Stenographisches Protokoll

110. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 26. Feber 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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110. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 26. Feber 1998

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 26. Feber 1998: 9.00 – 20.50 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Zwanzigster Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 1996)

2. Punkt: Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten samt Erklärung

3. Punkt: Sonderbericht des Rechnungshofes über das Beschaffungswesen des Bundesheeres; Vierter und letzter Teilbericht

4. Punkt: Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes über die Bank Austria AG

5. Punkt: Erste Lesung des Antrages 654/A der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird

6. Punkt: Erste Lesung des Antrages 655/A der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird

7. Punkt: Erste Lesung des Antrages 671/A der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 1990, in der Fassung BGBl. Nr. 43/1995, geändert wird

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 11

Geschäftsbehandlung

Unterbrechung der Sitzung 28

Antrag der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen, dem Wirtschaftsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 513/A (E) betreffend Gesetzesfolgenabschätzungsgesetz gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 24. März 1998 zu setzen 29


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Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 29

Redner:

Mag. Helmut Peter 141

Peter Marizzi 143

Dr. Andreas Khol 144

Helmut Haigermoser 144

Dr. Alexander Van der Bellen 146

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 146

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 3389/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung – Ablehnung des Verlangens gemäß § 57b Abs. 1 30

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 30

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Andreas Khol betreffend eine Abbildung in der schriftlich vorliegenden Fassung der Dringlichen Anfrage 96

Wortmeldung des Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler betreffend die Ausführungen des Abgeordneten Dr. Andreas Khol im Zusammenhang mit der Dringlichen Anfrage 96

Feststellungen des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend den Sachverhalt im Zusammenhang mit der Dringlichen Anfrage aus geschäftsordnungsmäßiger Sicht 97

Antrag der Abgeordneten Dr. Volker Kier, Mag. Doris Kammerlander und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Prüfung der Verantwortlichkeit der


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Bundesregierung sowie vermuteter rechtswidriger Einflußnahme durch politische Funktionsträger im Zusammenhang mit den Kurdenmorden vom 13. Juli 1989 gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 177

Bekanntgabe 113

Ablehnung 178

Fragestunde (27.)

Umwelt, Jugend und Familie 11

Dr. Sonja Moser (187/M); Karl Öllinger, Klara Motter, Manfred Lackner, Edith Haller

Bundeskanzleramt 15

Dr. Jörg Haider (199/M); Johann Schuster, MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Dr. Volker Kier, Dr. Günther Kräuter

Dr. Gottfried Feurstein (197/M); Dr. Gabriela Moser, Dr. Volker Kier, DDr. Erwin Niederwieser, Dr. Michael Krüger

Dr. Volker Kier (202/M); Dr. Josef Cap, Ing. Walter Meischberger, Mag. Helmut Kukacka, Mag. Terezija Stoisits

Annemarie Reitsamer (195/M); Sigisbert Dolinschek, Dr. Gottfried Feurstein, Karl Öllinger, Dr. Volker Kier

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 11

Ausschüsse

Zuweisungen 28, 168, 170, 177

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Michael Krüger und Genossen an den Bundeskanzler zur Frage: "Begünstigt der Bundeskanzler Kinderschänder?" (3719/J) 93

Begründung: Dr. Michael Krüger 97

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima 101

Debatte:

Dr. Jörg Haider 106

Dr. Josef Cap 111

Franz Morak 113

Mag. Thomas Barmüller 115

Mag. Johann Ewald Stadler (tatsächliche Berichtigung) 118

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 118

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 121

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 123

Mag. Karl Schweitzer 126

Dr. Elisabeth Hlavac 127

Mag. Dr. Theresia Fekter 128

Herbert Scheibner 130

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 131

Dr. Johannes Jarolim 133

Dr. Helene Partik-Pablé 135

Bundesministerin Mag. Barbara Prammer 136

Dr. Brigitte Povysil 137

Maria Rauch-Kallat 138

Dr. Stefan Salzl (tatsächliche Berichtigung) 140

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend wirksame Maßnahmen gegen Kindesmißbrauch und Kinderpornographie – Ablehnung 109, 140

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Dr. Maria Theresia Fekter und Genossen betreffend konsequentes Vorgehen gegen alle Formen des Kindesmißbrauchs und gegen Gewalt an Kindern – Annahme (E 105) 139, 140

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses betreffend den Zwan-
zigsten Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 1996)
(III-88/1068 d. B.) 30

Redner:

Dr. Günther Kräuter 30

Karl Donabauer 32

Dr. Michael Krüger 34

Dr. Volker Kier 35

Mag. Terezija Stoisits 36


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110. Sitzung / Seite 4

Volksanwalt Horst Schender 39

Dr. Irmtraut Karlsson 42

Mag. Cordula Frieser 43

Herbert Scheibner 44

Karl Öllinger 46

Dr. Johann Stippel 48

Volksanwältin Mag. Evelyn Messner 49

Franz Lafer 52

Volksanwältin Ingrid Korosec 53

Kenntnisnahme des Berichtes III-88 d. B. 55

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Nichtgewährung von Akteneinsicht durch die Volksanwaltschaft beim Bundesministerium für Landesverteidigung – Ablehnung 36, 55

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft – Ablehnung 52, 55

2. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (889 d. B.): Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten samt Erklärung (1067 d. B.) 55

Redner:

Mag. Walter Posch 55

Dr. Alois Mock 57

Dr. Harald Ofner 59

Dr. Volker Kier 60

Mag. Terezija Stoisits 61

Dr. Walter Schwimmer 64

Dr. Andreas Khol (tatsächliche Berichtigung) 66


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110. Sitzung / Seite 5

Mag. Herbert Haupt 66

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 68

Dr. Martina Gredler 68

Dr. Walter Schwimmer (tatsächliche Berichtigung) 70

Dkfm. DDr. Friedrich König 70

Genehmigung des Staatsvertrages in 1067 d. B. 71

Beschlußfassung im Sinnes des Artikels 50 Abs. 2 B-VG 72

3. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Sonderbericht des Rechnungshofes (III-81 d. B.) über das Beschaffungswesen des Bundesheeres; Vierter und letzter Teilbericht (954 d. B.) 72

Redner:

Ute Apfelbeck 72

Anton Gaál 73

Hans Helmut Moser 74

Georg Wurmitzer 77

Andreas Wabl 79

Bundesminister Dr. Werner Fasslabend 81

Anton Leikam 84

Herbert Scheibner 85

Willi Sauer 87

Mag. Doris Kammerlander 88

Josef Edler 90

Rechnungshofpräsident Dr. Franz Fiedler 91

Wolfgang Jung 147

Mag. Kurt Gaßner 148

Mag. Herbert Haupt 149

Gabriele Binder 150

Kenntnisnahme des Berichtes III-81 d. B. 152

4. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes (III-100 d. B.) über die Bank Austria AG (1069 d. B.) 152

Redner:

Mag. Gilbert Trattner 152

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch 154

Mag. Reinhard Firlinger 156

Otmar Brix 157

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn 158

Mag. Thomas Barmüller 160

Georg Wurmitzer 160

Erhard Koppler 162

Rechnungshofpräsident Dr. Franz Fiedler 162

Dr. Johannes Jarolim 165

Kenntnisnahme des Berichtes III-100 d. B. 166

5. Punkt: Erste Lesung des Antrages 654/A der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird 166

Redner:

Franz Koller 166

Mag. Walter Guggenberger 167

Dr. Volker Kier 167

Zuweisung des Antrages 654/A an den Ausschuß für Arbeit und Soziales 168

6. Punkt: Erste Lesung des Antrages 655/A der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird 168

Redner:

Elfriede Madl 168

Dr. Volker Kier 169

Marianne Hagenhofer 169

Zuweisung des Antrages 655/A an den Ausschuß für Arbeit und Soziales 170

7. Punkt: Erste Lesung des Antrages 671/A der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 1990, in der Fassung BGBl. Nr. 43/1995, geändert wird 170

Redner:

Andreas Wabl 170

Anton Gaál 171

Dr. Karl Maitz 171

Herbert Scheibner 172

Hans Helmut Moser 174

Dr. Michael Spindelegger 175

Wolfgang Jung 175

Zuweisung des Antrages 671/A an den Landesverteidigungsausschuß 177


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110. Sitzung / Seite 6

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kapitalverkehrsteuergesetz geändert wird (696/A)

Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend dauerhafte Sicherung der Pensionen durch Umstellung auf ein Drei-Säulen-Modell (697/A) (E)

Dr. Harald Ofner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 und die Exekutionsordnung zur Verbesserung der Rechtsstellung von Opfern geändert werden (698/A)

Ute Apfelbeck und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Rechnungshofgesetz 1948 geändert werden (699/A)


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110. Sitzung / Seite 7

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft (700/A) (E)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997) geändert wird (701/A)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 1997, BGBl. Nr. 76/1997, geändert wird (702/A)

Peter Rosenstingl und Genossen betreffend die Schaffung einer einheitlichen Bahninfrastrukturgesellschaft (703/A) (E)

Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Nichtgewährung von Akteneinsicht durch die Volksanwaltschaft beim Bundesministerium für Landesverteidigung (704/A) (E)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Haftung für nukleare Schäden (705/A)


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110. Sitzung / Seite 8

Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Chemikaliengesetz 1996 (ChemG 1996) geändert wird (706/A)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Umweltförderungen für die Altlastensanierung (707/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Michael Krüger und Genossen an den Bundeskanzler zur Frage "Begünstigt der Bundeskanzler Kinderschänder?" (3719/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Berufschulausbildung der Lehrlinge (3720/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend bezahlten Sonderurlaub für Gewerkschaftsfunktionäre (3721/J)

Mag. Reinhard Firlinger und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Perspektiven des Wiener Finanzplatzes nach einem möglichen Start der Währungsunion (3722/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend fachkompetente Zusammensetzung der Prüfungskommission für Lehramtsprüfungen an der Pädagogischen Akademie des Bundes in Vorarlberg (3723/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Kontrolle von Mehrdienstleistungen (3724/J)

Mag. Dr. Josef Höchtl und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Lesung Otto Mühl und Kommune Friedrichshof (3725/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die elektronische Abbuchung der Ökopunkte (3726/J)

Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend steuerliche Maßnahmen im Rahmen des Beschäftigungsprogrammes (3727/J)

Ing. Mathias Reichhold und Genossen an den Bundeskanzler betreffend "Brief nach Brüssel" – Grenzlandförderung (3728/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Pflegegeld – Auslandszuweisung (3729/J)

Edith Haller und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Maßnahmen gegen "Elektrosmog" (3730/J)

Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Öffentlichkeitsarbeit des Bundes (3731/J)

Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Öffentlichkeitsarbeit des Bundes (3732/J)

Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Öffentlichkeitsarbeit des Bundes (3733/J)

Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Öffentlichkeitsarbeit des Bundes (3734/J)

Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Öffentlichkeitsarbeit des Bundes (3735/J)

Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Öffentlichkeitsarbeit des Bundes (3736/J)

Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Öffentlichkeitsarbeit des Bundes (3737/J)

Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Öffentlichkeitsarbeit des Bundes (3738/J)

Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Öffentlichkeitsarbeit des Bundes (3739/J)

Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Öffentlichkeitsarbeit des Bundes (3740/J)

Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Öffentlichkeitsarbeit des Bundes (3741/J)

Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Öffentlichkeitsarbeit des Bundes (3742/J)

Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Öffentlichkeitsarbeit des Bundes (3743/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Chipcard-Finanzierung zu Lasten der Beitragszahler (3744/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend schwere Störwirkungen mit Todesfolge nach Anwendung des nicht zugelassenen Arzneimittels NO (Stickoxyd) – unrichtige Beantwortung der Anfrage 1803/J – 14. 1. 1997 (3745/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Unterstützung schwangerer Frauen im Zuge der Familienberatung (3746/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend vermeintliche Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit dem Atomic-Konkursverfahren (3747/J)

Helmut Dietachmayr und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Multilaterales Abkommen über Investitionen (MAI) (3748/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Vollzug des Telekommunikationsgesetzes 1997 (3749/J)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Chipcard und Europäischen Notfall-Ausweis (Amtsblatt C 184 v. 23. 7. 86) (3750/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Kinder und ihre Einstellung zum Glücksspiel (3751/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Auswirkungen der geplanten Familiensteuerreform auf die Bundesländer (3752/J)

Reinhart Gaugg und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Vorarbeiten und Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen der Kandidatur für die Olympischen Winterspiele 2006 "Senza Confini" (3753/J)

Reinhart Gaugg und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Technologieoffensive und Büro für Forschung und Technologie (3754/J)

Reinhart Gaugg und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend faktisches Monopol des Kuratoriums für Verkehrssicherheit auf dem Nachschulungssektor (3755/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend eine Ergänzung der Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage der Abgeordneten Mag. Ewald Stadler und Kollegen vom 27. Februar 1997 zu 2054/J (3756/J)


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110. Sitzung / Seite 9

Wolfgang Jung und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Radschützenpanzer PANDUR (3757/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend das behängende Disziplinarverfahren hinsichtlich der stellvertretenden Leiterin der Geschäftsabteilung 1 für Präsidial- und Personalangelegenheiten, Dr. Brigitte Baschny, und das eventuell zwischenzeitlich eingeleitete Disziplinarverfahren gegen den Vizepräsidenten und Disziplinarreferenten, HR Dr. Josef Oswald, wegen des Verdachtes der Schwarzbeschäftigung eines Frühpensionisten im Eigenheim der Genannten (3758/J)

Wolfgang Jung und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend MINURSO (3759/J)

Wolfgang Jung und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend personelle Mittel beim Bundesministerium für Landesverteidigung (3760/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Auswirkungen des "Franc-CFA" auf den geplanten "EURO" (3761/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundeskanzler betreffend die Besetzung des Präsidentenamtes der Europäischen Zentralbank (EZB) (3762/J)

Anton Blünegger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Schwerpunktverlagerung bei den Transeuropäischen Netzen durch allfällige EU-Osterweiterung (3763/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Notstandshilfe für Ausländer (3764/J)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Chipcard und Europäischen Notfall-Ausweis (Amtsblatt C 184 v. 23. 7. 86) (3765/J)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Chipcard und Europäischen Notfall-Ausweis (Amtsblatt C 184 v. 23. 7. 86) (3766/J)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Durchführung der Entschließung "Stellungnahmen zu Gesetzesvorschlägen" aus der IX. GP, 463 d. B., und betreffendes Schreiben des Bundeskanzleramtes (BKA) aus dem Jahre 1991 (3767/J)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Durchführung der Entschließung "Stellungnahmen zu Gesetzesvorschlägen" aus der IX. GP, 463. d. B., und betreffendes Schreiben des Bundeskanzleramtes (BKA) aus dem Jahre 1991 (3768/J)

Mag. Reinhard Firlinger und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Risiken durch Kreditgewährungen an den IWF sowie mögliche Ausfälle aus Haftungen durch die OeKB (3769/J)

Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend 30 Milliarden Schilling Investitionspaket zwischen dem Land Wien und dem Bund (3770/J)

Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend EU-Präsidentschaft Österreichs im Jahre 1998 (3771/J)


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110. Sitzung / Seite 10

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Chipkarte (3772/J)

Andreas Wabl und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend ÖBF-Jagdrevier bei Laab im Walde (3773/J)

Mag. Helmut Peter und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Abfragen aus den Vereinsregistern (3774/J)

Peter Rosenstingl und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Kosten für verkehrspsychologische Untersuchungen (3775/J)

MMag. Dr. Willi Brauneder und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend anonyme Qualitätskontrollen im universitären Lehrbetrieb (3776/J)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Beschäftigungsgipfel in Luxemburg (3777/J)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Beschäftigungsgipfel in Luxemburg (3778/J)

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Ausstieg aus der Nukleartechnik – "Stillegung des Atomreaktors" (3779/J)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend "Gefährderdatei" als Ersatz für die "Ges-Kartei" (3780/J)

Dr. Michael Krüger und Genossen an den Bundeskanzler betreffend geplanten Umzug der Kunstsektion des BKA (3781/J)

Ing. Kurt Gartlehner und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend ausständige gesetzliche Regelung für Verfahrenshelfer (3782/J)

*****

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend Durchführung der Entschließung "Stellungnahmen zu Gesetzesvorschlägen" aus der IX. GP, 463. d. B., und betreffendes Schreiben des Bundeskanzleramtes (BKA) aus dem Jahre 1991 (27/JPR)

Anfragebeantwortung

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (3439/AB zu 3619/J)

 


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110. Sitzung / Seite 11

Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie zur 110. Sitzung des Nationalrates in dieser Gesetzgebungsperiode begrüßen und diese Sitzung eröffnen.

Für den heutigen Sitzungstag als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Aumayr, Schaffenrath, Dr. Mertel, Silhavy, Dr. Löschnak und Dr. Fuhrmann.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für die heutige Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Entschließungen des Bundespräsidenten betreffend Vertretung von Regierungsmitgliedern folgende Mitteilung gemacht:

Der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Farnleitner wird durch Herrn Bundesminister Dr. Fasslabend vertreten.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Fragestunde. Wir beginnen um 9.01 Uhr mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die 1. Anfrage gelangt nicht zum Aufruf, da die Frau Abgeordnete, wie Sie gerade gehört haben, entschuldigt ist.

Die 2. Anfrage ist jene der Frau Abgeordneten Dr. Moser an den Herrn Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie. Ich bitte die Frau Abgeordnete, die Frage zu formulieren. – Bitte.

Abgeordnete Dr. Sonja Moser (ÖVP): Danke, Herr Präsident.

Herr Bundesminister! Meine Frage ist ein Überbleibsel aus der Fragestunde vor einem Monat, aber umso mehr Gewicht hat Ihre Antwort nach dem erfolgreichen Abschluß dieser Verhandlungen. Meine Frage lautet:

187/M

Welche Schlußfolgerungen ergeben sich aus der österreichischen Verfassung für die Familiensteuerreform?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrte Frau Abgeordnete Moser! Natürlich hat sich die Situation in den letzten Wochen insofern entscheidend verändert, als die beiden Koalitionspartner zu einer politischen Einigung betreffend die Familiensteuerreform 1998 gekommen sind, aber Ausgangspunkt dieser Überlegungen war unter anderem das Erkenntnis der Verfassungsrichter, die im wesentlichen festgestellt haben, daß zumindest die Hälfte dessen, was Österreichs Familien, was Österreichs Eltern für ihre Kinder an Unterhalt aufzuwenden haben, steuerfrei zu stellen ist.


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110. Sitzung / Seite 12

Die Überlegungen, die in der Koalitionsgruppe mit Finanzminister Edlinger, Frauenministerin Prammer, Familiensprecherin Dr. Mertel und auf Seite der ÖVP mit unserem Verteidigungsminister Fasslabend und der Frau Abgeordneten Rauch-Kallat anzustellen waren, gingen dahin, eine Lösung zu finden. Wir haben sie gefunden, und ich glaube, es ist eine durchaus herzeigbare Lösung geworden, weil sie Österreichs Familien nicht weniger als 12,6 Milliarden Schilling pro Jahr mehr bringt, pro Kind und Monat 500 S, pro Kind und Jahr 6 000 S mehr an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag in einem.

Ich glaube, daß diese Erhöhung der finanziellen Transferleistungen um fast 30 Prozent, also um fast ein Drittel, etwas ist, was als Familienpaket seinesgleichen sucht und wirklich einen entscheidenden Meilenstein in der Familienpolitik dieses Landes darstellt. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Dr. Sonja Moser (ÖVP): Herr Bundesminister! Welche weiteren Schwerpunkte werden Sie, abgesehen von diesen monetären Leistungen, setzen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.


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110. Sitzung / Seite 13

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein:
So wichtig die finanziellen Transferleistungen für unsere Familien sind, ist Familienpolitik natürlich nur zu einem aus meiner Sicht eher geringen Teil mit finanziellen Fragen verbunden. Es geht auch um anderes. Einen Teil dessen werden wir heute nachmittag in einer Anfrage zu besprechen haben: Ich meine das Thema Gewalt in der Familie, den sexuellen Mißbrauch von Kindern, der leider Gottes gerade auch in Familien vorkommt. Diese Schattenseiten will ich überhaupt nicht leugnen. Es gehört zu einer Familienpolitik, sich auch damit zu beschäftigen, sich auch dieser Dinge anzunehmen.

Ich darf aber deutlich darauf hinweisen, daß ein aus meiner Sicht sehr wichtiger Schwerpunkt in diesem Jahr – auch daran arbeiten wir gemeinsam mit dem Koalitionspartner ganz energisch – die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist. Das ist in Wahrheit das große Thema für viele junge Frauen: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, also Kinder zu haben, gleichzeitig aber auch den Arbeitsplatz nicht zu verlieren oder wiedererlangen zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist ein Thema, wo der Gesetzgeber nur bedingt etwas tun kann. Da geht es vor allem um Bewußtseinsbildung, da geht es darum, Österreichs Arbeitgebern zu zeigen, daß sie junge, engagierte, motivierte Frauen brauchen, daß es gut ist, in betriebliche Kindergärten zu investieren, daß es gut ist, jungen Müttern, aber auch Vätern flexible Arbeitszeiten zu offerieren, weil sich immer wieder herausstellt, daß das Entscheidende dabei die möglichst freie Verfügbarkeit über die eigene Arbeitszeit ist.

Es geht nicht so sehr darum, nur 20, 18 oder 25 Stunden pro Woche arbeiten zu wollen, sondern sich die Arbeitszeit soweit wie möglich frei einteilen zu können. Den Weg dorthin aufzumachen, ist sicherlich eine wichtige Aufgabe für uns, und wenn wir das geschafft haben, dann sind wir, glaube ich, ein Stück weiter in Richtung einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. (Beifall bei der ÖVP.)


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110. Sitzung / Seite 14

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Öllinger, bitte.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Bundesminister! Die Regierungsparteien bekennen sich ebenso wie die Grünen zum Grundsatz, daß jedes Kind dem Staat gleich viel wert zu sein hat. Ergibt sich aus diesem Grundsatz nicht die Notwendigkeit, die Familienförderung und auch die verfassungsmäßigen Rechte so zu präzisieren, daß diesem Grundsatz entsprochen werden kann, oder, anders herum gefragt, sollte die Verfassung nicht in bezug auf diesen Grundsatz präzisiert werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Öllinger! Es gibt seit einigen Monaten eine Diskussion darüber, die Familie als solche – unter anderem auch aus diesen Gründen – in der Verfassung besser als bisher zu verankern.

Ich möchte das an einem konkreten Beispiel festmachen: In Österreich werden leider Gottes zunehmend Ehen geschieden, und es gibt durchaus auch die Rechtsmeinung, daß es zwar gut ist, wenn die geschiedene Frau, die im Regelfall obsorgeberechtigt ist, die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag weiterhin bekommt – daran kann überhaupt kein Zweifel bestehen, das wird auch weiter so sein –, aber heute sind diese Zahlungen auf die Unterhaltsverpflichtungen des geschiedenen Mannes nicht anrechenbar.

Wir, die Koalitionspartner, Finanzminister Edlinger, Frauenministerin Prammer und ich, haben uns daher klar festgelegt: Aus unserer politischen Sicht soll Scheidung Privatsache sein, ist es nicht Sache des Gesetzgebers, ist es nicht Sache der Regierung, geschiedenen Paaren mehr an finanziellen Mitteln zukommen zu lassen als in aufrechter Ehe lebenden. Aber das ist sicherlich ein Denkansatz und eine mögliche Grundlage, durch eine Verfassungsbestimmung klarzustellen: Das ist der politische Wille des Gesetzgebers. Wir wollen eine positive Diskriminierung der auf Ehe begründeten Familie, um den Verfassungsrichtern, wie das auch der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Adamovich, angedeutet hat, dabei gewissermaßen eine Hilfestellung zu geben, um diese Frage in Zukunft so beurteilen zu können, wie ich das eben geschildert habe. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Klara Motter, bitte.

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Die Experten des Finanzministeriums haben festgestellt, daß die Forderungen, die sich aus dem ÖVP-Familienbesteuerungsmodell ergeben, nicht finanzierbar sind. Da jetzt die Eckdaten des neuen Familienbesteuerungsmodells bereits bekannt sind, frage ich Sie: Wie sieht es aus?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Zwei Überlegungen standen bei der Verhandlung der Familiensteuerreform selbstverständlich immer im Raum und wurden von allen Verhandlern peinlichst beachtet, nämlich zum ersten eine Regelung zu finden, die nach unserem Ermessen verfassungskonform ist, also vor den Verfassungsrichtern halten wird, und zum zweiten eine Regelung zu finden, die auch finanzierbar ist. In dieser Verantwortung haben wir diese Familiensteuerreform gefunden.

Es ist nicht leicht, 12,6 Milliarden Schilling zu realisieren, aber ich glaube, durch ein sehr partnerschaftliches Vorgehen von Finanzminister Edlinger und mir und durch eine sehr vernünftige Verteilung der Lasten, einerseits auf das Budget, andererseits auf die Mittel aus dem Familienlastenausgleichsfonds, diesen Familientopf, den es in Österreich Gott sei Dank gibt, sind wir zu einer Lösung gekommen, die verantwortbar ist. Die Finanzierung ist sichergestellt, wobei ich betonen muß, es ist natürlich zum Teil ein Vorgriff auf die große Steuerreform 2000. Aber jetzt sage ich als Familienminister: Nichts soll mir mehr recht sein, als daß auch die Familien im Rahmen einer großen Steuerreform bedacht werden und in diesem Sinne eine Rolle spielen. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Lackner, bitte.

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wird in Ihrem Ressort an einer Verbreiterung der Bemessungsgrundlage für den Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichfonds nachgedacht? Konkret: Ist die Umstellung vom derzeit 4,5prozentigen Satz auf eine Wertschöpfungsabgabe ein Thema für Sie?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Nein. Ich kenne entsprechende Überlegungen, ich kenne eine entsprechende Studie, die von der Arbeiterkammer durchgeführt wurde. Darüber kann diskutiert werden, aber als Familienminister muß ich zwei Fragen stellen. Erstens: Ist eine alternative Finanzierungsmethode gegenüber der bisherigen Finanzierung – 4,5 Prozent Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds – eine Finanzierung, die mehr Sicherheit für die Familie bringt, eine größere Sicherheit, daß diese Gelder auch tatsächlich kommen? Und – zweite Frage –: Ist die Entwicklung in den nächsten Jahren eine vielleicht bessere, sprich: Ist durch eine alternative Finanzierungsform für die Familien und für diesen Familientopf mehr an Finanzierung möglich?

Beide Fragen kann man eigentlich auf Basis der bisher vorliegenden Daten keinesfalls mit Ja beantworten. Es ist ein alternatives Finanzierungsmodell, es ist aber gleichzeitig ein Modell, mit dem man, soweit ich diese Studie gelesen habe, Neuland beschreitet. Eine Wertschöpfungsabgabe gibt es weder in Österreich noch sonstwo. Daher ist das etwas, was natürlich – das ist eben bei neuen, innovativen Projekten so – ein gewisses Risiko mit sich bringt.

Was die heutige Situation betrifft – und damit meine ich jetzt das Jahr 1998 –, sehe ich in einer derart alternativen Finanzierungsmethode, sprich: Umstellung der Finanzierung auf eine Wertschöpfungsabgabe, keinen Vorteil, jedenfalls keinen für mich erkennbaren Vorteil, ich kann aber gewisse Risiken und Nachteile für die Finanzierung der Familie nicht ausschließen und möchte daher bis auf weiteres jedenfalls diesen Überlegungen nicht nähertreten. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Edith Haller. – Bitte.

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Geld hat bekanntlich kein Mascherl, und deshalb wird es den österreichischen Familien wahrscheinlich ziemlich gleichgültig sein, woher das Geld zur Reparatur der Familienbesteuerung kommt.

Herr Bundesminister! Haben Sie bereits prüfen lassen oder werden Sie prüfen lassen, ob die teilweise Finanzierung dieser Reform aus dem Familienlastenausgleichsfonds verfassungskonform ist?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrte Frau Abgeordnete Haller! Ich stimme Ihnen absolut zu: Geld hat kein Mascherl. Das weiß man vor allem dann, wenn man die Praxis kennt. Österreichs Frauen und Mütter bekommen alle zwei Monate auf ihr Konto eine Summe Geldes, nämlich die Kombination aus Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag, und diese Summe wird in Zukunft ab dem Jahr 2000 um 500 S pro Monat oder um 1 000 S alle zwei Monate – 1999 gehen wir den ersten Schritt, das ist der erste halbe Schritt – höher sein.

Auf der anderen Seite war es aber eine wichtige Überlegung für uns, die Verfassungskonformität auch der Finanzierung sicherzustellen. Ich habe immer die Auffassung vertreten, eine Familiensteuerreform muß primär durch ein Steuerinstrument bewältigt und beantwortet werden. Daher meine ich, daß wir zu einem guten Ergebnis gekommen sind, indem wir gesagt haben, daß von diesen 500 S 350 S durch eine Aufstockung des steuerlichen Instrumentes Kinderabsetzbetrag gewährleistet und bewältigt werden und daß das ergänzend zu knapp einem Drittel durch eine Aufstockung der Familienbeihilfe geschieht, wobei ich dazusage: Die Aufstockung der Familienbeihilfe war mir – da es über Jahre keine Valorisierung gegeben hat – insgesamt auch ein durchaus familienpolitisches Anliegen, abgesehen von der Familiensteuerreform. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.


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110. Sitzung / Seite 15

Bundeskanzleramt

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur Anfrage 199/M, die der Herr Abgeordnete Dr. Haider formuliert. (Abg. Dr. Haider spricht mit Abg. Mag. Stadler. – Abg. Dr. Khol: Haider! Haider! – Er verschläft die Bezüge!)

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler, ich darf Sie folgendes fragen:

199/M

Werden Sie die Kritik von Bundespräsident Dr. Klestil, daß eine Gruppe von Politikern durch die letzte Bezügereform beträchtliche Einkommenserhöhungen erhalten hat – Sie selbst als Bundeskanzler erhielten beispielsweise eine Bezugsaufbesserung von rund 1 Million Schilling –, zum Anlaß nehmen, eine Reform der Politikerbezüge in Angriff zu nehmen, die einen echten Abbau der Politikerprivilegien erkennen läßt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Haider! Als Mitglied des Parlamentes wissen Sie selbstverständlich, daß diese neue, transparente Regelung der Politikereinkommen und der Nebenleistungen von einer unabhängigen Expertenkommission, unter Vorsitz des Präsidenten des Rechnungshofes, erarbeitet wurde, hier im Parlament diskutiert wurde und eine breite Mehrheit, eine Vierparteienmehrheit, gefunden hat. Ich habe ganz bewußt als Organ der Vollziehung und sozusagen als Bundeskanzleramt bei dieser Neuregelung der Politikerbezüge nicht mitgewirkt.

Was meine persönliche Situation betrifft, habe ich unmittelbar nach meiner Amtsübernahme, bevor überhaupt bekannt wurde, daß nach der nun nach politischer Verantwortung gereihten Politikerpyramide der Bundeskanzler eine Bezugserhöhung bekommen sollte, klar und deutlich gesagt, daß ich nicht mehr Einkommen beziehen will, als ich als Finanzminister hatte, und daß ich das, was mir darüber hinaus aufgrund dieser verantwortungsgemäß gestaffelten Politikerpyramide zustünde, karitativen Zwecken zur Verfügung stelle. Ich habe das immer klar und deutlich gesagt, und ich werde zum geeigneten Zeitpunkt der Öffentlichkeit mitteilen, für welchen karitativen Zweck ich diese Mehreinkommen zur Verfügung stelle. – Nicht für einen Porsche eines Parteifreundes. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Ruf bei den Freiheitlichen: Ha, ha, ha!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Dr. Haider, wie ich annehme.

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Ich weiß nicht, ob das noch zulässig ist – der verlängerte Aschermittwoch, nicht?

Herr Bundeskanzler! Der Herr Bundespräsident hat aber sehr unmißverständlich genau auf das Bezug genommen, was Sie eben gesagt haben: Daß es für die breite Öffentlichkeit unverständlich ist, daß einerseits Politikerbezüge erhöht werden – in Ihrem Fall um etwa 1 Million Schilling – und andererseits für die Bevölkerung durch Sparpakete, die Sie ja als Finanzminister noch selbst verfügt haben, ganz massive Belastungen entstanden sind, die nicht zu einer Einkommenserhöhung, sondern bei der großen Masse der Bürger zu einer Einkommenskürzung geführt haben.

Daher hat der Herr Bundespräsident in seinem Schreiben darauf verwiesen, daß es hier eine Asymmetrie gibt, daß die Solidarität nicht eingehalten ist. Meine Frage an Sie: Werden Sie sich dafür einsetzen, daß diese Kritik, die der Bundespräsident an dem Ungleichgewicht zwischen Sparpaket und Bezugserhöhung der Politiker geübt hat, korrigiert wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Abgeordneter! Sie wissen sicherlich, daß an den Maßnahmen des Sparpaketes, das eine wirklich große Leistung aller Österreicherinnen und Österreicher war, um den Staatshaushalt in Österreich zu konsolidieren, jeder Österreicher


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110. Sitzung / Seite 16

entsprechend seinem Einkommen beteiligt war, daß jeder dazu beigetragen hat – die mit einem kleinen Einkommen weniger, beispielsweise durch die Maßnahmen im Bereich der Beseitigung von Steuerabsetzposten, die sozial gestaffelt waren, und vieles mehr –, die, die höhere Einkommen hatten, haben mehr dazu beigetragen.

Ich kann Ihnen noch einmal klar und deutlich sagen, daß die vom Parlament beschlossene Politikerpyramide für mich selbst die Konsequenz hatte, daß ich sofort auf eine Erhöhung – die sicher nicht 1 Million Schilling beträgt – verzichtet und gesagt habe, ich werde sie karitativen Zwecken zur Verfügung stellen. Und dabei bleibt es. Ich werde das sehr klar und transparent machen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Zusatzfrage stellt Kollege Schuster. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Johann Schuster (ÖVP): Die Bezüge der Abgeordneten haben leistungs- und verantwortungsorientiert zu sein. Herr Bundeskanzler! Dr. Haider hatte im Jahre 1997 eine Anwesenheit von nicht einmal 23 Prozent, bezogen auf alle Nationalratssitzungen. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP. – Gegenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé.  – Rufe bei den Freiheitlichen: Frage! – Ruf: Das ist so, das ist die Wahrheit! – Abg. Dr. Khol: Unglaublich! Und da redet er hier von Privilegien! – Ruf: Abkassierer! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Herr Bundeskanzler! Meine Frage an Sie: Wie beurteilen Sie im Lichte des vorher Gesagten die ständigen Klagen des Dr. Haider über angeblich zu hohe Politikergehälter, wo sie doch leistungsorientiert zu sein hätten? (Ironische Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Schauen Sie einmal, wie viele Reden der Abgeordnete Haider gehalten hat!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Abgeordneter! Ich wußte nicht, daß – laut Ihren Angaben – Herr Dr. Haider nur weniger als ein Viertel der üblichen Zeit hier im Parlament anwesend ist. (Abg. Dr. Khol: Aber volle Bezüge hat! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber wenn er da ist, dann redet er wenigstens!) Wenn man das durchrechnet, dann kommt ein gewaltiger Stundenlohn heraus. Vielleicht sollten wir einmal den Stundenlohn betrachten und dann eine andere Einstellung dazu haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Frau Dr. Petrovic.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Einen schönen guten Morgen! – Die Gehaltspyramide, die von den Grünen als Kompromiß mitgetragen und mitbeschlossen wurde, hat einen echten Abbau von Politikerprivilegien gebracht (Ruf bei den Freiheitlichen: Haha!), insbesondere den Wegfall jeder neuen Politikerpension ab der Legislaturperiode 1999. In der Zwischenzeit können, wenn Betroffene dies beantragen, noch die alten Privilegien geltend gemacht werden. Dies hat nicht nur der Herr Bundespräsident getan, sondern unter anderen auch Abgeordnete der Freiheitlichen Partei, wie wir aus einer Anfragebeantwortung des Präsidenten wissen. Allerdings werden die Namen geheimgehalten.

Herr Bundeskanzler! Halten Sie die Namen derer, die noch die alten Privilegien beanspruchen, für eine Materie des Datenschutzes, oder glauben Sie, daß die Öffentlichkeit ein Interesse und ein Recht hat, diese Namen zu erfahren?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich glaube, daß man hier unterscheiden muß zwischen der Art, wie die Behörde vorzugehen hat, auf der einen Seite und dem natürlichen Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und der politischen Informationspflicht der Betroffenen auf der anderen Seite.

Ich würde es selbstverständlich sofort sagen, wenn ich diese Übergangsregelung in Anspruch nehmen würde. Daher ist das auch eine Frage der politischen Moral, nämlich ob man es selbst


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sagt oder ob man es nicht selbst sagt. Ich würde es tun. (Demonstrativer Beifall bei den Grünen.)

Lassen Sie mich noch eines zur Politikerbezügepyramide sagen, Frau Abgeordnete: Ich glaube, daß man über die Höhe der Bezüge immer diskutieren kann. Was ich aber für sehr wesentlich halte – und das ist zu Recht ein Anliegen der Menschen in Österreich –, ist, daß es kein Wirrwarr von Mehrfachbezügen, Mehrfachfunktionen und Mehrfachnebenleistungen und so weiter gibt, sondern eine klare, transparente Regelung. Und das ist Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dieser neuen Politikerbezügeregelung im Parlament ohne Zweifel gelungen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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110. Sitzung / Seite 18

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke.

Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Bundeskanzler! Unmittelbar an Ihre jetzige Antwort anknüpfend: Ich teile Ihre Auffassung, daß die Regelung klar und transparent ist.

Ist nicht der Brief des Herrn Bundespräsidenten, der darauf gegründet ist, daß er persönlich vorerst nicht auf seine Pension verzichtet hat, darauf zurückzuführen, daß er sich offenbar mit dieser klaren und transparenten Regelung nicht ausgiebig genug beschäftigt hat (Rufe bei der ÖVP: Frage!), und stellt es daher nicht eigentlich einen Übergriff dar, dem Parlament für einen eigenen Fehler die Schuld zu geben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Ich habe schon gesagt, daß meine Reaktion eine andere war, aber ich habe hier die Reaktion des Herrn Bundespräsidenten nicht zu kommentieren.

Meine Reaktion war eine klare: Ich nehme die vom Parlament beschlossene Bezügepyramide so zur Kenntnis. Das, was ich darüber hinaus an Bezugserhöhung bekomme, wird karitativen Zwecken zur Verfügung gestellt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die letzte Zusatzfrage zu diesem Thema: Herr Abgeordneter Dr. Kräuter.

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Nachdem sich Herr Abgeordneter Haider in dieser Frage wieder einmal ordentlich lächerlich gemacht hat, noch eine Zusatzfrage zu diesem Themenkreis:

Bürgermeister in Gemeinden mit weniger als 10 000 Einwohnern bekommen in einigen Bundesländern sehr geringe Bezüge. Herr Bundeskanzler! Würden Sie unterstützen, daß es hier leistungs- und verantwortungsgerecht im Rahmen der Pyramide zu Verbesserungen kommt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Zwei Bemerkungen dazu. Die erste Bemerkung: Auch wenn es mir genehm ist, halte ich mich als Organ der Vollziehung in der Kommentierung von Beschlüssen des Parlaments zurück – das heißt also, auch jetzt in der Frage der Bürgermeister.

Die zweite Bemerkung: Ich weiß aus vielen Gesprächen mit Menschen in kleineren und mittleren Gemeinden, wie sehr sie die Dienste der Bürgermeisterinnen und der Bürgermeister schätzen, und ich glaube, daß insbesondere in diesem Zusammenhang einmal all jenen, die dauernd die Politiker mit dem Vorwurf der Privilegien und so weiter zu verunglimpfen versuchen, klar gesagt werden muß, welch unschätzbaren Dienst zum Beispiel die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in den mittleren und kleinen Gemeinden für die Menschen, die dort wohnen, leisten, was von diesen auch akzeptiert wird. Daher sollten wir dafür auch einmal klar und deutlich Dank sagen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 4. Anfrage. Kollege Dr. Feurstein wird sie formulieren.

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Ich darf zu einem ganz anderen Thema zurückführen, nämlich zur Bundesstaatsreform. Den Landeshauptmännern wurde schon vor einiger Zeit zugesichert, daß die Bundesstaatsreform bis November 1997 beschlossen sein wird. Das ist nicht geschehen. Ich möchte Sie daher fragen:

197/M

Angesichts der bis heute nicht eingehaltenen Zusicherung gegenüber der Landeshauptmännerkonferenz, daß die Bundesstaatsreform bis November 1997 beschlossen sein wird, frage ich Sie, wann Ihr Versprechen eingelöst wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Abgeordneter Dr. Feurstein! Als erfahrener Politiker wissen Sie natürlich, daß eine Vereinbarung zwischen zwei Parteien von beiden Parteien einzulösen ist. Das heißt, daß die Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zur Umsetzung der Bundesstaatsreform nur dann durchgeführt werden kann, wenn alle damit einverstanden sind. Und Sie wissen, daß bis vor wenigen Tagen noch die Länder nicht bereit waren, die finanzielle Abgeltung in der Höhe von 280 Millionen Schilling zu akzeptieren, daß die Länder, wenn sie jetzt vom Bund an die Landesverwaltungen übertragene Aufgaben selbst übernehmen, diese 280 Millionen Schilling als viel zu gering erachtet haben, über 1 Milliarde gefordert haben und daher nicht bereit waren, dieses wichtige Momentum des Paktums zu akzeptieren.

Ich habe vor kurzem die Mitteilung bekommen, daß sie es nun akzeptieren würden. Ich bin mir aber noch nicht ganz sicher, ob es tatsächlich so ist. Darum habe ich den Herrn Bundesminister für Finanzen beauftragt, von allen Landesregierungen verbindliche Zusagen einzuholen, daß sie mit den 280 Millionen Schilling Abgeltung für die Übernahme der Aufgaben der mittelbaren Bundesverwaltung und so weiter zufrieden sind. Dann ist es möglich, daß wir wie vorgesehen die Bundesstaatsreform umsetzen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Eine Zusatzfrage, wie ich annehme.

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Die Bundesstaatsreform setzt sich, wie Sie richtig gesagt haben, aus verschiedenen Teilen zusammen. Wird es konkret möglich sein, diesen Teil, nämlich die mittelbare Bundesverwaltung, bis zum Sommer, wenn die Zusage eintritt, die Sie jetzt erwähnt haben, so umzusetzen, daß sie hier im Nationalrat beschlossen werden kann, damit eben der Instanzenzug im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung dann nicht mehr beim Minister endet, sondern bei der jeweiligen Landesregierung?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Ja, wenn die Länder diesen wichtigen finanziellen Teil des Gesamtpaketes akzeptieren, nein, wenn sie ihn nicht akzeptieren. Das heißt, ich kann Ihnen die Frage nicht von mir alleine aus gesehen beantworten, sehr geehrter Herr Abgeordneter. Wenn alle neun Bundesländer die finanzielle Abgeltung von 280 Millionen Schilling akzeptieren, dann können wir die Übertragung der mittelbaren Bundesverwaltung an die Länder durchführen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Gabriela Moser. – Bitte.

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Bundeskanzler! Sie haben sich für die Reform der bundesstaatlichen Verwaltung stark gemacht. Sie haben damit das föderale Recht der Bundesländer anerkannt. Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang fragen: Inwieweit gedenken Sie jetzt auch dieses Recht der Bevölkerung in den einzelnen Bundesländern, speziell in Niederösterreich, Oberösterreich und Wien, wahrzunehmen angesichts der Tatsache, daß in unmittelbarer Grenznähe ein Atommüllager in der Größenordnung von 2 000 Tonnen errichtet werden soll? Derzeit läuft die Umweltverträglichkeitsprüfung. Was werden Sie tun? Wie werden Sie


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Protest bei der tschechischen Regierung einlegen, und wie werden Sie darauf hinwirken, daß die österreichische Bevölkerung Einspruchsmöglichkeiten im Rahmen dieses UVP-Verfahrens erhält?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler! Es ist Ihnen überlassen, ob Sie die Frage beantworten wollen, denn sie steht mit der Hauptfrage nicht in geschäftsordnungsmäßigem Zusammenhang. – Bitte sehr.


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Bundeskanzler Mag. Viktor Klima:
Ich bin gewohnt, alle Fragen des Hohen Hauses zu beantworten. (Ruf: Wie jeder verheiratete Mensch!)  – Wie jeder verheiratete Mensch, ja. – Daher werde ich auch diese Frage zu beantworten versuchen. (Beifall des Abg. Dr. Nowotny. )

Zum ersten, sehr geehrte Frau Abgeordnete: Sie wissen, es ist ein Grundsatz der österreichischen Politik – nicht nur der Energiepolitik, sondern das ist ein Breitenspektrum –, sich auch weiterhin konsequent für ein atomkraftfreies Mitteleuropa einzusetzen. Sie wissen allerdings auch, daß wir hier natürlich an den Grenzen der nationalen Wirkungsbereiche ankommen.

Ich habe mich massiv dafür eingesetzt, zum Beispiel im November vergangenen Jahres in einem Gespräch mit dem slowakischen Premierminister Meciar, die Zusage zu erhalten, daß österreichische Experten die Möglichkeit haben, das in Mochovce entstehende Atomkraftwerk auf seine Sicherheitsqualität hin zu überprüfen. Und es sind in den letzten Tagen – zu Recht, muß ich sagen – Befürchtungen laut geworden, daß es diesbezüglich seitens der slowakischen Behörden zu einer Verzögerungstaktik kam. Ich habe vorgestern den slowakischen Botschafter zu mir zitiert und Premierminister Meciar an sein Versprechen erinnert. Ich bin überzeugt davon, wir werden Gelegenheit haben, unter Führung österreichischer Experten den Sicherheitsstandard dieses Atomkraftwerkes zu überprüfen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Öllinger: ... Dukovany!)  – Schon, aber wenn ich zur Kenntnis nehme, daß Sie hier eine Frage stellen, die nichts mit der Erstfrage zu tun hat, dann verstehen Sie bitte auch, daß ich eine umfassendere Antwort gebe. Das wäre Fairneß, glaube ich.

Zum zweiten: Sie wissen, daß ich selbst auch anläßlich eines Besuches in der Tschechischen Republik auf die großen Probleme hingewiesen habe, die Österreich mit diesem Zwischenlager für Atommüll, muß man sagen, an der tschechisch-österreichischen Grenze hat. Und die tschechischen Behörden haben damals zugesagt, daß sie uns von einer Erweiterung und ähnlichem mehr umgehend informieren werden.

Das ist nicht geschehen, und ich bin sehr froh darüber, daß über die NGOs diese konkreten Pläne nun an uns herangetragen wurden. Ich habe Frau Kollegin Prammer beauftragt, sowohl im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten als auch darüber hinaus im Rahmen eines politischen Dialogs sicherzustellen, daß die österreichischen Vorkehrungs- und Überprüfungsmaßnahmen sowie auch die österreichischen Einwände an geeigneter Stelle plaziert werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Dr. Kier.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Bundeskanzler! Ich kehre zur Bundesstaatsreform zurück. Im "Standard" vom 24. Februar wird über eine Einigung der Landeshauptleutekonferenz mit Ihnen berichtet, wonach die Bundesstaatsreform praktisch perfekt wäre. Gemäß Bundesverfassung und Verfassungen der Länder sind dafür einerseits das Parlament und anderseits die Landtage zuständig. Wie sehen Sie die Rolle der Landeshauptleutekonferenz, die ja bekanntlich eine Einrichtung ohne formalrechtliche Grundlage und ohne formalrechtliche Kompetenz ist, insbesondere vor dem Hintergrund, daß inzwischen in mehreren Bundesländern keine in der Verfassung verankerten Proporzregierungen, sondern Mehrheitsregierungen bestehen, sodaß die Legitimation der Landeshauptleute für Verfassungsfragen zusätzlich geschwächt ist?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, daß natürlich die Bundesstaatsreform, die ja weniger mit der Exekutive, mit der Regierung, zu tun hat, sondern Angelegenheit auch des Parlaments ist, im Parlament zu behandeln, zu beraten und zu beschließen sein wird, genauso wie in den jeweiligen regionalen Landtagen. Das ist vollkommen richtig!

Außerdem: Wir wissen heute, daß es in mehreren Einfachgesetzen das Institut der Landeshauptleutekonferenz schon gibt, daß es dort erwähnt wird, und daher sollte man im Rahmen dieser Bundesstaatsreform auch da Klarheit schaffen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. – Bitte.

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Für manche hat ja das Wort "Bundesstaatsreform" an sich schon einen so schönen Klang, daß man sie unbedingt machen muß. Sie betonen hingegen, daß wir uns bei allen politischen Handlungen überlegen sollten, was sie für die Bürger bringen. Was können sich die Bürger konkret von der Bundesstaatsreform erwarten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Sie weisen zu Recht darauf hin, daß mit diesem technischen Begriff "Bundesstaatsreform" die Menschen in Österreich wahrscheinlich sehr wenig anfangen können. Sie weisen auch zu Recht darauf hin, daß es – das ist auch meine Meinung – nicht darum geht, willkürlich Kompetenz- und Machtspiele zwischen Bund, Ländern und vielleicht auch Gemeinden zu veranstalten. Ich weise auch allfällige Vermutungen zurück, daß die Bundesbediensteten automatisch ineffizienter sind als die Landesbediensteten. Das kann man sicherlich nicht sagen.

Also: Worum geht es bei dieser Bundesstaatsreform? – Es geht bei dieser Bundesstaatsreform darum, daß die Leistung dort erbracht wird, wo sie für den Bürger am besten erbracht werden kann. Das heißt, daß wir diese Bundesstaatsreform nicht nach ideologischen Grundsätzen – wir wollen die Gemeinden schwächen, wir wollen den Bund schwächen und nur die Länder stärken oder umgekehrt, wie auch immer –, sondern nach dem Prinzip der Bürgerfreundlichkeit durchzuführen haben.

Genau aus diesem Grund habe ich ja auch vorgeschlagen, daß wir uns neben dieser technischen Frage der Übertragung der mittelbaren Bundesverwaltung an die Länder eine neue, wirklich an die Grundsätze gehende Reform unseres Bundesstaates überlegen, daß wir klar und deutlich und ohne ideologische Scheuklappen die Aufgabenverteilung zwischen Gemeinden, Ländern und Bund in unserem System neu gestalten, und zwar nach dem Prinzip, wo es für den Bürger am besten ist und wo die Aufgaben am effizientesten erbracht werden können. Das haben wir uns als zweiten Schritt einer großen Reform der Aufgabenverteilung unseres Bundesstaates vorgenommen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Zu einer Bundesstaatsreform gehört meines Erachtens auch eine Reform des Bundesrates. Wir wissen, der Bundesrat befindet sich durch die Realverfassung in einem Dornröschenschlaf. Für Politiker der Koalitionsparteien dient der Bundesrat bekanntlich als politisches Auszugsstüberl. Er hat jegliche Bedeutung in diesem Land verloren. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Und wenn heute von einer leistungsgerechten Bezahlung und von der Anwesenheit als Anspruchsgrundlage die Rede war, dann darf ich darauf verweisen, daß, wenn es nach der geistigen Anwesenheit geht, gleich eine Bezugseinstellung insbesondere beim Antragsteller stattfinden müßte. (Rufe bei SPÖ und ÖVP: Frage!)


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Meine Frage daher: Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Was werden Sie tun, welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um den Bundesrat im Sinne einer echten Ländervertretung aufzuwerten? In den letzten zehn Jahren hat der Bundesrat ein einziges Mal von seiner Möglichkeit eines suspensiven Vetos Gebrauch gemacht; dann erfolgte der Beharrungsbeschluß. Die Bevölkerung hat kein Verständnis dafür, daß eine Einrichtung in dieser Republik, nämlich der Bundesrat, existiert, die bedeutungslos ist und den Steuerzahler nur Geld kostet. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, ich bitte um Beantwortung.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Die Aufgabenverteilung zwischen Nationalrat und Bundesrat ist aufgrund unserer Verfassung – auch innerhalb des Parlaments – sehr genau festgelegt. Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich habe den von Ihnen verwendeten Begriff nicht ganz verstanden, aber ich würde die Länderkammer nicht als "politisches Ausgedinge" bezeichnen. Der Bundesrat ist nach unserer Verfassung ein notwendiges Organ, und die Mitglieder, die von den Ländern in den Bundesrat entsandt werden, sind sicher in keinem "politischen Ausgedinge". (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Marizzi: Dann soll die FPÖ ihre Mandatare von dort abziehen! Die Frau Riess-Passer zum Beispiel! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen aber als Antwort auf Ihre Frage, daß die Vorschläge zur Reform des Bundesrates im Parlament liegen und dort diskutiert werden. Ich glaube nicht, daß es Aufgabe der Exekutive ist, diesbezüglich etwas vorzugeben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundeskanzler.

Wir kommen zum nächsten Fragenkomplex, und zwar betreffend Presseförderung.

Herr Abgeordneter Dr. Kier, ich bitte Sie um die Formulierung der Frage.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Bundeskanzler, meine Frage lautet:

202/M

Unterstützen Sie eine Novellierung des Presseförderungsgesetzes, wodurch neben den Printmedien auch freie, nichtkommerzielle Radioanbieter und Minderheitensender finanzielle Mittel aus der Presseförderung erhalten können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Abgeordneter! Ich glaube, wir müssen da klar und deutlich folgendes unterscheiden. Das Regionalradiogesetz sieht aus gutem Grund vor, daß Lizenzen nur an jene Bewerber vergeben werden dürfen, die in der Lage sind, fachlich und finanziell eine entsprechende Programmherstellung und Sendung auch zu bewältigen. Das heißt, man kann nicht von vornherein annehmen – was Sie jetzt anscheinend tun –, daß unter den 50 neuen Privatradios, die es jetzt gibt, welche sind, die nicht den Bedingungen der Lizenzvergabe, nämlich daß sie auch finanziell in der Lage sind, Programm zu senden, entsprechen.

Wenn Sie aber damit meinen, daß man zum Beispiel bestimmte Kunst- oder Kulturprojekte, bestimmte Anliegen von Minderheiten projektbezogen unterstützen soll, so werden wir das überlegen und prüfen. – Aber klar und deutlich ein Nein zu einer permanenten Basisfinanzierung privater Betreiber von Radiosendern. Ich sage das wirklich mit Nachdruck! (Beifall bei der SPÖ.) Projektbezogen: ja, aber keine Steuermittel zur Finanzierung von privaten Radiosendern, die Lizenzen nur deshalb bekommen haben, weil sie nachgewiesen haben, daß sie finanziell in der Lage sind, Programme zu machen.

Ich möchte noch eine allgemeine Ergänzung zur Presseförderung machen. Ich sage ganz offen, daß ich mit der derzeitigen Presseförderung unglücklich bin, und zwar deshalb, weil insbesondere im Bereich der besonderen Presseförderung nur nach quantitativen Fallkriterien eine


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solche zugestanden wird – oder eben nicht. Das führt dazu – wie man mir berichtet –, daß manche Zeitungsherausgeber bewußt betriebswirtschaftliche Nachteile in Kauf nehmen, zum Beispiel Anzeigen ablehnen, nur damit sie die staatliche Presseförderung bekommen. Das muß, glaube ich, neu überarbeitet werden.

Deshalb habe ich auch gesagt, daß wir ein Weißbuch erstellen wollen, um eine breite politische Diskussion über eine neue Form der Presseförderung in Österreich zu ermöglichen, und zwar insbesondere in Richtung Gewährleistung der Meinungsvielfalt, also auch Vielfalt der Medien, und zusätzlich Aspekte der Qualitätsförderung. Wir könnten zum Beispiel den Literaten in unserem Lande besonders helfen, indem wir Feuilletons, zum Beispiel in Zeitungen, unterstützen. Dadurch wird es den Schriftstellern ermöglicht, das zu tun, was für sie am wichtigsten ist, nämlich ihre Werke zu veröffentlichen, sodaß diese auch gelesen werden. Das heißt, wir werden uns sowohl im Sinne von Medienvielfalt als auch der Qualität ein Überarbeiten der Presseförderung vornehmen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Kier, bitte.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Bundeskanzler! Durch Ihre ergänzende Erläuterung jetzt sind Sie meiner Ansicht nach etwas in Widerspruch zu Ihrer Philosophie hinsichtlich Radios geraten: Aufgrund der jetzigen Presseförderung werden auch Medien, speziell Printmedien, massiv gefördert, obwohl sie sehr hohe Gewinne ausweisen. Wie wir alle wissen, sind das nicht die Medien, die Inserate zurückweisen.

Wir meinen: Wenn es überhaupt einen öffentlichen Förderungsanspruch geben soll – und dazu bekennen wir uns –, dann muß dieser umgekehrt proportional zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sein. Das gilt genauso für elektronische Medien. Wenn sich Medien etwa als "Minderheitenmedien" im Bereich Radio oder als freie, nichtkommerzielle Sender deklarieren und als solche eine Lizenz bekommen haben, dann geht Ihre Argumentation ins Leere.

Daher meine Frage: Halten Sie es für plausibel, die Presseförderung zum Zwecke der Erhöhung von Gewinnen bei durchaus erfolgreichen Medien zu gestalten – oder meinen Sie nicht auch, daß da eine tiefergreifende Reform notwendig wäre?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Abgeordneter! Ich habe Ihnen bereits gesagt, daß ich eine tiefergreifende Reform der Presseförderung nach dem Prinzip der Medienvielfalt und Qualität anstrebe. Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich kann mit dem Satz, die Presseförderung müsse indirekt proportional der Leistungsfähigkeit sein, nichts anfangen – gerade auch dann nicht, wenn ein solcher von einem Abgeordneten der Liberalen kommt. Das würde ja bedeuten, daß Unternehmen – egal, was sie tun, was sie tatsächlich drucken oder verbreiten –, die nichts zusammenbringen, die Riesenverluste machen, am meisten gefördert werden müßten. So kann es doch nicht sein. Das entspricht doch nicht Ihrem Wirtschaftsverständnis, Herr Abgeordneter. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Schmidt: Wozu wollen Sie dann Feuilletons? – Weitere Zwischenrufe beim Liberalen Forum.)

Sie haben gesagt, die Presseförderung müsse indirekt proportional der Leistungsfähigkeit sein. Mit diesem Satz kann ich nichts anfangen! Tut mir leid!

Wir wollen eine Presseförderung – ich sage das ganz klar –, die in Richtung Medienvielfalt und Qualität geht. Und im Radiobereich wollen wir eine solche, die projektbezogen ist. Das sind Bereiche, in denen es um besondere Anliegen – Kunstvermittlung, Minderheitenschutz und ähnliches mehr – geht. Das ist meine politische Zielrichtung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Cap, bitte.

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Vielleicht können Sie mir behilflich sein. Ich habe überhaupt ein Problem mit dieser Fragestellung, die Herr Abgeordneter Kier als


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Hauptfrage eingebracht hat, denn mir ist völlig schleierhaft, aus welchem Mittelvolumen der Presseförderung etwas freigemacht werden sollte – wenn man überhaupt dazu bereit ist, etwas freizumachen.

Herr Bundeskanzler, Sie haben eine grundsätzliche Reform der Presseförderung angesprochen, und meine Frage lautet daher: Gibt es innerhalb der Zeitungsherausgeber eine Verständigung auf gemeinsame Vorschläge, auf ein Modell, auf irgendwelche Reformüberlegungen, aufgrund derer man davon ausgehen kann, daß die Zeitungsherausgeber gemeinsam darüber nachgedacht und in diesem Bereich Vorschläge eingebracht haben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Abgeordneter! Es gibt nichts dergleichen, und ich glaube auch, es wäre ein falscher Weg, darauf zu warten, denn sonst kommt nie eine Reform der Presseförderung zustande, weil da natürlich die einzelnen Interessen sehr egoistisch und sehr unterschiedlich gesehen werden.

Ich habe den Auftrag gegeben, eine Reform der Presseförderung, und zwar in Form eines Weißbuches, politisch zu erarbeiten und es dann auf breiter Basis zu diskutieren – mit dem Ziel, Medienvielfalt und hohe Qualität zu erreichen. Das, glaube ich, sollte wirklich der neue Gedanke der Presseförderung sein. Nicht solche Fälle sollten unterstützt werden, wie wir sie heute kennen, daß zum Beispiel Medienkonzentrationen von 92 Prozent und mehr in einem einzelnen Bundesland bestehen, und dann wird auch noch Presseförderung unter dem Titel "Medienvielfalt" gewährt.

Es geht also darum, mit dem Geld der Steuerzahler verantwortungsbewußt umzugehen und solche Arabesken, solche wirklich nicht brauchbaren Verformungen, die da entstanden sind, zu beseitigen, um, wie gesagt, das Geld der Steuerzahler verantwortungsbewußt für Qualität und Medienvielfalt einzusetzen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Ing. Meischberger. – Bitte.

Abgeordneter Ing. Walter Meischberger (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Sie haben jetzt schon sehr viel über Ihren Unmut über das derzeitige Presseförderungssystem gesagt. Nicht zur Sprache gekommen ist allerdings der Bereich der besonderen Presseförderung, der besonders viel Unmut in der Bevölkerung hervorruft, und zwar vor allem deshalb, weil bereits über Jahre zig Millionen Schilling jährlich – mehr oder minder freihändig – vom Bundeskanzleramt meist an Parteizeitungen vergeben werden, und zwar wiederum unter dem Deckmantel "Medienvielfalt". (Abg. Marizzi: Die Frage!) Ich glaube, daß ganz besonders dieser Bereich zu ändern wäre. Sie haben öffentlich ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um die Frage, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Ing. Walter Meischberger (fortsetzend): Sie haben öffentlich bereits mehrfach bekundet, dieses System der Presseförderungssystem ändern zu wollen.

Meine Frage lautet: Wann kann die österreichische Bevölkerung konkret damit rechnen, daß dieses System wirklich geändert und von der antiquierten Fassung weg in eine neuzeitliche Form gebracht wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Zunächst, Herr Abgeordneter: Sie wissen selbstverständlich (Abg. Leikam: Das ist ein Irrtum! Er weiß gar nichts!), daß es noch keinen Fall gegeben hat, in dem sich die Bundesregierung in der zu beschließenden Presseförderung besonderer Art nicht an die Empfehlungen des Beirates, den es dazu gibt, gehalten hat. Das heißt also, hier ist keine Willkür – und schon gar nicht durch das Bundeskanzleramt – möglich, weil das in der


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Bundesregierung zu beschließen ist und wir, wie gesagt, den Empfehlungen des Beirates immer folgen.

Zu Ihrer Frage: Es wird noch im Jahre 1998 die Vorlage dieses Weißbuches betreffend Presseförderung geben.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke, Herr Bundeskanzler.

Herr Abgeordneter Kukacka stellt die nächste Zusatzfrage. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Das Regionalradiogesetz ist der richtige Weg in bezug auf Medienliberalisierung. Als nächster Schritt ist dann an ein Privatfernsehgesetz gedacht. Sie selbst, Herr Bundeskanzler, haben dem "Falter" gegenüber gesagt, Sie hielten es für dringend geboten, den Weg der Medienliberalisierung auch im terrestrischen Fernsehbereich fortzusetzen. Es gibt durchaus die Chance, ein drittes und viertes terrestrisches Fernsehen anzubieten.

Ich entnehme jedoch der "Presse" vom 10. Februar 1998, daß das auf technischer Ebene etwas anders aussieht. Franz Prull, der Leiter des im Verkehrsministerium angesiedelten Frequenzbüros, sagt – ich zitiere –: "Stand der Dinge ist, daß es neben dem ORF Platz für einen nationalen Privat-Kanal gibt."

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um die Frage, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (fortsetzend): Herr Bundeskanzler! Wie sehen Sie dieses Problem im Lichte dieser Aussage? Kann es in Österreich ein, zwei oder mehrere solcher Privatfernsehkanäle geben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.


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Bundeskanzler Mag. Viktor Klima:
Ich glaube, daß die Österreicherinnen und Österreicher zu Recht von uns erwarten, daß wir nach den erfolgreichen Schritten der Liberalisierung durch Zulassen von mehr Wettbewerb – was Anlaß zur Hoffnung gibt, daß damit die Qualität und die Auswahl für die Konsumenten, für die Österreicherinnen und für die Österreicher, besser wird – diesen Weg fortsetzen. Wir haben das im Bereich des Radios, der Kabelfernsehprogramme und der Satellitenfernsehprogramme gemacht, und als letzter Teil ist nun das terrestrische Fernsehen übriggeblieben.

