt es in einem Ärztemagazin eine sehr nette Karikatur: Da sagt der Doktor zur Patientin, als er sie verabschiedet: "Ich habe zuerst eine gute Nachricht für Sie: Sie werden heute entlassen. Und jetzt sage ich Ihnen die schlechte: Wir sehen uns morgen wieder." – So ist es nämlich! So sieht nämlich diese "Gesundheitsreform" aus. Das ist die derzeitige Realität der LKF!

Frau Ministerin! Im Hinblick auf diese Anfragebeantwortung sehe ich nicht den leisesten Hoffnungsschimmer für eine umfassende Gesundheitsreform. Und wären Sie Schülerin in der Krankenpflegeschule, in der ich unterrichte, dann würden Sie für diese Anfragebeantwortung von mir die Note "Nicht genügend" erhalten! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Unmutsäußerungen bei der SPÖ. – Abg. Parnigoni: Mein Gott!)

18.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte.


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18.51

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Sehen Sie, deswegen ist "Nicht genügend" als Benotung zuwenig. Man muß das immer kommentieren, damit klar ist, was man damit meint. – Soviel dazu.

Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Frau Bundesminister! Die Antwort auf Frage 2, Frau Bundesminister ... (Bundesministerin Hostasch spricht mit Abgeordneten, die an der Regierungsbank stehen.) Ach so. Ich muß warten, bis die Frau Bundesminister Zeit hat. Ich bin gerne bereit, zu warten. (Das Gespräch wird eingestellt.) – Gut, danke schön.

Frau Bundesminister! Laut Ihrer Antwort auf Frage 2 haben Sie Gespräche mit interessierten Ärzten durchgeführt. Uns Liberale hat das so brennend interessiert, daß wir uns heute Nachmittag erlaubt haben, in der Ärztekammer anzurufen und zu fragen, wer diese interessierten Ärzte sind. Wir haben von Herrn Direktor Kux eine Antwort erhalten. Herr Kux steht meiner Partei, wie ich annehme, nicht sehr nahe. Er hat gesagt, daß keine offiziellen Gespräche mit der Ärztekammer zu diesem Thema geführt worden sind.

Ich meine, wenn Sie einzelne Ärzte zu Gesprächen einladen, finde ich das zwar sehr lobenswert, aber es wäre vielleicht gescheit, auch jene Personen einzuladen, die dann die Verhandlungen mit den Kassen zu führen haben und die die Vertretung wahrnehmen sollen.

Frau Bundesministerin! Es gibt Handlungsbedarf. Sie müssen § 341 ASVG verändern. Genau das ist der Punkt. Die Ärztekammer kann nicht agieren, weil die Versicherungen sich hinter diesem Paragraphen verstecken. Dieser § 341 ist sozusagen der Knackpunkt. Wenn Sie ihn in Angriff nehmen – und das können Sie als Bundesministerin und sollten es auch tun –, dann wäre es kein Problem mehr, die Verhandlungen mit den Versicherungen zu führen.

Die Unterstellung, die Kollege Guggenberger geäußert hat, wonach die Ärzte nur das eine im Sinn hätten, nämlich in Gruppenpraxen die Patienten möglichst im Kreis zu schicken, halte ich eigentlich für nicht würdig, in diesem Haus überhaupt erwähnt zu werden. Ich nehme an, daß Ärzte sehr genau wissen, was sie zu tun haben, und wenn sie unsicher sind, dann werden sie vielleicht die Meinung eines Kollegen einholen. Aber ich sage Ihnen eines, Herr Kollege: In den Spitälern werden die Patienten viel mehr im Kreis herumgeschickt, und da kostet das nicht nur 200 S, sondern da kostet es gleich 10 000 S! – Das ist der Unterschied. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir Ärzte warten jetzt schon zwölf Jahre auf die Möglichkeit, Gruppenpraxen zu führen. Ich glaube, der Verfassungsgerichtshof wurde deswegen aktiv, weil es ihm nach zwölf Jahren auch schon zu blöd geworden ist und weil einfach die Notwendigkeit bestanden hat, zu handeln. Wenn die Regierung nicht imstande ist, nach zwölf Jahren eine Einigung herbeizuführen, dann muß das eben den Weg über die Gerichte nehmen. Ich halte das für eine bedauerliche Performance, das muß ich sagen, und eigentlich für keinen glücklichen Umstand.

Ich bin sehr froh, in diesem Punkt mit Herrn Kollegen Leiner übereinzustimmen. Es ist das erste Mal, daß ich eigentlich vollinhaltlich mit den Ausführungen des Gesundheitssprechers der ÖVP, Herrn Dr. Leiner, im Einklang stehe. Er hat recht, es gibt Handlungsbedarf. Es gab in Oberösterreich eine Umfrage. 60 Prozent der Ärzte, die bei dieser Umfrage teilgenommen haben, waren daran interessiert, sich an einer Gruppenpraxis zu beteiligen. Es gibt offensichtlich wirklich den Wunsch danach.

Auch mich selbst hat es betroffen. Ich wollte, als ich in das Europäischen Parlament versetzt wurde, auch eine derartige Möglichkeit finden, aber der einzige Weg, der mir dafür zur Verfügung stand, wäre die Ehelichung eines Kollegen gewesen. – Ich möchte betonen, meine Kollegen sind wirklich liebe Personen, aber mich sozusagen aufgrund meines Wunsches nach einer Vertretung während meiner Tätigkeit als Abgeordnete zu zwingen, eine Partnerschaft einzugehen, halte ich für höchst unangebracht. Ich habe mir jedenfalls erlaubt, mich in der Bevölkerung anderweitig umzusehen, und mich nicht unbedingt auf die Kollegenschaft zu beschränken. Sie werden entschuldigen, aber die Möglichkeit einer Gruppenpraxis nur über den Weg der


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Verehelichung zu schaffen, halte ich für den falschen Ansatz. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Khol: Da hat sie recht!)

18.56

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.56

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, auch ich war sehr überrascht über Ihre Anfragebeantwortung, aus der ganz klar ersichtlich ist, daß Sie überhaupt keinen Handlungsbedarf dafür sehen, daß es endlich zu einer Absicherung von Gruppenpraxen und zu entsprechenden Verträgen mit den Krankenkassen kommt.

Frau Ministerin! Im LKF war die Schaffung von Gruppenpraxen einer der wesentlichsten Punkte, um Kosten einzusparen. Es ist klar: Wenn heute jemand krank ist und zum Arzt muß, dann hat er das Bedürfnis, nicht zu fünf, sechs verschiedenen Ärzten an fünf, sechs verschiedenen Orten geschickt zu werden, was ihn unter Umständen zwei, drei Tage kostet, nur um zu erfahren, was ihm fehlt.

Mir als Konsumentin ist es wichtig, daß ich, wenn ich zum Arzt gehe, dort eine umfassende Untersuchung erhalten kann, und wenn der Hausarzt sie nicht machen kann, dann bin ich froh, wenn mir im selben Haus, im selben Gebäude, in derselben Praxis ein weiterer Arzt zur Verfügung steht, der einen weiteren Teil meiner Untersuchung durchführen kann.

Herr Guggenberger! Ihr Argument, daß in Gruppenpraxen die Ärzte mehr oder weniger der Versuchung unterliegen könnten, die Patienten innerhalb ihrer eigenen Praxis von einem Arzt zum anderen zu schicken, lasse ich im Interesse der Ärzte nicht gelten. Ich getraue mich das zu sagen, denn ich bin seit Jahrzehnten Stammkundin von Ärzten, und wenn ich im Kreis herumgeschickt wurde, dann nicht von den Ärzten, sondern eher im Krankenhaus, wenn ich etwa in einer stationären Einrichtung mit einem Rückenleiden zum Augenarzt geschickt werde.

Herr Guggenberger! Sie wissen genausogut wie ich, daß wir vor sieben, acht Jahren darüber diskutiert haben, ob es zum Beispiel im Behindertenbereich nicht sinnvoller und kostengünstiger wäre, wenn die Betreuung vor Ort erfolgt und die Leute nicht auf stationäre Einrichtungen angewiesen sind. Heute haben wir das Ergebnis und wissen, daß es eine sinnvolle Aktion war und in Summe eine Menge Kosten gespart hat.

Dasselbe gilt auch für das Krankenhaus. Wenn ich zum Beispiel nur deswegen im Krankenhaus liegen muß, weil ich heute eine Blutabnahme habe und morgen ein EKG, dann kostet das ein Vielfaches von dem, was es kostet, wenn ich in meiner Gruppenpraxis zuerst die Blutabnahme machen lasse und dann zum nächsten Arzt gehe und dort mein EKG bekomme.

Es ist für mich völlig unverständlich, warum Sie die Gruppenpraxen verweigern, da Sie doch wissen müssen, daß dort ein hoher Qualitätsanspruch für die Patienten erfüllt wird, weil sie eben nicht von einem Eck ins andere fahren müssen und weil dort außerdem die Möglichkeit geboten wird, eine wirklich ordentliche und umfassende Betreuung und Untersuchung gewährleistet zu bekommen.

Herr Guggenberger und Frau Ministerin! Glauben Sie nicht auch, daß es viel mehr Geld kostet, wenn man heute vom Hausarzt zum Internisten geschickt wird, dort mit der Rettung hinfahren muß, was nicht nur Kosten erzeugt, die die Rettung selbstverständlich verrechnet, sondern auch den Ausfall meiner Arbeitszeit kostet, für die mein Dienstgeber letztendlich bezahlen muß?!

Denn es könnte auch für den Unternehmer viel Zeit, die für Arztbesuche aufgewendet wird, eingespart werden, wenn man zentral an einem Ort mehrere Untersuchungsmöglichkeiten schaffen würde.


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Speziell im ländlichen Raum besteht die dringende Notwendigkeit, Gruppenpraxen zu installieren. Sie wissen ganz genau, daß es im ländlichen Raum kaum Möglichkeiten gibt, mit einem öffentlichen Verkehrsmittel in die nächstgelegene Stadt zu kommen, um dort einen Facharzt zu konsultieren. Deshalb warten die Menschen dort oftmals so lange, bis sie ohne Behandlung ganz einfach nicht mehr auskommen, und dann sind auch oft die Kosten natürlich entsprechend höher, weil der Heilungsprozeß zu einem späteren Zeitpunkt der Erkrankung eben schwieriger ist und auch länger dauert.

Frau Ministerin! Der Vorteil von Gruppenpraxen liegt auf der Hand. Gruppenpraxen sind positiv für die Zusammenarbeit von Ärzten und positiv für Patienten. Ich glaube, wenn wir uns dessen nicht bewußt sind, wenn wir da nicht wirklich einen Handlungsbedarf sehen, wenn wir nicht auf entsprechende Verträge mit den Sozialversicherungsträgern hinarbeiten, Frau Ministerin, dann werden wir uns bezüglich der LKF sicher sehr bald wieder hier treffen und gemeinsam feststellen, daß die Kosten nicht gesenkt worden sind, sondern daß sie sich weiter wesentlich erhöht haben.

Frau Ministerin! Eine Gruppenpraxis bringt schon allein deshalb etwas, weil der Patient sich dort angenommen fühlt und weiß, daß, wenn sein Hausarzt oder der praktische Arzt einmal nicht da ist, eine Vertretung in dieser Gruppenpraxis ist, und dann muß er nicht vielleicht 4 oder 5 Kilometer weiter zu einer anderen Vertretung fahren, wie es derzeit der Fall ist. Gerade wenn man ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder (den Vorsitz übernehmend): Frau Abgeordnete, Ihren Schlußsatz bitte!

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (fortsetzend): ... im ländlichen Raum wohnt, könnte man sich so größere Strecken ersparen.

Frau Ministerin! Ich bitte Sie wirklich darum, den Ärzten die Eröffnung von Gruppenpraxen nicht weiterhin schwerzumachen, sondern, im Gegenteil, sie zu fördern und endlich dafür zu sorgen, daß es entsprechende Verträge gibt. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.02

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Hostasch. – Bitte, Frau Bundesminister.

19.02

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich kann mich daran erinnern, daß ich die Gelegenheit hatte, als Mitglied des Gesundheitsausschusses die Grundsatzdebatten zu den Erwerbsgesellschaften, zu den Gruppenpraxen, und auch die Arbeit im Unterausschuß mitzuverfolgen. Wir haben uns damals in dieser Debatte über die Vor- und Nachteile, Chancen, Risken und Möglichkeiten sehr profund auseinandergesetzt.

Es ist für mich unbestritten, daß Gruppenpraxen im Rahmen eines gesundheitspolitischen Gesamtkonzeptes eine sehr wertvolle ergänzende Rolle einnehmen können und, davon bin ich überzeugt, in Zukunft auch einnehmen werden. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.) Diese neue Form der Zusammenarbeit muß aber – ich glaube, das ist nicht nur meine Überzeugung –, um zu funktionieren, Vorteile für zumindest drei Beteiligte haben: Vorteile für die Patienten im Sinne einer Serviceverbesserung, wie zum Beispiel durch längere Öffnungszeiten, längere Behandlungszeiten, wie zum Beispiel durch die Möglichkeit, diese ärztlichen Dienstleistungen auch am Wochenende, in der Nacht, rund um die Uhr in Anspruch nehmen zu können, wie zum Beispiel – und ich teile hier die diesbezüglichen Argumentationen einiger Redner – eine Optimierung der medizinischen Betreuung in der regionalen Situation.

Aber ich glaube, es kommt noch ein Aspekt hinzu: Die Gruppenpraxen müssen natürlich auch für die Ärzte wirtschaftliche Vorteile bringen, damit sie Interesse an einer Beteiligung an einer solchen Zusammenarbeit haben. Es wurde in der Debatte bereits ausgeführt, daß die Entscheidung der Ärzte auch davon abhängt, inwieweit es für sie selbst Vorteile dabei gibt. Es ist für


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mich natürlich wichtig, einen Modus zu finden, wie man die Interessen der Ärzte mit den Interessen der Patienten in Einklang bringen kann.

Nicht zuletzt ist auch noch ein dritter Beteiligter ganz wichtig: Ich meine damit unsere gesetzliche Krankenversicherung, die Krankenkassen, die absolut ein Interesse daran haben und dieses sehr konsequent verfolgen, nämlich die Schließung von Versorgungslücken im extramuralen Bereich zustande zu bringen. Dies geschieht freilich unter dem Aspekt, daß mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln äußerst sorgsam, äußerst verantwortungs- und kostenbewußt umgegangen werden muß.

Es gilt also, diese drei Interessenslagen in Einklang zu bringen. Ich weiß, daß unsere Sozialversicherung bemüht ist, mit an Gruppenpraxen interessierten Ärzten auch entsprechende Vertragsmodelle zu entwickeln. Ganz konkret gibt es bereits in den Ländern Oberösterreich und Salzburg Gespräche darüber, und ich werde mich selbstverständlich darüber informieren lassen, wie diese Gespräche verlaufen, wobei meiner Ansicht nach in erster Linie die Ergebnisse aus der Sicht der Patientinnen und Patienten interessant sind.

Ich glaube, es ist gerade bei diesem Punkt schon darauf hinzuweisen, sehr geschätzter Kollege Leiner, daß es nicht stimmt, wenn man sagt, die Sozialversicherung sei nicht aktiv geworden oder habe kein Interesse. Es besteht nachweislich auch seitens der Gebietskrankenkassen ein Interesse an der Erarbeitung von Modellen, an Gesprächen mit der Ärzteschaft und ihren Vertretungen. (Abg. Dr. Pumberger: Es ist aber kein Interesse erkennbar!)

Herr Kollege Pumberger! Es tut mir leid, wenn Sie persönlich dieses Interesse nicht erkennen, aber ich kenne Ärzte, ich kenne auch Vertreter aus den Ärztekammern, und diese sind die Zuständigen und nicht unbedingt der Direktor der Ärztekammer, der hier als Gesprächspartner angeführt wurde. Aber ich weiß auch, daß viele Ärzte kein Interesse daran haben. Es geht darum, daß in den jeweiligen Regionen von den Kassen, nicht zuletzt natürlich in Abstimmung mit dem Hauptverband, Gespräche geführt werden. Die Inhalte dieser Gespräche werden in der Folge sicherlich zusammengeführt, um zu einer gemeinsamen Position kommen zu können.

Ich glaube, sehr geschätzte Damen und Herren, es ist auch wichtig, darauf zu verweisen, daß der Hauptverband der Sozialversicherungsträger, wie von mir schon indirekt angekündigt wurde, noch im Juni mit der österreichischen Ärztekammer offiziell das Gespräch im Zusammenhang mit den Gruppenpraxen aufnehmen wird. Ich sage das in Richtung der Frau Kollegin Gredler, die meinte, sie kenne keinen Arzt, mit dem ich gesprochen habe. (Abg. Dr. Gredler: Ärztekammer!) Sie kann überzeugt sein, daß es stimmt, wenn ich behaupte, ich habe Gespräche mit Betroffenen geführt, und ich habe das auch schriftlich. Frau Kollegin! Sie können darauf vertrauen, daß es stimmt, daß ich diesbezüglich Gespräche geführt habe. Ich habe mit Ärzten und mit Vertretern der Ärztekammer gesprochen.

Wenn ich Ihnen nun bestätige, daß noch im Juni ein erstes Gespräch des Hauptverbandes als Institution mit der österreichischen Ärztevertretung als Institution und Sprechern der Ärzteschaft ein Gespräch aufgenommen wird, dann ist das, wie ich meine, ein Nachweis dafür, daß man diesbezüglich nicht untätig ist, sondern daß offensiv gehandelt wird, und zwar aus der Sicht der Patienten und um etwaige Versorgungslücken zu schließen.

Geschätzte Damen und Herren! Dies ist jetzt auch die Gelegenheit, darauf hinzuweisen – da diesbezüglich von der Frau Abgeordneten Povysil Kritik geübt wurde –, daß unser Gesundheitssystem im internationalen Vergleich sogar von einer so kritischen Organisation wie der OECD ein hervorragendes Zeugnis ausgestellt bekommen hat, und ich meine, man sollte doch auch die Vorzüge unseres Systems, die in diesem Bericht angeführt wurden, wieder in Erinnerung rufen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte Sie, sehr geschätzte Damen und Herren – und ich bedauere sehr, daß die von mir sehr geschätzte Kollegin Motter von der Beantwortung ihrer Anfrage enttäuscht gewesen ist –, ergänzend zu dem, was ich bereits ausgeführt habe, auch davon in Kenntnis setzen, daß wir in der ersten Sitzung der Strukturkommission zur Reform des Gesundheitswesens den einstimmi


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gen Beschluß gefaßt haben, die wissenschaftliche Erarbeitung eines Ambulanzkonzeptes in Auftrag zu geben.

Die Arbeiten dazu sind bereits aufgenommen worden, und erste Zwischenergebnisse sind noch heuer zu erwarten. Ich werde Sie – insbesondere die Vertreter der Fraktionen im Gesundheitsausschuß – davon natürlich in Kenntnis setzen.

Nächste Woche findet die nächste Sitzung unserer Strukturkommission statt, in der neue Grundsätze und Richtlinien für die Vergabe und die Kontrolle der Verwendung von Mitteln für die Finanzierung von strukturverbessernden Maßnahmen beschlossen werden sollen. Dabei werden wir besonders Augenmerk darauf legen, daß das eingesetzte Geld wirksam für die Entlastung der Krankenanstalten aufgewendet wird. (Die Rednerin räuspert sich mehrmals.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht nur, weil ich jetzt einen "Frosch" im Hals habe, sondern auch, weil ich glaube, daß mit diesen ergänzenden Ausführungen die Enttäuschung der Frau Kollegin Motter etwas gemildert werden konnte, möchte ich meine Anfragebeantwortung schließen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 4 und 5 der Tagesordnung wieder auf.

Die nächste Wortmeldung dazu liegt von Herrn Abgeordneten Dr. Trinkl vor. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.11

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde versuchen, Sie aus den Gruppenpraxen wieder zurück in die Lehrlinge ausbildenden Betriebe zu führen. Eigentlich hätte ja der Herr Abgeordnete Haigermoser dieses Thema einführen sollen, aber ich gebe zu, er hat hier an dieser Stelle nie sehr konkrete Aussagen getroffen. Bei seinem heutigen Auftritt aber hat er sich noch unterboten. Offensichtlich hat er zur österreichischen Lehrlingssituation überhaupt nichts zu sagen, er hat wahrscheinlich nur über die Situation in Usbekistan gesprochen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Parnigoni: Wozu hat er überhaupt etwas zu sagen?) Zum Thema Lehrlingssituation hat er heute wirklich sehr sehr wenig beigetragen.

Die duale Lehrlingsausbildung ist die Erfolgsstory der österreichischen Wirtschaft schlechthin. Die Leistungen sind international anerkannt und unbestritten. Schließlich übernehmen 40 000 Lehrbetriebe die Verantwortung und auch die Kosten für die Ausbildung von 40 Prozent der Jugendlichen Österreichs. Diese praxisnahe Ausbildung sichert uns jene Qualität von Facharbeitern, die wir brauchen, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.

Der Begriff "Jugendarbeitslosigkeit" war uns in Österreich viele Jahre fast unbekannt, und auch die heutigen Zahlen heben sich durchaus positiv von den Vergleichszahlen in den anderen europäischen Ländern ab. Trotzdem dürfen wir die Entwicklung nicht übersehen, und wir müssen feststellen, daß sowohl die Zahl der Ausbildungsbetriebe als auch die Zahl der Lehrlinge in den letzten Jahren ständig zurückgegangen ist. Wenn man aber davon ausgeht, daß nur Betriebe Lehrplätze schaffen und Lehrplätze anbieten können, so muß man auch nach den Gründen für diesen Rückgang fragen. Diese Gründe wurden oft genannt und müssen ernst genommen werden.


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Vor diesem Hintergrund hat die österreichische Bundesregierung eine Lehrlingsoffensive gestartet. Die Minister Gehrer und Farnleitner waren starke Motoren dieser Bewegung, und ich darf ihnen dafür sehr, sehr herzlich danken. (Beifall bei der ÖVP.)

Es galt, ein umfassendes Lehrlingspaket zu schnüren, mit dem Ziel, die Betriebe wieder zu motivieren, Lehrplätze anzubieten, aber auch das Image des österreichischen Facharbeiters weiter zu festigen und zu heben. Ich glaube, daß wir mit diesen beiden Vorlagen, gestern das Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetz, heute ein großer Entbürokratisierungsschritt im Berufsausbildungsgesetz, unserem Ziel einen guten Schritt näher gekommen sind. (Beifall bei der ÖVP.) Mit diesen neuen Bestimmungen schaffen wir ein modernes Lehrlingsrecht, das die Qualität dieser für Österreich so wichtigen Ausbildungssäule auch in Zukunft sicherstellt.

Herr Kollege Gaugg hat in einem anderen Zusammenhang vorhin gemeint, die österreichische Jugendbeschäftigungspolitik wäre katastrophal. Ich darf Ihnen sagen, Herr Kollege Gaugg, so ist das nicht. Es haben in manchen Bundesländern zusätzliche Bemühungen stattgefunden; ich nenne hier ganz bewußt die Steiermark und das Land Tirol. Und ich darf Ihnen vermelden: Steiermark, Lehrlinge im ersten Lehrjahr, Stichtag 31.12.1995: 5 970, 31.12.1996: 6 066. Das ergibt ein Plus von 1,6 Prozent. – Tirol, Ende 1995: 3 589, Ende 1996: 3 645: Das ist ein Plus von 1,6 Prozent. – Also dort, wo man konkrete Schritte setzt, haben wir auch Erfolg.

Der ebenfalls heute zur Diskussion stehende Antrag bezüglich der Einführung einer Berufsreifeprüfung ist ein wichtiges Signal, meine Damen und Herren. Die duale Ausbildung ist keine Sackgasse, sondern es wird damit die Durchlässigkeit des Bildungssystems gewährleistet. Unterschätzen wir dieses Signal bitte nicht! Es wird sehr viel zur Hebung des Images der dualen Ausbildung beitragen.

Natürlich bleiben im Zusammenhang mit der Diskussion zum Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetz und zum Berufsausbildungsgesetz viele Wünsche offen. Vor allem von seiten der Wirtschaft hat man Vorstellungen eingebracht, die das Aufnehmen von Lehrlingen in den Betrieben noch leichter gemacht hätten. Wir müssen aber auch zugeben, daß es je nach Zugang zu diesem Problem auch unterschiedliche Vorstellungen darüber gibt, welcher Weg auch wirklich zum Ziel führt. In Summe ist das Ergebnis der Verhandlungen ein guter Kompromiß. Es geht ja schließlich auch nicht darum, wer sich durchgesetzt hat, sondern einzig und allein darum, den Betrieben zu signalisieren: Wir sind an eurer Mitarbeit interessiert, übernehmt auch in Zukunft diese so wichtige Aufgabe für unsere Jugend! (Beifall bei der ÖVP.)

Es darf uns nicht egal sein, ob die Jugend Arbeit und Ausbildungsplätze in ausreichender Zahl bekommt, und wir wollen nicht zulassen, daß unsere jungen Leute ihre Berufskarriere quasi mit Arbeitslosigkeit beginnen müssen. Wir werden und wir müssen daher in dieser Frage weiterhin aktiv werden, und wir werden diese Frage auch weiterentwickeln. (Beifall bei der ÖVP.) So gesehen ist das vorliegende Paket ausschließlich ein Erfolg unserer Jugend und der Eltern dieser jungen Leute.

Ich darf noch einen Abänderungsantrag zur Verlesung bringen, und zwar:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Trinkl, Dietachmayr und Kollegen zur Regierungsvorlage (699 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird (Berufsausbildungsgesetz-Novelle 1997) (764 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

1. In Art. I Z. 14 lautet der § 23 Abs. 6:

"14. Der § 23 Abs. 6 lautet:


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,(6) Personen, die die im betreffenden Lehrberuf erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse oder einen Teil davon im Wege von Maßnahmen zu ihrer Rehabilitation erworben haben, sind ohne Rücksicht auf das im Abs. 5 lit. a verlangte Mindestalter bei Vorliegen der in dieser Bestimmung sonst geforderten Voraussetzung zur Lehrabschlußprüfung zuzulassen; andere Personen, für die das Erfordernis der Vollendung des im Abs. 5 lit. a verlangten Mindestalters eine besondere Härte darstellen würde, sind bei Vorliegen der in dieser Bestimmung sonst geforderten Voraussetzungen zur Lehrabschlußprüfung zuzulassen, wenn sie das 19. Lebensjahr vollendet haben.’"

2. In Art. I Z. 17 entfallen die Anführungszeichen nach dem § 29h Abs. 4, und es wird dem § 29h folgender Abs. 5 angefügt:

"(5) Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten kann durch Verordnung Berufe bezeichnen, die Lehrlinge ausbilden dürfen, ohne den Anforderungen des § 2 Abs. 2 lit. c zu entsprechen, wenn in den für die jeweiligen Berufe geltenden Berufszugangsregelungen ein Fachgespräch betreffend ausreichende Kenntnisse über die Aufgabenbereiche gemäß § 29a Abs. 2 integriert ist oder zusätzlich absolviert wird."

3. In Art. I Z. 25 entfällt nach der Zitierung "§ 6 Abs. 6" der Beistrich und ist die Zitierung "und § 29h Abs. 5" einzufügen.

*****

Ich ersuche, diesen Abänderungsantrag in die Verhandlung miteinzubeziehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es sei mir abschließend noch eine kurze Bemerkung erlaubt. Diese beiden Sitzungstage waren auch ein sehr starkes Lebenszeichen der Koalition. Ich darf daran erinnern: Wir haben das Fremdengesetz beschlossen, wir haben das Ausländerbeschäftigungsgesetz beschlossen, wir haben das Asylgesetz beschlossen, wir haben das Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetz, eine Novelle zur Gewerbeordnung, die Wasserrechtsgesetz-Novelle und nunmehr auch die Berufsausbildungsgesetz-Novelle beschlossen. Das war ein gewaltiges Arbeitspensum, auf das wir mit Recht stolz sein können. Herr Klubobmann Dr. Khol! Ich meine, jetzt läuft der Koalitionsturbo wieder auf vollen Touren! – Danke, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.21

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Dem eben geäußerten Wunsch des Herrn Abgeordneten Dr. Trinkl kann gerne nachgekommen werden, denn der verlesene Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Schaffenrath. – Bitte.

19.21

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Trinkl, ich wünsche mir aufrichtigen Herzens, daß diese Lehrlingsoffensive so viel Erfolg haben wird, wie Sie sich erwarten. Ich möchte wirklich nicht überkritisch sein, aber ich habe meine Zweifel daran, daß durch diese getroffenen Maßnahmen das duale System – ein sehr gutes System, zu dem ich aus Überzeugung stehe und in dem meine beiden Töchter ausgebildet werden – wirklich wieder zu einem erfolgreichen System gemacht werden kann. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Die Berufsausbildungsgesetz-Novelle, die wir heute hier diskutieren, ist Teil dieses Reformpaketes. Sie haben es selbst schon anklingen lassen: Sie geht meiner Meinung nach nicht weit genug. Ich weiß, daß Kompromisse notwendig sind, ich weiß aber nicht, ob dieser Kompromiß nicht zu weit gefaßt ist. Es gibt sicherlich einige positive Ansätze im Bereich der Berufsbilder, im Bereich der Lehrberufe insgesamt, es gibt Anpassungen an die Gewerbeordnung, aber die wirklich wesentlichen Forderungen der Wirtschaft wurden in diesem Berufsausbildungsgesetz nicht


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berücksichtigt. Ich hoffe, daß sich die Wirtschaft trotzdem motivieren läßt, wieder mehr Lehrlinge auszubilden.

Es war nämlich die Überreglementierung, die von der Wirtschaft als Hauptgrund für den Rückzug aus der Lehrlingsausbildung angegeben wurde. Aber ich frage mich wirklich: Wo wurde die Überreglementierung tatsächlich abgebaut? – Es gab zum Beispiel die Forderung der Wirtschaft, in begründeten Fällen – etwa bei Nichtentsprechen des Lehrlings, bei Nichtwollen des Lehrlings – ein Lehrverhältnis auch von seiten des ausbildenden Unternehmens lösen zu können, und es gab die Forderung der Wirtschaft nach Verkürzung der Frist der Behaltepflicht.

Ich muß sagen, ich habe in diesem Zusammenhang Verständnis für die Forderung der Wirtschaft, weil es wirklich schwer einsehbar ist, daß ein Unternehmer einen Lehrling nach Ablauf der Lehrzeit, ohne daß er sein Berufsziel erreicht hat, ohne daß er eine Lehrabschlußprüfung abgelegt hat, noch vier Monate zu den kollektivvertraglichen Bedingungen behalten muß. Es gab auch den berechtigten Wunsch nach einer Verlängerung der Probezeit. Was derzeit von der Wirtschaft sozusagen unter dem Tisch geregelt wird, hätte einer klaren und genauen gesetzlichen Regelung bedurft.

Ich darf Sie auch daran erinnern, daß Stadtschulratspräsident Scholz – was meiner Meinung nach durchaus sympathisch ist – junge Menschen ohne Lehrverhältnis in die Berufsschule aufgenommen hat. Diese Menschen sind in vermehrtem Maße in der Wirtschaft untergekommen. Mir ist der Grund vollkommen klar: Der Unternehmer hatte aufgrund der bereits absolvierten Schulzeit eher die Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit dieses jungen Menschen richtig einzuschätzen. Der positive Nebeneffekt, daß das auch eine Kostenentlastung für den Betrieb ist, weil ein Teil der Berufsschulpflicht bereits erfüllt ist, kommt eigentlich nur noch verstärkend dazu.

Wir sehen also ganz klar: Wir brauchen genaue gesetzliche Regelungen. Ich weiß aber nicht so ganz, ob nur der Mut oder ob auch das Wollen gefehlt hat. Die Liberalen haben auf jeden Fall entsprechende Initiativanträge eingebracht, und wir werden noch Gelegenheit haben, diese Anträge hier im Haus auch zu diskutieren.

Vielleicht nur noch ganz am Rande, weil wir beim Berufsausbildungsgesetz sind, eine Kuriosität, die ich eigentlich schon lange einmal erwähnen wollte: Der Modus der Lehrabschlußprüfungen gehört ebenfalls reformiert. Ich weiß nicht, inwieweit die Damen und Herren des Hohen Hauses darüber informiert sind, daß derzeit bei nicht positivem Abschluß der Berufsschule die Lehrabschlußprüfung auch schriftlich abzulegen ist. Grundsätzlich ist das positiv. Kurios allerdings ist, daß diese schriftliche Lehrabschlußprüfung auch in Gegenständen abzulegen ist, in denen der Schüler bereits eine positive Beurteilung hatte, während der Unterrichtsgegenstand, der negativ beurteilt wurde, bei dieser schriftlichen Lehrabschlußprüfung überhaupt keine Bedeutung hat. Das ist meiner Meinung nach eine gegenseitige Entwertung: Entweder ist die Lehrabschlußprüfung eine Farce oder die Beurteilung durch die Berufsschullehrer und Berufsschullehrerinnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nun aber noch zur Berufsreifeprüfung, der wir grundsätzlich sehr positiv gegenüberstehen. Wir haben allerdings dazu einen Abänderungsantrag, den ich gerne einbringen möchte.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Maria Schaffenrath, Partnerinnen und Partner betreffend ein Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der § 8 Abs. 1 lautet:

"Anerkennung von Prüfungen

§ 8. (1) Die erfolgreich abgelegte Abschlußprüfung eines als gleichwertig anerkannten Lehrganges einer Einrichtung der Erwachsenenbildung ist als Teilprüfung(en) der Berufsreifeprüfung


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im entsprechenden Fach (in den entsprechenden Fächern) mit Ausnahme zumindest einer Teilprüfung gemäß § 3 Abs. 1 anzuerkennen. Die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten beziehungsweise der Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten kann einen zur Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung eingerichteten Lehrgang einer Einrichtung der Erwachsenenbildung nach Anhörung des Landesschulrates als gleichwertig anerkennen, wenn die Lehrgangsausbildung für das betreffende Prüfungsgebiet einer Ausbildung an einer öffentlichen höheren Schule gleichwertig ist. Die Anerkennung ist mit fünf Jahren zu befristen und bei Vorliegen der Voraussetzungen neuerlich mit dieser Befristung auszusprechen."

*****

Uns ist dieser Abänderungsantrag deshalb wichtig, weil es eigentlich keinen sachlichen Grund dafür gibt, die Anerkennung der Gleichwertigkeit von Lehrgängen auf die vom Bund als Förderungsempfänger anerkannten Institutionen einzuschränken. Ich halte das für eine Diskriminierung von privaten Institutionen der Erwachsenenbildung, und ich denke, daß damit eine einseitige Bevorzugung der Bildungsanbieter BFI und WIFI in die Wege geleitet werden soll. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Zur Berufsreifeprüfung selbst: Wir stehen ihr positiv gegenüber. Wir befürchten allerdings, daß das Ziel, die Lehre durch diese Berufsreifeprüfung auch tatsächlich attraktiver zu machen, leider nicht erreicht werden wird, weil die notwendigen Begleitmaßnahmen fehlen, weil eine Integration in das duale System fehlt. Unser duales System hat derzeit nicht genügend Flexibilität, und ich verstehe da die Haltung der Wirtschaft, weil es eine wesentliche Erhöhung der Kosten bedeuten würde, die Berufsschulzeit auszuweiten, um die Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung zu integrieren.

Wir erneuern daher heute unseren Vorschlag, den wir schon als Entschließungsantrag eingebracht haben, daß die berufliche Ausbildung und die schulische Ausbildung im Rahmen des Ausbildungssystems sozialrechtlich und lohnmäßig zu entkoppeln wären. Nur so können wir in die schulische Ausbildung neue Inhalte integrieren, nur so können wir Module organisieren, die auf die Berufsreifeprüfung vorbereiten, nur so kann die Möglichkeit der Ablegung der Berufsreifeprüfung unser duales Bildungssystem tatsächlich als gleichwertige und gleichberechtigte Säule im Sekundarbereich II verankern.

Solange das nicht möglich ist, bleibt die Durchlässigkeit in diesem Bereich leider ein Schlagwort. Ich möchte nur auf einzelne Initiativen verweisen, die es zwar gibt, bei denen aber Unternehmer die Initiative gesetzt haben, und nicht die öffentliche Hand. Ich weiß nicht, wer von Ihnen zum Beispiel die Landesberufsschule für Optiker in Hall kennt. Dort gibt es unter gleicher Leitung, im gleichen Gebäude einen Aufbaulehrgang, und es gibt die Möglichkeit, die Berufsprüfungen gleichzeitig mit der Berufsreifeprüfung im Haus abzulegen.

Solche Beispiele wären vorbildlich, aber dafür müssen wir die Rahmenbedingungen erst noch schaffen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Problem der Zukunft wird nicht nur die Jugendarbeitslosigkeit sein – dabei ist dieses Problem allein schon groß genug! –, das Problem wird auch der Mangel an qualifizierten jungen Menschen sein, die den Facharbeiterweg einschlagen. Und wenn Sie, Herr Minister, heute gesagt haben, es wäre einer unserer Wettbewerbsvorteile als Wirtschaftsstandort Österreich, daß wir gute Facharbeiter und Facharbeiterinnen haben, dann muß ich die Frage stellen: Wie lange werden wir diesen Vorteil noch haben, wenn wir nicht endlich echte Maßnahmen setzen?

Es ist mir vollkommen klar, daß unsere Berufsschulen in der derzeitigen Struktur diese Vorbereitung nicht leisten können. Wir brauchen flexiblere Bedingungen, und wir brauchen die Ausweitung der Berufsschulzeit. Dafür ist die lohn- und sozialrechtliche Entkoppelung von Schule und Betrieb unbedingt notwendig. Wir müssen die Berufsschulen zu autonomen Berufsbildungszentren weiterentwickeln, die sich für Weiterbildung, für Höherqualifizierung öffnen, auch zum


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Nachholen von Bildungsabschlüssen. Der Beamtenentwurf des § 46 Schulorganisationsgesetz sieht das zwar im Ansatz vor, aber bei der derzeit noch sehr inflexiblen Struktur wird es in der Realität nicht umsetzbar sein. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich empfehle wirklich aus Sorge um das duale System, sich nicht auf der Einführung der Berufsreifeprüfung auszuruhen und sich nicht darauf zu verlassen, daß alleine durch die Möglichkeit zu dieser Prüfung das duale System auch ein erfolgreiches, ein attraktiveres wird. Was wir benötigen, sind echte Reformen. Sie werden Mut dafür brauchen, und gerade die ÖVP wird auch Durchsetzungsvermögen dafür brauchen. Wir Liberalen – und das sage ich gerne und aus Überzeugung – stehen Ihnen mit konstruktiven Vorschlägen sehr gerne zur Verfügung. (Beifall beim Liberalen Forum.)

19.33

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Dietachmayr vor. – Bitte.

19.33

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Mit dem heutigen Beschluß der Novelle zur Gewerbeordnung ist es auch notwendig, Anpassungen im Berufsausbildungsgesetz vorzunehmen. Um für die Betriebe neue Anreize zur Ausbildung von Lehrlingen zu schaffen, wird künftig neben der Ausbilderprüfung unter anderem auch die Absolvierung eines Ausbilderkurses als Befähigungsnachweis zum Ausbilden von Lehrlingen gelten. Ein weiterer Ausbildungsversuch, die sogenannte verkürzte Lehrzeit für bestimmte Personengruppen mit höherqualifizierter Schulausbildung wird ebenfalls in das Regellehrwesen übergeführt.

Aber es scheint mir ganz besonders wichtig, eines anzumerken, meine Damen und Herren: Wir hier im Parlament können nur die Rahmenbedingungen auf gesetzlicher Ebene schaffen. Ich glaube, daß die Wirtschaft und die Unternehmungen, wenn sie weiterhin so restriktiv bei der Lehrlingsausbildung vorgehen, sich selbst einmal den Ast abschneiden werden, auf dem sie sitzen. Denn gerade die duale Berufsausbildung – und das haben meine Vorrednerin wie auch der Herr Bundesminister heute gesagt – ist ein großer Vorteil für den Wirtschaftsstandort Österreich, da wir dadurch gut ausgebildete Facharbeiter und Fachkräfte haben.

Ich denke dabei an Oberösterreich, etwa an das Beispiel BMW in Steyr. Entscheidend dafür, daß BMW sich gerade in dieser Region angesiedelt hat, war nicht nur, daß von Bund und Land entsprechende Förderungen gezahlt wurden – diese Förderungen hätte BMW auch woanders bekommen –, sondern daß in dieser Region gut ausgebildete Fachkräfte vorhanden sind. Ich glaube, das ist ein ganz bedeutender, ein wesentlicher Faktor, den wir auch für die Zukunft beachten müssen.

Ich möchte diese Gelegenheit dazu nutzen, um doch auch einige kritische Anmerkungen zu machen, denn es hat keinen Sinn, wenn wir hier immer nur die positiven Aspekte betonen. Die gegenwärtige Situation sieht folgendermaßen aus: In den letzten Jahren hat die Bereitschaft der österreichischen Betriebe zur Lehrlingsausbildung im Rahmen des dualen Systems, in Zahlen ausgedrückt, um ein Viertel abgenommen. Bildeten im Jahr 1984 noch rund 55 000 Lehrbetriebe Lehrlinge aus, so waren es Ende vergangenen Jahres nur mehr 39 700 Betriebe. Dieser Rückzug der österreichischen Betriebe aus der Lehrlingsausbildung spiegelt sich auch im Rückgang der Lehrlingszahlen, wie allgemein bekannt, wider. Waren es 1985 noch etwa 170 000 Lehrlinge, so wurden Ende vergangenen Jahres nur mehr rund 120 000 Lehrlinge ausgebildet.

Im Jahr 1992 hat Österreich das Internationale Übereinkommen über die Rechte des Kindes ratifiziert. Eine der wesentlichen Inhalte dieses Abkommens ist die Verwirklichung des Rechtes der Kinder und Jugendlichen auf Bildung auf der Grundlage von Chancengleichheit. Eine qualitativ hochstehende, allgemeine und berufliche Bildung, die den Begabungen und Interessen der Jugendlichen entspricht, ist sowohl für die persönliche Entfaltung als auch für die Entwicklung von Demokratie und Wirtschaft unverzichtbar. Es muß daher unser gemeinsames Anliegen


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sein, dafür Sorge zu tragen, daß Kindern und Jugendlichen auf allen Ebenen schulischer und beruflicher Bildung eine ausreichende Zahl von Schul- und Ausbildungsplätzen zur Verfügung gestellt wird. Die Novelle, die wir heute beschließen, kann nur ein weiterer Schritt hin zu zeitgemäßen Rahmenbedingungen sein.

Die Lehrlingsausbildung soll vier grundlegende Aufgaben im Interesse des einzelnen Menschen, der Wirtschaft sowie der Gesellschaft und damit auch unseres Staatswesens erfüllen. Diese sind erstens die weitestgehende Vermeidung von Jugendarbeitslosigkeit – das ist, wie ich meine, unbestritten; das ist unser aller Anliegen –, zweitens Ausbildung in einem soweit als möglich der Eignung und Neigung des Jugendlichen entsprechenden Beruf unter Bedachtnahme auf wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Erfordernisse in unserem Land, drittens ein möglichst reibungsloser Übergang von der Schule auf das Berufsleben durch die Eingliederung der Schulabgänger in das Erwerbsleben und Schaffung der Basis für den Einstieg in den Arbeitsmarkt nach Ende der Lehrzeit, und – viertens – eine fundierte Grundlage für die berufliche Weiterqualifizierung.

Die Lehrlingsausbildung bedarf daher einer grundlegenden Reform mit einer Anpassung an die heute bestehenden Rahmenbedingungen sowie einer Weiterentwicklung zu einem modernen, zukunftsorientierten Berufsausbildungssystem. Damit könnte auch die Akzeptanz der Lehrlingsausbildung in der Öffentlichkeit angehoben werden.

Das duale Berufsausbildungssystem wird auch in der heutigen Zeit grundsätzlich als erforderlich erachtet. Es muß allerdings eine sinnvolle und sachlich fundierte Alternative zur berufsbildenden Vollzeitschule bieten und die Möglichkeiten zum Erwerb von beruflichen Erstqualifikationen adäquat erweitern beziehungsweise abrunden.

Österreich – und darauf sind wir stolz – konnte in den letzten Jahren immer auf die geringste Jugendarbeitslosigkeit innerhalb Europas verweisen. Der entscheidende Grund dafür ist die hochqualifizierte Ausbildung unserer Jugendlichen.

Mit der geplanten Änderung des Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetzes wird das hohe Niveau des Schutzes für Lehrlinge weiterhin gesichert und praxisnah erhalten. Mit dem heutigen Beschluß ist ein Schritt zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen getan. Aber eines ist ganz klar – und wir sollten uns selbst damit beauftragen –: Es liegt noch sehr viel Arbeit vor uns! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.39

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

19.40

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Werter Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Werter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es trifft sich gut, Herr Präsident Brauneder, daß gerade Sie den Vorsitz führen, denn so kommen Sie mir am besten ins Gehege. Sie haben sich zum Thema Berufsreifeprüfung in einer Presseaussendung zu Wort gemeldet und gesagt, daß die Berufsreifeprüfung extrem eliten- und bildungsfeindlich sei.

Nun verstehe ich zwar von Ihrem Standpunkt aus – obwohl ich auch da schon Probleme habe, Ihnen zu folgen –, daß Sie das als elitenfeindlich bezeichnen, aber die Elite wird doch dadurch, daß sich jemand eine Qualifikation erwirbt und diese dann nach besten Kräften auszunützen versucht, dadurch, daß sich jemand zu bilden versucht, nicht geschädigt. (Abg. Dr. Trinkl: Fürchten Sie sich?) Bildungsfeindlich kann es doch wohl kaum sein, wenn ein Jugendlicher innerhalb oder nach der Lehrzeit eine weitere Ausbildung in dem Bestreben macht, einen Reifeprüfungsabschluß zu erwerben, um dann zu studieren.

Was, bitte, Herr Präsident, ist daran bildungsfeindlich? Was, Herr Präsident, ist daran elitenfeindlich, wenn jemand studieren will und offensichtlich die Voraussetzungen dazu erfüllt? Ich kann dieser Argumentation nur insofern folgen, als Sie der Meinung sind, es sollen nicht zu viele studieren, damit es eine zahlenmäßig begrenzte Elite gibt.


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Herr Präsident! Meiner Ansicht nach könnten sich Ihre Sorgen durchaus in Grenzen halten, weil ich nicht glaube – und das ist gleichzeitig mein Einwand gegen diese Regelung der Berufsreifeprüfung –, daß sich unter den gegebenen Voraussetzungen der Andrang derer, die eine derartige Berufsreifeprüfung machen wollen, ins Unermeßliche steigern wird. Es wird eine sehr begrenzte Zahl von Jugendlichen sein, die eine Lehre absolviert haben. Ich kann mir eigentlich gar nicht vorstellen, daß man so eine Prüfung während oder neben der Lehre machen kann. Es wird also ein sehr kleiner Kreis von Personen sein, die eine Fachschule absolviert – das ist die zweite Voraussetzung – oder eine Lehre abgeschlossen haben. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: 40 000 werden das sein!) Und dann stellt sich immer noch die Frage, ob diese Personen auch die Anforderungen für die Berufsreifeprüfung erfüllen.

Mein Problem mit dieser Regelung ist nicht nur der Umstand, daß sich diese Berufsreifeprüfung auf einen zu kleinen Kreis von Jugendlichen beschränken wird, sondern auch die Tatsache, daß die Öffnung nur eine unvollkommene ist, daß die Voraussetzungen, mit denen das Berufsschulsystem oder -wesen ausgestattet ist, um die Jugendlichen an die Berufsreife heranzuführen, äußerst bescheiden sind, weil es da zum Teil auch Probleme gibt – an denen sicher noch zu arbeiten ist –, nämlich erstens das gerne hintangestellte Qualifikationsproblem der Berufsschullehrer, das tatsächlich in bezug auf die Berufsreifeprüfung schlagend werden könnte, und zweitens der Umstand, daß die Ausstattung der Berufsschulen wahrscheinlich nicht dazu geeignet sein wird, die Berufsreifeprüfung am Ort der Berufsschulen durchführen zu lassen, sodaß es daher wahrscheinlicher ist, daß Erwachsenenbildungseinrichtungen diese Aufgabe übernehmen werden. (Abg. Schaffenrath: Die leider nicht!)

Frau Ministerin! Ich möchte Ihnen auch die Sorge der Schulen für Berufstätige nicht verhehlen – ich sehe darin ein weiteres Problem –, die natürlich Angst davor haben, daß ihre durchaus gut funktionierenden Ausbildungsprogramme für Heranwachsende und Erwachsene durch diesen Weg zur Berufsreifeprüfung verkürzt werden und eigentlich die Schulen für Berufstätige auf diese Weise mehr oder weniger ausgetrocknet werden. Frau Ministerin, ich hoffe, daß das nicht die Intention dieser Regelung war. Ich sehe nach wie vor den positiven Sinn dieser Regelung, auch wenn ich ihn relativieren und nicht als einen Riesenerfolg bezeichnen möchte.

Es ist ein sinnvoller und wichtiger Schritt, der da gegangen wird, einer, der schon längst überfällig war, weil einfach durch diese Schritte im Ausbildungssystem das, was wir gestern diskutiert haben, nämlich die unzureichenden Möglichkeiten, von der Hauptschule noch in eine allgemeinbildende oder überhaupt in eine höhere Schule zu gelangen, immerhin etwas verbessert wird. Es muß aber auch an den Durchlässigkeiten im Bildungssystem noch mehr gearbeitet werden. Da gibt es unserer Meinung nach nicht viele andere Wege als die Möglichkeit, das Schulsystem anders zu gestalten.

Darüber haben wir gestern diskutiert. Die Debatte über die Frage, was das für eine gemeinsame Schule bedeutet, möchte ich nicht aufrollen; Kollege Höchtl hat schon Platz genommen, um sich zu positionieren. (Zwischenruf des Abg. Mag. Posch. ) Er wird sicher dann später noch seine Munition verschießen. (Abg. Dr. Höchtl: Ich will aber nicht darauf antworten!)

Ich glaube, daß der hier gemachte Anfang sinnvoll ist und auch jenen Wünschen Rechnung trägt, die eigentlich schon seit Jahrzehnten im Raum stehen, die immer wieder von den Lehrlingsgruppen und auch von den Gewerkschaften geäußert werden.

Der zweite Punkt, den ich nur ganz kurz ansprechen möchte, weil ich mir Redezeit für den nächsten Punkt der Tagesordnung aufheben möchte, betrifft das Berufsausbildungsgesetz. Ich halte die vorgeschlagenen Änderungen im Berufsausbildungsgesetz zwar nicht unbedingt für schlecht, kann aber andererseits ihren absoluten Nutzen nicht erkennen. Ich beziehe mich daher eher allgemein auf die Debatte.

Weil Kollegin Schaffenrath von der Überregulierung in der Berufsausbildung gesprochen hat, möchte ich daran erinnern, daß meine Frage nach wie vor im Raum steht. Ich glaube nicht, daß die Überregulierung des österreichischen Berufsausbildungssystems daran schuld ist, daß es


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mit der dualen Ausbildung abwärts gegangen ist. Das ließe sich in einem Ländervergleich durchaus erhärten. (Abg. Schaffenrath: Das hast du gestern schon nicht erklärt!)

Ich glaube nicht, daß es mit dem, was das Liberale Forum vorschlägt – schön versteckt hinter der Formulierung "sozialer Lohn und rechtliche Entkoppelung von Schule und Betrieb" –, möglich ist, auch nur einen Schritt vorwärtszukommen. (Abg. Dr. Trinkl: Das ist das Problem!) Ich bekenne mich aber – und das ist durchaus ein gemeinsames Anliegen – dazu, daß die schulische Berufsausbildung erweitert werden muß. Das ist eine Notwendigkeit, eine Voraussetzung dafür! (Abg. Tichy-Schreder: Was ist der Nutzen? – Abg. Dr. Trinkl: Weil wir Facharbeiter brauchen!)

Nur die Betriebe bilden aus, und offensichtlich – Herr Kollege Trinkl, da haben Sie recht! – haben die Betriebe auch einen Nutzen davon. Ich beziehe mich da auf das Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft. Das sind Ihre eigenen wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen, Herr Kollege! (Abg. Dr. Trinkl: Sie lesen zuviel linke Literatur!)

Dieses Institut publiziert zu diesem Thema und sagt: Die Opportunitätserträge der Ausbildung sind durchaus gegeben! Das Problem liegt dort, wo Betriebe oder Branchen eine sehr hohe Personalfluktuation haben. Diese Betriebe sind natürlich während der Lehrausbildung versucht, einen Nutzen für sich zu erzielen, weil sie wissen, daß nach der Lehrausbildung die Leute nicht im Betrieb bleiben. (Abg. Schaffenrath: Schattenwirtschaft!)

Damit bin ich wieder beim Kollegen Peter angelangt, denn das betrifft das Gastgewerbe, wo die Fluktuation am höchsten ist. Diese ist natürlich teilweise durch die Branche bedingt, teilweise aber auch – werter Herr Kollege Peter, es tut mir leid! – durch die Verhältnisse im Gastgewerbe. Das ist so, es läßt sich nicht wegdiskutieren. Ich habe selbst lange genug im Gastgewerbe gearbeitet, um zu wissen, daß dort teilweise noch Verhältnisse existieren, die jeder Beschreibung spotten.

Natürlich gibt es auch gut ausbildende Betriebe. Offensichtlich ist dein Betrieb, Kollege Peter, einer derjenigen, die dazugehören, weil du ja mit deiner Art der Ausbildung sehr zufrieden bist. Aber die Regel ist das im Gastgewerbe nicht. Die Regel ist deswegen auch so schwer zu formulieren, weil gerade im Gastgewerbe durch die Fluktuation, durch den geringen Verbleib von Lehrlingen im Betrieb, der Lehrherr dazu tendiert, den Nutzen für sich möglichst noch während der Ausbildungszeit zu erzielen.

Wenn man diesen Gedanken weiterdenkt – er steht auch in diesen "schönen" Mitteilungen des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft; Herr Kollege Trinkl, ich kann Sie beruhigen, er wird dort nicht weitergedacht –, dann landet man aber bei dem System einer Berufsausbildungsabgabe. Eine Ausbildungsabgabe würde es tatsächlich jenen Betrieben, in denen branchenbedingt eine hohe Fluktuation herrscht und die während der Ausbildung keinen Nutzen für sich erzielen können, ermöglichen, die Ausbildung so zu gestalten, daß der Betrieb mit dem Nutzen, mit dem Ertrag, den er aus den Leistungen der Lehrlinge ziehen kann – er zieht ihn ja überall oder versucht es zumindest –, zurechtkommt. (Abg. Dr. Trinkl: Die Invalidengesetze bringen gar nichts! Das ist kontraproduktiv!) Das wäre durchaus eine Maßnahme, die Sinn machen würde. Genau diesen Weg – und das haben wir gestern auch schon diskutiert – sind wir aber nicht gegangen.

Herr Kollege Trinkl! Aufgrund der Erkenntnisse (Zwischenruf des Abg. Dr. Trinkl ) , die in der genannten Untersuchung der Wirtschaftskammer belegt werden, müßte man meiner Ansicht nach, wenn man das ernst nimmt, eigentlich andere Forderungen stellen. Das Problem liegt nicht in der Überregulierung. Natürlich können wir über einzelne Bereiche diskutieren. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Trinkl. ) Nein, es ist nicht die Menge.

Ich kann Ihnen – und das war der Sinn meiner gestrigen Wortmeldung – jederzeit jene Länder aufzählen, in denen es keine Regulierung beim Jugendschutz gibt. Das sind aber nicht jene Länder, in denen die Lehrlingsausbildung funktioniert, und es sind nicht jene Länder, in denen es eine niedrige Jugendarbeitslosigkeit gibt, sondern das sind teilweise – nicht immer – die


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Staaten mit der höchsten Jugendarbeitslosigkeit, und zwar gerade deswegen, weil es keine Regulierungen gibt. Das ist offensichtlich auch kein Anreiz für Betriebe, Jugendliche einzustellen.

Daher: Wenn man die Frage ernsthafter diskutiert und nicht nur aus ideologischen Beweggründen versucht, zu einer Lösung zu kommen, dann müßte man auch Wege gehen, die einem offensichtlich durch Bretter vor dem Kopf versperrt sind. Ich glaube, die Bretter vor dem Kopf hatten Sie vor einem oder zwei Jahren noch nicht, denn damals waren Sie noch durchaus bereit, über eine Berufsausbildungsabgabe, wie auch immer diese gestaltet sein mag, zu diskutieren. Dann hat aber der ideologische Grabenkampf eingesetzt, und seither ist dieses Thema in Österreich oder zwischen den Regierungsparteien nicht mehr konsensfähig.

Ich sage Ihnen aber: Es gäbe eine Möglichkeit, wie wir tatsächlich einen Schritt weiterkommen könnten, um die noch offenen Fragen, die auch durch diese Regelung in der Berufsausbildung nicht gelöst werden können, zu erledigen. Ich bin mir sicher, daß wir diese Debatte im nächsten Jahr auch noch führen werden. Sie werden sicher wieder daherkommen und sagen: Es liegt an der Überregulierung! Sie werden wieder versuchen, irgendwo bei den Schutzrechten der Jugendlichen anzusetzen, weil Sie der ideologischen Überzeugung sind, daß nur durch einen Abbau von Schutzrechten weiterzukommen ist.

Meine Damen und Herren! Sie müßten gemeinsam mit allen, denen das Problem ein Anliegen ist, etwas mehr in die Details dieser Frage gehen und an einer gemeinsamen Diskussion und an gemeinsamen Resultaten interessiert sein. Dann kämen wir auch in dem System der österreichischen Berufsausbildung, von dem ich auch überzeugt bin, daß es nicht so schlecht funktioniert – es gibt aber Probleme –, noch einen Schritt weiter, der uns weiterhelfen würde. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter Öllinger! Ich wollte Sie auf etwas aufmerksam machen, aber nicht auf das, was Sie jetzt vielleicht annehmen, sondern darauf, daß Sie einen Abänderungsantrag im Auge hatten. Wollen Sie diesen vielleicht einbringen? – Bitte.

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Ich nehme den Hinweis dankend an und verlese einen Abänderungsantrag, der mir tatsächlich sehr wichtig ist, weil es nach Meinung der Grünen eigentlich nicht einzusehen ist, daß für die Berufsreifeprüfung für Jugendliche eine Gebühr zu zahlen ist. Das ist auf der Universität auch nicht üblich, und die universitäre Ausbildung wird besser als die Ausbildung für die Berufsreifeprüfung finanziert. Es ist daher nur recht und billig, auch von diesen Jugendlichen keine Gebühren zu verlangen. Daher stellen wir folgenden Abänderungsantrag:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde zum Bericht des Unterausschusses über den Antrag 459/A der Abgeordneten Mag. Dr. Josef Höchtl und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung (752 d. B)

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Im § 11 wird Absatz 2 ersatzlos gestrichen.

*****

Das würde heißen, Sie verzichten auf Gebühren, von denen ich überzeugt bin, daß sie ohnehin nichts bringen. (Abg. Dr. Trinkl: Die könnten wenigstens höflichkeitshalber applaudieren! Die waren selbst nicht zufrieden!)

19.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.


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Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Dr. Höchtl vor. – Bitte, Herr Abgeordneter. Ihre freiwillige Redezeitbeschränkung beträgt 10 Minuten.

19.54

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir haben gestern und heute, wie einer meiner Vorredner, nämlich Kollege Trinkl, erwähnt hat, eine wirklich große, umfassende, positive Weiterentwicklung erreicht. Wir werden nun in kürzester Zeit darüber den Beschluß fassen, damit nämlich junge Menschen wieder Hoffnung, wieder mehr Optimismus haben können.

Ich glaube, daß das auch die Aufgabe ist, die wir in der Politik haben. Wir dürfen uns nicht einreden, daß wir als Politiker Arbeitsplätze schaffen können. Wir können aber – und wir tragen die Verantwortung dafür – die bestmöglichen Rahmenbedingungen dafür schaffen, daß die Ausbildung der jungen Menschen so gestaltet ist, daß ihre Zukunftschance nicht nur gewahrt, sondern jeweils auch verbessert wird. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind so zu gestalten, daß der nötige Anreiz dazu gegeben ist, daß unternehmerisch Tätige – das kann ein Arbeitgeber oder ein Arbeitnehmer sein – diese nützen und möglichst viele Arbeitsplätze für junge Menschen zur Verfügung stellen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da gilt es, Ausbildung und Wirtschaftspolitik in einem zu sehen. Deswegen hat sich diese Koalitionsregierung zu diesem recht umfassenden Paket zusammengefunden und nach intensiver Diskussion vieles an Änderungen und Verbesserungen beschlossen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich – ich gehe jetzt nicht, wie Kollege Öllinger gesagt hat, zu jenen Punkten über, die wir gestern schon ausführlich diskutiert haben – zum zentralen Element dessen, was für viele junge Menschen die Ausbildungsbasis darstellt, einige Überlegungen anstellen, nämlich zur dualen Berufsausbildung. Ich sage das in voller Kenntnis dessen, was man aufgrund internationaler Vergleiche – vielleicht eingeschränkt auf Europa – sagen kann. Wir sind mit dem System der dualen Berufsausbildung in Österreich immer sehr gut gefahren, und daher haben wir allen Grund, stolz darauf zu sein. Wir als Volkspartei bekennen uns dazu! (Beifall bei der ÖVP.)

Es hat nicht nur eine Delegation, die im Laufe der Jahre nach Österreich gekommen ist, versucht, sich die Elemente dieser dualen Berufsausbildung zu Gemüte zu führen und daraus zu lernen. Es gibt sogar den einen oder anderen Staat, der sehr wohl überlegt, ein derartiges System – von Österreich abgeschaut – im eigenen Land zu etablieren.

Die Quoten der Jugendarbeitslosigkeit – wiederum nur im europäischen Vergleich – liefern uns den empirischen Beweis dafür, daß wir mit diesem Ausbildungssystem einiges zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit beigetragen haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schauen wir uns einmal die neusten Zahlen aus einigen europäischen Staaten an. Es gibt im Durchschnitt der gesamten Europäischen Union eine Jugendarbeitslosigkeitsquote von 21 Prozent. – Herr Kollege Öllinger! (Abg. Öllinger:  Ich spreche mit Kollegen Schwimmer!) Sie wissen, daß 21 Prozent eine sehr hohe Jugendarbeitslosigkeitsquote ist.

Es gibt Spitzen: Italien mit über 30 Prozent, Finnland mit über 23 Prozent, Großbritannien mit 14,9 Prozent. Gott sei Dank gibt es in Österreich nur rund 4 Prozent. Zweifellos ist ein wesentlicher Grund dafür darin zu sehen, daß es durch die duale Berufsausbildung möglich ist, den jungen Menschen nach der Pflichtschule in eine Ausbildung hineinzuführen, in der zwei Seiten, nämlich der betriebliche und der schulische Ast, ideal kombiniert werden, durch die er eine gute Grundlage für sein künftiges Berufsleben erwerben kann. Deswegen sagen wir ein eindeutiges Ja zu jeder Verbesserung der dualen Berufsausbildung. Und außerdem wird das, was wir hier heute diskutieren, sicherlich nicht die letzte Verbesserung sein. (Beifall bei der ÖVP.)


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte insbesondere zu jenem Punkt Stellung nehmen, bei dem es mich besonders freut, daß wir ihn nach ziemlich langer Diskussion heute beschließen können, nämlich zur Berufsreifeprüfung. Ich kann mich an etliche Diskussionen, Artikel, Erörterungen in verschiedenen Publikationen erinnern, in denen immer wieder gesagt wurde: Wir müssen ein Bildungssystem schaffen, das keine Bildungssack gassen zuläßt! Wir haben in vielen Artikeln die Überschriften gelesen: Kein Abschluß in irgendeiner Ausbildungsstufe ohne einen weiteren Bildungsanschluß.