Ich bekenne mich ausdrücklich dazu, daß wir auch da zusätzliche Auswahlmöglichkeiten anbieten und daher möglichst viele terrestrische Kanäle in Österreich zulassen wollen. Es gibt eine Diskussion um die Frage, eine flächendeckende Versorgung anzustreben oder die Möglichkeit zu nutzen, größere Ballungsräume und Städte sozusagen miteinander zu verketten, wodurch auch ein hohes Ausmaß an Flächendeckung erreicht werden könnte.

Es ist laut Aussage von Technikern durchaus möglich, diesbezüglich ein flächendeckendes Kanalsystem plus verkettete Ballungsräume anzubieten, sodaß wir den Österreicherinnen und Österreichern zusätzliche Auswahlmöglichkeiten an Fernsehprogrammen anbieten können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Letzte Zusatzfrage dazu: Frau Abgeordnete Stoisits. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobro jutro, poštovane gospodin cancèlar! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Ich komme zur Presseförderung zurück, die sich ja auch auf elektronische Medien bezieht; sie heißt halt nur noch "Presseförderung". Am 1. April starten die Volksgruppenradios: In Kärnten hat Agora Koratan eine Lizenz bekommen, im Burgenland Mora, mehrsprachiges offenes Radio.

Herr Bundeskanzler, diese Sender brauchen Geld vom Staate, um, so wie Sie vorhin erwähnt haben, auch finanziell in der Lage zu sein, zu senden. Und dafür ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Heute werden nur Zusatzreden gehalten, statt Zusatzfragen gestellt. Bitte einmal eine Zusatzfrage! (Beifall bei der SPÖ.)

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Herr Bundeskanzler! Am 17. Feber 1998 gab es im Bundeskanzleramt eine Besprechung bezüglich Förderung mehrsprachiger Radios. Ich würde gerne wissen, was konkret das Ergebnis dieser Besprechung war.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß ich nicht willens bin, diese 50 Privatradios – es gibt keine willkürliche Einteilung bei diesen 50 Privatradios! – nach irgendwelchen Begriffen einzuteilen. Ich höre sehr oft den Begriff "freies Radio". Was heißt denn das? Daß alle anderen unfrei sind, die als Privatradiosender nun anfangen? – Ich hoffe nicht!

Das heißt, es gibt 50 Privatradios, die nach definierten Bedingungen eine Lizenz bekommen haben, nämlich daß sie organisatorisch, technisch und finanziell in der Lage sind, Programme zu senden. – Dies als erste Bemerkung.

Zweite Bemerkung dazu: Wenn es darum geht, spezifische Projekte zu realisieren, zum Beispiel im Bereich spezifischer Kunstförderung oder auch spezifische Anliegen im Bereich des berechtigten Minderheitenschutzes in Österreich, so bekenne ich mich dazu – nicht aber zu einer Basisförderung in alle Ewigkeit, denn das können wir niemandem zumuten.

Frau Abgeordnete! Die Volksgruppenpolitik ist meiner Ansicht nach einer der wichtigsten Politikbereiche. Wir können in unserem Lande nur dann den gesellschaftlichen Frieden aufrechterhalten, wenn es ein respektiertes, verantwortungsbewußtes Miteinander von Mehrheit und Minderheiten gibt, und daher ist mir die Volksgruppenpolitik wichtig, und daher stehe ich auch dazu, daß die Volksgruppen über 50 Millionen Schilling an Unterstützung durch den österreichischen Steuerzahler bekommen.

Was den Radiobereich anlangt, bin ich allerdings nur bereit, Projekte zu fördern, aber nicht riesige Verluste, die unkontrolliert bei irgendwelchen Privatradios entstehen. Frau Kollegin, verstehen Sie das bitte! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erkläre die Fragestunde für beendet, denn wenn wir die nächste Frage aufrufen, würden wir viel mehr überziehen, als wir jetzt mit 2 Minuten darunter sozusagen unterziehen. – Ich danke dem Herrn Bundeskanzler. (Bundeskanzler Mag. Klima: Jetzt käme aber ein wichtiger Bereich dran!) Was ist los, bitte?

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Ich bedauere sehr, sehr geehrter Herr Präsident, daß wir zum wichtigsten Thema für die Österreicherinnen und Österreicher, nämlich zum Thema Arbeit für die Menschen in unserem Land, jetzt nicht mehr kommen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, ich wollte auf Sie Rücksicht nehmen. Für mich ist das kein Problem.

Bitte, Frau Abgeordnete Reitsamer, nächste Frage. (Beifall bei der SPÖ.)

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Meine Frage an Sie lautet:

195/M

Was hat die Bundesregierung seit dem Beschäftigungsgipfel der EU in Luxemburg am 18. November 1997, wo sich die Mitgliedstaaten verpflichtet haben, einen nationalen Aktionsplan zur Beschäftigungspolitik vorzulegen, unternommen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Danke schön, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß das wirklich die zentrale Frage ist, die die Österreicherinnen und Österreicher zu Recht beschäftigt. Wie gehen wir damit um, daß es in der Europäischen Union inakzeptable 18 Millionen Arbeitslose gibt? Das kann weder von der österreichischen Bundesregierung noch von anderen verantwortungsbewußten Politikern in Europa akzeptiert werden! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Es war ein österreichischer Erfolg, daß es nun einen eigenen Beschäftigungsteil im Vertrag gibt und daß es zu diesem Beschäftigungsgipfel gekommen ist. Die österreichische Bundesregierung hat diese nationalen Aktionspläne zum zentralen Thema des Jahres 1998 erklärt – mit dem Ziel: mehr Jugendbeschäftigung, bessere Ausbildung für die Menschen, bessere Chancen für die Frauen in unserer Gesellschaft und für die Behinderten! (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? (Abg. Reitsamer: Von mir nicht!)

Nächste Zusatzfrage zu diesem Thema: Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Der nationale Aktionsplan zur Beschäftigungspolitik, den Sie jetzt so hochgejubelt haben, ist am 20. Februar 1998 in Begutachtung gegangen, der freiheitlichen Parlamentsfraktion jedoch vorenthalten worden.

Meine Frage an Sie: Wann werden Sie den akkordierten Plan der Bundesregierung, hinsichtlich dessen es noch große Auffassungsunterschiede zwischen den Sozialpartnern, aber auch innerhalb der Bundesregierung gibt, dem Parlament beziehungsweise der freiheitlichen Parlamentsfraktion vorlegen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich glaube, daß es gut ist, daß wir über den bis Ende März dieses Jahres fälligen nationalen Aktionsplan eine Diskussion mit den Sozialpartnern haben, weil es sich in Österreich zu Recht immer bewährt hat, mit den Interessenvertretungen und der Bundesregierung eine derartige Diskussion zu führen. Wir wollen gemeinsam wirksame Maßnahmen für eine bessere Ausbildung der Jugend, und wir wollen mehr Arbeitsplätze schaffen. Unmittelbar nach Beschluß in der Bundesregierung, im Ministerrat wird Ihnen das natürlich auch zugehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Bundeskanzler, wir begrüßen Ihr großes Engagement für die Beschäftigungspolitik, das nun deutlich geworden ist.

Im Land Vorarlberg werden am Montag die ersten Startjobs für Jungakademiker angetreten werden können. Sie wissen, daß wir bereits seit längerer Zeit darüber diskutieren, auch im Bundesdienst solche Startjobs für Jungakademiker und für Absolventen von höheren Schulen zu schaffen.

Meine Frage daher: Können Sie sich vorstellen, Herr Bundeskanzler, diesen Vorschlag in nächster Zeit aufzugreifen und auch im Bundesdienst zu verwirklichen versuchen, um damit jungen Leuten eine zusätzliche Möglichkeit zu bieten, einen Arbeitsplatz zu finden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, sicherzustellen, daß Jugendliche nicht länger als ein halbes Jahr ohne Ausbildung und ohne Job sind. Das ist ein klares Ziel dieser Bundesregierung. Ich habe mich – gemeinsam mit den Kolleginnen Gehrer und Hostasch – dieses Themas angenommen, und bereits vor einem halben Jahr haben wir entsprechende Schritte vereinbart. Zurzeit schaffen wir die notwendigen Bedingungen.


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Ich freue mich – ich möchte das wirklich betonen –, daß Vorarlberg und auch andere Bundesländer diesbezüglich Initiativen setzen. Klar ist: Diese Anstrengung um Arbeitsplätze für die Menschen in unserem Lande kann nicht nur eine der Bundesregierung sein, sondern muß eine gemeinsame Anstrengung der Regierung, der Interessenvertretungen, der Länder und der Gemeinden sein. Und wir werden erfolgreich sein. Wir werden im Jahre 1998 weniger Arbeitslose haben, als das im Jahre 1997 der Fall war. Das ist das Ziel dieser Bundesregierung! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Bundeskanzler! Im Zusammenhang mit dem geheimen Aktionsplan der Bundesregierung (Heiterkeit bei den Grünen) bezüglich Beschäftigungspolitik werden immer bestimmte Zahlen genannt, nämlich eine Arbeitslosenquote von 3,5 Prozent nach EU-Standard beziehungsweise die Schaffung von 100 000 neuen Arbeitsplätzen. – Diese Zahlen sind verwirrend und wenig aussagekräftig.

Herr Bundeskanzler! Können Sie uns sagen, welche Registerarbeitslosenquote, welche Arbeitslosenzahl wir im Jahre 2002 zu erwarten haben? Und: Ein wie großer Anteil an der Reduzierung dieser Zahl wird voraussichtlich auf den Beschäftigungsplan zurückzuführen sein? (Abg. Dr. Stummvoll: Prophetische Gaben werden da verlangt! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wir wollen solche Zahlen als Zielgrößen sorgfältig erarbeiten – und nicht, um es einmal so zu formulieren, lediglich aus dem Ärmel schütteln oder als individuelle, berechtigte Wünsche von Interessenvertretungen oder anderen Politikern präsentieren.

Ich bekenne mich dazu, daß es auch in Österreich klar definierte, nachvollziehbare, quantifizierte Ziele geben wird und Zahlen, die darüber Aufschluß geben werden, was wir mit unserem nationalen Aktionsplan tatsächlich erreichen wollen. Aber verstehen Sie bitte, daß dies alles erst solide erarbeitet werden muß.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Dr. Kier, bitte.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Bundeskanzler! Bei der Beantwortung der Zusatzfrage des Herrn Kollegen Feurstein haben Sie die Bundesregierung, die Länder und die Interessenvertretungen aufgezählt. An dieser Stelle darf ich ergänzen: und die Wirtschaft. Damit meine ich aber nicht die Interessenvertretungen der Wirtschaft, sondern die realen Unternehmen. Und da bemerken wir in Österreich, daß wir eine Selbständigenquote von nur 6,6 Prozent haben, das bedeutet also nur etwas mehr als die Hälfte des EU-Durchschnittes.

Wird das Beschäftigungsprogramm daher auch Elemente enthalten, die die neue Selbständigkeit fördern und erleichtern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Wir wissen, sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Kier, daß wir in unserem Bestreben, mehr Beschäftigungs- und Arbeitsmöglichkeiten in Österreich zu schaffen, auch neue Wege gehen müssen. Wir wissen, daß insbesondere von den Klein- und Mittelbetrieben und durch neue Selbständige zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden können. Daher wird dieses Programm auch Möglichkeiten, Vereinfachungen und Unterstützungen enthalten, damit in Österreich mehr Betriebe gegründet werden und auch mehr Selbständige tätig sein können. Dadurch werden sehr viel mehr zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Damit haben wir auch den 6. Frageblock erledigt.

Ich schließe nun die Fragestunde.


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Ich unterbreche die Sitzung für kurze Zeit und bitte die Klubvorsitzenden, zu mir zu kommen.

(Die Sitzung wird um 10.05 Uhr unterbrochen und um 10.07 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Anfragebeantwortung: 3439/AB.

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Berufsausbildungsgesetz geändert wird (1049 der Beilagen),

Antrag 693/A (E) der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend Heilmittel und Heilbehelfe – Versäumnisse im Bereich des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales;

Finanzausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz geändert wird (1078 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Änderung des Nationalbankgesetzes 1984, des Scheidemünzengesetzes, des Schillinggesetzes, des Devisengesetzes und des Kapitalmarktgesetzes, die Aufhebung des Übergangsrechtes anläßlich einer Novelle zum Nationalbankgesetz 1955, des Bundesgesetzes vom 12. Jänner 1923 betreffend Überleitung der Geschäfte der Österreichisch-Ungarischen Bank, österreichische Geschäftsführung, auf die Oesterreichische Nationalbank, des Bundesgesetzes vom 18. März 1959 betreffend Beitragsleistungen der Republik Österreich bei internationalen Finanzinstitutionen, BGBl.Nr. 74/1959, und des Bundesgesetzes betreffend Beitragsleistungen der Republik Österreich bei internationalen Finanzinstitutionen, BGBl.Nr. 171/1991 (1080 der Beilagen);

Gesundheitsausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Behörden-Überleitungsgesetz, das AIDS-Gesetz 1993, das Bundesgesetz über natürliche Heilvorkommen und Kurorte, das Rezeptpflichtgesetz und das Arzneimittelgesetz geändert werden (1077 der Beilagen),

Antrag 690/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Schutzimpfungen,

Antrag 691/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Neugestaltung des Gesundheitsberichtes,


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Antrag 692/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend neue gesetzliche Regelungen für Heilmasseure, Heilbademeister, Sanitätshilfsdienste (Rettungssanitäter), Ordinationsgehilf/innen und zahnärztliche Assistent/innen;

Gleichbehandlungsausschuß:

Antrag 687/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Neubewertung der Arbeit,

Antrag 688/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird;

Unterrichtsausschuß:

Antrag 689/A (E) der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend die Integration von Schulversuchen in das Regelschulwesen;

Verfassungsausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Zustellgesetz und das Verwaltungsstrafgesetz 1991 geändert werden (1044 der Beilagen);

Verkehrsausschuß:

Flughafen-Bodenabfertigungsgesetz – FBG (1079 der Beilagen),

Antrag 694/A der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz, BGBl.Nr. 120/97, geändert wird;

Ausschuß für Wissenschaft und Forschung:

Antrag 695/A der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser, Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz geändert wird.

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 3719/J der Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen an den Bundeskanzler betreffend das Problem der Kinderschändung dringlich zu behandeln. Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt werden.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich mit, daß Herr Abgeordneter Mag. Helmut Peter beantragt hat, dem Wirtschaftsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 513/A (E) der Abgeordneten Helmut Peter und Genossen betreffend Gesetzesfolgenabschätzungsgesetz eine Frist bis zum 24. März 1998 zu setzen.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen.

Da für die heutige Sitzung die Behandlung einer Dringlichen Anfrage verlangt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluß daran stattfinden. Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird sodann nach Schluß dieser Debatte erfolgen.


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110. Sitzung / Seite 30

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 3389/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich mit, daß ein gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestelltes Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 3389/AB der Anfrage des Abgeordneten Ing. Reichhold durchzuführen.

Aufgrund der insgesamt eingebrachten Anträge und der Dringlichen Anfrage ist nach § 57b die weitere Behandlung eines solchen Verhandlungsgegenstandes nicht möglich.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockredezeit von 7 "Wiener Stunden" vereinbart, sodaß sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 105 Minuten, ÖVP 98 Minuten, Freiheitliche 91 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 63 Minuten.

Darüber hat das Hohe Haus zu befinden. Ich frage, ob es gegen diese Blockredezeit Einwendungen gibt. – Das ist nicht der Fall; dann ist das so beschlossen.

Ich begrüße die Damen und Herren von der Volksanwaltschaft sehr herzlich.

1. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses betreffend den Zwanzigsten Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 1996) (III-88/1068 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Wird eine mündliche Berichterstattung gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen daher in die Debatte ein.

Erster Redner hiezu ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. Seine Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

10.10

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen Volksanwältinnen! Sehr geehrter Herr Volksanwalt! Die Bilanz der Volksanwaltschaft ist imposant: Im Jahre 1996 wurde die Volksanwaltschaft in mehr als 10 000 Fällen in Anspruch genommen, was – das muß auch einmal gesagt werden – einen großen Verwaltungsaufwand darstellt. Dieser wird offenbar kompetent und effizient bewältigt. Grundsätzlich hat sich nach mehr als zwei Jahrzehnten, während derer die Volksanwaltschaft in Österreich tätig ist, viel Erfahrung, viel Fach- und Sachwissen angesammelt, das einer großen Zahl von Bürgern zugute kommt.

Hohes Haus! Leicht ist sie nicht, die Arbeit, die die Damen und Herren Volksanwälte mit ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen leisten, denn weitgehend werden ja Sorgen, Nöte und Probleme an die Volksanwaltschaft herangetragen, wo der vorgesehene Behördenweg verbaut ist, wo etwas versäumt wurde oder wo negativ beschieden wurde. Man braucht schon sehr viel Geduld, Einfühlungsvermögen und Verständnis für die einzelnen Fälle, denn es steht ja hinter jedem Fall ein persönliches Schicksal.


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Anläßlich des Zwanzigsten Berichtes der Volksanwaltschaft möchte ich Dank und Anerkennung für die Arbeit der Volksanwaltschaft aussprechen, die mit Einsatz, Fleiß und Kompetenz geleistet wird. Ich weiß, daß dieser Dank von den Volksanwälten auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern überbracht wird, die sich ja weit über die Erfordernisse der Routine hinaus bemühen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Naturgemäß muß die Rolle eines Organs des Nationalrates, wie eben die Volksanwaltschaft eines ist, im Laufe der Zeit überdacht werden: Es können Anpassungen und Veränderungen erforderlich werden. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ändern sich teilweise ja auch in einem sehr hohen Maße. In erster Linie ist es Aufgabe des Nationalrates, über diese nachzudenken; ebenso sind auch Vorschläge, Anregungen oder Diskussionsbeiträge über die Verfassung der Volksanwaltschaft im engeren Sinn willkommen.

Nun einige Anmerkungen zu einem Diskussionsbeitrag der Volksanwaltschaft, zur angeregten Prüfkompetenz für sogenannte ausgegliederte Rechtsträger. Nehmen wir als Beispiel die Post – egal, ob man sie privatisiert, echt oder unecht ausgegliedert nennt, das spielt hier keine Rolle. Wenn die Post eine Managemententscheidung trifft und ein Bürger sich dadurch belastet fühlt, könnte er sich an die Volksanwaltschaft wenden. Was macht dann die Volksanwaltschaft? – Kommt sie auf das Unternehmen zu, so bewegt sie sich im Aktienrecht und letztlich vor Gericht. Das kann man sich nicht wünschen. Kommt die Volksanwaltschaft auf die Politiker zu, auf einen Minister, so ist dieser nicht zuständig für eine Managemententscheidung. Man kann einem Politiker, einem Minister keine Verpflichtung aufbürden, ohne daß er Rechte hat.

Meine Damen und Herren! Würde es eine Prüfkompetenz für ausgegliederte Rechtsträger geben, so bedeutete das im Ergebnis eine massive Schwächung der Volksanwaltschaft, da sich diese à la longue selbst in einem luftleeren Raum wiederfinden würde. Das ist nicht zielführend, das ist nicht wünschenswert!

In einem anderen Punkt gibt es sicherlich Übereinstimmung mit der Volksanwaltschaft: Ich meine den Antrag der Grünen, 625/A, wonach Gesetzesanträge im Nationalrat nicht nur durch die Mitglieder des Nationalrates, des Bundesrates oder auch der Bundesregierung, sondern auch durch die Volksanwaltschaft erfolgen können sollen. – Ich ersuche anläßlich der heutigen Debatte die Volksanwaltschaft um Klarstellung, daß es sich hiebei um einen Bärendienst der Grünen gegenüber der Volksanwaltschaft handelt, da es seitens der Volksanwaltschaft gar keine Ambitionen gibt, Gesetzesanträge zu stellen.

Bei aller sonstigen Sympathie für die Antragstellerin, Kollegin Stoisits, und trotz Übereinstimmung in vielen politischen Fragen kann ich nicht nachvollziehen, warum – und darauf läuft dieser Antrag hinaus – Rechte der Abgeordneten geschmälert werden sollen, warum elementare Möglichkeiten eines Abgeordneten, nämlich das Stellen von Gesetzesanträgen, von Organen des Nationalrates besorgt werden sollen. Einerseits kritisieren die Grünen sehr oft Gegebenheiten der Realverfassung und beklagen, daß sich Entscheidungen vom Parlament hinaus in den Bereich der Sozialpartnerschaft verlagern. Dies ist manchmal problematisch, für mich aber aufgrund einer Güterabwägung durchaus akzeptabel, wenn es um sozialen Frieden, um Stabilität oder um Konfliktregelung geht.

Zum einen beklagen die Grünen also, daß Entscheidungskompetenz vom Parlament hinaus verlagert wird, aber andererseits – so ist dieser Antrag ausgelegt – wollen sie dringend Rechte der Abgeordneten ihrer Fraktion teilen, schmälern und loswerden. Ich verstehe das nicht. Es drängt sich da natürlich der Verdacht auf, daß die Grünen die Volksanwaltschaft gewissermaßen als Oppositionsinstrument stilisieren wollen, daß dieses Organ des Nationalrates vor den eigenen grünen Karren gespannt werden soll.

Ich ersuche die Volksanwaltschaft, unter diese Spekulationen einen Schlußstrich zu ziehen und klarzustellen, daß die Volksanwaltschaft selbst keine Ambitionen hat, hier im Parlament Gesetzesanträge einzubringen.


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110. Sitzung / Seite 32

Meine Damen und Herren! Wenn Frau Volksanwältin Korosec, beeindruckt von Bürgerkontakten bei den Sprechstunden, ihre periodischen Pressekonferenzen abhält, wird darin viel Kritik geübt. Kritikpunkte sind etwa die Gesetzesflut, Regelungswut oder der fehlende Mut zu einfachen, verständlichen Formulierungen – es soll die Sprache der Bürger gesprochen werden –, und vieles mehr wird von ihr immer wieder gefordert. – Vieles, liebe Frau Volksanwalt, ist ja richtig, was Sie da kritisieren.

Ich möchte aber trotzdem – es ist das schon das dritte Mal – die Einladung aussprechen, von der Kritik zu einem aktiven Tun zu kommen, zu einer konkreten Umsetzung. Ich zitiere Frau Volksanwalt Korosec im Originalton: Seit Jahren wird von einer Neukodifikation des ASVG gesprochen, es passiert aber nichts. – Frau Volksanwalt Korosec! Gehen Sie bitte mit gutem Beispiel voran, helfen Sie! Machen Sie einen Text aus dem ASVG, der insgesamt – oder zumindest in bestimmten Teilen – bürgerfreundlich ist. – Sie lächeln ebenso charmant wie ungläubig, wenn ich diesen Vorschlag anspreche, ich glaube aber, daß das eine gute Sache wäre. Es spricht nichts dagegen. Stellen Sie ein Mitarbeiterteam zusammen und starten Sie diesen Versuch! Kommen Sie von der Kritik zum konkreten Handeln! Sie wollen ja sicherlich nicht auf den Spuren der Abgeordneten Frieser wandeln, die sich zwar einerseits über die Gesetzesflut beschwert, andererseits aber selbst seit vielen Jahren alle Gesetze mitbeschließt.

Fassen Sie also Mut, Frau Volksanwalt Korosec, denn es ist das sicherlich ein interessantes und wichtiges Projekt.

Meine Damen und Herren! Zu den einzelnen Schwerpunkten in diesem Bericht werden noch Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion das Wort ergreifen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

10.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

10.18

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren von der Volksanwaltschaft! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren, die Sie uns von der Galerie aus Ihre Aufmerksamkeit und Zuwendung schenken! Hohes Haus! "Tu Gutes und rede darüber!", so lautet ein Zitat. Und Sie haben wahrlich Gutes getan, meine Damen und Herren von der Volksanwaltschaft.

Mein Vorredner hat schon sehr richtig angeführt, daß es im letzten Jahr mehr als 10 000 Personen waren, die zu Ihnen gefunden haben, die Sie betreut und mit denen Sie Kontakte gepflogen haben. Ich schätze Ihre Arbeit, Sie sind ein hervorragender Moderator. Einen solchen brauchen wir dringend in einer Zeit, in der wir viele – manche glauben: zu viele – Gesetze haben. In einer Zeit, in der man von allen Seiten einem Verwaltungsdruck ausgesetzt sind, in der es eine Überzahl an Verordnungen und Richtlinien gibt, fragen sehr viele Bürger, wohin der Weg geht. Sie von der Volksanwaltschaft helfen mit, daß es vertrauensbildende Arbeit gibt, daß diese umgesetzt wird und der Kontakt zum Bürger doch etwas enger ist und besser abgesichert wird.

Ich halte es für hervorragend, daß Sie Ihre Tätigkeit nicht nur hier in der Bundeshauptstadt ausüben, sondern daß Sie auch in die Landeshauptstädte, in die Bezirkshauptstädte hinausgehen. Ich selbst habe mit Frau Volksanwalt Ingrid Korosec bei solchen Sprechtagen vieles erlebt, und ich konnte erfahren, wie viele Menschen hinkommen und glücklich und dankbar sind, jemanden zu finden, dem sie ihre Sorgen und Anliegen mitteilen können. Herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP.) Von den 10 000 Kontakten beziehungsweise Beschwerden waren 1 513 Gemeinde- beziehungsweise Landesanliegen.

Ich möchte Ihnen von der Volksanwaltschaft den Dank aller Bürgerinnen und Bürger, vor allem auch den Dank meines Klubs, der Österreichischen Volkspartei, zum Ausdruck bringen und Ihnen versichern: Wir stehen bei Ihnen, zu Ihnen, und wir hegen große Sympathie für Ihre Arbeit. (Beifall bei der ÖVP.)


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110. Sitzung / Seite 33

Der Bericht, der heute zur Diskussion steht, betrifft das Jahr 1996. Und wenn ich eine leise Kritik anbringen darf, Herr Präsident, dann ist es jene, daß die Volksanwaltschaft bereits am 28. April 1997 in der kollegialen Sitzung den Bericht beschlossen hat, wir hier aber erst fast ein Jahr später die Beratungen führen können. Aber diese Anmerkung sei erlaubt.

Sie haben uns in diesem Bericht natürlich auch eine Reihe von Sehnsüchten mitgeteilt, nämlich daß Sie die Prüfungskompetenz ausweiten wollen. Ja, ich verstehe das. Aber haben Sie auch Verständnis dafür, daß das alles eine gute rechtliche Aufbereitung erfordert. Ich weiß, daß Sie Konflikte mit den ausgegliederten Organisationen wie Bundesbahnen, Bundesforste, Post und dergleichen haben. Die Bürger leben noch immer in dem Bewußtsein, das alles ist Republik, das alles ist Staat, und Sie sollten eingreifen, können dies aber nicht, weil Sie dort keinen Zugang haben.

Sie haben Sehnsucht danach, in den Ausschüssen des Nationalrates beigezogen zu werden. Beraten läßt sich auch das Parlament gerne, und wenn wir Ihre Sehnsüchte auf Beratungstätigkeit hinwenden können, dann, glaube ich, werden wir von Fall zu Fall gerne davon Gebrauch machen.

Wenn Sie die Sehnsucht äußern, im ORF mehr präsent zu sein, dann kann ich Sie nur unterstützen und sagen: Jawohl, der ORF hätte dringend – dringend! – Bedarf an seriöser, problemorientierter Berichterstattung. "Schiejoknismus" und Barbara-Stöckl-Kultur brauchen wir nicht, denn Populismus gibt es nach meinem Dafürhalten viel zu viel. (Beifall bei der ÖVP.)

Nun zu einigen Teilen des Berichtes: Breiten Raum nimmt im Bericht das Kapitel Arbeit und Soziales ein. – Frau Volksanwalt Mag. Messner, Sie schreiben, daß Sie in irgendeiner Weise zu einer Informations- und Beratungspflicht der Sozialversicherungsträger kommen wollen, und wünschen sich, daß das umgesetzt wird. Wir haben den gesetzlichen Auftrag, wir müssen beraten, wir machen Information. Und dennoch: Sozialpolitik – das habe ich hier auch gestern bei einer anderen Rede gesagt – reicht zutiefst in das Leben der Menschen hinein. Deshalb gibt es dort natürlich tausend Fragen. Deshalb haben Sie auch Tausende Anfragen und auch so viele Antworten. Sie haben das im großen und ganzen gut gemanagt.

Ich möchte mich hier auch bei Ihnen dafür bedanken, Frau Hofrat, daß Sie die einzige sind, die sehr korrekt aufgezeigt hat, daß das fiktive Ausgedinge bei den Bauern und die Anrechnungsbestimmung ein soziales Unrecht sind. Das kann man so nicht weiterpflegen, denn Leuten, die eine Pension von 5 000 oder 6 000 S erhalten, ist das einfach nicht mehr zumutbar! Und deshalb danke ich Ihnen, daß Sie uns bei der Forderung unterstützen, hier einmal einen sozialen Ausgleich, eine korrekte Anrechnungsbestimmung zu erreichen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Stippel. )

Frau Volksanwältin Korosec hat sich zum Beispiel mit einem Problem beschäftigt, das die Beschaffung von Hausgärten betrifft. Sie werden sagen, was soll das? – Ja, als langjähriger Bürgermeister weiß ich, daß gerade dort sehr viel Konflikt angesiedelt ist. Sie haben sich eines Problems angenommen, Frau Volksanwalt, bei dem Sie, wie ich lese, auch zur Entschärfung, oder wenn Sie wollen, zur Versachlichung beitragen können. Das ist ganz, ganz wichtig.

Aber noch viel wichtiger finde ich, daß Sie zum Beispiel aufgezeigt haben, daß das Bundesministerium für Finanzen einen Akt drei Jahre "beknetet", um eine Berufungsvorentscheidung zu erreichen. Man stelle sich einmal vor, was der Bürger sich denken muß. Drei Jahre bekommt er keine Antwort und muß auf sein Recht warten. Das muß aufgezeigt werden! Sie haben es getan. Kompliment! Ausgezeichnet!

Ich möchte nun auch noch zum Beispiel auf Herrn Volksanwalt Schender Bezug nehmen, der etwa auf Seite 175 über die übermäßig lange Bearbeitungsdauer schreibt – es geht hier um das Bundesministerium für Inneres –: beinahe ein Jahr! Und das Problem: Das Ministerium läßt die Begründung vermissen. – Wenn es ein Jahr lang dauert, dann muß es eine Begründung geben! Aber ein Jahr lang brauchen und dann nichts sagen – das fällt mir unangenehm auf. Das ist auch in Ihrem Bericht aufgezeigt, und daran haben ja auch wir schon mehrmals Kritik geübt.


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Ich nehme auch Bezug auf Ihre Feststellung zum Bundesministerium für Justiz, und zwar deshalb, weil ich selbiges auch in meiner Aufgabe als Sozialpolitiker sehr oft antreffe. Es steht hier: Verfahrensdauer: Ein großer Teil jener Beschwerden betraf wieder die lange Bearbeitungsdauer bei den Gerichten. – Hier geht es etwa um verzögerte Erstellung von Sachverständigengutachten. Wir haben das auch im Sozialrecht immer wieder. Die Bürger sind verärgert, sind vergrämt. Es geht um ihr Recht! Da müssen wir weiterkommen.

Sie schreiben, daß es unvorstellbar und unverständlich ist, daß man als Begründung einfach anführt, Überlastung, Überforderung und lange Krankenstände einzelner Richter, Richterwechsel, in Verstoß geratene Akte, Kompetenzkonflikte und vieles mehr seien Ursache für lange Bearbeitung. – Ich glaube, diese Botschaft soll auch von hier aus durch Ihre Darstellung sehr deutlich an das Justizministerium ergehen, und ich meine, daß diese Ihre Arbeit dazu beiträgt, daß wir solche oder ähnliche Vorkommnisse engagiert aufzeigen.

Sie verlangen eine Fristsetzungsmöglichkeit. Ich meine, daß diese Frage sehr wohl beraten werden soll und sehr gut vorbereitet werden soll. Ich glaube nicht, daß wir gut beraten sind, wenn wir den ersten Vorschlag, der sich auf drei oder vier Wochen bezieht, gleich annehmen. Ich sage aber auch, daß es keinen Sinn macht, über eine rasche Bearbeitung zu reden und dabei auf Fristen überhaupt nicht Bezug zu nehmen. Vielleicht gelingt es uns im nächsten Jahr, in einem kollegialen Gespräch eine konsensuale Lösung zu finden, damit wir auch hier einen Schritt weiterkommen.

Zum Schluß kommend darf ich Ihnen nochmals für Ihren Einsatz und für Ihre Arbeit im Interesse unseres Landes und der Bürger unseres Landes danken und darf Ihnen sagen, daß wir diese Ihre Berichte, die sehr umfangreich sind und die in das Leben breit hineinleuchten, mit großem Interesse lesen und daß auch dieser Bericht hervorragend aufgearbeitet ist. Und so darf ich den Dank nicht nur an Sie aussprechen, sondern auch an alle Ihre Mitarbeiter, die in der Volksanwaltschaft erfolgreich tätig sind. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.27

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Meine Damen Volksanwältinnen! Herr Volksanwalt! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor uns liegt der Jubiläumsbericht der Volksanwaltschaft, nämlich der Zwanzigste Bericht. Vor einem Jahr feierten wir hier mit Ihnen gemeinsam das Jubiläum "20 Jahre Volksanwaltschaft", 1977 gegründet und – ich glaube, darüber besteht im Hohen Haus Konsens – aus dem Wirkungsbereich, aus dem Kontrollbereich der Republik Österreich nicht mehr wegzudenken.

Ich glaube, es steht auch einem Oppositionspolitiker gut an, ein Bekenntnis in der Form zugunsten der Volksanwaltschaft abzulegen, daß es ihr gelungen ist, sich von den politischen Parteien, von den Machtträgern dieses Landes, von den Sozialpartnern, von den Wirtschaftsverbänden, ja, ich möchte sagen, vom "Kammerstaat Österreich" zu emanzipieren.

Ich höre nirgends, und das zu Recht, einen Vorwurf in Richtung einer parteipolitischen Einflußnahme, in Richtung einer parteipolitischen Instrumentalisierung in Form einer Umarmung desjenigen Mitgliedes der Volksanwaltschaft von der Partei, die dieses Mitglied entsandt hat, im Sinne eines Mißbrauches dieses Mitgliedes für parteipolitische Zwecke. Und da wir ja die Begehrlichkeit in unserem Parteienstaat kennen, ist das nicht etwa auf die noble Zurückhaltung dieser Parteien und insbesondere der Koalitionsparteien zurückzuführen, sondern liegt auch in der Persönlichkeit der Mitglieder der Volksanwaltschaft, denen es gelungen ist, sich zu einer emanzipatorischen, starken Kraft der Kontrolle in Österreich zu entwickeln. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn jetzt quer durch alle Parteien das Füllhorn des Lobes – mit Recht – über die Volksanwaltschaft ausgeschüttet wird, so hat das zumindest in Ansehung der Österreichischen


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Volkspartei und der SPÖ doch auch ein bißchen den Charakter einer gefährlichen Umarmung, nämlich deshalb, weil die Umarmung aus dieser Sicht nicht angebracht ist, weil sie nicht erwidert werden kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ und von der Österreichischen Volkspartei! Wieso erklingen ständig Loblieder über die Volksanwaltschaft, ohne daß Sie in Wirklichkeit die Bereitschaft haben, die wichtigen Kompetenzen der Volksanwaltschaft im Sinne einer Effizienzsteigerung auszubauen? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Volksanwaltschaft hat 1996 eine vielbeachtete Pressekonferenz abgehalten. Im Rahmen dieser Pressekonferenz wurde ein Ausbau der Kontrollmechanismen der Volksanwaltschaft auch in unserer Bundesverfassung gefordert. Sinnvollste Vorschläge wurden eingebracht, so etwa eine Erweiterung der Kontrollzuständigkeit auf ausgegliederte Rechtsträger, ähnlich der Zuständigkeit des Rechnungshofes, die Aufnahme einer Beantwortungspflicht, einer Mitwirkungspflicht der kontrollierten Behörde und die Teilnahme der Volksanwaltschaft an den Sitzungen der Ausschüsse.

Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Wieso haben Sie diese berechtigten Forderungen nicht umgesetzt? (Abg. Dr. Kräuter: Das ist doch erklärt worden, Herr Kollege!) Sie können sich doch nicht in Schweigen ergehen, Sie sind doch dazu verhalten, dem Zweck der Volksanwaltschaft, der damals bei der Installierung der Volksanwaltschaft politisch intendiert war, zum Durchbruch zu verhelfen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Kräuter: Ich habe es eben erklärt! Sie haben nicht zugehört!)

Sehr geehrter Herr Kollege! Diese Erklärungen können Sie sich sparen, weil sie nicht sinnvoll sind und weil sie sachlich unrichtig sind. Wie wollen Sie denn eine funktionierende Volksanwaltschaft haben, wenn Sie diese Forderungen nicht erfüllen? Diese Frage müssen Sie mir beantworten!

Wenn Sie sich der Mühe unterzogen haben, Herr Kollege Kräuter, diesen Bericht auch zu lesen, dann sehen Sie, daß beispielsweise auch Mißstände im Bereich der Postverwaltung aufgegriffen wurden. (Abg. Dr. Kräuter: Sie haben nicht zugehört!) Wie können Sie es jetzt rechtfertigen, daß die ausgegliederte Post und Telekom Austria AG durch die Ausgliederung nicht mehr der Prüfkompetenz der Volksanwaltschaft unterliegt? Eine derartige Erklärung können Sie nicht abgeben! (Abg. Dr. Kräuter: Das habe ich auch nicht gemacht!)

Daher, meine Damen und Herren – und damit schließe ich meinen Appell an Sie –: Nehmen Sie die Volksanwaltschaft ernst, nehmen Sie die Reformvorschläge ernst, damit der Volksanwaltschaft auch im Lichte der Veränderungen durch die Ausgliederung jene Wichtigkeit eingeräumt wird, die damals vom Gesetzgeber beabsichtigt war. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.32

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Volksanwältinnen! Sehr geehrter Herr Volksanwalt! Es ist immer ein angenehmer Tagesordnungspunkt, über den Bericht der Volksanwaltschaft zu diskutieren, weil er traditionell einen hohen Standard hat und außerdem für den Abgeordneten im Parlament auskunftsreich ist. Wir sehen deutlich Schwachstellen, und das ist ein wertvoller Behelf für die Arbeit. Die Volksanwaltschaft ist inzwischen eben etwas geworden, das man sich gar nicht mehr wegdenken kann.

Daher knüpfe ich gleich eingangs an die Ausführungen von Kollegen Krüger an. Es ist völlig richtig: Es ist durch nichts einzusehen, warum der Prüfbereich der Volksanwaltschaft nicht mit dem Prüfbereich des Rechnungshofes deckungsgleich sein soll. Es ist derselbe Anknüpfungspunkt – vollkommen plausibel –, und daher ist es mehr als logisch, daß die Volksanwaltschaft auch im Bereich ausgegliederter Unternehmen zum Zug kommen soll. Denn ich meine,


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wenn wir unsere öffentlichen Kontroll- und Hilfsaufgaben ernst nehmen, dann können wir nicht in einem solchen Feld mit zweierlei Maß messen.

Ich würde es daher sehr begrüßen, wenn sich eine Mehrheit im Hohen Haus diesen Gedankengängen öffnen würde, denn wir glauben, in solchen Fragen sollte man nicht taktische Überlegungen anstellen, sondern sich eigentlich nur die Frage stellen: Was ist der richtige Anknüpfungspunkt? Und was für den Rechnungshof gilt, sollte wirklich 1 : 1 auf die Volksanwaltschaft übertragbar sein.

Um das Positive, das ich schon zu Beginn meiner Wortmeldung zum Ausdruck gebracht habe, deutlich zu unterstreichen, haben wir einen Entschließungsantrag vorbereitet, der sich auf ein Kapitel in den Berichten bezieht, das wirklich jährlich wiederkehrt. Es ist dies die absolute Weigerung des Verteidigungsministers, korrekt mit der Volksanwaltschaft zusammenzuarbeiten. Er weiß, daß das sanktionslos bleibt, er ergeht sich in Ausflüchten – es ist hier wirklich von Verweigerung zu reden. Wir meinen daher, das kann nicht angehen.

Nun ist es logischerweise so, daß wir der Volksanwaltschaft keine direkten Sanktionsmöglichkeiten einräumen können, denn das wäre schwierig. Wir meinen aber, das Hohe Haus sollte die Gelegenheit der heutigen Debatte dazu benützen, im Rahmen eines Entschließungsantrages seinen unmißverständlichen politischen Willen zum Ausdruck zu bringen, und ich bringe daher die Entschließung zur Verlesung:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Kier und PartnerInnen betreffend Nichtgewährung von Akteneinsicht durch die Volksanwaltschaft beim Bundesministerium für Landesverteidigung

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, speziell der Bundesminister für Landesverteidigung, wird aufgefordert, mit der Volksanwaltschaft gemäß den Regelungen des B-VG zusammenzuarbeiten und diese Zusammenarbeit auf der Basis des Respekts gegenüber der Volksanwaltschaft als Kontrollorgan des Parlaments zu gestalten."

*****

Wir bitten Sie herzlich, dieser Entschließung zuzustimmen. Sie müßte alles in allem wirklich problemlos mehrheitsfähig sein, weil ihr rechtlicher Gehalt eigentlich ja nur darin besteht, etwas zu unterstreichen, das selbstverständlich sein sollte. Wenn es einen Bundesminister gibt, der einfach die Mindeststandards nicht einhält, dann, so meine ich, sollte man über die Fraktionsgrenzen – selbst dann, wenn der Bundesminister der eigenen Fraktion angehört – hinwegsteigen. Wir haben den Text noch dazu so formuliert, daß es eine gewisse Erleichterung insofern bedeutet, als die ganze Bundesregierung aufgefordert wird, aber wir konnten natürlich nicht vermeiden, den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung ausdrücklich beim Namen zu nennen. Das war unvermeidlich, denn er ist durch seine konsequente Verweigerung der Zusammenarbeit der Anlaßgeber dafür. Ich bitte die Damen und den Herrn Volksanwalt, das als eine Art Reverenz aufzufassen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Dieser Entschließungsantrag liegt mir vor. Er ist ordnungsgemäß unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stoisits. Freiwillige Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

10.37

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Volksanwältin Korosec! Frau Mag. Messner! Sehr geehrter Herr Schender! Ich möchte zu Beginn meiner Ausführungen sagen, daß ich mich


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wirklich freue, daß ein Bericht der Volksanwaltschaft einmal nicht spät in der Nacht und nach stundenlangem Warten darauf diskutiert wird, sondern zu einer so prominenten Zeit, um halb elf Uhr am Vormittag, wiewohl ich jetzt ganz betroffen darüber bin, daß das Interesse meiner Kolleginnen und Kollegen im Plenum auch nicht größer ist als spät in der Nacht. (Abg. Meisinger: Das Ihrer eigenen Fraktionskollegen aber auch nicht!) Das muß ich wirklich ganz selbstkritisch anmerken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin vor allem deshalb betroffen, weil es sich bei der Volksanwaltschaft ja um ein Hilfsorgan des Nationalrates handelt, die Volksanwaltschaft sozusagen in unserem Auftrag aktiv ist und es in großem Interesse der Mitglieder des Hohen Hauses sein sollte, sich damit zu beschäftigen, zumal ja alle immer ganz stark betonen, wie sehr die Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen am Puls der Bevölkerung sind und wie sehr ihnen die Sorgen des "kleinen Mannes" und der "kleinen Frau" am Herzen liegen. Wo, wenn nicht bei der Diskussion über den Bericht der Volksanwaltschaft und in diesem Bericht selbst, hätte man die beste Möglichkeit, das tatsächlich zu sehen, zu erfahren und zu hören?

Ich möchte mich, meine sehr geehrten Damen der Volksanwaltschaft und sehr geehrter Herr Schender, ganz herzlich für Ihre Arbeit im Interesse der österreichischen Bürgerinnen und Bürger und auch in unserem Interesse bedanken, denn es ist wichtig, daß wir diese Informationen bekommen. Ich möchte mich auch dafür bedanken, daß die Volksanwaltschaft als Institution in ganz vorbildlicher Weise etwas macht, was sonst noch keine Institution macht, nämlich sich um die Frauen in ihrer eigenen Institution zu kümmern. Es gibt da einen sehr, sehr hohen Frauenanteil, und zwar nicht nur bei den Schreibkräften, beim Bedienstetenstand, sondern auch bei den Akademikern, in diesem Fall Akademikerinnen. Ich möchte das aus meiner Sicht einmal sehr positiv betonen.

Ich möchte nun zu den grundsätzlichen Fragen kommen. Die Grünen haben ja hier im Nationalrat einen Antrag eingebracht, der sich mit der Reform der Geschäftsordnung des Nationalrates und mit einer Novelle des Bundes-Verfassungsgesetzes beschäftigt. Herr Kollege Kräuter hat das ja am Anfang schon erwähnt, und ich möchte hier noch einmal erläutern, warum mir das wesentlich ist: weil es sich ja mit Ihren Vorschlägen und mit Ihren Forderungen in allen Punkten deckt und damit identisch ist. Die Aufgabe der Volksanwaltschaft ist es ja, bei der Prüfung Mißstände in der Verwaltung aufzudecken, und Sie betonen ja jedes Jahr in allen Berichten – im vorvorletzten Bericht waren es 28 Seiten, die Sie uns an legistischen Anregungen nahegebracht oder auf den Weg mitgegeben haben –, daß es oft nicht einfach ein Fehlverhalten der Verwaltung ist oder war, mit dem Sie konfrontiert wurden, sondern daß die Mißstände ihrem Grunde nach in den legistischen Unzukömmlichkeiten liegen.

Da gibt es, glaube ich, den sprichwörtlichen Handlungsbedarf, da besteht die Notwendigkeit, sich damit auseinanderzusetzen. Das ist im wesentlichen der Kern des Reformvorschlages, den wir eingebracht haben, nämlich die Volksanwaltschaft in die Arbeit des Nationalrates besser einzubinden, ihre Möglichkeiten, an der Arbeit im Nationalrat teilzunehmen, zu erweitern.

Geschätzte Damen und Herren! Die Volksanwälte haben – um es salopp zu formulieren – insgesamt nur drei Auftritte im Nationalrat, und zwar erstens dann, wenn der Bericht im Plenum diskutiert wird, zweitens dann, wenn der Bericht der Volksanwaltschaft im zuständigen Verfassungsausschuß diskutiert wird, und drittens dann, wenn es um das Budget geht. Das ist schon alles.

Das ist mir persönlich entschieden zuwenig. Ich glaube, daß für die Volksanwaltschaft die Möglichkeit, den Nationalrat auf gravierende legislative Mißstände intensiv hinzuweisen, auch in allen parlamentarischen Ausschüssen gegeben sein sollte. Das wird aber nur dann möglich sein, wenn die Volksanwälte das Recht haben, an den Sitzungen der Ausschüsse teilzunehmen – über die heutige und die Budgetsitzung hinaus. Das ist ein Punkt von möglichen und auch notwendigen Reformen für die Zukunft. Ich möchte noch einmal sagen, daß sich das mit den Vorstellungen der Volksanwaltschaft im wesentlichen deckt.


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Die Volksanwaltschaft hat an die Mitglieder des Verfassungsausschusses einen Brief mit ihren Anregungen gerichtet, und ich nehme an, auch an die Herren Parlamentspräsidenten und an die Klubobleute. Dieser Vorschlag der Volksanwaltschaft umfaßt mehrere Punkte. Ein Punkt ist von meinen Vorrednern schon näher erläutert worden, nämlich die Ausweitung der Prüfkompetenz auf ausgegliederte Rechtsträger. Da stimme ich mit den Kollegen Krüger und Kier völlig überein. Dabei möchte ich es aber schon bewenden lassen.

Zweiter Punkt: Herr Volksanwalt Schender als Vorsitzender der Volksanwaltschaft hat das mit dem Wort Unterstützungspflicht zusammengefaßt, nämlich die Pflicht zur Auskunftserteilung und zur Aktenvorlage, die oft – und das werden Sie sicherlich noch erwähnen – erst mit erheblicher Verspätung und nach mehreren Urgenzen stattfindet. Da sollte es Bestrebungen dahin gehend geben, die Dauer der Prüfverfahren so zu verkürzen, daß sie auch Sinn machen. Sie sollen knapp, kurz und gestrafft sein. Aber da wird sich wohl nicht vermeiden lassen, daß es nicht immer zu Fristerstreckungen kommt, sondern daß es eine festgesetzte Frist gibt, innerhalb welcher Auskünfte zu erteilen sind. Das halte ich für sehr wesentlich.

Es hat auch schon einen derartigen Vorschlag von Dr. Kostelka und Dr. Khol anläßlich einer der letzten B-VG-Novellen gegeben. Er ist aber dann nach kurzer Zeit wieder zurückgezogen worden, auch aufgrund von nachfolgender Kommunikation mit der Volksanwaltschaft. Aber im Kern besteht da Regelungsbedarf, und dem müßten wir nachkommen. Ich schaue jetzt den Dr. Khol an, weil er hier sitzt, denn das war ja damals sein Vorschlag. (Abg. Dr. Khol: Das war den Damen und Herren zuwenig!)

Die Damen und Herren machen ja nicht die Gesetze. (Abg. Dr. Khol: Sie haben mitgeteilt, daß sie das nicht wollen!) Sie haben auch Vorschläge gemacht, wie das konkret ausschauen sollte. (Abg. Dr. Khol: Volenti not fit iniuria!) Frau Mag. Messner hat einmal in einer Amtsperiode, als sie Vorsitzende der Volksanwaltschaft war, hier berichtet, daß es ein großer Wunsch der Volksanwaltschaft wäre, daß man sich im Rahmen einer parlamentarischen Veranstaltung, aber außerhalb der beschränkten Möglichkeiten im Ausschuß und im Plenum mit diesen Themen beschäftigt, zum Beispiel in einen institutionellen Rahmen, im Rahmen einer parlamentarischen Enquete. Ich weiß nicht, inwieweit diese Wünsche Gehör gefunden haben und wie weit diese Pläne fortgeschritten sind. Mir ist davon nichts bekannt.

Ich meine nur, daß wir, wenn das nicht endlich einmal stattfindet, nächstes Jahr wieder nur den Bericht der Volksanwaltschaft, und zwar den Einundzwanzigsten Bericht, diskutieren werden. Die Volksanwälte werden wieder zahlreiche Mängel in der Verwaltung, aber auch in der Gesetzgebung aufzeigen. Sie werden ihre Arbeit – das möchte ich betonen – selbstverständlich höchst gewissenhaft und mit höchstem Einsatz erledigen. Ich habe eigentlich noch nie aus der Bevölkerung Klagen über die Volksanwaltschaft gehört, weil es doch jedem einsichtig ist, wo ihre Grenzen sind.

Wir bekommen – im Gegenteil – nur positive Meldungen zu hören. Ich kann das nur, was den Bereich Ausländerrecht betrifft, beurteilen. Die Volksanwaltschaft ist ja die letzte Anlaufstelle, die letzte Möglichkeit, bei Problemen in diesem Bereich Hilfe zu bekommen. Es gibt ein großes Lob für das Bemühen auf diesem Gebiet, wiewohl es in sehr vielen Fällen, weil die Fehler im Gesetz liegen, keine Möglichkeit gibt, tatsächlich etwas zu machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend an einem einzigen Beispiel illustrieren, wie beschränkt die Möglichkeiten der Volksanwaltschaft sind, und zwar an einen Beispiel, das sogar im Bericht steht, nämlich ganz hinten auf Seite 208 unter Punkt "Einzelfall". "Unkooperatives Verhalten des Bundesministers für Landesverteidigung". Da steht unter anderem auch der Satz: "Der Bundesminister für Landesverteidigung verharrt im Unrecht." (Abg. Scheibner: Sogar Disziplinarfolgen ...!)

Meine Damen und Herren! Stellen Sie sich das vor! Die Volksanwaltschaft sagt: "Der Bundesminister für Landesverteidigung verharrt im Unrecht". Ich meine, das ist ein Fall, der wirklich unglaublich ist. Dieser Fall zieht sich schon über mehrere Jahre hin, und zwar vom Jahr 1993 bis zur Erstellung des Berichtes voriges Jahr. Der Bericht strotzt nur so von Auffor


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derungen und Kritik, wie zum Beispiel: Volksanwaltschaft empfiehlt, dem umgehend nachzukommen; Minister ignoriert schriftliche Urgenz; gewünschte Unterlagen werden nicht vorgelegt; Volksanwaltschaft weist den Bundesminister ausdrücklich auf den gesetzlichen Anspruch hin; Minister verharrt in Untätigkeit. Und irgendwann einmal muß die Volksanwaltschaft schreiben, so auf österreichisch: Schmecks, Kropferter!

"Der Bundesminister für Landesverteidigung verharrt im Unrecht"! Da frage ich mich wirklich, meine Damen und Herren: Was soll das, wenn sozusagen die Spitzenrepräsentanten schlicht und einfach verfassungswidrig agieren und ihre Pflichten ignorieren, die sie in ihrer Funktion haben?

Da sind, meine Damen und Herren, der Volksanwaltschaft die Hände tatsächlich gebunden, und der Bürger und die Bürgerin werden, wenn sich solche Fälle mehren – es sind in diesem Bericht nur Einzelfälle aufgezeigt –, das Vertrauen auf verfassungsgemäßes Handeln endgültig verlieren.

Für uns kann es doch nichts Negativeres geben, als daß das Vertrauen der Österreicherinnen und Österreicher in die staatliche Verwaltung, aber auch in die Kontrolle und in die Fähigkeit der Politik, auf Fehlverhalten zu reagieren, nicht mehr vorhanden ist beziehungsweise sukzessive sinkt. Deshalb möchte ich Ihnen empfehlen, die Seiten 208 bis 210 in diesem Bericht nachzulesen.

Meine Damen und Herren von der Volksanwaltschaft! Ich verspreche Ihnen, daß ich bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung mit diesem für mich wirklich sagenhaft ignoranten – fast möchte ich sagen skandalösem – Vorgehen konfrontieren werde. Vielleicht gibt es dann doch eine Lösung in diesem Einzelfall, der nicht nur Ihnen dreien individuell Befriedigung, sondern auch uns das Bewußtsein gibt, daß die Volksanwaltschaft nicht das Salzamt ist. (Beifall bei den Grünen.)

10.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Volksanwalt Schender. – Bitte, Herr Volksanwalt.

10.50

Volksanwalt Horst Schender: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf mich als derzeitiger Vorsitzender der Volksanwaltschaft zunächst bei allen Rednerinnen und Rednern, die bisher das Wort ergriffen haben, sehr herzlich für die freundlichen Worte, die sie für die Arbeit der Volksanwaltschaft, vor allem für die Arbeit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch für uns drei gefunden haben, aufrichtig bedanken.

Wir freuen uns natürlich über jedes Lob, hätten uns allerdings noch mehr gefreut, wenn wir heute einen Erfolgsbericht aufgrund des Wunschkataloges, den Ihnen Kollegin Korosec vor einem Jahr hier vorgetragen hat, erstatten könnten.

Die einzige Bereitschaft und Möglichkeit, uns einen Erfolg einzuräumen, gab es im Hohen Haus hinsichtlich der Befassung des Bundesrates mit den Berichten der Volksanwaltschaft. Es gab bereits eine erste Diskussion im Verfassungsausschuß des Bundesrates und im Plenum des Bundesrates am 19. beziehungsweise am 20. November 1997. Dazu darf ich feststellen, daß diese Diskussion mit den Damen und Herren des Bundesrates im Verfassungsausschuß bei großem Interesse der Bundesräte stundenlang ausgesprochen intensiv stattgefunden hat. Ich darf Ihnen auch berichten, meine sehr geschätzten Damen und Herren, daß alle drei Fraktionen des Bundesrates die Intentionen der Volksanwaltschaft hinsichtlich der Erarbeitung neuer Arbeitsgrundlagen unterstützt haben. Also nicht nur die Opposition, sondern auch die beiden Fraktionen der Regierungsparteien haben ihre Unterstützung zugesichert.

Ich darf aus dem Protokoll des Bundesrates vom 20. November 1997 Herrn Bundesrat Jürgen Weiss zitieren. Er sagte wörtlich: "Ich bekenne mich auch durchaus zu den Anliegen der Volksanwaltschaft, nämlich zur Verpflichtung, in angemessener Weise innerhalb einer Frist Stellung zu nehmen, und zur Möglichkeit, zu ausgegliederten Rechtsträgern auch prüfend Stellung


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nehmen zu können." "Es ist auch bemerkenswert", sagte er etwas später, "daß der Nationalrat von den Anliegen der Volksanwaltschaft jene erfüllt hat, die eigentlich nicht weh tun. Daß wir hier den Bericht diskutieren können, daß die Volksanwälte Stellung nehmen können, das ist natürlich für uns alle ein Gewinn. Es tut aber in Wahrheit niemandem weh. Die Tätigkeit der Volksanwaltschaft sollte aber dort, wo es notwendig und sachgerecht ist, durchaus weh tun. Daher ist der Nationalrat offenkundig den Weg des geringsten Widerstandes gegangen." – Ende des Zitats.

Ähnliche Debattenbeiträge gab es auch von Bundesräten der beiden anderen Fraktionen. Sie sehen also, meine sehr geschätzten Damen und Herren, daß unsere Intentionen auch jenseits der Oppositionsreihen Verständnis und Zustimmung finden, wenngleich dann die Abstimmung im Bundesrat diesen Ausführungen nicht voll entsprochen hat.

Die Damen und Herren, die bisher zum Bericht der Volksanwaltschaft das Wort ergriffen haben, haben in unterschiedlicher Weise zu den Anregungen der Volksanwaltschaft Stellung genommen.

Herr Abgeordneter Dr. Kräuter wollte eine Klarstellung haben, ob die Volksanwaltschaft darauf drängt, Gesetzesanträge stellen zu dürfen. – Herr Abgeordneter, wir drängen nicht darauf, wir haben es auch nicht beantragt, wir hätten allerdings auch nichts dagegen, wenn eine Mehrheit des Nationalrates beschlösse, uns diese Möglichkeit einzuräumen. Unser Wunsch war es lediglich, daß wir in die Lage versetzt werden und daß uns der formelle Anspruch zuerkannt wird, gesetzliche Anregungen an den Nationalrat herantragen zu dürfen, wie wir das bisher schon aufgrund einer Entschließung des Nationalrates tun. Es fehlt uns allerdings die formelle gesetzliche Legitimation, gesetzliche Anregungen, die Ausfluß unserer Tätigkeit und unserer Erfahrungen sind, an den Nationalrat herantragen zu können. Um diese Möglichkeit haben wir gebeten und auch um die Möglichkeit, im Anschluß an die Erstattung dieser Anträge an den Nationalrat auch in den zuständigen Ausschüssen dabeizusein, wenn über Anregungen der Volksanwälte diskutiert wird. Nicht mehr und nicht weniger wollten wir haben, Herr Abgeordneter Kräuter. Wir wollen nicht bei allen Ausschußsitzungen dabeisein. Wir haben in der Volksanwaltschaft genug zu tun und wollen uns hier nicht in die Legistik hineindrängen. Aber wir hätten gerne die Argumente, die von den Bürgern an uns herangetragen werden, in den Ausschüssen vertreten. Wir hätten gerne unsere Erfahrungen bei der Ausschußdebatte über jene Anregungen, die von den Volksanwälten im Zuge der legistischen Überprüfung und im Zuge der Gesetzesbegutachtung an den Nationalrat herangetragen werden, eingebracht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Donabauer hat gewisses Verständnis gezeigt, daß eine Fristsetzung für die Beantwortung der Schreiben der Volksanwälte an die einzelnen Minister und an die einzelnen Behörden wünschenswert wäre. Ich ersehe daraus, daß eine gewisse Geneigtheit besteht, darüber noch einmal zu diskutieren. Das würde uns sehr freuen. Man kann ja durchaus über die Zahl der Wochen, innerhalb welcher eine Antwort zu erfolgen hat, noch diskutieren, aber wir bitten um Verständnis dafür, daß das Angebot des Nationalrates, das uns gemacht wurde, nämlich eine solche Frist mit zwölf Wochen gesetzlich zu verankern, von uns nicht goutiert werden konnte, denn diese zwölf Wochen hätten de facto zu einer Verschlechterung unserer Arbeitsgrundlagen geführt.

Denn: Zurzeit warten wir im Schnitt vier bis acht Wochen auf eine Antwort von den Ministerien. In einzelnen Fällen gibt es Ausreißer, wo wir bis zu fünf, sechs, sieben Monaten und sogar bis zu mehreren Jahren darauf warten müssen. Würden wir aber die zwölf Wochen gesetzlich festschreiben, so würde sich wahrscheinlich mit der Zeit einbürgern, daß jedes Ministerium von vornherein einmal die zwölf Wochen für sich in Anspruch nehmen würde, und dadurch würde sich die Beantwortungsdauer gegenüber dem Ist-Zustand noch wesentlich verlängern. Daher hätte diese Zwölf-Wochen-Frist für uns keine Verbesserung gebracht, sondern eine Verschlechterung. Ich bitte also um Verständnis dafür, daß wir gebeten haben, von dieser Beschlußfassung Abstand zu nehmen.


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Es ist erwähnt worden, daß uns das Bundesministerium für Landesverteidigung in einem Fall besondere Schwierigkeiten bereitet hat, und ich danke dem Herrn Präsidenten Dr. Fischer, daß er mir in der Zwischenzeit mitgeteilt hat, daß er bereit ist, in dieser Sache vermittelnd als Präsident des Nationalrates gegenüber dem Verteidigungsministerium aufzutreten, wenn ich mich mit einem entsprechenden Schreiben an ihn wende. Ich glaube, daß es gut wäre, einen solchen Akt einmal zu setzen, nämlich, daß das Parlament demonstrativ zeigt, daß es sich hinter die Volksanwaltschaft stellt, wenn es um die Durchsetzung des Anspruches auf entsprechende Unterlagen, auf entsprechende Antworten von einzelnen Ministerien geht.

Ich danke für die Unterstützung seitens aller Fraktionen, die sich zu dieser Frage zu Wort gemeldet haben. Die einzige Reaktion, die ich aus dem Verteidigungsministerium in dieser Frage bekommen habe, war eine relativ knappe Stellungnahme des Ministers – nämlich eineinhalb Seiten lang – zu den gesamten Anregungen der Volksanwaltschaft im letzten Parlamentsbericht. Der letzte Satz dieser Stellungnahme lautet: "Abschließend ist zum gegenständlichen Bericht der Volksanwaltschaft in formaler Hinsicht festzustellen, daß einzelne Ausführungen, insbesondere in den Randglossen, in ihrer Diktion befremden." – Na ja, wir nehmen das zur Kenntnis! Aber uns hat – das darf ich Ihnen sagen, meine Damen und Herren – viel mehr die Haltung des Ministeriums befremdet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun ein paar Sätze zur Frage der Ausgliederung öffentlicher Rechtsträger. Ich danke zunächst einmal den drei Damen und Herren der Opposition, die unsere Wünsche, diese ausgegliederten Rechtsträger weiterhin prüfen zu dürfen, unterstützt haben. Ich verstehe allerdings nicht, warum man sich seitens der Mehrheit dieses Hohen Hauses so sehr dagegen wendet.

Diese Bereiche wurden bisher schon zwei Jahrzehnte hindurch geprüft, und es geht im wesentlichen darum, all das, was wir bisher erfolgreich geprüft haben – auch die Post ist geprüft worden –, auch in Zukunft prüfen zu dürfen. Es bedürfte lediglich eines Aktes durch den Gesetzgeber, dies im entsprechenden Gesetz festzuschreiben. So einfach ist das! Es ist auch beim AMS gegangen, Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. In das AMS-Gesetz ist hineingeschrieben worden, das AMS, die frühere Arbeitsmarktverwaltung, unterliegt auch weiterhin – so wie vorher – der Prüfung durch die Volksanwaltschaft – und schon geht es. Und in allen anderen ausgegliederten Bereichen soll es nicht gehen? – Das ist einfach nicht einzusehen! (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister für Finanzen hat mir in dieser Frage auch einen Brief geschrieben und im wesentlichen darauf hingewiesen, daß jeder Bürger die Möglichkeit habe, den Zivilrechtsweg zu beschreiten, wenn er mit diesen ausgegliederten Rechtsträgern Probleme hat. – Na ja, das ist ein guter Ratschlag, aber jetzt stellen Sie sich einmal folgendes vor: Eine arme alte Pensionistin oder ein Bezieher eines kleinen Einkommens soll in Zukunft gegen die mächtige Post oder die Bahn oder die Bundesforste zu prozessieren beginnen, wenn sie oder er Schwierigkeiten hat und soll das gesamte Prozeßrisiko übernehmen. – Diese Menschen tun mir heute schon leid! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn man bedenkt, daß es jetzt die Möglichkeit einer völlig kostenlosen außergerichtlichen Vermittlung, einer außergerichtlichen Mediation durch die Volksanwaltschaft gibt, die in 90 Prozent der Fälle erfolgreich verläuft, die, wenn die Beschwerde berechtigt ist, letzten Endes in 90 Prozent der Fälle dazu führt, daß der Bürger zu seinem Recht kommt, ohne daß er einen Schilling dafür zu bezahlen braucht, während man ihm in Hinkunft sagt: Jetzt darfst du zum Richter gehen, und dafür mußt du dir womöglich noch einen Rechtsanwalt nehmen und trägst das gesamte Prozeßrisiko!, dann muß man sagen: Das ist eine ganz schlimme Verschlechterung der Situation für den Bürger!

Es geht nicht um uns, Herr Abgeordneter Kräuter. Nicht wir reißen uns um diese Fälle um jeden Preis, nicht wir fürchten, daß wir als Volksanwälte arbeitslos werden, sondern es geht um die vielen Leute, die nicht mehr die Möglichkeit haben, sich über diese ausgegliederten Rechtsträger zu beschweren!


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Es ist das ein ähnlicher Weg, wie er auch in anderen Bereichen beschritten wird, etwa bei der Gewerbeordnung 1997. Auch da sind die Anrainer weitgehend ihrer Anrainerrechte beraubt worden, auch da haben die Anrainer keine Möglichkeit mehr, außer daß sie Einwendungen machen können. Sie erlangen keine Parteistellung mehr, sie erhalten allerdings "großzügig" die Möglichkeit eingeräumt, ein Verfahren nach § 79 Gewerbeordnung zu beantragen, sie müssen aber die Beweise erbringen. Das heißt, sie müssen Sachverständigengutachten vorlegen, und diese Sachverständigengutachten kosten erfahrungsgemäß teilweise Zigtausende Schilling, teilweise Hunderttausende Schilling. Und welcher Anrainer kann es sich schon leisten, wenn er durch den Gestank, durch den Lärm, durch den Staub eines Anrainerbetriebes beeinträchtigt wird, ein Sachverständigengutachten zum Preis von zigtausend oder hunderttausend Schilling zu bestellen, ehe er sich an die Gewerbebehörde wenden kann? – Es ist also der Weg zur Gewerbebehörde praktisch unmöglich gemacht! (Beifall bei den Freiheitlichen und den Grünen.)

Diesbezüglich hat uns auch der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes recht gegeben. Man hat uns dort gesagt: Ja, diese Bürger müssen die Kosten selbst tragen, aber wir haben ein gewisses Unbehagen dabei, wenn wir das mitteilen! – Das heißt also, man freut sich offenbar selbst nicht über die Auswirkungen der Gewerbeordnung 1997, die zum Nachteil des betroffenen Bürgers gehen.

So ähnlich ist es auch bei den ausgegliederten Rechtsträgern. Ich darf Sie also bitten, meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihre Haltung zur Frage der Prüfung von ausgegliederten Rechtsträgern doch noch einmal zu überdenken.

Denken Sie bitte daran, daß die Justiz in Österreich immer stärker auf die Mediation setzt. Der Justizminister verweist bei allen möglichen Gelegenheiten immer wieder darauf, daß er durch die Mediation in Hinkunft wesentliche Einsparungen möglich machen möchte – Einsparungen zugunsten der Verwaltung und Einsparungen zugunsten des Bürgers.

Das Parlament beschließt jetzt, daß ein Verwaltungsbereich aus einer bestehenden und funktionierenden Mediation ausgeschlossen wird, und der Bürger wird auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Das ist also genau die umgekehrte Entwicklung: Die Gerichte gehen in Richtung Mediation, und die Verwaltung verweist die Leute auf den Zivilrechtsweg. Ich glaube, daß das kein guter Weg für den österreichischen Staatsbürger ist. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und den Grünen.)

11.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Karlsson. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Frau Abgeordnete, bitte.

11.05

Abgeordnete Dr. Irmtraut Karlsson (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Volksanwälte! Hohes Haus! Ich bin als ehemalige Bundesrätin sehr dankbar dafür, daß Herr Volksanwalt Schender, der aus der FPÖ kommt, in seinen Ausführungen den Bundesrat als wichtig bezeichnet und gelobt hat, denn vor etwas mehr als einer Stunde hat ein Fraktionskollege von Ihnen gesagt, das sei ein unnötiges politisches Austragstüberl, das man eigentlich abschaffen sollte. (Abg. Scheibner: Lassen Sie einmal die Parteipolitik weg bei der Volksanwaltschaft!) Daher bin ich wirklich dankbar, daß Sie aus Sicht der Volksanwaltschaft den Bundesrat hier so lobend erwähnt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Weiters möchte ich auf folgendes hinweisen: Sie haben aus Ihrer Sicht die eine Seite der Medaille, nämlich den Bürger, der jetzt den ausgegliederten Betrieben gegenübersteht, dargestellt. Auf der anderen Seite gibt es aber genauso mächtige Stimmen, die sagen: Privatisieren, ausgliedern, die Politik hat dort nichts mehr zu reden! – Das heißt, wenn das Management eine Entscheidung trifft, hat sich die Politik nicht mehr einzumischen. Das ist ausgemacht, und deshalb sind diese Betriebe ausgegliedert. Doch es wird öfters gefordert: Auf der einen Seite dürft ihr euch zwar nicht einmischen, auf der anderen Seite wollen wir aber doch, daß geprüft wird! Irgendwie ist das ein sehr diffiziles Abwägen der Rechte und Pflichten und des Prozesses der Privatisierung. Und das ist die Schwierigkeit, vor der wir stehen!


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Sie erhalten jede Unterstützung – ich glaube, daß wir jetzt wirklich zu einer konkreten Lösung kommen sollten – für Ihre Forderung, daß in einer angemessenen Zeit beziehungsweise möglichst rasch auf Einzelfälle eingegangen werden soll, Einzelanfragen beantwortet werden sollen. Diesbezüglich erhalten Sie 100prozentige Unterstützung!

Ich möchte mich aber noch zwei konkreten Fällen zuwenden, die die Damen Volksanwältinnen betreffen. Das ist erstens die unendliche Geschichte der Antragspflicht, mit der sich noch ein weiterer Redner meiner Fraktion eingehender beschäftigen wird. Aber es ist wirklich nicht einzusehen, daß Menschen Rechte nur deshalb vorenthalten werden, weil sie sich nicht auskennen. Wenn eindeutig feststeht, daß Leistungen gebühren, dann geht es nicht an, daß diese nicht auch rückwirkend gewährt werden, nur weil aufgrund schlechter Information oder aus anderen Gründen kein Antrag gestellt wurde.

Zweiter Punkt: Wir sind nun Teil der Europäischen Union, des größeren Europas, und wir sagen bei vielen Gelegenheiten: Es geht uns nicht nur um ein Europa der Konzerne, sondern auch um ein Europa der Bürger! – Ich bin sehr froh darüber, daß der Herr Staatssekretär, der für diese Angelegenheiten zuständig ist, jetzt anwesend ist. – Das Europa der Bürger heißt aber auch, daß sich die Bürger innerhalb der EU frei bewegen können sollen und aufgrund dessen, daß sie in einem Mitgliedstaat der EU arbeiten, ihre Kinder in die dortigen Schulen schicken und so weiter, nicht benachteiligt werden sollen.

Jetzt ist folgendes passiert – das hat mir eine Frau geschrieben, die davon betroffen ist –: Sie lebt in Rom, und ihre Tochter besucht die deutsche Schule in Rom. Es gibt dort keine österreichische Schule. Hätte ihre Tochter 1994 in dieser Schule maturiert, dann hätte sie als österreichische Staatsbürgerin keine Probleme beim Studium in Österreich gehabt.

Da sie aber erst nach dem EU-Beitritt maturiert hat – es ist ja auch ein Problem, das Kind herauszunehmen und so weiter –, muß sie sich als österreichische Staatsbürgerin nun in Deutschland um einen Studienplatz bemühen, und nur wenn sie diesen nachweisen kann, darf sie dann auch in Österreich studieren. Der Numerus clausus ist also in diesen Fällen auch für österreichische Staatsbürger einführt worden. Das ist sozusagen über Nacht passiert. Während man für die Zahnärzte, für diese und jene Lobbies Übergangsfristen geschaffen hat, ist das beim Europa der Bürger nicht geschehen. (Abg. Dr. Ofner: Frau Kollegin! Ich möchte Sie gerne fragen: Haben Sie mit einem Ja oder Nein gestimmt?)

Ich bin für dieses Europa und für die Europäische Union. (Abg. Scheibner: Schlecht verhandelt!) Ich glaube aber, daß man sich um das Europa der Bürger noch viel mehr kümmern muß (Beifall bei der SPÖ) und daß einiges in dieser Richtung zu tun ist. Diese Fälle sind derzeit zwar noch Einzelfälle, aber es werden mehr werden. Das ist reparierbar. (Abg. Dr. Ofner: Erkennen Sie Ihren Irrtum wenigstens schon?)  – Das ist kein Irrtum, sondern es geht darum, sich intensiver damit zu beschäftigen. (Abg. Dr. Ofner: Verhandeln heißt das!)

Abschließend möchte ich sagen, daß mir die Antragsstellerin den gesamten Briefwechsel geschickt hat. Und ich muß sagen, der Brief, den ihr die Volksanwaltschaft geschrieben hat, war der einzige, der freundlich, ausführlich und verständlich war. Allein dafür möchte ich der Volksanwaltschaft Lob und Dank aussprechen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.12

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich nun Frau Abgeordnete Mag. Frieser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

11.12

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen Volksanwältinnen! Herr Volksanwalt! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich möchte meine kurze Wortmeldung in zwei Bereiche teilen.

Zum ersten: Es herrscht Übereinstimmung, daß die Volksanwaltschaft so wie der Rechnungshof ein Hilfsorgan des Parlaments ist. Daher sind wir auch der Meinung, daß die Kompetenzen der


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Volksanwaltschaft den Kompetenzen des Rechnungshofes gleichgestellt werden sollen – auch in bezug auf die Ausdehnung der Prüfungszuständigkeit.

Ich habe Ihre Ausführungen, Frau Dr. Karlsson, sehr aufmerksam verfolgt und teile Ihre Ansicht in bezug auf diese Probleme. Sie haben richtig festgestellt: Wenn etwas ausgegliedert ist, dann hat das Management die volle Entscheidung, und das hat mit der Politik nichts mehr zu tun. Andererseits verstehe ich aber auch den legitimen Wunsch der Volksanwaltschaft, zum Beispiel bei der Post sehr wohl prüfen zu dürfen. Ihr Debattenbeitrag beweist eigentlich, daß man darüber vielleicht noch einmal diskutieren sollte, denn es ist wirklich sehr schwierig, zu entscheiden.

Ähnlich wird die Situation bei den Bundestheatern sein. Ist die Volksanwaltschaft da noch zuständig oder wird sie es nicht mehr sein? – Frau Dr. Karlsson! Vielleicht könnte man – das ist jetzt nur eine spontane Idee – die Subventionsabhängigkeit als Kriterium dafür nehmen, ob die Volksanwaltschaft zuständig wäre oder nicht. Das ist nur eine Anregung, aber, wie gesagt, diese Diskussion zeigt, wie schwierig das Problem schlechthin ist.

Der zweite Punkt betrifft die Einbindung der Volksanwaltschaft in den Gesetzwerdungsprozeß. Und ich möchte an einem Beispiel festhalten, wie wichtig es wäre – das ist mein Standpunkt, dem aber auch große Teile meiner Fraktion zustimmen –, die Volksanwaltschaft sehr wohl in den Gesetzwerdungsprozeß einzubinden, und zwar aufgrund ihrer reichhaltigen Erfahrungen, aufgrund der bereits bestehenden Anregungen, und um eben diese Anregungen auch in den Ausschüssen umsetzen zu können. Und ich darf diesen legitimen Wunsch an einem Beispiel festhalten.

Der Zwanzigste Bericht der Volksanwaltschaft enthält wiederum eine Vielzahl dieser Anregungen, unter anderem auch den Wunsch, mehr Rechtssicherheit in bezug auf § 35 EStG zu verwirklichen. Es gibt folgende Situation: Jemand erhält aufgrund einer körperlichen Behinderung eine Bescheinigung. Diese Bescheinigung stellt der Amtsarzt aus und stellt den Grad der Behinderung fest. Der Antragsteller hat bis zum heutigen Zeitpunkt keine Möglichkeit, gegen diese Bescheinigung ein Rechtsmittel einzubringen. Die Volksanwaltschaft schlägt schon seit ihrem Fünfzehnten Bericht vor, diesen Zustand zu ändern. In der Zwischenzeit sind das Finanzministerium und das Sozialministerium in Verhandlung getreten, was aber der Erfolg dieser Gespräche war oder wann hier ein Erfolg zu verzeichnen sein wird, steht noch nicht fest. Es würde mich interessieren, was der Stand dieser Verhandlungen ist.

Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es wäre, die Volksanwälte anläßlich einer solchen Gesetzesänderung im Finanzausschuß einzubinden und ihnen auch ein entsprechendes Vorschlagsrecht zu ermöglichen. Wie gesagt, wir werden uns bemühen, im Rahmen der angekündigten Enquete – oder einer Veranstaltung im Sinne von Meinungsaustausch – diesen Wunsch vehement zu unterstützen, um so die Aufgaben der Volksanwaltschaft weiterzuentwickeln. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Scheibner. Herr Abgeordneter, Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 5 Minuten. – Bitte.

11.17

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen Volksanwältinnen! Sehr geehrter Herr Volksanwalt! Hohes Haus! Ein Wort in Richtung der Frau Kollegin Karlsson. – Frau Kollegin, lachen Sie nicht, ich will mit Ihnen offen diskutieren. Bei der Frage der Volksanwaltschaft geht es nicht um Parteipolitik und nicht darum, welcher Volksanwalt von welcher Fraktion kommt, und auch nicht darum, ob irgend jemand von einer anderen Fraktion politisch etwas gesagt hat. Frau Kollegin! Legen Sie doch endlich, zumindest in solch einer Debatte, die politischen Scheuklappen ab! Die Volksanwaltschaft ist nicht ein Hilfsorgan dieses Parlaments, sondern ein Instrument dieses Parlaments. Sie versucht, den Anliegen unserer Wähler, unserer Bürger gerecht zu werden, sie zu unterstützen, wenn sie ein Problem haben, und hilft ihnen, durch den Dschungel von Bürokratie und auch verwaltungsmäßiger Ignoranz zu ihrem Recht zu kommen und sich zurechtzufinden.


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Frau Kollegin Karlsson! Natürlich gibt es ein Spannungsverhältnis zwischen Privatisierung und der Frage: Kontrolle dieser – unter Anführungszeichen – "privatisierten" Unternehmen durch die öffentliche Hand.

Einen Punkt muß man hier aber schon anführen, Frau Kollegin Karlsson: Solange eine Privatisierung so aussieht, daß man die Kontrolle kappt, aber die Defizite nach wie vor von der öffentlichen Hand gedeckt werden, so lange kann man wohl nicht von einer echten Privatisierung reden. Und solange der Steuerzahler, solange der Bürger für die Verluste der – unter Anführungszeichen – "privatisierten" Unternehmen aufzukommen hat, so lange hat er auch das Recht, zu verlangen, daß Kontrollinstanzen diese Unternehmen kontrollieren können. Das sollte auch für uns als Volksvertreter ein klares Credo und ein Grundsatz sein.

Meine Damen und Herren! Der Bereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung ist heute auch schon von Herrn Volksanwalt Schender angesprochen worden. Wenn man diesen Bericht liest, dann kommt einem wirklich der Ärger und das Grauen, und zwar nicht wegen des Berichts, sondern wegen der Inhalte und vor allem wegen der Ignoranz, mit der man vor allem in diesem Ressort der Prüftätigkeit der Volksanwaltschaft gegenübertritt.

Es ist eine Reihe von Problemen aufgezeigt worden, die nicht das erste Mal in diesem Bericht stehen, die wir jedes Mal anläßlich der Debatte über die Berichte der Volksanwaltschaft diskutieren müssen. Aber es passiert nichts, weil diesen Vorhaltungen mit Schweigen und Ignoranz begegnet wird.

Da haben wir zum Beispiel die Frage der Tauglichkeitskriterien, die die Volksanwaltschaft zu Recht angeführt hat. Der Verteidigungsminister jammert seit Jahr und Tag, daß er zuwenig Grundwehrdiener hat. Gleichzeitig kommt aber die Volksanwaltschaft – nicht sein Ressort, sondern die Volksanwaltschaft! – drauf, daß, wenn man die Tauglichkeitskriterien adaptieren würde, jene, die in der Privatwirtschaft arbeiten und privat natürlich sportlichen Tätigkeiten nachgehen, die einen Beruf ausüben, selbstverständlich auch im Bereich der Landesverteidigung – vielleicht ohne Waffe, in den Büros, in den Schreibstuben – eine Tätigkeit verrichten könnten! Allein durch diese Maßnahme könnten 3 000 zusätzliche Grundwehrdiener in diesem Bereich eingesetzt werden.

Meine Damen und Herren! Es gibt in diesem Ressort, was die Tauglichkeitskriterien anlangt, wirklich merkwürdige Praktiken. Da werden Spitzensportler für untauglich erklärt! Ich kenne einen Fall, wo jemand im Nationalteam der "Unter 21"-Fußballmannschaft spielt, aber für das Bundesheer untauglich ist. Ich kenne weiters den Fall eines Sohnes eines bekannten und bedeutenden Bauunternehmers, der dieses Bauunternehmen führt, der tagtäglich von einer Baustelle zur anderen jettet und wahrscheinlich in der Freizeit auch noch sportlich ordentlich etwas "drauf" hat. Das ist alles in Ordnung. Aber für den Dienst mit der Waffe ist er untauglich! – So etwas darf doch in der Praxis nicht passieren. Solange wir von dem Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht ausgehen, ist auch Gerechtigkeit einzufordern, und diesbezüglich ist, so glaube ich, dieser Vorhalt der Volksanwaltschaft durchaus berechtigt.

Zweiter Punkt: die Befreiung von Theologen vom Wehrdienst. Das ist auch eine Frage der Gerechtigkeit in diesem Bereich. Das ist nicht einzusehen. Wir haben doch einen freien Zugang zum Zivildienst. Wir haben auch im Bereich des Wehrdienstes, etwa in den Militärpfarren, die Möglichkeit, für Theologiestudenten eine Einsatzmöglichkeit zu bekommen. Dazu, warum jemand, der sagt, er möchte aufgrund seiner Einstellung, aufgrund seines Gewissens grundsätzlich Dienst an der Gesellschaft machen, das nicht auch dadurch unter Beweis stellt, daß er etwa im Bereich des Zivildienstes genau diesen seinen Grundsätzen nachkommt, gibt es auch keine Reaktion aus dem Bereich des Verteidigungsministeriums.

Die Ausrüstungsmängel bei der UNO-Truppe haben wir Freiheitlichen immer wieder kritisiert. Auch das hat die Volksanwaltschaft festgehalten. Dort geht es auch um das Leben unserer Soldaten. Aber auch dazu gibt es keine Reaktion von seiten des Verteidigungsministeriums. Es geht sogar soweit, daß die Volksanwaltschaft in einem eigenen Kapitel darüber klagen muß, daß ihr in einem Disziplinarfall nicht einmal die Unterlagen ausgehändigt werden.


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Meine Damen und Herren! Zum Schluß kommend: Es sollte für uns, für alle Fraktionen ein Anliegen sein, daß wir diesem Instrument des Parlaments, der Volksanwaltschaft, zu seinen Möglichkeiten verhelfen und Druck auf die Verwaltung, auf die Minister, die diese Kontrolle nicht wollen, dahin gehend ausüben, daß sie dem Grundsatz, dem sie dem Gesetz nach verpflichtet sind, nachkommen, alle Informationen, alle Unterlagen an die Volksanwaltschaft herauszugeben und dann auch den Empfehlungen der Volksanwaltschaft zu folgen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.23

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zum Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

11.23

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich glaube, man könnte fast als Resümee der bisherigen Debatte festhalten, daß es viele Parteien gibt, die die Volksanwaltschaft als Institut des Hohen Hauses nicht nur erhalten, sondern auch fördern wollen, gäbe es da nicht die Wortmeldung des Kollegen Kräuter, die mich in dieser Hinsicht etwas irritiert hat.

Ich glaube, es kann doch nicht so sein, daß wir uns in Stellungnahmen immer wieder versichern, daß die Volksanwaltschaft wichtig ist, aber dann, wenn es darum geht, Anregungen und Erweiterungen aufzunehmen, es entweder bei den verbalen Bekenntnissen bleibt oder hinten herum gar die Absicht mitschwingt, vielleicht sei die Volksanwaltschaft doch zu mächtig geworden, vielleicht gibt es andere Interessenvertretungen, denen die Volksanwaltschaft in die Quere komme. – Dazu habe ich sehr interessante Zwischenrufe gehört, wie: Es gibt ohnehin den ÖGB und die Arbeiterkammer! – Ich vertrete diese Auffassung nicht! Ich halte die Arbeit der Volksanwaltschaft für sehr wichtig und möchte das auch in Detailbereichen erläutern.

Zuvor aber – das hat meine Kollegin, Frau Abgeordnete Stoisits, schon klar gesagt – möchte ich noch einmal das Bekenntnis der Grünen wiederholen: Herr Kollege Kräuter! Wir wollen, daß die Volksanwaltschaft gestärkt wird. Wir wollen – und wir halten dies tatsächlich für richtig und auch im Interesse des Gesetzgebers –, daß die Volksanwaltschaft nicht nur an den Ausschüssen teilnehmen kann, sondern auch ein Vorschlagsrecht erhält.

Ich könnte Ihnen, Kollege Kräuter, auch beweisen, daß wir uns so manche Debatten, nachträgliche Debatten, über Gesetze, die mißglückt waren, und zwar eindeutig mißglückt waren und zurückgenommen werden mußten, hätten ersparen können. Ich könnte Ihnen seitenweise solche Fälle aufzählen, in denen der Gesetzgeber ganz offensichtlich weder die Anregungen der Opposition noch sich selbst ernst genommen hat, sondern gesagt hat: Beschließen wir das einfach einmal, vielleicht geht es!

Natürlich kann die Volksanwaltschaft nicht bewirken, daß sich an dieser Haltung des Gesetzgebers grundsätzlich etwas ändert, aber es wäre vielleicht einen Versuch wert. Ich finde es vor allem deshalb wichtig, weil diese Institution mit uns in einer Art und Weise politisch verkehrt, wie es für das Hohe Haus ungewöhnlich ist. Da sitzen Vertreter von drei verschiedenen Parteien auf dem Podium – von einzelnen Rednern wird das auch immer wieder angesprochen –, aber wenn ich die Volksanwälte selbst reden höre, dann muß ich sagen: Ich habe nie das Gefühl, daß Vertreter von drei verschiedenen Parteien sprechen, sondern sie stehen persönlich hinter dem, was sie vorbringen.

Das soll jetzt nicht als Anregung für das Hohe Haus verstanden werden, daß das bei uns in allen Fragen unbedingt so sein muß, aber die Tatsache, daß drei verschiedene Parteienvertreter oder von Parteien nominierte Vertreter durchaus imstande sind, ein gemeinsames Anliegen vorzutragen und Anregungen gemeinsam zu formulieren, wäre eine Anregung und eine Bereicherung für unsere Arbeit in den Ausschüssen. Darum kann ich nur sagen: Die Grünen und ich, wir unterstützen diesen Vorschlag!

Ich möchte jetzt noch im Detail einige Punkte aus dem Bericht der Volksanwaltschaft anführen. Was mir sehr wichtig erscheint, da ich aus dem Bereich der Sozialpolitik komme, ist die Tatsache – dazu gibt es auch eine entsprechende Statistik –, daß im Bereich der Sozialpolitik,


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des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, die größte Anzahl von Beschwerden verzeichnet werden mußte. Das ist nicht gut, würde ich meinen, sondern das deutet darauf hin, daß das richtig ist, was auch die Volksanwaltschaft in ihrem Bericht immer wieder bemerkt, nämlich daß es in diesem Bereich eine schlechte Legistik gibt – in diesem Bericht konkret kritisiert am Beispiel des Arbeitslosenversicherungsgesetzes.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Ich erwarte mir schon, daß diese Anregungen ernster genommen werden. Wir hatten gestern im Rahmen von anderen Debattenbeiträgen auch eine Debatte über das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, und dabei gab es natürlich auch von unserer Seite die Kritik, daß dieses Allgemeine Sozialversicherungsgesetz nicht mehr lesbar und nicht nachvollziehbar ist.

Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, nachzuvollziehen, ob die Volksanwaltschaft jemals dieses Sozialversicherungsgesetz in toto kritisiert hat. Ich würde meinen, sie hat es wahrscheinlich. Aber konkret: Heuer geht es um das Arbeitslosenversicherungsgesetz. Wenn ich zum Beispiel nur daran denke, daß wir allein im Jahre 1997 dieses Arbeitslosenversicherungsgesetz in einer Sitzung eines Ausschusses zweimal novelliert haben und erst auf unsere Anregung hin aufgefallen ist, daß in einer Ausschußsitzung zwei verschiedene, voneinander unabhängige Novellierungen beschlossen wurden, dann würde ich meinen, wir sollten etwas öfter darüber nachdenken, ob wir an dieser Legistik hier im Haus nicht doch etwas verbessern können.

Was mir in bezug auf die Arbeitsmarktverwaltung noch wichtig ist, festzuhalten, ist die zweite Bemerkung der Volksanwaltschaft bezüglich der Defizite im Bereich der Beratung und Vermittlung. Das halte ich deshalb für wichtig, noch kurz zu erörtern, weil wir mit der Ausgliederung des Arbeitsmarktservices den Versuch gemacht haben, eine Behörde mit Servicecharakter zu schaffen. Offensichtlich kann aber genau dieser Anspruch, nämlich Beratung und Vermittlung durch die Praxis dieser Institution, dieser ausgegliederten Institution, deswegen nicht eingelöst werden, weil das Arbeitsmarktservice mit Kontroll- und Vollzugsaufgaben überhäuft worden ist.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie müssen sich irgendwann die Frage stellen, was Sie mit dieser Ausgliederung bewirken wollten. Sie wollten eine Erhöhung des Servicecharakters, aber zumindest in der Praxis klappt das nicht so.

Das heißt, Sie müssen sich die Frage stellen, und wir alle müssen uns die Frage stellen: Was können wir tun, um dem Anspruch, der Intention der Ausgliederung oder des Gesetzes Rechnung zu tragen?

Ich komme zu einem anderen Punkt, der mir aufgefallen ist und der auch in vergangenen Berichten der Volksanwaltschaft immer wieder eine Rolle gespielt hat, nämlich zum Kapitel Scientology. Herr Volksanwalt Schender! Das war immer Ihr Bereich. Ich möchte dazu nur folgendes festhalten: Ich empfehle allen, dieses Kapitel zu lesen. Es liegt nicht in einem Bereich, in dem wir unmittelbar tätig werden könnten, aber ich glaube, alle Gesetzesänderungen, die wir beschlossen haben, oder die neuen Gesetze in den letzten Monaten, etwa das Gesetz über die neuen Religionsgemeinschaften, werden an dieser Praxis, wie Scientology auftritt, nichts ändern. Da können Sie noch so viele Anerkennungsverfahren beschließen.

Der Punkt ist, daß Scientology nach einem Urteil des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien – einem sehr verwunderlichen Urteil einer offensichtlich sehr verwunderlichen Behörde – als "Religion" bezeichnet wurde. Dieses Urteil steht so im Raum. Da zucken wir dann alle mit den Schultern: Ja, so ist es eben. Der Unabhängige Verwaltungssenat dürfte sich gar nicht äußern, das steht ihm nicht zu. Aber er äußert sich eben dazu und befindet: Scientology ist eine Religion, und diese Leute dürfen daher auch im Bereich der Lebensberatung tätig werden, weil es da nicht um ein Gewerbe geht, sondern weil sie religiöse Tätigkeiten ausüben.

Meine Damen und Herren! Solange Sie im konkreten Fall von Scientology vor der Wirklichkeit die Augen verschließen und glauben, mit irgendwelchen – ich sage es einmal so – obskuren Gesetzen wie dem zur Anerkennung der Religionsgemeinschaften, das wir vor wenigen Wochen beschlossen haben, werde sich an dieser Praxis von Scientology etwas ändern, so lange kommen wir keinen Schritt weiter. Punkt. – Das können Sie diesem kurzen Kapitel aus dem


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Bericht der Volksanwaltschaft entnehmen. Sie sollten sich bei den Debatten, die wir, wie ich hoffe, anhand einer Enquetekommission zum Thema Sekten und Religionsgemeinschaften weiterführen werden, dies entsprechend zu Gemüte führen und diese Ratschläge beachten.

Noch ein Punkt, obwohl es keine große Sache zu sein scheint, ist mir aufgefallen und wichtig erschienen. Das betrifft – noch einmal darauf zurückkommend – den Bericht der Frau Volksanwältin Messner. Da geht es auf Seite 64 darum, daß die Volksanwaltschaft anregt, daß die in Österreich lebenden Opfer nationalsozialistischer Verfolgungshandlungen die Möglichkeit erhalten sollten, Beiträge nachzuentrichten, wenn sie in Österreich vom NS-Regime verfolgt worden sind und deshalb zum Beispiel am Schulbesuch gehindert wurden.

Jetzt finde ich alleine die Tatsache, daß wir als Gesetzgeber nicht imstande waren, über 40 oder 50 Jahre hinweg jenen Personen, die in Österreich verfolgt und benachteiligt worden sind, die sich vor den Schergen des NS-Unrechtsregimes verstecken mußten, ihr Recht zukommen zu lassen, und daß diese nicht mit all jenen gleichgestellt worden sind, die im Zweiten Weltkrieg für ein Mörderregime einen Wehrdienst leisten mußten, schon beschämend genug. Aber die Argumentation, die das Bundesministerium verwendet, ist noch beschämender.

Meine Damen und Herren! Ich erwarte mir vom Gesetzgeber für diese Personen, die hier in Österreich und nicht im Ausland verfolgt worden sind, klare Präzisierungen betreffend die Gleichstellung nicht nur mit jenen, die ins Ausland flüchten mußten, sondern auch betreffend die Gleichstellung mit jenen, die in Österreich für ein Mörderregime ihren Wehrdienst ableisten mußten.

Wenn ich mir nur vor Augen halte, daß illegale Nationalsozialisten, wie zum Beispiel Dr. Groß, wie zum Beispiel Herr Haider, Ehrenorden dieser Republik erhalten und keine sonstigen Benachteiligungen durch diese Republik dafür erhalten haben, daß sie als illegale Nationalsozialisten für ein anderes Regime und nicht für die Republik gearbeitet haben und selbstverständlich alle sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche geltend machen können (Zwischenruf des Abg. Scheibner ), während wir auf der anderen Seite für die Verfolgten im eigenen Land, die sich teilweise in Kellern verstecken mußten, diese Gleichstellung nicht schaffen, wenn ich mir das vor Augen halte, dann muß ich schon sagen: Alleine diese kurze Anregung auf den Seiten 64 und 65, meine Damen und Herren, sollte Sie als Gesetzgeber und sollte uns als Gesetzgeber eigentlich sehr schnell in die Lage versetzen, das zugunsten dieser Verfolgten zu ändern. (Beifall des Abg. Wabl. )

11.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Stippel. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

11.36

Abgeordneter Dr. Johann Stippel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geschätzte Damen Volksanwältinnen! Sehr geschätzter Herr Volksanwalt! Ich möchte mich mit einem schwerpunktmäßig an erster Stelle stehenden Problem befassen, das bereits eine meiner Vorrednerinnen angeschnitten hat, nämlich mit der Frage des Antragsprinzips in der gesetzlichen Sozialversicherung. Ich meine, daß die Volksanwaltschaft zu Recht immer wieder eine diesbezügliche Regelung einmahnt. Ich glaube, daß es sinnvoll und aus sozialen Überlegungen seit jeher gerechtfertigt wäre, diese Hinweise der Volksanwaltschaft ernsthaft aufzugreifen.

Da bereits im Bereich der Hinterbliebenenleistungen für Waisen eine sehr sinnvolle Erleichterung für die Anspruchsberechtigten erreicht wurde – auch auf Anregung der Volksanwaltschaft –, scheint mir der nächste logische Schritt zu sein, die Leistungen für die hinterbliebenen Ehepartner oder aber auch die hinterbliebenen geschiedenen Ehepartner in der Weise zu regeln, daß diese ebenfalls rückwirkend, und zwar bis maximal fünf Jahre ab Antragstellung, zur Auszahlung gelangen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir uns diesbezüglich zu einer gesetzlichen Regelung verstehen, dann helfen wir vor allem denjenigen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die in der Regel nicht in der Lage sind, zu ihrem Recht zu kommen.


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Die Volksanwaltschaft weist in diesem Bericht abermals darauf hin, daß es sinnvoll wäre, in den Sozialversicherungsgesetzen einen Beratungsanspruch nach dem Günstigkeitsprinzip zu normieren. Das scheint mir in einem Bereich, in dem sich, wie heute auch schon mehrmals zum Ausdruck gekommen ist, nur Experten bei der Materie auskennen, nur allzu gerechtfertigt zu sein. Sollten bei einer solchen Beratung allerdings Aspekte, etwa die Sach- und Rechtslage betreffend, unberücksichtigt geblieben sein, die der Beratende im Beratungsgespräch nicht voll überblickt hat oder nicht überblicken konnte, dann soll dem Versicherten, der um eine Rechtsauskunft oder eine Beratung bemüht war, nicht daraus, daß er den falschen Schritt gesetzt hat, auch noch ein Nachteil erwachsen. Ich meine, daß die Volksanwaltschaft daher zu Recht anregt, daß in solchen Fällen, ohne daß ein Verschulden zu prüfen wäre, die Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes herbeigeführt wird.

Ich freue mich – um zu einem anderen Punkt zu kommen –, feststellen zu können, daß die Vorschläge der Volksanwaltschaft zur Verbesserung der Situation pflegebedürftiger Menschen unter Absicherung pflegender Angehöriger bereits wenigstens zum Teil verwirklicht wurden oder bei der nächsten Novellierung des Pflegegeldgesetzes umgesetzt werden. Sowohl was die Klarstellung der Einstufungskriterien im Pflegegeldgesetz als auch die sozialversicherungsrechtliche Absicherung der pflegenden Angehörigen anlangt, ist die Volksanwaltschaft mit ihren ständigen Bemühungen erfolgreich gewesen. Es ist mir daher ein Anliegen, sehr geschätzte Damen und Herren, der Volksanwaltschaft für diese Tätigkeit im Sinne der Familien, die pflegebedürftige Angehörige im gewohnten Wohnumfeld oft unter ganz besonders schwierigen Umständen versorgen, und für diese Bemühungen meinen Dank auszusprechen. (Beifall bei der SPÖ.)

Als letzten Punkt möchte ich auf das Arbeitsmarktservice zu sprechen kommen. Der vorliegende Bericht zeigt uns die Bedeutung dieser Institution. Sicherlich sind bereits einige Anregungen der Volksanwaltschaft umgesetzt worden. Durch die Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes wurde beispielsweise die von der Volksanwaltschaft aufgezeigte Problematik der tageweise beschäftigten Personen entschärft und ein Anrechnungsmodell geschaffen, das innerhalb bestimmter Grenzen auch einen Zuverdienst zum Arbeitslosengeld oder zur Notstandshilfe über die Geringfügigkeitsgrenze hinaus erlaubt, ohne daß dies zum Entfall des gesamten Leistungsanspruches führt. Auch wenn diese Lösung nur befristet in Kraft gesetzt wurde, scheint sie doch dem von der Volksanwaltschaft aufgezeigten Anliegen zu entsprechen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Auch im Bereich des Leistungsrechts der Arbeitslosenversicherung sollte, den Anregungen der Volksanwaltschaft folgend, das Antragsprinzip, das ich schon einmal erwähnt habe, überdacht werden. Die von der Volksanwaltschaft in diesem Zusammenhang aufgezeigten Fallkonstellationen, welche die Lebenswirklichkeit und die Situation arbeitssuchender Menschen deutlich machen, sind ja keine theoretischen, kaum vorkommenden Fälle, sondern stellen Problemsituationen dar, die jene Menschen erlebt haben, die sich mit ihren Sorgen an die Volksanwaltschaft gewendet haben.

Zusammenfassend möchte ich feststellen, daß ich in meinem Debattenbeitrag besonders den Sozialbereich hervorgehoben habe, weil dieser die Bedeutung der Volksanwaltschaft sehr stark unterstreicht. Ähnliches kann man sicher auch aufgrund der anderen Berichtsabschnitte feststellen. Aus diesem Bericht ziehe ich persönlich die Schlußfolgerung, daß die Volksanwaltschaft ihrer Aufgabenstellung, wie sie im Siebenten Hauptstück der Bundesverfassung zum Ausdruck gebracht ist, in einer Weise nachkommt, wie sie dem Wortlaut und dem Sinn der Verfassung entspricht. Daher wünsche ich der Volksanwaltschaft bei der Erfüllung ihres verfassungsmäßigen Auftrages im Sinne der Bürger unseres Landes weiterhin recht viel Erfolg! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Schwarzenberger. )

11.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich jetzt Frau Volksanwältin Mag. Messner zu Wort gemeldet. – Bitte.

11.43

Volksanwältin Mag. Evelyn Messner: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich glaube, daß es eine der wesentlichen Aufgaben


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der Volksanwaltschaft ist, eine Art Spiegel der gesellschaftlichen Situation in unserem Lande zu sein und Ihnen als Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaft, des österreichischen Nationalrates, mit diesem Spiegelbild zu helfen, Ihre Entscheidungen zu treffen. Das ist, glaube ich, im Sinne der Bürger, die Sie zu Abgeordneten gewählt haben, und das ist ein wesentlicher Teil unserer Aufgabe, da wir letztlich von Ihnen in dieses Amt entsandt worden sind.

Gesellschaftliche Entwicklung ist aber etwas, das sich in Fluß befindet. Ich teile daher die Meinung meiner beiden verehrten Amtskollegen, des derzeitigen Vorsitzenden der Volksanwaltschaft, Herrn Volksanwalt Horst Schender, und der Frau Kollegin Volksanwältin Ingrid Korosec, daß auch die Volksanwaltschaft sich weiterentwickeln muß und daß die Volksanwaltschaft von Ihnen die Chance bekommen muß, sich weiterzuentwickeln. Auch wenn wir offensichtlich nicht immer in allen Punkten einer Meinung sind, bitte ich Sie doch darum, daß Sie uns in umfassenden Diskussionen immer wieder die Möglichkeit zum Gedankenaustausch geben.

Einen Punkt möchte ich ganz speziell ansprechen, weil er heute schon vielfach in Diskussion gezogen worden ist: Das ist die Frage der Prüfmöglichkeit bei ausgegliederten Rechtsträgern. Gestatten Sie mir, daß ich – ich bin von meiner Ausbildung her Germanistin – einen wesentlichen sprachlichen Unterschied aufzeige, nämlich zwischen "ausgegliedert" und "privatisiert". Es gibt da, wie ich meine, sehr wohl einen wesentlichen Unterschied, und ich bin sehr froh darüber, daß man zum Beispiel – auch das wurde schon angesprochen – das Arbeitsmarktservice weiterhin der Prüfmöglichkeit durch die Volksanwaltschaft unterstellt hat.

25 Prozent aller Beschwerden betreffend den Sozialbereich, die im Jahr 1996 an die Volksanwaltschaft herangetragen worden sind, bezogen sich auf das Arbeitsmarktservice. Das zeigt, daß diese Maßnahme sehr wohl zu Recht erfolgt ist und daß sie im Sinne der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes eine wichtige ist.

Es wurde heute auch schon davon gesprochen, daß man die betroffenen Bürgerinnen und Bürger im Bereich anderer ausgegliederter Rechtsträger unter Umständen auf den Zivilrechtsweg verweist. Das möchte ich mit einem Fragezeichen versehen, denn auch ich glaube nicht, daß eine einfache Frau aus dem Waldviertel oder der kleine Mann aus dem südlichen Burgenland die Möglichkeit hat, sich einem großen, mächtigen ausgegliederten Rechtsträger auf dem Gerichtsweg zu stellen, ohne ein unendliches Kostenrisiko einzugehen. (Beifall bei den Grünen.)

Es hat sich in diesem Zusammenhang eine sehr spontane Diskussion zwischen Frau Abgeordneter Dr. Karlsson und Frau Abgeordneter Dr. Frieser ergeben, und ich würde gerne als kleinen Denkanstoß ein Beispiel aus anderen europäischen Ländern hier dazu einbringen. Es gibt nämlich eine Reihe von nationalen Ombudsmanneinrichtungen, wo die Frage der Prüfkompetenz für ausgegliederte Rechtsträger mit der "Wahrnehmung von öffentlichen Interessen" definiert ist. Ich glaube, das ist etwas, worüber man doch noch einmal nachdenken sollte.

Es wurde uns schon vor einiger Zeit eine Enquete über die Volksanwaltschaft, vielleicht zum 20. Geburtstag, in Aussicht gestellt. Ich möchte jetzt nicht so pessimistisch sein, zu sagen, vielleicht könnten wir sie zum 25. Geburtstag erhalten, aber vielleicht gäbe es wirklich einmal die Möglichkeit, sich über die parlamentarischen Möglichkeiten, die uns als Volksanwälten hier zur Verfügung stehen, hinausgehend betreffend die Weiterentwicklung zusammenzusetzen und darüber zu reden. Denn letztendlich haben Sie uns die Aufgabe, die Interessen der Bürger, wie ich zuerst gesagt habe, in einer Art Spiegel, vielleicht in einer Art Hörrohr wahrzunehmen und Ihnen weiterzugeben, übertragen!

Ich glaube nicht, daß wir uns, wenn Sie uns in unseren Überlegungen nicht gleich folgen können, einfach zurücklehnen und sagen dürfen: So ist es halt! Ich möchte weiter bei Ihnen darum werben, daß wir gemeinsam in diesem Sinne für die Bürger nachdenken, um neue Herausforderungen mit neuen Antworten zu versehen.

In einem Punkt möchte ich mich bei Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses, und auch bei den Vertretern von vielen Ressorts, vor allem bei den Vertretern des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, bedanken: Die Anregungen der Volksanwaltschaft sind in vielen Bereichen übernommen worden. Herr Abgeordneter Stippel hat beispielsweise


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darauf hingewiesen, daß hinsichtlich der Frage der Absicherung der pflegenden Personen eine pensionsrechtliche Sicherung für diese Menschen ins Auge gefaßt wurde. Ich denke, das ist ein gutes Beispiel dafür, warum wir Sie auch weiterhin darum ersuchen möchten, auch den anderen legistischen Anregungen der Volksanwaltschaft wirklich mit einem offenen Ohr gegenüberzutreten.

Auch Herr Abgeordneter Donabauer hat zum Beispiel im Zusammenhang mit dem fiktiven Ausgedinge für die Bauern darauf hingewiesen, daß es in der Sozialversicherung der Bauern sicherlich Schwachpunkte gibt. Ich habe in meinem Berichtsabschnitt eine Reihe von solchen Systemschwächen aufgezeigt, von denen ich überzeugt bin, daß sie manchmal sogar unter dem Satz zu subsumieren sind: Sachen gibt’s, die gibt’s gar nicht! Denn was ich im Laufe der Zeit – und ich darf dieses Amt seit dem 1. Juli 1989 ausüben – bei den Sprechtagen und auch aus den Briefen der Menschen erfahren habe, die sich an mich als Volksanwältin gewendet haben, das ist wirklich unglaublich, das ist einfach unwahrscheinlich! Vermutlich kommt man, wenn man Gesetze macht, gar nicht auf die Idee, daß solche Situationen in der Lebenswirklichkeit wirklich eintreten können.

Ich meine daher, meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses, daß Sie sich, wenn Sie bereit sind, unsere Berichte mit Interesse zu lesen, und auch ein offenes Ohr für uns haben, der Volksanwaltschaft in dem Sinne bedienen können, wie unsere verfassungsmäßige Aufgabe es vorsieht.

Ich möchte noch einen Punkt anmerken, der sich in einem Bericht zwar schwer festschreiben läßt, von dem ich aber glaube, daß er uns allen gemeinsam immer wieder am Herzen liegen muß, und zwar, wie man mit den Menschen umgeht – in allen möglichen Einrichtungen, auf allen möglichen Ebenen der Verwaltung.

Die Menschen beschweren sich oft nicht nur über legistische Härten, über tatsächliches verwaltungsmäßiges Fehlverhalten, sondern sie fühlen sich oft belastet – wirklich im Sinne von "beschwert" – durch den Umgangston, durch die Art, wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung und vergleichbarer Einrichtungen mit ihnen reden und auf sie zukommen. Menschen, die Benachteiligungen haben – die alt sind, die aus regional benachteiligten Gebieten kommen, die bildungsmäßig benachteiligt sind, die vielleicht andere Behinderungen haben, die sprachlich nicht so artikulationsfähig sind –, leiden ganz besonders darunter. Sie leiden nicht nur darunter, daß wir ihnen manchmal, wie heute auch schon ausgeführt worden ist, durch bürokratische Hürden den Zugang zu unserem Sozialsystem erschweren, sondern sie fühlen sich auch dadurch, daß mit ihnen in einer oftmals unfreundlichen, oft auch schroffen Art und Weise umgegangen wird, wirklich beschwert.

Das ist wie Pudding: Wenn man versucht, einen Pudding anzugreifen, dann rinnt er zwischen den Fingern durch, man hat nichts mehr in der Hand, aber die Hand ist klebrig. Und genauso ist es mit diesen Beschwerden. Das läßt sich nicht dingfest machen, auch nicht durch eine Beschwerde bei der Volksanwaltschaft, weil es dann heißt: Der hat das ja ganz falsch verstanden, der hat das in die falsche Kehle bekommen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich meine, es ist eine ganz wesentliche Aufgabe für uns als Volksanwälte, aber letztlich auch eine Möglichkeit für Sie als Abgeordnete, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung immer wieder dazu hinzuführen – vielleicht sollte man sogar sagen, dazu zu erziehen –, in ihrem Umgang mit den Menschen wie eine echte Serviceeinrichtung zu handeln, sich wirklich als Diener der Bürger zu verstehen, die letztlich in Vollziehung öffentlicher Verwaltung zu ihnen kommen. Ich glaube, dann ließen sich auch solche Schwachpunkte verbessern, die Herr Abgeordneter Öllinger im Bereich des Arbeitsmarktservices angesprochen hat. In vielen Beschwerden wurde das auch mir gegenüber angesprochen – aber nicht nur beim Arbeitsmarktservice, das muß ich hier schon sagen –, daß diese Begegnung mit dem Bürger, das Zugehen auf den anderen Menschen nicht dem, was wir uns unter Servicecharakter einer öffentlichen Einrichtung vorstellen, entspricht.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Sinne darf ich mich einerseits für die Umsetzung der legistischen Anregungen der Volksanwaltschaft bedanken. Ich möchte Sie auf der anderen Seite aber wirklich darum ersuchen, jenen Menschen, die sich eben nicht so artikulieren können, daß sie allein zu ihrem Recht kommen, den Menschen, die benachteiligt sind und die sich gerade aus diesem Grund an die österreichische Volksanwaltschaft wenden, über uns als Artikulationshilfe Ihre besondere Zuwendung, Ihre besondere Aufmerksamkeit zu schenken und in diesem Sinne die legistischen Anregungen und den Bericht der österreichischen Volksanwaltschaft, speziell auch aus meinem Geschäftsbereich, zu verstehen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

11.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lafer. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.54

Abgeordneter Franz Lafer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen Volksanwältinnen! Herr Volksanwalt! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich habe mir heute hier die Reden der einzelnen Mitglieder dieses Hauses zu diesem Tagesordnungspunkt angehört, und ich muß sagen: Ich bin froh darüber, daß die Volksanwaltschaft mit so viel Lob überhäuft wurde. Dr. Schender hat in seinem Redebeitrag ausgeführt, daß sogar die Regierungsfraktionen im Bundesrat sich für eine Erweiterung der Kompetenzen der Volksanwaltschaft ausgesprochen haben.

Auch die Redner der Regierungsparteien hier im Hause, im Nationalrat, haben sich für eine Verbesserung ausgesprochen. Doch es entsteht der Eindruck, daß hier mit gespaltener Zunge gesprochen wird. Sobald die Anliegen der Volksanwaltschaft auf dem Tisch liegen, wird dagegen gestimmt. Mein Kollege Dr. Krüger hat in seinem Debattenbeitrag schon ausführlich darauf hingewiesen, wo die Kontrolldefizite der Volksanwaltschaft liegen und welche Verbesserungen vorgenommen werden müßten. Deshalb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Stadler, Dr. Krüger, Lafer und Kollegen betreffend Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, innerhalb von drei Monaten den Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes zur Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft vorzulegen, der die Umsetzung der folgenden Punkte vorsieht:

Erweiterung der Kontrollzuständigkeit der Volksanwaltschaft auf ausgegliederte Rechtsträger analog der Zuständigkeit des Rechnungshofes,

Aufnahme einer erstreckbaren Frist von vier Wochen für die Behörden zur Erteilung der erforderlichen Auskünfte an die Volksanwaltschaft,

Teilnahme der Volksanwälte an den Verhandlungen der Ausschüsse (Unterausschüsse) des Nationalrates und des Bundesrates,

Verpflichtung der Bundesregierung, die Nichtumsetzung legislativer Anregungen innerhalb einer Frist von drei Monaten zu begründen.

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist kein Antrag der Freiheitlichen Partei, sondern es ist der Wunsch der Volksanwaltschaft, ihre Anliegen hier im Hause verfassungsgemäß zu decken.


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Die Volksanwaltschaft hat in ihrem hervorragenden Bericht viele wichtige Punkte festgehalten, und ich möchte auf einen Punkt besonders hinweisen. Man konnte erkennen, daß es vor allem bei den Fristen extreme Zeitunterschiede gibt. Der Bericht der Volksanwaltschaft zeigt ein besonderes Beispiel: Nahezu rekordverdächtig scheint die Dauer eines amtswegigen Prüfungsverfahrens, das nahezu sechs Jahre gedauert hat – und das im Bereich des Bundesministeriums für Inneres. Die Geschichte ganz kurz: Die Exekutive hat auf der Suche nach illegalen Fremden Warn- und Verständigungsschüsse abgegeben, wobei eine Privatperson verletzt wurde. Bei der Kontrolle dieses Vorganges ist die Volksanwaltschaft draufgekommen, daß bei der Bundesgendarmerie und bei der Bundespolizei im Gegensatz zu Justiz, Zollwache und dem Bundesheer die Warn- und Verständigungsschüsse unterschiedlich abgegeben werden, und zwar von den Erstgenannten in den Boden, sofern nicht die Gefahr von Gellern besteht, und im zweiten Fall in die Luft.

Diese Unterschiede bei der Ausbildung wurden auch dem Bundesminister für Inneres mitgeteilt, der daraufhin erklärte, daß eine Änderung nicht in Frage kommt. Was aber besonders bedenklich erscheint und zeigt, mit welcher Ignoranz gegenüber der Volksanwalt aufgetreten wird, möchte ich hier wörtlich zitieren: Obwohl der Bundesminister für Inneres im konkreten Einzelfall im Amtshaftungsverfahren einem gerichtlichen Vergleich auf Zahlung eines sechsstelligen Betrages an den Verletzten zugestimmt hat, sieht er sich zur Änderung der Ausbildungsmaßnahmen in diesem Punkte nicht bereit. – Das heißt: Der Aufforderung zur Gleichstellung in der Ausbildung der Exekutive wird nicht nachgekommen.

Nächster und abschließender Satz: Dies muß umso mehr verwundern, als Amtshaftungsansprüche nur bei einem schuldhaft rechtswidrigen Organverhalten bestehen, die Beamten aber entsprechend ihrer Ausbildung gehandelt haben. – Das heißt, die Beamten haben gemäß den Vorschriften gehandelt, und trotzdem wird nach dem Gesetz der Amtshaftungsanspruch für den Verletzten wahrgenommen. Hier liegt ein klarer Bruch des Gesetzes vor, den die Volksanwaltschaft aufgezeigt hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man bedenkt, daß Exekutivbeamte, die während der Ausübung ihres Dienstes verletzt werden, von ihrem Dienstgeber derart vernachlässigt werden, daß ihren Ansprüchen auf Entschädigungen nicht nachgekommen wird oder die Verfahren sehr, sehr lange dauern, in diesem Fall aber Entschädigungen an Personen ausbezahlt werden, die nach den bestehenden Rechtsvorschriften keinen Anspruch darauf haben, dann muß man sagen, daß das eine grobe Verletzung der Gesetze ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich ersuche Sie, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen. Wie ich schon vorhin erwähnt habe, ist er nicht Ausdruck eines Wunsches der Freiheitlichen, sondern ein Wunsch der Volksanwaltschaft, um den Bürgern in ihren Rechten helfen zu können. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der vom Abgeordneten Lafer vorgetragene Entschließungsantrag ist geschäftsordnungsgemäß unterstützt; er steht daher mit in Verhandlung.

Nächste Wortmeldung: Frau Volksanwältin Korosec. – Bitte.

11.59

Volksanwältin Ingrid Korosec: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohes Hauses! Erlauben Sie mir, bevor ich auf die direkten Fragen meines Geschäftsbereiches eingehe, einige grundsätzliche Bemerkungen. Selbstverständlich möchte auch ich Ihnen herzlich für Ihr Interesse am Bericht und für Ihr Lob danken.

Wir Volksanwälte verstehen uns als Serviceeinrichtung zur Wahrung der Bürgerrechte, eine Serviceeinrichtung, die von Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, vor 20 Jahren geschaffen wurde. Wir sind dem Parlament in diesem Sinne auch verpflichtet, und zwar nicht nur im Rahmen der Berichte, sondern in allen Formen der Zusammenarbeit, die über den Status quo auf jeden Fall hinausgehen sollten und meiner Überzeugung nach hinausgehen müßten. Denn wir sammeln ja authentische, sehr unmittelbare Erfahrungen. Da geht es um den Ärger der


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Menschen mit Behörden, mit Vorschriften, mit dem Recht, aber es geht auch um Schicksale. Wir werden tagtäglich mit vielen persönlichen Problemen des täglichen Lebens konfrontiert. Das heißt, wir haben sozusagen das Ohr am Puls des Volkes.

Im Interesse der Bürger dieses Landes halte ich es für äußerst wichtig und notwendig, daß wir Ihnen unsere Erfahrungen und Erlebnisse mitteilen können, daß wir Ihnen unsere Schlußfolgerungen darlegen und damit auch manchmal zu Systemänderungen beitragen können. Damit möchte auch ich allen danken, die heute hier wieder unsere Vorschläge unterstützt haben.

Nun zu den konkreten Fragen. Frau Abgeordnete Frieser, Sie haben zu Recht auf das Rechtsschutzdefizit im § 35 Einkommensteuergesetz hingewiesen. Dabei handelt es sich um die mangelnde Bekämpfbarkeit amtsärztlicher Bescheinigungen zur Feststellung des Grades der Behinderung. Seit 1990 hat die Volksanwaltschaft das aufgezeigt, inzwischen sind acht Jahre ins Land gezogen. Im 15., im 17., im 19. und im 20. Bericht wurde das durch immer wieder neue Fälle belegt. Jetzt haben wir wenigstens erreicht, daß seit zwei Jahren interministerielle Verhandlungen laufen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie können sich vorstellen, daß es sich in diesen Fällen naturgemäß eher um ältere Damen und Herren handelt. Glauben Sie, dadurch, daß ein acht Jahre langes Aufzeigen eines Problems durch die Volksanwaltschaft ohne Erledigung bleibt, werde im Bürger das Vertrauen zu Staat und Verwaltung gestärkt? – Die Antwort mögen Sie sich bitte selbst geben. Hätte die Volksanwaltschaft das Recht, im entsprechenden Ausschuß – in diesem Fall im Finanzausschuß – im Dialog mit dem Minister und mit Ihnen, den Abgeordneten, diese Problematik aufzuzeigen, dann hätten wir längst eine Lösung gefunden, davon bin ich zutiefst überzeugt, eine Lösung im Interesse der Menschen in diesem Land, die davon betroffen sind.

Ich kann Ihnen – da wir auch Landesvolksanwälte sind – berichten, daß wir neuerdings in Wien sehr gute Erfahrungen gemacht haben. Nachdem unsere Berichte jahrelang ignoriert worden waren, wurden wir diesmal eingeladen, unsere Probleme auch in den Ausschüssen darzulegen, und eine Reihe von Punkten ist sehr unproblematisch und unbürokratisch im Sinne der Menschen gelöst worden.

Nun zu Ihnen, Herr Dr. Kräuter; ich lächle wieder – hoffentlich charmant –: Sie haben neuerlich betont, Vorschläge bezüglich einer Kodifikation des ASVG gerne entgegenzunehmen. Ich deute das eigentlich als Zustimmung, Herr Abgeordneter Kräuter, als grundsätzliche Zustimmung zu unserem Vorschlag der stärkeren Einbeziehung in die Gesetzwerdung. Denn derzeit haben wir ja gar keine gesetzliche Grundlage, hier einen Vorschlag zu unterbreiten und legistische Anregungen vorzubringen. Ich betrachte das – damit sind wir schon einen Schritt weitergekommen – als grundsätzliche Zustimmung und hoffe, daß weiterhin Gespräche geführt werden und daß wir zu einem guten Ergebnis gelangen.

Hinsichtlich der Frage der Ausgliederungen haben ja meine beiden Kollegen bereits alles Wichtige gesagt.

Herr Abgeordneter Donabauer! Sie haben das Problem der Beschattung von Hausgärten aufgezeigt. Dieses Beispiel veranschaulicht die volle Bandbreite unserer Tätigkeit, meine Damen und Herren! Da ich an nahezu jedem Sprechtag inner- und außerhalb Wiens auf dieses Problem aufmerksam gemacht worden bin, darf ich mich in meinem Tätigkeitsbericht nicht dazu verschließen. Es ist auf Seite 126 ausführlich dargestellt.

Ich sehe meine Aufgabe als Volksanwältin nicht nur darin, Vollzugsdefizite oder Vollzugsfehler im Bericht darzustellen. Denn das Wirken im nachhinein – auch das möchte ich hier einmal sagen – ist manchmal für den Bürger wirkungslos. Daher bin ich vielmehr überzeugt, daß jede Verwaltungskontrolle – und so auch die der Volksanwaltschaft – eine reformerische Aufgabe zu erfüllen hat. Ich werde diesen Weg weiter mit voller Überzeugung gehen, meine sehr geehrten Damen und Herren!


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Meine beiden Amtskollegen haben auf die Reformvorschläge hingewiesen, und jetzt möchte auch ich persönlich noch einmal dafür werben – nicht, weil wir Volksanwälte uns hier sozusagen selbst verwirklichen wollen, sondern weil es für die Bürger dieses Landes von großer Bedeutung ist, daß die Volksanwaltschaft ihre vielen Erfahrungen hier bei Ihnen als Entscheidungshilfe einbringen kann, als Beratungsgremium für Ihre Entscheidungen, die dann vielleicht in manchen Bereichen praxisnäher erfolgen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Aufgabe einer Volksanwältin ist eine äußerst faszinierende, man wird jeden Tag mit Problemen von Menschen konfrontiert. Wir können in vielen Fällen helfen. Helfen auch Sie uns – auch in Ihrem Interesse, da wir ja als Hilfsorgan des Parlaments tätig sind –, daß wir unsere Aufgaben im Interesse der Bürger dieses Landes noch besser, noch schneller und noch effizienter erfüllen können! (Allgemeiner Beifall.)

12.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt zu diesem Punkt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Der Berichterstatter wünscht kein Schlußwort.

Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen, und ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir stimmen ab über den Antrag des Ausschusses, den vorliegenden Bericht III-88 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für dessen Kenntnisnahme ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Bericht wird einstimmig zur Kenntnis genommen.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Kier und Genossen betreffend Nichtgewährung von Akteneinsicht durch die Volksanwaltschaft beim Bundesministerium für Landesverteidigung.

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt .

Wir stimmen weiters ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen betreffend Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft.

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

2. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (889 der Beilagen): Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten samt Erklärung (1067 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Da auf eine mündliche Berichterstattung verzichtet wurde, können wir sofort mit der Debatte beginnen.

Ich erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Mag. Posch das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

12.09

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Mit dem Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten liegt das erste multilaterale, rechtlich verbindliche Instrument vor, das dem spezifischen Schutz der Minderheiten gewidmet ist. Es wurde inzwischen von an die 20 Staaten ratifiziert und ist mittlerweile – am 1. Februar 1998 – in Kraft getreten.


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Damit es von den 40 Mitgliedern des Europarates überhaupt als Vertragswerk akzeptiert wurde, wurde der Begriff "Minderheit" nicht definiert. Das ist sicherlich eine Schwäche des Rahmenübereinkommens. Die Unterzeichnerstaaten können die Definition selbst festlegen. Trotzdem ist es – vor allem in bezug auf die Situation der Minderheiten in Osteuropa – ein äußerst wichtiges Rechtsinstrument des Europarates.

Das vorliegende Rahmenübereinkommen definiert die Rechtsgrundsätze näher, zu deren Einhaltung die Staaten sich zum Schutz nationaler Minderheiten verpflichten. Es ist eine Reihe von pragmatischen Bestimmungen und Zielen vorgegeben. Bei der Verwirklichung dieser Ziele durch die einzelnen Staaten wird jedoch ein großer Ermessensspielraum gewährt. Daher gibt es, wie gesagt, keine Begriffsdefinition, sondern man hat eine pragmatische Vorgangsweise gewählt. Das heißt, das Übereinkommen wird mittels innerstaatlicher Rechtsvorschriften und entsprechender Regierungspolitiken, die folgen mögen, umgesetzt.

Für Österreich bedeutet dies zunächst, daß es ein Einverständnis darüber gibt, daß das Übereinkommen auf die gemäß § 1 Abs. 2 Volksgruppengesetz festgelegte Personengruppe zutreffen soll. Die Vertragsparteien verpflichten sich hierbei, gegen Diskriminierung zu kämpfen, für die Gleichheit der Volksgruppen einzutreten, deren Kultur zu bewahren, die Versammlungsfreiheit, Vereins-, Gedanken-, Gewissens-, Religions- und Meinungsäußerungsfreiheit zu garantieren und vor allem den Gebrauch der Minderheitensprache als wichtigstes Kriterium für deren Identität zu erlauben sowie die Gründung eigener Schulen und Ausbildungsstätten und so weiter zuzulassen.

Die Konvention enthält außerdem einen eigenen Kontrollmechanismus. Auch die Berichtspflicht der Vertragsstaaten – das ist besonders wichtig – ist sichergestellt. Die Vertragsstaaten sehen gemäß Konvention von Zielsetzungen und Praktiken ab, die auf die Assimilierung von Angehörigen einer Minderheit abzielen, ebenso wie sie in Analogie zum Anhang III der Wiener Erklärung geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz treffen, um Menschen vor diskriminierenden, feindseligen oder gewalttätigen Handlungen zu schützen.

Österreich hat seine vertraglichen Verpflichtungen sicherlich weitgehend erfüllt. Trotzdem bleibt – das muß man fairerweise sagen – noch eine Reihe von Wünschen und Hoffnungen offen und ist bisher unerfüllt. Daher möchte ich hier – wie schon an vorangegangener Stelle – einige dieser Hoffnungen und Wünsche erneut bezeichnen und urgieren: zum einen, eine Staatszielbestimmung im Verfassungsrang zu beschließen, in der sich Österreich zu seinen Minderheiten und zu seiner sprachlichen, kulturellen und ethnischen Vielfalt bekennt. Wenngleich eine derartige Staatszielbestimmung rechtlich nicht besonders wirksam wäre, wäre sie doch ein eindeutiges Bekenntnis Österreichs zu seinen Volksgruppen.