Ich bin der Ansicht, daß wir mit dem Vorschlag, den wir vor wenigen Tagen im Unterrichtsausschuß diskutiert haben und den wir heute beschließen können, erstmals die Chance geschaffen haben, daß die Lehre tatsächlich keine Ausbildungssackgasse ist, sondern daß der Lehrling die Möglichkeit hat – natürlich mit zusätzlichen Anstrengungen, aber in absehbarer Zeit und mit zumutbaren Möglichkeiten –, die Matura zu machen und damit auch die Hochschulberechtigung zu erreichen.

All denjenigen, die sich im Laufe der letzten Jahre an dieser Diskussion beteiligt haben, die sich den jeweiligen Vorschlägen im positiven Sinne, also verbessernd, gestellt haben, möchte ich als Obmann des Unterrichtsausschusses dafür ein recht herzliches Danke sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Was ist der Sinn dieses Beschlusses? – Der Sinn ist, Lehrlingen, Absolventen einer zumindest dreijährigen Fachschule, einer Krankenpflegeschule, also einer Ausbildung, die jedenfalls schon einiges an Anstrengungen im beruflichen Ausbildungsbereich gekostet hat, mit den zusätzlichen vier Prüfungen, nämlich in Deutsch, Englisch, Mathematik und mit der entsprechenden Fachprüfung, die Chance zur Matura zu eröffnen. Das ist eine Möglichkeit, die wahrscheinlich kein Massenprogramm sein wird, doch es soll keinem einzigen Menschen die Chance verwehrt werden, sich weiterzubilden. Wenn er eine weitere Stufe im Bildungsbereich erreichen möchte, dann soll er diese Chance erhalten.

Ich meine, daß diese Beschlußfassung einen ganz wesentlichen Durchbruch bei der Zielsetzung, unser Bildungssystems durchlässig zu machen, darstellt. Deswegen sagen wir auch ein klares Ja dazu. Durchlässigkeit im Bildungssystem ist ein hohes Ziel, das wir jeweils anzustreben haben und mit dem heutigen Beschluß auch erreichen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben im Ausschuß noch einiges an Änderungen durchdiskutiert. Insbesondere haben wir festgehalten, daß das Niveau einer derartigen Matura nicht einer Art Billigmatura entspricht, sondern dem einer höheren Schule. Damit handelt es sich nicht in irgendeiner Form um Angebote zum Schleuderpreis, sondern um Möglichkeiten und Chancen für jene Personen, die sich ganz einfach wirklich nach ihrer Lehrausbildung, nach ihrer Meisterprüfung aufraffen und sagen: Jetzt möchte ich die Matura machen, jetzt möchte ich noch ein Studium anschließen.

Wir sind in einer demokratischen Gesellschaft aufgefordert, eine Chancengesellschaft zu sein. Wir sagen deswegen zu der Möglichkeit dieser Berufsreifeprüfung ein eindeutiges Ja. Ich hoffe, daß möglichst viele in diesem Hohen Haus auch mit voller Überzeugung ja zu dieser neuen Möglichkeit, zur Matura zu kommen, sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

20.04

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. – Bitte.

20.04

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Frau Bundesminister! Zunächst möchte ich mich bei Ihnen für eine Wortmeldung von gestern, als ich Sie, provoziert durch Dr. Khol, wieder in die Schule rückversetzt habe, entschuldigen. Es steht mir nicht zu, das zu sagen. Es tut mir leid. Ich bitte Sie, meine Entschuldigung anzunehmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie beim Liberalen Forum.)


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Nun zur Berufsreifeprüfung, zum sogenannten Quantensprung in Österreichs Bildungspolitik: Hoch klingt das Lied vom braven Höchtl samt Antoni – so könnte man zusammengefaßt die Jubelmeldungen über diese Gesetze in Pressemitteilungen kurz nennen. (Abg. Dr. Höchtl: Du kannst dich aber anschließen! – Abg. Dr. Khol: Weißt du, wie das Lied weitergeht?) Ja, ich weiß auch, wie es weitergeht. (Abg. Dr. Khol: Wer niemals einen Rausch gehabt, der ist kein braver Mann!)

Kollege Öllinger! Es war nicht ganz fair, den Präsidenten bezugnehmend auf seine Presseaussendungen in dieser Sache zu attackieren, wenn er sich vom Präsidium aus nicht zu Wort melden kann. Es ist vor allem nicht fair, die Presseaussendung so auszugsweise zu zitieren, daß sie tatsächlich entstellt ist.

Herr Präsident Brauneder schreibt: "Grundsätzlich sei eine höchstmögliche Durchlässigkeit des Bildungssystems zu begrüßen und daher immer schon ein freiheitliches Anliegen gewesen. ... Um auch Lehrlingen den Zugang zur Universität zu erleichtern, wollen die Freiheitlichen anstelle eines komplizierten Systems neuer Prüfungen eine Modifikation der Studienberechtigungsprüfung. Es sei nämlich durchaus begrüßenswert und sinnvoll, den allgemeinen Hochschulzugang aufgrund der allgemeinen Hochschulreife um einen berufsspezifischen Zugang aufgrund wertvoller Berufserfahrung zu ergänzen. ,Nur weil es zwei Ressorts gibt‘, so Präsident Brauneder, ,muß es nicht zwei Arten von Hochschulzugängen neben den bestehenden Reifeprüfungen geben.‘" – Zitatende.

Dieser letzte Satz deckt sich mit der Kritik, die von den Universitäten zu dieser Berufsreifeprüfung allenthalben unisono kommt, gepaart mit dem Vorwurf, daß es versäumt wurde, in einem Begutachtungsverfahren den Betroffenen – und das sind die Universitäten, bei denen letztlich jene landen, die wir jetzt zur Reife führen – eine Mitsprachemöglichkeit zu geben. Es gibt mehrere bestehende Aufnahmemöglichkeiten, Kollege Höchtl. Es ist nicht richtig, was Sie sagen, wenn Sie meinen, wir hätten es erstmals geschafft, diesen Zugang zu ermöglichen. Sie kennen die drei Möglichkeiten, die drei praktizierten und durchaus ausgenützten Möglichkeiten, von einer Lehre an die Universitäten zu kommen. Viele haben das seit dem Jahre 1945 – aus dieser Zeit stammen die ersten gesetzlichen Regelungen dafür – geschafft.

Es sitzen auch einige Abgeordnete hier, die sich von der Lehre über den zweiten Bildungsweg und über Studien emporgearbeitet haben. Das ist nichts Neues und nichts Einmaliges. Das ist lediglich eine Erweiterung, ein Gesetz zu dieser Materie. Wir Freiheitliche haben nichts gegen ehemalige Lehrlinge an den Unis, bei Gott nicht! 1 Prozent jener, die über den zweiten Bildungsweg zu einer Matura gekommen sind, war etwa im letzten Studienjahr unter den Erstinskribenten an unseren Hochschulen. Das ist gut so, das soll nicht verhindert werden. Wir bezweifeln nur, ob dafür ein weiteres Gesetz mit einem derartigen Umfang erforderlich ist.

Wir sind ganz sicher, daß der Zugang zu den Universitäten, den wir mit einem Gesetz aus dem Jahre 1993 geschaffen haben, durchaus einen ausreichenden Rahmen bietet. Mein Kollege Schöggl wird das später in einem Abänderungsantrag, der inzwischen verteilt wurde und der mit einer geringfügigen Erweiterung dieses Gesetzes identische Möglichkeiten schafft, auch begründen, allerdings mit einem Unterschied, nämlich mit jenem, daß es in der Hand der Universitäten liegt, die Aufnahme zu gestalten.

Präsident Brauneder hat mir soeben einen Ordner übergeben. In diesem Ordner befinden sich eine Reihe von Aufnahmegesuchen an seine Fakultät, die er als Zuständiger bearbeiten durfte und in der Regel positiv erledigt hat. Es handelt sich dabei vorwiegend um Menschen, die über Lehrwerkstätten, über den zweiten Bildungsweg an die Universitäten gelangten und dort in den meisten Fälle reüssierten. Er hat sich mit dieser Thematik intensiv beschäftigt und ist aus diesem Grund zu dem Ergebnis gekommen, daß wir in der Tat kein weiteres Gesetz brauchen, sondern daß lediglich die bestehenden Einrichtungen entsprechend genützt werden müssen.

Es besteht derzeit die Möglichkeit der Externistenprüfungen. In diesem Bereich haben sich Privatschulen etabliert, und zwar nicht nur schlechte oder welche mit schlechten Ergebnissen. Dem gestrigen Ruf danach, auch den schulischen Bereich in Richtung Privatisierung zu verla


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gern oder zumindest zu öffnen, wird mit diesem Gesetz nicht Rechnung getragen. Es ist nicht verwunderlich, daß von daher die negativsten Stellungnahmen gekommen sind.

Negative Stellungnahmen kamen aber auch von den Gymnasien für Berufstätige. Verehrte Frau Bundesminister! Hand aufs Herz! Ich habe wirklich das Gefühl, daß die Gymnasien für Berufstätige das eigentliche Ziel dieses Gesetzes sind: Diese sollen nämlich ausgehungert werden. Sie sind sündteuer; das sei zugegeben. Sie sind aber eine wohldurchdachte, wohlfunktionierende Einrichtung, die, wie bereits erwähnt, zugegebenermaßen viel kostet. Doch mit dieser als Schmalspurlösung anzusehenden Regelung, der Sie heute zustimmen werden, werden Sie mit Sicherheit die Berufsschulen auf lange Sicht untergraben. (Abg. Öllinger: Herr Kollege! Sie sollten den Ordner schnell zurückgeben! Das ist wirklich sonderbar, daß Sie diesen Ordner haben!)

Ich habe keine einzige Zeile aus diesem Ordner zitiert. Ich wollte mit dem Umfang nur darstellen ... (Abg. Dr. Gredler: Das ist nicht Eigentum Ihrer Partei, sondern gehört der Uni!) Ich halte das aus, liebe Frau Dr. Gredler! Auch Sie werden es aushalten, wenn hier ein Ordner liegt, in dem Schicksale aufgelistet sind, Schicksale von Personen, die über den zweiten Bildungsweg an Universitäten gelandet und dort zu einer höheren Bildung gelangt sind. Daran sehe ich nichts Negatives! (Abg. Öllinger: Sie sind FPÖ-Mandatar! – Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Gredler. ) Ich weiß nicht, was Sie da herauslesen.

Ich stelle Ihnen diesen Ordner nicht zur Verfügung, sein Inhalt wird auch nicht im Protokoll abgedruckt. Er sollte nur vom Umfang her darstellen, daß es sich bei diesem Gesetz um keine Neuerungen handelt – das hat Kollege Höchtl soeben festgestellt –, sondern daß es lediglich eine Fortsetzung von bereits bestehenden, durchaus praktikablen und gelungenen Einrichtungen darstellt. (Abg. Dr. Gredler: Das ist geschmacklos!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Öllinger. ) Ich bitte Sie, sich zu beruhigen. Wir werden ja aus dem Protokoll erfahren, was Sie an Anklage vorzubringen haben. (Abg. Dr. Gredler: Das ist es ja, was sensibel ist!) Nehmen Sie zur Kenntnis: Dieser Ordner enthält Berichte über menschliche Schicksale, die in den meisten Fällen positiv ausgegangen sind! Sie werden keinen Blick hineinwerfen! Wenn Sie der Umfang schreckt, dann müssen Sie damit leben. (Abg. Dr. Gredler: Ich will ja nicht! Ich meine, daß Sie eigentlich ein Vorrecht haben, denn das ist nicht Ihrer Fraktion zur Verfügung gestellt worden, sondern der Universität! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Er verwendet es ja gar nicht! – Weitere lebhafte Zwischenrufe.)

Ich halte diesen Einwand für lächerlich! (Abg. Mag. Posch: Das ist nicht lächerlich!) Es gibt viele Fakten und Daten, die Sie nicht unmittelbar zugespielt bekommen haben, sondern über sekundäre Zitationen hier preisgegeben werden. Also ich sehe überhaupt kein Problem darin. Aber noch einmal: Leben Sie damit, machen Sie aus dieser Tatsache, was immer Sie wollen! (Abg. Dipl.-Ing. Hofmann: Das sind Sorgen!)

Frau Bundesminister! Eine abschließende Bemerkung: Ihr Ministerialrat Winkler schätzt, zumindest nach Presseberichten in der "Kleinen Zeitung", daß zunächst 10 Prozent, in absehbarer Zeit aber etwa 30 Prozent der derzeitigen Lehrlinge den Weg zur Universität finden werden. Also er geht – und die Zahlen nennt er – tatsächlich von 40 000 künftigen neuen Studierenden an den Universitäten aus. Ich weiß nicht, ob das tatsächlich die Basis für Ihre Überlegungen war, ob das die Basis für die Entstehung dieses Gesetzes war. Ich kann mir nicht vorstellen, daß das gemeint ist. Wenn dem so wäre, dann wäre die Sorge des Präsidenten von wegen Nivellierung oder Niveaudrückung durchaus angebracht.

Sei es drum, wie immer sich das von Ihnen zu beschließende Gesetz auswirkt, wir halten es in der vorgelegten Form für nicht notwendig. Wir trauen den Universitäten zu, daß sie über die derzeitigen Eingangsprüfungen die Aufnahme für ihre Universitäten ausreichend gut gestalten. Wir halten es für überflüssig, da ein weiteres Gesetz additiv zu bestehenden funktionierenden Einrichtungen hinzuzufügen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.15


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78. Sitzung / Seite 185

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zur Geschäftsordnung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Gredler gemeldet. – Bitte.

20.15

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum) (zur Geschäftsbehandlung): Entschuldigen Sie, Herr Präsident! Könnten Sie aufklären, unter welchen Umständen Datenmaterial, das an der Universität über persönliche Daten von Ausbildungswerdegängen von Studentinnen und Studenten gesammelt worden ist, einer Fraktion dieses Hauses zur Verfügung gestellt worden ist? Ich glaube, daß das ein Mißbrauch ist und dem Datenschutzgesetz widerspricht. Ich möchte Sie um Aufklärung bitten.

20.16

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Sie befinden sich mit jeder Ihrer Behauptungen absolut im Irrtum.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Antoni. –- Bitte. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das gehört nicht zur Geschäftsordnung! Das ist doch kein Geschäftsordnungsantrag! – Abg. Nürnberger: Das ist schon eine starke Begründung!)

20.16

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich teile die Aufregung, die hier jetzt entstanden ist, an sich nicht. Für das Protokoll möchte ich aber schon festhalten, daß ich gerne fragen möchte, ob es sich dabei um Daten handelt, die an sich von der Datensicherheit her zu schützen sind. (Abg. Mag. Barmüller: Entgegen dem Protokoll meinen Sie was?) Denn persönliche Daten von Studenten, über die eine Universität verfügt, sind allemal zu schützen. Das ist meine persönliche Auffassung. – Soviel dazu. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Jung: Wie können die Daten geschützt und nicht geschützt sein?) Bitte? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er hat das gar nicht gesagt! Das stimmt nicht!)

Ich habe das für das Protokoll gesagt. Der Herr Präsident hat gesagt, er kenne den Ordner nicht. Aber das kann man ja wahrscheinlich überprüfen. Ich darf ersuchen, meine Redezeit ausschöpfen zu dürfen, damit meine Kollegen auch zu Wort kommen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Eure Sorgen möchte ich haben!)

Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Nach wie vor wählen in Österreich mehr als 40 Prozent der Jugendlichen eines Altersjahrganges den Weg der dualen Ausbildung. Das geschieht meines Erachtens nicht aus Tradition, sondern vor allem deshalb, weil diese Art der Ausbildung eine beachtliche Qualität hat, weil diese Art der Ausbildung eine solide Arbeits- und Lebensbasis bilden kann und weil schlußendlich seitens der Wirtschaft durch diese Ausbildung die erforderlichen qualitativen Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden können.

Die duale Ausbildung kann in Österreich auf eine kontinuierliche und konsequente Entwicklung zurückblicken, dies sowohl im beruflichen Bereich als aus im Ausbildungsbereich. Ich empfehle allen Damen und Herren des Hohen Hauses, den interessanten Artikel "Von der Sonntagsschule zur Fortbildungsschule" zu lesen. Nachzulesen ist das in der Broschüre der Arbeiterkammer und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes. Allein – und lassen Sie mich das noch sagen – seit 1990 wurden unter sozialdemokratischen Unterrichtsministern in der Berufsschule das Fach "Deutsch und Kommunikation" und eine lebende Fremdsprache durchgesetzt. Weiters wurde das Berufsschulwesen in der Sekundarstufe I unseres Bildungswesens verankert und eingegliedert.

Unter Frau Bundesministerin Gehrer wird nunmehr die Einführung der Berufsreifeprüfung umgesetzt. Ich meine, daß das eine langjährige Forderung der SPÖ und vor allem auch der Arbeitnehmerinteressenvertretungen ist. Damit wird unser Bildungswesen durchlässiger. Wie schon gesagt, die Bildungssackgasse Lehre wird beseitigt. "Karriere mit Lehre" ist nicht mehr ein leeres Schlagwort. Das ist in der Tat eine Qualifizierungsoffensive für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ich glaube, daß damit auch ein wesentlicher Beitrag zum weiteren Ausbau von


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78. Sitzung / Seite 186

Begabungsförderungen geleistet wird. Junge, begabte und engagierte Menschen erhalten die Chance einer Weiter- und Fortbildung.

Lassen Sie mich nun zu einzelnen kritischen Positionen von seiten der österreichischen Universitäten ein Wort sagen.

Erstens möchte ich sagen, daß jemand, der die Berufsreifeprüfung macht, nicht unbedingt automatisch an der Universität studieren will oder studieren wird. Es geht dabei auch um die Anhebung des sozialen Status und um höhere Anerkennung in der Gesellschaft. Außerdem geht es dabei auch um Möglichkeiten, im Beruf einen Aufstieg zu erreichen. Selbstverständlich geht es dabei auch um persönliche Weiterbildung. Da ich selbst auch den zweiten Bildungsweg gegangen bin, meine ich, daß die Menschen, die den Abschluß mit Matura über Kurse, Zusatzangebote und Fernlehrgänge neben Beruf, Familie und anderen Belastungen erwerben beziehungsweise erkämpfen und dann vielleicht auch noch ein Studium absolvieren, allemal nicht zu den Unfähigsten unserer Gesellschaft gehören. Ich meine, daß diese sogar sehr wertvolle Menschen sind. Diese stehen ganz eindeutig zu diesen Ansätzen!

Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, daß es erforderlich ist, daß die entsprechenden Rahmenbedingungen für eine effiziente Umsetzung der Interessen derer, die den Weg der Berufsreifeprüfung gehen wollen, geschaffen werden Es wird erforderlich sein, entsprechende Vorbereitungsmodule an den Berufsschulen sicherzustellen. Es wird erforderlich sein, den § 46 – das habe ich schon gestern gesagt – entsprechend anzupassen, damit die Aufgaben der Berufsschule erweitert werden. Es werden Vorbereitungsmodule an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen anzubieten, Angebote an den Werkmeisterschulen für Berufstätige auszuweiten und weitere Fördermaßnahmen im Bereich der gesamten Erwachsenenbildung vorzusehen sein.

Ich meine, daß außerdem Fernkursmaterialien – insbesondere in den Fächern Deutsch, Mathematik und lebende Fremdsprache – zu erarbeiten und anzubieten sein werden, um auch regional an die Interessierten etwas näher heranzukommen, damit auch derjenige, der in irgendeinem abgelegenen Tal beheimatet ist, eine Chance hat, sich an derartigen Möglichkeiten zu beteiligen.

Die berufsbegleitende Weiter- und Fortbildung – das ist meine letzte Forderung; diese ist  aber besonders wichtig – ist ebenso wie die Erwachsenenbildung zu forcieren. Das muß auf der einen Seite dazu führen, daß berufliche Weiterbildung einen höheren Stellenwert erhält, und auf der anderen Seite auch sicherstellen, daß die erforderliche Basisfinanzierung gewährleistet ist.

Ich meine, daß die Berufsreifeprüfung, generell gesehen, für eine weitere Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich von Bedeutung ist. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.23

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich gebe bekannt, daß die Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt haben, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, und zwar zur Untersuchung der Verantwortung im Zusammenhang mit der mehr als zweijährigen Behinderung der Ermittlungen zum Bombenterror durch Nachrichtenschwindler des Innenministeriums und dem Versagen der Organe der Justiz.

Die Durchführung einer Debatte hierüber wurde nicht verlangt.

Gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung findet die Abstimmung daher nach Erledigung der Tagesordnung statt.

*****

Zu Wort gemeldet ist als nächster Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


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78. Sitzung / Seite 187

20.24

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich habe diese Berufsausbildungsgesetz-Novelle 1997 an die Personalabteilung eines großen Konzerns gegeben und den Personalchef, der sehr viele Lehrlinge ausbildet, gebeten, mir zu sagen, was er davon hält. Das werde ich Ihnen jetzt vorlesen:

"Die angeführten Veränderungsvorschläge im Berufsausbildungsgesetz reagieren meines Erachtens kaum oder nur zu geringem Teil auf die im Vorblatt erarbeitete Problemstellung. Die in den Problemen angegebenen sechs Punkte werden nur im äußerst geringen Teil in der angesprochenen Gesetzesvorlage bearbeitet. Mit den Überlegungen wird weder der Rückzug der österreichischen Betriebe aus der Lehrlingsausbildung gestoppt, noch werden neuartige Anreize für österreichische Betriebe, die Lehrlingsausbildung aufzunehmen und fortzusetzen, initiiert.

Auch scheint mir die übermäßige Bürokratie bei Einzelfallentscheidungen nicht geregelt. Ob sich das Verfahren zur Festlegung des Ordnungsrahmens für neue oder geänderte Lehrberufe reduziert, kann man aus der vorliegenden Unterlage nicht erkennen. Das unter Punkt 5 bei den Problemen angeführte Fehlen von Förderinstrumenten für Lehrlinge, Lehrabsolventen oder Ausbilder fehlt noch immer. Somit glaube ich" – so schließt der Brief –, "daß es wieder geschafft wurde, ein Gesetz zu verändern, ohne es wirklich zu ändern."

Meine Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Diese Novelle zum Berufsausbildungsgesetz schadet sicherlich nicht. Sie bringt ohne Zweifel da und dort punktuelle Verbesserungen. Sie wird aber das Problem nicht annähernd lösen, vor dem wir betroffen stehen, nämlich das Problem, daß junge Menschen keine Lehrstelle mehr finden.

In der Österreichischen Volkspartei gibt es eine Vielzahl von klugen und gescheiten Menschen. Drei davon befinden sich noch in der aktiven Politik, nämlich der ehemalige Bundesminister Dr. Ditz, Herr Landesrat Dipl.-Ing. Paierl, Wirtschaftslandesrat in der Steiermark, und Herr Ing. Mag. Peter Hochegger, Landtagsabgeordneter in der Steiermark. Diese haben im April 1996 – vor einem Jahr! – in einer Pressekonferenz gesagt, welche Maßnahmen notwendig wären, um die Lehrlingsausbildung wirklich attraktiver zu machen. Sie haben in zehn Punkten – ich zähle sie nur ganz kurz auf – gesagt: Die Berufsschulzeit ist kostenmäßig vom Ausbildungsbetrieb zu trennen, Freigegenstände in der Schule dürfen nicht im Ausbildungsbetrieb abgegolten werden, die Probezeit ist von zwei Monaten auf drei Monate zu verlängern, die Behaltepflicht in der Lehre ist auf drei Monate zu verkürzen, die Aufwendungen für die Lehrlingsentschädigung sind von der Kommunalsteuer auszunehmen, die Obergrenze bei der Jugendlichenbeschäftigung muß auf 18 Jahre gesenkt werden, die wöchentliche Arbeitszeit muß eine Durchrechnungszeit haben, die Wochenruhe muß gestaltet werden, Abendruhe in der Gastronomie erst ab 23 Uhr, die Pausenregelungen müssen jenen der Erwachsenen angeglichen werden.

Meine Damen und Herren! Sie haben davon eine Reihe von Dingen erledigt, und die Bundesregierung hat eine ganze Reihe von Maßnahmen im Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz und im Berufsausbildungsgesetz verbessert. Dazu mein Kompliment und vielen Dank! Es muß jedoch folgendes bedacht werden: Das sind punktuelle Verbesserungen, mit welchen das Problem noch nicht gelöst wird! Warum können wir nicht gemeinsam einmal darüber diskutieren, daß wir diese wirklich so wichtige duale Ausbildung auf neue Beine stellen? Ich orte immer wieder, wenn ich die Auszeichnung habe, Ihnen gemeinsam mit Kollegin Schaffenrath dieses Modell vorzuschlagen, Zustimmung. Warum reden wir nicht darüber? Trennen wir doch wirklich die Berufsschulzeit von der Ausbildungszeit in den Betrieben! Stellen wir doch wirklich die Lehre als eine völlig selbständige Säule in das duale Ausbildungssystem!

Höchtl hat heute gesagt, Durchlässigkeit sei ein Ziel: Dem stimme ich zu! Brauneder hat ebenfalls in einer Presseaussendung gesagt, daß Durchlässigkeit ein Ziel ist. Wir alle sind dieser Meinung! In Anbetracht dessen frage ich Sie: Wie können wir die Durchlässigkeit noch besser gestalten als durch die Lehre als dritte Säule in der sekundären Bildungsstufe?


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78. Sitzung / Seite 188

Der Chef der Arbeitsmarktverwaltung, Buchinger, hat einen Vorschlag gemacht. Er hat gesagt: Schicken wir die jungen Leute ein halbes Jahr in die Schule und dann ein halbes Jahr in den Betrieb. Ich meine, eine solche Aufteilung, aber in kürzere Zeiträume, ist klüger. Sechs Monate Berufsschule ist für viele zu lang, denn es gibt junge Leute, die lernschwach sind und mit der Schule wenig anfangen können. Ich glaube aber dennoch, daß auch für letztere eine dreimonatige Berufsschule notwendig wäre, denn in der Berufsschule wird nicht nur die Berufsausbildung zum Fleischer oder zum Handelsangestellten vermittelt, sondern die jungen Leute erhalten dort auch eine unserer Informationsgesellschaft entsprechende Ausbildung und damit eine Basis fürs Weiterlernen. Eine EDV-Ausbildung ist zwar vielleicht für die Ausübung ihres Berufes nicht dringend notwendig, sie ist jedoch für das Leben in der Informationsgesellschaft unverzichtbar. Auch eine Fremdsprachenausbildung wird zwar nicht in jedem Beruf gebraucht, sie ist aber für einen Europabürger notwendig. Es ist mein persönliches Steckenpferd, mir auszumalen, daß es schön wäre, wenn jeder junge Mensch in Österreich die Sprache eines Nachbarlandes lernen würde: ein bißchen Tschechisch, ein bißchen Slowakisch, ein bißchen Ungarisch, ein bißchen Slowenisch, ein bißchen Italienisch. Warum ist mir das ein Anliegen? – Damit wir bei einer Erweiterung der Europäischen Union miteinander kommunizieren können! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien! Sie sind an der Regierung und gestalten momentan die gesetzliche Basis in diesem Land mit Ihrer Mehrheit. Warum setzen wir uns nicht zusammen und besprechen, ob im Unterrichtsausschuß unter der Federführung der Frau Bundesministerin oder im Wirtschaftsausschuß unter der Federführung des Herrn Ministers Farnleitner ... (Abg. Dr. Niederwieser: Sie waren ja nicht da!) Ich nehme diesen Zwischenruf zur Kenntnis, antworte aber nicht darauf! Einverstanden? – Gut!

Warum reden wir nicht wirklich über dieses Thema? Offensichtlich sind wir bereits in der Mehrheit so weit, daß wir merken, daß wir mit der Lehre so nicht weiterkommen. Es ist wirklich schade um die duale Ausbildung, und es ist vor allem schade um die vielen finanziellen Mittel, die wir an den AHS und BHS vertun!

Die Kinder züchten sich Frust an, wenn sie in Schulen gehen, die nicht ihrem Ausbildungsprofil entsprechen. In den berufsbildenden höheren Schulen sind 40 Prozent Abbrecher! Das ist doch eine glatte Fehleinsetzung der Ressource! Wir sollten die Lehre attraktivieren, zum Beispiel durch den Wechsel von sechs Monaten Berufsschule und sechs Monaten Ausbildung im Betrieb, und Durchlässigkeit in Berufsausbildungszentren schaffen – Schaffenrath hat das mehrmals angetönt – , denn damit schaffen wir weitere Module, durch welche ermöglicht wird, nach dem Abschluß der Gesellenprüfung die Meisterprüfung abzulegen oder Fachhochschulreife zu erlangen.

Meine Damen und Herren! Ich habe nicht vor, die Festung zehnmal zu berennen! Eigentlich habe eher das Gefühl, daß wir offene Schwingtüren einrennen. Warum setzten wir das nicht um? Aber der mudos procedendi in diesem Lande wird eben so sein, daß wir die Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei und die Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei bitten müssen, zu Gesprächen darüber einzuladen. Wenn Sie unsere Anträge dabei stören, weil sie von der Opposition kommen, dann vergessen Sie diese und bringen eigene ein! Wir stimmen auch denen zu! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

20.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldete ist Herr Abgeordneter Amon. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

20.31

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Peter! Sie haben gemeint, daß eine dritte Säule der Ausbildung, nämlich die Lehrausbildung und Durchlässigkeit, erforderlich ist. Betrachten wir doch einmal das Bildungssystem! Einerseits gibt es die allgemeinbildenden höheren Schulen mit Maturaabschluß und Studienmöglichkeit, andererseits die berufsbildenden höheren Schulen mit Maturaabschluß und Studienmöglichkeit. Ferner gibt es die be


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78. Sitzung / Seite 189

rufsbildenden mittleren Schulen, bei denen die Möglichkeit besteht, ein zwei- oder dreijähriges Kolleg mit Maturaabschluß anzuschließen und Hochschulreife zu erlangen. Weiters gibt es die Lehrausbildung, die je nach Lehrberuf zwischen zwei und vier Jahren dauert und mit der Lehrabschlußprüfung, mit der Gesellenprüfung abschließt, bei der dann die Möglichkeit besteht, nach einer dementsprechenden Praxis eine Meisterprüfung anzuschließen. In diesem Fall ist der Zugang zur Hochschule sozusagen nur über den Umweg – und ich sage ausdrücklich "Umweg" – einer Studienberechtigungsprüfung beziehungsweise einer Abendschule möglich, die im Grunde genommen mit der eigentlichen Ausbildung an sich nichts zu tun hat.

Die Freiheitlichen verleihen in ihrem Abänderungsantrag der Meinung Ausdruck, daß die Studienberechtigungsprüfung der einfachere Weg ist. – Ich halte dem entgegen, daß dem nicht so ist. Denn wie schaut es aus, wenn ein Tischlermeister Jus studieren will? – Er braucht, um zur Studienberechtigungsprüfung zugelassen zu werden, eine einschlägige Vorbildung. (Abg. Schaffenrath: Die kann er auch durch Vorprüfungen nachbringen!) Ja, aber wie holt er sich diese? – Er besucht als außerordentlicher Hörer Vorlesungen an der Universität und legt Prüfungen über das Gehörte ab. Das zählt dann als einschlägige Vorbildung, hat aber mit seiner ursprünglichen Ausbildung nichts zu tun. Daher enthält das Berufsreifeprüfungsgesetz die klarste Durchlässigkeit, die denkbar ist. Es wird nämlich dort angesetzt, wo jemand seine Berufsausbildung abgeschlossen hat. Wenn jemand die Meisterprüfung abgeschlossen hat, kann er sich den fachpraktischen Teil ersparen und in den allgemeinbildenden Fächern eine allgemeine Hochschulreife erreichen. Diese Durchlässigkeit ist daher die effizienteste, und die anderen Möglichkeiten bleiben erhalten. (Abg. Schaffenrath: Aber nicht ohne Begleitmaßnahmen!)