Ich urgiere weiters die Einrichtung einer gesamtösterreichischen Konferenz der Beiratsvorsitzenden der Volksgruppen zur Koordinierung der innerstaatlichen Ziele und Vorstellungen, so wie das im Vorjahr bereits in äußerst fruchtbarer Weise stattgefunden hat. Damit wäre ein institutionalisiertes, repräsentatives Organ vorhanden, das mit der Bundesregierung oder mit den Landesregierungen in Verhandlungen eintreten könnte. Das wäre ein sehr, sehr wichtiger Schritt im Sinne einer konsequenten Weiterentwicklung einer emanzipatorischen Regierungspolitik zum Wohle der Volksgruppen, und es würde helfen, die unterschiedlichen Positionen der Volksgruppen in Österreich – seien es die Kroaten, seien es die Slowenen – zusammenzufassen und in diesem Organ zu vertreten.

Ich urgiere außerdem – das geht besonders an Ihre Adresse, Herr Staatssekretär! – die Ratifikation der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen, die Österreich bereits im Jahr 1992 unterzeichnet hat, des zweiten wichtigen internationalen Übereinkommens des Europarates zum Schutz der Minderheiten. Vielleicht ist es möglich, diese Urkunde noch in diesem Jahr dem Parlament zur Ratifikation vorzulegen.

Mit diesen zwei wichtigen internationalen Rechtsinstrumentarien zum Schutz der Minderheiten verschiebt sich nach meinem Dafürhalten die Perspektive von der engen nationalen Ebene auf


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internationales, europäisches Niveau. Es entspricht gutem europäischen Geist und den integrativen Kräften, und es ist gegen nationalen Chauvinismus gerichtet. Deshalb begrüße ich die Ratifikation dieser Übereinkunft, dieser Rahmenkonvention als einen ersten Schritt, dem gute nationale Schritte folgen mögen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mock. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.15

Abgeordneter Dr. Alois Mock (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute – die Vorberatungen erlauben es, dies anzunehmen – einem bedeutenden Vertrag zustimmen, nämlich dem Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten, dann ist dies ein politisch wichtiger Vorgang, und zwar aus folgenden Gründen:

Zum ersten Mal wird ein Schutzübereinkommen für Minderheiten unter rechtliche Verbindlichkeit, unter rechtliche Obligation gestellt. Es hat Rechtswirkung, und damit sind zum ersten Mal wesentliche Grund- und Freiheitsrechte, die den Angehörigen einer ethnischen Gruppe zustehen, durch rechtliche Verpflichtungen gebunden. Man wundert sich eigentlich, daß es das bisher nicht gegeben hat. Zum ersten Mal – das ist ein bemerkenswertes Ereignis.

Zweitens: Durch diese Sicherung der Grund- und Freiheitsrechte ist eine Chance vorhanden, demokratiepolitische Fortschritte zu machen. Denn die Mehrheit benimmt sich dann so, wie es auch bei uns in der Verfassung steht: Vor dem Gesetz ist jeder Bürger gleich – eine Sache, von der allerdings Angehörige von Minderheiten oder auch die Bürger schlechthin nicht immer glauben, daß sie der Realität entspricht.

Drittens bedeutet die Stärkung der Minderheitenrechte eine Motivation für volles gesellschaftliches Engagement der Angehörigen von Minderheiten. Sie wissen jetzt, daß sie in diesem Staat daheim sind. In dieser Heimat fühlen sie sich wohl und sind in allen Bereichen willkommen.

Letztlich – und das ist nicht das letzte Argument dafür – stärkt dieses Übereinkommen mit dem Inhalt der Stärkung der Minderheitenrechte die innere Stabilität staatlicher Einheiten und die Sicherheit nach außen. In Österreich – mit seiner speziellen Lage und aus der Geschichte heraus – sind wir in einer Situation, daß Minderheiten auf der einen Seite der Grenze der Mehrheit auf der anderen Seite entsprechen, und gerade da geht es um ein gutes Verständnis und gute nachbarschaftliche Beziehungen aufgrund fester Verankerung der Minderheitenrechte.

Die Situation der Beziehungen zwischen Österreich und Slowenien oder zwischen Österreich und Ungarn ist auch für unsere Sicherheit entscheidend. Wir sind nicht allein in der Lage, für unsere Sicherheit vorzukehren. Gute, stabile Beziehungen zu den Nachbarländern sind ein wichtiger Faktor unserer Außenpolitik und ein wichtiger Faktor der äußeren Sicherheit. Das war der Fall, als wir uns bemühten, mit der Nachbarschaftspolitik über den Eisernen Vorhang hinweg Brücken zu bauen, und dieses Engagement für die Nachbarschaftspolitik ist auch jetzt wichtig, zum Zeitpunkt der Wende, zu dem es dort demokratische Regime gibt, die aber mit einem furchtbaren Erbe aus der Zeit des Kommunismus konfrontiert sind.

Ich bin daher sehr froh, daß die Beratungen dieser Vorlage immer wieder dazu führten, daß – ich möchte sagen – alle Fraktionen die Wichtigkeit einer guten Nachbarschaftspolitik hervorgehoben haben. Das beginnt bei uns ja beim Staatsoberhaupt, das sich verdienstvollerweise bis in die letzten Wochen herein sehr engagiert hat, auch die Ergebnisse des Südtirolpakets positiv zu gestalten. Der Bundespräsident hat sich dafür engagiert, eine breite Gesprächsbasis zu den Nachbarstaaten aufzubauen, und zwar nicht nur formell. Man trifft sich als Nachbar und Mensch und redet über alles.

Das gilt auch für den derzeit Verantwortlichen in der Außenpolitik, Dr. Schüssel, und sein Engagement dafür, die Minderheitenfrage zu deeskalieren, wo sie in der Nachbarschaft existiert. Das gilt für alle anderen Fraktionen, die ebenfalls aufgezeigt haben, daß Nachbarschaftspolitik wesentlich im Interesse unseres Landes ist. Wir sollten diese Linie unbedingt fortführen, vor allem weil es sehr, sehr viele Unruhefaktoren gibt.


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Vor kurzem hat es von Belgrad aus geheißen, man dürfe sich nicht einmischen, die Sache im Kosovo sei eine innere Angelegenheit. Darauf müßte man antworten: Sie liegen mit dieser Haltung mindestens 20 Jahre hinten. Menschenrechtsfragen und Minderheitenrechte sind heute Bestandteile der Gemeinschaft und nicht mehr nur eine innere Angelegenheit. Die Arbeit der KSZE hat dazu geführt, daß Menschenrechte heute ein Thema sind, das sich mit Recht auf die ganze Welt, auf die gesamte Gemeinschaft der Staaten bezieht. Das gilt auch für den Kosovo.

Ich möchte die Gelegenheit hier nützen, zu appellieren, sich des Kosovos anzunehmen. Meine Damen und Herren! Man macht wieder die gleichen Fehler: Bevor nicht Blut fließt, macht man nichts außer gelegentlich Vorschläge, und dann wendet man sich wichtigeren Dingen zu!

Rugova, der sogenannte gewählte Präsident von Kosovo, hat sich bemüht, jede Explosion zu vermeiden. Die Situation wird immer schlechter, die Radikalen übernehmen sozusagen die Geschäfte, auch bei der Minderheit, die eine Mehrheit ist. 90 Prozent der Bevölkerung des Kosovo sind Albaner.

Wir müssen uns jetzt einschalten. Die Arbeitsgemeinschaft, die es aufgrund der Vorgänge in Jugoslawien gegeben hat, muß wiederbelebt werden. Es muß einen ständigen Dialog zwischen Priština, der Hauptstadt des Kosovo, Rugova, und Miloševic, der serbischen Regierung, geben. Es muß einen Waffenstillstand und letztlich ein Angebot geben.

Es besteht die Gefahr, daß das Angebot, wenn es gemacht wird, zu spät kommt und daß das, was angeboten wird, zuwenig ist. Der Kosovo muß mindestens jene Autonomie erhalten, die er gehabt hat, plus etwas dazu. Das ist die unterste Ebene der Zugeständnisse an die Albaner. An oberster Stelle müßte stehen, daß sie derzeit die Souveränität Serbiens respektieren müssen. Der Kosovo war international immer ein Teil Serbiens; das muß auch so bleiben. Und dann gibt es eine dynamische Entwicklung in der Demokratie, und diese kann die Dinge verändern.

Wenn wir jetzt nichts machen, meine Damen und Herren, werden wir eines Tages wieder an Gräbern, Massengräbern von Ermordeten stehen, wie es in Vukovar und Srebrenica der Fall war, und sagen, wie sehr uns das, was da passiert ist, leid tut. Wir werden sagen: Furchtbar! Dann gibt es wieder einen Strafgerichtshof, der die Mörder sucht – aber die Toten werden nicht wieder lebendig!

Ich möchte hier auch an die Verantwortlichen der österreichischen Außenpolitik appellieren – ich weiß, Dr. Schüssel hat sich sehr bemüht, für den Kosovo mehr Interesse zu wecken, als kürzlich in einem Vorschlag der EU sich widerspiegelte –: Man müßte vor allem die volle Autonomie wiedereinführen.

Wenn man zum Beispiel in der UNO präventive Diplomatie – das ist jetzt ein Modewort geworden – haben möchte, dann muß auch etwas geschehen. "Präventiv" heißt, einen Konflikt zu vermeiden. Wir landen dann immer bei der Situation, daß man sagen muß: by all means, wir müssen eingreifen, auch mit militärischen Mitteln. Es ist niemandes Wunsch, militärische Mittel zur Lösung politischer Konflikte international einzusetzen. Wir wollen die Konflikte mit diplomatischen, mit politischen Mitteln lösen, vor allem dann, wenn es um Menschenrechte geht. Militärische Mittel sind das letzte Instrument, um die Dinge glaubwürdig zu machen, wenn es heißt: rechtliche Verpflichtung. Das Recht hilft auch nur dann ein kleines Stück weiter, wenn dahinter Macht steht. Das muß man auch sehr deutlich sagen.

Ich meine, Österreich sollte das machen, was es schon in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gemacht hat: eine Politik des Schutzes der Menschenrechte, und zwar in dem Sinn, daß es versucht, Konflikte rechtzeitig zu lösen, und Beiträge in politischer und diplomatischer Hinsicht dazu leistet. Das ist unser Interesse und unsere Aufgabe. Da haben wir auch in den kommenden Jahrzehnten eine Brückenfunktion wahrzunehmen.

Bei den sogenannten Gipfelkonferenzen sehen wir, daß sie oft sehr leer sind, sie heißen nur "Gipfelkonferenzen". Gipfel mit beeindruckenden Leistungen werden selten erreicht, sie können aber auch zu konkreten Zielen führen, das hat sich 1993 gezeigt. Der Europaratsgipfel 1993 war


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ein Erfolg, denn binnen neun Monaten wurde diese Konvention ausgearbeitet, die den Minderheiten sagt: Ihr habt eine größere Chance auf mehr Gleichwertigkeit, auf mehr Gleichheit!

Diese Aussage vertritt, glaube ich, das gesamte Hohe Haus hier, da es sich immerhin um ein Haus handelt, das eine lange Tradition bezüglich des menschenrechtlichen Engagements hat. Es freut mich, daß alle Fraktionen das vertreten – das hat sich in den Beratungen des Verfassungsausschusses gezeigt –, ich vertrete das auch aus meiner Überzeugung als Christdemokrat heraus, die Prinzipien für dieses Engagement finden sich in der christlichen Soziallehre und in der evangelischen Sozialethik. Beide sind, glaube ich, geistige Motoren für mehr Minderheitenschutz, mehr Menschenrechte, die in einer Welt, die sie so wenig kennt, so wichtig sind. – Ich danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

12.25

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.25

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Das Gute an der Vorlage, um die es jetzt geht, ist, daß sie der erste rechtsverbindliche multinationale Versuch ist, eine Übereinkunft zugunsten der nationalen Minderheiten in die Tat umzusetzen.

Der Inhalt ist karg, und das ist das Negative. Auch meine Vorredner haben es schon durchklingen lassen: Es steht eigentlich herzlich wenig Substantielles drinnen, und das, was drinnensteht, ist von geringem Gewicht.

Von ganz besonderer Bedeutung im negativen Sinne erscheint mir, daß zwar die formelle Gleichstellung der Angehörigen nationaler Minderheiten mit den Angehörigen der jeweiligen Mehrheitsbevölkerung hervorgehoben wird, daß aber ausdrücklich festgehalten wird, daß daraus keine kollektiven Rechte abgeleitet werden können für eine nationale Minderheit oder eine Volksgruppe; ich verwende lieber den Ausdruck "Volksgruppe", weil das weniger diminuierend erscheint als der Begriff "Minderheit". Wir alle wissen aber, daß eine Volksgruppe auf Dauer nur dann erhalten bleiben kann, daß sie nur dann blühen und gedeihen kann, wenn sie als Gruppe anerkannt wird und wenn man ihr als Gruppe Rechte und Möglichkeiten einräumt.

In der Stufenordnung der Negierung einer positiven Volksgruppenpolitik steht an erster Stelle die Position, die Frankreich in der Regel einnimmt, aber auch jene Bulgariens und der Türkei, die sagen: Bei uns gibt es keine Minderheiten! Alle Türken in Bulgarien sind nur Bergbulgaren, und alle Kurden in der Türkei sind nur Bergtürken. In Frankreich gibt es offiziell überhaupt keine Minderheiten, obwohl wir wissen, daß es dort eine Handvoll Minderheiten gibt.

Aber die zweite Stufe ist schon, daß man zwar dem einzelnen Bürger einer Minderheit formell dieselben Rechte einräumt wie dem Bürger der Mehrheitsbevölkerung, aber keine Gruppenrechte zuerkennt. Und über dieses bescheidene Stadium: Jeder Bürger ist gleichberechtigt!, kommt bedauerlicherweise auch die heutige Vorlage nicht hinaus.

Es ist auch keine Rede davon, daß man etwa vorgeben würde, daß den Angehörigen der nationalen Minderheiten, der Volksgruppen die Ausbildung, die Erziehung, der Unterricht in der Muttersprache zu ermöglichen wäre – Kindergarten, Schule, alles, was es da gibt –, es steht lediglich, daß das zuzulassen ist. Das heißt: Wenn jemand privat einen Kindergarten in der Sprache der Minderheit einrichten und betreiben möchte, dann kann man das nicht unterbinden, mit welchen Mitteln auch immer, oder man soll es zumindest nicht tun. Aber davon, daß ein Anspruch darauf bestünde, was eigentlich selbstverständlich ist, in Österreich etwa Unterricht in der Muttersprache zu bekommen, ist auch keine Rede.

Wenn es um die Sprachenproblematik geht, sind die Formulierungen deprimierend und entlarvend zugleich. Es heißt etwa – das muß man schon auf der Zunge zergehen lassen –: Jede Person, die einer nationalen Minderheit angehört, hat das Recht, ihre Minderheitensprache privat und in der Öffentlichkeit frei und ungehindert zu gebrauchen. Das heißt, reden darf er in


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seiner Sprache, zu Hause und sogar auf der Straße, aber wenn es etwa um die Behördensprache geht, ist überhaupt nur davon die Rede, daß Bemühungen in die Wege geleitet werden sollen, vor den Verwaltungsbehörden dazu zu kommen, daß man sich in der Minderheitensprache, in der Volksgruppensprache verständlich machen kann. Von den Gerichten ist nicht einmal bei dieser zahmen Formulierung die Rede. Nur die Verwaltungsbehörden sind eingebunden in die Absicht, sich zu bemühen, aber die Gerichte werden nicht einmal erwähnt in dieser bescheidenen Absicht, obwohl mir das ganz besonders wichtig erschiene.

Das bedeutet, es ist dies ein erster Versuch, es ist dies offensichtlich wirklich der kleinste gemeinsame Nenner, der in Europa hat gefunden werden können. Es ist formell an sich ein gewisser Fortschritt, materiell aber überhaupt keiner. Man wird sich bemühen müssen, diesem Gebilde inhaltlich Leben einzuhauchen. Wir können nur hoffen, daß es gelingen wird, erstens das bißchen, das drinnen ist, das bißchen, das es bedeutet, auch wirklich durchzusetzen, sodaß es nicht leeres Papier bleibt. Mir fällt eine ganze Reihe von Staaten ein, in denen es sehr schwierig sein wird, auch diese bescheidenen Ansätze mit Leben zu erfüllen.

Zweitens wird man trachten müssen, daß man wirklich einen gewissen Level, wie in Österreich schon lange praktiziert – wir alle sind stolz darauf, und uns ist das, was bei uns geschieht, noch zuwenig –, auch in den anderen Ländern – da schaue ich nur vom Nordosten über den Osten bis zum Südosten Österreichs – in diesem bescheidenen Rahmen erreicht. Das muß unser Anliegen sein.

Seien wir froh, daß es den Rahmen gibt, aber der Rahmen allein ist zuwenig. Es wird ein aussagekräftiges Bild hineinkommen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.30

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich vernehme – und das ist angenehm – in dieser Debatte, daß sich die Fraktionen dieses Hauses hinsichtlich der vorliegenden Materie einig sind. Es ist ja auch im Verfassungsausschuß die Diskussion schon entsprechend abgelaufen. Das entbindet mich aber nicht von der Pflicht, den österreichischen Vorbehalt noch einmal aufzugreifen.

Es ist eigentlich schade, daß die Bundesregierung es für notwendig erachtet hat, den Vorbehalt abzugeben. Das selbst erklärt ja schon, daß sie der Meinung ist, daß sie das ohne Vorbehalt nicht anwenden kann. Darüber hinaus erweckt der Vorbehalt auf der internationalen Ebene den Anschein, als wären alle Probleme bereits erledigt, was nicht stimmt. Kollege Posch hat auch schon darauf hingewiesen.

Wir sind in einigen Bereichen säumig, wir sind bei den topographischen Aufschriften nicht wirklich weitergekommen. Was auch immer dabei herauskommt: Einfach steckenbleiben darf so etwas nicht! Selbst wenn jemand ein Verfechter des Wunsches ist, daß es gar keine topographischen Aufschriften geben soll, was ich absolut zurückweise, könnte er nicht zufrieden sein mit einem Zustand, bei dem die Faktenlage und die Rechtslage völlig auseinanderklaffen. Aus meiner Sicht haben wir da einen enormen Nachholbedarf.

Wir müssen das, was wir unter Minderheitenschutz verstehen, auch wirklich sichtbar machen. Ich fürchte, der Umstand, daß wir uns gerade bei den topographischen Aufschriften so schwertun, hängt damit zusammen, daß Dinge dadurch sichtbar gemacht werden, daß man nicht nur in Versammlungssälen Sonntagsreden zum Minderheitenschutz halten kann, sondern daß das dann auch ein Teil der Landschaft im eigentlichen Sinn des Wortes wird.

Das Volksgruppengesetz ist ja auch nicht ein Gesetz, das nicht mehr verbesserungsbedürftig ist. Daher meine ich, daß wir aufgrund der heutigen Genehmigung doch versprechen sollten, daß wir die Defizite in diesem Bereich abbauen werden.


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Die soziale Lage ist bei den Minderheiten auch nicht die allerbeste. Wenn man aber einen gesamthaften Ansatz wählt, muß man auch die soziale Situation der Minderheiten in die Betrachtung mit einbeziehen und darf nicht bei den förmlichen Aspekten hängenbleiben. Man sieht das ganz deutlich am Beispiel der Roma, an dem, was in Oberwart bis dato de facto geschehen ist. Es geht teilweise um Aspekte, die im Zusammenhang mit dem Umgang mit Minderheiten stehen, in diesem Fall aber sehr oft um Aspekte, die im Zusammenhang mit der sozialen Frage bezogen auf Minderheiten stehen.

All das sind doch bedeutende Defizite, wird aber selbstverständlich kein Hindernis sein, die Genehmigung zu erteilen. Ich möchte allerdings auf jeden Fall den Eindruck vermeiden, daß die Zustimmung zu dieser Ratifizierung gleichzeitig auch ein Persilschein zur Fortsetzung der bisherigen Minderheitenpolitik ist.

Als letzte Anmerkung: Es wäre schon sehr schön, wenn wir im laufenden Kalenderjahr auch noch die Europäische Charta für Regional- und Minderheitensprachen ratifizieren könnten. Da schließe ich mich dem Kollegen Posch an. Es ist das zwar nicht Verhandlungsgegenstand, aber wann sonst hat man schon die Gelegenheit, das so ausdrücklich und auch in der richtigen Form als Wunsch zu deponieren. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

12.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Jetzt gelangt Frau Abgeordnete Mag. Stoisits zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. (Abg. Mag. Stoisits: Ich korrigiere auf 10! 5 Minuten sind entschieden zuwenig!) 10 Minuten. – Bitte.

12.34

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich möchte nicht an den Aussagen der Vorredner anknüpfen, sondern an einer eines Vorvorvorvorredners, nämlich des Herrn Bundeskanzlers, der sich in der heutigen Fragestunde grundsätzlich zur Volksgruppenpolitik geäußert hat. Er hat nämlich hier bei der Frage des Kollegen Kier, bei der es um die Förderung von Minderheitenmedien gegangen ist – ich kann das jetzt nicht mehr wirklich wörtlich zitieren, aber sinngemäß –, gemeint: Volksgruppenpolitik ist etwas ganz Prioritäres für die Bundesregierung, weil es dabei um essentielle Fragen eines friedlichen Zusammenlebens von Minderheiten und Mehrheiten geht. Da ich ja nicht an der Ernsthaftigkeit von Aussagen des Herrn Bundeskanzlers zweifle und in diesem Fall auch gar nicht zweifeln will, möchte ich am Beginn meiner Ausführungen betonen, daß der Chef der Regierung das wirklich ernst meint.

Daß es dann, wenn es um die konkrete Umsetzung von sozusagen ernstgemeinten politischen Zielen geht, natürlich oft Schwierigkeiten gibt, dafür habe ich auch Verständnis, auch dafür, daß man dazu Zeit braucht. Und die notwendige Zeit möchte ich auch dem Herrn Bundeskanzler, seinen Mitarbeitern und dem Herrn Staatssekretär geben. Nur: Manchmal braucht halt die österreichische Bundesregierung gar viel Zeit für ganz harmlose Dinge.

Die Rahmenkonvention, die heute hier im Parlament genehmigt wird, wird nicht etwa deshalb jetzt erst debattiert, weil das Parlament so faul ist und sich nicht damit beschäftigen möchte, sondern deshalb, weil wir bis vor kurzem warten mußten, daß die Regierung dieses Dokument vorlegt. Die Regierung hat es aber bereits im Jahre 1995 unterzeichnet! – Das nur zur Klarstellung.

Es war eine gemeinsame Initiative aller fünf Parteien, die Regierung wurde in einem Entschließungsantrag aufgefordert. Kollege Schwimmer hat das damals, obwohl er nicht Minderheitensprecher ist, sehr unterstützt, da es ja auch in unserem Interesse ist, daß man es ein bißchen ernster nimmt, wenn der Europarat Konventionen ausarbeitet. Österreich unterschreibt sie immer sehr schnell – da sind wir wirklich sehr schnell –, aber bei der innerstaatlichen Umsetzung läßt man sich dann Zeit.

Das zweite, heute bereits angesprochene Dokument – vom Kollegen Posch, aber soeben auch vom Kollegen Kier –, nämlich die Charta der Regional- und Minderheitensprachen, hat Österreich bereits 1992 unterzeichnet. Seit 1992 schmücken wir uns international damit, daß wir ein


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sehr vorbildliches Land sind, wenn es um Minderheitenfragen geht, denn wir haben ja die Charta sofort unterzeichnet, und es gibt dabei kein Problem, denn sonst hätten wir sie ja nicht unterzeichnen können. Nur: Es hat das keine innerstaatlichen Rechtswirkungen. In Österreich ist das, was der Herr Außenminister irgendwo unterzeichnet, irrelevant, wenn es nicht in innerstaatliches Recht umgesetzt ist. Und darauf warten das Parlament und vor allem die Betroffenen, die Organisationen der Minderheiten und jeder einzelne Volksgruppenangehörige, in diesem Fall schon fast sechs Jahre. Vielleicht wird der Herr Staatssekretär dazu eine Anmerkung machen und uns sagen, wann dieses zweite Dokument dem Parlament vorgelegt werden wird.

Ich bin in diesem Zusammenhang nicht besonders optimistisch, denn Kollege Schwimmer – nicht die Grünen, sondern Kollege Schwimmer! – hat eine Anfrage an den Herrn Bundeskanzler gerichtet, und die Antwort auf die bescheidene Frage, wann die Charta in Begutachtung kommt und wann sie dem Parlament zur Genehmigung vorgelegt wird, ist nicht sehr vielversprechend, denn bei der zweiten Charta – ich möchte damit nicht die Rahmenkonvention, die wir heute genehmigen, irgendwie abwerten – geht es nämlich wirklich um etwas, auch ein bißchen um das Eingemachte. Dort steht nämlich genau das drinnen, wovon Kollege Ofner gerade gesprochen hat, sozusagen auch konkrete Dinge.

Darin wird zum Beispiel auch die Sprache vor den Justizbehörden erwähnt beziehungsweise festgeschrieben. Darin sind Punkte enthalten, nach denen Österreich seine innerstaatliche Rechtsordnung adaptieren und anpassen müßte, ganz konkret.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, damit wir nicht von etwas reden, was noch gar nicht ist, bleiben wir beim heutigen Tagesordnungspunkt, nämlich der Rahmenkonvention. Und da möchte ich jetzt an die Worte des Kollegen Ofner anschließen, der gesagt hat: Formell ist sie wunderschön, aber materiell gibt sie nichts her! Ich möchte mich nicht inhaltlich seinen Worten anschließen, sondern an seine Worte anknüpfen und sagen: Wenn man das, was die Rahmenkonvention inhaltlich vorsieht, ernst nimmt – ich hoffe doch, daß man das tun wird –, dann bedeutet das nach meiner Einschätzung, daß in Österreich mit dem Tag der Ratifizierung, also ab jetzt, Teile des gegenwärtigen österreichischen Volksgruppenrechts, in dem Fall des Volksgruppengesetzes, völkerrechtswidrig werden.

Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, in Österreich liegt eben ein Volksgruppengesetz, in dem es Prozentklauseln gibt, vor; nur wenn 25 Prozent der Leute in einer Gemeinde Volksgruppenangehörige sind, knüpfen sich daran bestimmte Rechte. Von Prozentklauseln spricht die Rahmenkonvention jedoch in keinem Punkt.

Man muß sich folgendes vorstellen: Der Europarat umfaßt gegenwärtig 40 Mitgliedstaaten; ich glaube, es sind 40. Das ist ein Bogen, der sich von Moldawien nach Großbritannien spannt. (Abg. Schwarzenberger: Irland!) Irland, ja! Und in diesem Bogen müssen alle Platz haben. Im Zuge der Umsetzung hat das Verständnis von nationalen Minderheiten, das so unterschiedlich ist, auch in der Rahmenkonvention seinen Platz gefunden. Das kann aber nicht bedeuten, meine Damen und Herren, daß Österreich dies jetzt folgendermaßen interpretiert und sagt: Ja, wir führen eine Nivellierung nach unten durch; denn würde man das in diesem Sinne interpretieren, dann wäre die Erfüllung des Artikels 7 Staatsvertrag von Wien – immerhin ein Bestandteil der österreichischen Verfassung – auch irrelevant, weil dort Rechte normiert sind, die aus der Rahmenkonvention nicht auf diese Art und Weise auf andere übertragbar wären.

Ich interpretiere das natürlich anders und sage folgendes: Österreich muß den Level, den es bereits hat, erstens beachten und zweitens in der Umsetzung erst recht anheben. Darum ergeben sich meiner Ansicht nach aus dem Schritt, den das Parlament heute auf Vorschlag der Regierung hin tut, logischerweise einige Handlungspunkte für die Bundesregierung beziehungsweise auch für den Nationalrat, weil es ja um Gesetzesnovellierungen geht.

Ich fasse das unter Neukodifizierung des Volksgruppenrechtes zusammen, wobei es konkrete Fragen gibt, die nicht das gegenwärtige Volksgruppengesetz allein betreffen, sondern weit darüber hinausgehen. Das Niveau des Rechtsstatus der einzelnen – und jetzt spreche ich ausschließlich von anerkannten Volksgruppen –, nämlich sechs, anerkannten Volksgruppen ist


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sehr, sehr unterschiedlich. Es ist so, daß es zu einer Anpassung an das Niveau des Artikels 7, nämlich an die Rechte der Kroaten und Slowenen kommen muß und nicht umgekehrt. Deshalb ist – das ist der erste Punkt – dem einhelligen Wunsch der österreichischen Volksgruppen – in diesem Falle der Beiräte, die darüber Beschlüsse gefaßt haben – sehr wohl zu entsprechen und eine Anpassung vorzunehmen, Herr Staatssekretär! (Abg. Jung: Beiräte!)

Darüber hinaus haben die Volksgruppen auch konkrete Wünsche, denn die Politik und das tägliche Leben sind ja viel konkreter als der abstrakte Überbau von Verfassungsbestimmungen. Dabei geht es um das zweisprachige Bildungswesen, um Kindergärten in zweisprachigen Regionen, und es geht eben darum, daß Kärnten immer noch kein eigenes Kindergartengesetz hat, das zweisprachige Erziehung in öffentlichen Kindergärten verbindlich möglich macht – im Gegensatz zum Burgenland. Hier könnte doch das Burgenland Vorbild für Kärnten sein.

Es geht darum, daß es bis jetzt keine ausreichende finanzielle Absicherung dafür gibt, daß ein mehrsprachiges Angebot bei elektronischen und audiovisuellen Medien vorhanden ist. Darüber wurde ja heute in der Früh im Zuge der Fragestunde diskutiert. Der Herr Bundeskanzler hat entweder Herrn Kollegen Kier und mich bewußt mißverstanden oder hat überhaupt nicht verstanden, was wir meinen. Ich sage nicht, daß die Presseförderung dahin gehend zu adaptieren ist, daß alle 50 Regional- und Lokalradiosender nun – alle über einen Kamm geschert – Presseförderung bekommen müssen, aber Minderheitensprachen-Radiosender – und da wird es jetzt zwei, nicht Regional-, sondern nur Lokalradiosender geben, nämlich einen in Südkärnten und einen im Burgenland – können nur dann existieren, wenn sie staatliche Unterstützung und Förderung bekommen.

Herr Staatssekretär! Ob das nun mit dem Überbegriff "Presseförderung" bezeichnet wird oder nicht, ist eine semantische Frage. Tatsächlich geht es um das Geld! Die Sendungen dieser Lokalradios können am 1. April – wie sagt man da? – nicht über den Äther gehen, wenn das Geld für diese erstmalige Basisfinanzierung – es müssen ja nicht jährliche Beträge sein, aus denen dann Gewohnheitsrecht entsteht – nicht von irgendwo herkommt. Und das ist natürlich ein Punkt, bei dem sich Minderheitenpolitik ganz konkret äußert und bei dem sich jetzt auch zeigen wird, wie ernst es der Herr Bundeskanzler mit seiner Aussage, daß Volksgruppenpolitik wirklich Priorität haben müsse, meint.

Nun komme ich zu den drei letzten, nicht weniger wichtigen Punkten: Auch die Behandlung der Fragen der Strukturverbesserung, der Wirtschaftsförderung und der eigenständigen Regionalentwicklung sollte ermöglicht werden. Nationale Minderheiten in Österreich – also Volksgruppen – leben am Rand, an der Peripherie, und nicht im Zentrum, auch räumlich-geographisch betrachtet. Sie brauchen deshalb mehr Unterstützung – auch über die Frage der sprachlichen und kulturellen Förderung hinaus –, nämlich wenn es um die Existenzmöglichkeiten in den Regionen geht; denn sonst gibt es nur Abwanderung und Nivellierung in Hinblick auf Assimilierung in den Ballungszentren.

Die zwei letzten Punkte betreffen die unendliche Geschichte der zweisprachigen Ortstafeln. Dies ist die unendliche Geschichte des täglichen Verfassungsbruchs durch die Bundesregierung. Im Burgenland gibt es noch immer keine zweisprachigen Ortstafeln, im Burgenland gibt es immer noch nicht die Möglichkeit, daß ein Kroate oder eine Kroatin in seinem beziehungsweise ihrem Reisepaß folgendes stehen hat: Wohnort: Stinatz/Stinjaki oder Wohnort: Großwarasdorf/Veliki Borištof. Ich meine, das ist ja eine Farce! In Wirklichkeit ist das eine Farce, wenn man daran denkt, daß Österreich Mitglied der Europäischen Union ist und daß es – bezogen auf das Burgenland – Milliarden Schilling an Förderbeträgen von der Europäischen Union bekommt; doch ganz elementare Dinge wie zweisprachige Topographie werden nicht einmal erwähnt. An und für sich müßten sich ja der Herr Außenminister oder der Herr Bundeskanzler jedes Mal genieren, wenn sie in den europäischen Gremien zu tun haben. Ich weiß nicht, inwieweit diese Fragen überhaupt im Bewußtsein der jetzt genannten Herren verankert sind.

Der letzte Punkt ist – nach meiner Interpretation – erfreulich. Einem Artikel der "Wiener Zeitung" habe ich entnommen, daß der Herr Bundeskanzler nun die Absicht hat, den Volksgruppenbeirat für die Slowenen aufzustocken, das heißt, die Mitgliederzahl von 16 auf 18 Mitglieder zu


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erhöhen. Ich schließe daraus, daß man beabsichtigt, den steirischen Slowenen dort zwei Plätze – jetzt sage ich es einmal untechnisch – zu geben. Das kommt – und das ist mein Analogieschluß zu der Volksgruppe der Roma – natürlich einer politischen Anerkennung der steirischen Volksgruppe gleich. (Abg. Wurmitzer: Es gibt keine steirische Volksgruppe!)

Daß es die Volksgruppe der steirischen Slowenen faktisch gibt, weiß jeder, daß das ganze Verhalten der steirischen Landesregierung, was diesen Punkt angeht, mehr als beschämend ist, weiß auch jeder, und wenn meine Interpretation stimmt, dann ist hier etwas Positives im Gange. Manchmal muß ich Ihnen, meine Damen und Herren – ich möchte nicht in den Verdacht geraten, eine Zentralistin zu sein –, sagen, daß es schon gut ist, daß Möglichkeiten bestehen, durch die man – wie in diesem Fall – zum Wohle der Bürger und Bürgerinnen in Österreich von oben nach unten Vorgaben gibt. – Hvala na paýnu. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum. – Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. )

12.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Schwimmer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.49

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Nur eine kurze Bemerkung zu den Ausführungen der Kollegin Stoisits, die vielleicht manchmal den Eindruck hatte, die Steirer verhielten sich wie eine eigene Volksgruppe, aber, ich glaube, die steirische Volksgruppe ist hier in diesem Rahmenübereinkommen nicht gemeint.

Nun zum Thema Ratifikation des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten selbst: Die Parlamentarische Versammlung des Europarates, in der ich – neben anderen Kollegen – Österreich vertreten darf, hat schon in den siebziger und achtziger Jahren rechtliche Instrumente zum Schutz der nationalen Minderheiten verlangt, und zwar – das möchte ich auch ausdrücklich sagen – wesentlich mehr Instrumente als in diesem Rahmenübereinkommen enthalten sind.

Ich schließe mich den kritischen und unzufriedenen Äußerungen insofern an, als daß es mehr Schutz der nationalen Minderheiten beziehungsweise Volksgruppen im internationalen Recht geben könnte und hoffentlich in Zukunft auch geben wird.

Trotzdem freue ich mich wirklich von ganzem Herzen, daß heute dieses Rahmenübereinkommen ratifiziert wird, weil ich es als ein wichtiges und notwendiges Instrument der politischen Neuordnung Europas ansehe. Es zeigt nämlich, daß sich Europa zur Einheit in der Vielfalt bekennt und daß es zu einer Veränderung in der Einstellung zu den sowie im Denken über die nationalen Minderheiten und Volksgruppen gekommen ist. Während in früheren Zeiten Minderheiten von den Nationalstaaten eher als Gefährdung deren territorialer Integrität angesehen worden sind – sozusagen als potentielle Irredentisten –, anerkennt man heute, daß Volksgruppen eine Bereicherung, eine Brücke zu den Nachbarn, eine Brücke nach Europa überhaupt darstellen.

Deshalb ist es wichtig, daß es ein solches Instrument gibt, auch wenn sein Inhalt besser sein könnte, wie etwa auch die Parlamentarische Versammlung verlangt hat, daß es ein Zusatzprotokoll zur Europäischen Konvention der Menschenrechte geben soll. Ich bin nach wie vor der Meinung, daß ein solches Zusatzprotokoll richtig und gut wäre.

Der Schutz der nationalen Minderheiten ist im Europa von heute zweifellos auch ein wichtiges Instrument der Konfliktvermeidung und der Erhaltung des Friedens. Ich bin der Ansicht, daß jedem Beobachter der Zeitgeschichte klar ist, daß der Konflikt im früheren Jugoslawien mit der Aufhebung der Autonomie in der Vojvodina und im Kosovo begonnen hat, als dort den nationalen Minderheiten ihre Rechte genommen wurden. In diesem Augenblick haben andere Völker Jugoslawiens zu Recht Mißtrauen gezeigt und sich vor dem Regime in Belgrad gefürchtet; also ist dieses Instrument gut und richtig zur Konfliktvermeidung.


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Mit dem Schutz der Minderheiten und der Rechte und Freiheiten der Angehörigen von Minderheiten wird in dieser Rahmenkonvention zum Ausdruck gebracht, daß es sich hier um einen integrierenden Bestandteil der Menschenrechte handelt; damit sind Minderheitenrechte keine interne Angelegenheit eines Staates selbst mehr, sondern Angelegenheit der europäischen Völkergemeinschaft, also eine internationale Verpflichtung. Zu dieser internationalen Verpflichtung bekennen wir uns heute auch durch diese Ratifikation.

Ich habe einige Erfahrung als Berichterstatter der Parlamentarischen Versammlung für Länder mit Minderheiten, zum Beispiel in der Slowakei, in Rumänien und in der Türkei – positive als auch negative. Auch da ist es wieder wichtig, daß Österreich – ich sage jetzt – diese Konvention endlich ratifiziert, weil es damit seine Stimme auf internationaler Ebene besser zum Schutz von Minderheiten erheben kann. Ich möchte hier ganz ausdrücklich sagen, daß ich der Ansicht bin, daß Österreich etwas zu spät ratifiziert. Es war Außenminister Alois Mock, der zur Zeit des ersten Wiener Gipfels der Staats- und Regierungschefs der Länder des Europarates als Vorsitzender des Ministerkomitees eine treibende Kraft hinter der Rahmenkonvention gewesen ist; und Österreich ratifiziert – ich glaube, wenn ich richtig zähle – als 18. Mitgliedstaat. (Abg. Dr. Khol: Richtig!) Wir sind nicht unter den ersten zwölf Staaten gewesen, die notwendig waren, damit die Konvention in Kraft treten konnte. Ich hätte es lieber gesehen, wenn wir bereits unter den ersten zwölf gewesen wären. Das wäre auch eine entsprechende Würdigung des Anteils der Arbeit von Alois Mock am Zustandekommen dieses Übereinkommens gewesen. (Beifall bei der ÖVP und bei den Grünen. – Abg. Dr. Gredler: Ihr habt es in der Hand gehabt!)

Herr Staatssekretär! Ich möchte mich auch diesem Appell anschließen. Frau Kollegin Stoisits hat schon meine Anfrage an den Bundeskanzler und dessen unbefriedigende Anfragebeantwortung vom 11. September des Vorjahres erwähnt. Das Rahmenübereinkommen wurde von Österreich am 1. Februar 1995 unterzeichnet, die Charta zum Schutz der Regional- und Minderheitensprachen am 5. November 1992. Die Anfragebeantwortung enthält eine Reihe von bürokratischen Überlegungen. Dies ist eine politische Überlegung: Bekennen wir uns zum Schutz der nationalen Minderheiten und zum Schutz unserer Volksgruppen! Daher sollten wir auch die Charta so rasch wie möglich ratifizieren! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Hans Helmut Moser. )

Lassen Sie mich zwei kurze Sätze zum Abschluß sagen: Ich meine, die Rahmenkonvention zum Schutz der Minderheiten zeigt, welche Zielsetzungen der Europarat hat. Ich möchte Ihnen das zu Beginn eines Dialogs, den wir mit Interessierten und Betroffenen über die Biomedizinkonvention führen sollten, zur Überlegung geben. Ich bin für die Ratifizierung, aber nicht für eine überstürzte, sondern sie sollte nach einem entsprechenden Dialog und nach entsprechender Aufklärung erfolgen.

Es gibt einen weiteren internationalen Vertrag, den ich hier erwähnen möchte, bei dem Österreich ebenfalls federführend, eigentlich Motor, gewesen ist. Es ist dies der Vertrag von Ottawa über das Verbot von Landminen. Dieser Vertrag ist auch zur Unterschrift und Ratifizierung offen; es bedarf 40 Mitgliedsländer, damit er in Kraft treten kann. Daher sollte Österreich jedenfalls unter jenen Ländern sein, die ratifizieren, damit dieser Vertrag in Kraft treten kann. Auch das wäre eine Anerkennung unserer Leistungen. (Beifall bei der ÖVP.)

Abschließend möchte ich folgendes sagen: Auch als Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, die für noch stärkere Instrumente eintritt und welcher – das sage ich mit Stolz – ein Großteil der Minderheitenvertreter angehört – von Rumänien bis Spanien –, bin ich froh darüber, daß es dieses Rahmenübereinkommen gibt. Ich möchte aber auch die Regierung ersuchen, im Ministerkomitee des Europarates darauf zu drängen, daß das zweite Vorhaben des ersten Gipfels in Wien verwirklicht wird, nämlich das Zusatzprotokoll zur Menschenrechtskonvention über die kulturellen Rechte der Angehörigen von Minderheiten. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Mag. Stoisits. )

12.58


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Stenographisches Protokoll
110. Sitzung / Seite 66

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Herr Abgeordneter Dr. Khol hat eine tatsächliche Berichtigung begehrt. – Sie haben das Wort. Beginnen Sie mit der Behauptung, die Sie berichtigen wollen.

12.58

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Ich berichtige die Feststellung der Abgeordneten Stoisits, wonach der Entwurf der Verordnung zur Aufstockung des Volksgruppenbeirates für die Slowenen um zwei Personen ein Schritt in Richtung Anerkennung der Volksgruppe der steirischen Slowenen sei.

Wahr ist vielmehr, daß in diesem Entwurf, der erst dem Hauptausschuß vorgelegt werden wird, auf die Slowenen in der Steiermark mit keinem Wort Bezug genommen worden ist, sondern es sich lediglich um eine Aufstockung um zwei Mitglieder handelt. (Beifall bei der ÖVP.)

12.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Haupt. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.59

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Ofner hat für die freiheitliche Fraktion ohnehin bereits Kritik am relativ schwachen Inhalt des vorliegenden Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten angebracht.

Ich möchte im Zusammenhang mit der Rede meines Vorredners, des Kollegen Schwimmer, etwas korrigieren: Als Freiheitlicher hätte ich mir auch gewünscht, daß Österreich früher ratifiziert hätte und bei der Ratifizierung unter den ersten zwölf europäischen Ländern gewesen wäre – nicht sosehr deswegen, um einem Lob für Herrn Bundesminister a. D. Mock, der sich zweifelsohne Verdienste um das Zustandekommen dieser gesamten Materie auf europäischer Ebene erworben hat, nachzukommen beziehungsweise Nachdruck zu verleihen, sondern um vielmehr auch als Österreicher zu beweisen, daß unser österreichisches Volksgruppenrecht so vorbildlich ist, daß es keinen Grund gibt, dieses Rahmenübereinkommen nicht zu ratifizieren, weil in keinem einzigen Punkt unsere Volksgruppen in entsprechender Form anders zu behandeln wären, als es bis dato der Fall war.

Damit möchte ich auch Kollegin Stoisits klar widersprechen. Frau Kollegin Stoisits, wenn Sie sich dieses Rahmenübereinkommen durchlesen, werden Sie darauf kommen, daß etwa die von Ihnen relevierte Frage der Kindergärten in Kärnten tadellos gelöst ist. Es ist den Volksgruppen erstens organisatorisch möglich, die Kindergärten zu organisieren. Es gibt zweitens die entsprechenden Bundeszuschüsse dafür, und es gibt drittens in der Praxis genug Kindergärten, die beweisen, daß es den Gemeinden in Kärnten Ernst damit ist, auch den Angehörigen der slowenischen Volksgruppe die entsprechenden Infrastruktureinrichtungen zur Verfügung zu stellen.

Von einem Zwang, so etwas einzurichten, habe ich in diesem ganzen Übereinkommen kein Wort gelesen, und ich glaube daher, daß sich das, was Kollege Posch eingangs gesagt hat, mit diesem Rahmenübereinkommen nicht bewahrheiten wird. Es werden sich aus diesem Rahmenübereinkommen für die österreichischen Volksgruppen keine sehr großen neuen Rechte ableiten lassen. Im Gegenteil: Die Bundesregierung hat meiner Ansicht nach daher richtigerweise angeführt, daß aufgrund dieses Rahmenübereinkommens keine neuen Mittel notwendig sein werden, weil das, was in diesem Rahmenübereinkommen inkludiert ist, in Österreich durch das Volksgruppenrecht ohnehin umgesetzt ist.

Meine Fraktion und ich haben es daher nie verstanden, warum man fünf Jahre lang für die Ratifizierung gebraucht hat. Es wäre mir lieber gewesen, Österreich hätte rechtzeitig und gemeinsam mit den ersten zwölf Ländern dieses Abkommen ratifiziert, um die Diskussion über ein angeblich so minderheitenfeindliches Volksgruppenrecht in Österreich auch auf internationaler Ebene ordentlich führen zu können.


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110. Sitzung / Seite 67

Kopfzerbrechen macht mir aber die Situation der deutschsprachigen alt-österreichischen Minderheiten in unseren Nachbarländern, nämlich in Tschechien und in Slowenien. Herr Bundesminister Mock hat richtigerweise ausgeführt, daß Kroatien nach seinem Selbständigwerden, an der Dr. Mock, aber auch Österreich insgesamt maßgeblich mitbeteiligt waren, die AVNOJ-Bestimmungen für den Staatsbereich von Kroatien außer Kraft gesetzt hat – etwas, was Slowenien bis heute nicht getan hat.

Wir Freiheitlichen stoßen mit unserer Haltung in der Bundesregierung oftmals auf Unverständnis, was mir wieder Anlaß zur Frage gibt, warum eigentlich die Bundesregierung ihre eigenen Gutachten, die sie im Rahmen des Außenministeriums hat erstellen lassen, einfach negiert. Tatsache ist, daß die slowenische Verfassung 1990 in Kraft getreten ist und daß Slowenien beim Beschluß der Denationalisierungsgesetze 1991 die AVNOJ-Bestimmungen der deutschsprachigen Volksgruppe gegenüber – trotz Inkraftsetzung der neuen Verfassung von 1990! – wieder angewandt hat. Es ist also daher nicht so, daß die AVNOJ-Bestimmungen totes Recht in Slowenien wären, sondern Slowenien hat – und das ist für mich das Bedenkliche – nach Inkrafttreten der Verfassung von 1990, die ausdrücklich drei Volksgruppen mit privilegiertem Recht vorsieht, nämlich jene der Ungarn, der Italiener und jene der Sinti und Roma – letztere wird nur mit "Roma" bezeichnet –, gegenüber der alt-österreichischen deutschsprachigen Minderheit die alten AVNOJ-Bestimmungen von 1943 im Rahmen der Denationalisierung wieder in Kraft treten lassen. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Ich glaube daher, wenn man sich die AVNOJ-Bestimmungen durchsieht und dort das Organisationsrecht in Kulturvereinigungen allein schon ausreichend ist, um die Bürgerrechte zu verlieren, daß das Übereinkommen in kultureller Hinsicht, das Österreich heute mit Slowenien abschließen will oder vielleicht abschließen kann – man weiß es ja aufgrund der Äußerungen des slowenischen Parlaments nicht, wie Sie mir recht geben werden, Frau Kollegin Gredler, ob es überhaupt jemals dazu kommt, was Frlec in Wien versprochen hat –, doppelt kritisch ist.

All diese Gesetze sind nur dann notwendig, wenn sie im Streitfall, im Krisenfall funktionieren. Wenn im Streit- oder Krisenfall mit Slowenien wieder die alten AVNOJ-Bestimmungen die Verfassung overrulen, also außer Kraft setzen, und dann jene in den neugegründeten Kulturvereinen wieder Haus und Hof und die Bürgerrechte verlieren, dann ist das Kulturabkommen kein Fortschritt, sondern unter Umständen wieder eine neue Gefahr für diese Volksgruppe, für diese 1 800 Menschen, die sich bei der Volkszählung 1990 in Slowenien als Alt-Österreicher deklariert haben.

Ich glaube auch, daß daraus hinsichtlich der bilateralen Verhandlungen mit Slowenien für Österreich eine klare Conclusio zu ziehen ist: Diese Verhandlungen sind so zu führen, wie sie die Italiener geführt haben, nämlich mit aller, auch drastischen Härte auf internationaler Ebene, und zwar so lange, bis die Minderheitenrechte tatsächlich in Slowenien für alle Volksgruppen umgesetzt sind – und nicht nur für jene, die derzeit von der Verfassung her privilegiert werden.

Für mich und meine Fraktion ist es unverständlich, daß offensichtlich jeder in Europa alle Minderheiten- und Menschenrechte genießt, nur die deutschsprachigen alt-österreichischen Minderheiten im Fall von Slowenien in einem nur sehr geringen Maße – und im Fall der Tschechischen Republik überhaupt nicht genießen können.

Ich verlange daher für meine Fraktion, daß in den bilateralen Verhandlungen als erstes darauf gedrängt wird, daß sowohl die Beneš-Dekrete als auch die AVNOJ-Bestimmungen außer Kraft gesetzt werden, denn erst dann stellt sich meiner Ansicht nach eine vollinhaltliche Umsetzung des heute von uns hier zu ratifizierenden Rahmenübereinkommens für diese beiden Staaten dar. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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13.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Wittmann. – Bitte, Herr Staatssekretär.

13.05

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich glaube, allen Ausführungen hier entnehmen zu können, daß es grundsätzlich begrüßt wird, daß wir diese Rahmenkonvention heute ratifizieren können. Ich glaube auch, daß das ein Schritt in die richtige Richtung ist, nämlich zum Schutz der Minderheiten in Österreich.

Es ist auch besonders erfreulich, hier anmerken zu können, daß mit dieser Rahmenkonvention auch einer jener Punkte erfüllt werden konnte, die im Memorandum angeführt waren, das am 24. Juni 1997 der Bundesregierung und dem Nationalrat präsentiert wurde. Ich glaube, daß man daran die Bereitschaft der Regierung beziehungsweise des Nationalrates erkennen kann, diese Anliegen, die damals in sehr bemerkenswerter Art und Weise an uns herangetragen wurden, auch zu erfüllen.

Es ist auch richtig, daß diese Rahmenkonvention einen großen Spielraum hinsichtlich der Umsetzung einräumt. Dies ist aber notwendig, um alle Besonderheiten der potentiellen Mitgliedstaaten berücksichtigen zu können. Frau Abgeordnete Stoisits hat es richtig gesagt: Es ist das ein Bogen, der von Moldawien bis Irland reicht, und es mußten all die Eigenheiten und unterschiedlichen Konzeptionen dieser Länder Berücksichtigung finden.

Es wird daher für alle Mitgliedstaaten wichtig sein, im Wege der zuständigen Gremien zu erfahren, welcher Standard in bezug Volksgruppenschutz europaweit gewünscht wird. Wir konnten ja auch bei der Europäischen Menschenrechtskonvention erst durch die Interpretation der Konvention durch die Organe einen europäischen Standard schaffen. Und ich glaube, daß durch diese Interpretationen die Möglichkeit besteht, auch im Volksgruppenbereich einen europäischen Standard zu schaffen.

Zu den hier von der Frau Abgeordneten Stoisits aufgeworfenen Problemen möchte ich ganz kurz festhalten, daß es bezüglich der Anhebung des Niveaus des Umgangs mit den Volksgruppen in Österreich auf parlamentarischer Ebene Gespräche über eine Staatszielbestimmung gibt. Diese kann sicherlich zu einer Anhebung dieses Niveaus beitragen, und ich glaube, daß diese Diskussionen sehr fortgeschritten sind, sehr gewissenhaft geführt werden und man sich sicherlich zum Schutz der Volksgruppen auf eine Formulierung einigen wird.

Zur Frage der zweisprachigen Kindergärten möchte ich schon darauf verweisen, daß die Zuständigkeit für die Kindergärten bei den Ländern liegt und der Nationalrat wahrscheinlich das falsche Gremium dafür ist, eine gesetzliche Absicherung zu fordern.

Was die Frage der Unterstützung mehrsprachiger beziehungsweise volksgruppensprachiger Privatradios betrifft, möchte ich auf die Beantwortung des Bundeskanzlers in der Fragestunde verweisen, der diese Frage sehr ausführlich beantwortet hat.

Ich möchte aber auch noch festhalten, daß der von der Bundesregierung vorgestern verabschiedete Entwurf einer Verordnung zur Aufstockung des Volksgruppenbeirates für die slowenische Volksgruppe keiner Interpretation zu unterwerfen ist, und ich weise jede Interpretation, die voreilig getroffen wird, zurück. Ich möchte darauf verweisen, daß dieser Beschluß nunmehr dem Hauptausschuß des Nationalrates zugeführt wird, dessen Zustimmung zu dieser Verordnung einzuholen ist.

Abschließend ist zu sagen, daß wir heute eine Ratifikation einer Rahmenkonvention vornehmen, die ein Schritt in die richtige Richtung ist, die aber nicht der letzte Schritt in diese Richtung sein kann. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.10

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte.

13.10

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich bin eigentlich bestürzt darüber, daß wir erst jetzt dieses Gesetz


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verabschieden, obwohl dieses Rahmenübereinkommen seit 1995 vorliegt und zur Ratifizierung ansteht, und daß alle sagen, es sei wunderbar, aber es hätte schneller passieren können.

Es ist schon mehrmals erwähnt worden, besonders deutlich von Ihnen: Wir haben ein anderes Anliegen, das seit 5. November 1992 ansteht, nämlich die Europäische Charta der regionalen und sprachlichen Minderheiten. Sie haben gesagt, wir sollten diese so schnell wie möglich ratifizieren. Ich glaube, daß es die Regierungsparteien in der Hand haben, es dem Parlament zuzuweisen. Sie können nicht den Ball einfach an das Parlament zurückspielen und sagen, daß das Parlament untätig ist. Sie sind selbst in der Regierung, Sie haben oft genug Kleinigkeiten, die wirklich nicht so vordergründig waren, in der Regierung durchgesetzt – und bei solch wichtigen Anliegen, noch dazu, wo einer der Proponenten dieser Anliegen, Dr. Mock, in Ihren Reihen sitzt, setzen Sie sich seit 5. November 1992 nicht durch! Ich verstehe das nicht. Ich zumindest habe ein anderes Verständnis von Koalitionen und würde mir wünschen, daß, wenn Sie es wirklich ernst meinen, diese Materie sofort zugewiesen wird und wir sie innerhalb von zwei Monaten in diesem Hause verabschieden. Ich setze Ihnen dieses Limit von zwei Monaten und werde schauen, ob Sie es wirklich ernst meinen mit Ihren Anliegen, sprachliche Minderheiten in Österreich zu integrieren. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich wollte zu den Ausführungen des Kollegen Haupt, der im Moment nicht da ist, in bezug auf Slowenien etwas sagen. Ja, es gibt Probleme mit der deutschsprachigen Minderheit in Slowenien; das steht außer Streit. Bei der letzten Zählung waren es, glaube ich, 1 500 Personen. Man sollte diese Zählung jetzt unter den neuen Aspekten wieder einmal durchführen, um die tatsächliche Zahl herauszubekommen. Nur: Slowenien ist vom Europarat als Musterland hinsichtlich Integration und Behandlung von Minderheiten deklariert worden. Ich verstehe gar nicht, warum man so ein Musterland angreift und der Meinung ist, daß es alles falsch macht. Herr Kollege Haupt hat gesagt, im Falle eines Konfliktes mit Slowenien seien diese Minderheiten und ihre Besitztümer besonders gefährdet. Wenn Sie dieser Meinung sind, dann müssen Sie sich doch für eine rasche Integration in der EU einsetzen, weil man genau dort zu verhindern versucht, daß es zu solchen Konflikten kommt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Das wäre vielleicht der intelligentere Ansatz – aber nicht, zu sagen: Wir wollen Slowenien überhaupt nicht dabei haben beziehungsweise wir wollen lange Übergangsfristen! – Nein! Setzen Sie sich für die rasche Integration ein, und Sie werden sehen, es wird allen Minderheiten dadurch besser gehen! Das wäre vielleicht der richtige Ansatz.

Meine Damen und Herren! Ich bedauere es, daß es zu keinen verfassungsmäßigen Bestimmungen, die die Volksgruppen spezifisch schützen, gekommen ist. Ich bedauere es, daß die topographischen Grenzen auch nicht umgesetzt wurden. Das leidige Thema Ortstafeln kennen wir ja. Wenn wir es wirklich ernst meinen, dann sollten wir auch das umsetzen.

Ich würde mir wünschen, daß dieses Gesetz in alle Sprachen, die von in Österreich lebenden Minderheiten gesprochen werden, übersetzt wird und aufliegt. Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Lasset uns das übersetzen für jene Leute, die damit operieren wollen. Damit würden wir vielleicht auch einen Beitrag für die Integration sprachlicher Minderheiten leisten.

Zum Schluß komme ich noch zu einer Resolution, die am 29. Jänner 1998 im Europäischen Parlament verabschiedet wurde. Es handelt sich dabei um eine Entschließung im Zusammenhang mit dem Europäischen Jahr gegen Rassismus. In dieser steht: "... in der Erwägung, daß die Verschiedenheit der Kulturen als soziale und kulturelle Bereicherung und nicht als Gefahr für die Sicherheit und die öffentliche Ordnung angesehen werden muß, in der Erwägung, daß die Grundlagen jedweder Politik, die auf die Bekämpfung von Rassismus abzielt, eine angemessene Erziehung bilden muß, die Toleranz, ein Zusammenleben zwischen den Kulturen und die Nichtdiskriminierung fördert ..."

Weiter unten steht dann: "... in der Erkenntnis, daß die wirtschaftlichen Probleme in den Mitgliedstaaten von manchen Politikern und Meinungsführern zur Aufstachelung zu Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ausgenutzt werden und mit dem Aufruf an alle Politiker und Meinungsführer, sich der Manipulation ausländerfeindlicher Instinkte zu enthalten und in ihren Handlungen


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110. Sitzung / Seite 70

und in ihrer politischen Tätigkeit jedwede Art von Intoleranz und rassistischen Äußerungen zu verurteilen ..."

Ich würde mir wünschen, daß Sie wirklich täglich überprüfen, ob Sie sich an solche Grundsätze halten, und zwar alle Mitglieder dieses Hauses.

Dann steht schon ziemlich zum Schluß dieser Resolution: "... distanziert sich, indem es seine klare Ablehnung zum Ausdruck bringt, von solchen Politikern und Parteien, die rassistische und fremdenfeindliche Äußerungen auf nationaler wie auf europäischer Ebene abgeben, und fordert alle demokratischen Parteien auf, die rassistischen Bewegungen und Gruppen sowie fremdenfeindliche Tendenzen in ihren eigenen Reihen mit allen demokratischen Mitteln zu bekämpfen ..."

Merken Sie sich das! Es gibt Probleme in Europa, und es gibt Probleme in Österreich, und wir merken das immer wieder, wenn es Verletzte oder gar Tote gibt. Vielleicht könnten wir aktiv dazu beitragen, daß diese Leute keine Plattform in Österreich erhalten. Da würde ich mir eine Kooperation aller fünf Parteien dieses Hauses wünschen. Manchmal vermisse ich eine solche. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Schwimmer. – Bitte.

13.17

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Abgeordnete Dr. Gredler hat Aussagen von mir unrichtig wiedergegeben, indem Sie behauptet hat, ich hätte dem Parlament die bisher nicht erfolgte Ratifizierung der Charta der regionalen und Minderheitensprachen zum Vorwurf gemacht.

Frau Abgeordnete Dr. Gredler! Sie dürften mir nicht zugehört haben. Nicht nur, daß ich im Juli des Vorjahres eine Anfrage an den Bundeskanzler gestellt habe, wann sie endlich zur Ratifizierung vorgelegt wird, habe ich auch die Anfragebeantwortung, auch wenn ich ein Koalitionsabgeordneter bin, als ungenügend kritisiert und ausdrücklich den Herrn Staatssekretär im Bundeskanzleramt darauf angesprochen, daß wir uns – und ich hoffe, alle gemeinsam, alle fünf Fraktionen des Hauses – die Vorlage der Minderheitencharta zur Ratifizierung erwarten.

Es ist klar: Es liegt das in der Verantwortung der Regierung, und ich hoffe, daß die Regierung dieser Verantwortung auch bald nachkommt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Gredler: Und wer ist in der Regierung? – Abg. Dr. Schwimmer: Ich bin Abgeordneter! So wie Sie – mit gleichen Rechten und Pflichten!)

13.18

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. König. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.18

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist all die Jahre hindurch nachzuvollziehen gewesen, daß sich die Österreicher im Europarat über alle Parteien hinweg in der Frage der Anerkennung von Minderheiten und des Minderheitenrechtes vorbildlich eingesetzt haben. Und das wird auch im Europarat anerkannt.

Wir waren immer bestrebt, eine Regelung zu finden, die auch unmittelbar rechtlich umsetzbar ist. Das wäre das Zusatzprotokoll für die Minderheiten zur Konvention der Menschenrechte gewesen. Nur das war nicht realisierbar. So ist das Rahmenabkommen ein erster wichtiger Schritt, in dem wenigstens der rechtliche Rahmen vorgegeben ist.

Ich muß die Ausführungen des Kollegen Ofner in einer Frage doch etwas ergänzen. Wenn er sagt, das, was im Rahmenübereinkommen an Materiellem enthalten ist, ist nicht so gewichtig, dann stimmt das zwar, aber es hat sich durch diese Bestrebungen im Europarat, auch wenn sie


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nicht zu einem Zusatzprotokoll geführt haben, wie Schwimmer schon gesagt hat, eine Meinungsänderung ergeben, und zwar eine weitestgehende.

Der Europarat hat in der Parlamentarischen Versammlung, und zwar in der Resolution 1201, sehr konkrete Minderheitenrechte – sogar in der Frage des Schulbesuches und der Minderheitensprache vor den Behörden – und kollektive Rechte festgelegt. Und wir haben diese politische Resolution, der keine unmittelbare Rechtswirkung zukommt, dadurch zum Tragen gebracht, daß der Europarat, das heißt die Parlamentarische Versammlung, darauf bestanden hat, daß nur jene Staaten in den Europarat aufgenommen wurden, die sich dazu bekannt haben, und zwar sowohl von ihren Regierungen als auch von ihren Parlamenten her.

Das war bei Rumänien der Fall, das war bei Bulgarien der Fall, das war in anderen Ländern gegeben, und das bedeutet, daß de facto auch aus einer zunächst nicht völlig eindeutigen rechtlichen Situation heraus ein durchaus durchsetzbarer Anspruch entstanden ist und durchgesetzt werden konnte.

Wenn es heute etwa in Rumänien oder in Bulgarien eine völlige Änderung in der Haltung gegenüber den Minderheiten gibt – etwa gegenüber den Türken in Bulgarien und gegenüber den Ungarn in Rumänien, als größte Minderheiten, zu denen es immer Spannungen gab –, so ist das diesen Bestrebungen und dieser Übereinstimmung im Europarat und der Verpflichtung zu verdanken, einzuhalten, was dort versprochen wurde, denn der Europarat hat gleichzeitig in der Parlamentarischen Versammlung festgelegt, das auch zu überprüfen.

Daraus entsprang dann auch in der Europäischen Union die Festlegung, daß einer der Punkte, die für den Beitritt in die Europäische Union erfüllt werden müssen, erstens die Anerkennung und Umsetzung der Menschenrechte ist und zweitens auch die Anerkennung der Minderheiten. Auch das steht drinnen. Daher möchte ich dem Kollegen Haupt sagen: Daraus resultiert natürlich auch die Notwendigkeit zur Beseitigung menschenrechtswidriger Bestimmungen, zum Beispiel der Beneš-Dekrete. Damit meine ich nicht die Aufhebung aller Beneš-Dekrete, aber jener Bestimmungen, die eindeutig menschenrechtswidrig sind. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schieder. ) Ich finde, es ist das ein beachtlicher Fortschritt, der damit erzielt werden konnte.

Ein Letztes: Österreich wird deswegen durchaus auch anerkannt. Und für unsere Volksgruppenpolitik müssen wir uns nicht schämen, Frau Kollegin Stoisits, denn diese wird wirklich von allen anderen Ländern anerkannt und gewürdigt! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schieder. )

13.22

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters findet nicht statt.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein und gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages samt Erklärung in 889 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht stimmeneinhellig. Angenommen. (Präsident Dr. Brauneder wird auf Abg. Apfelbeck aufmerksam, die nicht mitgestimmt hat.)  – Ich korrigiere mich: mehrheitlich angenommen. Ich habe zuerst enunziert "einhellig angenommen", das war ein Irrtum, eine Abgeordnete ist nicht beigetreten, also mehrheitlich angenommen.

Ich lasse jetzt über den Antrag des Ausschusses, wonach der vorliegende Staatsvertrag im Sinne der Artikels 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, abstimmen.


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Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist stimmeneinhellig angenommen.

3. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Sonderbericht des Rechnungshofes (III-81 der Beilagen) über das Beschaffungswesen des Bundesheeres; Vierter und letzter Teilbericht (954 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Apfelbeck. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.24

Abgeordnete Ute Apfelbeck (Freiheitliche): Hohes Haus! Wir behandeln heute den Vierten und letzten Teilbericht des Rechnungshofes betreffend das Beschaffungswesen des Bundesheeres. Dieser Bericht, meine Damen und Herren, unterscheidet sich aber durch überhaupt nichts von den drei anderen Berichten.

Die Mängelanalyse des Rechnungshofes zeigt auf, daß von 128 überprüften Vorgängen nur 43 mangelfrei waren beziehungsweise nur den Mangel eines nicht ausgenützten Zahlungszieles hatten – nachzulesen im Rechnungshofbericht, Zahl 76/1. Es hat daher den Anschein, daß beim Bundesheer entweder keine Fachleute am Werk sind oder es – vorsichtig ausgedrückt – Vergabeungereimtheiten gibt, die durch den Rechnungshof zwar aufzeigbar, aber nicht aufklärbar sind.

Zum Beispiel: Vertragsstrafen wurden zu Lasten des Bundesheeres vereinbart, und nicht zu Lasten der Lieferfirma. – Oder: Garantiefristen wurden zu Lasten des Bundesheeres geändert. – Weiters: Trotz öffentlicher Ausschreibung änderte das Bundesministerium in eine freihändige Vergabe um. – Und: Es gab immer wieder Zahlungen vor der jeweiligen Fälligkeit und dadurch Verluste in Millionenhöhe, die die Steuerzahler letztendlich durch neue Belastungen bezahlen müssen.

Es gab weiters mangelnde Verwendungsplanung; das Ergebnis waren Millionenverluste.

Es gab eine unzureichende Bedarfsermittlung, was wiederum Verluste in Millionenhöhe für die Steuerzahler zur Folge hatte. Zum Beispiel: Bei der Beschaffung der Munition bekam eine Schweizer Firma den Zuschlag um 35 Millionen Schilling, obwohl eine französische Firma dieselbe Munition um 15 Millionen Schilling billiger angeboten hatte. Das ist ein Unterschied von 20 Millionen Schilling, den letztendlich der Steuerzahler zu bezahlen hat.

Die zuständigen Organe der Sektion IV sowie das Kontrollbüro meldeten zwar ihre Bedenken an, aber der damals zuständige Bundesminister Lichal blieb bei seiner Auftragserteilung – und das, obwohl sich die Meldung des Armeekommandanten Phillip über die Dringlichkeit als falsch herausstellte. Annähernd die gesamte Lieferung mußte 1991 aufgrund von Materialfehlern an die Schweizer Firma zurückgegeben werden. Die weitere Munitionsbeschaffung erfolgte dann beim französischen Unternehmen. – Da stellt sich schon die Frage: Warum nicht gleich?!

Oder: 1987 wurden für 138 Millionen Schilling Schießausbildungssimulatoren angeschafft, die allerdings bereits nach vier Jahren nicht mehr verwendet wurden, weil sie veraltet waren. Aber die Ersatzteile wurden noch angeschafft, obwohl für 80 Prozent dieser Ersatzteile kein Bedarf mehr vorhanden war. Schaden: 6,5 Millionen Schilling.

Oder: Ein Schaden in Höhe von 13,9 Millionen Schilling entstand, weil trotz Überbeständen an Ersatzteilen für die Fliegerabwehrkanone weitere Ersatzteile beschafft wurden.


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110. Sitzung / Seite 73

Ich frage Sie, Herr Bundesminister: Welche Konsequenzen werden aus diesen Fehlleistungen gezogen? – Im Ernstfall können Fehlleistungen in der Landesverteidigung zu einer Katastrophe führen!

Bereits im November vergangenen Jahres wurde der Vierte Teilbericht im Rechnungshofausschuß behandelt, aber erst jetzt, ein Vierteljahr später, ist er hier im Plenum. Das zeigt schon das "Interesse", das SPÖ und ÖVP an einer Aufklärung von Vergaben des Bundesheeres hat, war doch auch die Fragestellung im Antrag der Klubobleute Dr. Kostelka und Dr. Khol an den Rechnungshof eine irreführende. Denn der Rechnungshof kann nur die Sparsamkeit, die Zweckmäßigkeit und die Wirtschaftlichkeit prüfen.

Daher bin auch darüber verwundert, daß der Rechnungshof hier einen Persilschein bezüglich illegaler Zahlungen ausgestellt hat. Aber um illegale Zahlungen – sollte es welche gegeben haben, was ich ja nicht hoffe – zu prüfen, war der Rechnungshof ohnehin das falsche Organ. Dafür hätte ein Untersuchungsausschuß eingesetzt werden müssen, aber das haben Sie von SPÖ und ÖVP bis jetzt verhindert. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses haben Sie immer wieder abgelehnt und damit, meine Damen und Herren, haben Sie dem österreichischen Bundesheer und dem Ansehen des Heeres sehr geschadet! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.30

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaál. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

13.30

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Der vorliegende Bericht des Rechnungshofes – wir diskutieren ja heute hier den Vierten und letzten Teilbericht – über das militärische Beschaffungswesen bestätigt wieder einmal vollinhaltlich unsere Kritik und unsere Reformvorschläge. Damit wird wieder einmal die Richtigkeit unserer jahrelangen Forderungen nach einer Neuordnung des Beschaffungswesens klar und deutlich sichtbar.

Herr Präsident des Rechnungshofes! Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit auch sehr herzlich für diese sehr kompetente um umfassende Prüfung bedanken. Nach genauem Studium dieser Berichte muß man auch mit aller Klarheit festhalten, daß kein Hinweis auf irgendwelche illegalen Zahlungen gegeben ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wabl: Aber! Ich habe schon bessere Ascherdonnerstag-Reden gehört!)

Herr Bundesminister! Aus den Schlußfolgerungen und Mängelaufzeigungen beziehungsweise aus den Empfehlungen des Rechnungshofes sind jetzt rasch die Konsequenzen zu ziehen. Das heißt, es muß ehebaldigst ein Gesamtkonzept für das Beschaffungswesen erstellt und vorgelegt werden. Ich darf Sie ersuchen, unsere diesbezüglichen Anregungen endlich einmal aufzugreifen und daß wir uns unter Einbeziehung der Vorschläge und der Ideen der Oppositionsparteien gemeinsam um eine Neuordnung dieses Bereiches bemühen.

Meiner Meinung nach muß dieses Konzept auch eine Neudefinition der Bewertungsgrundlagen beinhalten. Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Korrektheit müssen die oberste Maxime sein, und es muß in Zukunft ausgeschlossen sein, daß Beschaffungen erheblichen Umfanges unter Ausschluß der Öffentlichkeit und auch am Parlament vorbei durchgeführt werden.

Es müssen – das verlange ich immer wieder, und das verlangt auch meine Fraktion, Herr Bundesminister – neben dem militärischen Pflichtenheft auch die Voraussetzungen für die Erstellung eines wirtschaftlichen Pflichtenheftes geschaffen werden. Das heißt, entscheidend ist nicht nur die militärische Tauglichkeit, sondern auch Menge und Qualität von angebotenen wirtschaftlichen Synergieeffekten. Es muß von Anfang an klar sein, unter welchen volkswirtschaftlichen Bedingungen man überhaupt bereit ist, etwas vorzunehmen, zum Beispiel, ein bestimmtes Rüstungsgut, das nur im Ausland gekauft werden kann, weil es kein entsprechendes österreichisches Produkt gibt, tatsächlich im Ausland zu kaufen.


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Herr Bundesminister! In diesem Zusammenhang ist es für mich ein besonderes Anliegen, daß bei der Beschaffung von Rüstungsgütern vor allem die Grundsätze – dies ist auch im Detail zu beachten! – der Zweckmäßigkeit, der Sparsamkeit und der Wirtschaftlichkeit weiterhin hohe, ja höchste Priorität haben. Ein Gesamtkonzept für das Beschaffungswesen hat natürlich auch eine Neustrukturierung der Logistikorganisation des Bundesheeres zu enthalten – das umso mehr, als wir in diesem Zusammenhang auf die von Ihnen geplante Ämterzusammenlegung zu sprechen kommen müssen. Es darf nicht so sein, daß sich das als eine bloße Organisationsänderung herausstellt, sondern wir werden darauf achten, daß das, was Sie mir zugesagt haben, auch wirklich zum Tragen kommt, nämlich eine Neuordnung in den Bereichen Beschaffung, Technik, Logistik und Materialwesen.

Damit ist, wie ich meine, garantiert, daß es eine Verbesserung im Bereich der Beschaffungsabläufe gibt und daß es auch zu einem effizienteren Einsatz vorhandener Budgetmittel kommt. Denn nur das Nebeneinanderstellen von Ämtern mit einer übergeordneten Führungsebene, Herr Bundesminister, kann es nicht sein. Uns geht es darum, nach wie vor vorhandene Doppelgleisigkeiten auszuschalten. Es bedarf einer Straffung der Organisation und auch einer Optimierung der Abläufe. Das macht natürlich betriebswirtschaftliches Handeln in allen Bereichen notwendig, beispielsweise die Einführung der Kostenrechnung, eine effiziente Projektplanung und eine entsprechende Abwicklung.

Herr Bundesminister! Ich darf wieder einmal darauf hinweisen, daß wir Sozialdemokraten gerne bereit sind, weiterhin Verantwortung für die militärische Landesverteidigung mit zu übernehmen. Für uns haben besonders jene Beschaffungen Priorität, die eine moderne Ausrüstung mit solchen Waffen sicherstellen, die den Schutz und die Überlebensfähigkeit unserer Soldaten garantieren.

Wichtig für eine grundlegende Neuordnung des Beschaffungswesens ist der umfassende Ansatz, der alle Einflußfaktoren – damit meine ich alle militärischen, wirtschaftlichen und politischen Vorgaben – mitberücksichtigt. Jedenfalls müssen die Beschaffungsvorgänge künftighin ein höheres Maß an Transparenz und Nachvollziehbarkeit aufweisen. Herr Bundesminister! Diesen Weg gilt es weiterzugehen, denn nur so können wir das Verständnis und die Akzeptanz der Bürger für die Erfordernisse der militärischen Landesverteidigung aufrechterhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

13.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Moser. – Bitte.

13.36

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Wie meine Vorredner schon erwähnt haben, diskutieren wir heute den Vierten und letzten Bericht des Rechnungshofes über das Beschaffungswesen des Bundesheeres. Wenn man davon ausgeht, daß der Rechnungshof in diesem Zusammenhang einen klaren Auftrag hatte, nämlich den Auftrag vom Parlament, gewisse wesentliche Beschaffungen des Bundesheeres auf die Einhaltung der notwendigen Abläufe und gesetzlichen Grundlagen zu überprüfen – einschließlich der Überprüfung von Verdachtsmomenten in Richtung illegaler Zahlungen –, dann hat es sich schon herausgestellt und gezeigt, daß der Rechnungshofausschuß in der Beurteilung der Prüfung des Rechnungshofes nicht das optimale Instrument darstellt und auch nicht wirklich die Möglichkeit hatte, all das, worum es gegangen ist, zu überprüfen, nachzuvollziehen und dann zu einem schlüssigen Ergebnis zu kommen. (Abg. Wabl: Sehr vorsichtig ausgedrückt!)

Ich schließe mich diesbezüglich der Meinung von Frau Kollegin Apfelbeck an, daß es, gerade was den Auftrag betrifft, illegale Zahlungen zu überprüfen, notwendig gewesen wäre, entweder einen Untersuchungsausschuß einzusetzen und die Prüfung durch ihn durchführen zu lassen oder dem Rechnungshofausschuß – und damit indirekt natürlich auch dem Rechnungshof – mehr Möglichkeiten, mehr Kompetenzen zu geben, sodaß auch wir Parlamentarier die Möglichkeit gehabt hätten, direkte Einschau in die Unterlagen zu bekommen.


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Meine Damen und Herren! Ich meine, daß es notwendig ist, bei der nächsten Reform der Geschäftsordnung des Nationalrates diesen Aspekt besser zu berücksichtigen.

Meine Damen und Herren! Nun zum Bericht des Rechnungshofes selbst. Zunächst zum Positiven. Das Positive ist, daß der Rechnungshof in seiner Einschau feststellen konnte, daß es keine illegalen Zahlungen im Zusammenhang mit den Beschaffungen des Bundesheeres gegeben hat und daß die Bediensteten des Ressorts korrekt gearbeitet haben. Darüber bin ich sehr froh, meine Damen und Herren. Allerdings habe ich in Kenntnis der dort arbeitenden und handelnden Personen auch nichts anderes erwartet.

Ich halte auch die Arbeit des Kontrollbüros für positiv. Aus diesem Bericht geht hervor, daß durch diese Einrichtung die Möglichkeit besteht, im Wege einer begleitenden Kontrolle den beschaffenden Dienststellen zur Hand zu gehen.

Der zweite, weniger erfreuliche Punkt ist aber – und das zieht sich wie ein roter Faden durch alle vier Berichte des Rechnungshofes –, daß immer wieder Mängel in einem, wie ich meine, nicht vertretbaren Maße festgestellt werden müssen. Wenn lediglich bei einem Drittel aller Beschaffungen keine Mängel festgestellt worden sind, dann halte ich diesen Prozentsatz für zu niedrig! Bei einem weiteren Drittel der Beschaffungen wurden sozusagen vernachlässigbare oder kleinere Mängel geortet, aber bei etwa einem Drittel wurden doch ganz gravierende Mängel festgestellt, und zwar vor allem Mängel im planerischen Bereich. In allen bisherigen Berichten, die wir diskutiert haben, ist immer wieder dasselbe gestanden.

Es gibt gravierende planerische Mängel, wie beispielsweise unklare Bedarfserhebung, unzureichende zeitliche Verwendungsabstimmungen, nicht abgeschlossene Konzepte, mangelnde Ausnützung günstiger Angebote, unzweckmäßige Vertragsgestaltungen, unzweckmäßige und unzureichende Prüfungen der Preiswürdigkeit.

Herr Bundesminister! Das sind Feststellungen, die seitens des Rechnungshofes immer wieder getätigt werden. Es ist daher notwendig – und ich erwarte mir dazu endlich einmal ganz konkrete Schritte Ihrerseits –, daß diese Mängel abgestellt werden. Es gehört zu Ihrer Führungsaufgabe, diese Mängel, die vom Rechnungshofshof aufgezeigt und dann im Parlament angesprochen werden, zu beseitigen. Es ist daher nur verständlich und macht auch Sinn, daß es endlich zu einer Reform des Beschaffungswesens des Heeres kommt.

Ein Aspekt, den Kollege Gaál noch nicht erwähnt hat, ist besonders anzusprechen, besonders zu berücksichtigen: Es ist notwendig, daß es zu einer stärkeren Einbindung des Parlaments kommt und damit auch zu einem entsprechend demokratischen Standard, wie er in anderen Ländern üblich ist. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! In anderen westlichen Ländern, beispielsweise in Deutschland, in Frankreich, ist es üblich, daß Beschaffungsvorhaben größeren Ausmaßes seitens der dortigen Armee im Parlament, im Haushaltsausschuß, im jeweiligen Verteidigungsausschuß besprochen und die entsprechenden Gremien eingebunden werden. Nur bei uns getraut man sich – aus welchen Gründen auch immer – offensichtlich nicht, Beschaffungen des Heeres einer Diskussion und einer demokratischen Kontrolle zu unterziehen.

Herr Bundesminister! Ich sehe gerade in der Einbeziehung des Parlaments in die Beschaffungsvorgänge des Bundesheeres – man kann sich vorstellen, daß Beschaffungen, die über einem bestimmten Volumen liegen, eben auch in den Ausschüssen debattiert und besprochen werden – ein Mittel, dafür eine breitere politische Akzeptanz zu erreichen. Es ist ja notwendig, die erforderlichen Beschaffungen der Bevölkerung entsprechend nahezubringen. Auch das ist die Aufgabe der Mitglieder dieses Hohen Hauses. Daher halte ich es für zwingend notwendig und höchst an der Zeit, diesbezüglich einen Standard zu erreichen, der in anderen Länder längst gegeben ist.

Meine Damen und Herren! Ich möchte einige Aspekte aus diesem Bericht kurz ansprechen. Zunächst einmal zur Beschaffung der gepanzerten Radfahrzeuge. Es ist die Beschaffung der Radpanzer für unsere UNO-Einheiten, für unsere Verbände überprüft worden. Ich meine, daß es


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seinerzeit ein richtiger Entschluß war, diese Beschaffung vorzunehmen und auf ein österreichisches Produkt, nämlich auf den PANDUR, zurückzugreifen. Aber ich bedauere, Herr Bundesminister, daß bis heute dieses Produkt nicht dort ist, wo es eigentlich sein sollte, nämlich bei der Truppe.

Einige Parlamentarier waren im Rahmen einer Delegationsreise mit dem Präsidenten des Nationalrates auf Zypern. Wir wissen, daß dort die Situation durchaus sehr kritisch ist, sie kann sich sehr rasch zum Nachteil der dort eingesetzten UNO-Verbände entwickeln. Wir mußten feststellen, daß jenes Gerät, das für unsere UNO-Soldaten beschafft wurde, dort vor Ort nicht gegeben war. Ich lasse einfach nicht gelten, daß man sagt, die Vereinten Nationen wollen nicht, daß die österreichischen Einheiten damit ausgerüstet sind. Wir als politisch Verantwortliche in diesem Lande haben sicherzustellen, daß unsere Einheiten beziehungsweise unsere Soldaten den größtmöglichen, den besten Schutz bekommen. Das heißt auch, daß sie mit dem PANDUR ausgestattet werden.

Ich meine, Herr Bundesminister, daß da Handlungsbedarf besteht, und ich erwarte von Ihnen, daß Sie der Anregung, die Präsident Fischer im Namen aller Mitglieder der Delegation gemacht hat, Rechnung tragen werden.

Von der Beschaffung des PANDUR für unsere UNO-Verbände kann ich auch gleich zu einem weiteren Punkt überleiten, bei dem das Ressort seit langem nachlässig ist beziehungsweise einer politischen Vorgabe nicht nachkommt, nämlich zur Realisierung des Mech-Paketes. Meiner Ansicht nach, Herr Bundesminister, ist es völlig unverständlich, daß es, wenn der Landesverteidigungsrat im Dezember 1996 eine entsprechende Empfehlung abgegeben hat, das Mech-Paket zu beschaffen, in einem Jahr nicht möglich ist, die entsprechenden Beschaffungsvorgänge einzuleiten und dieser Empfehlung Rechnung zu tragen. Die ausländischen Produkte sind beschafft worden, die österreichischen Produkte, nämlich PANDUR und ASCOD, der Kampfschützenpanzer, den die mechanisierten Truppen so dringend benötigen, nicht.

Herr Bundesminister! Sie haben seinerzeit eine entsprechende Zusage gemacht. Sie haben diese Zusage auch bei der letzten Sitzung des Landesverteidigungsrates wiederholt, aber bis heute ist es zu keiner Beschaffung gekommen. Bis heute gibt es noch nicht einmal eine offizielle Einladung zur Anbotlegung an österreichische Unternehmen. Daher glaube ich, daß das Ressort in der Umsetzung entsprechender Empfehlungen des Landesverteidigungsrates und entsprechender Beschlüsse des Ministerrates säumig ist.

Es kann einfach nicht sein, Herr Bundesminister, daß man sich immer darauf ausredet, es wären zuwenig finanzielle Mittel vorhanden. In den jeweiligen Gremien ist klipp und klar gesagt worden, daß die Finanzierung dieser Beschaffungen im Rahmen der laufenden Budgets erfolgen kann. Daher ist nicht einsichtig, daß das als Argument herangezogen wird, warum die Beschaffungen bis heute nicht getätigt wurden.

Wenn im Prinzip zuwenig Mittel für den Investitionsbereich zur Verfügung stehen, dann wird es auch Aufgabe des Ressorts sein, sich die Budgetstruktur anzusehen. Denn immerhin werden über 63 Prozent des Verteidigungsbudgets für Personalkosten ausgegeben, während für den Bereich der Investitionen nur ein sehr geringer Budgetansatz zur Verfügung steht. Wir erwarten Maßnahmen, damit diese Budgetstruktur verbessert wird, wir erwarten auch Maßnahmen im Rahmen der nun von Ihnen beabsichtigten Heeresreform. Wenn man sich diese Heeresreform ansieht, dann erkennt man weit und breit keine Auswirkungen dahin gehend, daß die Budgetstruktur zugunsten der notwendigen Investitionen verändert wird.

Diese Heeresreform bedeutet weiters, daß es nur zu minimalen Einsparungen kommt, die überhaupt keine gravierenden Auswirkungen hinsichtlich Verbesserungen im Bereich des Beschaffungswesens haben. Daher wird es notwendig sein, diesem Aspekt bei der beabsichtigten Heeresreform mehr als bisher Rechnung zu tragen.

Herr Bundesminister! Dies ist der Vierte und letzte Bericht über das Beschaffungswesen, den wir jetzt aktuell hier im Nationalrat diskutieren. Der Rechnungshof hat wieder gravierende Mängel aufgezeigt. (Abg. Mag. Stadler: Wieso ist es für Sie der letzte?)  – Aufgrund des Auf


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trages, den das Parlament dem Rechnungshof gegeben hat. – Es ist notwendig, daß endlich Ihrerseits die entsprechenden Maßnahmen gesetzt werden, damit es nicht immer wieder gebetsmühlenartig zu den gleichen Feststellungen des Rechnungshofes kommt, damit jene gravierenden Mängel im Beschaffungswesen des Heeres beseitigt werden, für die Sie, Herr Bundesminister, die politische Verantwortung tragen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wurmitzer. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Wabl: Die Wahrheit, nichts als die Wahrheit!)

13.47

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Das ist jetzt der Umfang der vier Teilberichte, die dem Hohen Haus vorliegen. (Der Redner hält die Berichte in die Höhe.) Ich kann ohne Übertreibung sagen, daß kein Bereich der öffentlichen Verwaltung Österreichs so genau geprüft wurde, wie das beim militärischen Beschaffungswesen der Fall ist.

Der Erste Bericht beschäftigt sich vorwiegend mit dem Lufttransportsystem, mit den bewaffneten Hubschraubern. Der Zweite Teilbericht befaßt sich mit den Panzerabwehrlenkwaffen, der Dritte Bericht mit den Fliegerabwehrlenkwaffen. Der Vierte Bericht umfaßt die Beschaffung von Radaranlagen für die Zielzuweisung und für die Tieffliegererfassung.

Ich möchte dem Rechnungshof herzlich für die Arbeit, die da dahintersteckt, danken. Es ist sehr viel Mühe und sehr hohe Präzision erforderlich, um dem Hohen Hause stichhaltige Berichte vorzulegen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Scheibner. )

Der Vierte Teilbericht ist natürlich gleichzeitig auch das Resümee. Er enthält alle wichtigen Feststellungen der vorhergehenden Teilberichte in einer Zusammenfassung.

Es liegt in der Natur der Sache, daß es unterschiedliche Betrachtungsweisen gibt. Für die Opposition stehen nur die Fehler im Vordergrund, die Regierung sieht in erster Linie die positiven Aspekte, die es gibt. Es existieren aber – Gott sei Dank, darf ich sagen – wesentliche Fakten, die außerhalb der politischen Diskussion stehen und beiden Betrachtungsweisen standhalten.

Faktum Nummer eins: "Hinweise auf illegale Zahlungen ergaben sich bei den überprüften Beschaffungsfällen nicht." – Das ist die wichtigste Feststellung in diesem Bericht. Dieser Satz steht wortgleich in allen vier Teilberichten; im Ersten Teilbericht auf Seite 33, im Zweiten Teilbericht auf Seite 7, im Dritten Teilbericht auf Seite 5 und im Vierten Teilbericht ebenfalls auf Seite 5.

Diese Feststellung kann daher der Nationalrat getrost als Faktum zur Kenntnis nehmen. Es waren da die versiertesten Prüfer des Rechnungshofes am Werk; anderslautende Vermutungen sind unseriös. (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Es stimmt auch nicht, wie Frau Abgeordnete Apfelbeck hier behauptet hat, daß das ein "Persilschein" sei. Diese Feststellung ist falsch! Sie desavouieren damit die Arbeit der verantwortungsvollen Prüfer des Rechnunghofes. Es braucht in dieser Sache niemand einen "Persilschein". Es nützt auch nichts, wenn Sie die Beschuldigungen ständig wiederholen, Beweise dafür aber schuldig bleiben. (Beifall bei der ÖVP.)

Faktum Nummer zwei ist, daß der Ausrüstungsstand des österreichischen Bundesheeres im Berichtszeitraum entscheidend verbessert werden konnte. Erstmals in der Geschichte des Bundesheeres wurden defensive Lenkwaffen für die Panzer- und Fliegerabwehr angekauft. Diese Waffen waren uns durch den Staatsvertrag bisher verboten.

Die Beschaffungen in den Jahren 1987 bis 1995 machen in Summe 28,8 Milliarden Schilling aus. Frau Abgeordnete Apfelbeck, Sie brauchen jetzt nur zahlenmäßig zu vergleichen. Man kann sagen: Von 128 Beschaffungsfällen waren 43 mängelfrei. Vergleichen Sie aber bitte nicht


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den Beschaffungsfall "Ankauf von Bundesheersocken" mit dem Beschaffungsfall "Ankauf von Radaranlagen"! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ja, so ist es! Sie müssen ja auch dahinter schauen! So ist es ja in Wirklichkeit. Da wird, wenn Sie es zahlenmäßig so angehen, der Beschaffungsfall "Ankauf von Socken" mit dem Beschaffungsfall "Ankauf von Radaranlagen" im Wert von 3 Milliarden Schilling verglichen, und das ergibt dann ein falsches Bild.

Ich glaube jedenfalls, daß Österreich damit in die High-tech-Phase der Verteidigung eingestiegen ist. Wir haben ausschließlich Defensivwaffen angekauft. Es wurde kein Geld verschleudert, sondern sinnvoll in unsere Sicherheit investiert. Es ist nunmehr die Lücke zwischen dem Großraumradar und dem Feldradar geschlossen, und das System "Goldhaube" in Österreich ist dadurch voll wirksam geworden. (Abg. Scheibner: Herr Kollege! Wieso?)

Faktum Nummer drei: Der Vergabevorgang bei den Großbeschaffungen wurde im Berichtszeitraum ständig verbessert. Herr Kollege Gaál, die Reform findet statt, und sie hat stattgefunden. Es wurde das Kontrollbüro für die begleitende Kontrolle von Beschaffungsvorgängen eingerichtet. Sogar im Rechnungshofbericht heißt es auf Seite 8: "Der Rechnungshof beurteilte die Arbeit der Bewertungskommission als absolut positiv und ihre Zusammensetzung als sach- und fachgerecht." – Ein besseres Urteil über eine Bewertungskommission kann ein Rechnungshof gar nicht fällen! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf den Vergabevorgang in bezug auf Radaranlagen hier nochmals chronologisch erläutern, weil er ein Licht darauf wirft, daß man sich wirklich intensiv darum bemüht hat, exakte Auswahlkriterien zu finden und auch exakte Auswahlverfahren durchzuführen. Bereits 1980 wurde der erste Versuch eines Ankaufs gestartet. Man ließ sich in den Jahren 1992 und 1993 Geräte vorführen. Es wurde aufgrund dieser Vorführung das Pflichtenheft nachgebessert. 1994 wurde eine beschränkte Ausschreibung durchgeführt. Man hat einen kommissionellen Bewertungskatalog bereits vor der Ausschreibung erstellt und danach durch die Bewertungskommission prüfen lassen. Es war damals der französische Bieter an erster Stelle, und es gab eine einstimmige Entscheidung in der Kommission.

Der Vergabeauftrag wurde zweimal dem Landesverteidigungsrat vorgelegt, Herr Kollege Moser; das ist jenes Gremium, das über diese Dinge zu entscheiden hat. Zwei Beratungen über die Vergabe von Radaranlagen hat es im Landesverteidigungsrat gegeben. (Abg. Scheibner: Das ist falsch! Der Landesverteidigungsrat entscheidet gar nichts!) Er hat empfohlen. Er hat beraten und hat eine Entscheidung über die Empfehlung getroffen. Herr Kollege Scheibner, da du da Mitglied bist, wirst du das wohl wissen.

Wir haben natürlich auch festgestellt, daß die Partei der Grünen von Anfang an gegen jede Beschaffung war. Sie hat zu jeder Beschaffung immer nein gesagt. Ich möchte die unsachlichen Äußerungen des Kollegen Wabl im Ausschuß hier gar nicht wiederholen, weil sie nur ein sehr schlechtes Licht auf die Abgeordneten dieses Hauses werfen würden. (Ruf bei der SPÖ: Nicht auf alle! – Abg. Wabl: Was heißt das jetzt?)

Faktum Nummer vier ist, daß es eine parteipolitische Einflußnahme auf die Beschaffungsvorgänge nicht gegeben hat. Diese Feststellung hat Herr Brigadier Egger am 3. Oktober 1996 wörtlich im Ausschuß getroffen, und auch Herr General Corrieri hat im Unterausschuß des Rechnungshofausschusses diese Feststellung gemacht. (Abg. Scheibner: Daß es politische Einflußnahme gibt!) Nein, im Gegenteil! (Abg. Scheibner: Lesen Sie im Protokoll nach, bevor Sie die Unwahrheit sagen! – Abg. Wabl: Das steht im Protokoll! – Rufe bei den Freiheitlichen und Gegenrufe bei der ÖVP.) Wenn es Kompensationsgeschäfte gegeben hat, dann waren diese absolut im Sinne der Arbeitsplatzsicherung in Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Wabl: Bleiben Sie bei der Wahrheit, Herr Wurmitzer!)

Auch am Beispiel Thomson darf ich das wieder beweisen. Der Anschaffungswert für die Radaranlagen machte 1,1 Milliarden Schilling aus. Das Angebot Frankreichs betrug 270 Prozent. Das heißt, dem steht ein Gegenwert an Kompensationsgeschäften von 3 Milliarden Schilling gegenüber. (Abg. Wabl: Bei der Nachbesserung!) Bisher anerkannt wurden 2,4 Milliarden Schilling, obwohl die Laufzeit noch bis zum Jahre 2000 geht. (Abg. Wabl: Ich möchte wissen, wo nach


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gebessert wurde!) In vielen Fällen haben sich diese Kompensationsgeschäfte als echte Türöffner für schwierige Märkte erwiesen, was besonders auf den französischen Markt zutrifft.

Noch etwas darf ich sagen: Wenn österreichische Geräte zur Verfügung standen, wurden vorrangig österreichische Geräte angekauft. Das trifft auf den Radpanzer zu, das trifft auch auf die Handfeuerwaffen zu. Voraussetzung ist allerdings, daß die Qualitätsnormen von den österreichischen Firmen eingehalten werden. Die Volkspartei bekennt sich auch heute noch zu einer eigenen wehrtechnischen Produktion in jenen Bereichen, in denen wir dies schaffen. Es muß unser Anliegen sein, daß der größtmögliche Teil der Wertschöpfung in Österreich bleibt. Sie ist im Falle des PANDUR mit 75 Prozent sehr, sehr hoch. (Abg. Scheibner: Wie viele werden angeschafft?)

Ich darf zusammenfassen: Im Berichtszeitraum haben sich die strategische und die politische Lage Österreichs drastisch verändert. Es stellten sich neue Herausforderungen an die Mannschaft und an die Ausrüstung des Bundesheeres. Diesem Umstand wurde im Rahmen der budgetären Möglichkeiten Rechnung getragen. Der gesetzliche Auftrag an das österreichische Bundesheer, die Verteidigungsbereitschaft auf hohem Stand zu halten, wurde erfüllt.

Ich möchte schließen mit einem Dank an Herrn Bundesminister Fasslabend, an die Offiziere und an die Mannschaft des österreichischen Bundesheeres. (Beifall bei der ÖVP.)

13.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wabl. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. (Abg. Wabl: Wer hat das gesagt?) Ihr Klub offenbar. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.58

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wurmitzer glaubt, er kann hier vom Rednerpult aus Dinge verbreiten, die meines Erachtens eindeutig (Abg. Schwarzenberger: ... richtig sind!) widerlegbar sind. Er glaubt, er kann hier Fakten vertuschen, Fakten verdrehen, indem er den Rechnungshof zitiert.

Meine Damen und Herren! Sie sollten sich daran erinnern, wie dieser Rechnungshofbericht beziehungsweise dieser Auftrag des Parlaments zustande gekommen ist. Faktum, Herr Kollege Wurmitzer, ist, daß ein Mitglied der Österreichischen Volkspartei und dieses Hauses mit einem anderen Mitglied dieses Hauses von der Sozialdemokratischen Partei Gespräche über Waffengeschäfte geführt hat, in denen es um Provisionszahlungen gegangen ist. Dieser Vorfall hat dazu geführt, daß dieses Mitglied der ÖVP zurücktreten mußte und nicht mehr diesem Haus angehört und daß das Mitglied dieses Hauses von der sozialdemokratischen Fraktion nicht mehr Wehrsprecher ist. (Abg. Grabner: Er war es nie!)  – Das ist Faktum Nummer eins.

Es hat dann den Antrag der Opposition auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gegeben; das adäquate Mittel der politischen Untersuchung und Überprüfung dieses Faktums. Und was haben Sie gemacht, Herr Wurmitzer? Was haben Sie gemacht, Herr Gaál? – Sie haben diesem Haus ein Theater vorgespielt! Sie haben suggeriert, der Rechnungshof wäre das geeignete Instrument, diesen Vorfall beziehungsweise diese Causa zu überprüfen!

Meine Damen und Herren! Der Rechnungshof hat seine Arbeit gut gemacht. Das steht in dieser Frage außer Streit. Aber er hat den Auftrag nicht bekommen, das zu überprüfen, was hier politisch zu untersuchen wäre, sondern er hat den Auftrag bekommen, im Bundesheer, im Verteidigungsministerium zu überprüfen, welche Fakten- und Aktenlage dort vorhanden ist.

Was stellen Sie sich denn vor, wie Korruption passiert, Herr Wurmitzer? Korruption passiert nicht offiziell auf einem Aktenordner, mit einem Aktenvermerk, mit einem Stempel und mit der Unterschrift des Herrn Ministers Fasslabend, Korruption passiert ganz anders. (Abg. Dr. Lukesch: Sie müssen’s ja wissen! – Abg. Wurmitzer: Reden Sie nur weiter! Das ist ja unerhört!) Ja, wir reden weiter!


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Ein weiteres Faktum, Herr Kollege Wurmitzer: Am 28. Jänner, Herr Kollege Wurmitzer, schreibt der "Kurier" über besagte Firma Thomson, um deren Geschäfte es geht – Faktum Nummer zwei nach dem Herrn ÖVP-Mitglied, das in Provisionsgespräche, in verbotene Zahlungen verwickelt war –: Die Firma Thomson besticht in Frankreich einen obersten Juristen, um Waffengeschäfte durchzudrücken. Das heißt, diese Firma ist einschlägig bekannt für Provisionszahlungen illegaler Art. Das ist Faktum Nummer zwei.

Faktum Nummer drei ist, Herr Kollege Wurmitzer: Sie haben geglaubt, Sie können mit Ihrem Tarnmanöver und Ihrem Verdunkelungsmanöver darüber hinwegtäuschen, daß der Rechnungshof nur prüfen kann, wozu er befugt ist. Er kann zum Beispiel nicht überprüfen – Faktum Nummer drei – folgenden Sachverhalt, den Sie vielleicht auch hier hätten darlegen sollen, damit die Zuhörer und Zusehen wissen, worum es geht: Der Geschäftsführer der Thomson-Vertretung, die den Zuschlag in Österreich bekommen hat, Herr Muchitsch, hat eine Unterredung mit einem Parteisekretär, bei der Millionen angeboten werden. Es kommt in erster und zweiter Instanz zu rechtskräftigen Verurteilungen wegen verbotener Anstiftung. (Abg. Dr. Lukesch: Und Freispruch!) Es kommt zu einer Aufhebung dieses Urteils, aber dann zu einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, daß in der Sache richtig entschieden worden ist. Trotzdem ändert das nichts am letztendlichen Freispruch.

Sehen wir uns die Anfragebeantwortung an, die vor kurzem von Herrn Minister Fasslabend gekommen ist. Wir hatten nachgefragt, ob es Treffen zwischen Vertretern der Firma Thomson und den anderen gegeben hat. Lapidar sagt der Herr Bundesminister dazu nur: "Wie die diesbezüglichen Untersuchungen meines Ressorts ergeben haben, beschränkten sich die erwähnten ,Geschäftsessen‘ auf einige wenige gemeinsame Mahlzeiten von Militärs und Firmenvertretern anläßlich der Präsentation der Produkte sämtlicher in Frage kommenden Anbieter am Fliegerhorst in Langenlebarn. Hierbei wurden die Kosten zum Teil von den Firmen getragen."

Wer saß denn dort? Die Vertreter der Firma Thomson? Genau der Vertreter, der verbotene Provisionszahlungen angeboten hat? Oder saß jemand anderer dort? Der Herr Bundesminister gibt ja keine Auskunft darüber (Abg. Murauer: Sie müssen schlechte Erfahrungen haben! – Zwischenrufe des Abg. Wurmitzer ), und die Mitglieder des Ausschusses, Moser, Scheibner, Jung und wie sie alle heißen, hatten ja keine Gelegenheit, diese Herren zu befragen, weil der Herr Abgeordnete Wurmitzer, der Herr Abgeordnete Murauer, der Herr Abgeordnete Lukesch und der Herr Abgeordnete Gaál und wie sie alle heißen in trauter rot-schwarzer Einigkeit gesagt haben: Nein! Auskunftspersonen? – Nein, das tun wir nicht!

Die Frau Vorsitzende Apfelbeck wollte die Anträge über Auskunftspersonen abstimmen lassen, damit Licht in dieses Dunkel kommt, das Sie vertuschen, Herr Wurmitzer. Das haben Sie in Ihrer trauten Einigkeit, in Ihrer großkoalitionären Eintracht abgelehnt. Das ist Faktum, Herr Wurmitzer, und dann stellen Sie sich hin und sagen: Vier Berichte gibt es, und da steht nichts drinnen!

Ich kann mich an eine "Meldung" des Herrn Rechnungshofpräsidenten Fiedler erinnern, auch im Ausschuß, wo er klar erklärt hat, das, was hier im Parlament passiert ist und warum überhaupt dieses von Ihnen inszenierte Theater gemacht worden ist (Abg. Dr. Maitz: Beim Theater bist du Spezialist!), das kann er per Gesetz überhaupt nicht überprüfen, Herr Maitz. Sie spielen weiter den Vertuscher und gehen dann her und sagen: Alles in Ordnung, kein Hinweis auf illegale Zahlungen. (Abg. Schwarzenberger: Und so will Ihr Bruder Bundespräsident werden?!)

Sie knebeln die parlamentarische Kontrolle, und dann kommen Sie hier heraus und sagen: Es ist alles in Ordnung! (Abg. Dr. Maitz: Und Sie spielen den Parlamentskasperl! Der Struwwelpeter des Parlaments!) Herr Kollege Maitz! Ich bin lieber der Letzte im Dorf als der größte Vertuscher in diesem Hause – so wie Sie. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dkfm. Holger Bauer. )

Meine Damen und Herren! Sie verhindern mit Ihrer Politik im Kontrollausschuß, daß tatsächlich kontrolliert wird in diesem Parlament, und das wird die Opposition nicht hinnehmen. Das sage ich Ihnen: Das werden wir nicht akzeptieren!


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Meine Damen und Herren! Was war denn im Wirtschaftsministerium? Warum ist denn plötzlich Thomson doch zum Zug gekommen? Weil diese Firma das beste Gerät gehabt hat? – Thomson konnte nachbessern auf 270 Prozent! Warum eine Firma plötzlich die Gelegenheit zum Nachbessern bekommt, das wissen wir nicht.

Meine Damen und Herren! Herr Wurmitzer! Das sind die Fakten, das ist die Wahrheit! Lesen Sie die Protokolle! (Abg. Dr. Maitz: Lesen Sie die Gutachten!) Wissen Sie, Herr Maitz, die Mehrheit einzusetzen, um die Opposition zu knebeln, ist eine Sache, aber sie dann auch noch zu verhöhnen, daß sie nicht weiß, was in den Akten steht, das ist eine maßlose Arroganz von Ihnen, und dafür werden Sie sicher noch zur Rechenschaft gezogen werden! (Beifall bei den Grünen.)

Es steht wieder ein Bundespräsident zur Wahl. Der Herr Klestil sagt: Macht braucht Kontrolle, ich will ein starker Präsident sein! Die erste Probe hat er in der Kurden-Frage bestanden. Da hat er sich von einem Oppositionspolitiker den Persilschein ausstellen lassen. Ich habe ihn dann ersucht, in der Öffentlichkeit klarzustellen, daß es nicht angeht, daß im parlamentarischen Rechnungshofausschuß, im Kontrollausschuß die Mehrheit kategorisch Auskunftspersonen ablehnt, die zur Erhellung von Sachverhalten dienen würden. Wissen Sie, was er mir geschrieben hat, unser netter Herr Bundespräsident, der gesagt hat, Macht braucht Kontrolle?  – Er mischt sich nicht ein in die parlamentarischen Angelegenheiten, meinte er – was er zwei Monate später aber ohne Probleme gemacht hat, wo er einen sehr lächerlichen Brief an dieses Parlament verfaßt hat, in dem es heißt, daß wir einen Fehler gemacht hätten, weil er sich mit seiner Pension, die ihm plötzlich "zugeflogen" ist, Peinlichkeiten ersparen wollte.

Meine Damen und Herren! Das ist ein Kartell von Machterhaltern und Vertuschern, aber ich sage Ihnen: Sie werden die Kontrolle nicht weiter knebeln können, wir werden Widerstand leisten gegen diese Art Ihres Vorgehens! (Beifall bei den Grünen.)

14.08

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Dr. Fasslabend. – Bitte, Herr Bundesminister.

14.08

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Ich möchte zum Eingang meiner Ausführungen noch einmal kurz an den Beginn dieses Prüfungsvorganges zurückblenden.

Anlaß dafür war, daß in der Öffentlichkeit aufgrund von Gesprächen, die in Parteisekretariaten oder zwischen Abgeordneten stattgefunden haben, der Verdacht entstanden ist, es könnte tatsächlich auch im Bundesministerium für Landesverteidigung im Zuge von Beschaffungen zu Unzukömmlichkeiten gekommen sein. Es wurde daraufhin der intensivste und umfassendste Prüfungsvorgang vorgenommen, den es je gegeben hat. Es kommt auch im Bericht des Rechnungshofes sehr deutlich zum Ausdruck: Es liegt ein Volumen von insgesamt 38 000 Geschäftsfällen vor, die nach genauen Methoden gesammelt und in einen bestimmten Überprüfungsvorgang mit einbezogen wurden. All die sensiblen Projekte wurden sogar einzeln durchleuchtet.

Wir stehen heute am Ende dieses Prüfungsvorganges, mit einem Bericht, der in jeder Hinsicht eindeutig ist. Es ist klargestellt, daß in jedem einzelnen Falle kein Indiz vorliegt, das auf die Rechtmäßigkeit der Vorgänge in irgendeiner Form ein schiefes Licht werfen würde. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Sie verhindern die Kontrolle und stellen sich dann her und sagen, es ist alles in Ordnung!)

Herr Abgeordneter Wabl! Ich bedauere eines: Ich verstehe, daß es eine Partei gibt, die die Landesverteidigung grundsätzlich ablehnt (Abg. Wabl: Es geht nicht darum!), und ich verstehe auch, daß sie daher auch alle Beschaffungsfälle ablehnt. Was ich nicht verstehe ist, daß man mit dem Mittel der Skandalisierung versucht, rechtmäßige Vorgänge ständig in ein schiefes Licht zu rücken. (Beifall bei der ÖVP.)


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Ich verwahre mich dagegen, daß in dieser Art und Weise ständig mit dem Finger auf die Beamten unseres Hauses, auf Beamte, die einen Eid auf die Verfassung geleistet haben, die ihre Geschäfte bestens führen, gezeigt wird! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scheibner: Nicht auf die Beamten! Ihr Chaos ist es, das wir kritisieren!)

Ich möchte den Anlaßfall hernehmen, um dem Hohen Haus auszugsweise einige Befunde des Rechnungshofes wortwörtlich zur Kenntnis zu bringen.

Es steht unter anderem bei diesen besagten Radaranlagen im Rechnungshofbericht folgendes:

"Die äußerst detaillierten und kommissionell erstellten Bewertungskataloge lagen bereits vor der Angebotseröffnung vor."

Und weiters heißt es: "Bei der Ermittlung der Nutzwerte wurden die versorgungs- und ausbildungsmäßigen Vorteile, die sich aus einer einheitlichen ,Gerätefamilie‘ ergaben, berücksichtigt. Insgesamt waren die angegebenen Vorteile für das Bundesministerium für Landesverteidigung bei gemeinsamer Vergabe an einen Bieter nicht unerheblich.

Wie vorgesehen, wurden die Angebote zunächst einzeln (nach Zielzuweisungs- und Tieffliegererfassungsradar getrennt) der Kosten-Nutzen-Bewertung unterzogen. In einem weiteren Schritt wurden die Angebote für beide Verwendungen gemeinsam sowie in allen möglichen Kombinationen verglichen. Das günstigste Ergebnis dieser Reihung erzielte die gemeinsame Vergabe an den französischen Bieter. Die Mitglieder der Bewertungskommission billigten das Bewertungsergebnis einstimmig.

Nach Genehmigung des Gutachtens der Bewertungskommission durch den stellvertretenden Leiter der für Rüstung, Beschaffung und Versorgung zuständigen Sektion des BMLV wurde am 25. Juli 1994 die Zustimmung des Bundesministers für Landesverteidigung, Dr. Werner Fasslabend, eingeholt und von diesem am 31. Oktober 1994 erteilt.

Der Rechnungshof beurteilte die Arbeit der Bewertungskommission positiv und hielt auch deren Zusammensetzung für sachgerecht. Der Kosten-Nutzen-Vergleich entsprach dem im Bundesministerium für Landesverteidigung vorgeschriebenen Verfahren. Eine Bevorzugung beziehungsweise Benachteiligung von Bietern konnte vom Rechnungshof nicht festgestellt werden. Für den Fall des ungeteilten Zuschlages für beide Systeme enthielten die Angebote insbesondere preisliche Vorteile.

Ein Vergleich der Bewertungen zeigte, daß die schließlich durchgeführte gemeinsame Vergabe gegenüber einer getrennten Vergabe einen um rund 51 Millionen Schilling günstigeren Angebotswert und einen um rund 4 Prozent höheren Nutzwert erbracht hatte. Dadurch wurde die Wirtschaftlichkeit und die Zweckmäßigkeit der Vorgangsweise des Bundesministeriums für Landesverteidigung, die beiden Beschaffungsvorgänge miteinander zu verbinden, ohne dabei die Aufteilung des Zuschlages für die beiden Einzelsysteme auszuschließen, bestätigt." (Beifall bei der ÖVP.)

Ich sage das deshalb, weil ich es für wichtig halte, daß alle Mitglieder des Hauses und auch die Öffentlichkeit vom Befund des Rechnungshofes erfahren – und zwar wortwörtlich! –, und ich stelle das dem gegenüber, was am Anfang dieses Prüfungsauftrages gestanden ist und was hier teilweise nach wie vor indiziert wird. Und ich sage das auch deshalb, weil beim ersten Auftreten eines Verdachtshinweises, der irgendwo in der Öffentlichkeit gemacht wurde, unser Haus selbst alle Kontrollmaßnahmen durchgeführt hat. Unsere Beamten mußten es sich gefallen lassen, einzeln von der Disziplinarabteilung unseres Hauses einer Untersuchung unterzogen zu werden. Sie waren damit in der Situation, sich für etwas rechtfertigen zu müssen, bei dem sie rechtmäßig vorgegangen sind.

Ich möchte das einmal ganz ausdrücklich auch hier feststellen, weil es meiner Meinung nach nicht angeht, mit ständigen Beschuldigungen die Bediensteten des Bundesministeriums für Landesverteidigung ins Zwielicht zu bringen. (Abg. Jung: Es geht nicht um die Bediensteten, Herr Minister!)


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Ich bedanke mich bei allen, die daran mitgewirkt haben, und daß es nicht immer ganz einfach war, ist mir bekannt, weil natürlich auch etliche Beschaffungsfälle untersucht wurden, die bereits acht, neun, zehn Jahre oder länger zurückliegen. Die damals zuständigen Damen und Herren gehören teilweise natürlich gar nicht mehr dem Bundesministerium an, und auch die eine oder andere Dokumentation war vielleicht nicht mehr vollständig vorhanden, und vieles andere mehr. Daß das gar nicht einfach ist, das immer im einzelnen nachzuvollziehen, sehe ich durchaus ein. Ich bedanke mich deshalb beim Rechnungshof, weil er mit seinem Prüfbericht auch einige ganz wesentliche Hinweise gegeben hat, Hinweise etwa, daß die Zahlungsziele von seiten des Bundesministeriums nicht richtig genutzt wurden, daß wir teilweise zu frühzeitig bezahlt hatten. Das hat uns die Möglichkeit gegeben, darauf zu reagieren und das zu ändern, sodaß heute tatsächlich zum letztmöglichen Zeitpunkt bezahlt wird und damit eine günstigere Kostengebarung durchgeführt werden kann. (Abg. Jung: 50 Millionen verschleudert!)

Es hat auch andere Beispiele gegeben, wo wir nicht die Ansicht des Rechnungshofes teilen, etwa was den Bereich der Planung betrifft. Ich glaube nämlich, daß wir uns bereits an der Obergrenze von möglichen und sinnvollen Planungsvorgängen befinden. Unbestritten ist, daß in einigen Einzelfällen durchaus auch da oder dort ein Mangel anzutreffen ist, aber insgesamt ist hier sicherlich eine etwas andere Planungsphilosophie von unserer Warte her gegeben, und zwar einfach deshalb, weil das gesamte Planungs- und Beschaffungswesen sehr komplex geworden ist und wir uns bereits in einem Stadium befinden, wo es schwierig ist, eine möglichst rechtmäßige Durchführung der betreffenden Vorgänge zu gewährleisten.

Ich möchte das kurz darstellen. Es entsteht einmal eine Grundlagenplanung im Bereich einer Generalstabsabteilung. Diese geht dann an den Gruppenleiter. Sie wird dann überstellt an eine andere Generalstabsgruppe. Sie kommt dann in die Rüstungsplanung. Es wird dort ein Pflichtenheft erstellt. Es geht von dieser Abteilung in die Sektion IV, in die dort zuständige Fachabteilung. Von dieser Fachabteilung geht es, wenn es bearbeitet ist und wenn dann eine entsprechende Freigabe erfolgt, in eine weitere Abteilung, nämlich in die Beschaffung, und von dort kann erst ausgeschrieben werden.

All diese Vorgänge werden zwischenzeitlich von einem Kontrollbüro geprüft. Sie werden von den zuständigen Vorgesetzten geprüft. Sie werden, wenn es größere oder schwierigere Beschaffungsfälle sind, von einer Kommission geprüft. Das nimmt ja Monate in Anspruch. Und wenn das fertig ist, wird es noch einmal einer abschließenden Planung unerzogen. Es kommt dann in das Finanzministerium und wird dort noch einmal überprüft, bevor der Zuschlag erteilt wird. – Das sind die realen Vorgänge. (Abg. Scheibner: Was ist mit dem PANDUR? Wie viele kommen jetzt?)

Ich betone daher noch einmal, daß wir mit diesen Vorgängen bereits an der Obergrenze des Möglichen und Sinnvollen angelangt sind, daß alles andere nicht nur zu Verzögerungen führt, sondern auch dazu, daß die Effizienz der Vorgänge an sich bereits in Zweifel gestellt ist. Ich kann Ihnen gerne – und ich werde es vielleicht bei anhaltender Debatte auch gerne noch tun – auch einige ganz konkrete Fälle dafür nennen. Ich glaube nur, daß jetzt nicht die Zeit ist, sich mit Einzelfällen zu beschäftigen.

Ich möchte nur zu bedenken geben, daß wir hier sicherlich bereits ein Stadium erreicht haben, wo ein Höchstmaß an Effizienz, aber auch ein Höchstmaß an Kontrolle gegeben ist, und daß man sich daher sehr gut überlegen sollte, ob man noch zusätzliche Planungs- und Kontrollschritte einbaut, weil das Ganze sonst viel zu unbeweglich wird und wir uns damit immer mehr in ein Stadium begeben, wo sozusagen die Planung und die Kontrolle dann den gesamten Bereich völlig unbeweglich machen.

In diesem Sinne möchte ich bei allen Beteiligten bedanken:

beim Rechnungshof für die wirklich intensive Überprüfung und für die vielen wertvollen Anregungen, die er im Rahmen seiner Überprüfung auch für unser Ministerium erstellt hat und die wir auch bestmöglich befolgen, in allen wesentlichen Teilen bereits jetzt, beziehungsweise haben wir dem von allem Anfang an Rechnung getragen;


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bei den Beamten unseres Hauses, die versucht haben, alles bestmöglich aufzubereiten, und die sich auch an die Vorgaben und Richtlinien des Rechnungshofes, soweit sie als sinnvoll erachtet werden, halten.

Und ich bedanke mich auch bei den Abgeordneten und den Mitarbeitern nicht nur des parlamentarischen Betriebes, sondern auch aller Stellen von außerhalb, die dem ganzen Kapitel auch die notwendige Objektivität verliehen haben.

Ich möchte eines noch dazusagen. Herr Abgeordneter Moser: Sie haben die Frage aufgeworfen, ob es nicht sinnvoll wäre, die Beschaffungsvorgänge zusätzlich auch noch in das Hohe Haus zu bringen. Ich glaube, gerade das, was ich vorhin ausgeführt habe, nämlich wie komplex die Beschaffungsvorgänge sind, aber auch die Tatsache, daß ich mich des Eindrucks nicht erwehren konnte, daß da oder dort, bei dem einen oder anderen Fall, der eine oder andere Politiker, auch Abgeordnete, sich möglicherweise auch als Lobbyist einer Firma verstanden hat, veranlassen mich dazu, dafür zu plädieren, daß es auch in Zukunft eine strikte Trennung zwischen Politik und militärischem Beschaffungswesen geben soll. Die Politik hat bei der Beschaffung von militärischen Gütern nichts verloren! (Abg. Scheibner: Auf das warten wir schon seit Jahren!) Ich trete dafür ein, daß man das den Experten überläßt. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir diesen Grundsatz auch in Zukunft beherzigen, dann meine ich, daß es nicht mehr solche Fälle geben wird, wo in Parteisekretariaten irgend etwas entsteht. Es ist mir ein Anliegen, daß das nicht passiert und daß damit nicht Tür und Tor dafür geöffnet werden, daß andere politische Gruppierungen, die der Landesverteidigung gegenüber feindlich eingestellt sind, dann einen Anlaß haben, eine entsprechende Skandalisierung vorzunehmen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Herr Präsident! Ist das notwendig? – Abg. Schwarzenberger  – in Richtung des Abg. Wabl –: So kann Ihr Bruder nicht Präsident werden!)

14.21

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Leikam. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.21

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn sich einige Damen und Herren wieder etwas beruhigt haben, darf ich mit meinen Ausführungen beginnen. (Abg. Wabl: Unbeschreiblich!) Vor allem Herr Kollege Wabl ist in einer Stimmung, die eigentlich nicht ganz zu verstehen ist. (Abg. Dr. Schwimmer: Straßenverkehrsordnung!)

Meine Damen und Herren! Erinnern wir uns doch: Am 8. Feber 1995 – also vor fast genau drei Jahren – hat dieser Nationalrat den Rechnungshof einstimmig beauftragt, die Beschaffungsvorgänge des österreichischen Bundesheeres zu prüfen. Diesem Prüfungsauftrag ist der Rechnungshof nachgekommen, und die Abgeordneten des Parlaments haben auch festgelegt, wie dieser Prüfungsauftrag zu lauten hat, Herr Abgeordneter Wabl. Wir haben gesagt, daß die Einhaltung der jeweils geltenden Bestimmungen geprüft werden soll. Wir haben weiters gesagt, daß die Effizienz der Entscheidungsstrukturen und der internen und externen Kontrollmechanismen geprüft werden soll. Und – und das halte ich für das Wesentlichste, weil das in erster Linie auch das Thema vor drei Jahren war – wir haben den Rechnungshof vom Parlament her auch beauftragt, zu überprüfen, ob es Verdachtsmomente in Richtung illegaler Zahlungen – sprich Parteienfinanzierung – bei diesen Beschaffungsvorgängen gibt. Das waren die vier ganz konkreten Punkte, die der Rechnungshof vom Parlament als Auftrag mitbekommen hat.

Der Rechnungshof hat gute Arbeit geleistet. Ich stehe auch nicht an, jenen Beamten, die diese Prüfungsaufgaben wahrgenommen haben, auch für die Objektivität, mit der sie diese Prüfungen durchgeführt haben, zu danken. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Meine Damen und Herren! Bereits wenige Monate nach Erteilung des Prüfungsauftrags war der erste Teilbericht im Parlament, und wir konnten darüber diskutieren. Es war ein Vorteil für das Parlament, daß dieser Prüfbericht nicht in einem erstellt, sondern in vier Teile gegliedert wurde. Von 1995 bis heute, da wir den letzten Teilbericht hier diskutieren, waren die einzelnen Prüfungsabläufe auch für jeden nachvollziehbar. (Abg. Scheibner: Sie wissen ganz genau, daß wir keine Unterlagen bekommen haben!)

Parallel dazu waren im Rechnungshofausschuß auch die Kompensationsgeschäfte bei den Beschaffungsvorgängen ein sehr umfangreiches Thema. Auch hier ist es der Opposition nicht gelungen, in irgendeinem Fall nachzuweisen oder eventuell Verdachtsmomente zu erhärten, daß es illegale Geldflüsse gegeben hätte. (Zwischenruf des Abg. Scheibner. )

Ich verstehe, daß es seit Vorliegen dieses Prüfberichtes – diese Prüfung hat über drei Jahre gedauert – eine gewisse Enttäuschung in den Reihen der Opposition gibt. Das, was Sie so gerne gehabt hätten, nämlich den Beweis, daß sich die Regierungsparteien bei diesen Beschaffungsvorgängen finanziell bedient haben, ist eben ganz einfach nicht gelungen. Der Rechnungshof hat in jedem einzelnen Teilbericht ganz klar diesen Bereich ausgeklammert und bemerkt, daß keine illegalen Zahlungen in irgendeiner Form festzustellen gewesen sind.

Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Wurmitzer und Herr Bundesminister! Alle vier Teilberichte und auch die Schlußbemerkungen des Rechnungshofes werte ich so, daß eigentlich kein Grund besteht, zu sagen, daß es gute Berichte gewesen seien. Denn wie ein roter Faden zieht sich durch die gesamten Berichte eigentlich die Kritik des Rechnungshofes: planerische Mängel, Mängel in den Vertragsgestaltungen, mangelnde Ausnützung günstiger Angebote, unzureichende Ausnützung von Zahlungszielen, Unzulänglichkeiten bei der Bestandsverwaltung und bei der Ersatzteilbeschaffung. Im Schlußbericht findet sich immerhin der gravierende Satz: "Mängel wurden – mit unterschiedlicher Häufigkeit – in allen Bereichen der Beschaffung festgestellt."

Meine Damen und Herren! Wenn man solch einen Bericht vorgelegt bekommt, dann ist es, wie ich meine, wirklich nicht angebracht, von einem guten Bericht zu reden, wie es Kollege Georg Wurmitzer getan hat. Ich kann mir das nur so erklären, daß er vielleicht ein Rundschreiben des ÖAAB erwischt hat, das ihn dazu veranlaßte, diese Lobesworte an den Herrn Bundesminister zu richten. Der Rechnungshofbericht, den wir bekommen haben, gibt keinen Anlaß für irgendwelche Lobhudeleien in Richtung des Herrn Bundesministers. Zu vieles ist in diesen drei Jahren vom Rechnungshof kritisiert worden.

Meine Damen und Herren! Es geht mir auch nicht darum, ob bei diesen Prüfungen jetzt die Sockenbeschaffungen oder die Radaranschaffungen geprüft worden sind oder ob man das vergleicht, wie es Kollegin Apfelbeck getan hat, sondern ich meine, es muß klar sein, daß die Kritik des Rechnungshofes bei den Beschaffungsvorgängen dazu führt, daß die Mißstände, die aufgezeigt worden sind, künftighin nicht mehr passieren. Es ist völlig gleichgültig, ob es um Socken oder um Radaranlagen geht, in jedem einzelnen Fall sind die Beschaffungsvorgänge korrekt abzuwickeln. Das, glaube ich, ist ein wichtiger Punkt und eine wichtige Erkenntnis, die wir aus diesen Rechnungshofberichten gewinnen konnten. (Beifall bei der SPÖ.)

14.27

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scheibner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.27

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kollege Leikam! Als angesprochener Oppositionsredner muß ich sagen, es ist mir überhaupt kein Bedürfnis, dem Bundesheer zu schaden. (Abg. Leikam: Das habe ich nicht gesagt!) Du hast pauschal über die Opposition gesagt, daß sie heute traurig ist, daß nichts gefunden wurde.  – Ganz im Gegenteil, wir wollen endlich erreichen, daß das Bundesheer das bestmögliche Gerät im notwendigen Ausmaß und nach Abschluß eines ordentlichen Planungs- und Beschaffungsverfahrens bekommt, und zwar jenes Gerät, das notwendig ist, um die Aufträge, die das Bundesheer hat, auch erfüllen zu


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können. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Da wäre es auch notwendig, daß deine Fraktion mithilft, daß das auch wirklich passieren kann.

Wir sind selbstverständlich froh, daß der Rechnungshof keine Verdachtsmomente im Bereich des Ministeriums dahin gehend gefunden hat, daß es irgendwelche Bestechungen oder Schmiergeldzahlungen gegeben hat, weil wir davon ausgehen, daß sich die Beamten – und, Herr Bundesminister, bringen Sie da nicht immer die Beamten mit ins Spiel; die sind hier nicht kritisiert – nichts zuschulden haben kommen lassen. Wir wissen, daß die Beamten des Ressorts und die Soldaten integre Leute sind, die versuchen, trotz der Probleme, die Sie ihnen bereiten, das Bestmögliche aus ihrer Arbeit zu machen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Die sind hier nicht in Diskussion gestellt, sondern es geht darum, wieweit die Politik gegen die Interessen des Militärs agiert.