Ich glaube, daß es uns mit dieser Berufsreifeprüfung auch gelingen wird, den enormen Druck zu beseitigen, der insbesondere auf den Absolventen der AHS-Unterstufe und der für sie Verantwortlichen lastet. Denn heute ist bei der Entscheidung, ob ein Kind eine weiterführende Schule oder eine Lehre besuchen soll, der gesellschaftliche Druck so stark, daß die Kinder mit aller Gewalt in höhere Schulen gedrängt werden und dann sehr oft an diesem System scheitern, weil dieser Zugang nicht der ihre ist, weil sie eher praxisorientiert sind und vielleicht in der Theorie in dieser Phase ihres Lebens noch Probleme haben. Daher ist es durchaus sinnvoll, die offensichtliche Durchlässigkeit, die jetzt mit der Berufsreifeprüfung ermöglicht wird, zu gewähren. Damit werden die Eltern von dem Druck befreit, unter dem sie bei der Ausbildungsentscheidung für ihre Kinder oft stehen, weil sie sich den späteren Vorwurf ersparen möchten, ihren Kindern nicht alle Möglichkeiten geboten zu haben. (Abg. Schaffenrath: So ist es!)

Frau Kollegin Schaffenrath! Sie haben zuvor gesagt, daß wir mit der Berufsreifeprüfung das Problem im Lehrlingsbereich nicht lösen werden. Da gebe ich Ihnen recht! (Abg. Schaffenrath: Jetzt bin ich aber gespannt!) Darum haben wir uns auch nicht auf diese eine Maßnahme beschränkt, sondern haben auch im Kinder- und Jugendschutzgesetz und im Ausbildungsgesetz entsprechende Maßnahmen getroffen. Es wurden Maßnahmen getroffen, von der Schaffung der Berufsreifeprüfung bis etwa zu Schaffung der Möglichkeit, daß Lehranfänger mit einem Mofa fahren dürfen, um zum Betriebsort zu gelangen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Eine Fülle von Maßnahmen greift jetzt beziehungsweise wird sinnvoll greifen. (Abg. Schaffenrath: Zu wenige!) Ich hoffe im Interesse der Jugend und im Interesse der Lehrlinge, daß wir recht behalten und Sie unrecht haben! (Abg. Schaffenrath: Das wünsche ich Ihnen sogar!)

An dieser Stelle möchte ich sagen, daß Ihr Abänderungsantrag nicht uninteressant ist. Wir haben im Ausschuß auch sehr lange und ausführlich darüber diskutiert, welche Möglichkeiten der Anrechnung und Zuerkennung es noch gäbe, und es wäre natürlich schön gewesen, wenn Sie – diesen Vorwurf können wir Ihnen nicht ersparen – im Ausschuß gewesen wären und dort konstruktiv Ihren Beitrag geleistet hätten! (Abg. Schaffenrath: Stimmen Sie dem Antrag doch zu!)

Es geht vor allem darum, daß wir mit diesem Berufsausbildungsgesetz einen neuen Weg beschreiten, nämlich den Weg zu einer offensichtlichen Durchlässigkeit. Es wird nach einigen Jahren sicherlich die Möglichkeit geben, in weitere Bereiche vorzudringen.


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Wir halten jedenfalls dieses Berufsreifeprüfungsgesetz für einen Meilenstein in der Bildungspolitik, und ich möchte mich auch bei der Frau Bundesministerin und Ihrer Beamtenschaft herzlich bedanken, daß es trotz zum Teil auch massiver Widerstände gelungen ist, dieses Berufsreifeprüfungsgesetz heute durchzusetzen.

Ich lade auch die Freiheitlichen ein, sich das noch einmal zu überlegen. Vielleicht tut sich dann auch Ihr Bundesobmann auf heißen Stühlen in diversen Discotheken, wo er meint, besonders lehrlingsfreundlich agieren zu müssen, etwas leichter, den Jugendlichen, anstatt ihnen die angeblich so komplizierte Studienberechtigungsprüfung schmackhaft zu machen, zu signalisieren, daß sie den Weg der Berufsreifeprüfung wählen können und daß die Lehrausbildung und die damit verbundene – wenn man sie machen will – Meisterprüfung der Matura gleichgestellt sind. Das ist von der Wertigkeit ganz besonders wichtig, und das erreichen wir mit diesem Bundesgesetz! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.37

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaugg. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

20.37

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Die Vertreter der beiden Regierungsparteien haben ein Problem (Abg. Jung: Sie haben viele Probleme!) : Anstatt daß sie Bildungs- und Berufschancen für Jugendliche schaffen, schaffen Sie neue Gesetze! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Es wird jetzt wieder ein Gesetz ins Leben gerufen, das nicht mit Leben erfüllt werden kann.

Abgeordneter Dr. Antoni hat gemeint, daß bei knapp der Hälfte der Berufsausbildungen das duale Ausbildungssystem bevorzugt wird. Das finden wir nur in Wien. Eigentlich ist das ein System, das vom Grundsatz her funktioniert, es gibt jedoch Schwierigkeiten bei der Umsetzung. Man hält am alten System der einmal wöchentlichen Berufsausbildung in der Schule fest, die unter Umständen auf Tage fällt, an denen im Lehrbetrieb am meisten zu tun ist. Das gefällt auch den Schülern nicht. Daher bin ich der Meinung, daß man da neue Wege beschreiten sollte.

Wesentlich erscheint mir auch, daß Anreize geschaffen werden. Nicht nur die Möglichkeit des Zugangs zum Studium ist entscheidend, sondern da geht es auch – das hat auch Herr Kollege Antoni gesagt – um die Frage des Sozialprestiges. Das sollte man ernst nehmen! Viele Berufstätige nutzen gerade im zweiten Bildungsweg die großen Bildungsmöglichkeiten und schaffen auch einen Abschluß. Die Drop-out-Rate ist bei dieser Gruppe wesentlich geringer als bei jenen, denen der Zugang relativ leicht gemacht wird. Daher müssen gerade die ÖVP-Vertreter, wenn sie ihren Slogan "Karriere mit Lehre" ernst nehmen, diese Karrieremöglichkeiten auch anbieten.

Aber es scheitert ja bereits an der Frage der Arbeitsbedingungen für Lehrlinge, vor allem aber am Lebenseinkommen. Der Lehrling bleibt eben immer der zweite. Daher ist es notwendig, berufsweiterbildende Maßnahmen zu setzen und Möglichkeiten zur außerberuflichen Weiterbildung zu schaffen.

Darüber hinaus sollten Sie – und das ist ein Appell an die SPÖ – eine Begabten- und Leistungsförderung für jene einführen, die besonders tüchtig und fleißig sind, und denjenigen den Zugang zu den Universitäten zu erschweren, die vielleicht nur deshalb zum Studium neigen, weil ihnen eine Lehre als zu wenig attraktiv erscheint. Sie haben immer wieder die Aussage getroffen: Wenn wir alles umsetzten, was hier gesagt wird, dann hätten wir überhaupt kein Problem bei der Bildung unserer Jugend. Woran scheitert es denn? Am lieben Geld! So kostet zum Beispiel der Ausbau der Werkmeisterschulen oder der Fernkurse eine Menge Geld. Jetzt wurde wieder ein Vorschlag betreffend weiterführende Schulen – das betrifft 5 600 Schulabgänger – gemacht. Das kostet Geld! Daher erwarte ich mir in einer Zeit der Budgetverknappung von den Regierungsparteien, daß sie, wenn sie Lösungen anbieten, auch dazusagen, wie das finanziert wird, und nicht nur sagen: Das hätten wir gerne! – Auch wir hätten das gerne. Das wäre wünschenswert!


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78. Sitzung / Seite 191

Es ist schon richtig, was Abgeordneter Peter aus dem Brief eines Personalchefs hier verlesen hat, nämlich daß man die Probleme genau erkannt hat, daß die Problemlösung aber leider mangelhaft ist und die Maßnahmen nicht richtig umgesetzt werden. (Abg. Schaffenrath: Die Umsetzung, die Kollege Peter genannt hat, würde nichts kosten!) Die des Kollegen Peter nicht! Kollege Antoni hat jedoch viele Beispiele genannt, die eine Menge Geld kosten. Ich erwarte mir aber, daß ein Regierungsabgeordneter, wenn er Vorschläge macht, auch die entsprechenden Bedeckungsvorschläge mit einbringt.

Ich erwarte mir auch, daß man endlich zur Kostenwahrheit für alle Auszubildenden übergeht, zur Kostenwahrheit bei der Ausbildung eines Lehrlings, eines Schülers oder eines Studenten. Wir könnten uns die Probleme, die wir heute haben, nämlich die überfüllten Universitäten und eine gewaltige Drop-out-Rate, vielfach ersparen, wenn es schon vorher eine vernünftige Selektion gäbe. Heute geht das Lehrstellenangebot zurück, aber auch die Nachfrage nach Lehrstellen ist rückläufig, weil es kein entsprechendes Angebot gibt.

Daher noch einmal mein Wunsch: Durchforsten wir die Lehrpläne, auch die der Fachhochschulen! Es ist unverständlich, daß die Kommission nur deshalb ein halbes Jahr außer Kraft gesetzt wird, weil man vor neuen Anträgen Angst hat, damit diese nicht behandelt werden müssen. Das ist bedauerlich, und es muß daher intensiver gearbeitet werden.

Ich meine, daß in der Entwicklung der Berufsausbildung eine neue Qualität Platz greifen muß. Zunächst ist ein Durchforsten der Lehrpläne auf Sinnhaftigkeit und Zweckmäßigkeit notwendig. Ferner muß auf die beiden so wesentlichen Komponenten, nämlich auf das Lebenseinkommen und das Sozialprestige der einzelnen Auszubildenden, Rücksicht genommen werden. Warten auf ein Wunder ist zuwenig. Ich meine, es sollte zu mehr Attraktivität der Ausbildung und der damit verbundenen Berufsaussichten kommen. Diese können wir durch bessere Angebote, jedoch nicht durch neue Gesetzte schaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.42

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter Gaugg! Ich stelle der Geschäftsordnung gemäß fest, daß Sie den Abänderungsantrag in den wesentlichen Punkten nicht erläutert haben. Es wird daher Aufgabe des freiheitlichen Klubs sein, dieses Manko durch einen anderen Redner wettzumachen. (Abg. Grabner: Hört! Hört!)

Zu Wort gemeldet ist als nächste Frau Bundesminister Gehrer. – Bitte, Frau Bundesministerin.

20.43

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, daß diese Diskussion über die Berufsreifeprüfung so sachlich und fundiert geführt wird. Ich freue mich auch, daß von den Oppositionsfraktionen hier im Hohen Haus die sachliche Notwendigkeit einer Durchlässigkeit im Schulsystem betont wird.

Es tut mir immer ein bißchen weh, daß man die Hauptschulen so hinstellt, als ob sie Einbahnen wären. Herr Abgeordneter Öllinger hat wieder gesagt, daß es unzureichende Möglichkeiten gibt, von der Hauptschule in weiterführende Schulen zu kommen.

Meine Damen und Herren! Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, daß über 50 Prozent der Maturanten und Maturantinnen über den Weg der Hauptschule zur Matura kommen! Die Hauptschule ist also eine gute Schule, sie ist keineswegs eine Einbahn oder eine Sackgasse, sondern läßt alle Chancen und Möglichkeiten offen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Mit der Berufsreifeprüfung wird jetzt eine weitere Maßnahme umgesetzt, die im Regierungsübereinkommen festgeschrieben worden ist. In Anbetracht dessen, daß manche gemeint haben, daß im Bildungsbereich nichts geschehe, habe ich einmal nachgeschaut, was in den letzten zwei Jahren umgesetzt wurde. Ich darf Ihnen sagen, es wurden über 90 Prozent der Maßnahmen, die wir im Koalitionsübereinkommen festgeschrieben haben, umgesetzt. Es wurden über 22 Initiativen gestartet. Ich zähle auf: Integration, Objektivierung, Schulraumüberlassung, Frühwarnsystem, Autonomie im pädagogischen und im finanziellen Bereich, Strukturmaßnahmen in der


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78. Sitzung / Seite 192

Stundentafel und in der Verwaltung, Schulunterrichtsgesetz für Berufstätigkeit, Möglichkeiten zum Sponsoring, Anerkennung von Auslandsschulbesuchen, "Poly 2000", Flexibilisierung bei Schulveranstaltungen, Begabungsförderung, Möglichkeit zur Setzung von Schwerpunkten bei Kreativität, Ausbau der Fremdsprachenkompetenz, Umsetzung von EU-Programmen, Technologieoffensive, neue Lehr- und Lernformen, Anrechnung der Pädagogischen Akademie an den Universitäten, Verbesserung der Ausbildung der AHS-Lehrer, Arbeiten zur Lehrplanentwicklung. All das ist in den letzten zwei Jahren teilweise durch Gesetze und durch Verordnungen umgesetzt beziehungsweise in Angriff genommen worden und wird im Schulbereich weiterbetrieben.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist heute das Berufsreifeprüfungsgesetz, das eine echte Durchlässigkeit bringt. Diese Berufsreifeprüfung stellt ein Angebot und eine Chance für Jugendliche dar. Sie ist ein Teil der Jugendbeschäftigungsoffensive der Bundesregierung, die wir in der Öffentlichkeit bereits vorgestellt haben. Dazu gehören die Flexibilisierungen in der Gewerbeordnung, die heute beschlossen wurde, und die Änderungen beim Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz. Dazu gehören aber auch die breiten Angebote, die durch das neue Berufsausbildungsgesetz möglich gemacht werden. Es werden neue Lehrberufe verordnet, wie etwa Recycling- und Entsorgungstechniker, Kommunikationstechniker, Sanitär- und Heizungstechniker, sowie neue Hightech-Berufe geschaffen, die einen hohen Level haben, wie etwa Anlagenelektriker, Maschinenmechaniker oder Werkzeugmechaniker.

Die zusätzlichen Initiativen zu dieser Jugendbeschäftigungsoffensive wurden in Rust beschlossen, und zwar Projektteams in den Bundesländern zwischen dem Arbeitsmarktservice, den Sozialpartnern und der Schulverwaltung, die sich wirklich um jeden einzelnen Jugendlichen, der heuer die Schule verläßt, kümmern, Möglichkeit für weitere schulische Angebote. Es wird geprüft, ob der Jugendliche gegebenenfalls ein freiwilliges zehntes Schuljahr absolvieren sollte, ob ihm die Möglichkeit gegeben werden sollte, den Hauptschulabschluß nachzuholen, oder ob man ihm die Chance bieten könnte, eine Fachschule zu besuchen, wenn nicht genug Lehrplätze vorhanden sind.

Es wird eine Initiative gestartet, daß auch Ausbildungsplätze bei Gebietskörperschaften und Vereinen angeboten werden. Es werden Berater in den Betrieben tätig werden, die eigens mit der Akquisition von Lehrstellen beschäftigt sind. Es wird ein Modell für eine Lehrlingsstiftung entwickelt, welche ein Auffangnetz sein soll, mit deren Hilfe Jugendlichen, die nach dem 1. November noch keinen Lehrplatz haben, die duale Ausbildung ermöglicht werden soll. Es werden Modelle für ein Berufspraktikum geschaffen, damit Jugendliche, die bereits eine Berufsausbildung haben oder die etwa bereits eine HAK oder HTL absolviert oder gegebenenfalls auch schon einen Hochschulabschluß haben, aber keinen Arbeitsplatz finden, in einem Beruf ein Praktikum machen können. Es ist erwiesen, daß Jugendliche, die zusätzlich zu ihrer Berufsausbildung auch schon ein Praktikum haben, leichter einen Arbeitsplatz finden.

All diese Initiativen zeugen davon, daß es uns ein großes Anliegen ist, daß Jugendliche ihr Berufsleben nicht mit der Erfahrung beginnen, daß sie überflüssig sind. Es soll Jugendlichen bewiesen werden, daß sie eine Chance auf Ausbildung, auf die Absolvierung eines Praktikums und auf den Einstieg in das Berufsleben haben.

Die Berufsreifeprüfung, die wir heute beschließen, stellt für mich – um bei einer modernen Diktion zu bleiben – einen Lückenschluß bei der Durchlässigkeit dar. Sie ist eine Anerkennung der im Beruf erworbenen Schlüsselqualifikationen, und sie ist auch ein weiterer Schritt zur Anerkennung von vorhandenen Fähigkeiten und von vorhandenem Wissen. Wenn wir alle zusammen die Möglichkeiten, die mit der Berufsreifeprüfung verbunden sind, positiv ausbauen, dann wird diese Berufsreifeprüfung sicher zu einer Aufwertung der Lehrberufe in der Öffentlichkeit, vor allem bei den Eltern, ganz entscheidend beitragen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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20.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten DDr. Niederwieser vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.50

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sie haben vorhin gemeint, wir hätten sehr sachlich diskutiert. Ich möchte mich ebenfalls darum bemühen, muß aber zunächst auf jenen Ordner zurückblenden, den Abgeordneter Grollitsch von den Freiheitlichen hierher ans Rednerpult mitgebracht hat.

Herr Präsident! Wir sind uns soweit einig (Abg. Jung: Wer wir?)  – wir werden gleich sehen, ob euer Erinnerungsvermögen auch so gut ist –, daß Kollege Grollitsch gesagt hat – nicht ganz wörtlich –, es handle sich dabei um einen Ordner, den ihm Herr Präsident Brauneder, der an der Universität für die Studienberechtigungsprüfung zuständig ist, zur Verfügung gestellt habe. Er enthält Leute, die um die Studienberechtigungsprüfung angesucht haben. (Abg. Jung: Die Leute nicht!) Die Akten der Leute, die Ansuchen der Leute, die Schicksale der Leute. (Abg. Jung: Schicksale nicht!) Davon hat er gesprochen. Sind wir uns soweit einig?

Ich frage mich nun, wie dieser Ordner, den er danach wieder hinausgetragen hat und der dann von einem Ihrer Klubmitarbeiter wahrscheinlich in den Klub verbracht wurde, hierherkommt und als Argumentationsunterlage einer Partei in einer Auseinandersetzung um dieses Gesetz dienen kann. Wie gibt es das? (Abg. Dr. Karlsson: Ungeheuerlich!) Das war entweder ein großer "Schmäh" des Kollegen Grollitsch – wäre ja auch möglich –, oder es ist ein Mißbrauch öffentlicher Akten für Parteizwecke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP und des Liberalen Forums.)

Es geht doch dabei um folgendes: Jemand, der einem Universitätsorgan einen Brief mit einem Ansuchen und seinem persönlichen Lebensweg schreibt, muß sich doch darauf verlassen können, daß diese seine Daten nicht auf einmal im FPÖ-Klub liegen. Kapieren Sie das nicht? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Nowotny: Richtig! – Rufe bei der SPÖ: So ist es!)

Wenn Frau Partik-Pablé, die in der Justiz tätig war (Abg. Dr. Mertel: Ist!) , dann auch noch fragt, was wir denn daran finden würden und was denn das solle, dann frage ich mich schon: Welche Qualifikation haben Sie überhaupt? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich sitze ja nicht als Richterin hier!) Wir müssen feststellen, daß, wenn Sie in diesem Staat das Sagen hätten, mit den Akten der Bürger wohl noch viel Schlimmeres passieren würde. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Gott sei Dank stellen Sie meine Qualifikation als Richterin nicht fest!)

Ich habe nicht Ihre Qualifikation als Richterin angesprochen (Abg. Dr. Partik-Pablé: Na selbstverständlich! Sie haben es ja gesagt! Streiten Sie es jetzt nicht ab!), sondern ich habe gesagt, daß ich mich darüber wundere, daß Sie als Richterin an so einem Mißbrauch nichts finden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie haben gesagt, wo meine Qualifikation liegt! Sie vermischen alles!) Seien Sie froh, wenn Sie diesen Akt nicht auf den Tisch bekommen! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie vermischen Politik und Beruf! Passen Sie auf, was Sie sagen!) Es wäre durchaus möglich, daß Sie diesen Akt wegen Mißbrauchs von Daten auf den Tisch bekommen. (Abg. Jung: Wo sind denn Daten überhaupt verwendet worden? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Die Tatsache, daß diese Daten und diese Unterlagen in Ihrem Klub liegen, ist schlimm genug. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ein schäbiger Denunziant sind Sie! – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen.) Das sollten Sie schön langsam einsehen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jung: Bei uns hat sich noch keiner verkabeln lassen, Herr Kollege! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Was fällt Ihnen ein, meine Qualifikation als Richterin hier zur Debatte zu stellen?)

Auch dazu kann ich mir eine Meinung bilden, Frau Kollegin! (Abg. Dr. Stippel: Das hat er nicht gesagt! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Lesen Sie das Protokoll nach! Dann sehen Sie, was er gesagt hat! – Weiterer Zwischenruf des Abg. Dr. Kostelka. ) Aber dann sehen Sie auch, was Sie gesagt haben, und im Protokoll wird auch Ihr verharmlosender Zwischenruf aufscheinen, Frau Kollegin. Ich bin gespannt, was Sie dann dazu sagen. (Abg. Dr. Mertel: Das sind nette Worte!)

Ich kümmere mich um das, was hier passiert, und es ist unser Recht und unsere Pflicht als Abgeordnete, uns auch darum zu kümmern, daß Bürger in diese Dinge nicht hineingezogen werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Kümmern Sie sich um sich selber! Sie sind nicht einmal in der Lage dazu! – Abg. Dr. Karlsson: Denunzieren – mehr können sie nicht!) Also


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Sie zeigen zumindest ein bißchen eine Reaktion! Das läßt doch ein wenig auf ein schlechtes Gewissen schließen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Schauen Sie einmal, ob Sie ein schlechtes Gewissen haben! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich nun aber auf das Berufsreifeprüfungsgesetz zu sprechen kommen. Ich darf mit einem Artikel aus der Zeitschrift des Europäischen Zentrums für Berufsbildung beginnen. Darin wird die Frage gestellt, wie sich das duale Ausbildungssystem attraktiver gestalten läßt. Es gab darüber in Deutschland eine große Untersuchung des Bundesinstituts für Berufsbildung bei 2 500 Ausbildungsbetrieben. Dabei ist interessant, daß ein wesentlicher Vorschlag, der von rund zwei Drittel dieser Ausbildungsbetriebe als sehr positiv angesehen wurde, der Zugang für Lehrlinge ohne Abitur zu den Hochschulen ist. Das ist ein ganz neuer Artikel! (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. )

In Deutschland wurde das neu untersucht, und dort beginnt erst jetzt die Diskussion darüber. Wir aber beschließen heute schon ein diesbezügliches Gesetz. Daran erkennt man, daß wir bei den Reformen im berufsbildenden Schulwesen durchaus die Nase vorne haben – auch in Europa! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte diese Gelegenheit des weiteren dazu nützen, darauf hinzuweisen, daß ein ehemaliger Kollege von uns durch die Vorarbeiten, die Kollege Höchtl schon erwähnt hat, einen sehr wesentlichen Beitrag am Zustandekommen dieses Gesetz geleistet hat. Er hat sehr viele Verhandlungen geführt, das Gesetz in seinen Grundzügen aufs Gleis gestellt und bis zum Schluß die Arbeiten begleitet. Kollege Mrkvicka, der unserer Diskussion aufmerksam folgt, war es eigentlich, der die Impulse zu diesem Gesetz gegeben hat! Das möchte ich hier auch erwähnt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Auf ein paar Argumente kann ich noch eingehen. Sie meinen, es wäre besser gewesen, die Studienberechtigungsprüfung auszubauen. Das ist, glaube ich, auch der Inhalt Ihres Abänderungsantrages, sofern Sie ihn noch erläutern werden. Dieser Abänderungsantrag beweist, daß letztlich auch die Freiheitliche Partei nicht darum herumkommt, gewisse Reformen über Gesetze machen zu wollen. (Rufe bei den Freiheitlichen: Wir sind die Reformpartei!) Das wird uns nicht erspart bleiben, auch wenn Kollege Gaugg anderer Meinung ist. (Abg. Jung: Wir werden sicher drankommen, aber Sie werden nicht mehr dort sein!)

Eure großen Sprüche vor der letzten Wahl und danach die Verkleinerung der Fraktion zu beobachten, war wirklich ein Genuß! Wenn man euch vor der letzten Nationalratswahl zugehört hat, hat man den Eindruck gewonnen, die Hälfte des Hauses sei schon euer. (Abg. Rosenstingl: Sie als Sozialdemokrat sollten von Verkleinerung nicht reden!) Auf einmal seid ihr weniger geworden! Wir sind mehr geworden und ihr weniger. Sind wir uns da einig? Ja? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zur Studienberechtigungsprüfung: Sie ist ein wertvolles Instrument, kein Zweifel. Wir haben auch immer wieder wesentliche Verbesserungen an dieser Studienberechtigungsprüfung angebracht. Sie hat gegenüber der Berufsreifeprüfung allerdings einen entscheidenden Nachteil: Sie berechtigt nur für ein ganz bestimmtes Studium. Man kann zum Beispiel für Medizin, Jus oder was auch immer die Studienberechtigungsprüfung ablegen. Die heute zu beschließende Berufsreifeprüfung bedeutet, daß ein Lehrling oder ein Facharbeiter, der diese Prüfung noch zusätzlich macht, damit einen vollwertigen Zugang zu den Universitäten und Fachhochschulen hat. Das ist ein sehr entscheidender und wichtiger Unterschied, der zeigt, daß wir die Arbeit der Facharbeiter und der Lehrlinge wesentlich höher einschätzen, als Sie das tun. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Insgesamt läßt sich zu diesem Instrument feststellen, daß das Interesse daran in den Monaten, in denen das diskutiert wurde, vor allem dann, wenn in den Medien darüber berichtet wurde, ungeheuer groß war. Es sind, wie ich gehört habe, Hunderte von Anrufen im Unterrichtsministerium eingegangen, auch in den Schulen und Interessenvertretungen. (Abg. Jung: Haben Sie das auch aus den Akten entnommen?) Ich habe selber eine ganze Reihe von solchen Anrufen beantwortet. Das ist richtig! Das gehört auch zu den Aufgaben eines Abgeordneten, sofern man


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sich in den Gesetzen auskennt. Ich habe leise Zweifel daran, daß das bei Ihnen auch immer der Fall ist. Sie kritisieren die Gesetze hauptsächlich und haben wenig Interesse daran, der Bevölkerung unsere Gesetze entsprechend näherzubringen.

Diese Berufsreifeprüfung ist ein ganz wichtiges Instrument, denn es wird damit erstmals gezeigt, daß die duale Ausbildung der Facharbeiter, nämlich der praktische Teil einerseits und der Teil in der Berufsschule andererseits, einen echten Wert bekommt. Wer diese Ausbildung absolviert und noch ein paar zusätzliche, nicht leichte Prüfungen ablegt, hat den vollen Zugang zum Studium, dieselben Berechtigungen wie ein Maturant. Diese Aufwertung der Lehre, der Facharbeit haben sich die Menschen verdient, und ich bin sicher, daß das Interesse an dieser neuen Einrichtung sehr groß sein wird. (Beifall bei der SPÖ.)

20.59

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Für den Zwischenruf und die Bezeichnung "schäbiger Denunziant" um 20.52 Uhr erteile ich Frau Abgeordneter Dr. Partik-Pablé einen Ordnungsruf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Steindl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.00

Abgeordneter Mag. Franz Steindl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ich darf wieder zur Novelle zum Berufsausbildungsgesetzes zurückkehren. Ich habe Herrn Kollegen Peter sehr aufmerksam zugehört und kann mich mit sehr vielen Dingen, die er gesagt hat, identifizieren.

Ich stimme mit Ihnen überein, daß noch sehr vieles getan werden muß. Aber man muß, wie ich meine, an diesem Rednerpult fairerweise auch betonen, daß sich in den letzten Wochen auch einiges getan hat. Es sind wesentliche Maßnahmen in Richtung einer Erleichterung, Entbürokratisierung, aber auch Liberalisierung erfolgt, und es wurde in den letzten Tagen eine ganze Palette von Gesetzen beschlossen: die Gewerbeordnung, das Anlagenrecht, im Sozialversicherungsbereich, das Jugendbeschäftigungsgesetz et cetera.

Es gab auch in den Bundesländern Gipfelgespräche über Lehrlings- und Jugendbeschäftigung, und auf Bundesebene wurden Lehrlingspakete geschnürt. Zuletzt haben sich die Regierung und die Sozialpartner im Burgenland, in Rust, über ein Lehrlingsbeschäftigungspaket geeinigt. – Ich kann das von dieser Stelle aus nur begrüßen. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Was ist der Grund für diese Maßnahmen? – Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben deren Notwendigkeit bereits eindeutig begründet: Es gibt in der Statistik einen Rückgang der Lehrlingszahlen, immer weniger Betriebe sind derzeit bereit, Lehrlinge auszubilden.

Ich möchte noch ein zweites Argument einbringen, das heute noch nicht diskutiert wurde, nämlich die Konzentration der Lehrberufe auf wenige Sparten. 40 Prozent der Lehrlinge konzentrieren sich auf nur vier Berufe: KFZ-Mechaniker, Einzelhandelskaufmann, Tischler und so weiter. Es wäre unsere Aufgabe, auch für eine breitere Streuung der Lehrberufe zu werben.

Es gibt Untersuchungen, wonach zwei Drittel der Unternehmer, die die Ausbildung von Lehrlingen eingestellt haben, angeben, daß die Regelungen im Arbeits- und Jugendbeschäftigungsrecht praxisfern sind. Im Burgenland gab es eine Umfrage – die Rücklaufquote betrug 25 Prozent –, im Rahmen derer 93 Prozent der befragten Unternehmer angegeben haben, daß die Ausbildungskosten ganz einfach zu hoch sind. Die Lohnnebenkosten betragen laut Angaben des Statistischen Zentralamtes bei Lehrlingen 153 Prozent. Rechnet man die Gemeinkosten dazu, kommt man auf einen Wert von zirka 300 S pro Stunde.

Meiner Ansicht nach ist neben diesen Untersuchungen und Statistiken vor allem – und das wird von uns Politikern auch gefordert – auch eine entsprechende Bewußtseinsbildung wichtig. Seien wir doch ganz ehrlich, wenn wir hier über Lehrlinge reden: Heißt es nicht sehr oft: Mein Kind soll es einmal besser haben und in eine höhere Schule gehen!? – Wir nivellieren damit aber auch unsere Bildungspolitik ein bißchen nach unten. Gerade wir als Meinungsbildner müssen noch sehr viel dazu beitragen, das Ansehen des Lehrlings wieder zu heben.


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Dazu kommt noch die Situation eines Jugendlichen, der keine Arbeit findet. Wir alle haben das wahrscheinlich noch nicht erlebt. Wir tragen in unseren Unterlagen zwar viele Interventionen mit uns herum, können uns das aber vielleicht gar nicht genau vorstellen. Es muß ganz schlimm sein, wenn ein Jugendlicher, der eine Ausbildung absolviert hat, keinen Job findet. Daher müssen wir in diesem Bereich, obwohl schon viel geschehen ist, noch sehr viel tun.

Wir müssen – das wurde auch bereits betont – an diesem dualen Ausbildungssystem festhalten. Eine Entkoppelung der Lehrinhalte von der konkreten betrieblichen Praxis würde die Unternehmen zwingen, hauptberufliche Ausbildner einzustellen. Das würde jedoch die Kosten erhöhen und kann nicht der richtige Weg sein.

Abschließend meine ich daher, daß wir auch in Zukunft weitere Maßnahmen setzen müssen, um den Lehrberuf wieder ins richtige Licht zu rücken. Denn gerade die Förderung von Lehrlingen ist eine Investition in das zukünftige Unternehmertum! – Danke schön! (Beifall bei der ÖVP.)

21.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Krammer. – Bitte.

21.05

Abgeordnete Dr. Christa Krammer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Ich kann nur an das anschließen, was Herr Kollege Steindl gesagt hat: Die Schaffung von Arbeitsplätzen ist der Politik – und ich füge, weil es wahr ist, hinzu: gerade der sozialdemokratischen Politik – ein sehr großes Anliegen. Auch in der Bevölkerung ist das absolut ein Thema, das in vielen Vorträgen und Diskussionen besprochen wird.

Wir versprechen uns von den neuen Technologien eine Fülle von Arbeitsplätzen. Vieles, was in diesen Diskussionen und Vorträgen gesagt wird, ist vielleicht unerfüllbare Zukunftsmusik, aber so manche der dort vorgetragenen Visionen wird wahrscheinlich von der Wirklichkeit nicht nur ein geholt, sondern über holt.

In manchen Teilen der Bevölkerung bleibt nach derartigen Diskussionen und Medienberichten sicherlich ein gewisses Gefühl der Unsicherheit. Denn so mancher Jugendliche muß sich unweigerlich die Frage stellen: Wird es den Beruf, den ich gerade lerne oder den ich zu lernen beabsichtige, in einigen Jahren überhaupt noch geben? Welche Betätigungsfelder gibt es denn für mich, wenn ich mich für gerade diese Ausbildung entscheide? Wie zukunftsorientiert ist denn das, was ich machen möchte? Und vor allem: Welche Möglichkeiten der Weiterbildung stehen mir offen?

Das sind natürlich wesentliche Fragen, die Antworten erfordern. Eine Antwort geben wir nun mit dem Gesetz über die Berufsreifeprüfung. Denn wenn man ständig von Flexibilität spricht und diese von den Arbeitnehmern einfordert, wenn man von ständigem, lebenslangem Lernen redet, dann muß man auch Sorge tragen dafür, daß die so oft beschworene Flexibilität und das so oft geforderte und herbeigeredete lebenslange Lernen auch möglich werden.

Das wird es, indem wir zuerst einmal die gesetzlichen Voraussetzungen dafür schaffen. Denn für den Gesetzgeber, das heißt für uns, gilt es, auf gesellschaftliche Veränderungen zu reagieren und für den Arbeitnehmer die Basis, die besten Voraussetzungen für seine den Erfordernissen entsprechende Neuausbildung zu schaffen, damit es für seine Weiterbildung kein Hindernis gibt, an dem er nicht vorbeikommt. Er muß in die Lage versetzt werden, sich im zweifellos sehr harten Konkurrenzkampf auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten. Das kann er aber nur dann, wenn er sich soviel wie möglich an Wissen und neuem Wissen aneignen kann. Er darf – dafür müssen wir Sorge tragen und ihm die Voraussetzungen schaffen – im sehr harten Verdrängungswettbewerb nicht untergehen. Wenn wir unsere Verantwortung ernst nehmen, müssen wir uns in jeder Hinsicht – im Sinne gesamtstaatlicher Interessen und im Sinne individueller Interessen des Bürgers – bemühen, Ausbildungsmöglichkeiten zu schaffen.

Das Gesetz trägt natürlich nur der momentanen Situation Rechnung, das ist richtig. Niemand von uns wird nun behaupten, daß mit diesem Gesetz ein für allemal alle Möglichkeiten berücksichtigt wurden. Wir werden natürlich ständige Anpassungen vornehmen müssen. Das ist


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unsere Aufgabe, und ich bin sicher, wir werden das tun. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Mag. Steindl. )

21.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schöggl. – Er hat das Wort.

21.09

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute hat in der Bank Austria ein Vortrag von Professor Routti – ich hoffe, den Namen richtig ausgesprochen zu haben –, dem Generaldirektor der Europäischen Kommission für Wissenschaft und Forschung, stattgefunden. Ich wollte einleitend darauf hinweisen, daß es vielleicht interessanter gewesen wäre, eine so hochkarätige Veranstaltung im Rahmen der geforderten technologiepolitischen Enquete zu machen als in der Bank Austria – vor allem deshalb, weil Abgeordnete, die im Wissenschafts- und Unterrichtsbereich engagiert sind, an dieser Veranstaltung, die sicher für die Weiterentwicklung der österreichischen Technologiepolitik von Bedeutung gewesen wäre, aufgrund der Plenarsitzung nicht teilnehmen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun zum Gesetz über die Berufsreifeprüfung. Dieses Gesetz ist irgendwie eigenartig entstanden. Es gibt zwei wortgleiche Anträge, weil sich die Verfasser dieser Anträge nicht einigen können, wer sich das "bildungspopulistische Federl" an den Hut stecken darf. Die Betroffenen aber haben – wie man den zahlreich eingegangenen Stellungnahmen entnehmen kann – keine Möglichkeit, dieses Gesetz ausführlich zu begutachten.

In einem Brief einer AHS an unseren Klub heißt es – ich zitiere –: Bei einer bildungspolitisch derart wichtigen Entscheidung ist es inakzeptabel, rein politisch motivierte Gründe, die jeder sachlichen Basis entbehren, gelten zu lassen. – Diese Aussage spricht Bände! Ich frage mich wirklich, warum man ein Gesetz, das im Grunde genommen gar nicht notwendig ist – ich werde im Rahmen der Behandlung unseres Abänderungsantrages noch darauf zurückkommen –, so kurzfristig durchziehen muß.

Ich habe persönlich keinerlei Ressentiments gegenüber Absolventen des sogenannten zweiten Bildungsweges. Jedem von uns ist mein Studienkollege Streicher bekannt – er ist zwar ein paar Semester älter als ich –, der eine sehr gute Karriere gemacht hat. Viele meiner Kollegen, mit denen ich gearbeitet habe, haben den sogenannten zweiten Bildungsweg absolviert, und ich habe deren praktische Berufserfahrung persönlich sehr geschätzt beziehungsweise schätzen gelernt.

Wir müssen das Gesetz aber ablehnen, da es ausgesprochen viele Unschärfen enthält. Es ist zwar eine Altersgrenze festgesetzt, aber nicht nach oben. – Was ist, wenn zum Beispiel ein 25jähriger mit Lehrabschluß diese Reifeprüfung ablegen möchte? Oder: Die Ablegung der Reifeprüfung ist an eine Berufstätigkeit gebunden. – Wie ist das mit Arbeitslosen? Gilt das auch für diese?

Weiters: die Frage der Kostenneutralität. Diese kann nicht gegeben sein, da es Vorbereitungskurse geben muß. Es stellt sich also die Frage, was das tatsächlich kosten wird.

Das Ganze soll ohne Beeinträchtigung der beruflichen Tätigkeit geschehen. Da fragt man sich: Zu welcher Tageszeit werden die Vorbereitungskurse stattfinden? Wie soll das gehen ohne zusätzliche Kosten?

Wie ist das mit der Qualitätskontrolle, mit der Anerkennung bereits abgelegter Teilprüfungen und so weiter?

Es ist also eine Fülle von Unschärfen in diesem Gesetz enthalten, sodaß wir glauben, daß es letztlich mehr verwaltungstechnische und organisatorische Probleme als Erfolge bringen wird. Die Frage ist: Wem nützt es? Cui bono?, wie der Lateiner so schön sagt. – In § 8 Abs. 1 wird festgestellt, daß die Vorbereitungskurse von jenen Institutionen und Einrichtungen der Erwach


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senenbildung abgehalten werden können, die vom Bund als Förderungsempfänger anerkannt sind. Da liegt nämlich der Hase im Pfeffer! Welche Institutionen sind das denn? – Das sind die proporzmäßig besetzten Institutionen, nämlich die Volkshochschulen, das BFI, das WIFI et cetera. Auf der Strecke bleiben die privatwirtschaftlich organisierten Schulen, die sich um den Weiterbildungsbereich mindestens genauso verdient gemacht haben wie die staatlichen und staatsnahen Institutionen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Warum schafft man eine neue Institution? – Es gibt schon seit langem die Studienberechtigung, die für Berufstätige den Zugang zum Studium regelt. Und genau das wäre auch unser Zugang.

Ich komme damit zum Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Brauneder, Mag. Schweitzer, Dr. Krüger, Dr. Grollitsch, Dipl.-Ing. Schöggl, Rossmann und Kollegen. Es geht dabei um kleine Änderungen des Studienberechtigungsgesetzes, BGBl. Nr. 620/1994, wie etwa, daß man die Bestimmung betreffend das 22. Lebensjahr ändert auf "19. Lebensjahr", daß man im § 2 Abs. 2 bei der Studienberechtigungsprüfung auch dann Bewerber zuläßt, wenn sie eine Lehrabschlußprüfung gemäß Berufsausbildungsgesetz gemacht haben. Dem § 5 soll ein Absatz 7 angefügt werden, der Teilprüfungen im Rahmen der Meisterprüfung anerkennt.

Das sind also kleine Änderungen, und wir würden dadurch mit einem bereits bestehenden Gesetz den gleichen Effekt erreichen, nämlich die Durchlässigkeit für weiterbildungswillige Lehrabsolventen bis zum Studienabschluß, einschlägig natürlich.

Es ist, denke ich, sinnvoll, wenn ein in einem Metallberuf Tätiger – die meisten, die weiter Maschinenbau oder Eisenhüttenwesen studiert haben, sind ausgebildete Metaller – entweder an der Montanuniversität oder Werkstoffkunde oder Maschinenbau studiert. Ich wäre nicht besonders glücklich, sollten diese Psychologie oder Philosophie oder Medizin studieren, vor allem weil damit tüchtige Metaller in ihrem Beruf verlorengehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß in der Regierungsklausur von Rust die Budgetwolken, die vor die bildungspolitische Sonne ziehen, ihren Schatten vorausgeworfen haben und es mittel- und langfristig tatsächlich vor allem um Einsparungen geht. Das Resümee eines gelernten Österreichers muß also lauten: Es geht darum, bewährte Institutionen wie die Abendschulen oder andere bildungspolitische Einrichtungen schön langsam zugunsten des WIFI und BFI zu untergraben. Zuerst werden sie weniger Leute haben, damit wird der Bedarf geringer, und irgendwann einmal kann man diese Institutionen getrost zusperren. Da liegt der Hase im Pfeffer! Und dabei wollen wir Freiheitlichen nicht mitmachen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Ihnen wirklich so sehr an der Weiterentwicklung des Bildungssystems für Berufstätige gelegen ist, schaffen Sie keine neue Institution, sondern stimmen Sie unserem eingebrachten Abänderungsantrag zu! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der soeben in seinen Kernpunkten erläuterte Antrag betreffend ein Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung in der Fassung des Ausschußberichtes ist schriftlich überreicht worden, genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung. Er wird infolge seines Umfanges im Sinne der Bestimmungen der Geschäftsordnung schriftlich verteilt und auch im Stenographischen Protokoll abgedruckt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Brauneder, Mag. Schweitzer, Dr. Krüger, Mag. Dr. Grollitsch,
Dipl.-Ing. Schöggl, Rossmann und Kollegen zu den Anträgen 459/A der Abgeordneten Dr. Josef Höchtl und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung und 460/A der


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Abgeordneten Dr. Dieter Antoni und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung in der Fassung des Ausschußberichtes (752 d. B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannten Anträge 459/A der Abgeordneten Dr. Josef Höchtl und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung und 460/A der Abgeordneten Dr. Dieter Antoni und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung in der Fassung des Ausschußberichtes (752 d. B.) werden wie folgt geändert:

1. Der Titel lautet:

"Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung geschaffen wird und das Studienberechtigungsgesetz (StudBerG) und das Schulorganisationsgesetz (SchOG) geändert werden"

2. Vor der Überschrift "Allgemeine Bestimmungen" wird die Überschrift "Artikel I" eingefügt.

3. Am Ende des bisherigen Gesetzestextes wird nachfolgender Text angefügt:

"Artikel II

Das Studienberechtigungsgesetz (StudBerG), zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 620/1994, wird wie folgt geändert:

1. § 2 Abs. 1 Z 2 lautet:

,2. das 19. Lebensjahr vollendet hat,‘

2. § 2 Abs. 2 lautet:

,(2) Zur Studienberechtigungsprüfung sind weiters Bewerber zuzulassen, wenn sie eine Lehrabschlußprüfung gemäß Berufsausbildungsgesetz, eine österreichische berufsbildende mittlere Schule oder eine nach Umfang und Anforderungen gleichwertige in- oder ausländische Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen, danach einen weiteren Bildungsgang absolviert und dabei insgesamt eine mindestens vierjährige Ausbildungsdauer erreicht haben.‘

3. § 5 wird folgender Abs. 7 angefügt:

,(7) Erfolgreich abgelegte Teilprüfungen im Rahmen der Meisterprüfung sind insoweit als Fachprüfungen der Studienberechtigungsprüfung anzuerkennen, sofern sie im Inhalt und der Dauer zumindest den in § 3 Abs. 1 Z 1 bis 3 vorgesehenen Erfordernissen entsprechen.‘

Artikel III

Das Schulorganisationsgesetz (SchOG), zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 766/1996, wird wie folgt geändert:

1. § 8c Abs. 2 lautet:

,(2) Zur Studienberechtigungsprüfung sind Aufnahmswerber zuzulassen, die das 19. Lebensjahr vollendet haben und eine eindeutig über die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht hinausgehende erfolgreiche berufliche oder außerberufliche Vorbildung für die angestrebte Schulart (Fachrichtung) nachweisen, eine Lehrabschlußprüfung gemäß dem Berufsausbildungsgesetz, BGBl. Nr. 142/1969, in seiner jeweils geltenden Fassung, eine mittlere Schule oder eine nach Umfang und Anforderungen gleichwertige inländische Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen und eine insgesamt vierjährige Ausbildungsdauer (allenfalls durch Absolvierung eines weiteren Bildungsganges) erreicht haben.‘

2. § 8c Abs. 8 lautet:

,(8) Erfolgreich abgelegte Studienberechtigungsprüfungen nach dem Studienberechtigungsgesetz, BGBl. Nr. 292/1985, in der jeweils geltenden Fassung, und Teile von solchen Prüfungen


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sowie erfolgreich abgelegte Teile einer Reifeprüfung an höheren Schulen für Berufstätige und erfolgreich abgelegte Teilprüfungen im Rahmen der Meisterprüfung sind als Prüfungen gemäß Abs. 3 anzuerkennen, soweit sie diesen nach Inhalt und Umfang entsprechen.‘"

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder. – Bitte.

21.17

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach all den Diskussionen, die heute geführt wurden, möchte ich Sie fragen: Wie viele von Ihnen in diesem Saal haben jemals Lehrlinge ausgebildet? (Einige Abgeordnete zeigen auf, darunter die Abgeordneten Mag. Peter , Rossmann und Steibl. ) Ich vermute, wenn es viele sind, dann 10 Prozent. (Abg. Ing. Tychtl: Weniger!) Weniger! Ich habe mit 10 Prozent hoch geschätzt.

Dann möchte ich Sie fragen: Wie viele von Ihnen sind Väter und Mütter und wissen über die Entwicklung von Kindern Bescheid, wissen, daß sie unterschiedliche Anlagen und Fähigkeiten haben? – Wir haben heute in den verschiedensten Redebeiträgen von Prüfungen, von der Notwendigkeit der Durchlässigkeit et cetera gehört, aber eigentlich haben wir davon gesprochen, daß wir alle zu höherer Bildung streben. Auch das ist wichtig und notwendig. Aber in Wahrheit schaffen wir hier ein Gesetz, das wichtig und notwendig ist für die Eltern. Ich sage ganz bewußt: für die Eltern.

Denn die Eltern haben es verabsäumt, ihren Kindern den Wert einer handwerklichen, einer gewerblichen Ausbildung zu vermitteln. Wir haben mit dem Slogan "Karriere mit Lehre!" geworben. Als ich in meinem Beruf begonnen habe, war es selbstverständlich, daß ein kaufmännischer Lehrling Generaldirektor der größten Bank Österreichs werden kann. Das war seinerzeit alles möglich – heute nicht mehr. Wir haben bewußt versucht, die Lehre durch andere Bildungswege in den Hintergrund zu drängen.

Was haben wir damit erreicht? – Wir haben eigentlich versucht, an den Menschen und seinen Anlagen vorbei Entwicklungen zu beeinflussen. Die schulische wie die bildungspolitische Ausbildung sind enorm wichtig. Wir sprechen auch vom "lebensbegleitenden Lernen". Wir verstehen aber nicht, daß Jugendliche in ihrer Entwicklung bestimmte Phasen, wie etwa die Pubertät, durchleben – auch die Lehrer wissen das –, in denen sie nicht in die Schule gehen wollen. Den Elternteil möchte ich sehen, der es dann zustande bringt, den Jugendlichen in der Schule zu halten. Und dann heißt es: Wenn du die Schule nicht machst, dann gehst du in die Lehre! – Das haben wir den Jugendlichen vermittelt!

Wir haben aber auch festgestellt, daß gerade eine gute Lehrlingsausbildung große Chancen für die Zukunft der Jugendlichen in sich birgt. Denn diese können selbständig werden, sie können kreativ tätig werden und ihre eigenen Vorstellungen umsetzen.

Ich wollte Sie noch etwas fragen: Wie viele Väter und Mütter befinden sich hier unter Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, deren Sohn oder Tochter eine Lehre besucht? – Ich glaube, niemand. (Abg. Dr. Gredler: Doch!) Gott sei Dank! Aber wenn es ein oder zwei Prozent sind, dann ist das viel!

Ich möchte Herrn Dr. Antoni, der mir gerade zuhört und Bildungssprecher ist, um eines bitten. Verschiedene Vorstellungen, die sowohl von den Liberalen, den Freiheitlichen als auch von uns in die Richtung gehen, daß wir den Jugendlichen mehr Chancen geben könnten, werden dort und da in verschiedenen Bereichen – verzeihen Sie, wenn ich das sage! – Ihrer Fraktion abgeblockt, weil man meint, die schulische Ausbildung sei die allein seligmachende.

Ich habe jetzt wieder Lehrlinge aufgenommen. Aber es ist eine Tatsache, daß die Lehrlingsausbildung in den Betrieben erschwert wird. Wir haben immer davor gewarnt. Wenn ich nur in die


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Augen der Jugendlichen geschaut habe, die bei mir um eine Lehrstelle angesucht haben – es waren 20 bis 30 –, bin ich traurig geworden, weil ich wußte, daß ich nicht allen eine Stelle geben kann. Erst vor 14 Tagen hat ein Vater eines dieser Jugendlichen angerufen – ich kann natürlich nicht alle aufnehmen! – und gefragt: Was sollen wir mit den Jugendlichen machen, die keine Stelle finden, sollen wir sie erschießen? – Ich war völlig erschüttert! Ich mußte Ihnen dieses persönliche Erlebnis erzählen.

Ich möchte Frau Bundesministerin Hostasch auch bitten, nicht gegen die Anlehre aufzutreten. Jugendliche durchlaufen gewisse Entwicklungsstufen, in denen sie für verschiedene Lern- und Arbeitsbereiche noch nicht reif sind. Geben Sie Ihnen daher die Chance in Form einer Anlehre! Geben wir sie ihnen! Seien wir nicht strikt dagegen! Anerkennen wir, daß manche Kinder verschiedene Entwicklungsstadien durchmachen und unterschiedliche Fähigkeiten besitzen. Gott sei Dank haben wir die Möglichkeit dazu.

Daher mein Appell: Denken Sie daran, daß wir alle nicht wollen, daß Jugendliche ohne Berufschancen und ohne Zukunft sind. Es ist uns gelungen, die auch für die Eltern attraktive Möglichkeit der Berufsreifeprüfung zu schaffen. Jetzt sollten wir auch dafür sorgen, daß die Eltern, aber auch die Jugendlichen nicht an dieser Gesellschaft verzweifeln.

Die Jugendlichen sollen nicht den Eindruck haben, daß auf sie vergessen wird. Auch die Möglichkeit einer Anlehre ist attraktiv, und es ist falsch verstandener Ehrgeiz, wenn man sagt: Bildung ist alles! Die Jugendlichen in die Schule zu zwingen, bringt nichts. Das wollen sie nicht. Nur den Körper hinzutragen, ohne den Geist dabei zu haben, bringt nichts. Wenn sie jedoch die Chance bekommen, etwas praktisch zu erlernen, dann kommen sie selbst drauf, wie notwendig auch das lebensbegleitende Lernen ist. Vergessen wir das nicht.

Mein nochmaliger Appell an Sie: Denken wir auch an die Anlehre, damit uns ja kein Jugendlicher auf der Straße stehen bleibt! (Beifall bei der ÖVP.)

21.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Brauneder. Er hat das Wort.

21.23

Abgeordneter MMag. Dr. Willi Brauneder (Freiheitliche): Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich möchte eingangs unterstreichen, was ein Abgeordneter einer anderen Fraktion liebenswürdigerweise schon betont hat: daß meine Fraktion und auch ich persönlich selbstverständlich für eine Durchlässigkeit des Prüfungs- und Bildungssystems sind! (Abg. Fuchs: Ohne Datenweitergabe?) Selbstverständlich ohne Datenweiter-
gabe – diese könnte in keinem Fall in irgendeiner Weise erfolgen! Wir sind für eine Durchlässigkeit des Bildungssystems aus dem einfachen Grunde – das sage ich ergänzend zu den Ausführungen der Redner von meiner Fraktion – , da hiedurch die Universitäten und Hochschulen mehr Nachwuchschancen bekommen, als sie diese bei einem anderen System, etwa einem aus dem 19. Jahrhundert – ich will es einmal als verknöchertes System bezeichnen – , in dem Latein so etwas wie ein Fetisch ist, haben.

Ich habe damit Erfahrung, spreche nicht vom grünen Tisch aus. Ich möchte in Erinnerung rufen, daß es schon einmal eine Berufsreifeprüfung gab, genau unter diesem Namen. Ich habe mich kundig gemacht anhand meines mir höchstpersönlich und privat zustehenden, von Ihnen als "ominös" bezeichneten schwarzen Ordners, der natürlich in keiner Weise ein Ordner aus der Universitätsverwaltung ist, sondern ein Ordner, in welchem ich meine persönlichen Aufzeichnungen über diese und jene Berufsreifeprüfung aufbewahre. Und da ich mir gestern diese Unterlagen wieder angesehen habe, weiß ich, daß diese seinerzeitige Berufsreifeprüfung auf einer Verordnung des damaligen Ministers für Kultus und Unterricht aus dem Jahr 1947, wie ich meine, beruhte. (Abg. Dr. Niederwieser: Aus dem Jahr 1946!) Danke! Sie wurde also im Jahr 1946 erlassen.

Es war dies eine gute Einrichtung. Ich habe bei diesen Berufsreifeprüfungen wirklich mit Vergnügen schriftliche Arbeiten begutachtet, Ansuchen befürwortet und mündliche Prüfungen abge


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nommen. Es war dies vor allem deshalb ein Vergnügen, weil diese angehenden Studierenden in der Regel, im Durchschnitt – wobei ich das jetzt nicht überbewerten will –, besser motiviert waren als die Regelstudenten, denn sie wußten, daß eine bestimmte Berufsausbildung auf sie zukommt und sie diese weiterführende Ausbildung für eine bestimmte Berufsqualifikation anstreben.

Die Universität hat davon auch profitiert, und zwar deswegen, weil das auch eine Motivation für die anderen Studierenden war. Dies beinhaltete sogar eine Motivation – ich will Ihnen das nicht verschweigen – zur Schaffung einer neuen Unterrichtsform: So habe ich etwa für eine Gruppe von Berufstätigen in St. Pölten in der Landeskrankenpflegeschule eine Pflichtübung aus einem juristischen Fach abgehalten, weil auch Krankenschwestern daran interessiert waren. Ich halte daher die Durchlässigkeit dieses Prüfungssystems für optimal! (Abg. Dr. Gredler: Waren Privatdaten in dem Ordner oder nicht?) Bitte? – Es befanden sich ausschließlich meine privaten Aufzeichnungen darin, unter anderem auch Kopien dieser Verordnung aus dem Jahr 1946. Ich kann einen Ordner, welcher der Universitätsverwaltung zusteht, überhaupt nicht für mich in Anspruch nehmen. Ich weiß nicht einmal, wo die Ordner aufbewahrt werden, und würde auch nie einen bekommen.

Ich kann Ihnen noch eine Versicherung geben: Dieses mein Privateigentum hat auch die F-Klubräume – denn das hat irgend jemand von Ihnen behauptet – weder von außen noch von innen gesehen, sondern ausschließlich mein Büro mit den Fenstern auf die Ringstraße. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Eine Verordnung wird wohl auch die F-Klubräume sehen dürfen!) Und es hat auch keiner meiner Mitarbeiter Einsicht in diesen Ordner genommen.

Um wieder zur Hauptsache zu kommen: Ich habe aus meinen damaligen Erfahrungen auch etwas gelernt. Ich will jetzt den Weg, den Sie, Frau Bundesminister, eingeschlagen haben, nicht kritisieren. Aber ich habe damals gelernt, daß durch diese Berufsreifeprüfung ad hoc Erwartungen geweckt wurden, die diese Prüfung zwar erfüllte, daß man dann aber durch das bevorstehende Studium vor einer Hürde stand, an die man im Augenblick der Ablegung der Berufsreifeprüfung eigentlich gar nicht gedacht hat.

Frau Bundesministerin! Ich nehme an, daß dieser Entwurf Gesetz wird. Im Hinblick darauf würde ich mir zweierlei wünschen: Erstens sollte die Propaganda für die Vorbereitungskurse unterbunden werden. Ich weiß, daß das nicht in Ihrer Macht stehen wird. Aber ich möchte hier deponieren, daß durch diese Propaganda und durch diese Vorbereitungskurse die Erwartungen eben, wie gerade erwähnt, zu hoch geschraubt werden. Ich kann mich noch erinnern, daß in der Zeit, als ich diese Prüfung abgenommen habe, die Züge auf der Südbahnstrecke plötzlich mit Prospekten über solche Kurse überschwemmt waren. Manche sind in diese Kurse gegangen und waren dann eigentlich enttäuscht, aber nicht von der Vorbereitung, sondern davon, was einem anschließend im Studium noch blüht. 

Das ist mein erstes Anliegen: Man sollte um Himmels willen versuchen – mir fällt jetzt allerdings kein geeignetes Mittel dafür ein –, überzogene Erwartungen nicht noch weiter zu forcieren. Es wäre vielleicht eine Aufgabe der Schulen, in diesem Zusammenhang aufklärend zu wirken.

Zweitens würde ich mir wünschen, daß die Prüfungstaxen gestrichen werden. Daher möchte ich Herrn Abgeordneten Öllinger ankündigen, daß ich meiner Fraktion empfehle, seinem Antrag beizutreten, und zwar aus den Gründen, die Herr Abgeordneter Öllinger, auch wenn er mich etwas mißverstanden hat, doch sehr objektiv dargelegt hat. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Riepl. – Er hat das Wort.

21.29

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte im Zusammenhang mit der Diskussion über das Lehrlingsthema, mit welchem ich beginnen werde, ganz kurz auf die Ausführungen des Kollegen Schöggl eingehen. Er hat gemeint, seine Fraktion könne diesem Gesetzes


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vorschlag nicht die Zustimmung geben, und er hat auch die Frage gestellt: Wem nützt dieses Gesetz? – Eine einfache, klare Antwort meinerseits: Ich glaube, dieses Gesetz nützt den Lehrlingen, die weiter lernen und sich besser qualifizieren wollen und mit diesem Gesetz bessere Voraussetzungen für die Zukunft finden werden! (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr verehrte Damen und Herren von den Freiheitlichen! Die Freiheitlichen reden oft nur über die Lehrlinge, wir tun jedoch etwas für die Lehrlinge. Das ist der Unterschied!

Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte mit einer positiven Mitteilung fortsetzen. In diesen Minuten geht im Wiener Arbeiterkammertheater "Akzent" eine Veranstaltung zu Ende, die von vielen Unterstützern getragen wird: von den Sozialpartnern, von der Wirtschaftskammer, von der Gewerkschaft, von der Arbeiterkammer, vom Unterrichtsministerium und von anderen Behörden. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Alle "unpolitisch"!) Warten Sie doch, bis ich sage, worum es dabei geht, dann können Sie Ihre Meinung dazu äußern! (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Bei dieser Veranstaltung geht es um Hunderte Lehrlinge, die sich in den letzten Monaten in Projekten Gedanken über ihre Zukunft gemacht haben. Sie besuchen Wiener Berufsschulen und haben sich mit ihren Lehrern und Lehrerinnen überlegt, was für sie wichtig ist. Diese Projekte werden heute präsentiert und beurteilt, und es werden auch Preise dafür verliehen. Ich glaube, daß diese Aktivitäten, die auch vom Kulturverein der Wiener Berufsschulen getragen und über die Wiener Berufsschulen organisiert werden, ein Beispiel mehr dafür sind, daß Lehrlinge mehr können, als man ihnen manchmal zutraut. Gleichzeitig wird damit vor Augen geführt, daß man davon ausgehen kann, daß diejenigen, die die duale Berufsausbildung absolvieren und erfahren, auch in der Lage sind, sich über ihre Zukunft Gedanken zu machen. Es ist schade, daß wir nicht alle gemeinsam an dieser Veranstaltung heute teilnehmen können, weil wir hier unsere Verpflichtung haben! Aber ich lade jeden ein, sich über die Ergebnisse dieses Projektes und über die Gedanken der jungen Menschen zu informieren.

Ich glaube, man kann auch – und ich möchte das ausdrücklich tun – Herrn Abgeordneten Höchtl recht geben, wenn er meint, daß wir auf die duale Berufsausbildung stolz sein können. Er hat auch ja zu Verbesserungen der dualen Berufsausbildung gesagt.

Ich glaube, die Qualität der Berufsausbildung der Lehrlinge liegt uns allen am Herzen. Das hat auch die bisherige Diskussion zu diesem Tagesordnungspunkt gezeigt. Doch Qualität bedarf auch einer Qualitätskontrolle und einer Ergebniskontrolle, denn wir wollen auch weiterhin stolz sein auf eine ordentliche berufliche Ausbildung. Im Hinblick auf viele Lehrberufe können wir das auch mit gutem Gewissen sein. Ich habe mir heute vom Büro des Herrn Abgeordneten Stummvoll in der Wiedner Hauptstraße die Lehrlingsstatistik der Wirtschaftskammer besorgt, die dankenswerterweise einen schönen Überblick über die Situation des Lehrlingswesens gibt. Ich habe auch viele Erfolgsmeldungen und viel Positives darin gefunden.

Es wäre aber falsch, in einer solchen Diskussion nicht auch auf Schattenseiten hinzuweisen, die wir – dazu lade ich alle ein! – gemeinsam auf der Ebene der Sozialpartnerschaft beachten, beurteilen und entsprechend bekämpfen sollten.

So sind beispielsweise die Durchfallsquoten in einigen Berufen schlichtweg nicht akzeptabel, da sie zu hoch sind. Das erfordert meiner Ansicht nach eine Ursachenforschung und vor allem Reaktionen der zuständigen Lehrlingsstellen. In der Industrie lag die Durchfallsquote bei 14 Prozent, im Handel bei 15 Prozent und beim Gewerbe sogar bei 20 Prozent. Ein Fünftel der Lehrlinge in diesem Bereich erreicht also das Lehrziel nicht!

Bei den Optikern lag die Durchfallsquote im vergangenen Jahr bei 32 Prozent, bei den Spenglern bei 36 Prozent und bei den Feinmechanikern gar bei 48 Prozent. In Anbetracht dessen meine ich, daß es höchste Zeit ist, sich auch dieser Frage neuerlich anzunehmen und entsprechende Maßnahmen zu setzen. Denn Ziel ist die Erreichung der von Frau Abgeordneter Tichy-Schreder zu Recht eingeforderten Attraktivität. Derzeit ist das Bild eines Berufes, bei dem es während der Ausbildung eine Durchfallsquote von 48 Prozent gibt, jedoch keineswegs attraktiv. Ich glaube, in diesem Bereich sollten wir nicht einfach nur zur Tagesordnung übergehen.


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Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß diejenigen, die bei der Berufslehrabschlußprüfung durchgefallen sind, nicht unbedingt auch in der Berufsschule versagt haben. Die Durchfallsquote in der Berufsschule beträgt im Bundesdurchschnitt lediglich 3 Prozent. Diese Situation und diese Diskrepanz gilt es zu beachten.

Sehr verehrte Damen und Herren! Zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich und der Attraktivität der Berufsausbildung brauchen wir nicht nur motivierte Mitarbeiter und Arbeitgeber, sondern wir brauchen auch mehr qualifizierte Ausbildungsplätze. Wir brauchen eine Verkürzung der Erstausbildungszeit und nicht eine Verlängerung der Lehrzeit. Wir brauchen mehr sprachliche Ausbildung. Wir brauchen mehr Lebenskundeausbildung, die sich auf Allgemeinbildung und die Vermittlung ökonomischer Inhalte beschränken kann. All diese Forderungen werden auch von den Gewerkschaften und von der sozialdemokratischen Fraktion hier im Haus immer wieder zur Diskussion gestellt. Dankenswerterweise wird das auch von anderen so gesehen.