Herr Kollege Wurmitzer, Sie haben gesagt, daß eindeutig hervorgegangen sei, daß es keine Einflußnahme gegeben habe. Lesen Sie einmal die Protokolle dieser Sitzungen, lesen Sie die Protokolle der Unterausschüsse! Wortwörtlich sagte General Corrieri, daß es selbstverständlich politische Einflußnahmen auf die Beschaffungsvorgänge gegeben habe und nach wie vor gebe. Selbstverständlich gibt es politische Einflußnahmen! Deshalb ist es ja kein Zufall, daß der Bestechungsvorwurf bei der Firma Thomson, der ja in den Raum gestellt wurde, nicht bei einem Beamten des Ressorts angesetzt wurde, sondern bei einer politischen Partei. Es gibt offensichtlich Möglichkeiten, politischen Einfluß auf diese Beschaffungsvorgänge zu nehmen. (Abg. Wurmitzer: Wo steht das?) Das durften wir ja nicht kontrollieren, Kollege Wurmitzer! Denn überall dort, wo es vielleicht unangenehm geworden wäre, wo wir in Originalakten, in Geschäftsstücke hätten Einsicht nehmen können, da haben Sie mit Ihrer Mehrheit alles abgeblockt und uns die Informationen, die wir gebraucht hätten, um auch das aufzuklären, verweigert.

Und ganz so ein Zufall, Kollege Leikam – noch einmal zu der Frage, wer dem Heer schadet –, kann es nicht gewesen sein, daß ein Jahr nach diesem angeblichen Bestechungsversuch der Firma Thomson, erst ein Jahr danach, mitten in eine Beschaffungsforderung des Heeres, dies plötzlich an die Öffentlichkeit gekommen ist. Welche Interessen da tatsächlich dahintergestanden sind, lasse ich auch einmal dahingestellt.

Herr Bundesminister! Sie stellen sich heute hier her, zitieren irgend etwas aus dem Rechnungshofbericht und sagen, das beweise, wie gut Sie arbeiten, daß alles in Ordnung sei. Sie haben die Radaranlagen angesprochen, Herr Verteidigungsminister. Wir haben uns damals im Landesverteidigungsrat auf die Entscheidung der Bewertungskommission verlassen, weil wir gemeint haben, die Trennung von Politik und Heer sollte durchgeführt werden. Aber wir warten noch immer darauf, daß diese Trennung endlich realisiert wird. Sie sind nach wie vor politischer und miltärischer Verantwortlicher in diesem Heer, und Sie regieren nach wie vor – auch ein Zitat aus dem Protokoll dieses Ausschusses – in diese Beschaffungsvorgänge hinein. Wo ist diese Trennung?

Speziell bei der Anschaffung von Radaranlagen haben Sie, Herr Bundesminister, gesagt, es sei alles in Ordnung gewesen. – Gut, schön, das möchte ich glauben. Wir haben damals auch Ihren Ausführungen geglaubt, und wir haben das deshalb auch mitgetragen. Nur: Wann wird denn geliefert? Wann werden diese Radaranlagen der Truppe zugeführt, wenn doch sowieso, wie Sie behaupten, alles in Ordnung sei? Oder stimmen doch die Vorwürfe und Gerüchte, die uns bereits damals zugetragen wurden, daß dieses Gerät doch nicht so geeignet sei, wie Sie das in der Öffentlichkeit dargestellt haben? Also wann wird geliefert? Es wurde ja zumindest für einen Teil der Geräte schon bezahlt. Wie ist der Stand heute?

Sie hätten den Rechnungshof auch zum Projekt Radpanzer PANDUR zitieren können, Herr Verteidigungsminister. Dazu sagt der Rechnungshof: keine entsprechenden Planungen, keine Bedarfserhebung, keine Festlegung eines Bewertungskataloges, mangelhafte Projektvorbereitung, keine Bewertung der notwendigen Infrastrukturen und der Folgekosten. Ist das ein ordentliches Planungsverfahren?


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Sie haben dann 68 Radpanzer für den UNO-Einsatz gekauft, allerdings sind sie dort bis jetzt, Jahre nach dieser Beschaffung, noch nicht angekommen. Die Nationalratsabgeordneten erfahren dann hier im Parlament, daß das deshalb der Fall ist, weil diese nicht einsatzbereit seien. Man bemerkte das erst, nachdem man sie übernommen hatte, obwohl Mängel bereits bei der Übernahme festgestellt wurden – siehe Rechnungshofbericht. Man erkennt jetzt, daß diese Radpanzer anscheinend doch nicht für diesen Bedarf geeignet sind und daß man sich in der Planung, in der Beschaffung für die 200 Radpanzer – ich weiß nicht, ob es überhaupt noch 200 sind; Sie haben das bei der Diskussion über das Mech-Paket für das Bundesheer auch schon in Zweifel gezogen – geirrt hat.

Wir hatten es uns umgekehrt vorgestellt: Wir haben damals vorgeschlagen, daß man für die 68 Panzer für den UNO-Einsatz ein fertiges Produkt, das billig auf dem Markt zu beschaffen gewesen wäre, nehmen sollte und daß man sich Zeit lassen solle, um gemeinsame mit dem österreichischen Anbieter das große Paket für das österreichische Bundesheer zu organisieren. – Sie haben damals gemeint, das sei unsinnig; Sie wollen keine zwei Panzertypen im Rahmen des Heeres bei einem solchen Fahrzeug haben. – Jetzt machen Sie aber genau das. Ihr Sprecher sagte, es sei nicht sicher, ob die Firma Steyr diesen Zuschlag bekomme. Das ist überhaupt nicht sicher, dieser Auftrag wird international ausgeschrieben. Wenn es ein billigeres ausländisches Produkt gibt, dann bekommt dieses ausländische Produkt den Zuschlag. Also was ist das für eine Geschichte mit den zwei Gerätefamilien?

Ich höre auch, daß nur mehr 40 Einheiten beschafft werden sollen. Im Mech-Paket, das gemeinsam mit Ihrem Koalitionspartner verabschiedet wurde, ist noch von 200 Fahrzeugen die Rede gewesen. Herr Verteidigungsminister, gibt es schon Vertragsverhandlungen? Gibt es schon einen Beschaffungsvorgang, der eingeleitet worden wäre? Wir würden uns erwarten, daß Sie uns das heute sagen, daß Sie aus der Kritik dieses Berichtes gelernt haben (Beifall bei den Freiheitlichen), daß Sie endlich einmal dazu kommen, so rasch wie möglich das notwendige Gerät anzuschaffen, nämlich ein Gerät, dessen Anschaffung bereits im Landesverteidigungsrat vor mehr als einem Jahr beschlossen wurde, etwas, das Sie auch dem Koalitionspartner, der Gewerkschaft, den österreichischen Arbeitnehmern, den Firmen und letztlich auch den österreichischen Soldaten versprochen haben. Aber da hört man nichts mehr davon, da wurde heute etwas ganz anderes geschildert, als noch vor einem Jahr Geltung hatte. – Dies alles würden wir uns aber erwarten.

Ich bin sehr froh darüber, Herr Verteidigungsminister, daß es einen Rechnungshof gibt, der immer wieder den Finger auf Ihre Wunden legt, der immer wieder aufzeigt, welche Probleme es in einem so sensiblen Bereich gibt. Ich sage Ihnen: Wir werden alles mittragen, was dem Wohl der österreichischen Landesverteidigung dient, aber wir werden immer wieder aufzeigen, wenn Geld verschwendet wird und wenn durch falsche Planungen Ressourcen in die falsche Richtung gesteuert werden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Reichhold: Da tun sich Abgründe auf!)

14.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Sauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.35

Abgeordneter Willi Sauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Für mich sind einige Dinge in diesem Rechnungshofbericht sehr wesentlich: zum ersten, daß in diesem Bericht festgestellt wurde, daß der Vorwurf von illegalen Zahlungen oder Schmiergeldzahlungen völlig aus der Luft gegriffen ist und entkräftet wurde. (Abg. Wabl: Einfach falsch, was Sie sagen!) Wenn in manchen Bereichen Politiker und Beamte bewußt immer wieder in ein schiefes Licht gerückt werden, so nützt dies der Sache nichts, Herr Kollege Wabl, und am wenigsten nützt es dem Bundesheer! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Gehört Kraft unserer Fraktion an?) Nein, der gehört nicht der grünen Fraktion an, aber er ist in einem etwas anderen Zusammenhang verurteilt worden. Das möchte ich hiezu sagen. (Abg. Wabl: In welchem Zusammenhang?) Nicht mit Schmiergeldzahlungen! (Abg. Wabl: Womit dann?) Wir reden


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später darüber, ich habe nur eine Redezeit von 5 Minuten. (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Wabl. ) Auch wenn Sie noch so laut schreien, Herr Kollege Wabl, das ändert nichts an Ihrer Haltung zum österreichischen Bundesheer.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Beschaffungswesen des Heeres wird häufig kritisiert, und gerade in einem so sensiblen Bereich wie bei Kriegsmaterial gibt es natürlich Kritikpunkte in bezug auf die Beschaffung. Als Mandatar dieses Hauses bin ich aber froh darüber, daß der Rechnungshof nicht nur die Möglichkeit hat, sondern diese auch nutzt, exakt zu prüfen und uns Fakten zu liefern, mit denen wir auch in der Öffentlichkeit gegenüber Gerüchten und verschiedenen Anschuldigungen argumentieren können. In diesem Zusammenhang muß man natürlich auch sehen, daß diese Berichte sehr viel Positives beinhalten, daß das österreichische Bundesheer und damit das Beschaffungswesen sehr wesentlich auch zur Arbeitsplatzsicherung der Österreicherinnen und Österreicher beitragen.

Und wenn in diesem Zusammenhang das Verteidigungsministerium vom Wirtschaftsministerium gelobt wurde, weil nämlich in den Jahren seit 1978 Gegengeschäfte im Wert von 24 Milliarden Schilling getätigt wurden und so einige tausend Arbeitsplätze in Österreich gesichert werden konnten, dann muß man auch das positiv hervorheben. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Bundesminister Fasslabend hat bereits das Kontrollbüro in seinem Ressort angesprochen. Damit ist eine interne Revision eingerichtet worden, in der Bezug auf die Kritik des Rechnungshofes genommen und sofort reagiert wurde, damit da einige Dinge abgestellt werden können, die vielleicht nicht so abgelaufen sind, wie es hätte sein sollen.

Es wird immer wieder verlangt, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß unser Bundesheer gut ausgerüstet ist. Daß für diese Ausrüstung Beschaffung notwendig ist, damit die Soldaten bestmöglich geschützt werden und schützen können, ist meiner Ansicht nach eine Selbstverständlichkeit.

Wir haben in diesem Bericht einiges an Kritik gelesen. Wir haben aber auch gesehen, daß speziell das österreichische Bundesheer und das Ministerium diese Kritik zum Anlaß genommen haben, sehr sensibel darauf zu reagieren. Viele dieser Dinge sind bereits abgestellt, oder man ist gerade dabei, sie abzustellen.

Ich bin froh darüber, daß es diesen Bericht gibt, weil man damit in der Öffentlichkeit vielen negativen Argumenten entgegentreten kann. (Beifall bei der ÖVP.)

14.39

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. Die Restredezeit Ihres Klubs beträgt 12 Minuten. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

14.40

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister! Wenn Sie sagen, wir sollten nicht zu den Mitteln der Skandalisierung greifen, dann kann ich diesen Vorwurf nur an Sie zurückgeben, denn Sie selbst haben schon für diese Skandalisierung gesorgt, nicht zuletzt – und darauf komme ich noch zurück – durch Ihre Rolle und die Ihrer Fraktion in dieser Angelegenheit, vor allem aber durch Ihr Verhalten im Untersuchungsausschuß und durch Ihre heutige Rede. Wenn Sie in dieser Rede eine Fraktion – in diesem Fall die grüne Fraktion – zu Feinden der Landesverteidigung zu stilisieren versuchten, finde ich das einfach unangebracht, Herr Bundesminister, denn wir sind nicht die Feinde der Landesverteidigung, wir haben lediglich eine andere Auffassung davon. (Abg. Schwarzenberger: Das beweisen Sie ja laufend!)

Das ist ein anderes Thema. Wir sind keine Feinde der Landesverteidigung. Ich darf Sie bei dieser Gelegenheit nur daran erinnern, daß wir sehr wohl unterstützt haben, daß die UNO-Truppen in Zypern besser ausgestattet werden und das bekommen, was sie für ihren Friedens


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einsatz vor Ort brauchen. Wenn Sie schon von Skandalisierung reden, darf ich diese Anschuldigung an Sie selbst zurückgeben.

Herr Bundesminister! Wenn alles so ist, wie Sie behaupten, wenn Sie eine weiße Weste haben und alle Vorwürfe nur Erfindungen von ganz bösartigen Abgeordneten sind, dann frage ich Sie, warum Sie die Untersuchungen im Ausschuß nicht zugelassen haben. Warum haben Sie mit Ihrer Mehrheit verhindert, daß die Zeugen vorgeladen werden? Geben Sie uns doch eine einzige schlüssige Anwort darauf! Warum konnte Herr Peter Muchitsch nicht vorgeladen werden, der der österreichische Vertreter der Firma Thomson ist? Warum haben Sie das mit Ihrer Mehrheit verhindert?

Warum konnte Herr Fritz Klocker nicht vorgeladen werden? Als ehemaliger Sekretär der SPÖ hätte er Auskunft über dieses Angebot des Geldflusses von einer Firma in eine Partei geben können. Warum haben Sie das mit Ihrer Mehrheit verhindert?

Warum haben Sie verhindert, daß Zeuge Hans Schwimann vorgeladen wurde? Als französischer Konsulent der Firma Thomson hätte er darüber Auskunft geben können, mit wem im Landesverteidigungsministerium gesprochen wurde.

Herr Bundesminister! Wenn das alles nur ganz böse Vermutungen oder böse Phantasien der Opposition sind, dann hätten Sie doch die Herren in den Untersuchungsausschuß vorladen können. Dann hätten diese Ihnen noch geholfen. Sie hätten Ihnen sogar bestätigen können, daß Sie eine reine und weiße Weste haben. Aber sehen Sie, das ist das Verdächtige, denn nur jemand, der ein schlechtes Gewissen hat, setzt seine Macht und seine Mehrheit ein, um zu verhindern, daß Zeugen vorgeladen werden. Das ist das eigentlich Bedenkliche.

Herr Bundesminister! Sie brauchen nicht eine Zeile aus dem Bericht des Rechnungshofes vorzulesen, nicht eine Zeile! Stellen Sie sich nur bitte dieser Frage, daß Sie nämlich hier als Regierungskoalition, als Mehrheit in diesem Haus die Kontrolle blockieren und gleichsam das Recht auf Kontrolle für sich beanspruchen, indem Sie verhindern, daß Zeugen, die für eine Aufklärung maßgeblich sind, vorgeladen werden können. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist das Wesentliche, gehen Sie darauf ein! Sparen Sie sich die Lesestunden, die Zitate aus dem Rechnungshofbericht! Das haben alle Mitglieder des Untersuchungsausschusses bereits gelesen und gehört. (Abg. Dr. Lukesch: Es war kein Untersuchungsausschuß!) Diese Zeit hätten Sie sich schenken können, statt dessen hätten Sie auf wesentliche Fragen eingehen können. Warum haben Sie, warum hat die Mehrheit der Regierungskoalition in diesem Haus verhindert, daß diese Zeugen vorgeladen worden sind? Das wirft ein schiefes Licht auf Sie, das wirft ein schiefes Licht auf die SPÖ und auf die ÖVP in diesem Haus, daß Sie das verhindert haben.

Natürlich ist die Liste lang. Wir könnten diese Liste der Unklarheiten und Ungereimtheiten wieder einmal aufzählen. Man kann noch darüber hinwegsehen, daß Sie und Dr. Schüssel von Anfang an eine Präferenz für die Firma Thomson gehabt haben. Es mag so sein, daß Sie eine Vorliebe für diese Firma gehabt haben. Aber es bleiben immer noch die Ungereimtheiten der Erprobung und der normwidrigen Angebotsnachbesserung. Es bleibt die falsche Zeugenaussage im Unterausschuß, wo Sie mit Ihrer Mehrheit blockiert haben, daß dieser Zeuge noch einmal vorgeladen wird. Das hätte man alles aufklären können. Dann hätten Sie vielleicht recht gehabt. Möglicherweise hätten Sie dann mit Fug und Recht hier heraußen stehen und sagen können, die Opposition irrt, die Opposition will offensichtlich Kapital aus dieser Angelegenheit schlagen. Aber das können Sie nicht sagen, denn Sie haben eine Untersuchung überhaupt nicht zugelassen. Sie haben sie verhindert und blockiert. Das ist das Wesentliche. (Beifall bei den Grünen.)

Zu Ihrem salbungsvollen Schlußwort, Herr Bundesminister. Ob die strikte Trennung von Politik und militärischem Beschaffungswesen eingehalten worden ist oder nicht – genau dieser Punkt hätte uns interessiert. Nun bleibt dieser Verdacht bestehen, auch wenn Sie ihn in Ihrer Rede noch so sehr zu zerstreuen versuchen und aus Berichten zitieren. Der Verdacht bleibt bestehen, daß Sie diese Trennung zwischen Politik und militärischem Beschaffungswesen eben nicht eingehalten haben.


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Es ist wirklich kindisch, wenn Sie versuchen, den Grünen vorzuwerfen, daß sie keine Landesverteidigung wollen. Das ist heute schlicht nicht das Thema, ganz egal, um welchen Bereich der Beschaffung es gegangen wäre. Bei einer solchen Reihe von Unklarheiten und bei Ihrem Mißbrauch von Macht und Mehrheiten ist das das Thema. Merken Sie sich das: Ausschließlich das ist das Thema! (Beifall bei den Grünen.)

14.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Edler. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Wabl: Bitte bleib bei der Wahrheit!)

14.47

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Eines steht heute außer Streit, nämlich daß wir mit Dank und Anerkennung den Vierten und letzten Teilbericht des Rechnungshofes über das Beschaffungswesen unseres Bundesheeres zur Kenntnis nehmen.

Es gibt keine Diskussion darüber, daß sorgfältig – auch aufgrund des Antrages vom 8. Februar 1995 – geprüft worden ist und daß dies eine gute Grundlage war, sich damit kritisch auseinanderzusetzen. Der Herr Bundesminister hat den Beamten Dank ausgesprochen, dem man sich nur anschließen kann.

Meine Damen und Herren! Sicherlich gibt es in vielen Bereichen schwarze Schafe. Das kann man nirgends ausschließen, weder in der Privatwirtschaft noch in den Bundesdienststellen. Aber ich möchte auch unterstreichen, meine Damen und Herren – ich habe mir das als Gewerkschafter genau angesehen, was die Bewerterkommission betrifft –, daß es eine Zumutung gewesen ist, wie sich Beamte, wie sich österreichische Staatsbürger disziplinär untersuchen lassen mußten, Beamte, die den Auftrag gehabt haben, einen großen Auftrag für Österreich, für unser Bundesheer zu bewerten. Das war höchst problematisch und sicherlich nicht anständig. (Abg. Jung: Wer hat den Auftrag gegeben?) Die Kollegen haben damals vieles über sich ergehen lassen müssen.

Meine Damen und Herren! Es herrschte damals ein großer öffentlicher Druck, eine Medienhetze. Die Reaktion, die Österreich bei solchen Anlässen oft an den Tag legt, ist, wie ich glaube, bekannt. Trotzdem dürfen wir nicht übersehen – und dies wurde heute schon vielfach zum Ausdruck gebracht –, daß es Mängel gegeben hat und daß es noch immer Mängel gibt. Das Kontrollbüro, Herr Bundesminister, ist wirklich eine sehr gute Einrichtung. Soweit wir Einblick nehmen konnten, konnten wir feststellen, daß die Kolleginnen und Kollegen bemüht sind, diese Beschaffungsvorgänge zu kontrollieren und zu begleiten. Das ist ein Ansatz, den man in der Zukunft verstärkt verfolgen sollte.

Sie haben sich persönlich gegen weitere Kontrollen ausgesprochen. Ich verstehe das, denn Kontrollen dürfen nicht so weit gehen, daß sie Abläufe komplett behindern. Wir erweisen also damit unserem Bundesheer einen guten Dienst, was die Waffengeschäfte allgemein betrifft. Man braucht ja das heute nicht mehr zu verheimlichen, meine Damen und Herren, denn es ist ohnehin alles veröffentlicht und transparent. Warum haben wir nicht den Mut, zu sagen, was für Österreich und für unser Bundesheer notwendig ist? Informieren wir die Öffentlichkeit über unsere Vorstellungen, über den geplanten Ankauf von Geräten und Waffen mit der größten Transparenz, dann ersparen wir uns die negativen Diskussionen, wie sie manchmal über unser Heer geführt werden. Die betreffenden Damen und Herren haben sicherlich kein Interesse daran.

Als Sozialdemokrat möchte ich einmal anerkennend festhalten, daß wir darauf stolz sind, was die Vertreter unseres Bundesheeres in der Friedenssicherung auf der Welt geleistet haben, sei es im Nahen Osten, in Exjugoslawien oder in Albanien, und welche wichtigen Friedensaufgaben dort erfüllt werden. Da kann man wirklich nur danke sagen, auch für den Mut bei ihren Einsätzen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Meine Damen und Herren! Meine Erwartung ist – und dies gilt auch für die gesamte sozialdemokratische Fraktion –, daß in Zukunft die Bedarfserhebung, die Planung, aber auch die gesamtwirtschaftliche Betrachtung nicht außer acht gelassen werden. Wir können unser Bundesheer nicht als isolierten Faktor ansehen; wir haben es in unsere Volkswirtschaft sozusagen einzubetten, geht es doch auch um Beschäftigung und Arbeitsplätze im Inland. Denn wir würden kein Verständnis in der Öffentlichkeit finden, wenn wir Aufträge nur an das Ausland vergäben, obwohl die Möglichkeit gegeben ist, diese in Österreich durchzuführen.

Meine Damen und Herren! Da gibt es, was die Zahlungsverpflichtungen betrifft, Ungereimtheiten. Es geht um einige Millionen. Wir haben in den letzten Jahren und Monaten Sparbudgets beschlossen, die auch wirksam geworden sind und viele Menschen in Österreich in negativem Sinne betroffen haben. Daher ist es auch nicht einzusehen, daß man in gewissen Bereichen des Bundesheeres mit Zahlungsverpflichtungen so locker umgeht und Steuerschillinge vergeudet. Das ist nicht einzusehen, es ist mit Steuergeldern sparsamst umzugehen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.52

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun der Herr Präsident des Rechnungshofes. Bis 15 Uhr stehen Ihnen zirka 8 Minuten zur Verfügung. – Bitte, Herr Präsident.

14.52

Präsident des Rechnungshofes Dr. Franz Fiedler: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der Nationalrat hat vor etwas mehr als drei Jahren, und zwar am 8. Februar 1995, dem Rechnungshof einen Prüfungsauftrag erteilt, der sehr umfangreich gewesen ist. Es sollten alle wesentlichen Beschaffungen des Bundesministeriums für Landesverteidigung in der Zeit vom 1. Jänner 1987 bis zum Jahre 1995 einer Prüfung durch den Rechnungshof unterzogen werden, wobei dies insbesondere unter Berücksichtigung der Einhaltung der geltenden Bestimmungen, der Effizienz der Entscheidungskriterien, der Effizienz der internen und externen Kontrollmechanismen und unter Bedachtnahme auf Verdachtsmomente in Richtung illegaler Zahlungen abgewickelt werden sollte.

In der Debatte, die am 8. Februar 1995 in diesem Hause geführt wurde, gab es geteilte Auffassungen zwischen den Regierungsparteien auf der einen und den Oppositionsparteien auf der anderen Seite, inwieweit die Betrauung des Rechnungshofes mit diesem Prüfungsauftrag sinnvoll und zielführend sein kann. Die Skepsis, die von einigen Rednern in diesem Zusammenhang geäußert wurde, ging in zwei Richtungen: Einerseits wurde bezweifelt, ob der Rechnungshof die Vielzahl der Beschaffungsfälle einer Prüfung unterziehen können würde. Andererseits wurde Skepsis geäußert, ob der Rechnungshof überhaupt das taugliche parlamentarische Instrument für die Aufdeckung illegaler Zahlungen darstellt.

Was das zweite Moment, das heißt die Frage, ob der Rechnungshof geeignet ist, illegale Zahlungen aufzudecken, anlangt, habe ich bereits am 8. Februar 1995 Stellung genommen. Ich habe damals wörtlich ausgeführt:

"Dem Rechnungshof steht es nicht zu, den Antrag des Nationalrates darauf zu untersuchen, ob der Nationalrat sich nicht anderer Instrumente hätte bedienen sollen." – Ende meines eigenen Zitats.

Ich stehe nach wie vor auf diesem Standpunkt. Ich verstehe, daß es in diesem Hause diesbezüglich unterschiedliche Auffassungen gibt und daß diese auch geäußert wurden. Ich bitte aber auch um Verständnis dafür, daß es nicht Aufgabe des Rechnungshofes sein kann, seinen Auftrag, den er bekommen hat, dahin gehend zu untersuchen, ob nicht andere Kontrollinstrumentarien hätten eingesetzt werden sollen. Ich habe in diesem Zusammenhang auch hinzugefügt, daß der Rechnungshof im Rahmen der ihm zustehenden Möglichkeiten alles unternehmen wird, um dem Vertrauen, das ihm durch die Erteilung dieses Auftrages entgegengebracht wurde, gerecht zu werden.

Was den Einwand gegen die Rechnungshofprüfung anlangt, die Aufgabe sei zu umfangreich, muß ich gestehen, daß selbst der Rechnungshof, als er mit dem Prüfungsauftrag konfrontiert


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wurde, sehr lange mit sich zu Rate gegangen ist, wie er diesem Verlangen am besten entsprechen könne. Denn es darf nicht übersehen werden, daß nicht weniger als 38 000 Beschaffungsfälle seit dem Jahre 1987 bis zum Jahre 1995 angefallen sind und daß die Auswahl dahin gehend, welche nun davon die wesentlichsten sind, nicht so einfach vorzunehmen war. Darüber hinaus soll nicht unerwähnt bleiben, daß der gesamte Beschaffungswert rund 45 Milliarden Schilling ausgemacht hat.

Der Rechnungshof hat sich, um diesen gewaltigen Auftrag erfüllen zu können, einer Stichprobentechnik bedient, die er anhand dieser konkreten Prüfung erst erarbeitet hat, und zwar im Zusammenwirken mit zwei Universitätsprofessoren, nämlich den Professoren Dr. Grün und Dr. Mochty, denen ich von dieser Stelle aus namens des Rechnungshofes nochmals meinen Dank aussprechen möchte, zumal sie – und auch dies soll nicht unerwähnt bleiben – diese Tätigkeiten, diese Unterstützung für den Rechnungshof unentgeltlich ausgeübt haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aufgrund dieser Stichprobentechnik wurde es dem Rechnungshof möglich, die wesentlichsten Beschaffungsfälle auszuwählen und einer sehr eingehenden Prüfung zu unterziehen, wobei der Beschaffungswert der von ihm geprüften Aufträge rund 8 Milliarden Schilling betragen hat. Unter diesen von ihm geprüften Beschaffungen befanden sich alle Großaufträge, nämlich die Beschaffung des bewaffneten Hubschraubers, der Panzerabwehrlenkwaffen, der leichten Fliegerabwehrlenkwaffen, der Radaranlagen, der gepanzerten Radfahrzeuge und auch der Lufttransportsysteme, die den Anlaß für die Prüfung, für den Auftrag an den Rechnungshof gegeben haben.

Der Rechnungshof hat sehr kritische Berichte erstattet; es wurden darüber bereits von einigen meiner Vorredner entsprechende Ausführungen gemacht. Er hat auch seiner Ansicht nach durchaus wesentliche Mängel festgestellt, die insbesondere in der Grundsatzplanung, in der Einführungsplanung, im Zahlungsvollzug sowie in einer teilweise unzureichenden Dokumentation gelegen sind.

Auf der anderen Seite hat der Rechnungshof auch mit Lob dort nicht gespart, wo Lob angebracht war. Es sei hier nur beispielsweise das Kontrollbüro des Bundesministeriums für Landesverteidigung hervorgehoben, das nach Meinung des Rechnungshofes als internes Kontrollorgan wirklich hervorragende Arbeit geleistet hat und leistet.

Welches Resümee zieht der Rechnungshof aus dieser sehr umfangreichen Prüfung, die er vorgenommen hat? – Auf der einen Seite konnte dem Nationalrat eine Fülle von Informationen geliefert werden, die wieder Ansatzpunkte dafür darstellen, daß von seiner Seite aus sehr gezielt Handlungen gesetzt, Maßnahmen getroffen werden und daß er sich ganz gezielt und detailliert auch mit einzelnen Beschaffungen im Ausschuß befassen konnte. Auf der anderen Seite hat der Rechnungshof selbst auch gewisse neue Erkenntnisse gewonnen, und zwar sowohl was seine Prüfungstechnik, seine Prüfungsmethodik anlangt, als auch was die näheren Einblicke in das Beschaffungswesen des Bundesministeriums für Landesverteidigung betrifft.

Als Wunsch des Rechnungshofes bleibt letztlich, daß die Empfehlungen, die er ausgesprochen hat, auch umgesetzt werden. Dieser Wunsch richtet sich einerseits an das Landesverteidigungsministerium, andererseits auch an den Nationalrat mit der Bitte, den Rechnungshof bei der Umsetzung der Empfehlungen zu unterstützen und dabei auch in Hinkunft alles zu tun, was der Landesverteidigung dienlich ist, was aber auch dem Steuerzahler im Zusammenhang mit den Beschaffungen der Landesverteidigung dienlich ist.

Ich meine, der Rechnungshof hat eine große Aufgabe erfüllt und, wie ich glaube, zur Zufriedenheit des Nationalrates erfüllt. Das kam in den Reden meiner Vorredner zum Ausdruck. Wenn von seiten aller Parteien dem Rechnungshof Dank ausgesprochen wurde, dann muß ich sagen, dieser Dank, den ich mit großem Wohlwollen aufgenommen habe, gilt den Prüfern und Beamten des Rechnungshofes, die wirklich Großartiges geleistet haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)


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Ich glaube abschließend sagen zu können, daß der Rechnungshof dem Vertrauen, das ihm seitens des Nationalrates mit der Erteilung dieses Auftrages entgegengebracht wurde, zweifellos gerecht wurde. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wolfgang Jung. – Nein, es ist bereits 15 Uhr, und ich unterbreche daher die Beratungen über diesen Verhandlungsgegenstand.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Michael Krüger und Genossen an den Bundeskanzler zur Frage: "Begünstigt der Bundeskanzler Kinderschänder?" (3719/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur Behandlung der Dringlichen Anfrage 3719/J betreffend Kinderschändung und Kinderpornographie.

Die Anfrage ist an den Herrn Bundeskanzler gerichtet. Da sie allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Der im November 1991 wegen

Unzucht mit Unmündigen,

Beischlaf mit Unmündigen,

sittlicher Gefährdung in zahlreichen Fällen,

Mißbrauch eines Autoritätsverhältnisses und

Vergewaltigung eines knapp über 14jährigen Mädchens

zu siebenjähriger Haft rechtskräftig verurteilte Otto Mühl bekam die Gelegenheit, sich im Burgtheater als Opfer der Justiz darzustellen, indem er seine o.a. Sexualdelikte als Teil einer erfolgreichen sexuellen Lebenspraxis bezeichnete.

Darüber hinaus erhielt Mühl im Zuge seines Burgtheaterauftrittes auch die Möglichkeit, sein Buch zu vertreiben. Auch in diesem Buch ist von einer Distanzierung von den äußerst verwerflichen und an Kindern begangenen Straftaten keine Rede, sondern bereits im Vorwort wird darauf verwiesen, daß Mühl ,mehr als 2 500 Tage in österreichischen Gefängnissen verbrachte, weil er sexuelle Beziehungen mit jungen Mädchen der Kommune unterhielt.‘

Ansonsten ergeht sich dieses Buch in Angriffen auf die Justiz, die Familie, die Religion und die Kirche.

Gerade durch diese Auftrittsmöglichkeit am Burgtheater entstand sowohl im Inland als auch im Ausland – wie Zeitungsmeldungen unschwer entnommen werden kann – der Eindruck, daß das unter der Ressortverantwortlichkeit des Bundeskanzlers stehende Burgtheater an der Verbreitung der Ideen und Werke (siehe nachstehende beispielhafte Abbildung) ein besonderes Interesse hat.

In den letzten Monaten wurde den Österreichern durch eine Vielzahl besonders drastischer Fälle vor Augen geführt, welchen Qualen Kinder durch skrupellose Erwachsene ausgesetzt sind. Man hätte daher erwarten müssen, daß die Bundesregierung alle nur erdenklichen Maßnahmen zum Schutz der Kinder ergreifen würde, wie zum Beispiel:

Einrichtung einer zentralen Meldestelle pro Bundesland, an die Ärzte alle Fälle zu melden haben, in denen ein Verdacht physischen, sexuellen oder psychischen Kindesmißbrauchs besteht, und die


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entsprechende Auskünfte an Sicherheitsbehörden, Jugendwohlfahrtseinrichtungen und Ärzte erteilt;

Meldepflicht an den Amtsarzt für alle Personen, die beruflich die Betreuung von Kindern übernommen haben (zum Beispiel Kinderbetreuer, Lehrer, Ärzte, Psychotherapeuten, Psychologen, Schulärzte), wenn ein begründeter Verdacht physischen, sexuellen oder psychischen Kindesmißbrauchs besteht;

absolute Anzeigepflicht für Behörden, die primär zum Schutz der Kinder eingerichtet sind (Jugendwohlfahrtseinrichtungen, Kinder- und Jugendanwälte et cetera) für alle an Unmündigen begangenen Straftaten;

Schaffung eines neuen Straftatbestandes der unterlassenen Anzeige an den Amtsarzt für alle Personen, die der Anzeigepflicht unterliegen;

Strafdrohung von lebenslanger Freiheitsstrafe für schwere Straftaten im Bereich des Kindesmißbrauchs und der Kinderpornographie;

Einführung erhöhter Strafdrohungen für alle Sittlichkeitsdelikte, wenn sie aus wirtschaftlichen Gründen wie etwa zur Herstellung von Kinderpornographie begangen werden;

Verschärfung der Strafdrohungen im Bereich des Pornographiegesetzes für alle Formen von Kinderpornographie;

Schaffung eines neuen Straftatbestandes im Pornographiegesetz für das öffentliche Anpreisen von Sittlichkeitsdelikten an Unmündigen (auch über das Internet);

gesetzliches Verbot vorzeitiger Haftentlassung und bedingter Strafen für Sexualstraftäter an Unmündigen;

bei psychischer Auffälligkeit, Tatbegehung mit besonderer Grausamkeit, bei Sittlichkeitsdelikten und im Maßnahmenvollzug (§ 21 Abs. 1 oder 2 StGB): Verbot aller Hafterleichterungen, die mit einem unbeaufsichtigten Entfernen aus der Haftanstalt beziehungsweise dem unbeaufsichtigten Kontakt mit anstaltsfremden Personen verbunden sind, und Bindung der Einleitung des Entlassungsvollzuges an eine vorhergehende gründliche Begutachtung durch anstaltsfremde Sachverständige und an eine darauffolgende gerichtliche Entscheidung, für die auch die anstaltsinternen Erfahrungen mit dem Häftling heranzuziehen sind; wenn das Risiko der Begehung weiterer Straftaten gegeben zu sein scheint oder wenn eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt und die Tat mit besonderer Grausamkeit begangen wurde, hat die Entscheidung sich am Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung zu orientieren;

lebenslange Führungsaufsicht nach der Haftentlassung für alle Personen, die wegen sexuellen Kindesmißbrauchs verurteilt wurden;

Ausweitung des Verbrechensopfergesetzes zur Sicherstellung einer unentgeltlichen Betreuung der psychischen Schäden von Unmündigen über das Versorgungsniveau der Krankenversicherung hinaus, zur Gewährleistung einer fairen Berechnung des künftigen Verdienstentganges und zur Übernahme der Schmerzensgeldansprüche.

Anstatt sich für solche Maßnahmen einzusetzen, hat der Bundeskanzler als Ressortverantwortlicher zur Verharmlosung derartiger Straftaten beigetragen, was ihm das zweifelhafte Lob aus dem Munde des ,Muchl‘ eingetragen hat, ,a netter Kerl‘ zu sein. (Zitat aus: Dramolett ,Muchl‘ von Otto Mühl.)

Aber nicht genug damit, auch Frau Unterrichtsministerin Gehrer hat sich als für Kinder und Jugendliche Verantwortliche mit keiner Silbe von den Vorgängen um den Kinderschänder Mühl distanziert, sondern vielmehr nur von einer ,derzeit unguten Optik‘ gesprochen.


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All diese Umstände zeigen, daß die Bundesregierung offensichtlich nicht bereit beziehungsweise willens ist, wirksame Maßnahmen zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Sexualtätern zu setzen und den Opfern zu helfen.

Die unterfertigten Abgeordneten sehen es im Hinblick auf die jüngst bekanntgewordenen Sexualdelikte und den dadurch bedingten unverzüglichen Handlungsbedarf als ihre Aufgabe an, nunmehr an den Bundeskanzler folgende Dringliche Anfrage gemäß § 93 Abs. 1 GOG-NR zu richten:

Dringliche Anfrage

1. Welche Erwägungen waren für Sie, der die Kunst zur ,Chefsache‘ erklärt hat, ausschlaggebend, dem Auftritt von Mühl am Burgtheater zuzustimmen?

2. Wie konnten Sie dem Auftritt auch im Hinblick auf die in den letzten Monaten bekanntgewordenen Kinderschändungen zustimmen, zumal Otto Mühl seine Straftaten dauernd verharmlost und sich als Opfer der Justiz darstellt?

3. War Ihnen bewußt, daß Otto Mühl Kindern schweren körperlichen und seelischen Schaden zugefügt hat, und auf welche Weise werden Sie sicherstellen, daß die Opfer zu ihrem Recht kommen?

4. Welche Gesichtspunkte waren dafür maßgebend, daß für den Auftritt Mühls am 11. Februar 1998 wesentlich niedrigere Preise als üblich festgesetzt wurden?

5. Seit wann ist Ihnen bekannt, daß die Staatsanwaltschaft Eisenstadt gegen Mühl wegen des Verdachtes der Bestechung von Zeugen in der Höhe von zirka 18 Millionen Schilling ermittelt?

Welche Konsequenzen haben Sie daraus gezogen beziehungsweise werden Sie ziehen?

6. Wie verantworten Sie angesichts der durch die belgische Kinderschänder-Affäre erhöhten Sensibilität der Öffentlichkeit als Bundeskanzler, daß das Ansehen Österreichs im Ausland durch die Lesung Mühls enormen Schaden genommen hat?

7. Was werden Sie zur Wiederherstellung des österreichischen Ansehens unternehmen?

8. Wie können Sie es als Ressortverantwortlicher rechtfertigen, daß durch den Auftritt des Kinderschänders derartige Delikte verharmlost werden?

9. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um dieser Verniedlichung entgegenzuwirken?

10. Welche präventiven Maßnahmen erachtet die Bundesregierung für geeignet, um Kinder und Jugendliche vor allfälligen Übergriffen durch Sexualtäter zu schützen?

11. Tritt die Bundesregierung für eine Ausweitung der Anzeigepflicht bei Straftaten gegen Unmündige ein?

Wenn ja, in welcher Form?

Wenn nein, warum nicht?

12. Tritt die Bundesregierung für eine Verschärfung der strafgesetzlichen Bestimmungen gegen Kindesmißbrauch und Kinderpornographie ein?

13. Wann wird die Bundesregierung den seit Jahren angekündigten Entwurf eines Bundesgesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung der Opfer vorlegen?


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14. Wird der Entwurf dafür Sorge tragen, daß der Bund auch seine Pflichten gegenüber den Verbrechensopfern besser als bisher wahrnimmt und für eine ausreichende Entschädigung sorgt?

Wenn ja, auf welche Weise?

Wenn nein, warum nicht?

15. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung vorschlagen, um dem florierenden Wirtschaftszweig der Kinderpornographie samt den katastrophalen Auswirkungen auf die betroffenen Opfer wirksamer entgegentreten und die Aufklärungsquote in diesem Bereich erhöhen zu können?

16.  Wird die Bundesregierung einen Entwurf zur Novellierung des Pornographiegesetzes vorlegen, der dazu beiträgt, die Überflutung der Medien und der Öffentlichkeit mit Pornographie einzubremsen?

17. Plant die Bundesregierung Änderungen, insbesondere im Bereich des Mediengesetzes, um eine finanzielle Bereicherung der Täter künftig zu unterbinden?

18. Wird die Bundesregierung Maßnahmen zur Bekämpfung der Kinderpornographie in den neuen Medien, insbesondere im Internet, setzen?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage gemäß § 93 Abs. 1 GOG dringlich zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Erster Fragesteller ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Er erhält daher gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung das Wort zur Begründung. Die Redezeit darf 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Khol: Zur Geschäftsbehandlung!) – Bitte, Herr Klubobmann.

15.01

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! In dieser Anfrage mit einem Titel, über den wir schon gesprochen haben, ist auf Seite 2 ein Bild abgebildet, das einen ausgesprochen blasphemischen, pornographischen und inakzeptablen Inhalt hat.

Ich bitte Sie, zu prüfen, ob eine solche Anfrage überhaupt zulässig ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Scheibner: Das darf ja wirklich nicht wahr sein! Ausstellen dürft ihr es und fördern dürft ihr es auch!)

15.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Stadler gemeldet.

15.02

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Bei Kollegen Khol muß offensichtlich, was den Gehalt dieser Anfrage anlangt, ein gravierendes Mißverständnis vorliegen.

Herr Kollege Khol, dieses Bild – ich habe es hier in Farbe, Herr Kollege Khol (der Redner hält ein Bild in die Höhe)  – stammt nicht von den Anfragestellern, wie Sie wahrscheinlich vermuten – das ist jedenfalls Ihrer Wortmeldung zu entnehmen –, sondern dieses Bild ist Teil des Sachverhaltes, den Sie zwar agnostisch richtig erkannt haben, nämlich daß dieses Bild blasphemisch ist. Und um Ihre Empörung gleich zu steigern: Hier ist das nächste blasphemische Bild vom


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gleichen Künstler. (Der Redner hält weitere Bilder in die Höhe.) Der Name des Künstlers ist Mühl. Hier ist das nächste blasphemische Bild, ebenfalls von Herrn Mühl, einem Künstler, der von Ihrer Bundesregierung gefördert wird, Herr Kollege Khol! Das sollten Sie sich vor Augen halten! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner: Darüber können Sie sich aufregen! – Abg. Dr. Haider: Das ist ein schönes Eigentor! – Abg. Scheibner: Ist das MAK nicht ein Bundesmuseum? Ist Frau Gehrer nicht von der ÖVP empfohlen worden?)

15.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Dr. Khol, ich glaube, die Geschäftsordnung einigermaßen zu kennen, aber ich würde nicht in der Lage sein, eine Bestimmung zu benennen, die es mir ermöglichen würde, gegen ein Bild, das in eine Anfrage hineinkopiert ist, vorzugehen. (Abg. Dr. Haider: Das ist ja das Beste! Im Museum stellen sie es aus, und hier darf es nicht einmal hergezeigt werden!) Ich glaube, daß ich nicht einmal sagen könnte, es kann ja allenfalls eine strafrechtliche Verfolgung stattfinden, weil die sachliche Immunität der Bundesverfassung eine solche strafrechtliche Verfolgung jedenfalls, worum immer es sich handeln mag, ausschließt. Das ist eine erste Reaktion. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber gefördert wird es schon!)

Damit ist diese Frage meines Erachtens nicht anders zu entscheiden, als in die Diskussion zum Gegenstand dieser Dringlichen Anfrage einzugehen und Herrn Abgeordnetem Dr. Krüger das Wort zu erteilen. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Khol: Ihr verbreitet diese Dinge! – Abg. Mag. Stadler: Und in den Bundesmuseen wird es ausgestellt! – Abg. Scheibner: Das ist Scheinheiligkeit! – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Entweder Sie lassen jetzt Herrn Abgeordneten Krüger reden – oder ich unterbreche die Sitzung, wenn ich mir nicht anders Ruhe verschaffen könnte. Aber ich gehe davon aus, daß Herr Kollege Krüger das Wort ergreift und sich selbst Ruhe verschafft. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.04

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben ja soeben die Virtuosität des Klubobmannes Khol beim Schießen eines Eigentors nachvollziehen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist ein wahrhaft unfreiwillig komischer Beitrag, wenn Herr Kollege Khol sagt, dieses Bild, das auch zum Gegenstand der parlamentarischen Dringlichen Anfrage gemacht wird, ist dem Hohen Haus nicht zumutbar, aber im gleichen Atemzug wird einem Künstler, der wegen Kinderschändung zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt wird, die öffentlich subventionierte Bühne im Burgtheater und im MAK gegeben, Herr Kollege Khol (Beifall bei den Freiheitlichen), im MAK, im Museum für angewandte Kunst, also einem Museum, das ressortmäßig der Ministerin Gehrer, also Ihrer Ministerin, untersteht! Es ist wirklich eine unglaubliche Heuchelei, auf der einen Seite zu versuchen, die Sache formal mit dem Argument abzudrehen, daß das für das Parlament nicht zumutbar sei (Abg. Dr. Partik-Pablé: Strafrechtlich wollen sie uns noch verfolgen! – Abg. Haigermoser: Einsperren tun wir sie!), und andererseits fördert und begünstigt man das, Herr Kollege Khol!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Inhalt der Dringlichen Anfrage: Es hat sich ja noch selten so rasch die Dringlichkeit einer parlamentarischen Anfrage bestätigt wie im Falle dieser, denn wie anders, meine sehr geehrten Damen und Herren, könnte die Tatsache der Anwesenheit des Bundeskanzlers und vier weiterer Mitglieder der Bundesregierung erklärt werden?

In der Tat besteht, was die Delikte der Kinderschändung anlangt, traurige Aktualität. (Abg. Dr. Haider: Der Khol besorgt noch immer das Geschäft der SPÖ! Immer wieder! Was ihr anstellt, ihr Narren! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das wird ja noch gefördert!) Es vergeht kaum ein Tag, meine Damen und Herren, an dem sich die Zeitungen nicht mit neuen Horrormeldungen über Kindesmißbrauch beschäftigen. Etwa in der APA, deren Aussendung zu entnehmen ist, daß ein Pädophilen-Ring soeben zerschlagen wurde. Oder im "Kurier" – aktuell vom 18. Feber –: Ein Logopäde hat jahrelang mit minderjährigen Buben Videos angefertigt. Er hat


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diese Buben mißbraucht, hat diese sexuell genötigt, mit ihnen Unzucht getrieben und Videos angefertigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jemand, der gewerbsmäßig Kinder zur Herstellung von pornographischen Filmen mißbraucht, der damit seine eigene perverse Sexualität befriedigt, wird eingeliefert und nach drei Wochen Untersuchungshaft wieder freigelassen! Kennen Sie die Begründung? – Mangelnde Flucht- und Wiederholungsgefahr. Es ist aber einer der Kernpunkte, meine sehr geehrten Damen und Herren, und das bestätigen alle Untersuchungen, daß gerade Triebtäter dafür anfällig sind, rückfällig zu werden. 60 Prozent aller Triebtäter werden wieder rückfällig. Und ein aus einem solchen Grund verfolgter Logopäde, der gewerbsmäßige Unzucht mit Minderjährigen treibt, Pornofilme herstellt, wird nach drei Wochen wieder entlassen!

Oder eine andere Meldung: Sogar Vierjährige werden seit Monaten mißbraucht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer glaubt, daß es sich da um einzelne Verirrungen perverser Leute handelt, irrt leider. So ist etwa in der "Presse" vom 10. Dezember 1997 nachzulesen, daß allein in Wien in einem Jahr 70 000 Gewalttaten gegen Frauen verübt werden und 11 000 Fälle von Kindesmißbrauch vorliegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! 1991 wurde ein prominenter Vertreter des Wiener Aktionismus wegen Unzucht mit Unmündigen, Beischlaf mit Unmündigen, sittlicher Gefährdung, Mißbrauch eines Autoritätsverhältnisses und Vergewaltigung eines knapp über 14jährigen Mädchens zu sieben Jahren Haft verurteilt. Sie wissen, worum es geht, es geht um Otto Mühl.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verfallen Sie nicht in den Irrtum, daß es hier in dieser Debatte um eine künstlerische Bewertung des Wiener Aktionismus geht. Darum geht es überhaupt nicht. Es geht darum, daß Otto Mühl die Kunst dazu mißbraucht, seine eigenen Handlungen, seine eigenen Unzuchtshandlungen mit Kindern zu legitimieren. Und das ist der eigentliche Skandal an dieser Sache! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herrn Otto Mühl ist die Milde des Gesetzgebers zugute gekommen, und er konnte noch vor Beendigung der siebenjährigen Haft auf freien Fuß gesetzt worden. Er ist bekanntlich in den Genuß einer Amnestie gekommen.

Es ist ganz interessant: Naturgemäß hat jemand, der heute zu einer Haftstrafe verurteilt wird und diese verbüßt, das ihm angedrohte Übel durch die Rechtsordnung erfahren und verbüßt. Aber bei Otto Mühl geht es um etwas anderes. Es geht darum, daß ihm die öffentliche Bühne, die teuerste Bühne des deutschsprachigen Raumes, die vom Steuerzahler am höchsten subventionierte Bühne in Mißbrauch des Kulturauftrages zur Verfügung gestellt wird. Einem Otto Mühl, der bildender Künstler ist, der mit Dramatik, mit Literatur, mit Regie überhaupt nichts zu tun hat, wird diese Bühne zur Bewältigung seiner eigenen Erfahrungen mit der Justiz zur Verfügung gestellt.

Wer etwa glaubt, daß Herr Otto Mühl abgeschworen hätte, bereuen würde, der irrt. Dies ist nachzulesen in "NEWS", wo Otto Mühl ganz deutlich sagt: "Ich bekenne mich total zu meiner Tat. In zehn Jahren wird man ganz anders darüber denken. Ich habe niemanden vergewaltigt, habe mit Vierzehnjährigen und solchen knapp vor diesem Alter Sexualität gehabt ..." – Otto Mühl sagt: Ich bereue nichts!

Und er sagte weiters in einem Interview mit "Focus": Schaut her, ich habe es geschafft! In nur drei Tagen habe ich, obwohl ich bildender Künstler bin und mit der Literatur nichts zu tun habe, ein Dramolett geschrieben, und mir wird die größte Staatsbühne, die teuerst subventionierte Staatsbühne zur Verfügung gestellt, um hier die Justizfarce aufführen zu lassen und eine vermeintliche Abrechnung mit der Justiz herbeizuführen. (Abg. Meisinger: Unglaublich! Skandal!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer jetzt glaubt, daß wir von der Freiheitlichen Partei vom Bundeskanzler als Ressortzuständigem einen Eingriff in den Spielplan verlangen – so quasi nach dem Motto: Der Bundeskanzler greift zum Telefon und unterbindet diese Veranstaltung –,


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der irrt. Das ist überhaupt keine Frage! Das ist überhaupt keine Frage, daß sich der Bundeskanzler nicht tagesaktuell einzumischen hat. – Aber, Herr Bundeskanzler, ich frage Sie: Wieso schweigen Sie? Wieso schweigen Sie? Ein Bundeskanzler, der die Kunst zur "Chefsache" erklärt hat, kann sich in dieser Sache, die zu Lasten der Opfer ausgetragen wird, nicht verschweigen! Darum geht es, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Niemand verlangt von Ihnen, daß Sie Herrn Peymann ins Bundeskanzleramt zitieren und darauf bestehen, daß das Stück abgesetzt wird. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das könnte er auch machen!) Aber jeder – wir wissen das aus Hunderten Anrufen, und auch Sie wissen das aus Hunderten Anrufen in Ihrer Parteizentrale – erwartet vom Bundeskanzler, der die Kunst zur "Chefsache" erklärt, eine deutliche Mißbilligung der Tatsache des Auftrittes des Otto Mühl im Burgtheater! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Haider: Jawohl! – Abg. Dkfm. Holger Bauer: Oder sympathisieren Sie?)

Und, Herr Bundeskanzler, es sind durchaus auch Journalisten aus dem linksliberalen Bereich, die diese meine Einschätzung und Wertung teilen. Ich verweise etwa auf Michael Maier, der im "Standard" vom 16. Feber schreibt: "Es gibt konkrete Opfer, es gibt wirkliche Kinder, die geschändet und deren Leben unwiederbringlich zerstört wurde." Unwiederbringliche Zerstörung deren Lebens! "Niemand", schreibt Michael Maier weiter, "und schon gar nicht die Kunst hat das Recht, das wirkliche Leid dieser Kinder ins Banale zu ziehen, oder noch schlimmer: die Täter durch die scheinbar naive Verharmlosung noch ein weiteres Mal über ihre Opfer triumphieren zu lassen."

Genau darum geht es, sehr geehrter Herr Bundeskanzler. Darum hätte sich die österreichische Bevölkerung von Ihnen eine deutliche Distanzierung erwartet: aus Respekt vor den Opfern und stellvertretend für all jene Opfer, wie sie etwa im Wiener Bericht ausgewiesen werden. 11 000 – 11 000! – Fälle von Kindesmißbrauch gab es in einem Jahr allein in Wien! Auch zugunsten deren Familien und zugunsten aller Österreicherinnen und Österreicher wären Sie aufgerufen gewesen, hier eine klare, mißbilligende Distanzierung vorzunehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sogar der Kolumnist des "Standard", Hans Rauscher, schreibt: In derartigen Sekten "werden Mitglieder mit verschiedenen Psychopraktiken und mit physischer Belastung (z. B. Schlafentzug) unter Druck gesetzt und in Abhängigkeit vom Sekten-Führer und seinen AdjudantInnen gebracht. Dazu kommt materielle Ausbeutung – und ein strenges Sexualregime.

In der Mühlkommune gab es das alles in der einen oder anderen Form. Von anderen Sektenführern unterschied sich Mühl freilich darin, daß er seine terroristische Herrschaft mit der Kunst und seinem Künstlertum legitimiert." – Und der Bundeskanzler dieser Republik schweigt dazu! (Abg. Mag. Trattner: Oder er sympathisiert!)

Herr Bundeskanzler! Wenn Sie sich darüber aufregen, so geben wir Ihnen heute, hier und heute, die Möglichkeit – vielleicht ein letztes Mal, vielleicht ist es heute die letzte Möglichkeit –, eine klare Mißbilligung auszusprechen! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Denn, meine Damen und Herren, wer diese Mißbilligung nicht durchführt, der darf sich nicht wundern, als moralischer Hehler zu gelten. (Abg. Jung: Wer schweigt, stimmt zu, Herr Bundeskanzler!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht ja nicht nur um Meinungen, die der Feuilleton wiedergibt, es geht nicht nur um Meinungen, die Aktionsgemeinschaften von Frauen wiedergeben. Sie haben ja vielleicht die Inseratenkampagne im "Standard" gelesen, in der sich eine Plattform unabhängiger Frauen – dazu gehört etwa Johanna Dohnal, die Ihnen ja nicht unbekannt ist, oder auch Kathi Zechner – mißbilligend darüber ausdrückt, daß es Otto Mühl möglich war, sein Pamphlet, seine Justizfarce zur Beleidigung der Opfer im Burgtheater aufzuführen.

Und es sind auch verschiedene Künstler, die sich distanzieren. Der von mir hochgeschätzte frühere Ensemblesprecher Robert Meyer – Sie wissen ja, mit Peymann kann niemand, mit dem kann man nicht reden, alle Ensemblesprecher sind zurückgetreten – hat eine Unterschriftenaktion gestartet, hat unmittelbar vor der Aufführung dieses Dramoletts eine Verteilaktion durchgeführt.


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Oder – ich zitiere aus einem offenen Brief des Künstler- und Schauspielerehepaares Albert Fortell und Barbara Wussow, in dem Robert Meyer, dem früheren Ensemblesprecher, gratuliert wird und in dem über Mühl zu lesen ist –: "Ein Faschist und Gehirnwäscher wird unter dem Deckmantel der Kunst von einer verlogenen Schickeria als Aushängeschild einer längst veralteten Avantgarde hochgehalten." – Und der Bundeskanzler dieser Republik schweigt dazu!

Aber es sind auch die Betriebsräte – und Sie rekrutieren ja bei den Betriebsräten viele Parteimitglieder, viele Sympathisanten –, die dagegen protestiert haben.

Ich sage es Ihnen noch einmal, Herr Bundeskanzler: Nicht der direkte Eingriff in den Spielplan wäre angezeigt gewesen, sondern eine klare Distanzierung, aber auch – und das müssen wir Freiheitlichen hier und heute schon einmahnen – die Übernahme der politischen Verantwortung für die Ära Peymann. Denn es war die sozialistische Regierung, die Herrn Peymann geholt, mehrfach in seinem Amt bestätigt und den Vertrag mehrfach verlängert hat. Man kann nicht auf der einen Seite die Kunst zur "Chefsache" erklären, die Kunst an der kürzestmöglichen Leine halten und dann andererseits sagen, das geht mich nichts an, was dort geschieht.

Darum hätte ich mir von Ihnen, Herr Bundeskanzler, eine Erklärung auch in der Richtung erwartet, daß Sie sagen: Jawohl, wir von der Sozialdemokratie haben geirrt. Wir haben einen Theatermacher eingesetzt, der mit RAF-Terroristen sympathisiert. Wir haben einen Theatermacher eingesetzt, der der österreichischen Exekutive unterstellt, bewußt einen Terrorakt nicht aufklären zu wollen. Wir haben einen Theatermacher eingesetzt, der es Herrn Konstantin Wecker, einem massiv vorbestraften Rauschgifthändler, ermöglicht, öffentlich aufzutreten.

Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, die SPÖ, aber auch die ÖVP, die ja auch in dieser Regierung gesessen ist und alles mitgetragen hat, haben die politische Verantwortung letztlich auch jetzt zu tragen, jetzt, wo es darum geht, daß Otto Mühl das Burgtheater sozusagen als Resozialisierungsanstalt zur Verfügung gestellt wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Ich darf Ihnen, wenn Sie uns schon nicht glauben, einen Leserbrief vorlesen, der heute in der "Kronen Zeitung" veröffentlicht wurde. Da schreiben Herr Dipl.-Ing. Hans Langmüller und Frau Gerda Bauer:

"Mit dieser Veranstaltung wird Herrn Mühl nicht nur die Gelegenheit gegeben, sich öffentlich zu präsentieren, dieser Auftritt kommt einer Ehrung gleich und widerspricht vehement unserem Rechtsempfinden."

Herr Bundeskanzler! Wir wenden uns daher an Sie mit der Bitte um ihre Stellungnahme und Begründung, warum Sie es für richtig halten, daß sich Herr Mühl in dieser Form öffentlich unterstützt präsentieren kann? Genau darum geht es!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht um mehr als um den Einzelfall Mühl, der ja ein Sittenbild darstellt und der so manches offenlegt, auch so manche Bruchlinie in der 68er Generation. Ich freue mich aufrichtig, daß ein Großteil der 68er Generation heute mit einem Schaffen von Otto Mühl, mit dem Versuch einer künstlerischen Legitimation seiner eigenen sexuellen Perversionen nichts zu tun haben will. Aber es geht nicht um den Einzelfall, sondern es geht darum, gravierende Änderungen in unser Rechtsordnung zum Schutz unmündiger Kinder herbeizuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien und werte, geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Wieso schaffen Sie es, binnen Tagen Sparpakete zu schnüren, die einschneidende Maßnahmen für die Bevölkerung nach sich ziehen, wieso schaffen Sie es, in wenigen Tagen derartige Sparpakete durchzuziehen, während sie jahrelang nichts tun, daß der Kindesmißbrauch entsprechend bekämpft wird? In dieser Frage schweigen Sie nur! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

So hat beispielsweise die "Kronen Zeitung" bereits am 9. August 1997 geschrieben: "Das Parlament blockiert die Hilfe gegen Kinderschänder" – aus Anlaß der Aufdeckung der Kinderpornobande in Bad Goisern.


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Seit Mai 1997 liegt dem Parlament ein Antrag vor, der die Fürsorge verpflichtet hätte, Verbrechen an Kindern sofort anzuzeigen. Aber das Parlament blockiert die Hilfe gegen Kinderschänder!

Oder: In Oberösterreich ist durch eine Kinderschändung zutage getreten, daß es gar keine Sachverständigen bei Gericht gibt, die mit den Kindern therapeutisch reden, die Befragungen durchführen.

Herr Justizminister Michalek! Das, was ich Ihnen jetzt vorlese, fällt in Ihr Ressort. Es stammt vom 30. August 1996. Damals, also vor fast zwei Jahren, zeigten Sie sich betroffen über jene Fälle von Kindesmißbrauch und Pornographie, die damals bekannt geworden sind. Ich sage Ihnen (der Redner schlägt mit der Hand auf das Rednerpult) : Betroffenheit allein genügt nicht! Handeln müssen Sie! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wende mich mit meiner Dringlichen Anfrage insbesondere an den Herrn Justizminister. So lese ich beispielsweise in einer heutigen APA-Aussendung, daß der Herr Justizminister sagt, strafen allein helfe wenig. – Dazu muß ich ehrlich sagen: Da dreht es mir den Magen um!

Strafen allein helfe wenig, sagt der Justizminister. Was heißt strafen? – Strafen bedeutet Gefängnisstrafen bei Kindesmißbrauch. Strafen allein helfe wenig, meint der Justizminister. Das ist schon richtig, nämlich dem konkreten mißbrauchten Opfer.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (fortsetzend): Jenen potentiellen Opfern, an denen sich derartige Leute wieder vergehen können, die vorzeitig bedingt entlassen werden, helfen sehr wohl Strafen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Abschließend: Wir brauchen eine umfassende Reform des Sexualstrafrechts. Für grobe Taten kann es nur grobes Recht geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt der Herr Bundeskanzler.

15.25

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die hier heute anwesenden Mitglieder der Bundesregierung und ich haben uns entschlossen, jetzt nicht ein verabscheuungswürdiges Verbrechen eines Mannes, der dafür verurteilt und abgestraft wurde, zum Zentrum der Diskussion zu machen, sondern im Interesse der Kinder und im Interesse einer Diskussion um die bestmögliche Hilfe, Vorsorge, Betreuung und Schutz der Betroffenen und der Angehörigen bei so abscheulichen Verbrechen mit eiserner Disziplin über den wohl einmaligen Skandal des Titels Ihrer Anfrage hinwegzugehen. (Abg. Mag. Stadler: Reden Sie über den Herrn Mühl, Herr Bundeskanzler! Reden Sie über den Schänder von Kindern!)

Ich möchte nur mit einem einzigen Satz darauf antworten: Es ist einmalig, daß hier einem Regierungsmitglied unterstellt wird, Kinderschänder zu begünstigen! Das weise ich mit aller Entschiedenheit zurück! (Beifall bei der SPÖ, beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen. – Abg. Mag. Stadler: Schämen Sie sich, Herr Bundeskanzler! Distanzieren Sie sich vom Mühl! Es wäre höchst an der Zeit!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dabei geht es nicht um mich, und es geht auch nicht um Parteipolitik. Der Mißbrauch von Kindern ist für die Betroffenen und für die Angehörigen eine viel zu schreckliche Erfahrung, als daß das ein parteipolitisches Thema sein sollte. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben uns daher über die Parteigrenzen hinweg in der Bundesregierung vorgenommen, mit einem 25-Punkte-Programm, das fünf Regierungsmitglieder ausgearbeitet haben (heftige


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Zwischenrufe bei den Freiheitlichen – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), dem Mißbrauch von Kindern mit aller Kraft den Kampf anzusagen – aber nicht in parteipolitischer Form! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Die Sozialisten haben keine Courage, so etwas zu ändern!)

Wir handeln: wir, die Bundesregierung, jede/jeder der hier vertretenen Ministerinnen und Minister! (Abg. Mag. Stadler: Tun Sie es endlich! Was haben Sie bis jetzt getan?) Wir handeln im Sinne der Kinder mit dem Ziel einer Gesellschaft ohne Gewalt nach klaren Grundsätzen: Im Mittelpunkt müssen die Aufklärung, der Schutz und die Hilfe für die Opfer und die Vorbeugung vor Mißbrauch stehen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Blabla! Leeres Geplapper!)