Die neue Unterlage des Wirtschaftsforums der österreichischen Führungskräfte geht beispielsweise genau auf diese Punkte ein und verlangt für Lehrlinge mehr Fremdsprachenausbildung, kürzere Erstausbildungszeit und vieles mehr. Ich glaube, wir haben Grund genug, diese Dinge ernsthaft – im Sinne von Höchtls Ja zu weiteren Verbesserungen in der Zukunft – zu betrachten und zu beachten.

Sehr verehrte Damen und Herren! Frau Bundesminister Gehrer hat gestern zum Thema Volksschule berichtet, daß die Qualität unserer Volksschule so gut ist, daß wir in Europa Platz eins erreicht haben. Es ist schön, Europameister zu sein. Die Frau Bundesministerin hat aber den Satz angefügt: Es gibt aber noch viel zu tun, machen wir es gemeinsam! – Ich glaube, diese Aussage gilt nicht nur für die Volksschule, sie gilt für alle Schulen, auch für die Lehrausbildung. Deshalb möchte ich zum Abschluß all jenen Dank sagen, die sich in der Lehrausbildung engagiert betätigen, ob sie nun in der Berufsschule als Lehrer oder Inspektoren tätig sind oder ob sie im Betrieb oder in den Lehrwerkstätten die jungen Menschen unterrichten und ausbilden! (Beifall bei der SPÖ.) Sagen wir diesen Menschen, daß ihre Arbeit nicht nur für die Jugend unseres Landes, sondern für unsere gesamte Gesellschaft wichtig ist! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten.

21.38

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich meine, daß ein gewisser Aufklärungsbedarf betreffend die Intervention des Kollegen Grollitsch auf der einen Seite und die nachfolgende Wortmeldung des Präsidenten Brauneder auf der anderen Seite besteht. Ich habe das jedenfalls nicht verstanden.

Ich stelle fest: Kollege Grollitsch hat sich in seiner Wortmeldung auf einen Ordner bezogen, den er bei sich hatte, um darzustellen, daß für ihn aus diesem Ordner erkennbar war, daß es schon früher Lehrlinge gegeben hat, denen es gelungen ist, zu studieren und letztlich auch eine erfolgreiche Laufbahn damit zu begründen. Diesen Ordner hatte Kollege Grollitsch nach eigener Aussage von Herrn Professor Brauneder, dem Dritten Präsidenten dieses Hauses. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er wird wohl noch einen Ordner haben dürfen!)

Herr Präsident Brauneder hat hier gesagt, daß es einen solchen Ordner gibt. Er enthalte ausschließlich persönliche Aufzeichnungen über die Berufsreifeprüfungen, Kopien und so weiter. Er habe ihn erst jüngst studiert und bei dieser Gelegenheit festgestellt, daß sich die Studienbewerber, über welche er Aufzeichnungen besitze, tatsächlich als besser motiviert gezeigt haben als andere Studenten. In Anbetracht dessen gehe ich davon aus, daß dieser Ordner auch Aufzeichnungen über Persönlichkeitsprofile, also persönliche Daten im eigentlichen Sinne des Wortes, enthält. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Machen Sie sich doch nicht lächerlich!) Der Herr Präsident Brauneder hat uns von dieser Stelle aus gesagt, daß dieser Ordner sein Privateigentum sei und


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ihn niemand gesehen habe. Er habe ihn nur in seinem Büro mit den Fenstern auf den Ring studiert.

Ich frage mich: Wie ist dieser Widerspruch aufzuklären, daß derselbe Ordner, der sich nach Aussage des Präsidenten Brauneder ausschließlich in jenem Büro mit den Fenstern zum Ring befunden habe, hier auf diesem Rednerpult gelandet ist, und zwar in den Händen des Kollegen Grollitsch? (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Verlangen Sie einen Untersuchungsausschuß dafür! – Rufe bei der SPÖ: Untersuchungsausschuß! Untersuchungsausschuß!)

Es gibt nur eine Möglichkeit! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich halte nur die Abläufe fest und meine, daß wir Aufklärungsbedarf haben. Ich würde daher empfehlen ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das hat mit dem Thema überhaupt nichts zu tun!) Frau Untersuchungsrichterin! Walten Sie hier bitte nicht Ihres Amtes! (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

Ich würde daher empfehlen, daß sich die Präsidiale die Fernsehaufzeichnungen dieser Passagen der heutigen Haussitzung ansieht, um die Tatsachen rekonstruieren zu können. Denn an persönliche Daten von Dritten gibt es in dem Sinn, wie Herr Professor Brauneder gesagt hat, kein Privateigentum. (Abg. Mag. Schweitzer: Zur Sache!) Es ist zwar durchaus richtig, daß zum Beispiel auch Krankengeschichten, die ein Arzt schreibt, höchstpersönliche Aufzeichnungen sind. Das ist richtig. Ebenso verhält es sich mit Notizen, die ich mir mache, wenn ich mit jemandem Einstellungsgespräche führe. Das sind selbstverständlich höchstpersönliche Aufzeichnungen. Diese landen aber üblicherweise im Personalakt des Betreffenden und bleiben dort unter Verschluß. Dasselbe gilt auch für Aufzeichnungen – und seien sie noch so höchstpersönlich – über Studienwerber. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich bin daher der Meinung, daß Aufklärungsbedarf besteht. Ich ziehe keine Schlußfolgerungen, aber ich bin nicht befriedigt. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

21.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist Frau Abgeordnete Horngacher. Bitte sehr. (Rufe und Gegenrufe bei den Freiheitlichen, bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

21.40

Abgeordnete Katharina Horngacher (ÖVP): Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! (Weitere lebhafte Rufe und Gegenrufe bei den Freiheitlichen, bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Frau Abgeordnete! Zehn Sekunden warten wir noch, und dann beginnen Sie! – So, bitte sehr.

Abgeordnete Katharina Horngacher (fortsetzend): Mit der Berufsreifeprüfung, die wir heute beschließen, wird ein wesentlicher bildungspolitischer Schritt gesetzt, denn durch diese wird unseren Lehrlingen bereits ab dem Schuljahr 1997/98 die Möglichkeit eröffnet, im zweiten Bildungsweg ein Studium zu absolvieren. Ich freue mich sehr darüber, daß wir mit diesem Gesetz einen Schritt zur Erhöhung der Durchlässigkeit des Bildungssystems setzen und damit eine Aufwertung der Lehre erreichen können.

Es gibt nämlich eine Reihe von jungen Menschen, die nach absolvierter Lehre und Berufsschule umfangreiche Erfahrungen gesammelt haben und sich dann noch weiter qualifizieren möchten, um den steigenden Anforderungen im Berufsleben standhalten zu können. Daher glaube ich, daß jemand, der sich dafür entscheidet, nach einer abgeschlossenen Lehre ein Studium zu absolvieren, sicherlich nicht in die Statistik der Studienabbrecher eingehen, sondern eher versuchen wird, so schnell wie möglich sein Studium zu beenden.

Bisher gab es sicherlich eine gewisse Überbetonung der schulischen Ausbildung. Deshalb haben viele Eltern alles darangesetzt, daß ihre Kinder eine Schule mit Maturaabschluß besuchen, obwohl die Neigungen und Begabungen der Kinder manchmal in eine andere Richtung gegangen sind. Das zeigen uns die Statistiken über den notwendigen Nachhilfeunterricht. Da


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aber nun Durchlässigkeit gegeben ist, ist auch dieser Druck weg, weil immer noch Möglichkeiten bestehen, den Weg einer höheren Qualifizierung zu gehen.

Neben Lehrlingen können auch Absolventen einer mindestens dreijährigen mittleren Schule oder Krankenpflegeschule die Berufsreifeprüfung ablegen. Somit ist beispielsweise auch für Absolventen einer dreijährigen landwirtschaftlichen Fachschule dieser Weg offen, und das ist mir sehr wichtig. Auch daß die Fachbereichsarbeit durch die abgelegte Meisterprüfung oder die Abschlußprüfung an einer Werkmeisterschule ersetzt werden kann, finde ich vernünftig, da dies eine Aufwertung der handwerklichen Ausbildung überhaupt darstellt.

Gesellschaftspolitisch ist das Gesetz für mich ein wichtiges Signal, weil es die Wertigkeit der handwerklichen Arbeit und damit der Facharbeit unterstreicht. Ich freue mich über diese Entwicklung und den Einsatz unserer Frau Bundesministerin und wünsche mir, daß sie weiterhin ähnlich vernünftige und für die jungen Menschen so notwendige Initiativen setzt, damit unsere Jugend die Möglichkeit einer solchen Zusatzqualifikation in Anspruch nehmen kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Abgeordnete Tichy-Schreder hat vorhin gefragt, wer von uns – wenn überhaupt – unter seinen Kindern Lehrlinge hat. – Darauf kann ich antworten: Mein Sohn hat eine Maschinenschlosserlehre absolviert. Daher möchte ich Herrn Abgeordneten Öllinger etwas zum Berufsausbildungsgesetz sagen – und ich möchte ihn bitten, zuzuhören! – , und zwar (Abg. Öllinger: Ich höre zu!) : Wir wollen keinen Abbau von Schutzrechten, aber wir wollen vernünftige Regelungen und ein vernünftiges Miteinander! (Beifall bei der ÖVP.)

Überzogen scheint mir zu sein, daß ein Lehrling heute praktisch pragmatisiert ist. Das muß man sich vorstellen: Der Lehrling kann derzeit seinen Lehrplatz verlassen, wenn er will. Der Meister kann jedoch den Lehrling auch dann, wenn er gar nicht entspricht, nicht mehr wegschicken. Auch als Mutter eines Lehrlings sage ich: Da besteht ein Ungleichgewicht! Frau Schaffenrath hat in diesem Punkt recht, wenn sie sagt, daß viele Ausbilder es heute scheuen, einen Lehrling zu nehmen, besonders dann, wenn Sie bereits einmal oder zweimal Schwierigkeiten gehabt haben. Ich glaube, daß das Lehrstellenangebot größer sein könnte, wenn man diesbezüglich etwas flexibler wäre. In der Politik geht es immer um Kompromisse, und in diesem Zusammenhang sollten die Sozialdemokraten etwas flexibler werden, auch zum Nutzen der Lehrstellensuchenden! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Verzetnitsch: Frau Kollegin! Lesen Sie das Berufsausbildungsrecht!)

21.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Der Berichterstatter wünscht auch kein Schlußwort. Damit schließe ich diese Debatte ab.

Wir kommen zu den Abstimmungen.

Es liegen verschiedene Anträge vor, die getrennt abgestimmt werden.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 764 der Beilagen.

Dazu liegt ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Trinkl, Dietachmayr und Genossen betreffend Artikel I Z. 14, 17 und 25 vor.

Da nur dieser eine Abänderungsantrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung dieses Abänderungsantrages der Abgeordneten Trinkl, Dietachmayr und Genossen abstimmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit in zweiter Lesung beschlossen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die der Vorlage in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, ein Zeichen geben. – Die Vorlage ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 752 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Dr. Brauneder einen Zusatz- beziehungsweise einen Abänderungsantrag eingebracht, auch Kollege Öllinger hat einen Abänderungsantrag eingebracht, und schließlich hat Frau Abgeordnete Schaffenrath einen Abänderungsantrag eingebracht.

Es wird zunächst über die von den soeben erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträgen betroffenen Teile des Gesetzes und sodann über die restlichen Teile des Gesetzentwurfes abgestimmt werden.

Der vorliegende Entwurf betreffend ein Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung kann im Sinne des Art. 14 Abs. 10 der Bundes-Verfassung nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Nationalrates mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen beschlossen und geändert werden.

Ich stelle daher zunächst für die Abstimmung die Anwesenheit des entsprechenden Quorums fest.

Die Abgeordneten Schaffenrath und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf § 8 Abs. 1 bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Antrag Schaffenrath zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über § 8 Abs. 1 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, daß dies mit Zweidrittelmehrheit beschlossen ist.

Die Abgeordneten Öllinger und Genossen haben einen Abänderungsantrag, der die Streichung von § 11 Abs. 2 vorsieht, eingebracht.

Jene Abgeordneten, die dafür eintreten, ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Somit wird abgestimmt über § 11 Abs. 2 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Bestimmung in der Fassung des Ausschußberichtes zustimmen, um ein Zeichen. – Der Nationalrat hat dies mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit beschlossen.

Weiters hat Herr Abgeordneter Dr. Brauneder einen Zusatzantrag eingebracht, der die Anfügung eines neuen Art. II und eines Art. III zum Inhalt hat.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesen Antrag unterstützen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Weiters hat Abgeordneter Dr. Brauneder die Änderung des Titels des Gesetzentwurfes sowie die Einfügung der Überschrift "Art. I" beantragt.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die der neuen Überschrift zustimmen, um ein Zeichen, denn die Einfügung "Art. I" erübrigt sich wohl, wenn Artikel II und Artikel III nicht beschlossen wurden.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.


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Wir stimmen als nächstes über den Titel des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes ab.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein bejahendes Zeichen. – Dies ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit beschlossen.

Zuletzt stimmen wir ab über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle fest, daß dies mit Zweidrittelmehrheit beschlossen wurde.

Damit ist die zweite Lesung beendet, und wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die der Vorlage in dritter Lesung zustimmen, dies bekunden. – Ich stelle fest, die Vorlage ist in dritter Lesung mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit beschlossen worden.

Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

6. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 404/A (E) der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend die gesetzliche Verankerung der Förderung hochbegabter Schüler und Schülerinnen (753 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 405/A (E) der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Aussetzen der Rechtschreibreform (754 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zu den Punkten 6 und 7 der Tagesordnung. Es ist beabsichtigt, die Debatte unter einem durchzuführen.

Ein Wunsch nach mündlicher Berichterstattung liegt nicht vor.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

21.53

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist tatsächlich ein lustiger Zufall, der sich heute ereignet hat. Unser Antrag auf Aussetzung der Rechtschreibreform wurde justament heute durch einen Aufstand der Dichter im deutschsprachigen Raum massiv unterstützt!

Seit heute gibt es eine öffentliche Untersagungserklärung vieler Autoren, unterzeichnet auch von einer Reihe prominenter österreichischer Autoren, den Rechtsnachfolgern verstorbener Schriftsteller und von deutschen Verlagen, bei denen Rechte österreichischer Autoren liegen. Eine Auswahl: Ilse Aichinger, Milo Dor, Gertrud Fussenegger, Adolf Holl, Peter Turrini, Werner Schneyder, Günther Nenning, Ernst Jandl, Gerhard Roth und so weiter.

Es gibt also für diesen, vor allem von den Regierungsparteien im Ausschuß abqualifizierten Antrag Unterstützung von Autoren, die ansonsten nicht immer die freiheitliche Linie verfolgen. Aber offensichtlich haben wir in dieser Frage eine breite Unterstützung von in allen gesellschaftlichen Kreisen Österreichs anerkannten Autoren.

Meine Damen und Herren! Deshalb glaube ich, daß dieser Antrag in der Sache richtig ist. Es sollte noch einmal mit allen Argumenten versucht werden, diese Rechtschreibreform auszusetzen. Diese Reform ist nicht notwendig, sie bringt teilweise eine Verschlechterung! Auf alle Fälle


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beschert sie uns enorme Kosten und vergeudet Millionen von unnötigen Arbeitsstunden und schafft zusätzlich jahrzehntelang Verwirrung.

Wozu also diese Rechtschreibreform, die wirklich niemand haben will, die total unpädagogisch ist, da Kinder mit ihr etwas lernen sollen, was die bedeutendsten Autoren – wie wir es heute erleben –, Germanisten und die meisten Bürger aus guten Gründen ablehnen?

Diese Rechtschreibreform ist inhaltlich mißlungen, sie zerstört eine einheitliche Rechtschreibung, und zudem ist sie eine Benachteiligung der Schwächeren. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie schadet aber auch vor allem dem Ansehen der deutschen Sprache im Ausland. – Das alles sind gute Gründe, diese Rechtschreibreform auszusetzen.

Wenn wir Sie schon durch unsere Argumentation, die wir im Ausschuß mehrfach sehr ausführlich dargelegt haben, nicht überzeugen konnten, dann lassen Sie sich vom Aufstand der Dichter, der zufällig heute stattgefunden hat, überzeugen! (Zwischenruf der Abg. Motter. )

Zum zweiten, Frau Kollegin Motter: Die Freiheitlichen haben ein gemeinsames Anliegen mit den Liberalen, nämlich die Förderung der Hochbegabten. Wir sind uns darüber einig, daß es ein Grundsatz der Schulgesetzgebung ist, daß Kinder eine ihrem Entwicklungsstand entsprechende Ausbildung erhalten müssen. Das muß aber auch für Kinder gelten, deren Fähigkeiten wesentlich weiter entwickelt sind. Deshalb halte ich diesen Antrag für wichtig und beschließenswert.

Frau Bundesminister! Wir fordern deshalb, daß man sich auch über die Möglichkeit eines Einstiegs in die zweite, in Ausnahmefällen sogar in die dritte Klasse Volksschule Gedanken macht. Analog zur Behindertenintegration muß es auch ein Team-teaching für Hochbegabte mit einem zweiten Lehrer geben. Es sollte über die Schaffung spezieller Integrationsklassen für Hochbegabte nachgedacht werden und ein sensibilisiertes Lehrpersonal geben, das hochbegabte Schüler früh erkennt. Eine Aktualisierung der Schulgesetze in diese Richtung ist dringend notwendig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Brinek. – Bitte sehr.

21.57

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Lassen Sie mich vor allem zum letzten, vom Kollegen Schweitzer eingebrachten Antrag sprechen und mit einer Frage beginnen. In der "FAZ" war vor einigen Monaten zu lesen: Sind wir künftig von lauter kalten "Ichlingen" umgeben – oder erzeugen wir diese? – Mit diesen kalten "Ichlingen" sind die Technokraten, die gefühllosen Menschen von morgen gemeint.

Die Antwort darauf lautet bei den einen ja, weil wir dem Intellekt, der Förderung der Ratio zuviel Aufmerksamkeit geschenkt hätten. Gemäß einer meiner Meinung nach falsch verstandenen Psychologisierung solle daher auf die Förderung des Denkens, des abstrakten Wissens verzichtet werden. Wichtiger sei das Sich-Einbringen und das Sich-Wohlfühlen. – Nach dieser Auffassung erzogene Schüler sind zwar gut im Palavern und Diskutieren, sie sind auch mutig genug – verzeihen Sie, wenn ich das so deutlich sage! –, die Sau herauszulassen, wie das so schön heißt, so nach dem Motto: Meine Gefühle sind mir wichtiger als deine!, ihr systematisches Wissen, das Verfügen über Sach-, Sprach- und Schreibkenntnisse sowie naturwissenschaftliche Kenntnisse und ähnliches, ist aber unterentwickelt.

Die anderen sagen auf die Frage, ob wir lauter kalte "Ichlinge" erzeugen, die Schulzeit müsse effizient genützt werden, müsse möglichst viel Stoff und hartes Training beinhalten, alles, was im Leben notwendig ist oder sein wird, müsse gelernt, sprich: gebüffelt werden, darauf bestehe ein Anspruch. – Wie schauen diese Schüler aus? Meist haben sie eine sehr enge Vorstellung von Effizienz und einen hohen Grad an Egoismus ausgebildet. Gemeinschaftssinn ist ihnen fremd, soziale Talente bleiben unterentwickelt, und die Seele wird immer "blasser und blasser".

Die Österreichische Volkspartei hat auf die Frage, ob wir lauter kalte "Ichlinge" hervorbringen, eine andere, eine, wie ich meine, vernünftige Antwort. Sie liegt etwa in der Mitte und lautet:


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größtmögliche Förderung aller Begabungen und Talente, weitestgehende Berücksichtigung der harmonischen Entwicklung aller Fähigkeiten, mit dem Ziel, eine intelligente, verantwortungsbewußte, tolerante, zu sozialem Engagement fähige Person, eine Humanistin beziehungsweise einen Humanisten, mit einem gut entwickelten Sinn für Kreativität hervorzubringen.

Man kann nun der Ansicht sein, zur Erreichung dieses Ziels könne man auf die populäre Art rasch einen Antrag à la Schweitzer einbringen. Man kann aber auch systematisch gute Bildungspolitik machen, wie wir das mit unserer Frau Ministerin in den letzten Jahren und auch schon davor zu leisten versucht haben. Was heißt das? – Ein differenziertes Schulsystem als Primärangebot: Dieses bietet viele Möglichkeiten zur Begabtenförderung, wie sie etwa im Zielparagraphen der österreichischen Schule genannt ist, nämlich Hervorbringung und Förderung aller Talente und Begabungen gemäß den Neigungen und Fähigkeiten.

Weiters: Schulaufsicht und Schulleistungen ernst nehmen! Bei genauerem Studium konnte ich sehen, daß die allgemeine Weisung zur Schulaufsicht sehr genau und auf sehr moderne Weise auf die Förderung der Begabungen verweist und sie auch einfordert. Es ist dort nicht vom alten "knüppelhaften Hineinprügeln" und wieder "Herausprügeln" durch die Lehrer die Rede, sondern vom Beraten, Fördern, Konfliktlösen und davon, darauf zu achten, wie weit die sozialen, intellektuellen und kreativen Begabungen beim einzelnen Schüler gefördert werden können.

Ich will nun einige Beispiele nennen, von denen wir sagen können, daß sie in letzter Zeit erfolgreich waren und erfolgreich sein werden. Eine Begabtenförderung wird künftig, so unser Vorhaben, in den allgemeinen didaktischen Grundsätzen des Lehrplanes festgeschrieben. Vermehrte Bildungsgespräche und Vorbereitung auf die Berufs- und Arbeitswelt sollen vor falscher Berufs- und Schulwahlentscheidung schützen.

Schulautonomie und Wahlpflichtfächer, Freigegenstände und unverbindliche Übungen ermöglichen eine sehr individuelle Form der Begabtenförderung. (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. ) Die Teilrechtsfähigkeit und die Öffnung für Werbetätigkeit werden in diesen Bereichen wieder etwas budgetäre Luft schaffen. Klassen zu überspringen ist schon jetzt möglich und soll durch ein schnelleres Schuleingangstempo gefördert werden.

Besonders freue ich mich, daß es der Frau Bundesministerin mit einer Mädchenbildungs- und Mädchenförderungsoffensive gelungen ist, auf die deutlich nachgewiesenen unterentwickelten technischen Begabungen hinzuweisen.

Diese Reihe ließe sich fortsetzen, von der Olympiade über den Begabtenförderungsfonds bis zu den großartigen Leistungen, die im Hervorbringen von Patenten und weiteren ganz besonderen Spitzenleistungen liegen.

Ich komme zum Schluß: Begabtenförderung ist meiner Ansicht nach im Verständnis eines modernen Bildungssystems ein absolutes Muß, eine Verpflichtung im Sinne einer humanistischen Gesinnung. Das automatische Hervorbringen von Genies ist damit nicht gemeint, sehr wohl jedoch die Enttabuisierung des Elitebegriffs. Wer Eliten transparent fördert und ihre Qualität laufend modern diskutiert, verhindert, daß feudalistische, subtil machtpolitische Eliten eines Tages in Österreich das Sagen haben. Schaffen wir ein Klima, das die richtigen Eliten, die richtigen Begabten, die richtigen Talente, die richtigen Humanisten hervorbringt! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

22.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist Frau Abgeordnete Motter.

22.03

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte über die Tagesordnungspunkte 6 und 7 gibt uns noch einmal die Möglichkeit, über Bildungspolitik zu sprechen. Ich bin froh darüber, daß diese Debatte bisher – wie auch beim vorigen Tagesordnungspunkt – sehr ruhig abgelaufen ist.


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Herr Kollege Schweitzer! Ich gebe Ihnen recht: Wir gehen, was die Begabungsförderung betrifft, sicher konform und werden Ihrem Antrag auch noch einmal unsere Zustimmung geben.

Meine Damen und Herren! Es ist mir ein echtes Anliegen – und wir Liberalen halten es für sehr notwendig –, anstelle, wie bisher üblich, von "Begabtenförderung" zu sprechen, konsequent den Terminus "Begabungsförderung" zu verwenden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir sehen zum Beispiel nicht ein, warum die musikalischen oder sozialen Fähigkeiten eines behinderten Kindes weniger förderungswürdig sein sollen als eine intellektuelle Hochleistung. Da der bisher übliche Ausdruck "Begabtenförderung" außerdem signalisiert, eine Art Intelligenzprämie zu sein, sollte er aus dem Sprachgebrauch genommen werden.

Meine Damen und Herren! Um die wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Aufgaben, die uns im kommenden Jahrtausend gestellt werden, zu bewältigen, benötigen wir nicht nur eine intellektuelle Elite, sondern eine ganze elitäre Generation, nämlich Menschen, die ihre intellektuellen, musischen und sozialen Begabungen als Geschenk annehmen, pflegen und in sozialer und ethischer Verantwortung auch umsetzen können. In diesem Sinne kommt der Begabungsförderung gerade heute ein zentraler Stellenwert in der Schul- und Bildungspolitik zu.

Für uns Liberale ist es dabei allgemein wichtig, daß die Mobilisierung aller Begabungen und deren gezielte Förderung in sozialem Kontext steht. Denn nur wenn ein Kind seine Hochbegabung als ein Vorrecht, größere gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, begreift und darin nicht nur eine Freikarte für den Zutritt zur gesellschaftlichen Elite sieht, erfüllt Begabungsförderung seinen eigentlichen politischen Sinn. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir sehen das Ziel der Begabungsförderung darin, daß auf die Begabungen jedes einzelnen Kindes oder Schülers gezielt eingegangen wird. Deshalb fordern wir Liberalen auch eine innere Differenzierung im Schulsystem. Das heißt zum Beispiel, daß dem begabten Kind – durchaus im Klassenverband – Freiräume eingeräumt werden sollen, sein individuelles Lerntempo und das Ausmaß der zusätzlichen, über die Normerwartung hinausgehenden Lehrinhalte selbst zu bestimmen.

Eigene "Sonderschulen für Schwerstbegabte" einzurichten, wie Karl-Heinz Gruber die von konservativer Seite immer wieder geforderten Hochbegabtenschulen treffend charakterisiert hat, scheint auch uns kein guter Weg zu sein, weil dadurch die soziale Isolierung gefördert wird, wiewohl das Lernen sozialer Verantwortung gefragt wäre.

Meine Damen und Herren! Wir können uns daher vorstellen, daß ein Kind, das in der Lage ist, den Lernstoff eines Jahres in kürzerer Zeit zu absolvieren, innerhalb des Schuljahres die Möglichkeit erhält, seine spezifischen Fähigkeiten weiterzubilden und dies vielleicht auch mit einem Auslandsaufenthalt und dem Erlernen einer Sprache zu verbinden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sie sehen also, daß aus unserer Sicht Begabungsförderung nicht die Entwicklung neuer Curricula oder gar neuer Schulen ist, sondern eher ein Mehr an Flexibilität bestehender Einrichtungen. Die Ideologie, daß alle Kinder in einer Klasse grundsätzlich das gleiche zu lernen haben, sollte der Zielsetzung weichen, viel Phantasie aufzubringen, um den unterschiedlichen Begabungen und Bildungserwartungen junger Menschen gerecht zu werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Abschließend möchte ich mich noch kurz mit dem Antrag betreffend Aussetzung der Rechtschreibreform befassen. Sich jetzt mit der Sinnhaftigkeit dieser Reform zu befassen, halte ich für überholt, denn die Zeit ist im wahrsten Sinn darüber hinweggegangen.

Herr Kollege Schweitzer! Einer zehnjährigen Diskussion zwischen staatlich autorisierten Expertenkomitees aus allen deutschsprachigen Ländern und Ländern mit deutschsprachigen Minderheiten folgte eine Neuregelung der Rechtschreibung, die am 1. Juli 1996 beschlossen wurde. Die gemeinsame Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung sieht vor,


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daß das Regelwerk mit 1. August 1998 wirksam werden soll, wobei für die Umsetzung ein Übergangszeitraum bis zum 31. Juli 2005 vorgesehen ist.

Der Schwerpunkt der Reform liegt auf einer systematischen Bearbeitung und Neufassung der Regeln der deutschen Rechtschreibung, ohne daß dadurch die Tradition der Schriftkultur und die Lesbarkeit der Texte beeinträchtigt werden. Wir Liberalen bekennen uns zu dieser Reform! Sie bringt in erster Linie eine Entlastung der Schülerinnen und Schüler vom sinnentleerten Lernen eines komplizierten Regelwerkes. Ich gebe auch zu, daß aus unserer Sicht eine viel weitergehende Vereinfachung der Rechtschreibung erwünscht gewesen wäre. Leider war dies aufgrund der Notwendigkeit zu politischen Kompromissen nicht möglich.

Meine Damen und Herren! Abschließend zur neuerlichen Diskussion über die Urheberrechte durch den AutorInnenverband: Derzeit besteht zur Verwendung literarischer Werke für schulische Unterrichtszwecke eine generelle Rechtseinräumung der AutorInnen an den Staat, nach der der Schreibweise oder den Stileigenheiten der Literatur Vorrang vor Eingriffen im behördlichen Interesse gegeben wird. Wenn nun der österreichische AutorInnenverband den Standpunkt vertritt, daß die generelle Rechtseinräumung die Anpassung ihrer Texte an die neuen Rechtschreibregeln nicht mit einschließt, so ist dieser Position aus unserer Sicht der – im wahrsten Sinne des Wortes – Vorrang zu geben.

Unsere Position dazu lautet daher: Texte, bei denen urheberrechtliche Ansprüche bestehen, sollen in jener rechtschreibmäßigen Form in den Schulbüchern veröffentlicht werden, die von den Inhabern der Urheberrechte gewünscht wird. Diese Texte lassen sich entsprechend kennzeichnen, sodaß Schülerinnen und Schüler in der Lage sind, die Unterschiede zur gültigen Rechtschreibung wahrzunehmen.

Weiters ist es aus liberaler Sicht zu begrüßen, wenn junge Menschen erkennen, daß Rechtschreibung etwas Dynamisches ist und sich kontinuierlich ändern kann. Aus unserer Sicht erscheint es auch durchaus sinnvoll, wenn Schülerinnen und Schülern erkennen können, daß die Gültigkeit dieser staatlich verordneten Regeln außerhalb des staatlichen Bereiches auf Grenzen stoßen kann. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

22.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist Herr Abgeordneter Dr. Antoni.

22.11

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Kollege Schweitzer moniert in seinem Antrag einmal mehr, der Hochbegabtenförderung ein ganz besonderes Augenmerk zu schenken. Ich darf einmal mehr die Position meiner Fraktion festhalten: Wir bekennen uns selbstverständlich ebenfalls zur Begabtenförderung, die jedoch aus der Sicht der SPÖ umfassender zu sehen ist. Denn es geht uns zunächst darum, die Chancengerechtigkeit weiter auszubauen, das heißt, soziale, ökonomische und regionale Barrieren und Benachteiligungen abzubauen und das Schulsystem durchlässiger zu machen. Wir bekennen uns zu einem dynamischeren Begabungsbegriff, der die Förderung der verschiedensten Begabungen, und zwar ausschließlich im integrativen Unterricht, umfassen soll.

Ich möchte die gestrige Aussage des Kollegen Öllinger noch einmal wiederholen, denn ich bin in der Tat sehr froh über jene internationale Studie, die der österreichischen Volksschule ein sensationell positives Zeugnis ausstellt. Eben diese österreichische Volksschule ist eine Schule, in der Kinder mit unterschiedlichsten Lernvoraussetzungen, mit unterschiedlichsten Begabungen und Kompetenzen gemeinsam unterrichtet werden, und aufgrund dieser Studie wird deutlich, daß im integrativen Unterricht Begabungsförderung möglich ist.

Uns geht es daher darum, im Klassenverband auf die individuellen Lernfähigkeiten der Schüler einzugehen, die vielfältigen Begabungen und Neigungen zu fördern, aber auch – das möchte ich mit Nachdruck betonen – lernschwache Schüler in bestimmten Phasen, wann immer sie es brauchen, verstärkt zu unterstützen – so wie das Frau Kollegin Tichy-Schreder in ihrer Rede gefordert hat.


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Als wir das letzte Mal – es war nicht bei der letzten Sitzung – im Unterrichtsausschuß über Begabtenförderung und auch über Ihren Antrag gesprochen haben, hat die Frau Bundesminister eine unheimlich breite Palette all jener Maßnahmen dargeboten, die für Begabtenförderung seitens des Unterrichtsministeriums, der Landesschulräte und der extra eingerichteten Koordinationsstelle im Ministerium durchgeführt werden. Das ist zu begrüßen, und das tun wir auch.

Akzeptieren wir doch, daß das bestehende österreichische Schulsystem durch seine Vielfalt und Differenziertheit, insbesondere im Bereich der Oberstufen der berufsbildenden höheren Schulen und der AHS, viele Möglichkeiten bietet, auf die vielfältigen Arten der Begabung entsprechend differenziert einzugehen. Viele Maßnahmen, die ich hier nicht aufzählen will, da die Zeit schon sehr weit vorgeschritten ist, stellen sicher, daß Begabtenförderung im Rahmen des integrativen Unterrichtes tatsächlich möglich und von unserer Warte aus durchaus sinnvoll ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie Beifall der Abg. Dr. Brinek. )

22.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Rossmann ist die nächste Rednerin.

22.15

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Frau Minister! Die Rechtschreibreform ist zwar in den Schulen bereits voll im Gange, eine Grundlage auf Verfassungs- und Gesetzesebene fehlt aber noch. (Abg. Schaffenrath: Nur weil Sie sich schwertun damit, setzen wir sie nicht aus!)

Wenn man die Kritik des Universitätsassistenten für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien liest, der diese Problematik deutlich festschreibt, dann frage ich mich schon, warum das am 1. August 1996 in einer rein politischen Absichtserklärung von Ihnen, Frau Bundesminister, mitgetragen worden ist. Sie wissen ganz genau, daß wir das nicht hätten tun müssen. (Abg. Schaffenrath: Geh!) Außerdem hätten Sie vorher in irgendeiner Weise das Hohe Haus informieren können. Wie oft bekommen wir Informationen über irgendwelche Arbeitskreise, über Thematiken, die eigentlich Peanuts sind, bei einer so wichtigen Frage jedoch haben Sie im wahrsten Sinne des Wortes über unsere Köpfe hinweg entschieden. Sie waren auch überhaupt nicht gewillt, uns mit einzubeziehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wäre es nicht allein aus Ihrer politischen Moral heraus notwendig gewesen, dieses Haus darüber zu informieren und vor allem über Details in Kenntnis zu setzen?

Ich habe mir die Mühe gemacht, mit meinen ebenfalls davon betroffenen Kindern einige Punkte dieses haarsträubenden Schwachsinns herauszusuchen: Bei "jeder einzelne" schreibt man das "e" nach der Rechtschreibreform groß, bei "viele" hingegen schreibt man das "v" klein. Welche Begründung steckt da dahinter, und wie wollen Sie das einem Volksschulkind erklären? (Abg. Motter: Sie müssen es ja nicht lehren!)

Oder: In Briefen schreibt man "Ihr" und "Ihnen" groß, "du", "dich", "euer", "dein", "euch" aber plötzlich klein. (Abg. Schaffenrath: Ist das so schwierig? – Weitere Zwischenrufe der Abgeordneten Motter und Schaffenrath. ) Sie wollen das nicht begreifen, Sie sind zu verkorkst dazu. Das ist aber Ihr Problem, nicht meines. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine neunjährige Tochter, sie geht in die dritte Klasse Volksschule, hat ihrer Taufpatin aus Wien eine Ansichtskarte geschrieben und hat bei "Ich wünsche Euch" das "euch" klein geschrieben. Ihre Taufpatin ist eine sehr bürgerliche, sehr penible Dame. Als ich dieses "euch" gelesen habe, habe ich zu ihr gesagt: Meine Johanna, du gehst in die dritte Klasse Volksschule, du mußt doch wissen, wie man "euch" im Brief schreibt! Darauf antwortete sie: Das ist die neue Rechtschreibreform! – Darauf habe ich ihr gesagt: Dann mach für die Tante Edith ein Ringerl mit einem Pfeil dazu und schreib einen Hinweis: Es tut mir leid, das ist nach der neuen Rechtschreibreform! (Abg. Schaffenrath: Dann wird sich die Tante Edith umstellen müssen, nicht das Schulsystem!) Sie sind zu verkorkst, Sie werden es nie begreifen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber die österreichische Bevölkerung ist nicht so verkorkst wie Sie! Die leidet darunter, wie auch meine Tochter darunter leidet, daß sie auf eine einfache Ansichtskarte plötzlich eine Rechtferti


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gung dafür schreiben muß, warum sie "euch" klein schreibt. Das ist das Problem! (Abg. Schaffenrath: Wegen der Tante Edith machen wir keine Rechtschreibreform! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Weitere Groß- und Kleinschreibungsfälle: Bei "Stiller Ozean" schreibt man "still" groß, bei "Heiliger Vater" schreibt man aber "heilig" wieder klein! (Abg. Mag. Guggenberger: Stimmt ja nicht! Falsch! "Heiliger Vater" schreibt man groß!) Das ist doch absurd! Das muß man einem Kind erst einmal erklären!

Sehr verehrte Frau Ministerin, es wundert mich ja nicht! Ich habe Sie zwar anfangs, als Sie in dieses Haus kamen, sehr geschätzt und mir gedacht, nun haben wir endlich eine Unterrichtsministerin, die ein bißchen Ahnung von der Praxis hat! Jedoch habe ich meine Meinung über Sie im Zusammenhang mit dem Eiertanz bei der Ferienordnung in Vorarlberg geändert. Sie haben dieser Ferienordnung für Vorarlberg als Mitglied der Landesregierung zugestimmt, aber als Bundesministerin in diesem Haus wurden Sie sofort vom ÖVP-Virus des Umfallens befallen und haben plötzlich nichts mehr von Ihrem Beschluß in der Landesregierung gewußt, und von da an habe ich meine Meinung über Sie revidiert. (Zwischenruf der Abg. Motter. – Abg. Mag. Schweitzer: Liebe Tante Klara!) Als nun diese Rechtschreibreform von Ihnen als politische Entscheidung über unsere Köpfe hinweg durchgezogen wurde, bin ich leider in meiner Meinung bestätigt worden.

Frau Ministerin! Ich ersuche Sie im Sinne der österreichischen Bevölkerung und der armen Kinder, die nicht wissen, wo die Grenzen sind, diese Rechtschreibreform auszusetzen (Abg. Schaffenrath: Im Sinne der Tante Edith!) und nochmals zu überdenken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte, das Stenographische Protokoll dieser Debatte besonders sorgfältig zu lektorieren.

Am Wort ist die Frau Bundesministerin. – Bitte.

22.20

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Es ist eine interessante Erscheinung in unserer Zeit, daß sich, solange Dinge von Kommissionen bearbeitet und sachlich diskutiert werden, eigentlich niemand dafür interessiert. Wenn es dann aber nach zwölf Jahren ein Ergebnis gibt, dann gibt es plötzlich wahnsinnig viele Bestrebungen, die beschlossenen Reformen zu behindern. Es ist erstaunlich, daß es so viele Menschen gibt, die immer wieder versuchen, hinter einem fahrenden Zug nachzulaufen oder sich womöglich auf die Schienen zu legen, was natürlich sehr wenig Wirkung hat.

Ich meine, daß diese Rechtschreibreform eine lange gemeinsame Diskussion zur Grundlage hat. Was Herr Abgeordneter Schweitzer als großen Trumpf vorgebracht hat, betrifft eine Diskussion zwischen den Autoren und den Verlegern, die selbstverständlich die Urheberrechte zu respektieren haben, was jedoch überhaupt nichts mit der Schule, mit dem Unterricht oder mit sonst etwas in diesem Zusammenhang zu tun hat. Die genannte Diskussion muß zwischen den Verlegern und denen, die das Urheberrecht haben, abgeführt werden. Weiter sind daraus aber keine Schlüsse zu ziehen!

Die Sorge, daß unsere Kinder die Rechtschreibreform nicht erlernen, ist unbegründet. Wir haben Untersuchungen an Schulen in Salzburg gemacht: Die Reform hat für die Schüler Erleichterungen gebracht. Das konnte ganz eindeutig bewiesen werden. Ich möchte noch einmal ganz klar festlegen, daß die Rechtschreibung bislang in keinem Staat per Gesetz geregelt ist, daß also niemand verurteilt werden kann, wenn er nicht richtig schreibt, daß es daher einer gesetzlichen Beschlußfassung nicht bedarf. (Abg. Scheibner: Aber durchfallen kann er!) Für die Rechtschreibung gibt es kein Gesetz, und es wird niemand verurteilt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Es gibt auch bei der derzeit bestehenden Rechtschreibung die Möglichkeit, "Friseur" oder "Frisör" zu schreiben. Es gibt nie


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das eindeutig Richtige, und es wird auch weiterhin die Möglichkeit geben, "Friseur" oder "Frisör" zu schreiben. Das ist sogar auch im Text enthalten.

Übrigens möchte ich noch etwas ganz klar feststellen: Der Unterrichtsausschuß wurde eingehend informiert, und jeder Abgeordnete hat eine Information über die neue Rechtschreibung erhalten. Leider haben manche diese aber nicht gelesen!

Zur Frage der Begabtenförderung ist folgendes festzustellen: Eine gute Schule ist eine Schule, in der verschiedene Anlagen und Begabungen unterstützt und gefördert werden. Das wird an österreichischen Schulen bereits seit langem gemacht, ist in den letzten zwei Jahren bedeutend verstärkt worden und wird in den kommenden Jahren verstärkt fortgeführt. Ein kleines neues Ergebnis dieser Begabungsföderungen ist die Einrichtung einer Sommerakademie für begabte Schülerinnen und Schüler, in welcher besondere Kurse für Chemie, Medizin, Philosophie, Psychologie, Mathematik, Ökonomie, kreative Ausdrucksformen, Sprache und Literaturwissenschaften angeboten werden. In diesem Bereich geschieht enorm viel. Es ist daher völlig entbehrlich, daß man eine eigene gesetzliche Bestimmung dafür schafft. Daher wundert es mich umso mehr, daß dieses Verlangen ständig von jemandem gestellt wird, der immer wieder kritisiert, daß es bei uns eine allzu große Flut von Gesetzen gibt. In diesem Fall ist ein Gesetz nicht notwendig, denn die Begabungen werden ohnedies gefördert! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

22.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist Abgeordneter Öllinger. – Bitte sehr.

22.24

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! – Frau Ministerin! Ich kann Ihnen den Vorwurf nicht ersparen, daß Sie der Debatte jetzt ein wenig den Drive genommen, den sie schon hatte. Das wäre richtig spannend geworden, obwohl ich es befürchtet habe, daß die Abgeordneten über Rechtschreibung debattieren werden.

Bei aller Kritik – ich gehöre zu den Kritikern dieser Rechtschreibreform – möchte ich aber nicht, daß Kollege Schweitzer, Kollege Höchtl oder wer auch immer hier im Haus im Ausschuß oder sonstwo die Regeln der neuen oder auch der alten Rechtschreibung bestimmen. Das wünsche ich mir bei Gott nicht, und ich glaube, das wäre falsch am Platz. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Trotzdem ist die Frage nach dieser Rechtschreibreform natürlich berechtigt, und ich halte sie für fehl am Platz, aber, lieber Kollege Schweitzer, wenn die Freiheitlichen die Forderung nach Aussetzung dieser Reform erheben, was ich für legitim halte, dann müssen sie aber auch die Frage beantworten: Was machen wir mit jenen Kindern und Jugendlichen, die jetzt schon nach den Regeln dieser neuen Rechtschreibung lernen? Sollen wir diese vergessen? (Abg. Madl: Es hat schon so viele Versuchsklassen gegeben! Da spielt das keine Rolle!)

Denn das ist tatsächlich ein Problem. Es wäre wesentlich einfacher, die Debatte über eine Aussetzung dieser Reform zu führen, wenn man die Kinder und Jugendlichen noch nicht nach dieser unterrichtet hätte und nicht schon Schulbücher in Vorbereitung oder im Umlauf wären, die die Regeln der neuen Rechtschreibung beinhalten. (Abg. Mag. Schweitzer: Die Zahl der Schüler, die noch nicht die neue Rechtschreibung gelernt haben und umlernen müssen, ist aber viel größer!) Wir werden uns wahrscheinlich noch einen sehr langen Zeitraum hindurch damit auseinanderzusetzen haben, daß bei uns eine alte Rechtschreibung neben einer neuen steht. Ich bin mit den vom Ministerium vorgeschlagenen Übergangszeiträumen in keiner Weise einverstanden. Ich halte es für durchaus denkbar, daß in den Schulen auch die Lehrer nach Gutdünken die alte Rechtschreibung oder die neue Rechtschreibung verwenden können. Ich halte es für durchaus denkbar, daß beide Regelwerke anerkannt werden.

Es geht ja sowieso nicht anders, denn man sich etwas intensiver mit dieser neuen Rechtschreibung befaßt, dann stellt man fest, daß jetzt schon die Revision der neuen Rechtschreibung im Gange ist, das heißt, daß das Regelwerk, welches man erarbeitet und in Verkehr gesetzt hat, bereits revidiert wird, weil es nicht überall Übereinstimmung – zwar nicht in wichtigen Punkten,


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aber doch in einigen Punkten – zwischen dem "Bertelsmann", dem "Duden" beziehungsweise sonstigen Werken gibt, die im Umlauf sind und die die neue Rechtschreibung interpretieren. – Diese Frage wird uns noch einige Zeit beschäftigen!

Ich halte verschiedene Regeln für falsch. Ich will sie jetzt nicht interpretieren, aber ich könnte Kollegin Rossmann damit schockieren, daß ich sowohl den "Heiligen Vater" als auch den "Stillen Ozean" klein schreiben würde. Das war ursprünglich auch intendiert mit dieser Rechtschreibreform, doch das besonders Problematische an dieser Reform ist ja die Tatsache, daß Österreich und die Schweiz durchaus mit der gemäßigten Kleinschreibung in diese Reform gegangen sind, aber wie so oft haben sich Österreich und die Schweiz von der großen Bundesrepublik Deutschland, nachdem diese die DDR, die auch die gemäßigte Kleinschreibung vertrat, inhaliert hatte, über den Tisch ziehen lassen.

Was dabei herausgekommen ist, ist meiner Ansicht nach wirklich schwer verständlich. Es kam nämlich zu einer Erweiterung der Großschreibung und zu einigen anderen Regeln. Somit – und das ist das Problem – stellt diese Rechtschreibreform leider keinen Fortschritt dar, sondern sie ist in Anbetracht der Debatte, die vor zehn Jahren begonnen wurde, eigentlich ein absurdes Resultat. (Abg. Schaffenrath: Würdest du "Vater" auch klein schreiben?)

Es ist richtig, Frau Ministerin, daß Wissenschafter sehr lange darüber diskutiert haben, aber eigentlich in eine ganz andere Richtung. Erst aufgrund des politischen Kompromisses, den man offensichtlich wollte, weil sich niemand vorstellen konnte oder wollte, daß man gegen die Bundesrepublik Deutschland entscheidet, ist dann etwas herausgekommen, was die kleinen Länder nicht gewollt haben, was auch in Deutschland einige Bundesländer nicht wollten, aber dann haben sich halt die Bayern, die ganz Konservativen, am besten durchgesetzt und eine Rechtschreibreform durchgedrückt, die niemanden befriedigen kann. (Abg. Dr. Niederwieser: Schreibt man die "Grünen" groß oder klein?!) Das ist ein Problem, mit dem wir jetzt fertig werden müssen!

Ich sehe keinen anderen Ausweg, als die Regeln der alten Rechtschreibung genauso gelten zu lassen wie die der neuen. Vielleicht könnte man in der einen oder anderen Frage sogar noch weiter denken und sich die Frage stellen: Welche Rechtschreibregeln sind im Unterricht – und nur über diesen reden wir – überhaupt noch so zu bewerten, wie sie derzeit leider immer noch oft bewertet werden? Das wäre eine interessante Frage, die sich das Parlament bei einer Debatte über die Rechtschreibreform auch stellen könnte.

Diskussionen darüber, ob man das scharfe S wegfallen lassen oder das Doppel-s beibehalten soll, halte ich jedoch für überflüssig. Die Schweizer sind etwa in der Frage des scharfen S schon einen Schritt weitergegangen. Denn das scharfe S gibt es in der Schweizer Rechtschreibung überhaupt nicht mehr. Sie haben sich auch nichts darum gepfiffen, daß die Rechtschreibreformkommission und der Vertrag zwischen den Ländern das ohnehin vorsieht. Sie haben schon vor Jahren das scharfe S abgeschafft. Nur die Österreicher halten sich halt wie immer sklavisch an das, was sie vereinbart haben. (Abg. Schaffenrath: Dabei geht es um die österreichische Identität!) Sie halten sich an eine Reform, die leider nicht so ernst zu nehmen ist, wie sie ernstgenommen wird, und haben das scharfe S nach wie vor im Programm. Das ist natürlich teilweise Schülerquälerei. Das scharfe S gehört eliminiert! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.) – Aber das ist eigentlich alles, was man dazu sagen kann.

Alle anderen Fragen sind natürlich spannend: Inwieweit kann zum Beispiel das Urheberrecht tangiert werden? Wie kann diese Reform überhaupt in die staatliche Verwaltung Eingang finden? Da geht es um eine Reihe von Fragen, die nicht unspannend zu diskutieren wären! Aber ich möchte nicht, daß wir die Regeln der Rechtschreibung als solche hier im Parlament diskutieren beziehungsweise einfordern, daß der Unterrichtsausschuß oder wer auch immer hier darüber befinden soll. Das würde ich mir nicht wünschen, obwohl ich – zugegeben, Kollege Schweitzer – mit dir viele Argumente gegen diese Rechtschreibreform teile. Aber das Problem mit den Kindern und Jugendlichen können wir nicht eliminieren.


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Zweitens: die Hochbegabungsförderung. Beim Zuhören habe ich mir gedacht, ich bin in der falschen Debatte. Es ist zwar nett, daß das LIF (Abg. Schaffenrath: Das Liberale Forum!) einen Text, den die Freiheitlichen vorgelegt haben, interpretiert und etwas ganz anderes daraus macht, als ursprünglich im Unterrichtsausschuß von den Freiheitlichen eingebracht wurde – da verhält es sich so wie beim Bibeltext bei der schriftlichen und mündlichen Überlieferung – aber das ist nicht ausreichend und kann meiner Ansicht nach die Haltung der Freiheitlichen zu dieser Frage nicht charakterisieren. Wir haben gerade vorhin darüber diskutiert, daß die Freiheitlichen einen Bildungsbegriff haben, der klar auf Elitenbildung setzt.

Man kann in diesen Antrag natürlich auch etwas anderes hineininterpretieren, ich halte ihn für einen Versuch, hinsichtlich Elitenbildung wieder einen Schritt zurück zu gehen. Ich könnte mir schon vorstellen, daß man dem, was die Kollegen vom Liberalen Forum wollen, nahetritt. Das sind auch meine Ideen, aber das hat nur sehr bedingt etwas mit dem Antrag der Freiheitlichen zu tun. Daher werden wir diesem auch keine Zustimmung geben. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

22.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Stampler. Er hat das Wort.

22.33

Abgeordneter Franz Stampler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Einer Aussendung der Universität Salzburg vom 10. Juni 1997 entnehme ich, daß Österreichs Volksschüler in Mathematik und Sachunterricht europäische Spitze sind. Was sagt mir das? – Das sagt mir, daß unsere Pflichtschüler eine Vielfalt an Begabungen besitzen.

In der modernen Begabtenforschung werden meist folgende Faktoren für Begabungen genannt: erstens besondere Fähigkeiten, zweitens Kreativität, drittens Motivation und Aufgabenengagement. Erst durch das Zusammenwirken dieser drei Faktoren kann Begabung entstehen, und die Art des Zusammenspiels ist entscheidend für die Art der Begabung.

Begabungen sind für Bildung, Kultur, Wirtschaft, Sport, Tourismus und so weiter von großer Bedeutung. Sie machen den wahren Wert einer Gesellschaft aus. Besondere Fähigkeiten können auf intellektuellem Gebiet Sprachbegabung, mathematisches oder naturwissenschaftliches Talent sein, auf künstlerischem Gebiet musikalische, bildnerische und architektonische Begabung, im sozialen Bereich Geschick im Umgang mit Menschen, Talent zur Menschenführung oder Teamarbeit, was für Lehrende, für Personen in leitender Position und in helfenden Berufen wichtig ist. Begabungen können auch im psychomotorischen Bereich, also im Zusammenspiel von Bewußtsein und Bewegungsabläufen, liegen, was wichtig ist für die Ausübung einer sportlichen Tätigkeit, für das Spielen eines Musikinstruments, für die chirurgische Feinarbeit oder für Heilmassage.

Meine Damen und Herren! Begabungsprofile zeigen die Vielfalt von besonderen Fähigkeiten auf. Aber so wichtig es ist, Begabung zu fördern, eines sollten wir dabei nicht übersehen: Auch begabte Kinder sind Kinder. Sie brauchen ebenso wie alle anderen Kinder Liebe und Freundschaft, sie haben ebenso das Bedürfnis, auszubrechen und auch recht zu haben. Sie sind keine kleinen Erwachsenen, auch wenn sie manche Dinge rascher begreifen als andere Kinder.

Für Frau Bundesministerin Gehrer ist Begabtenförderung ein vorrangiges Anliegen. In den letzten Monaten und Jahren ist seitens des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst bereits viel geschehen, um begabte Schülerinnen und Schüler zu fördern und ihr Talent zu erkennen. Durch seine Vielfalt ermöglicht das österreichische Schulsystem den Schülerinnen und Schülern die Wahl eines Bildungsweges, der den jeweiligen Talenten entspricht. An den Schulen gibt es bereits zahlreiche Maßnahmen, die der Förderung besonders begabter Kinder dienen; so etwa Fremdsprachenwettbewerbe, Sprachkurse, Bundesländerprojekte, Autonomie in der Schule, spezielle Kursangebote, individuelle Förderung oder Schulen mit besonderer Schwerpunktsetzung für Begabtenförderung.


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78. Sitzung / Seite 218

Durch die Einführung neuer Lehr- und Lernformen und durch entsprechende innere Differenzierung im Klassenverband ist es ohnehin bereits möglich, daß Schüler ihrem Leistungsstand und ihrer Begabung entsprechend gefördert, aber auch gefordert werden. So ist es auch Aufgabe eines jeden Lehrers, den Schüler innerhalb des Unterrichts entsprechend seiner Begabung zu fördern.

Das österreichische Bildungswesen ist auch im internationalen Vergleich sehr begabungsfördernd, da aufgrund seiner strukturellen Möglichkeiten Fähigkeiten entsprechend gefördert werden können.

Abschließend möchte ich feststellen, daß die Schule lebt, und das ist gut so. Eine gute Ausbildung ist eine wichtige Voraussetzung für die materielle Sicherung der Existenz, für sinnvolle Gestaltung der Freizeit und für demokratische Mitbestimmung. Nützen wir einmal die vorhandenen Möglichkeiten aus, die unser Schulsystem bietet! Bauen wir gemeinsam für unsere Kinder an der Schule von morgen! (Beifall bei der ÖVP.)

22.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Brunhilde Fuchs. Sie hat das Wort.

22.38

Abgeordnete Brunhilde Fuchs (SPÖ): Verehrter Herr Präsident! Verehrte Frau Bundesministerin! In Anbetracht der späten Stunde und der fortgeschrittenen Müdigkeit möchte ich nur ganz kurz in Schlagworten etwas zum Antrag auf das Aussetzen der Rechtschreibreform sagen.

Erstens: Jede Sprache erlebt in ihrer Historie Veränderungen.

Zweitens. Dies ist ein Kompromiß aller deutschsprachigen Länder.

Drittens: Die prophezeite Kostenbelastung wird nicht stattfinden, da aufgrund der langen Übergangsfrist bis zum Ende des Jahres 2005 Schulbücher sowieso im Zuge des normalen Aktualisierungsprozesses umgestellt werden müssen.

Viertens: Niemand wird gezwungen, sich an die neuen Formen zu halten. Ich werde mir dieses Privileg auch nehmen: Ich werde den Rest meines Lebens auch nach den alten Rechtschreibregeln gestalten! (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. )

Zur Begabtenförderung drei Punkte:

Erstens: Jedem Kind steht das gleiche Maß an Bildung zu – ohne Unterschied der sozialen Herkunft und des Geschlechts.

Zweitens: Die Fülle von Maßnahmen und Möglichkeiten zur Förderung individueller Begabungen ist schon mehrfach von Vorrednern und auch von der Frau Ministerin genannt worden. Auch ich habe von dieser Stelle aus schon darüber gesprochen.

Drittens und letztens: Es gibt für mich eine Verpflichtung gegenüber 56 000 Repetenten und 5 000 Kindern, die keinen positiven Pflichtschulabschluß haben. Diesen müßte unser besonderes Augenmerk im Sinne einer humanitären Chancengleichheit gelten! – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster und letzter Redner ist Herr Abgeordneter Posch. – Er hat das Wort.

22.40

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Sie werden es mir hoffentlich nicht übelnehmen, wenn ich ausnahmsweise nicht Ihrer Meinung bin, aber diese Rechtschreibreform ist ja ohnehin nicht Ihr Kind. (Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. ) Das stimmt!


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Wer in Zukunft "belämmert" schaut, weil man dieses Wort mit einem Umlaut schreibt, weil es von "Lamm" kommt, oder sich mit Umlaut "schnäuzen" muß, weil dieses Verb von "Schnauze" kommt, wer sich darüber freut, "dass" er das erste "dass", welches ich jetzt gesagt habe, mit Doppel-s schreiben darf, aber die Ringstraße weiterhin mit scharfem S, wer sich insbesondere diebisch darüber freut, daß er beim "Känguru" in Hinkunft das stumme "h" auslassen darf, und wer sich darüber freut, daß in Zukunft bei Infinitiv- und Partizipgruppen ein Komma nur noch gesetzt wird, wenn sie durch eine demonstrative Wortgruppe angekündigt oder wiederaufgenommen werden oder aus der übrigen Satzstruktur herausfallen, der mag glauben, daß es eine Rechtschreibreform gegeben hat, noch dazu eine, die dem Anspruch gerecht werden könnte, nicht zu selektieren, der besseren Kommunikation zu dienen, der Entrümpelung von Lehrplänen und damit der Entlastung von SchülerInnen dort, wo die Rechtschreibung wirklich noch relevant ist.

Aber das Interessante an dieser Rechtschreibreform ist, daß es sie nicht gibt! Ich anerkenne mit tiefem Ernst, daß Experten über zehn Jahre daran gearbeitet haben, um sich nicht zu einer Reform duchzuringen; nicht zur Substantivkleinschreibung, nicht zur wirklichen Verbesserung bei der Groß- und Kleinschreibung, bei der S-Schreibung und bei der Getrennt- und Zusammenschreibung. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Rechtschreibreform ist daher nicht möglich, weil es eine solche nicht gibt und weil sie niemals stattgefunden hat. (Beifall des Abg. Öllinger. )

Der Antrag der FPÖ ist aus formalen Gründen dennoch abzulehnen, weil die Rechtschreibung nicht Gegenstand der Legislative ist. Es gibt darüber kein Gesetz, sondern es handelt sich dabei vielmehr um einen gesellschaftlichen Konventionsbereich. Als Lehrinhalt, basierend auf dem Schulorganisationsgesetz als gesetzlicher Grundlage, wird die Rechtschreibung die SchülerInnen weiterhin sehr heftig plagen. Das muß ich leider zugeben. Daher muß ich auch Landeshauptmann Pühringer und auch den Autoren und Autorinnen assistieren und ihnen recht geben.

Das Komplizierte an der Debatte ist, daß man etwas, was es nicht gibt, auch nicht aussetzen oder aufschieben kann. Das heißt, wir stehen vor dem Phänomen, daß es angeblich etwas gibt, was viel kostet, was man aber nicht abschaffen, aussetzen oder verschieben kann. Das ist ein Dilemma. Daher bin ich wirklich ziemlich ratlos und plädiere dafür, daß man das Ganze einfach nicht zur Kenntnis nehmen soll. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Unterrichtsausschusses, seinen Bericht 753 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme des Berichtes des Unterrichtsausschusses stimmen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest: Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Als zweites stimmen wir ab über den Antrag des Unterrichtsausschusses, seinen Bericht 754 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Auch hier darf ich im Falle der Zustimmung um ein Zeichen bitten. – Ich stelle fest: 754 der Beilagen ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Dies war Punkt 7 der Tagesordnung.


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8. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (9aE Vr 2280/97, Hv 1384/97) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Maria Rauch-Kallat (766 der Beilagen)


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Wir kommen zum Punkt 8.

Wortmeldungen hierzu liegen nicht vor.

Daher kommen wir sofort zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 766 der Beilagen, der aus zwei Teilen besteht.

Der Nationalrat möge erstens feststellen, daß ein Zusammenhang zwischen der behaupteten strafbaren Handlung und der politischen Tätigkeit der Frau Abgeordneten zum Nationalrat Maria Rauch-Kallat besteht, und zweitens der behördlichen Verfolgung der Frau Abgeordneten Maria Rauch-Kallat zustimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag ihre Genehmigung erteilen, um ein Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Damit haben wir die Tagesordnung erledigt.

Anträge auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zur Verhandlung über den Antrag der Frau Abgeordneten Dr. Heide Schmidt auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend die politische Verantwortlichkeit der Bundesregierung sowie vermutete rechtswidrige Einflußnahme durch politische Funktionsträger im Zusammenhang mit jenen Morden, die Gegenstand dieser Untersuchungen sein sollen.

Der Antrag wurde an alle Abgeordneten verteilt. Eine Verlesung erübrigt sich.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Dr. Heide Schmidt, Hans Helmut Moser, Partnerinnen und Partner auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 Abs. 1 GOG

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Zur Untersuchung folgenden Gegenstandes wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt:

Die politische Verantwortlichkeit der Bundesregierung (insbesondere des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten, des Bundesministers für Inneres und dies Bundesministers für Justiz) sowie vermutete rechtswidrige Einflußnahme durch politische Funktionsträger im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Morden an Abdullah Ghaderi, Abdul-Rahman Ghassemlou und Fadel Rasoul am 13. 7. 1989 und der Verfolgung von drei dieser Tat dringend Verdächtigten, die trotz Vorliegens eindeutiger Indizien Österreich unbehelligt verlassen konnten, ist zu prüfen."

Der Untersuchungsausschuß besteht aus 17 Abgeordneten im Verhältnis 6 SPÖ, 5 ÖVP, 4 FPÖ, 1 Liberales Forum, 1 Grüne.

Gemäß § 33 Abs. 2 GOG wird die Durchführung einer Debatte beantragt.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bevor wir in die Debatte eingehen, erteile ich Herrn Kollegen Dr. Khol zur Geschäftsbehandlung das Wort.

22.45

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung) : Herr Präsident! Ich habe heute um 9 Uhr früh zur Geschäftsbehandlung zu den Vorgängen bei der recht turbulenten Debatte von gestern abend zum gleichen Thema Stellung genommen und beantragt, das Protokoll herbeizuschaffen.

Ich habe mittlerweile das Protokoll der Rede von Frau Kammerlander gelesen und möchte die Stellungnahme, die ich abgegeben habe, insofern berichtigen, als ich den Vorwurf, daß sie Massenmorde gerechtfertigt habe, mit dem Ausdruck des Bedauerns zurücknehme. Ich bleibe aber dabei, daß die Handlungen des Bani-Sadr aus Persien verharmlost wurden.

22.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich begrüße das, Kollege Khol; und das Haus begrüßt das sicher auch.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Schmidt.