Es ist das Handeln für eine Gesellschaft, in der Kindern keine Gewalt angetan wird, eine politische Aufgabe. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Schauen Sie sich einmal an, was Sie alles fördern! – Abg. Mag. Stadler: Sie sollten eine Reise nach Belgien machen!) Es ist das nicht nur eine Aufgabe der Parteipolitik, sondern auch eine Aufgabe von uns allen. Kindermißbrauch, meine sehr geehrten Damen und Herren, geschieht deswegen, weil viel zuviele sagen: Das geht mich nichts an! (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Jawohl, Sie! Bei Otto Mühl!) Das ist Sache der Familie! Das ist Sache der Nachbarn!

Es geht darum, daß wir hinschauen, zuhören, reden und auch handeln. Aber das müssen wir gemeinsam tun. Wir brauchen eine Allianz gegen das Wegschauen, eine Allianz aller mündigen Bürgerinnen und Bürger, die die Mauer des Schweigens bei Mißbrauch von Kindern durchbrechen. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten des Liberalen Forums sowie bei den Grünen. – Abg. Dkfm. Holger Bauer: Fangen Sie bei sich an! Bei Mühl! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist der Herr Bundeskanzler! – Bitte, Herr Bundeskanzler! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Schauen Sie einmal, was die Bundesregierung an Gewaltdarstellungen fördert!)

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima (fortsetzend): Wir brauchen und wir bieten Schutz und Hilfe und Aufklärung und Vorbeugung, weil Kindesmißbrauch ein Verbrechen ist, das, wie alle Fachleute sagen, nicht alleine mit Strafen zu bekämpfen ist. – Auch mit Strafen, aber nicht alleine mit Strafen.

Was nun den von Ihnen angesprochenen Herrn betrifft. (Abg. Mag. Schweitzer: "Herrn"! Den Genossen Mühl! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Einer der Ihren ist das!) Er wurde wegen schwerwiegender Delikte, die nicht zu entschuldigen sind, von denen sich jeder anständige Mensch klar distanziert, rechtskräftig verurteilt. (Abg. Mag. Stadler: Warum tun Sie es denn nicht?)  – Ich habe das auch getan. Es hat in meinem Auftrag bereits vor vielen Tagen im Bundesrat Herr Staatssekretär Wittmann klar und deutlich diese Trennlinie von Verbrechen, für die eine Verurteilung vorlag, vorgenommen. (Abg. Mag. Stadler: Keine Distanzierung! Kein Wort davon! Ihr unfähiger Herr Staatssekretär hat keine Distanzierung vorgenommen! Sie sollten sich diese Rede kommen lassen!)

Ich sage Ihnen, sehr geehrter Herr Abgeordneter, der Sie gemeint haben, es hätte niemand vom Bundeskanzler verlangt, daß er sich in die Spielpläne eines Theaters einmengt, folgendes: Ich erinnere mich, daß ein Europaparlamentarier der Freiheitlichen Partei genau das von mir verlangt hat. Er hat gesagt, die Spielpläne des Burgtheaters müsse sich der Bundeskanzler gleichsam vorlegen lassen. (Abg. Dr. Haider: Anschauen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei einer klaren Verurteilung dieser Taten sage ich trotzdem, und ich sage es klar und deutlich: Wir haben in der österreichischen ... (Abg. Dr. Haider: Ein jämmerlicher Auftritt für einen Bundeskanzler! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Eine Dringliche Anfrage ist nur dann eine Dringliche Anfrage, wenn man auch eine Antwort anhören kann! Ich glaube, das muß mit aller Klarheit gesagt werden. (Beifall bei der SPÖ.)


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Dann gehen wir in der Rednerliste weiter, und dann werden wir kontradiktorisch mit Pro und Kontra diese Frage diskutieren. Aber zuerst wird die Anfrage begründet, und dann wird sie beantwortet. Das sind die Spielregeln dieses Hauses, und ich bitte, diese Spielregeln auf allen Seiten einzuhalten.

Bitte, Herr Bundeskanzler, setzen Sie fort!

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima (fortsetzend): Ich wehre mich nicht nur als Bundeskanzler und zuständiger Bundesminister, sondern auch als Politiker gegen Anregungen, daß die Theaterdirektoren mir oder einem Politiker die Spielpläne vorzulegen hätten. (Abg. Dr. Haider: Sie haben Sorgen!) Wir haben in der österreichischen Bundesverfassung die Freiheit der Kunst festgeschrieben. (Abg. Dr. Haider: Sie haben Sorgen! Sorgen Sie sich um die Kinder! – Abg. Dietachmayr – in Richtung des Abg. Dr. Haider –: Halt den Mund! – Abg. Dr. Haider – in Richtung des Abg. Dietachmayr –: Benimm dich! Flegelhaftigkeit entschuldigt nicht!) Die Freiheit der Kunst gilt nicht nur für Literaten, für Künstler, die zum Beispiel Schriftsteller oder Maler sind, sondern sie gilt auch für Museumsdirektoren und für Theaterdirektoren. Und solange ich in diesem Land für Politik verantwortlich bin, so lange werde ich mich immer dafür einsetzen, daß es keine Form von Zensur gibt: weder für einen Schriftsteller noch für einen Theaterdirektor, sofern er im Rahmen der Gesetze handelt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Aber Spitzel in die Universität schicken! – Abg. Dr. Haider: Aber Mühl darf man auftreten lassen!)

Ich kommen nun zur Beantwortung Ihrer Fragen.

Zu den Fragen 1 und 2 darf ich klar und deutlich sagen:

Ein ernannter Direktor des Burgtheaters hat keinen Politiker zu fragen, welche Stücke er in seinem Haus zur Aufführung bringt. Demgemäß wurde ich selbstverständlich vom Direktor des Burgtheaters nicht gefragt, und ich habe daher auch keiner Aufführung zugestimmt.

Zur Frage 3:

Im vorliegenden Fall gilt laut § 1489 Abs. 2 ABGB eine 30jährige Verjährungsfrist. Das bedeutet, daß allfällige Geschädigte ausreichend Zeit haben, ihre Ansprüche gegen Herrn Mühl geltend zu machen. (Abg. Mag. Stadler: "Allfällige Geschädigte"! Das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen! Das steht immer noch in Zweifel!) Nein, die, die geschädigt wurden, Herr Kollege! (Abg. Dr. Haider: Was glauben Sie, warum er verurteilt wurde! – Abg. Mag. Stadler: Das ist eine verräterische Sprache: "allfällige Geschädigte"!)

Zur Frage 4:

Es gab für diese Veranstaltung keine Sonderregelung. Bei der Veranstaltung am 11. Februar 1998 im Burgtheater wurde der für die Lesungen an den Sprechbühnen der Österreichischen Bundestheater übliche Preis – das ist der halben Preis des Preises für Aufführungen dramatischer Werke – verlangt.

Zur Frage 5:

Die Tatsache ist mir nicht bekannt und fällt auch nicht in den Vollzugsbereich des Bundeskanzleramtes.

Zu den Fragen 6, 7, 8 und 9:

Ich habe bereits in meiner Eingangsbemerkung sehr deutlich meine absolute Distanz gegenüber den angesprochenen Delikten ausgeführt. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Was heißt "Distanz"?) Die absolute Verurteilung der Delikte, um die es da geht, und zwar mit aller Klarheit.

Es ist aber, wie ich bereits erwähnt habe, meine Auffassung, daß ein Politiker keine Einflußnahme auf Spielpläne eines Theaters haben soll. Ich glaube, daß das so auch im Ausland gesehen wird. Ich glaube daher, daß aufgrund des Umstandes, daß kein Einfluß auf die Spielpläne des Burgtheaters genommen wurde, der Republik im Ausland kein Schaden entstanden ist. (Abg. Dr. Haider: Aber den Kindern!)


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Ich glaube auch, daß diese öffentliche Diskussion das Gegenteil einer Verharmlosung dieser Delikte, die nicht zu verharmlosen sind, mit sich gebracht hat.

Zur Frage 10:

Der Familienminister und die Frauenministerin, die Unterrichtsministerin, der Innenminister und der Justizminister haben einen Katalog von Maßnahmen gegen Gewalt an und sexuellen Mißbrauch von Kindern ausgearbeitet, der konkret den Ausbau von Beratungsstellen und die Erarbeitung eines Symptomkataloges der systematischen Darstellung von Anzeichen, die auf Kindesmißhandlung, sexuellen Kindesmißbrauch oder Vernachlässigung hindeuten, vorsieht. Diese Listen wurden in der Zwischenzeit bereits fertiggestellt, und es werden täterbezogene Maßnahmen bereits gesetzt, und es wird die Zusammenarbeit aller dafür zuständigen Stellen in nichtbehördlicher und in behördlicher Weise intensiviert.

Zur Frage 11:

Ich glaube, daß es wichtig ist, hier zu erwähnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß erfreulicherweise ein starker Anstieg der Zahl von Anzeigen in diesem Deliktsbereich, im Deliktsbereich gegen die Sittlichkeit zu verzeichnen ist. Das bedeutet, daß es dafür in der Gesellschaft größere Sensibilität und auch eine höhere Bereitschaft gibt, Anzeige zu erstatten, wodurch die Dunkelziffer verringert wird. Dies versetzt uns in die Lage, vermehrt Maßnahmen im Sinne der Opfer durchzuführen.

Meine Damen und Herren! Wir wollen auch die Aufklärung fördern, um eben Maßnahmen im Sinne der Opfer setzen zu können. Es zeigen die Erfahrungen der letzten Zeit – und das ist auch die einhellige Meinung von Fachleuten und involvierten Berufsgruppen –, daß die Beratungsstellen, die Lehrer, die Kindergärten und die Ärzte bei ihrer schwierigen und verantwortungsvollen Aufgabe unterstützt werden müssen und nicht kriminalisiert werden dürfen. Das würde die Eigenverantwortung dieser Vertrauensleute im Umgang mit Verdächtigen ohne Zweifel schädigen.

Zur Frage 12:

Die Produzenten von Kinderpornos sind als Täter schwerer Sexualdelikte beziehungsweise als Beitragstäter mit einer Freiheitsstrafe von bis zu maximal 20 Jahren bedroht. Dazu zählen aber auch – und das wird manchmal vergessen – all jene Personen, die sich am Zustandekommen und am Aufzeichnen solcher schändlichen Taten beteiligen, Räumlichkeiten dafür zur Verfügung stellen, Vermittlungstätigkeiten ausführen und dergleichen mehr.

Außerdem sieht darüber hinaus das Strafgesetzbuch seit 1997 auch höhere Strafdrohungen für das bloße Vervielfältigen oder Verbreiten solcher Produkte vor, und der bloße Besitz oder das Sich-Verschaffen solcher Produkte ist gleichfalls strafbar.

Zu den Fragen 13 und 14:

Natürlich setzt sich die Bundesregierung für eine laufende Verbesserung der Rechtsstellung der Opfer im Strafrecht und im Strafverfahren ein. Es handelt sich dabei um eine permanente Aufgabe, die nicht durch einen einzelnen Gesetzentwurf erledigt werden kann. Ich möchte als Beispiele nur das prozessuale Zeugenschutzprogramm und die Einführung schonender Vernehmungen von Kindern beziehungsweise von schutzbedürftigen Tatopfern und Zeugen nennen.

Im Rahmen der nächsten Schritte wird die Bundesregierung die Tatbestände und die Verjährungsfristen im Bereich des sexuellen Kindermißbrauchs neu gestalten, die Verjährungsfristen verlängern und die Möglichkeit einer schonenden Vernehmung auf alle Opfer von Sexualstraftaten erweitern.

Mit der bereits 1972 erfolgten Einführung und der laufenden Weiterentwicklung des Verbrechensopfergesetzes hat Österreich international gesehen hier eine Vorreiterrolle übernommen.


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Der Bund erbringt anstelle des Schädigers Vorleistungen für den Schadenersatzanspruch des Opfers und fordert Leistungen, soferne diese einbringlich sind, vom Täter selbstverständlich zurück. Diese Entschädigungsleistungen sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen und werden auch noch weiter ausgedehnt werden.

Auch das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch ist im vorigen Jahr durch die Schaffung eines allgemeinen Anspruches auf Entschädigung des immateriellen Schadens ergänzt worden, den die Opfer von Sexualstraftaten erleiden.

Zu den Fragen 15 und 18:

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es sind sich alle Fachleute darüber einig, daß der beste Opferschutz natürlich in der Prävention liegt. Die Bekämpfung von Gewalt in unserer Gesellschaft ist nicht nur eine Aufgabe der Polizei, die dieses Problem der familiären und sexuell motivierten Gewalt sicher nicht allein bewältigen kann. Beratungseinrichtungen, Frauenhäuser sind natürliche Verbündete der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen die Gewalt in der Familie, im Kampf gegen die Gewalt gegen Kinder.

Durch die Finanzierung von Interventionsstellen, die sich gleichfalls auf die Unterstützung von Gewaltopfern spezialisiert haben, haben wir auch in diesem Bereich einen wesentlichen Beitrag geleistet. Die Maßnahmen ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Salzl. ) – Ersparen Sie sich bitte diese zynischen, manchmal schon unappetitlichen Bemerkungen! Seien Sie mir nicht böse! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Sie haben nicht einmal gehört, was er gesagt hat!)

Die Maßnahmen zur Bekämpfung ... (Abg. Mag. Stadler: Distanzieren Sie sich endlich! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist das einzige, wozu man applaudiert!) – Dieses Thema ist wirklich zu ernst, als daß man es zu einem Messerwerfen benützen sollte. (Abg. Mag. Stadler: Sie haben nicht einmal gehört, was er gesagt hat! – Abg. Ing. Reichhold: Was hat er gesagt? – Abg. Haigermoser: Contenance! – Abg. Mag. Stadler: Handeln Sie doch endlich! Sie tragen die Mitverantwortung!)

Die Maßnahmen zur Bekämpfung von Kinderpornos wurden in letzter Zeit sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene wesentlich verstärkt. Kinder- und Menschenhandel sowie die Verbreitung von Kinderpornos werden auch in den Zuständigkeitsbereich von Europol miteinbezogen. Dadurch wird eine internationale Vernetzung von Gegenmaßnahmen, auch ein Informationsaustausch ermöglicht, um dieser grenzüberschreitenden Form des Mißbrauches von Kindern Einhalt gebieten zu können.

Das Innenministerium hat bereits vor einem Jahr konkrete Maßnahmen für ein sauberes Internet ergriffen. Es wurde eine Meldestelle eingerichtet, die selbst nach bedenklichen Inhalten sucht, aber bei der auch ganz bewußt die Information über kinderpornographische Darstellungen oder extremistische Inhalte von jenen, die das selbst finden, die draufkommen, angezeigt werden kann. Diese Inhalte werden dann den Strafverfolgungsbehörden oder über die Interpol den örtlich zuständigen Sicherheitsbehörden weitergemeldet. Die Anbieter, die Provider können beziehungsweise müssen entsprechende Schritte zur Selbstkontrolle ergreifen.

Zur Frage 16:

Nach der bereits erfolgten Erhöhung der Strafdrohung sind im Strafgesetzbuch derzeit keine weiteren Schritte geplant, aber die Bundesregierung wird konsequent gegen jede Form der Verherrlichung von Gewalt und Pornographie in den Medien auftreten.

Zur Frage 17:

Es existiert bereits ein umfassendes System zur Abschöpfung von Bereicherungen aus Straftaten, mit dem illegale Erlöse aus Straftaten für verfallen erklärt werden können. – Im übrigen ist die Behauptung, das österreichische Mediengesetz lasse vorsätzlich Kinderschändern finanzielle Unterstützung zukommen, einfach unrichtig.


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110. Sitzung / Seite 106

Zur Frage des Jugendschutzes und des Schutzes der Menschenwürde, insbesondere in den neuen Medien, wird voraussichtlich noch während der britischen Präsidentschaft der Europäischen Union, aber insbesondere auch unter österreichischer Präsidentschaft von den Mitgliedstaaten eine Empfehlung mit konkreten Vorschlägen zur Sicherung des Jugendschutzes und des Schutzes der Menschenwürde angenommen werden. Die österreichische Bundesregierung hat sich in der Vergangenheit immer klar zu diesem Grundsatz bekannt, sie tut dies in der Gegenwart und wird es auch in der Zukunft tun.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe, weil ich den Mißbrauch von Kindern und die bestmögliche Vorgehensweise dagegen für sehr ernste Themen halte, heute gebeten, daß die damit befaßten Kolleginnen und Kollegen aus der Regierung auch hier im Rahmen von Debattenbeiträgen zur Verfügung stehen. Das ist ein Zeichen dafür, daß wir über die Parteipolitik hinweg als Bundesregierung alle Anstrengungen unternehmen, um gegen Gewalt, gegen Mißbrauch von Kindern vorzugehen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundeskanzler.

Wir gehen in die Debatte ein. Die Redezeiten pro Fraktion betragen bekanntlich 25 Minuten, die Einzelredezeit beträgt maximal 10 Minuten.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Haider. – Bitte.

15.47

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohe Haus! Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Es wäre für die freiheitliche Fraktion verlockend gewesen, gerade am Beispiel der Diskussion um Burgtheater für Otto Mühl und Bundesmuseen für Otto Mühl zur Verfügung gestellt, zu sagen, welche langjährigen Verbindungen gerade Ihre Sozialdemokratische Partei zu diesem Lager und zu dieser Gruppe hat. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Förderungen!) Aber unser Hauptredner hat das deshalb nicht getan, weil wir heute eine Debatte über die Dringlichkeit führen wollen, die Gewalt gegen Kinder endlich einmal wirksam zu bekämpfen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Sie haben sehr erzürnt auf Zwischenrufe reagiert, und ich habe das nicht ganz verstanden, denn soweit ich Sie kenne, weiß ich, daß Ihnen das, was Otto Mühl darstellt und wofür er gefördert wurde, persönlich auch zutiefst zuwider ist. (Bundeskanzler Mag. Klima: Das ist richtig!) Daher hätte ich von Ihnen erwartet (Abg. Mag. Stadler: Warum sagen Sie es dann nicht?), Herr Bundeskanzler, daß Sie sich hierher stellen und sagen: Jawohl, ich distanziere mich von dieser Art der Verherrlichung von Gewalt gegen Kinder. Das hätte ich mir von Ihnen erwartet. Das wär’s gewesen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

So einfach wäre es gewesen, aber Ihr Staatssekretär hat bei unserer Dringlichen Anfrage im Bundesrat kein einziges Wort des Bedauerns für diese Verherrlichung der Gewalt an Kindern über die Lippen gebracht. Sie haben sich heute auch herumgedrückt und gesagt, Sie verurteilen Delikte. – Um Gottes willen, das ist doch ein Strafgesetz, da brauchen Sie nichts zu verurteilen, das ist es ohnehin schon. Aber ich hätte Sie als Mensch, als Familienvater hier einmal reden hören wollen, aber auch als Bundeskanzler, der sagt, diese Form der Gewalt gegen Kinder werden wir bekämpfen, und ich distanziere mich von jeder Form der Unterstützung. Das hätten wir von Ihnen heute gerne gehört. Das hätte auch für die Österreicher etwas Positives bedeutet. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundeskanzler Mag. Klima: Genau das habe ich gesagt!)

Sie können sich nicht durchschwindeln, nur damit Sie ein paar Linken in Ihrer eigenen Partei vielleicht Rechnung tragen und keine Schwierigkeiten haben. Sie haben selbst den Biennale-Katalog herausgegeben. Darin sind auch Bilder, mit denen sexuelle Gewalt an Kindern verherrlicht wird. Dieser Katalog wurde von Ihnen herausgegeben, Herr Bundeskanzler!

Sie werden nicht immer wieder sagen können, ich habe damit nichts zu tun. Solange Kultur Chefsache ist, so lange können Sie eingreifen! Und ich hoffe, Sie greifen jetzt endlich ein, denn


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110. Sitzung / Seite 107

Schweinereien gegenüber Kinder sind keine Kunst, sondern zu verurteilende Delikte, die man massiv bekämpfen muß! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir sind es müde, zu glauben, daß da wirklich etwas geschieht. Schon 1996 hat die Bundesregierung, haben die Minister dieser Bundesregierung angekündigt, sie werden massive Maßnahmen im Kampf gegen die Gewalt an Kindern und Familien ergreifen. Am 30. September 1997 haben wieder dieselben Minister, die heute hier sitzen, eine Pressekonferenz gegeben und angekündigt, was alles geschehen werde. – Bis heute ist nichts dergleichen passiert.

Jetzt sitzen Sie wieder da und kündigen uns wieder etwas an. Sie sind von Experten umgeben, die Ihnen im Fernsehen, mittlerweile auch im Radio ausrichten, daß das keine Kavaliersdelikte sind, wenn Gewalt an Kindern begangen wird, sondern daß das ganz miese, abscheuliche Verbrechen sind, für die es schärfere Strafdrohungen geben muß. – Darum geht es, und darum wollen wir auch diese Diskussion führen.

Herr Bundeskanzler! Ich bitte Sie wirklich – ich glaube, daß Ihnen das selbst unangenehm ist und daß Sie massiv etwas dagegen haben –, sich vorher darüber in Kenntnis zu setzen, was da alles passiert, bevor Sie sagen, die Behörden sind natürliche Verbündete der jungen Menschen. (Abg. Mag. Stadler: Das ist zynisch!)

Wir haben gestern bei einer Pressekonferenz Eltern mit dabei gehabt, Eltern eines betroffenen Kindes. Das Kind ist mit 15 Jahren den Eltern mehr oder weniger entglitten. Ich möchte die Umstände nicht näher schildern, weil sie tragisch genug sind. Das Kind ist heute 21 Jahre alt. Seit dem 15. Lebensjahr haben die Eltern eine Behörde nach der anderen angerufen und um Hilfe gebeten. Das war das Jugendamt Niederösterreich. Das war Frau Diplomsozialarbeiterin und Psychotherapeutin Annemarie Weber, Bezirkshauptmannschaft Baden. Das war Gabriele Fugger, Jugendabteilung Wr. Neustadt. Das war Dr. Neumayer Reinhard, Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Leiter der Abteilung VIII/2, Jugendwohlfahrt. (Abg. Ing. Reichhold: Paßt schon!)

Das ging über fünf Jahre, meine Damen und Herren, fünf Jahren nachweisbar. (Abg. Mag. Stadler: Das sind alles Verbündete, hat er gesagt! Das sind Verbündete! – Abg. Ing. Reichhold: Sie müssen geradestehen dafür!) Fünf Jahre lang haben sich die Eltern bemüht – glauben Sie mir das! –, da etwas zu tun. – Nichts wurde geglaubt. Es wurde nicht eingeschritten, und die Eltern wurden vertröstet, mit dem Ergebnis, daß das Kind keine Ausbildung hat, drei Lehren abgebrochen hat, zwei Schulen abgebrochen hat und aus dem Priesterseminar weggegangen ist, weil es diese Verbindungen, die abträglich waren, nicht kappen konnte. Das Kind ist heute 21 Jahre alt, also ein junger Mensch, und hat vor einigen Tagen seine Eltern angerufen und gesagt, es habe ohnedies keinen Sinn mehr, für ihn etwas zu tun, denn er ist in der Zwischenzeit unheilbar krank und wird in einigen Jahren nicht mehr leben.

Bitte, stellen Sie sich das einmal vor! Das sind die "natürlichen Verbündeten" unserer Kinder, zu denen der Herr Bundeskanzler versucht Zutrauen zu haben. Ich glaube, es tut wirklich not, daß endlich konkret gehandelt wird, und zwar nicht nur durch Gesetze, Herr Bundeskanzler! (Abg. Mag. Stadler: Der kleine Melvin würde noch leben, wenn es die "Verbündeten" nicht gegeben hätte!) Kümmern Sie sich einmal darum! Sie sind selbst Niederösterreicher. Informieren Sie sich einmal, ob das stimmt, was ich Ihnen hier erzählt habe! Und das ist nicht ein Fall, sondern es gibt Hunderte Fälle. Wir wollen nichts anderes. Wir wollen nicht Herrn Klima angreifen, sondern wir wollen Ihre Bereitschaft fördern, daß Sie heute von hier weggehen und sagen: Kinder, da haben wir Fehler gemacht. Hier müssen wir endlich handeln! Denn letztlich ist die Frage des Schutzes unserer Kinder und die Gewaltabwendung von unseren Kindern wohl ein wirklich gemeinsames Anliegen, dem wir uns alle verpflichtet fühlen sollten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich bitte Sie daher auch, die Dinge so zu diskutieren und unseren Entschließungsantrag auf Strafverschärfung, den wir gestellt haben, ernstzunehmen. Lassen Sie sich von Ihren Konzeptbeamten nicht falsche Konzepte schreiben, in denen steht, die Strafdrohung betrage 20 Jahre. Schauen Sie sich bitte an, in welcher Höhe die Verurteilungen tatsächlich erfolgen! Ein Vater,


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der ein behindertes Kind, ein behindertes Mädchen mißbraucht, bekommt fünf Monate. Ein Vater, der zehn Jahre lang seine drei Töchter und in der Folge auch noch sein fünfjähriges Enkelkind mißbraucht hat, bekommt 18 Monate Haft, davon sechs Monate bedingt. (Abg. Tegischer: Das entsteht durch Gerichte!) Eine Frau wurde von ihrem Mann vergewaltigt, und der dreijährige Sohn wurde mißbraucht. (Abg. Mag. Stadler: Das sind die "Verbündeten", Frau Tegischer!) Der dreijährige Sohn wurde mißbraucht, die Frau vergewaltigt, und dieser Mann wird freigesprochen, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist euer Zeitgeist!) Ein Vater mißbraucht seine fünfjährige Tochter – Freispruch. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Das ist Ihr Zeitgeist! – Bundesminister Dr. Michalek: Aber nicht bewiesen!) Nein, nicht bewiesen, Herr Bundesminister, sondern Freispruch aus rücksichtwürdigen Gründen. – Das ist es, was ich Ihnen sage: Sie leben in einer Traumwelt und wissen nicht, was mit unseren Kindern geschieht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher haben wir gesagt, es wäre notwendig, zuerst einmal für die Verhängung der Strafen und die Durchführung der Strafen zu sorgen. Es geht nicht um Abschreckung, das wissen wir, weil das Rückfalltäter sind. Aber wir wissen ganz genau, daß die Strafe den Sinn hat, die Gesellschaft und in erster Linie unsere Kinder vor solchen Elementen zu schützen. Deshalb sagen wir: Bei schwerer Kindesmißhandlung, bei Sexualdelikten gegen Kinder soll es lebenslange Freiheitsstrafen geben, die dann auch lebenslang vollzogen und nicht wieder mit Freigängen ausgestattet werden sollen, bei denen diese Personen dann wieder ihr Unwesen treiben können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zur Frage der Anzeigepflicht der Behörden. Heute richtet mir der Herr Justizminister aus, daß eine Anzeigenpflicht der Behörden nicht sinnvoll sei, daß unterlassene Anzeigepflicht als Tatbestand nicht sinnvoll sei. Vielleicht wird der Herr Bundeskanzler ihm berichten, daß sein Freund Tony Blair in England ganz andere Wege geht. In England legen die Sozialdemokraten eine Zentralkartei an, wo jeder Kinderschänder erfaßt ist und lebenslang mitverfolgt wird, so wie das auch in Amerika der Fall ist. Das geschieht zum Schutzbedürfnis der Kinder! Das sind konkrete Maßnahmen, die wir von Ihnen verlangen.

Eine Führungsaufsicht gegenüber jenen Personen, die sich an unseren Kindern vergangen haben. – Ist es zu viel verlangt, daß wir alles tun, um Rückfälle, Wiederholungen und neues Elend zu vermeiden? Das muß uns doch in Wirklichkeit einigen!

Herr Bundesminister für Justiz! Kommen Sie mir nicht daher, indem Sie sagen, wir müssen auch noch einen außergerichtlichen Tatausgleich für diese Sexualdelikte gegen Kinder schaffen. Alles, was über fünf Jahre ist, wird bei uns bereits ausgeglichen, und darunter fallen Sexualdelikte. Sie sind ein ständiger Begünstiger der Täter, Herr Justizminister, und nicht der Opfer. Und das werfen wir Ihnen konkret vor! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich bitte Sie, das zu berücksichtigen, was Professor Rudas gestern im Fernsehen gesagt hat. Er hat gesagt, wichtig ist jetzt: Strafe für Täter und rasche Hilfe für die Opfer. Denn rasche Hilfe heißt, daß endlich sofort geholfen wird, daß es lange dauernde Hilfe gibt und daß diese Hilfe als eine Bringschuld der Gesellschaft verstanden wird und nicht von den Opfern organisiert werden muß, die zum Teil in einem katastrophalen sozialen Umfeld leben.

Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, akzeptieren, daß wir nicht Sie persönlich treffen wollen, sondern daß es uns darum geht, für unsere Kinder bessere Verhältnisse herzustellen, dann hat diese Debatte einen Sinn gehabt; und wir werden Sie auch bei weiteren Initiativen unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag betreffend wirksame Maßnahmen gegen Kindesmißbrauch und Kinderpornographie ist ordnungsgemäß eingebracht, erläutert worden und steht in Verhandlung. Herr Präsident Brauneder hat die Vervielfältigung schon angekündigt; dieser Antrag wird an alle Abgeordneten verteilt werden.


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Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Haider, Mag. Stadler, Dr. Partik-Pablé, Dr. Krüger, Dr. Ofner und Kollegen betreffend wirksame Maßnahmen gegen Kindesmißbrauch und Kinderpornographie

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat Gesetzentwürfe zuzuleiten, die zum umfassenden Schutz der Kinder folgende Maßnahmen vorsehen:

1. Einrichtung einer zentralen Meldestelle pro Bundesland, an die Ärzte alle Fälle zu melden haben, in denen ein Verdacht physischen, sexuellen oder psychischen Kindesmißbrauchs besteht, und die entsprechende Auskünfte an Sicherheitsbehörden, Jugendwohlfahrtseinrichtungen und Ärzte erteilt;

2. Meldepflicht an den Amtsarzt für alle Personen, die beruflich die Betreuung von Kindern übernommen haben (z. B. Kinderbetreuer, Lehrer, Ärzte, Psychotherapeuten, Psychologen, Schulärzte), wenn ein begründeter Verdacht physischen, sexuellen oder psychischen Kindesmißbrauchs besteht;

3. absolute Anzeigepflicht für Behörden, die primär zum Schutz der Kinder eingerichtet sind (Jugendwohlfahrtseinrichtungen, Kinder- und Jugendanwälte et cetera) für alle an Unmündigen begangenen Straftaten;

4. Schaffung eines neuen Straftatbestandes der unterlassenen Anzeige für alle Personen, die der Anzeigepflicht unterliegen;

5. Einrichtung von Sonderabteilungen der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung der Kinderpornographie, die auch Schein- und Vertrauenskäufe durchführen dürfen;

6. Abnahme eines genetischen Fingerabdrucks bei jedem Täter zur leichteren Aufklärung künftiger Delikte;

7. Strafdrohung von lebenslanger Freiheitsstrafe für schweren Straftaten im Bereich des Kindesmißbrauchs und der Kinderpornographie;

8. Einführung erhöhter Strafdrohungen für alle Sittlichkeitsdelikte, wenn sie aus wirtschaftlichen Gründen wie etwa zur Herstellung von Kinderpornographie begangen werden;

9. Einführung eines besonderen Erschwerungsgrundes für die vorsätzliche Begehung von strafbaren Handlungen an Kindern;

10. Klarstellung, daß für Vergewaltigungen oder geschlechtliche Nötigungen an Unmündigen dieselben höheren Strafrahmen gelten wie wenn diese Delikte an Erwachsenen in besonders qualvoller Weise begangen werden;

11. Gleichstellung der Strafdrohung für Vergewaltigung mit Todesfolge mit der für schweren Raub mit Todesfolge (lebenslang);

12. Erhöhung der Strafobergrenze für geschlechtliche Nötigung von drei auf fünf Jahre (wie bei schwerer Nötigung);

13. Ausdehnung des Straftatbestandes der Schändung auch auf Opfer männlichen Geschlechts;

14. Ausdehnung des Tatbestandes des Beischlafs mit Unmündigen auch auf beischlafähnliche Handlungen (wie bei Vergewaltigung);


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15. Ende der Verjährungsfrist für Delikte an Minderjährigen frühestens zwei Jahre nach der Mündigkeit des Opfers, wenn die Anzeige durch das Opfer erfolgt;

16. Verschärfung der Strafdrohungen im Bereich des Pornographiegesetzes für alle Formen von Kinderpornographie;

17. Schaffung eines neuen Straftatbestandes im Pornographiegesetz für das öffentliche Anpreisen von Sittlichkeitsdelikten an Unmündigen (auch über das Internet);

18. gesetzliches Verbot vorzeitiger Haftentlassung und bedingter Strafen für Sexualstraftäter an Unmündigen;

19. bei psychischer Auffälligkeit des Täters, Tatbegehung mit besonderer Grausamkeit, bei Sittlichkeitsdelikten und im Maßnahmenvollzug (§ 21 Abs. 1 oder 2 StGB): Verbot aller Hafterleichterungen, die mit einem unbeaufsichtigten Entfernen aus der Haftanstalt beziehungsweise dem unbeaufsichtigten Kontakt mit anstaltsfremden Personen verbunden sind, und Bindung der Einleitung des Entlassungsvollzuges an eine vorhergehende gründliche Begutachtung durch anstaltsfremde Sachverständige und an eine darauffolgende gerichtliche Entscheidung, für die auch die anstaltsinternen Erfahrungen mit dem Häftling heranzuziehen sind; wenn das Risiko der Begehung weiterer Straftaten gegeben zu sein scheint oder wenn eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt und die Tat mit besonderer Grausamkeit begangen wurde, hat die Entscheidung sich am Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung zu orientieren;

20. lebenslange Führungsaufsicht nach der Haftentlassung für alle Personen, die wegen sexuellen Kindesmißbrauchs verurteilt wurden (regelmäßige Meldungen bei den Sicherheitsbehörden; dauernde Überwachung und Kontrolle der Therapie; Verbot aller Tätigkeiten, die den Täter mit Kindern in Kontakt bringen würden; nötigenfalls elektronische Kontrolle des Aufenthalts und Bekanntgabe der Vorstrafe bei Nachbarn);

21. erweiterte Rechte des Opfers im Strafverfahren (Einbindung des Opfers als Prozeßpartei neben dem Staatsanwalt unabhängig von zivilrechtlichen Ansprüchen; Miterledigung zivilrechtlicher Ansprüche im Strafverfahren als Regelfall; umfangreichere und präzisierte Informationsverpflichtung des Gerichtes gegenüber dem Opfer; Berechtigung zum Einbringen von Beweisanträgen; volle Akteneinsicht; Beigebung eines kostenlosen Verfahrenshilfeanwalts bei schwieriger Sach- und Rechtslage ohne Bezugnahme auf die finanziellen Verhältnisse des Opfers; volles Berufungsrecht; Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche auch in freisprechenden Urteilen; vorläufige Entschädigung durch eine vor den Zivilgerichten bekämpfbare Festlegung des Strafgerichtes nach billigem Ermessen; bevorzugte Wiedergutmachung aus der Arbeitsvergütung des Täters in Strafhaft);

22. Recht auf Beiziehung einer Vertrauensperson bei jedem Behördenkontakt des Opfers;

23. Klarstellung, daß minderjährige Opfer in der Regel nicht direkt im Gerichtssaal vernommen werden sollen;

24. weitestgehende Einschränkung der Zahl der Einvernahmen minderjähriger Opfer; Vernehmung nur durch erfahrene und psychologische geschulte Personen;

25. bevorzugte rasche Abwicklung der Strafverfahren, um das Opfer zu schonen;

26. prinzipielle Wegweisung des Täters aus dem Familienverband zum Schutz des unmündigen Opfers;

27. Soforthilfe für das Opfer durch unmittelbar nach der Anzeige einsetzende Therapie und Betreuung auf Kosten des Täters (staatliche Vorfinanzierung);

28. Ausweitung der Leistungen des Verbrechensopfergesetzes zur Sicherstellung einer unentgeltlichen Betreuung der psychischen Schäden von Unmündigen über das Versorgungsniveau


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der Krankenversicherung hinaus zur Gewährleistung einer fairen Berechnung des künftigen Verdienstentganges und zur Übernahme der Schmerzensgeldansprüche;

29. verstärkte Anonymisierung des Opfers und seiner Lebensumstände in der medialen Berichterstattung;

30. verpflichtende Aufklärung und Warnung der Bevölkerung durch die Medien zu den bestmöglichen Sendezeiten analog zur Aidsaufklärung und

31. verstärkte Warnung der Kinder und Jugendlichen in Schulen und Kindergärten."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte.

15.59

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Bedrückend ist die Doppelzüngigkeit meines Vorredners (Abg. Haigermoser: Wir sind schuld!), wenn er hier versucht, seine Partei als die einzige Partei darzustellen, deren Themen die Themen Kinderschändung, des Mißbrauchs, der Gewalt gegen Kinder ist.

Es wird so getan, als gäbe es unter den anderen vier Parteien (Zwischenruf der Abg. Apfelbeck ), inklusive der Regierung, auch nur irgend jemanden, der Kinderschändung dulden oder begünstigen, der Gewalt in der Familie begünstigen oder gutheißen würde. Sie sagten am Anfang Ihrer Rede, es gehe Ihnen nicht darum, den Herrn Bundeskanzler zu attackieren, sagen dann aber am Schluß, daß er eigentlich die Täter tagtäglich begünstige. Es wird ihm und uns unterstellt, daß wir die Mängel der Verwaltung dulden würden, weil wir Kumpane sind, daß wir die Mängel, die es vielleicht in der Gesetzeslage gibt, dulden würden, weil wir Kumpane sind. Und das ist der wahre Skandal! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Der dreijährige Melvin könnte noch leben, wenn es die Sozialbehörde nicht verabsäumt hätte ...!)

Herr Dr. Haider! Ich weiß nicht, wer Klubobmann ist: Sie oder Ewald Stadler? (Abg. Haigermoser: Das ist nicht das Problem!) Sie sind wahrscheinlich der Vorsitzende der FPÖ. Ich hätte mir von Ihnen erwartet (Abg. Mag. Stadler: Bei Ihnen weiß man nicht, wer ist der Klubobmann: Cap oder Kostelka?), daß Sie diese beiden Zwischenrufer, die dem Bundeskanzler vorgeworfen haben, er sei ein Sympathisant der Kinderschänder, hervorholen und zur Ordnung rufen und daß Sie den anderen Zwischenrufer, der gesagt hat, wer schweigt, stimmt zu, zur Ordnung rufen (Abg. Jung: Das stimmt auch, Herr Kollege!), damit er sich für diese Zwischenrufe entschuldigt, denn: Wer schweigt, stimmt zu, Herr Dr. Haider – Ihren Zwischenrufern! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Die Passage war nicht gut!)

Doppelzüngigkeit. – Ganz milde sagt es Abgeordneter Krüger (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das fällt Ihnen nicht schwer!), es wird die öffentlich subventionierte Bühne gegeben, und nachher sagen Sie dann: Natürlich wollen wir keine Zensur. (Abg. Dr. Haider: Man merkt, daß du keine Kinder hast!) Natürlich gehen wir nicht auf den Burgtheaterdirektor los. Natürlich gehen wir nicht auf den Museumsdirektor los.

Was ist es denn anderes als der Ruf nach Zensur – mit "es" meinen Sie die Politik, die Verantwortlichen; öffentlich subventionierte Bühnen heißt, mit Steuergeld subventionierte Bühnen (Zwischenrufe der Freiheitlichen in Richtung des Bundeskanzlers Mag. Klima) –, wenn Sie sagen, wie kann dort überhaupt solch ein Programm ablaufen? – Das heißt, es ist der Ruf nach Zensur. Es heißt, Sie wollen natürlich Ihre Art von Programmgestaltung an den Theatern. Ihnen ist doch Otto Mühl Wurscht! Der ist in Wirklichkeit doch ohnehin schon längst "überwuzelt", wie auch viele von den Kommentatoren und Weggefährten gesagt haben. Aber er ist ein dankbares Objekt, ein Instrument, damit Sie Ihr ödes FPÖ-Kulturverständnis, das keiner braucht, endlich einmal in die Bundestheater und in die Bundesmuseen hineintragen können. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Schreib deine Rede um, Cap!)


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An wen richtet sich der Duktus dieser Dringlichen Anfrage in Wirklichkeit? (Abg. Dr. Partik-Pablé: An den Bundeskanzler!)  – Bitte gehen Sie doch zum Herrn Peymann und diskutieren Sie mit ihm aus, ob das Dramolett gut, schlecht, notwendig oder sonst etwas war. Was haben wir damit zu tun? Warum soll man das hier diskutieren? (Heiterkeit bei der SPÖ.)  – Das ist eine Sache, die der Direktor des Burgtheaters künstlerisch zu entscheiden hat. Ich kritisiere es. Ich gehe sogar soweit, daß ich es bewerte: Otto Mühl war nie ein Schriftsteller. Ich sehe keinen künstlerischen Wert darin. Aber das ist Sache des Burgtheaterdirektors! Machen Sie dort die Anfrage und nicht hier! (Beifall bei der SPÖ.)

Etwas anderes ist es vielleicht, was das Museum betrifft. Da gibt es viele internationale Meinungen und Ausstellungen der Bilder. Man kann unterschiedlicher Meinung dazu sein. Machen Sie die Dringliche Anfrage an Noever! Stellen Sie ihm die Frage, diskutieren Sie mit ihm! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie wissen, daß das nicht geht! Tun Sie uns nicht frotzeln!) Was wollen Sie hier? Sie tun so, als könnten wir, das Parlament oder die zuständigen Ressortleiter, entscheiden, ob Noever das ausstellt oder Peymann das veranstaltet. Das ist das Trickreiche! Das ist die Doppelzüngigkeit! Das ist der Skandal, wie Sie diese Diskussion hier führen! (Beifall bei der SPÖ.)

Da halte ich es in einem gewissen Sinn mit Gerhard Amendt, der im "Standard" vom 20. Februar gesagt hat (Abg. Mag. Stadler: Dem Bundeskanzler ist deine Rede peinlich!) : "Claus Peymann gibt die Bühne frei für das selbstmitleidige Gestammel eines Uneinsichtigen, uneinsichtig deshalb, weil er kein Gefühl für die Leiden jener hat, die er beschädigte. Statt dessen wähnt er sich selber als Opfer einer nach Rache dürstenden Justiz." – Eine völlig richtige Formulierung, ich schließe mich dem vollständig an. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Der Bundeskanzler ist nicht überzeugt von der Rede, wenn das stimmt, was er uns weisgemacht hat!)

Ich möchte noch einen Satz hinzufügen. Es steht hier auch: "Warum hat Peymann Groër und Mühl nicht gemeinsam auftreten lassen? Beide fühlen sich mißverstanden und zu Unrecht verfolgt." – Ich würde ganz gerne einmal von Groër-Verteidiger Stadler einige Worte dazu hören. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Denn am selben Tag, am 20. Februar, sagte der spätere Kardinal Schönborn in der "Kathpress" zu Groër: Ein Wort des Bekenntnisses und der Vergebungsbitte wäre zu finden. – Wo ist da eigentlich Ihre Kritik? – Doppelzüngig, doppelseitig, doppelte Moral: Das ist Ihre Politik! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. )

Da wir schon bei der Doppelzüngigkeit sind: Herr Dr. Haider! Wo ist eigentlich Ihre Kritik an Peter Sichrovsky? – Er ist immerhin Ihr EU-Abgeordneter. Sie müssen gewußt haben, wer Peter Sichrovsky ist, als Sie ihn damals zu Ihrem EU-Abgeordneten gemacht haben. Sie kennen ihn sehr gut, er schreibt Ihre Bücher. Er muß also ein echter Spezi von Ihnen sein. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Also müssen Sie wissen, wie er denkt und wie er gedacht hat.

Im "Standard" hat es einen interessanten Artikel gegeben, der weit über das Buch hinausgeht – den "Standard"-Artikel muß man lesen –: "Das Sonnenreich des Aktionisten" von Peter Sichrovsky. Dabei ist ein herrliches Foto von der netten Bucht, in der die Mühl-Kommune sitzt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Da hat aber niemand gewußt, daß das ein Kinderschänder ist!)

Dann kommen Verharmlosungsorgien: Die Auswüchse von damals sind bekannt. Heute lächeln die noch übriggebliebenen Mitglieder selbst darüber – über die Experimente der freien Sexualität und so weiter. – Dann beschreibt er ein bißchen die Kommerzialisierung. Trotzdem: Nach dem Motto "Glückliche Hühner legen die besseren Eier" hat Mühl rechtzeitig erkannt, daß ein kommerzieller Erfolg in der rauhen Wirklichkeit auch einen gewissen Freiheitsraum erfordert. (Abg. Dr. Haider: Da merkt man, daß du keine Kinder hast! Da merkt man, daß du keine Kinder hast!) – Kinder? – Da haben wir sie schon. Peter Sichrovsky: Die Unbefangenheit, die Fröhlichkeit, das freie Bewegen und Zugehen auf die Erwachsenen und andere Kinder ist man einfach nicht gewöhnt. – Das ist eine Verharmlosung: Peter Sichrovsky! (Abg. Dr. Haider: Man merkt, daß du keine Kinder hast, weil dir alles Wurscht ist! Man merkt, daß du keine Kinder hast!)


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Oder: Vielleicht gibt es auch die Freiheit zur Unfreiheit. – Da hat er dann seinen späteren Beitritt zur FPÖ schon vorweggenommen (Heiterkeit bei der SPÖ), als er diese Formulierung verwendet hat. Oder: So muß man heute zur Kenntnis nehmen, daß die Gruppe um Mühl gesellschaftsfähig wurde. – Hört, hört! Peter Sichrovsky behauptet, die ganze Kommune und Otto Mühl sind gesellschaftsfähig. (Abg. Dr. Partik-Pablé: War das nach der Verurteilung von Mühl, Herr Cap? War das nach der Verurteilung von Mühl?)

Dann versteigt er sich zu einer ganz besonderen Formel, als er sagt: Als tragende Figur fungiert das Genie Mühl, der es verstanden hat, parallel zu seiner eigenen Entwicklung seine Umgebung zu formen. (Abg. Marizzi – zu den Freiheitlichen gewandt –: Was sagen Sie jetzt dazu? Was sagen Sie jetzt?)  – Zu den Kritikern hat er nur gesagt: Eine Kritik an ihnen vom Normalbürger wäre vergleichbar mit der Empörung eines Stotternden über den Schielenden. – Also: Sie sind die Stotternden, und Otto Mühl und seine Kumpane sind die Schielenden. Das ist die Definition Ihres EU-Abgeordneten! (Abg. Mag. Stadler: Cap, du hast nichts begriffen!)

Damit möchte ich anregen, daß Ihre künftigen Redner endlich herauskommen und dazu eine eindeutige Stellungnahme abgeben und nicht Justizpolitik und teilweise tatsächlich vorhandene Mängel, die es zu beseitigen gilt, mit Kulturpolitik und dem Mißbrauch des Otto Mühl vermanschen und dieses billige Ziel in einer eigentlich mißlungenen Anfrage hier zu erreichen versuchen.

Schäbig ist das, was Sie hier gemacht haben, moralisch schäbig! Sie haben kein Recht, sich von diesen abzuheben, und Sie haben das Parlament wieder einmal für etwas mißbraucht, das dieses Parlament wahrlich nicht verdient! (Beifall bei der SPÖ.)

16.07

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsaussschusses

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf bekanntgeben, daß die Abgeordneten Dr. Kier, Mag. Kammerlander und Genossen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt haben, einen Untersuchungsausschuß zur Prüfung der Verantwortlichkeit der Bundesregierung sowie vermuteter rechtswidriger Einflußnahmen durch politische Funktionsträger im Zusammenhang mit den Kurdenmorden vom 13. Juli 1989 einzusetzen.

Die Durchführung einer Debatte wurde nicht beantragt. Nach § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung findet die Abstimmung nach Erledigung dieser Sitzung statt.

*****

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Morak. Er hat das Wort.

16.08

Abgeordneter Franz Morak (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Verehrte Kollegen von der freiheitlichen Sektion! (Abg. Dr. Krüger: Das sagt man bei den Sozialisten!) Ich möchte einmal grundsätzlich den kulturpolitischen Standpunkt darlegen.

Dabei möchte ich Ihnen, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, auf den Kopf zusagen: Der Aktionist und Maler Otto Mühl wird Ihnen die heutige Dringliche danken! Die Dringliche Anfrage der Freiheitlichen erfüllt nämlich einen alten Wunsch des Otto Mühl und der Geschäftsleute, die hinter Otto Mühl die Geschäfte machen, nämlich auf eine fragwürdige Art und Weise abzucashen. – Das ist unter anderem ein Skandal, und zwar ein kulturpolitischer Skandal, nämlich wie man Geldbeschaffung betreibt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Nicht genug damit, daß der öffentlich-rechtliche Rundfunk – seien Sie ruhig, wir kommen schon dazu – Otto Mühl einen Auftritt nach dem anderen ermöglicht hat – aus erschreckender Unsensibilität und Sensationssucht diverser autonomer Kulturveranstalter; das muß einmal festgehalten werden –, bringen Sie, meine Damen und Herren von der "F" (Abg. Dkfm. Holger


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Bauer: Weil dort lauter so Geistesbutzerl sind ... ! – Abg. Mag. Firlinger: Als was waren Sie dort?)  – ich komme schon noch dazu, warten Sie ein bißchen –, Otto Mühl heute ins Hohe Haus.

Es ist kein Zufall, ist man versucht zu sagen, daß Haider und Mühl (Abg. Mag. Stadler: Warum waren Sie im Fernsehen? Wären Sie daheim geblieben!) – ja, Herr Mag. Stadler – denselben Berater haben, nämlich Herrn Sichrovsky aus Chicago (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie beim Liberalen Forum), der Lieblingsmetropole der "F".

Da schließt sich ein Kreis: Doucha im ORF auf der einen Seite und Sichrovsky und die "F" und Mühl auf der anderen Seite. Das ist doch ein klarer Bogen, darüber sind wir uns einig. (Abg. Ing. Reichhold: Was sagen Sie zu dem Kinderschänder?) – Ich habe gesagt, wir werden das zuerst kulturpolitisch analysieren. (Abg. Ing. Reichhold: Das ist eine Peinlichkeit! Reden Sie doch über die Kinderpornographie!) Gemach, gemach! (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Aber natürlich müssen die Freiheitlichen Otto Mühl auch dankbar sein – können sie sich doch heute wieder einmal in einem dieser oft erprobten Kulturkämpfe behaupten. Das ist anscheinend die liebste Intervention der Freiheitlichen, wenn es um Kultur geht. Ganz offensichtlich hat Imageberater Sichrovsky seine beiden Klienten miteinander kurzgeschlossen: ein Synergieeffekt der speziellen Art, wie ihn immer nur die "F" schafft. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Zwischen Friedrichshof, Gomera und der Dorotheergasse haben sie alle um den kulturpolitisch relevanten Skandal gebetet, um hier im Parlament ihr Süppchen zu kochen und um ihre Geschäfte zu besorgen.

Einige klärende Worte von seiten der ÖVP:

Erstens: Nicht jeder, der im Gefängnis war, ist schon Egon Schiele. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Zweitens: Nicht jeder, der im Burgtheater vorgibt, ein Direktor zu sein, ist frei von der Lust, sich selbst als Mittelpunkt abzufeiern – auch zum Schaden des Hauses und auch zum Schaden der Kunst. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Drittens: Nicht jeder, der eine Galerie betreibt, steht jenseits von finanziellen Überlegungen und hat nur die Kunst im Auge. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Die Bilder in der Galerie Klocker sind selbst für Otto Mühl unfertig. Hier soll möglicherweise Schund mit den Mitteln des Skandals verkauft werden – das ist die Wahrheit –, natürlich zu überhöhten Preisen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) – Mit Ihrer Anfrage helfen Sie der Galerie Charim/Klocker, das ist evident. (Zwischenruf des Abg. Scheibner. )

Aber, meine Damen und Herren von der linken Seite des Hauses – so schnell, lieber Cap, kommst du mir nicht aus! –, freuen Sie sich nicht zu früh. Denn ich bin nicht geneigt, Sie im Zusammenhang mit der "F"-Anfrage und meiner Kritik daran, weil sie in ihrer Durchsichtigkeit so einsichtig ist, aus der Verantwortung zu entlassen. Daß es sich dabei um eine Aktion handelt, der mit Verboten nicht beizukommen ist, ist klar. Klar ist auch, daß den Vorfällen rund um Otto Mühl nur mit einer reifen gesellschaftspolitischen Diskussion beizukommen ist, wie das auch – das muß man auch sagen – in einer verantwortungsvollen Presse wunderbar abgehandelt worden ist. Das heißt aber auch für die Politiker: Wegschauen ist verboten!

Sie, Herr Bundeskanzler, haben sich in der Gestalt Ihres Staatssekretärs auf die Freiheit der Kunst, auf die Autonomie des Burgtheaters und darauf, daß Otto Mühl seine Strafe verbüßt hat, berufen. Damit, Herr Bundeskanzler, sind Sie der Themenstellung natürlich ausgewichen. Auf gut deutsch: Sie haben sich ein bißchen abgeputzt.

Das Ergebnis sieht also folgendermaßen aus: Da steht ein uneinsichtiger Straftäter auf der Bühne des Staatstheaters und läßt sich als Justizopfer bejubeln. (Abg. Dr. Khol: Das war der


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Skandal!) Da darf einer seine senile Libido öffentlich durch die Erinnerung an die knackigen 14jährigen neu stimulieren. Die Opfer aber – das ist das Skandalöse, das ist die skandalöse Verzerrung, das ist auch der wahre Skandal – bleiben ausgeschlossen und können sich maximal Leserbriefe schreibend artikulieren.

Denn gerade Sie, meine Damen und Herren von der Sozialistischen Partei, stehen hier kräftig unter Zugzwang. Der Friedrichshof gehört zu den Erbschaften, die Sie von Ihren Vorgängern übernommen haben. Das sei Ihnen zugestanden. Das sind große Männer und Frauen der Sozialdemokratie gewesen: Kreisky, Blecha, Hawlicek, Kery. Davon beißt keine Maus einen Faden ab. (Abg. Kiss: Sinowatz! – Abg. Dr. Krammer – zu Abg. Kiss gewandt –: Gerade du hast es notwendig! Sei ruhig!)

Gerade Sie, Herr Bundeskanzler, haben sich verschwiegen. Das ist – das muß man auch in aller Deutlichkeit sagen – eine "Konsum"-Pleite auf kulturpolitischer Ebene.

Wie es geht, hat Frau Bundesministerin Gehrer vorbildlich vorgeführt, indem sie nicht in die Autonomie der Direktoren eingegriffen hat, aber von vornherein eine klare Stellung bezogen hat. Und das wäre notwendig gewesen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es geht nämlich nicht, mein lieber Kollege Cap, um die Zensur. Es geht um eine klare Meinung, und zwar zu dem Zeitpunkt, zu dem das Problem anliegt. Der Psychiater Rudas hat erst gestern darauf hingewiesen, wieviel Zuwendung Opfer von sexuellem Mißbrauch benötigen, um das wieder ungeschehen zu machen, wenn es überhaupt möglich ist.

Der einzige, der heute durch diese Anfrage Zuwendung bekommen hat, heißt Otto Mühl. Ich sage Ihnen, Herr Dr. Krüger, Ihre Dringliche Anfrage stellt im Verständnis des Otto Mühl eine Streicheleinheit dar. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist nicht richtig! – Abg. Mag. Stadler: Jeder, der ein Schauspieler ist, ist auch ein Politiker! – Abg. Dr. Haider: Der Bundeskanzler sieht das ganz anders!)

Ich sage Ihnen, Herr Dr. Krüger, ich habe mir Ihre Anfrage ganz genau angeschaut. (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. ) Ich finde in Ihren 18 Punkten keinen einzigen Punkt, der auf Hilfe für die Opfer abstellt. (Beifall bei der ÖVP, den Grünen und dem Liberalen Forum. – Abg. Scheibner: Lesen Sie es wenigstens einmal! Lesen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie haben von härteren Strafen gesprochen, das ist okay. Aber wo bleibt die Betreuung? Wo bleibt die Beratung? Wo bleibt die Therapie? – Das haben wir nur von der Regierungsbank gehört. Das muß man auch sagen. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich habe die "F" im Verdacht, daß die Opfer für sie nur ein Vorwand für eine billige Skandalisierung sind. Für mich stehen Sie durch diese Anfrage mit Peymann und der Galerie Klocker/Charim in einer Reihe. Peymann und die "F" sind siamesische Zwillinge. Ich frage mich heute schon: Was machen Sie, wenn es Peymann in diesem Land nicht mehr gibt? (Abg. Dr. Graf: Dann gibt es immer noch Sie! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Hoffentlich gibt es ihn bald nicht mehr!)

Abschließend: Sagen Sie mir, wo der Peymann ist, und ich werde Ihnen sagen, wo die "F" steht. Sagen Sie mir, wo Klocker ist, und ich sage Ihnen, wessen Geschäfte die "F" heute besorgt hat. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist doch ein Blödsinn!)

16.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Barmüller. – Bitte.

16.18

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Meine Herren Bundesminister! Vorweg etwas zum Fall Mühl, der der angebliche Anlaß oder der Vorwand für diese Dringliche Anfrage ist. Mich hat bei der


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Sendung "Zur Sache" schon sehr irritiert, daß ein Mann wie Mühl offensichtlich überhaupt kein Einsehen in den Unrechtsgehalt seiner Taten hat, derentwegen er verurteilt worden ist.

Aber, meine Damen und Herren, gibt es eingedenk der Justizdiskussionen, die wir hier in diesem Hause geführt haben, ein besseres Beispiel dafür, daß das bloße Wegsperren von Menschen noch überhaupt nichts zu deren Besserung beiträgt?! (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ und den Grünen.) Und sollte nicht das etwas sein, was die FPÖ in ihren zukünftigen Justizdebatten ein wenig berücksichtigen sollte?

Denn wenn es um den Bereich der Justizpolitik geht (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: ... Kommune! So ein Unsinn! Das ist ja Schwachsinn!), Herr Abgeordneter, dann brauchen Lösungen Verstand. Den haben Sie bisher in diese Diskussion nicht eingebracht, und ich will Ihnen auch Beispiele geben.

Eines der Beispiele: Herr Abgeordneter Krüger stellt sich hier ans Rednerpult und bedauert, in wie vielen Fällen – 70 000 hat er genannt – in Österreich pro Jahr Frauen in Familien Opfer von Gewalttaten werden. Aber es war die FPÖ, die letztes Jahr gegen das Wegweiserecht von gewalttätigen Ehemännern aus Wohnungen gestimmt hat. (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ sowie den Grünen.)

Auf der einen Seite sagen Sie, diese brauchen mehr Schutz, und hier stimmen Sie, wenn dieser Schutz gegeben werden soll, einfach dagegen! – Das ist das erste Beispiel.

Herr Abgeordneter Haider sagt hier: Wir brauchen strengere Strafen für Kindesmißbrauch; es muß endlich gehandelt werden. – Es war die "F", die im Jahre 1994 strengere Strafen in Form von Anträgen vorgelegt hat. Es war dieses Parlament, das im Jahr 1996 strengere Strafrahmen in jenem Strafmaß beschlossen hat (Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger ), Herr Abgeordneter Krüger, wie es auch von der FPÖ vorgeschlagen worden ist. Aber es war die FPÖ, die gegen diese Lösung gestimmt hat!

Und damit sind wir wieder beim Punkt: Auf der einen Seite produzieren Sie Skandale, aber hier im Hause sind Sie zu Verstandeslösungen nicht bereit oder nicht willens oder nicht fähig. – Das können Sie sich aussuchen. (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ sowie den Grünen.)

Da Herr Abgeordneter Cap heute hier ausführt, daß es doch niemanden in diesem Haus gibt, der Kindesmißbrauch gutheißt, sage ich ihm: Das stimmt schon, hat man den Eindruck. Aber haben Sie jemals gehört, daß der Abgeordnete Stadler, der da so interessiert etwas anderes liest, weil die Debatte angeblich nicht wichtig ist, etwa zum Kindesmißbrauch oder zum Unmündigenmißbrauch, den Herr Kardinal Groër begangen hat, irgend einmal ein Wort der Solidarität an die Opfer gerichtet hätte? – Nein, nicht einmal! (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Krüger: Er ist aber nicht verurteilt!) Er hat nur Presseaussendungen gemacht, in denen er geschrieben hat, was das für ein Skandal ist, daß darüber auch noch in den Medien berichtet wird. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Es gilt nicht die Unschuldsvermutung?)

Offenbar gibt es für Sie "gute" und "schlechte" mißbrauchte Kinder, und das zeigt sich auch in den Maßnahmen, die Sie vorschlagen, Frau Abgeordnete. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Gilt nicht die Unschuldsvermutung für Groër?) Sie haben doch glatt die Schneid, in die Dringliche Anfrage hineinzuschreiben, daß erhöhte Strafdrohungen, die Sie in Anträgen hier nicht vorgelegt haben – Sie haben keine Anträge hier im Haus liegen, die über erhöhte Strafdrohungen in diesem Bereich Auskunft geben –, daß erhöhte Strafdrohungen für Sittlichkeitsdelikte eingeführt werden und im Strafgesetzbuch Eingang finden sollen, wenn sie aus wirtschaftlichen Gründen geschehen.

Ich sage Ihnen, nicht die wirtschaftliche Verwertung ist das Verwerfliche, sondern daß überhaupt jemand die Menschenwürde, die sexuelle Selbstbestimmung von Kindern in dieser Art und Weise mißbraucht und diese für ein Leben lang schädigt. Das ist es, was den Strafrahmen zu bemessen hat – und Sie wollen vielleicht nach dem daraus lukrierten Gewinn Abstufungen treffen. (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ sowie den Grünen.)


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Das ist ja genau diese vertrackte Moral! Da wird es offensichtlich, daß Sie das Problem nicht verstanden haben.

Und ich habe gedacht, ich lese nicht richtig, als ich die nächste Maßnahme gesehen habe, die Sie hier vorschlagen. Sie sagen, wir brauchen die Sicherstellung einer unentgeltlichen Betreuung der psychischen Schäden von Unmündigen zur Gewährleistung einer fairen Berechnung des künftigen Verdienstentganges und zur Übernahme des Schmerzengeldanspruchs. – Dafür werden wir die psychische Betreuung nicht primär einrichten! Wenn sie eingerichtet wird, dann um diesen Menschen Hilfestellung zu gewähren, aber nicht dafür, um deren finanzielle Schadenersatzansprüche zu berechnen! (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ sowie den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Dann reden Sie einmal mit Opfern!)

Und es kommt ja noch etwas dazu: Da sitzt der Abgeordnete Meischberger, in erster Instanz verurteilt, da sitzt Herr Abgeordneter Haider, der Datenhehlerei noch und nöcher betreibt und in dieser Sache offenbar nicht resozialisierbar ist, und, und, und. (Abg. Dr. Krüger: Sie sind ein Jurist dritter Klasse!) Da gibt es viele Beispiele, Herr Abgeordneter Krüger! (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Und dann kommen Sie mit Ihrer verschwitzten Moralbeflissenheit und wollen uns hier weismachen, man hätte dieses Problem nicht erkannt, das wahrlich existiert und bezüglich dessen all jene Maßnahmen, die bisher ergriffen worden sind, seit dem Jahr 1994 von Ihnen abgelehnt worden sind und von Ihnen keine Zustimmung erfahren haben. (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ sowie den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Die Frau Dr. Schmidt klatscht noch!)

Frau Abgeordnete! Herr Abgeordneter Haider hat vom Herrn Bundeskanzler verlangt, er möge doch endlich klar seine Solidarität mit den Kindesmißbrauchsopfern bekunden. Ich verlange vom Herrn Abgeordneten Haider und vom Herrn Abgeordneten Stadler, daß sie endlich ihre Solidarität mit den Opfern von Groër bekunden. Das wäre auch einmal von diesem Rednerpult aus notwendig, nicht nur Presseaussendungen auszuschicken, in denen Sie schreiben, daß die Medien alle verrückt geworden sind (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ sowie den Grünen), daß die Medien diejenigen sind, die eine moralisch entfesselte Debatte führen. Das ist doch Ihre Doppelmoral, die Sie in diesen Dingen an den Tag legen!