22.46

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte Ihnen gerne etwas aus einem parlamentarischen Protokoll vorlesen. (Abg. Dr. Fekter: Ist das etwas Neues?) Es handelt sich hiebei um nichts Neues, aber ich könnte mir vorstellen, daß es Sie interessieren wird! (Abg. Schwarzenberger: Da werden Sie sich täuschen!)

Ich beginne mit dem Zitat: "Entweder wir beschließen jetzt die Einsetzung eines [...] Untersuchungsausschusses und nehmen damit die Parallelität zum Gerichtsverfahren in Kauf, oder wir entlassen eine Reihe von Verantwortlichen aus ihrer politischen Verantwortung, oder wir können diese politische Verantwortung nicht geltend machen. Wir stehen in der Tat vor dieser Wahl: Parallelität oder Verzicht auf politische Verantwortung. Und, meine Damen und Herren, im Hinblick auf das, was wir aus unseren Versammlungen, aus unserem Kontakt mit den Bürgern wissen, muß die politische Verantwortung schwerer wiegen. Und deswegen hat sich in diesem Spannungsfeld, auf der einen Seite die Probleme, die aufgezählt wurden, und auf der anderen Seite die politische Verantwortung, eben die Waagschale der politischen Verantwortung herabgesenkt."

Kollege Khol! Ich bedauere sehr, daß Sie mir nicht zuhören! Ich habe noch ein Zitat: "[...] ich bin sicher, daß der Ausschuß, der ja auch ein Hüter der Verfassung ist und nicht nur der Minister und nicht nur der Verfassungsgerichtshof, sein Verfahren so gestaltet in seinem Ablauf, daß wir den Kautelen, die heute formuliert wurden, gerecht werden. Die Ausgangslage ist ja eine andere: Es geht nicht um ein Strafverfahren, sondern es geht um die Aufklärung von Vorgängen in Bundesministerien."

An einer anderen Stelle heißt es: "[...] bei uns geht es darum: Wie sind die Ministerien vorgegangen? Wie konnte es dazu kommen, daß das Verwaltungsverfahren nicht korrekt abgelaufen ist? Das ist Gegenstand der politischen Verantwortung."

Ich habe Ihnen aus einem Sitzungsprotokoll der Nationalratssitzung vom 27. September 1989 vorgelesen, und jener Abgeordnete, der diese Worte gesprochen hat, war der heutige Klubobmann der ÖVP, der Herr Abgeordnete Khol. (Abg. Mag. Stadler: Das klang nach Khol! – Abg. Dr. Stummvoll: Wann war das?) Ich habe es gerade gesagt: Es war am 27. September 1989, und es ging um Waffenexporte in den Iran. (Abg. Dr. Stummvoll: Damals war die Opposition noch viel seriöser!) Heute geht es um den Mord an drei Menschen, um die Aufklärung dieser Morde und darum, daß diese Aufklärung von Verwaltungsorganen, von Exekutivorganen möglicherweise verhindert wurde. (Abg. Dr. Stummvoll: Damals wurden die Ausschüsse nicht mißbraucht!)


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Herr Abgeordneter Khol! Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Argumentation, die einem Verwaltungsverfahren über Waffenexporte gegolten hat, nun für Vorgänge rund um die Aufklärung von Morden an Menschen nicht gelten soll. (Abg. Dr. Maitz: Das hat die Justiz zu machen!) Es ist mir unbegreiflich, daß Sie zum damaligen Zeitpunkt, am 27. September 1989, nach langen Ausführungen zur schwierigen Abwägung – und ich weiß, daß das eine schwierige Abwägung ist – zwischen Gewaltenteilung, Unschuldsvermutung, Fair-trial zum Ergebnis gekommen sind, Sie müßten einen Untersuchungsausschuß einsetzen. (Abg. Dr. Khol: Eben Abwägung!) Damals haben Sie sich für diesen Untersuchungsausschuß entschlossen, heute sagen Sie, daß all diese Gewichtungen und Abwägungen nicht mehr zählen. (Abg. Dr. Khol: Andere Fakten, andere Abwägung!)

Daß diese Abwägung, in der es um die Verantwortung von Bundesministern und Beamten der Bundesministerien geht, heute nicht mehr zählen soll, das entbehrt jeder Logik. Daher glaube ich, daß Sie sich Ihre damaligen Gedanken wieder in Erinnerung rufen sollten, und wenn das schwerfällt, sollten Sie vielleicht das Protokoll nachlesen.

Ich verstehe durchaus, daß es Bedenken gibt. Sie haben in Ihrer Wortmeldung gerade auf Kollegin Kammerlander Bezug genommen. Herr Abgeordneter Löschnak sagt immer vom Rednerpult aus, solange Herr Bani-Sadr als Kronzeuge genannt werde, sei er überhaupt nicht bereit, über die Sache zu reden. (Abg. Dr. Löschnak: Das stimmt nicht!) Sinngemäß haben Sie das gesagt.

Herr Abgeordneter Löschnak! Ich habe viel Verständnis dafür. Sie werfen den Grünen vor, ausgerechnet Herrn Bani-Sadr zum Kronzeugen zu machen. Ich bin bei diesem Vorwurf auf Ihrer Seite, denn ich glaube auch, daß Herr Bani-Sadr kein geeigneter Kronzeuge ist. (Abg. Schwarzenberger: Ein Kronzeuge, der keine Beweise vorlegen kann!) Auch ich spreche ihm die moralische Qualifikation in dieser Hinsicht ab. (Rufe bei SPÖ und ÖVP: Endlich!) Nicht endlich! – Er war nie unser Kronzeuge.

Es geht auch überhaupt nicht darum, wer wen zum Zeugen macht, sondern darum, ob die Umstände aufklärungsbedürftig sind. Erst danach können wir darüber reden, wer wen zum Zeugen macht, und ich bezweifle, daß wir zustimmen würden, ausgerechnet Herrn Bani-Sadr zu laden. Darum geht es aber nicht.

Mir geht es um etwas anderes. Mit geht es darum, Herr Abgeordneter Löschnak, Ihre Glaubwürdigkeit der moralischen Entrüstung in Zweifel zu ziehen. (Abg. Dr. Löschnak: Das ist Ihr gutes Recht!) Und auch das kann ich belegen. Es gibt die "AZ" zwar nicht mehr, aber ich habe hier eine Seite dieser Zeitung, die nachzulesen Ihnen vielleicht Freude machen, zumindest aber Ihr Interesse hervorrufen wird. (Die Rednerin zeigt eine Kopie dieser Seite.) Das ist aus der "AZ" vom 27. Mai 1980. Die Überschrift lautet: "Gespräche der SI-Delegation" – gemeint ist die Sozialistische Internationale – "in Teheran verliefen sehr positiv." (Zwischenruf der Abg. Ing. Langthaler. ) Es war Bundeskanzler Kreisky, der damals ein Besucher des Herrn Bani-Sadr war. Ich zitiere:

"Bereits bei der Ankunft hatte der Bundeskanzler" – Kreisky –, "der den Iran als erster westlicher Regierungschef nach dem Sturz des Schah-Regimes besuchte, die Aufgabe der überraschenden Reise klargemacht: Man wolle nicht zwischen den USA und dem Iran vermitteln, sondern nur herausfinden, wie man bessere und engere Beziehungen zum Iran herstellen könne: Wir sind nicht hergekommen, um uns in irgend etwas einzumischen, sondern vielmehr, um Informationen über die islamische Revolution zu erhalten. Ich glaube, international besteht ein Mangel an Informationen. Von iranischer Seite war kurz vor Ankunft der SI-Delegation unterstrichen worden, diese käme aus eigenem Wunsch." – Zitatende.

Man kann darüber urteilen, wie man will, aber ein Punkt scheint mir doch sehr zu hinterfragen zu sein: Heute wirft man einer Fraktion vor, Herrn Bani-Sadr als Auskunftsperson zu nehmen, weil man der Meinung ist, daß diese Informationen nicht seriös sein können, und damals hat der Regierungschef von genau diesem Herrn Informationen über die islamische Revolution eingeholt. Und Sie, Herr Abgeordneter Löschnak, waren damals Staatssekretär in diesem Kabinett!


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(Abg. Gaál: Was waren Sie damals?) Ich würde gerne wissen, ob Sie damals Ihren Regierungschef auch vor Bani-Sadr gewarnt haben. (Abg. Schieder: Damals hatte Bani-Sadr diese Taten noch gar nicht gesetzt gehabt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Darum geht es nicht! Es geht um die Glaubwürdigkeit Ihrer moralischen Entrüstung. Um nichts anderes! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.) Es geht mir überhaupt nicht um den Herrn Bani-Sadr, der auch nicht mein Zeuge ist, aber ich möchte klarstellen, daß Sie sich die Dinge offensichtlich so richten, wie Sie Ihnen im Augenblick in den politischen Kram passen. (Abg. Schieder: Damals hat er das alles noch nicht getan gehabt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das ist der Grund, warum ich glaube, daß wir in einem Untersuchungsausschuß klarstellen müssen, daß Österreich nicht mehr auf Druck des Iran reagiert. (Abg. Marizzi: Wo waren Sie damals?) Denn als Herr Bani-Sadr um Asyl angesucht hat – er ist nach Frankreich gefahren (Abg. Gaál: Sie haben kein Recht, die Makellose zu spielen!) –, stand auch zur Diskussion, ob er in Österreich Asyl nehmen möchte.

Man kann darüber urteilen, wie immer man will. Aber es ist interessant, sich das in Erinnerung zu rufen, da der Iran mit der gleichen Wortwahl reagiert hat, die wir nun wieder gehört haben: "Erst einige Tage nach der Androhung des iranischen Geschäftsträgers in Österreich, Österreich werde Schwierigkeiten bekommen, sollte es dem ehemaligen iranischen Staatspräsidenten Bani-Sadr Asyl gewähren, meldete sich auch das Außenministerium zu Wort."

Ich will die Sache gar nicht beurteilen. Aber schon damals hat der iranische Geschäftsträger mit den Worten, Österreich werde Schwierigkeiten bekommen, versucht, Druck auf Österreich auszuüben. Ich weiß nicht, ob dieser Druck dazu geführt hat, daß Herr Bani-Sadr dann doch kein Asyl bekommen hat, obwohl sich Kreisky – wie auch der "AZ" zu entnehmen war – vorher klar dafür ausgesprochen hat: "Kreisky: Asyl für Bani-Sadr? – Ja". – Ich sage das nur. (Zwischenruf der Abg. Ing. Langthaler. )

Solange wir nicht klären, daß wir uns dem Druck des Iran nicht beugen und auch in Zukunft nicht beugen werden, so lange laufen wir Gefahr, bei der nächsten Gelegenheit wieder in der gleichen Situation zu sein. Diese Klärung ist nur ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, die Redezeit zu beachten!

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (fortsetzend): Diese Klärung ist nur in einem Untersuchungsausschuß möglich, weil das nur durch die politische Verantwortung zu klären ist. Daher appelliere ich an Sie, Ihre Haltung noch einmal zu überdenken. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

22.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Großruck. Er hat das Wort.

22.57

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Frau Kollegin Schmidt! Wenn die Argumente ausgehen, dann kramt man in der Mottenkiste der Stenographischen Protokolle, um Argumente hervorzuholen, die die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses rechtfertigen sollen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren von den Grünen und den Liberalen! Die Suppe, aus der Sie schöpfen, wird immer dünner. (Abg. Anschober: Das ist ein riskanter Satz! Vorsicht!) Und je mehr Anträge Sie stellen, umso dünner wird sie und umso weniger ist in der Schale drinnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Sie machen eine Pingpongdiplomatie: An einem Sitzungstag beantragen die Grünen einen Untersuchungsausschuß und am nächsten die Liberalen. Sie glauben, daß damit Ihre Argumente besser werden. (Abg. Mag. Barmüller: Aber, Herr Abgeordneter, daß die Litdok eine


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Mottenkiste ist, weise ich zurück! Das ist eine sehr gute Literaturdokumentation!) Die Suppe ist sehr dünn, und es ist auch leicht zu durchschauen, worum es Ihnen geht. Ihnen geht es nicht um die Kurdenmorde oder um eine Aufklärung, sondern um politischen Aktionismus! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Das Ganze wäre ja lustig, würden Ihre Argumente und Ihre Agitationen nicht auch einen Schaden für Österreich bewirken. Das wurde bereits gestern diskutiert. Ich zitiere den Pressebericht über das, was Ihr Herr Dr. Pilz in Amerika aufgeführt hat. (Abg. Ing. Langthaler: Das haben wir gestern schon gehört!) Ich lese Ihnen ein paar Passagen vor. Sie werden es wahrscheinlich gelesen haben, aber eine Wiederholung schadet nicht. (Abg. Anschober: Wie wollen Sie sonst die "Kronen Zeitung" füllen?)

Andreas Unterberger betitelt seinen Kommentar "Der Pilz als Denunziant". Dann schreibt er: "Peter Pilz greift zum letzten Mittel. In jeder Bedeutung des Wortes. Weil er innerösterreichisch mit seiner Attacke auf die Regierung wegen der Wiener Kurdenmorde nicht weitergekommen ist, hat er sich nun den amerikanischen Kongreß gewählt, um Österreichs Rolle zu kritisieren." (Ruf bei der ÖVP: Das ist ein Skandal! – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Weiter unten heißt es dann: "Politische Kampagnen haben im Inland stattzufinden" (Abg. Ing. Langthaler: Sie hätten das aus der "Kronen Zeitung" nehmen können, das wäre kürzer gewesen!), "das Ausland ist hingegen der Platz, wo man schweigt" – schweigen auch Sie jetzt, und hören Sie mir zu! –, "wenn man nichts Positives erzählen will. Die Grünen sind da anderer Ansicht. Pilz hat Österreich so heftig attackiert, daß der Ausschußvorsitzende am Ende die österreichische Regierung als ,Komplizen’ von Mördern darstellte, der noch einige Fragen zu beantworten habe. Die einzige Frage, die da offenbleibt: Ist das alles mehr dumm oder mehr grauslich?"

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren von den Grünen: Es ist beides, es ist dumm und grauslich, und nebenbei ist das Verhalten gegenüber der Republik Österreich skandalös. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Liebe Frau Kollegin Schmidt! Lassen Sie mich auch Ihre Haltung analysieren. Die Attacken gegen unseren Herrn Bundespräsidenten häufen sich. Es scheint mir, als wäre die nach der verlorenen Bundespräsidentenwahl gekränkte Eitelkeit noch vorhanden (Heiterkeit bei der ÖVP) , denn anders kann ich mir nicht vorstellen, warum Sie, die damals nicht einmal in den "Hoffnungslauf" gekommen sind, heute derartige Attacken gegen den Herrn Bundespräsidenten reiten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Anschober: Hat der Bundespräsident die Wahrheit gesagt?)

Herr Präsident Dr. Fischer! Sie haben heute vormittag die Aussage des Herrn Haselsteiner, der nun nicht anwesend ist, über unseren Herrn Bundespräsidenten gehört. Ich hoffe und beantrage, daß es deshalb zu einem Ordnungsruf kommt. (Beifall bei der ÖVP.) Denn wenn ein Abgeordneter an diesem Rednerpult den Herrn Bundespräsidenten, der in einer Direktwahl von allen Österreichern gewählt wurde (Rufe bei den Liberalen und Grünen: Nicht von allen!)  – von der Mehrheit der Österreicher gewählt wurde –, als zwielichtige Figur bezeichnet, dann ist das mehr als skandalös, das ist untragbar für dieses Haus! (Abg. Dr. Khol und Abg. Dr. Rasinger: Unerhört!) Wenn gestern für den Begriff "Haufen" ein Ordnungsruf erteilt wurde, dann gehört auch in diesem Zusammenhang massiv eingegriffen. (Beifall bei der ÖVP.)

Weiters hoffe ich, daß sich auch die Presse, die sich sehr objektiv verhält, dieses Begriffes annimmt und Herrn Haselsteiner in die Schranken weist. So kann man in diesem Haus nicht über den obersten Repräsentanten unserer Republik sprechen: "eine zwielichtige Figur"! (Abg. Mag. Barmüller: Das ist die halbe Wahrheit, Herr Abgeordneter!)  – Das wird im Protokoll nachzulesen sein. Ich weise das mit aller Schärfe zurück, wie ich auch alle anderen durchsichtigen Aktionen mit aller Schärfe zurückweise.

Meine Damen und Herren von den Grünen! Sie können in diesem Haus noch zehnmal, noch zwanzigmal Untersuchungsausschüsse fordern: Die Suppe ist so dünn, daß Sie sich jemanden


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anderen suchen müssen, der sie mit Ihnen auslöffelt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schaffenrath: Aber der Herr Bundespräsident ist drinnen in der Suppe!)

23.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

23.02

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Für einen Außenstehenden, der mit den parlamentarischen Usancen des Abmauerns nicht vertraut ist (Abg. Dr. Maitz: Jetzt kommt wieder eine hochrichterliche Belehrung!)  – denn dieser Stil des Abmauerns ist ja der permanente Stil der großen Koalition –, muß es ein grauenhaftes Schauspiel sein, was sich Plenartag für Plenartag hier abspielt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Wir sind es ja schon gewohnt, denn wir haben das bereits bei sehr vielen Anträgen auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen erlebt: "Lucona", "Noricum" und so weiter. Aber, wie gesagt: Ein Außenstehender muß sich darüber wundern, was sich alles in diesem österreichischen Parlament abspielt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie versuchen nun schon seit Wochen, die Ohren anzulegen und durchzutauchen im Glauben, irgendwann werde der Tag kommen, an dem die Opposition Ruhe geben wird und man wieder zur Tagesordnung übergehen kann. Möglicherweise gelingt es Ihnen, aber eines möchte ich Ihnen sagen: Ein Ruhmesblatt für Ihr Demokratieverständnis ist das sicher nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Einige von Ihnen, die offensichtlich mehr von der parlamentarischen Demokratie halten, haben schon vor einigen Wochen ihr Unbehagen darüber ausgedrückt und gesagt, daß ihnen dieses Abblocken und Abmauern nicht gefällt. Sie haben bereits diese Phalanx ein bißchen durchbrochen, wie zum Beispiel Kollege Guggenberger. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Er hat gesagt, daß sehr viele in der SPÖ befürchten, daß die Faktenlage dazu führt, daß eine Zustimmung zu diesem Untersuchungsausschuß gegeben werden muß.

Ich frage Sie nun: Wo bleibt die Einsicht aller anderen Abgeordneten, daß es notwendig ist? (Abg. Mag. Stadler: Wo bleibt der Guggenberger?)  – Wo ist heute Kollege Guggenberger? Wo hört man jetzt seine Stimme? Warum kann er sich in seiner Fraktion nicht durchsetzen?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie sagen immer nur: Wir schaffen die Berichte herbei, und dann schaut euch diese Berichte an! – Wir werden uns damit einfach nicht begnügen, sondern darauf bestehen, daß dieser Untersuchungsausschuß eingesetzt wird. Denn da herrschen Mißstände, die nicht einfach mit ein paar Berichten bereinigt werden können. Da muß wirklich parlamentarisch kontrolliert werden.

Ich möchte Ihnen noch folgendes sagen: Es wird immer so viel von der "Würde des Hauses" geredet, und alles mögliche wird mit einem Ordnungsruf geahndet, aber halten Sie es nicht mit der Würde des Hauses für unvereinbar, daß Sie von den beiden Koalitionsparteien die Oppositionsparteien um ihre parlamentarischen Kontrollrechte bringen? Das schadet nämlich der Würde des Parlaments! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Dieses Verhalten des Abmauerns und Abblockens, wann immer Mißstände zutage getreten sind, die kontrolliert werden sollen, ist eines modernen Parlamentarismus unwürdig. Sie sollten sich einmal vor Augen führen, welch schlechten Dienst Sie der parlamentarischen Demokratie damit erweisen. (Abg. Dr. Cap: Ist das Ihr Text?) Auch die Ausreden, die Sie gebrauchen, um dem Antrag nur ja nicht zustimmen zu müssen, sind unwürdig. Erst heute haben wir wieder gehört: Weil die Grünen eine Pressekonferenz mit Bani-Sadr veranstaltet haben, wollen Sie nicht, daß geklärt wird, ob andere Mörder ohne irgendeine Sanktion Österreichs ausgereist sind. Auch das Verfahren vor dem Untersuchungsausschuß führen Sie hier als Ausrede an. (Abg. Dr. Cap: Ist das Ihr Text?) Sie hätten schon lange die Möglichkeit ge


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habt, die Regeln für den Untersuchungsausschuß so zu gestalten, daß es zu keinem Mißbrauch kommen kann.

Zum Abschluß möchte ich Ihnen aber noch sagen: Aus all Ihren Argumenten hört man Ihre panische Angst vor einer Aufdeckung durch einen Untersuchungsausschuß heraus. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Herr Abgeordneter Dr. Graff von der ÖVP, der heute nicht mehr im Parlament sitzt, hat einmal in einer ähnlichen Situation gesagt: Pfui Teufel! – Ich möchte meine Mißachtung zu Ihrer Einstellung ebenfalls mit diesem Satz ausdrücken. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Das ist würdevoll! – Abg. Mag. Kukacka: Das ist aber nicht sehr vornehm von einer Dame!)

23.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte. (Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

23.08

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Was Sie seit gestern hier versuchen, ist aus der Sicht der Regierungsfraktionen sehr transparent. Ihr Interesse daran, daß es keinen Untersuchungsausschuß gibt, ist sehr plausibel und aus Ihrer Sicht – nehme ich an – auch sehr legitim. (Abg. Dr. Maitz  – einen Pressebericht hochhaltend –: Pilz attackiert Österreich! – Abg. Schwarzenberger: Wie stehen Sie zu Pilz?) Es wird in dieser Form nur nicht aufgehen, denn es ist bereits heute gescheitert.

Zum einen: Sie haben – aus Ihrer Sicht sicherlich legitimerweise – versucht, die öffentliche Debatte in den Medien und in der Bevölkerung, die ursprüngliche Debatte über die Nichtaufklärung der politischen Hintergründe der vielen Kurden-Morde umzudrehen und zu einer Diskussion über die Person Bani-Sadrs (Abg. Schwarzenberger und Abg. Dr. Rasinger: Und Pilz!) und über die Frage der sogenannten Nestbeschmutzung zu machen. (Abg. Dr. Khol: Und über die Verharmlosung!)  – Ich sage Ihnen dazu zweierlei.

Zu Bani-Sadr: Ich denke, wenn eine Person von einem unabhängigen Gericht, das sich auch dem massiven Druck eines mächtigen Staates gestellt hat, geladen wird, dann muß man das noch nicht gutheißen, aber wenn eine Person von einem derartigen Gericht im "Mykonos"-Prozeß gehört wird, dann finde ich es schon bemerkenswert, mit welchen Worten Sie gestern Ihren Angriff vorgetragen haben, der, wie gesagt, ein sehr klares mediales Ziel hatte. – Frau Dr. Schmidt hat bereits auf die "Arbeiter-Zeitung" und auf die sozialdemokratischen Kontakte aufmerksam gemacht. Das kann man vielfältig ergänzen.

Interview in der "Arbeiter-Zeitung": Bani-Sadr – die späte Reue: Hätte mich widersetzen sollen! – Er wird da als überlegter, friedfertiger Intellektueller, der wissenschaftliche und ökonomische Analysen anfertigt, charakterisiert. (Abg. Mag. Stadler: In der AZ? Na sowas!)  – In der "Arbeiter-Zeitung"! Sie können natürlich sagen: Was bedeutet das schon, wenn das in der "Arbeiter-Zeitung" steht? (Abg. Schwarzenberger: Es kann sich auch ein Redakteur einmal irren!) Oder: Was bedeutet es schon, wenn der Chefkoordinator von Vizekanzler Sinowatz gesagt hat, er sei die einzige Alternative, die Legalität und Legitimität bedeute? (Abg. Ing. Langthaler: Sind sie eingesperrt worden?) Die Sozialdemokraten haben sich offenbar in der letzten Nacht gedreht.

Ich frage Sie nun aber: Wie sind die Außenpolitischen Berichte entstanden? Ganz ohne Mitwirkung der ÖVP? Es gibt einen merkwürdigen Sprung in den Außenpolitischen Berichten zwischen 1979 und 1980. Im Jahr 1979, im Zuge der revolutionären Vorkommnisse, heißt es, daß Wirtschaftskontakte wegen der angespannten politischen und wirtschaftlichen Lage unterbleiben mußten. Das wird bedauernd angemerkt. Aber bereits 1980 wird festgestellt, daß die erste freie Präsidentschafts- und Parlamentswahl zu einer Ablösung des Revolutionsrates geführt hätte und damit ein Schritt zur neuen Verfassung vollzogen werde. Die Haltung des neutralen Österreich, das sich aus dem Streit zwischen dem Iran und den USA herausgehalten habe, sei von der iranischen Führung positiv bewertet worden. Es wird weiters angemerkt, daß man natürlich wieder an der Teheraner Messe teilgenommen habe. Dann kommen die Jubelmeldungen. (Abg. Grabner: Da geht Ihnen ja die Luft aus! – Das war vor zehn Jahren!)


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Stenographisches Protokoll
78. Sitzung / Seite 227

Die Meinung einiger hat sich gestern abend plötzlich geändert. Auch in der Causa der sogenannten Nestbeschmutzung wird sich die Frage stellen, ob dieses Nest schmutzig ist, und wer es allenfalls schmutzig gemacht hat. (Abg. Dr. Maitz  – eine Kopie einer Zeitungsseite hochhaltend –: Pilz attackiert Österreich!) Es werden noch mehr Entschuldigungen erfolgen, und es wird auch der an Frau Mag. Pollet-Kammerlander gerichtete Vorwurf der Verharmlosung zurückgenommen werden müssen. (Abg. Dr. Rasinger: Ist es sinnvoll, wenn Pilz Österreich in Amerika angreift?)

Bevor Sie weiter so agieren wie gestern abend, werde ich mir erlauben, der gesamten Präsidiale morgen die Originaldokumente betreffend die Aussagen von Herrn Dr. Pilz zur Verfügung zu stellen. (Abg. Dr. Maitz: Pilz soll seine Österreichbeschimpfung zurücknehmen! – Anhaltende Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Ich merke selbst mit einem gewissen Erstaunen an, daß vieles, was Frau Dr. Schmidt oder ich in diesem Haus gesagt haben, an Schärfe und Härte die Aussagen von Herrn Dr. Pilz erheblich übertreffen. (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Für Ihr vorhin bereits angesprochenes Vorhaben müssen Ihnen die drei Oppositionsparteien nahezu dankbar sein, weil es diese Debatte einmal mehr ins Licht der Öffentlichkeit rückt. Sie wird dazu führen, daß sich das, was Sie gestern abend versucht haben, gegen Sie selbst kehren wird. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Maitz: Pilz ist jedes Mittel recht!)

23.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ: Hast du auch die "AZ" mit?)

23.13

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Großruck hat sich hier bemüßigt gefühlt, ... (Abg. Schwarzenberger: Der war sehr gut!)  – Er war ausgezeichnet, denn er hat durch seine Aussage "man krame in der Mottenkiste", wenn man aus den Parlamentsprotokollen zitiert, wie das meine Klubobfrau gemacht hat, Ihre Fraktion beschrieben.

Ich habe mir gedacht, daß das vielleicht untergegangen ist. Daher sollte man das noch einmal zitieren, denn es ist sehr wichtig, weil es den Zugang des Kollegen Großruck zu diesem Fall zeigt. (Abg. Mag. Stadler: Er hat gemeint, wenn man Khol zitiert, dann kramt man in der Mottenkiste!)

Es ist natürlich möglich, daß man, wenn man in den Parlamentsprotokollen nachsieht, auf merkwürdige Äußerungen stößt. Das ist richtig. Er hat aber das Nachschauen selbst als "Kramen in der Mottenkiste" bezeichnet. Man muß jedoch mit dem, was man sagt, behutsam sein. Es kann passieren, daß es vielleicht zehn, acht oder neun Jahre später zitiert wird. Deshalb ist es mir auch ein Bedürfnis, ihm noch in einem anderen Punkt ausdrücklich zu widersprechen, nämlich dem Vorwurf an meinen Fraktionskollegen Haselsteiner, er hätte den Bundespräsidenten unqualifiziert beschrieben. (Abg. Großruck: Zwielichtige Figur!)

Herr Kollege Großruck! Erstens hat er das noch vom Pult aus korrigiert. Zweitens: Wenn der Bundespräsident tatsächlich in der mißlichen Lage ist, in einer Art Zwielicht zu stehen, dann stimmen Sie dem Untersuchungsausschuß doch zu! Wenn wir alles erhellen können, dann wird der Bundespräsident wieder in strahlendem Licht stehen. Ob das für ihn gut ist oder nicht, werden wir sehen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Begreifen Sie endlich: Wenn Sie ihn wirklich von jedem Makel befreien und für sakrosankt halten wollen – etwas, das Sie uns vorgeworfen haben, nicht zu tun –, dann stimmen Sie einem Untersuchungsausschuß zu – auch um den Preis, daß es vielleicht den einen oder anderen Ihrer Fraktion erwischt. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.) Glauben Sie mir: Die Suppe ist nicht so dünn. Es wäre gut, wenn man einmal auf den Boden des Suppenkessels hinunterschauen könnte. (Abg. Dr. Maitz: Das ist der Grund!) Vielleicht liegt noch einiges unten. (Abg. Dr. Rasinger: Nein! Sehr wenig!)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
78. Sitzung / Seite 228

Es täte mir zwar leid, wenn das Ihr Motiv wäre, aber man kann kein anderes erkennen. Glauben Sie mir, Sie machen einen Fehler! Die Opposition wird das Thema solange hartnäckig von allen möglichen Seiten beleuchten, bis Sie den Vorhang öffnen und damit das Zwielicht beseitigen. Denn wenn jemand den Bundespräsidenten in eine mißliche Lage bringt, dann ist das die Mehrheit, die verweigert, daß er die Chance bekommt, sich zu rechtfertigen. (Abg. Dr. Maitz: Und ihr, Polittheater zu spielen!)  – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

23.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Ich schließe die Debatte.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen. Wir kommen zur Abstimmung.

Wir stimmen über den Antrag der Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ab.

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. (Abg. Mag. Stadler: Ich bin heute auch Genosse!)  – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt. (Abg. Parnigoni: Der Haider ist nicht dafür! – Abg. Mag. Stadler: Der ist auch nicht Genosse! – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

*****

Wir gelangen nun zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Untersuchung der Verantwortung im Zusammenhang mit der mehr als zweijährigen Behinderung der Ermittlungen zum Bombenterror durch Nachrichtenschwindler des Innenministeriums und dem Versagen der Organe der Justiz.

Dieser Antrag ist an alle Abgeordneten verteilt worden.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Mag. Stadler und Kollegen betreffend die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG-NR zur näheren Untersuchung der Verantwortung im Zusammenhang mit der mehr als zweijährigen Behinderung der Ermittlungen zum Bombenterror durch Nachrichtenschwindler des Innenministeriums und dem Versagen der Organe der Justiz

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Zur Untersuchung der politischen und rechtlichen Verantwortung im Zusammenhang mit der mehr als zweijährigen Behinderung der Ermittlungen zum Bombenterror durch Nachrichtenschwindler des Innenministeriums und dem Versagen der Organe der Justiz wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt, der aus insgesamt 17 Abgeordneten im Verhältnis 6 SPÖ, 5 ÖVP, 4 FPÖ, 1 Grüne, 1 Liberale besteht."

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die Durchführung einer Debatte wurde weder verlangt noch beschlossen.

Wir kommen daher sogleich zur Abstimmung über diesen Antrag.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt. (Abg. Schwarzenberger: Nur mehr 20 von der FPÖ stimmen!)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
78. Sitzung / Seite 229

Einlauf

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich gebe bekannt, daß in dieser Sitzung die Selbständigen Anträge 489/A bis 505/A eingebracht worden sind.

Ferner sind die Anfragen 2585/J bis 2601/J eingelangt.

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 23.18 Uhr – das ist gleich im Anschluß an diese Sitzung – ein.

Die Sitzung ist geschlossen .

Schluß der Sitzung: 23.18 Uhr