Ich sage Ihnen noch etwas, meine Damen und Herren, zurückkehrend zu diesem angeblichen Anlaß der heutigen Dringlichen Anfrage, den Sie gewählt haben: Daß der Herr Mühl im Burgtheater aufgetreten ist, ist auch nach Ansicht der Liberalen eine Entscheidung des Direktors. Und wir hätten uns dagegen verwehrt, wenn der Herr Bundeskanzler einen Eingriff in den Spielplan gemacht hätte, wie es Ihr Europaabgeordneter Sichrovsky verlangt hat. Wir wollen weder mehr Wahrheit in den Redaktionen noch eine politisch bestimmte Kunst von innen! (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ sowie den Grünen.)

Sie werden mir nicht vorwerfen können, daß die Liberalen nicht wüßten, daß die Freiheit der Kunst als Grundrecht natürlich in einem vernetzten Zusammenhang mit allen anderen Grundrechten steht. Und wir lehnen es vehement ab, daß man unter dem Deckmantel der Freiheit der Kunst versucht, Verletzungen der Menschenwürde zu verharmlosen oder gar gutzuheißen. Das werden Sie nicht von uns hören. Sie werden es uns vielleicht unterstellen, aber ich sage das zur Klarstellung hier von diesem Pult aus.

Was den Mühl-Auftritt im Burgtheater angeht, der Sie dazu veranlaßt hat, diese Debatte zu führen, sage ich Ihnen: So, wie Sie sie führen, verstellt es die Sicht auf das eigentliche Problem. 80 Prozent aller Fälle des Kindesmißbrauchs, die bekannt werden, geschehen im Familienkreis. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Nicht einmal das stimmt, was du sagst! Nicht einmal die Zahlen stimmen!) Und da muß man, wie es auch schon von der Regierungsbank aus gesagt worden ist, Maßnahmen und Möglichkeiten finden, daß die Mauer des Schweigens, die noch immer davor steht, endlich durchbrochen werden kann, Frau Abgeordnete (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ) – das ist das Wesentliche –, und zwar ohne ein Spitzelwesen einzuführen, wie es Ihnen im Zusammenhang mit Rasterfahndung und Lauschangriff nicht schnell genug kommen konnte.


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Ich bin überzeugt davon, meine Damen und Herren, daß wir über Maßnahmen reden müssen, die mit der Entziehung der Obsorge zu tun haben, aber auch – und interessanterweise ist das keine Maßnahme, die Sie in Ihrer Dringlichen Anfrage vorschlagen – über eine Verlängerung der Verjährungszeiten solcher Taten. Denn es geht darum, daß Menschen erst älter werden müssen, damit sie das verarbeiten können, um dann vielleicht auch irgendwann damit herauszukommen, um es anzuklagen. Und einer Verlängerung der Verjährungsfristen, die mit ein Grund sind, daß etwa gegen Herrn Kardinal Groër nichts unternommen werden kann, reden Sie nicht das Wort.

Daher, meine Damen und Herren: Wenn es darum geht, das auch in Zukunft in diesem Hause zu diskutieren, dann sollten wir die Justizdebatten dafür zum Anlaß nehmen, denn das Problem ist nur über den Bereich des Justizrechtes zu lösen. Es ist insbesondere nur dann zu lösen, wenn man sich endlich einmal dazu versteht, daß man, was solche Menschen wie den Herrn Mühl oder andere Kinderschänder angeht, durch Wegsperren allein das Problem nicht lösen kann. (Abg. Dr. Graf: Eine Brandrede für den Mühl war das!) Und wenn Sie sich endlich dazu bequemen würden, das zu tun, dann hätten wir vielleicht eine Chance, Maßnahmen, wie sie in der Vergangenheit mit den Stimmen der anderen vier Fraktionen dieses Hauses gefaßt worden sind, Herr Abgeordneter, in Zukunft mit der FPÖ gemeinsam zu beschließen. Und wenn Sie es bleiben lassen, dann sage ich Ihnen: Mir fehlen Sie nicht! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ sowie des Abg. Wabl. )

16.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Stadler gemeldet. Ich bitte, den zu berichtigenden Sachverhalt und sodann den tatsächlichen anzuführen. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

16.27

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Hohes Haus! Abgeordneter Barmüller hat in seinem inkompetenten Debattenbeitrag behauptet, wir hätten kein Verlangen auf Erhöhung der Strafdrohungen für Kindesmißbrauch und Kinderpornographie gestellt. – Das ist unrichtig.

Erstens haben wir im vorliegenden Antrag in den Punkten 7 und 8 – Herr Barmüller, vielleicht wollen Sie mitlesen, ich helfe Ihnen dabei – verlangt:

"7. Strafdrohung von lebenslanger Freiheitsstrafe für schwere Straftaten im Bereich des Kindesmißbrauchs und der Kinderpornographie;

8. Einführung erhöhter Strafdrohungen für alle Sittlichkeitsdelikte, wenn sie aus wirtschaftlichen Gründen wie etwa zur Herstellung von Kinderpornographie begangen werden;"

Weiters haben wir im Bundesrat im Rahmen eines von uns eingebrachten Entschließungsantrages die gleichen Forderungen eingebracht und mit den Stimmen der anderen Fraktionen bereits beschlossen.

Ferner hat der Abgeordnete Barmüller behauptet, ich hätte den Kindesmißbrauch von Klerikern in Schutz genommen. Das ist unrichtig. Wer immer Kinder mißbraucht, darf nicht mit der Gnade des Gesetzes rechnen dürfen – egal, ob er Kleriker oder Laie ist! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag.  Barmüller – ein Blatt Papier hochhaltend –: Ihre Presseaussendung: übel! – Abg. Mag. Stadler – das Rednerpult verlassend –: Der Herr Bonaventura bei Ihnen ist kein Minderjähriger, auch wenn er so ausschaut!)

16.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.28

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Ich habe zunächst überlegt, ob ich mich im Rahmen der


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Debatte zu dieser Dringlichen Anfrage zu Wort melden soll, denn das Ziel dieser Dringlichen Anfrage ist ja offenkundig. Es soll versucht werden, auf dem Rücken der Opfer von Verbrechen, auf dem Rücken vieler Geschädigter eine Eskalation herbeizuführen und hier künstlich einen Gegensatz herauszuarbeiten, der so nicht existiert. (Abg. Ing. Reichhold: Sie haben der Rede von Dr. Haider nicht zugehört!) Denn es gibt niemanden in diesem Hohen Haus und es gibt niemanden im Rahmen der Bundesregierung (Abg. Ing. Reichhold: Waren Sie im Plenum, als Dr. Haider gesprochen hat?), der oder die Kinderschändung, Verbrechen in irgendeiner Form gutheißen oder gar begünstigen würde. Und ich halte es für eine bodenlose Impertinenz, irgend einem Mitglied der Bundesregierung, geschweige denn dem Bundeskanzler eine derartige Haltung zu unterstellen! (Beifall bei den Grünen, bei der SPÖ, beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Über die Person von Otto Mühl ist hier schon vieles gesagt worden. Sein vielleicht einmal ursprünglich bestehendes Anliegen, neue Gesellschaftsformen nicht nur zu diskutieren ... (Abg. Mag. Stadler: Herr Bundeskanzler, die Rede vom Cap war peinlich! So eine Rede dürfte es in meiner Fraktion, bei der Gesinnung, die Sie behaupten, gar nicht geben!) Sehr interessant, daß es bei Ihnen irgendwelche Reden nicht geben dürfte, aber auf diese Gesinnung in Ihrer Fraktion komme ich auch noch zu sprechen, Herr Abgeordneter Stadler! (Abg. Mag. Stadler: Ihm sind Kinder egal!)

Das ursprüngliche Anliegen Mühls, neue Gesellschaftsformen zu erproben, ist in ein Verbrechen ausgeartet. Es ist nicht nur die Ausnützung von Autoritätsverhältnissen, es ist nicht nur der Mißbrauch von Unmündigen, sondern das Ganze hat einen sehr stark sektenartigen Charakter angenommen: eine Sekte mit faschistoiden Zügen, in der sich eine Führerpersönlichkeit über alles, über seine als solche gesehenen Untertanen gestellt hat. (Abg. Dr. Haider: Der hat ja gar nicht gemerkt, wie entsetzt sein Bundeskanzler war!)

Mein Vorredner hat schon gesagt, daß hier die Strafe offenbar nicht läuternd gewirkt hat. Ich denke, es gilt, eine seriöse Debatte zu führen im Justizausschuß mit dem Justizminister über den Sinn von Strafe in diesem Bereich oder andererseits, was ich eher meine, die verstärkte Notwendigkeit von Maßnahmen. Ich denke, nichts hat diesen Widerspruch in der Haltung der Freiheitlichen Partei deutlicher gemacht als der Verweis auf Großbritannien, als der Verweis auf die Betreuung, die Begleitung von Straftätern im Sinne potentieller Opfer. Denn wenn man mit der lapidaren Forderung antritt: Lebenslang muß lebenslang bleiben!, dann braucht man derartige Dinge, wie sie in England diskutiert und eingeführt werden, überhaupt nicht zu erörtern. Das widerspricht sich! – Soviel zur Person. (Abg. Dr. Haider: Du kennst dich ja nicht aus, Mädchen!)

Zur mangelnden Sensibilität der Zuständigen im Burgtheater und im MAK wurde auch schon vieles gesagt. Ich halte es für notwendig, da einen Unterschied herauszuarbeiten. (Abg. Dr. Haider: Das Publikum hat das Parlament schon verlassen, seit sie redet!) Mir erscheint die mangelnde Sensibilität im Bereich des Burgtheaters noch erheblich größer, denn immerhin ist im Bereich der bildenden Kunst auch auf Expertenebene, in der Fachwelt durchaus eine Debatte über das Werk von Otto Mühl, wie immer seine Persönlichkeit eingestuft wird, im Gange. Er ist hingegen nicht als Schriftsteller, als Literat, als Dramatiker ausgewiesen. Insofern denke ich, daß die Klage über die mangelnde Sensibilität beim Verhalten des Burgtheaters sicher eher angebracht ist.

Noch einmal gesagt: Zu unterstellen, sowohl diesen Einrichtungen und noch viel mehr den Mitgliedern der Bundesregierung, dies sei eine Begünstigung von Straftaten, ist eine bodenlose Impertinenz! (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum sowie des Abg. Dr. Kostelka. )

Noch eines zu dem Satz, der zu Beginn der Debatte gefallen ist und der hier aus den Reihen immer wieder als Zwischenruf kam: Wer schweigt, scheint zuzustimmen. – Ich frage Sie, Herr Dr. Krüger: Was haben denn Sie im Ausschuß, als wir mit Frau Bundesministerin Gehrer über diesen Gegenstand diskutiert haben, dazu gesagt? (Abg. Dr. Krüger: Da geht es um bildende Kunst!) Ich kann mich nicht erinnern, daß Sie dort irgend etwas gesagt haben. Ich kann mich auch nicht erinnern, daß Sie irgend etwas zur Person Mühl in Abgrenzung zu dieser Tat gesagt


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haben – im Gegensatz zur Frau Bundesministerin, die sehr klare, sehr eindeutige Worte gefunden hat, mit denen ich in dieser Debatte auch völlig konform gegangen bin.

Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen zu Beginn gesagt: Ihr Ziel dieser Anfrage war klar. Die Rechnung ist jedoch nicht aufgegangen. Sie konnten diese Polarisierung auf dem Rücken der Opfer nicht erreichen.

Es ist auch schon viel gesagt worden zur Doppelbödigkeit Ihrer Vorgangsweise in Sachen Kinderschändung. Ich frage Sie noch einmal, Herr Abgeordneter Stadler, in Anbetracht dessen, daß bereits Stimmen von seiten der Kirche laut werden und etwa Bischof Weber und Kardinal Schönborn ganz klar und eindeutig Stellung beziehen und nichts mehr beschönigen, mit welch unterschiedlichem Maß Sie messen, wenn Sie eigentlich der letzte sind, der aufklärungsbedürftige Vorgänge beschönigt und hier nicht einer lückenlosen Aufklärung das Wort redet! (Beifall bei den Grünen, der SPÖ und beim Liberalen Forum. – Abg. Mag. Stadler: Erstatten Sie Strafanzeige, wenn Sie mehr wissen! Haben Sie Faktenwissen? Wenn Sie Faktenwissen haben, erstatten Sie Strafanzeige!)

Herr Abgeordneter Stadler! Wir reden hier über politische Umstände. Sie haben dem Bundeskanzler in Ihrer impertinenten Art sogar eine Begünstigung vorgeworfen. Ich werfe Ihnen vor, daß Sie mit verschiedenerlei Maß messen und daß Sie hier politisch nicht korrekt vorgehen. Das ist etwas sehr anderes.

Aber ich komme noch auf einen weiteren Punkt, der mir persönlich wichtig ist. In den Medien ist dazu viel geschrieben worden. Die maßgeblichen Kommentare sind eindeutig. Mir scheint einer, nämlich jener von Marlene Streeruwitz, besonders bedeutsam und beachtlich, daß hier nämlich einerseits eine Umfunktionierung des Wiener Aktionismus, auch eine Verkürzung in der Debatte stattgefunden hat und daß Sie an dieser Verkürzung interessiert sind. Und ohne daß ich hier den Vorwurf irgendeines deliktischen Verhaltens oder auch nur einer Begünstigung erhebe, bitte ich Sie doch, nachzudenken über die Wurzeln von all dem. Denn ich denke, der Aktionismus oder das, was hier als Aktionismus herüberkam, ist ein verkürztes Konzept von Männlichkeit, eine verkürzte Konzeption, die zu Verwischungen führt.

Das im Ausschuß verteilte Buch über Otto Mühl, in dem er selbst zu Wort kommt, in dem er selbst schreibt, hat schon einige verräterische Parallelen in der Sprache – der Sprache eines autoritär denkenden Menschen –, wenn er redet vom "Staatskadaver, in dessen Nischen sich Beamte wie Schimmelpilze einnisten", vom "Staatsgesindel", von einer "unermeßlichen Herde von Parasiten, die schmarotzt in den Nischen des Staatskadavers" – er nennt hier Schauspieler, Sänger, Tänzer, Musiker, Literaten, Maler –, wenn Otto Mühl redet von "widerlichen Kreaturen", die seiner Hoffnung nach der "evolutionären Entlausung des Erdballs" zum Opfer fallen werden. Er spricht von den "Staatskünstlern, die quasikreativ" sind. (Abg. Öllinger: Das kommt uns bekannt vor, diese Sprache!)

Wenn er vom Staat als einem "senil und impotent gewordenen demokratischen Mistkäfer" spricht, dann denke ich mir, ich habe schon ganz ähnliches gehört und gelesen, und zwar aus dem Mund von Dr. Haider: dieselben Worte, dieselben Thesen vom eisernen Besen, mit dem der Staat ausgemistet gehöre, von den Parasiten, die jahrelang keine Leistung erbringen im Kunst- und Kulturbetrieb. (Abg. Haigermoser: Nicht einmal ignorieren!) Oder Jörg Haider: Nicht die braune Brut ist die Gefahr, sondern das rote Gesindel. – Es sind dieselben Worte, es ist dieselbe Diktion, die sich selber für unfehlbar hält und die anderen mit gnadenlosen Beflegelungen entwertet. Oder wenn Sie reden von den roten und schwarzen Filzläusen, die mit Blausäure bekämpft gehören ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): Hier Mühl – da Haider. Es ist eine autoritäre Sprache, die einem Denken entstammt, das antifeministisch ist, das auch antidemokratisch ist. Ich möchte daher lieber mit den Mitgliedern dieser Bundesregierung über einen besseren Schutz für die Opfer aller Verbrechen, insbesondere für die Opfer von Kinderschän


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dung, reden als mit Ihnen! (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Justizminister. – Bitte.

16.39

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Bundesminister für Justiz möchte ich mit aller gebotenen Deutlichkeit darauf hinweisen, daß das Justizressort zu den heute angesprochenen Fragen seit Jahren einen konsequenten rechtspolitischen Weg zur Verbesserung unserer Rechtsordnung gegangen ist. Die Mär einäugiger, täterfreundlicher Maßnahmen meines Ressorts habe ich schon anläßlich der Dringlichen Anfrage im Bundesrat vor zwei Wochen deutlich widerlegt.

Von der hier mündlich vorgebrachten neuerlichen Forderung, daß zumindest in gewissen Fällen Lebenslang von vornherein Lebenslang bleiben muß – einer Forderung, die ich schon in früherem Zusammenhang entschieden und aus guten Gründen zurückgewiesen habe –, ist offenbar auch der Anfragebegründer längst abgerückt, wie sich aus den Ausführungen auf Seite 2 ergibt. Ich nehme an, daß dies auch aus guten Gründen geschehen ist.

Meine Damen und Herren! Unser Sexualstrafrecht ist in einem ersten Schritt schon 1989 teilweise erneuert worden. Weitere Schritte sind 1994 und 1996 im Bereich der Kinderpornographie gesetzt worden, zuletzt mit der schon vom Herrn Bundeskanzler angesprochenen deutlichen Verschärfung der Strafdrohungen. In letzter Zeit sind in der von mir einberufenen Arbeitsgruppe Sexualstrafrecht – zu deren Sitzungen Beobachter zu entsenden, sind alle Fraktionen dieses Hauses eingeladen worden, und zunächst haben auch alle Parteien hievon Gebrauch gemacht – Vorschläge erarbeitet worden, insbesondere zur opferbezogenen Neufestlegung der Strafrelationen im Bereich der sexuellen Handlungen mit Kindern, damit alle beischlafsähnlichen Handlungen künftig unter die strengeren Strafdrohungen von bis zu zehn Jahren – bei schweren Folgen bis zu 20 Jahren – fallen, sowie zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist auch über die Großjährigkeit hinaus, etwa in dem Sinne, daß Verjährungen frühestens drei bis fünf Jahre nach Erreichung der Großjährigkeit eintreten sollen.

Darüber hinaus liegen bereits Vorschläge vor, um die in Österreich als einem der ersten europäischen Staaten schon 1993 eingeführte kontradiktorische, schonende Vernehmung insbesondere von Kindern als Verbrechensopfer weiter auszubauen, insbesondere auch obligatorisch für vergewaltigte Frauen.

Der so vorbereitete nächste legislative Schritt wird in den kommenden Wochen einem allgemeinen Begutachtungsverfahren unterzogen werden und noch vor dem Sommer beschlußreif dem Nationalrat vorliegen.

Desgleichen ist das Bundesministerium für Justiz schon seit Jahren bemüht, der in der internationalen Diskussion so bezeichneten "Wiederentdeckung des Opfers" im Straf- und Strafverfahrensrecht Rechnung zu tragen. Eine wichtige Etappe war das Strafprozeßänderungsgesetz 1993 mit dem strafprozessualen Zeugenschutzprogramm und der erwähnten schonenden Vernehmung von Unmündigen und anderen Opfern als Zeugen. So sehe ich auch den stufenweisen Ausbau des außergerichtlichen Tatausgleiches, durch den in mittlerweile schon 32 000 Fällen den Bedürfnissen der Opfer nach Genugtuung und Wiedergutmachung rasch und unbürokratisch entsprochen werden konnte, zwar als eine Maßnahme im Interesse der Opfer; er kommt aber – das möchte ich ganz deutlich sagen – auch in Zukunft für die heute diskutierten Straftatbestände – vor allem jenen des Kindesmißbrauches – nicht in Frage, weil die hiefür erforderlichen Voraussetzungen – keine schwere Schuld sowie keine besonderen spezial- und generalpräventiven Bedenken – alle nicht gegeben sind.

Es scheint mir allerdings erwähnenswert zu sein, daß bei der Entwicklung eines umfassenden Diversionskonzeptes – dadurch können Straftaten geringeren Gewichts unter besonderer Bedachtnahme auf die Interessen und Wiedergutmachungsansprüche der Opfer rasch sanktioniert werden – vorgesehen ist, daß die Einnahmen aus den von den Tatverdächtigen zu


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bezahlenden Geldbußen wesentlich zur Unterstützung von Opferhilfe- und Opferberatungseinrichtungen – vorrangig im Bereiche der Aggressions- und Sexualdelikte gegen Kinder – verwendet werden sollen.

Meine Damen und Herren! Schließlich soll die Rechtsstellung jener Verbrechensopfer, deren höchstpersönliche Rechtsgüter – also insbesondere auch die sexuelle Integrität – durch Straftaten ernstlich verletzt oder schwer gefährdet wurden, im Zuge der bevorstehenden Neugestaltung des strafprozessualen Vorverfahrens verstärkt und insbesondere von der Geltendmachung eines materiellen Schadens losgelöst werden.

Schon vor Verwirklichung dieses Reformvorhabens erscheint es allerdings dringlich, Opfer von Straftaten – gerade auch im Bereiche des Sexualstrafrechtes – umfassender als bisher über die ihnen schon heute zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auf strafverfahrens-, aber durchaus auch auf zivilverfahrens- und sozialrechtlicher Ebene zu belehren. Eine diesbezügliche von meinem Ressort verfaßte Broschüre ist in Fertigstellung. Danach werden Opfer besser in die Lage versetzt sein, bestehende Informations- und Gestaltungsrechte sowie Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Schließlich wurde mit dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag die Einrichtung einer ersten anwaltlichen Beratung für Verbrechensopfer bei den Bezirksgerichten vereinbart. Als Akuthilfe soll weiters eine österreichweit erreichbare Hotline für Mißbrauchsopfer eingerichtet werden. Durch die Möglichkeit, auch anonym kompetente Beratung in Anspruch zu nehmen, soll sexuell mißbrauchten jungen Menschen die Schwellenangst davor genommen werden, sich vertrauensvoll an Menschen zu wenden, die ihnen helfen können. (Abg. Mag. Stadler: Wie soll denn das ein dreijähriges Kind tun, Herr Minister? Dreijährige melden sich nicht!)

Nein, aber es gibt auch vergewaltigte Frauen, und es gibt Eltern vergewaltigter Kinder, also gibt es durchaus ... (Abg. Mag. Stadler: Das sind ja meistens die Täter, wenn es in der Familie geschieht!) Selbstverständlich ist es noch besser, die professionellen amtlichen Stellen in Anspruch zu nehmen. Es ist notwendig, diese auch künftig ohne Anzeigeverpflichtung in Anspruch nehmen zu können. (Abg. Mag. Stadler: Weil die Behörden nichts tun! – Abg. Dr. Haider: Da heißt es, die Jugendämter einmal auf Vordermann zu bringen!)

Das Justizressort war und ist in all den heute angesprochenen Bereichen in keiner Weise untätig geblieben, sondern hat frühzeitig auf neue gesellschaftliche Bedürfnisse und Notwendigkeiten, aber auch Erwartungen reagiert. Dabei wurden auch international sehr beachtete innovatorische Lösungen erarbeitet, die von anderen Staaten durchaus zum Vorbild genommen worden sind.

Diese Arbeit zur schrittweisen Verbesserung der Rechtsordnung wird gerade im heurigen Jahr intensiv fortgesetzt. Dabei warten wir nicht auf spektakuläre Anlaßfälle, um dann – quasi über öffentlichen Zuruf – unüberlegte Schnellschüsse vorzuschlagen, meine Damen und Herren! Nein, auf dem so sensiblen Gebiet des Strafrechts bedarf es – wie in kaum einem anderen Bereich der Rechtspolitik – vielmehr der vorausschauenden und begleitenden, zum Teil multidisziplinären Fachdiskussion, ist doch die Angemessenheit und Ausgewogenheit gesetzgeberischer Lösungen insbesondere im Strafrecht oft ein Ergebnis des Abwägens und des Bedenkens nach einem möglichst pluralistisch angelegten Meinungsbildungsprozeß, den man nicht ungestraft überspringen oder abkürzen kann.

Gerade dieser multidisziplinäre Ansatz ist im gegenständlichen Zusammenhang wichtig. In diesem Sinne, Herr Abgeordneter Dr. Krüger, habe ich gesagt, daß Strafen allein zuwenig ist, ist doch zunächst einmal die Aufhellung der Tabuzone des sexuellen Mißbrauches ... (Abg. Dr. Haider: Es hat ja niemand behauptet, daß man nur strafen soll!) Es wurde aber kritisiert, daß ich gesagt habe, daß Strafen allein zuwenig ist. Mir scheint gerade das Aufhellen der Tabuzone des sexuellen Mißbrauches der Kinder in den Familien, in ihrem sozialen Nahraum und in den Autoritätsverhältnissen jeder Art wichtig zu sein. (Abg. Dr. Haider: Ich habe Ihnen ja gezeigt, wie die Jugendämter und die Psychologen arbeiten!)

Die Mauer des Schweigens, Herr Klubobmann, und des Wegschauens – um das geht es ja im wesentlichen (Abg. Dr. Haider: Dafür muß eine Anzeigeverpflichtung da sein!)  –, die immer


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noch Tausende mißbrauchte Kinder umgibt und in ihrer seelischen Not allein läßt, muß eingerissen werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Sie sind gegen die Anzeigeverpflichtung! Dann wird es niemand machen!)

Gerade die steigende Zahl der Anzeigen in den letzten beiden Jahren bei Sexualdelikten gegen Kinder signalisieren einen ersten deutlichen Erfolg dieser vielfältigen Bemühungen um eine fortschreitende Zurückdrängung des Tabus. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Eine Anzeigeverpflichtung gehört wieder her, Herr Minister!) Ich bin nämlich überzeugt davon, daß nicht die Mißbrauchsfälle an sich immer zahlreicher werden, sondern daß die Spitze des Eisberges aus dem Dunkel mehr ins Sichtbare rückt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Es gibt mehr Mißbrauchsfälle!)

Es geht – so sehe ich es – um eine wichtige Aufgabe der ganzen Gesellschaft, um ein Netzwerk des Hinhörens und des Hinschauens. Nur dann haben wir eine Chance zum Eingreifen und zur Abhilfe, eine Chance zur Aufhellung des Dunkelfeldes, das immer noch zahlreiche Kinder in Not umgibt. Wenn es dann zu strafrechtlichen Ermittlungen kommt, entscheidet nämlich nicht die Anzeige als solche, sondern die heikle Beweisbarkeit von Tatsachen über Erfolg und Mißerfolg behördlichen Einschreitens.

Alle Fachleute und alle einschlägigen Berufsgruppen sind sich einig, daß es auf diesem Weg der Sensibilisierung und Ermutigung, auf diesem Weg der Schaffung eines Netzwerks der Verantwortung gegen Gewalt und sexuelle Übergriffe kein Zurück gibt, vor allem kein Zurück zur undifferenzierten Anzeigepflicht, die ein Abschieben der Verantwortung so leicht gemacht hat und das große Dunkelfeld nicht aufhellt. Gerade die Einschränkung der Anzeigepflicht öffentlicher Stellen mit Vertrauenscharakter hat dazu beigetragen, Hemmschwellen gegenüber der Inanspruchnahme von Beratung und Hilfe abzubauen.

Meine Damen und Herren! Die Verhinderung und Bekämpfung von Sexualdelikten an Kindern und Jugendlichen verlangt ein deutliches Signal der gesellschaftlichen und strafrechtlichen Ächtung sowie größtmögliche Rücksichtnahme auf die Interessen der Opfer. Noch mehr aber braucht sie ein umfassendes Klima der Aufklärung, der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit und Sensibilität gegenüber den Bedürfnissen und den stillen Hilferufen unserer Kinder, ein Klima des professionellen und sachkundigen Umgangs mit Verdachtsfällen sowie eine optimale Zusammenarbeit und Vernetzung aller Beteiligten.

Wir dürfen Kinder in dieser Situation, in einer für sie großen Notsituation nicht allein lassen. Wir müssen die Umgebung dieser Kinder – allen voran die Mütter und die möglichen Kontaktpersonen, auch aus Sozialberufen – zur Achtsamkeit ermutigen und unterstützen. Nur dann wird das Eingreifen der Strafverfolgungsorgane auch zum richtigen Zeitpunkt stattfinden und eine Chance auf Erfolg haben. Je häufiger das der Fall ist, desto eher vermögen Strafdrohungen auch ihre Präventivwirkung gegenüber potentiellen Straftätern zu entfalten. Daher ist die Aufhellung des Dunkelfeldes ungleich wichtiger als die Höhe der Strafdrohung, um jenen zu helfen, die Opfer geworden sind, aber auch, um neue Opfer zu vermeiden. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie beim Liberalen Forum.)

16.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Bundesminister Karl Schlögl vor. – Bitte.

16.53

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Ich möchte zu den Taten des Herrn Mühl nichts weiter sagen, weil ich meine, daß der Herr Bundeskanzler heute in seiner Rede dazu ganz klare Worte gefunden hat und sich deutlich von diesen schrecklichen und furchtbaren Taten distanziert hat.

Ich glaube auch, daß es ein schwerer Fehler gewesen ist, daß man dem Herrn Mühl diesen Auftritt im Burgtheater ermöglicht hat (allgemeiner Beifall – Abg. Dr. Krüger: Spät, aber doch! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das hätten Sie früher sagen müssen!), weil das einfach ein falsches Signal gewesen ist. Aber selbst von der Freiheitlichen Partei ist hier klar gesagt worden, daß


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dafür der Herr Bundeskanzler in keiner Weise zur Verantwortung gezogen werden kann. Ich glaube, daß man nicht mehr tun kann, als der Herr Bundeskanzler bereits getan hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Parteivorsitzender der Freiheitlichen Partei! Da es heute hier um die Sache geht – und die Sache ist, daß wir alles gegen Gewalt an Kindern und gegen sexuellen Mißbrauch von Kindern tun –, erwarte ich von Ihnen genauso eine klare Distanzierung von jenem Abgeordneten der Freiheitlichen Partei, der heute in der Debatte den Herrn Bundeskanzler als Sympathisanten von Kinderschändern bezeichnet hat. (Beifall bei SPÖ und ÖVP, dem Liberalen Forum und den Grünen.) Ich halte diese Vorgangsweise des Abgeordneten Holger Bauer für unerklärlich, und ich meine, daß hier eine klare Distanz im Sinne der Sache dringend notwendig ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP, dem Liberalen Forum und den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Was wird sonst noch alles untergejubelt?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich halte es für wirklich notwendig, daß wir gemeinsame Anstrengungen unternehmen, weil die Zahl des sexuellen Mißbrauchs von Kindern in den letzten Jahren erschreckend angestiegen ist. Hatten wir 1992 noch 496 Anzeigen – ich sage bewußt "Anzeigen" –, so ist diese Zahl im Jahre 1996 auf 738 gestiegen, und im Jahre 1997 werden es fast 800 sein. Das ist die Zahl der Anzeigen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Dunkelziffer schätzen Experten in Österreich und in Deutschland viel höher ein, sie beträgt wahrscheinlich das Zwanzigfache der Anzeigen, die pro Jahr bei Gericht einlangen. Das heißt, wir können damit rechnen, daß mehr als 10 000 Kinder und Jugendliche pro Jahr in Österreich Opfer von sexueller Gewalt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! 94 Prozent der Täter befinden sich im unmittelbaren Verwandten-, Bekannten- und Familienkreis, und 90 Prozent der Täter sind Männer. Jedem von uns muß klar sein, daß die Familie in sehr vielen Fällen ein Ort des Besinnens, des Zurückziehens, der Erholung und der Idylle ist, daß sie aber allzuoft auch ein Ort schrecklicher Taten sein kann. Wir alle gemeinsam haben die Aufgabe, dieser Spirale der Gewalt, die allzuoft in der Familie auftritt, entgegenzutreten, wir sind dabei aber allzuoft mit einem Tabu konfrontiert, das wir in der Vergangenheit nicht durchbrechen konnten. Das ist unsere eigentliche Verantwortung und Herausforderung: alles zu tun, um dieses Schweigen zu durchbrechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist auch dringend notwendig, weil die Auswirkungen des sexuellen Mißbrauchs von Kindern und Jugendlichen schrecklich sind und ihrerseits schreckliche Folgen haben. Dazu möchte ich nur darauf hinweisen, daß uns Untersuchungen vorliegen, aus denen hervorgeht, daß in Österreich an die 70 Prozent aller weiblichen Prostituierten in ihrer Kindheit und Jugend Opfer von sexuellem Mißbrauch waren und daß an die 80 Prozent aller drogenabhängigen Mädchen in Österreich – 80 Prozent! – Opfer von sexuellem Mißbrauch in Kindheit und Jugend waren. Allein diese Untersuchungen und Zahlen zeigen, welche Folgewirkungen das hat. Dabei gehe ich noch gar nicht auf die psychischen und anderen Schädigungen ein, die allzuoft auch zu Selbstmord oder anderen Taten führen.

Deshalb müssen wir alles Nötige tun. Ich kann Ihnen versichern, daß ich in dem Bereich, für den ich verantwortlich und zuständig bin, soweit wie möglich die entsprechenden Maßnahmen ergreife.

Ich glaube, daß es im wesentlichen vier große Herausforderungen für uns gibt. Herausforderung Nummer eins ist, mit ganzer Kraft und mit allem, was uns zur Verfügung steht, gegen die Täter vorzugehen und auch die entsprechenden Sanktionen durchzuführen. Ich glaube, das ist dringend notwendig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber um auch dazu ein klares Wort zu sprechen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Ich denke, daß wir ein ausreichend hohes Strafausmaß bei sexuellem Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen haben. (Abg. Dr. Krüger: Sechs Monate bis fünf Jahre bei Unzucht mit Minderjährigen!) Aber die Verurteilung sieht dann allzuoft ganz anders aus. (Abg. Dr. Krüger: Sechs Monate bis fünf Jahre!) Da der Abgeordnete Stadler in seinen Zwischenrufen heute ein paarmal die "Causa Melvin" erwähnt hat, möchte ich sagen: Dazu liegt ein aktuelles Gerichtsurteil zweiter


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Instanz vor, demgemäß als Strafe für den Tod dieses zweieinhalbjährigen Buben vorgesehen ist, daß der eigentliche Täter fünf Jahre und die Mutter drei Jahre bekommt – dafür, daß ein Kind mit zweieinhalb Jahren unter schrecklichen Umständen zu Tode gekommen ist und viele Stunden ohne ärztliche Betreuung hat leiden müssen. Das ist das eigentliche Problem. (Abg. Mag. Stadler: Dann ist er drei Jahre drinnen!)

Mein ganzer Respekt gilt dem Staatsanwalt, der in erster Instanz gegen dieses Urteil angekämpft hat. (Abg. Dr. Haider: Das ist ein schwacher Trost!) Und ich bin sehr enttäuscht darüber, daß das Oberlandesgericht Wien leider dieses milde Urteil gefällt hat. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist doch Feigheit, Herr Minister!) Das ist das Entscheidende, und das hat nicht die Politik zu verantworten. Dafür sind andere verantwortlich zu machen! (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es bedarf aber auch der Selbstcourage. Herr Abgeordneter Haider hat hier einen Fall geschildert – ich weiß nicht, ob wir vom selben Fall reden, aber ich nehme es an –, und im gegenständlichen Fall wurde der Mann von der Gendarmerie einvernommen. Bei dieser Einvernahme wurde von ihm aber – soweit mir das berichtet wurde – mehrmals beteuert, daß er niemals sexuell mißbraucht worden sei. Und da sind wir dann an den Grenzen der österreichischen Exekutive. Was soll die Exekutive machen, wenn eine klare Aussage vorliegt, in der es heißt, daß kein Straftatbestand vorliegt?

Ich bitte daher um Verständnis, wenn die österreichische Exekutive gewisse Dinge nicht weiterverfolgen kann, weil es klare Aussagen gibt. (Abg. Mag. Stadler: Zwei verschiedene Fälle wahrscheinlich!) – Vielleicht sind es zwei verschiedene Fälle, ich glaube aber nicht, daß es sich um zwei verschiedene Fälle handelt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Genauso wichtig wie die wirkungsvolle Verfolgung von Tätern ist aber, daß für die Prävention etwas gemacht wird. Ich halte die Prävention für unbedingt notwendig und für sehr wichtig.

Die österreichische Exekutive hat im vergangenen Jahr mehr als 300 Veranstaltungen durchgeführt, bei denen 120 000 Volksschülerinnen und Volksschüler über sexuelle Gewalt informiert wurden, in spielerischer Form, mittels Musikstücken, es wurde Bewußtseinsbildung betrieben. Vor allem unsere City Cops und andere Kriminalbeamte haben versucht, den Kindern und Jugendlichen mehr Selbstbewußtsein zu geben und ihnen klarzumachen, daß das Neinsagen sehr, sehr wichtig und notwendig ist. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Ich darf Ihnen versichern, daß wir als österreichische Exekutive diese präventive Arbeit in unseren Schulen und in den Kindergärten auch in Zukunft mit aller Kraft fortsetzen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Genauso gilt unsere volle Unterstützung den Interventionsstellen in Österreich. Ich meine, daß es ganz wichtig ist, daß diese Interventionsstellen flächendeckend in ganz Österreich zur Verfügung stehen sollten, damit man sich überall an sie wenden kann, um erste Hilfe zu bekommen, bei denen man aber auch Opferbetreuung durchführt. Sie sollten daher noch mehr ausgebaut werden, als das bisher der Fall ist. Es gibt bereits sechs Interventionsstellen, und das österreichische Innenministerium wird diese Initiative der Frauenministerin auch in Zukunft mit aller Kraft – sowohl organisatorisch als auch ideell und finanziell – unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zusammengefaßt heißt das: Es ist sehr wichtig, daß wir und auch das Parlament in diesem Bereich entsprechende Maßnahmen setzen.

Ein Beispiel nur: Es ist für die österreichische Exekutive außerordentlich wichtig, daß wir das Gewaltschutzgesetz, das im vergangenen Jahr beschlossen wurde und seit 1. Mai 1997 in Kraft ist, haben. Im Jahr 1997 haben wir in den acht Monaten, in denen es in Kraft war, 1 365 Wegweisungen in Österreich durchgeführt. Das bedeutet: pro Tag zwischen fünf und sechs Wegweisungen durch die österreichische Exekutive, Wegweisungen, bei denen es den Tätern für mindestens 14 Tage verboten wurde, das gemeinsame Wohnhaus, die gemeinsame Wohnung zu betreten.


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Ich glaube, daß durch dieses Gewaltschutzgesetz und seine effektive Vollziehung durch die österreichische Gendarmerie und Polizei sehr viel Unglück verhindert werden konnte. Weitere Maßnahmen müssen folgen.

Ich erachte beispielsweise eine Zentralkartei, in der Kinderschänder geführt werden, für wichtig und sinnvoll und billige zu, daß wir in dieser Richtung vorgehen sollten, vor allem auch deswegen, weil entsprechend ausgebildete Psychologen und Psychiater sagen, daß gerade bei Kinderschändern die Gefahr des Rückfalls sehr groß ist und daß man da neben der notwendigen Täterarbeit auch die entsprechenden legistischen Maßnahmen setzen muß. (Abg. Mag. Stadler: Wo ist der Cap, damit er das auch hört? Der Cap war dagegen!) Ich bin gerne bereit, so vorzugehen. (Beifall des Abg. Mag. Kukacka. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß das eine gemeinsame Aufgabe für uns alle ist. Gemeinsam müssen wir ein großes Netzwerk bilden, das Schulen, politische Parteien, Medien, nichtstaatliche Organisationen, Kirchen und viele andere Institutionen umfaßt, um in Österreich gemeinsam die Mauer der Gewalt und die Mauer des Schweigens in der Familie für die Kinder und Jugendlichen zu durchbrechen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.05

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Dame und meine Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundesminister Schlögl, meinen Respekt dafür, daß Sie sich mit klaren Worten von dem, was zuletzt auf der Bühne des Burgtheaters, was über die staatlichen Medien in Sachen Otto Mühl gelaufen ist, distanziert haben, im Gegensatz zum Bundeskanzler, der die politische Verantwortung dafür zu tragen hat. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Marizzi. ) Der Herr Bundeskanzler hat sich von dem, was im Burgtheater gelaufen ist, bis dato mit keinem einzigen Wort distanziert! Das können Sie im Protokoll nachlesen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Marizzi und Brix. )

Aber nun zu den Ausführungen des Kollegen Cap, der schon ganz bewußt das Weite gesucht hat. Er hat hier versucht, mit dem Vorlesen aus einer Zeitung Nebelwände erstehen zu lassen, und mit gespielter Entrüstung sogar gefragt: Was haben denn wir Sozialisten mit diesem Otto Mühl zu tun? Was haben wir mit diesem Burgtheaterchef Peymann zu tun? – Ich werde seinem Gedächtnis etwas auf die Sprünge helfen.

Kollege Marizzi! Kollegin Krammer! Wer war es denn, der dieser Friedrichshof-Kommune 43 Millionen Schilling an Wohnbauförderungsbeihilfe zur Verfügung gestellt hat? – Es waren doch Ihre sozialistischen Genossen im Burgenland, die erst das Geld dafür gegeben haben, daß dieser Friedrichshof, in dem dann dieses "tolle" Projekt gestartet wurde, gebaut werden konnte. Bis vor kurzem war es noch so "toll", daß der Landesschulrat des Burgenlandes ausgezogen ist, um die dortigen Unterrichtsmethoden zu studieren, weil sie so "futuristisch" waren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es waren die Genossen Kery, Vogl und wie sie alle geheißen haben im Burgenland. Mit Hilfe der ÖVP wurden diese 43 Millionen Wohnbauförderung beschlossen. Kollege Morak, das sollte man Ihnen auch einmal sagen!

Und waren es nicht Hunderttausende Schilling an Kunstförderung, die man dem Mühl zur Verfügung gestellt hat? Er hat gesprochen von "diesem Geld, das so leicht zu bekommen war aus diesen weit offenen Töpfen, in die wir mit beiden Händen hineingreifen konnten". – Zitat Mühl. Wer hat ihm dieses Geld aus der Kunstförderung zur Verfügung gestellt? Waren es nicht immer sozialistische Minister, die dafür die Verantwortung getragen haben, meine Damen und Herren? Kollege Cap – vielleicht hört er mich –, waren das nicht Sozialisten? Merkt sich Kollege Cap die Dinge nur so kurze Zeit?


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Und wie war das mit der Intervention bei Felipe González, dem Genossen in Spanien? In spanischen Zeitungen war zu lesen, daß von Blecha über Hawlicek bis zu Vranitzky bei Felipe González interveniert wurde, damit die Sache auf Gomera klappt. Waren das keine Sozialisten, die Otto Mühl überall die Wege geebnet haben, die Otto Mühl das Geld gegeben haben, um das zu tun, was schlußendlich zu seiner Verurteilung geführt hat? – Sozialistische Mithilfe! Überall, wohin man schaut, sozialistische Mithilfe! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Vielleicht ist das ein Grund dafür, daß Bundeskanzler Klima es nicht der Mühe wert gefunden hat, auch nur ein Wort zu den Auftritten des Herrn Mühl zu sagen. Er schweigt, wenn Mühl uns staatlich unterstützt mitteilt, auch seinen Opfern mitteilt, daß er im Gefängnis noch geiler geworden ist und daß die Mädchen damals ja schon gut entwickelt und knusprig waren. Dazu schweigt der Herr Bundeskanzler! Mit diesem Schweigen machen Sie einen Kinderschänder, dem bis heute kein Wort der Reue über die Lippen gekommen ist, salonfähig, Herr Bundeskanzler! Das muß man auch einmal klar und deutlich feststellen. In einer Zeit, in der immer mehr Fälle von Kindesmißbrauch ans Licht der Öffentlichkeit gelangen, in einer Zeit, in der diese Minister sagen: Jetzt muß etwas geschehen, jetzt werden wir strengere Gesetze vorlegen!, schweigt der Kanzler der Republik, der die Kunst zur Chefsache gemacht hat, zu den Auftritten eines Mannes, der von sich selbst sagt, daß er nicht resozialisierbar ist.

Meine Damen und Herren! Ist es tatsächlich so, daß hierzulande Personen mit "zeitgemäßer" Gesinnung, von der man sich erst jetzt schön langsam zu distanzieren beginnt, mit den entsprechenden Freunden an den Schalthebeln der Republik mit besonderer Bevorzugung rechnen dürfen? Stimmt das, was Marian Heitger schreibt, nämlich daß dem, der eine bestimmte Gesinnung besitzt, als Tabubrecher, als Alternativer, mit dem Anspruch von linker Ideologie die Zugänge zu den Hochburgen der Meinungsmacher weit geöffnet sind? – Diesen Eindruck muß man wohl bekommen bei den Ereignissen der jüngsten Zeit.

Meine Damen und Herren! Die SPÖ läßt ihre Leute halt nicht fallen, auch wenn es sich später um Kinderschänder handelt. Frustrierte 68er werden offensichtlich gestützt und geschützt, solange es geht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. – Bitte.

17.10

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Otto Mühl ist kein Opfer der Justiz. Er ist ein verurteilter Verbrecher, und er ist, was sehr erschütternd ist, uneinsichtig. Er ist jemand, der offensichtlich nicht verstehen will oder kann, was er seinen Opfern angetan hat.

Sie machen das zum Gegenstand einer Anfrage an den Herrn Bundeskanzler. (Abg. Mag. Stadler: Nein, den Auftritt im Burgtheater und die Tatsache, daß man sich nicht distanziert hat! Da müssen Sie fair sein!) Ich frage mich, was Sie damit eigentlich wirklich bezwecken, denn selbst Kollege Krüger hat ja gesagt, daß der Herr Bundeskanzler nicht in den Spielplan eines Theaters eingreifen kann und soll. (Abg. Mag. Stadler: Aber er wird eine Meinung haben!)

Der Herr Bundeskanzler hat sich hier ganz klar distanziert – man muß nur zuhören wollen. Er hat sich ganz klar von den Taten des Otto Mühl distanziert! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen: Aber nicht vom Auftritt!)

Gerade auch durch den letzten Debattenbeitrag habe ich den Eindruck gewonnen, daß Sie nicht wirklich diskutieren wollen über Kindesmißbrauch (Abg. Dr. Partik-Pablé: Diskutieren wollt nur ihr, gell?), über diese abscheulichen Taten, mit denen wir immer wieder konfrontiert sind und hinsichtlich derer wir doch gemeinsam nach Möglichkeiten und Lösungen suchen müssen. (Abg. Dr. Haider: Wo sind eure Vorschläge? – Abg. Dr. Partik-Pablé: Nur schön reden tut ihr alle!) Wir haben in den letzten Jahren sehr wohl eine ganze Reihe von Maßnahmen im strafgesetzlichen Bereich, im Bereich des Strafprozesses, aber auch in vielen anderen Bereichen gesetzt, um Kindern zu helfen, die Opfer von sexuellem Mißbrauch geworden sind.


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Allein die Tatsache, daß hier fünf Mitglieder der Bundesregierung sitzen und an der Diskussion teilnehmen, sich einbringen und auch schildern, was sie in ihrem Bereich machen, um dem Kindesmißbrauch entgegenzuwirken (Abg. Dr. Graf: Das ist ja eh positiv, aber es wurde auch Zeit!), zeigt doch eindeutig, daß uns dieses Thema wichtig ist und daß wir uns um einen ehrlichen und offenen Dialog bemühen, daß wir uns darum bemühen, Verbesserungen zu erreichen.

Ich möchte jetzt gar nicht schildern, was im Bereich der Justiz in den letzten Jahren alles gemacht wurde. Ich fühle mich da durchaus auch selbst angesprochen, da ich in den Jahren 1990 bis 1994 sehr aktiv in der Justizpolitik mitwirken konnte. Wir haben gerade in dieser Zeit einiges für die Opfer von Verbrechen getan. Wir haben Änderungen vorgenommen, die es Verbrechensopfern leichter machen, ihre Aussagen vor Gericht zu tätigen.

Ich bin sehr froh, Herr Bundesminister, wenn Sie sagen, daß Sie im Bereich der Reform des Sexualstrafrechts weitere Maßnahmen anstreben. Mir scheint es vor allem wichtig zu sein, daß es eine Regelung geben soll, welche die jetzt schon bestehende Möglichkeit einer schonenden Vernehmung verbessert, daß klargestellt werden soll – nicht nur für Kinder, sondern allgemein für Opfer von Sexualdelikten –, daß sie nur einmal vernommen werden sollen, vom Untersuchungsrichter, wohl in einem kontradiktorischen Verfahren, aber ohne mit dem Täter selbst konfrontiert zu werden. Ich glaube, das ist eine wichtige Maßnahme, die es den Opfern erleichtert, vor Gericht zu gehen, erleichtert, ihr ganzes Leid und ihre Verletzung zum Ausdruck zu bringen. Das ist ja das, was wir anstreben, nämlich diese Mauer des Schweigens – das ist hier schon mehrmals gesagt worden – zu durchbrechen, es diesen Kindern, diesen Jugendlichen zu erleichtern, ihr Leid und die Verbrechen, die an ihnen begangen wurden, zum Ausdruck zu bringen. Sie sollen sich wehren.

Früher war das sehr oft nicht der Fall. Es wurden die Hilfeschreie, die hilflosen Schreie der Kinder nicht gehört. Man hat das negiert, es war das ein riesiges Tabu. In den letzten Jahren hat sich das gebessert, und das zeigt doch, daß die Maßnahmen greifen, daß wir uns sehr bemüht haben – die Frauenministerin, der Justizminister, der Innenminister, der Familienminister, alle –, Maßnahmen zu setzen, um zu sensibilisieren, um der Bevölkerung und vor allem den Kindern ein Rüstzeug zu geben, um sich gegen den Mißbrauch zu wehren.

Ich denke, daß die Diskussion über die Opferrechte, über Maßnahmen verschiedenster Art gegen Gewalt in der Gesellschaft weitergeführt werden muß, aber nicht unseriös und nicht polemisch. Es darf nicht versucht werden, aus diesen traurigen und erschreckenden Tatsachen Kapital zu schlagen, sondern es muß etwas geschehen – und es wird auch weiterhin etwas geschehen –, das den Opfern hilft und Verbrechen verhindert. Wir, zumindest wir, werden uns sicher an dieser Diskussion beteiligen, und zwar in einer ernsthaften Weise und nicht so, wie das von manchen hier betrieben wird. Wir sind gegen Marktschreierei, wir sind gegen Lizitation, aber dafür, daß den Kindern wirklich geholfen wird! (Beifall bei der SPÖ.)

17.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Dr. Fekter zu Wort. – Bitte.

17.16

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Minister! Bedauerlicherweise müssen immer erst so verabscheuungswürdige Taten wie jene des Kinderschänders Mühl in den Medien erscheinen, damit wir uns hier in diesem Hohen Haus intensiv mit dem Opferschutz auseinandersetzen.

Als die ÖVP vor zirka einem Jahr ihr Opferschutzprogramm vorgestellt hat, ist dies noch als Wahlpropaganda der Justizausschußvorsitzenden Fekter im oberösterreichischen Wahlkampf abgetan worden. Heute hat der Herr Justizminister referiert – ich habe das wohlwollend zur Kenntnis genommen –, daß er unsere Vorschläge umsetzen wird, was eine bessere Information für die Opfer, was eine Verfahrenshilfe für Opfer, was außerdem die getrennte Vernehmung von sexuell mißhandelten Kindern bei Gericht betrifft. Ich bedanke mich dafür, Herr Minister, daß Sie


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in diesem Zusammenhang ein offenes Ohr für unsere Wünsche gehabt haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte noch drei weitere Problembereiche für Opfer aufzeigen.

Wir stimmen unter keinen Umständen einer Liberalisierung – wie immer sie auch argumentiert wird – des Sexualstrafrechts zu. Wir haben das kundgetan, da ist unsere Position bekannt.

Wir haben uns dafür eingesetzt, daß Mißbrauch objektiv definiert wird und nicht durch sogenannte sexuelle Selbstbestimmung mit einem vermeintlichen Konsens zwischen Täter und Opfer verbessert wird. Sexuelle Selbstbestimmung in der Nähe des Mißbrauchs geht immer zu Lasten der Schwächeren. Kinder und Frauen können oft nicht nein sagen! (Beifall bei der ÖVP.) Daher hat der Gesetzgeber die Grenzen objektiv und klar festzulegen. Er hat zu sagen: Ab hier ist Mißbrauch, und das ist sexuelle Freiheit. Da darf es keinerlei Debatten und kein Herausschwindeln von Tätern geben!

Herr Minister! Ich sehe auch dringenden Handlungsbedarf im Hinblick auf die Therapie von sexuell mißbrauchten Kindern und vergewaltigten Frauen. Für diesen Bereich ist, wie im Antrag der Freiheitlichen, die allgemeine Krankenversicherung nicht ausreichend, auch das Verbrechensopferentschädigungsgesetz aus dem Jahr 1972 nicht. Wir haben bereits mehrmals hier angeregt, die Therapie, die psychologische Betreuung nicht nur im Ausmaß von sechs Therapieeinheiten, sondern in ausreichendem Ausmaß, wenn notwendig mit über 100 Therapieeinheiten, für mißbrauchte Kinder unentgeltlich zu gewährleisten, vor allem aber auch – das ist im Fall von Goisern zutage getreten – außerstationär. Es ist nicht einzusehen, daß diese Kinder von Goisern 30 Kilometer nach Bad Ischl oder Gmunden haben fahren müssen, nur damit sie therapiert werden, weil die Krankenkasse die Therapeutin in Goisern nicht bezahlt. Das ist den Opfern nicht zumutbar und gehört gesetzlich geregelt! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein großes Problem, das bisher nicht ausreichend diskutiert wurde, ist die Gefährlichkeit der Täter zu dem Zeitpunkt, da sie bereits Straftaten begangen haben, bei der Rückfallsquote und in jenen Fällen, bei denen man ihre Gefährlichkeit nicht rechtzeitig erkennt, nämlich präventiv. Hier versagen derzeit noch sowohl Medizin als auch Justiz. Man ist dem Phänomen der Gefährlichkeit bisher noch nicht ausreichend beigekommen. Es gibt bereits medizinisch-wissenschaftliche neuere Therapie- und Behandlungsmethoden, die insbesondere das Auftreten der Rückfallshäufigkeit eindämmen helfen.

Ich fordere daher den zwingenden Einsatz dieser Therapiemethoden. Es sind dies Hormontherapien – ich bin kein Arzt, ich möchte es aber trotzdem erwähnen – mit dem Langzeitanalogon des Gonadotropin-Releasing-Hormons, das wissenschaftlich fundiert die Rückfallshäufigkeit drastisch gesenkt hat. Ich spreche mich hier auch für eine Zwangstherapie jener Täter, die eine Gefahr für unsere Gesellschaft darstellen, aus. (Beifall bei der ÖVP.)

Weiters, Herr Minister, fordern wir bei der Reform des neuen Eherechts, daß Gewalt und sexueller Mißbrauch in der Ehe absolute Scheidungsgründe werden. Das wird mißbrauchten Frauen die Trennung von ihren gewalttätigen Partnern entschieden erleichtern, und sie müssen sich nicht in einem mühsamen Verschuldensprozeß um den Unterhalt streiten. Jeder Mann, der seine Frau und Kinder prügelt, ist im Scheidungsfall unterhaltspflichtig! Hier werden wir dafür sorgen, daß das als Scheidungsgrund neu in das Eherecht aufgenommen wird. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Schmidt: Da brauchen Sie eine absolute Mehrheit!) Wir wollen nämlich die Beibehaltung der absoluten Scheidungsgründe, Frau Kollegin, und noch einen neuen Scheidungsgrund hinzufügen. Ich bin überzeugt davon, daß niemand in diesem Hohen Hause die Gewalttäter schützen will.

Nun zum Schluß zum Antrag der Freiheitlichen: Es ist so, daß eine Fülle der 31 Punkte, die Sie fordern, von uns sehr wohl akzeptiert werden kann. Ein Teil der Forderungen ist aber nicht akzeptabel. (Abg. Mag. Stadler: Welche sind nicht akzeptabel?) Da im Justizressort bereits intensiv an einer Reform des Sexualstrafrechtes gearbeitet wurde (Abg. Gaugg: Nicht wurde, sondern wird!) beziehungsweise wird, sehen wir nicht ein, daß wir hier Dingen zustimmen sollen, die wir nicht voll und ganz akzeptieren können.


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Ein hochproblematischer Punkt – um nur einen zu nennen, Herr Kollege Stadler – ist zum Beispiel der Punkt 21. Er wurde beim Juristentag fachlich von den Professoren und Experten intensiv diskutiert, und dort wurde die Einbindung des Opfers als Prozeßpartei im Strafprozeß als nicht zielführend abgelehnt. Daher können wir den Antrag der Freiheitlichen jetzt bedauerlicherweise noch nicht unterstützen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Sehr gut gemacht!)

17.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Scheibner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

17.24

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Kollegin Fekter! Es ist immer wieder dasselbe Problem bei der ÖVP. Sie ist zwar grundsätzlich immer mit uns einer Meinung (Abg. Dr. Fekter: Das ist eine Selbstüberschätzung!), in der Praxis aber, wenn es darum geht, zu diesem Wort auch zu stehen, nämlich beim Abstimmungsverhalten, fallen die ÖVP-Abgeordneten um und wissen nichts mehr davon. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist eben Ihr Problem, genauso wie es Ihr Problem ist, daß Sie eine Unterrichtsministerin in Ihren Reihen haben, die diese ungustiöse Ausstellung des Herrn Mühl zugelassen hat. Ich habe bis jetzt noch nichts von einer politischen Verantwortung diesbezüglich gehört. (Abg. Dr. Fekter: Haben Sie nicht aufgepaßt?) Sie hat sich in der Ausschußsitzung nicht von Herrn Mühl an sich und von den Schweinereien, die er in einem österreichischen Bundesmuseum ausstellt, distanziert, sondern sie hat gesagt, man tue dem Mühl nichts Gutes, indem man derartige Dinge an die Öffentlichkeit bringt. (Abg. Öllinger: Hätte sie es verbieten sollen? Ja oder nein?) Das ist das Problem, Frau Kollegin Fekter.

Es geht heute auch um die politische Verantwortung, die Politiker in diesem Land haben, wenn sie ein Klima befürworten und unterstützen, das solche Straftaten eben möglich macht. Auch darum geht es. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Und derartige Dinge als Kunst zu bezeichnen, sie in öffentlichen Museen mit öffentlicher Hilfe auszustellen, ist eine derartige Unterstützung. Aber nachher will plötzlich niemand mehr etwas davon wissen. Dann sind plötzlich die Richter oder die Theaterdirektoren schuld. Wer diese aber bestellt hat, sagt man dann nicht mehr dazu. (Abg. Öllinger: Wer ist jetzt schuld?)

Lieber Kollege von den Grünen! Wo bleibt der öffentliche Aufschrei? Wo sind die Kampagnen, wie sie beim § 209, bei der 0,5-Promille-Grenze oder beim Waffenbesitz geführt wurden? Wo sind die medialen Kampagnen, daß auch in diesem Fall eine Anlaßgesetzgebung passiert? – Man hört nichts davon! Im September 1997 hat sich eine Arbeitsgruppe konstituiert und 25 Punkte vorgelegt. Sonst ist bis jetzt nichts passiert!

Kollege Krüger hat es schon gesagt: Allein in Wien gibt es 11 000 Fälle. Kollege Öllinger, Sie tun so herum. Haben Sie eine Tochter? Haben Sie ein kleines Kind in Ihrer Familie? (Abg. Öllinger: Zwei Töchter!) Schauen Sie sich diese unschuldigen Kinder einmal an! Wenn Sie sich ernsthaft mit diesem Problem auseinandersetzen, dann denken Sie einmal daran, was mit diesen unschuldigen Kindern, die mißbraucht werden, die sich nicht wehren können, passiert. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Die Täter dürfen nach ein paar Monaten wieder nach Hause gehen, die Kinder bleiben aber lebenslang verurteilt, weil sie sich ein Leben lang nicht mehr von diesen Schäden erholen können. (Abg. Öllinger: Diese verlogene Haltung ist ja nicht mehr zum Aushalten!) Dann können Sie weiterlachen samt Ihren Strukturen und Ihrer Ideologie, die Sie unterstützen. Das ist ja das Problem, Herr Kollege, daß damit eine Ideologie unterstützt wird, die all diese Dinge verlangt und hofiert. (Abg. Mag. Stadler: Was sagt denn die Präsidentschaftskandidatin Schmidt dazu? Wissen Sie, was Kinder sind? Das sind diese kleinen Wesen!)

Religiöse Sekten werden von uns allen verfemt, politische Sekten hingegen werden unterstützt. Pornographie wird von uns allen verfemt, aber wenn sie sich das Mäntelchen der Kunst umhängt, wird sie subventioniert. Sie alle – und gerade Sie von den Grünen, aber auch die Frau Schmidt und die SPÖ – sind dann diejenigen, die das alles als wichtig erachten und unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler  – in Richtung der Abg. Dr. Schmidt –: Sie waren nicht bei der Debatte! Haben Sie geschlafen bei der Debatte?)


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Meine Damen und Herren! Warum sind denn dieser Mühl und seine Aktionen im Burgtheater so gefährlich? – Sie sind deswegen gefährlich, weil damit ein Klima geschaffen wird, das vorgaukelt, daß das alles nicht so schlimm ist, wodurch diese Taten relativiert und verharmlost und diese Täter zu Helden hochstilisiert werden. (Abg. Mag. Stadler: Die Kulturausschußvorsitzende hat keine Meinung dazu!) Das ist das Problem, das wir mit derartigen Dingen haben. (Zwischenruf der Abg. Bures. )

Frau Kollegin Bures! Warum schaffen wir es nicht, in jenen Fällen, in denen es um schutzlose Kinder, die sich nicht zur Wehr setzen können, geht, die Rechte der Täter in den Hintergrund zu stellen und zu sagen: Hier hat der Schutz dieser wehrlosen Kinder absoluten Vorrang gegenüber irgendwelchen Täterrechten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Sie sagen immer, Sie seien für nichts verantwortlich und wüßten von nichts. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Bures. ) Ich meine auch nicht, daß es in Ordnung ist und daß es eine Verhinderung von Kindesmißbrauch ist, wenn Sie als Kanzler einen Prospekt unterstützen, in dem zum Kindesmißbrauch förmlich aufgefordert wird, wo ein Baby ... (Der Redner hält einen Prospekt in die Höhe. – Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Fuchs: Das ist ein alter Hut!) Ja, das ist ein alter Hut, aber es ist trotzdem geschmacklos und mies, was sich hier abspielt. Dort wird ein Baby mit erigiertem Penis gezeigt und es wird dazu aufgefordert, dieses Kind zu schänden. Da sind auch noch andere ungustiöse Dinge dargestellt. So etwa werden verkrüppelte oder tote Babys zur Schau gestellt. Wenn man dann im Impressum nachschaut, wer der verantwortliche Herausgeber dieses Prospektes ist, kann man lesen, daß es das Bundeskanzleramt, der Bundeskanzler Viktor Klima und der Staatssekretär Peter Wittmann sind.

Herr Bundeskanzler! Daß solche Vorkommnisse in Zukunft in dieser Republik nicht mehr möglich sind, dafür hätten Sie jedenfalls die Verantwortung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Bundesminister Dr. Bartenstein hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

17.29

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Es macht uns alle immer wieder betroffen, wenn wir von den erschütternden Zahlen hören, die sich rund um Gewalt an Kindern, rund um den sexuellen Mißbrauch von Kindern drehen. Professor Höllwarth aus Graz spricht davon, daß in wahrscheinlich 100 000 Fällen pro Jahr an Kindern körperliche Gewalt verübt wird und mit etwa 20 000 Kindern sexueller Mißbrauch getrieben wird.

Es ist schon gesagt worden – und auch andere zu diesem Thema passende Untersuchungen sagen uns das –, daß jedes vierte Mädchen und jeder zehnte Bub beziehungsweise Bursch im Laufe des Erwachsenwerdens sexuell mißbraucht wird. Dies ist erschütternd und macht betroffen.

Sie, sehr geehrter Herr Parteiobmann Haider, und auch andere haben mehrfach releviert, wer sich denn persönlich in dieses Thema hineindenken könne: Glauben Sie mir, ich kann das! Ich habe kleine Kinder und weiß, wovon ich spreche und wovor ich mich im Sinne meiner Kinder fürchte.

So war es auch kein Wunder, daß die Bundesregierung in beachtlicher Geschlossenheit und gemeinsamer Anstrengung – es war auch viel Arbeit dahinter – durch die Arbeit von fünf Ministerien und fünf Ministern – Frau Kollegin Gehrer ist heute verhindert, aber wir vier, nämlich Frau Ministerin Prammer, Herr Minister Michalek, Herr Minister Schlögl und ich sind anwesend – einen Maßnahmenkatalog mit nicht weniger als 25 Punkten gegen die Gewalt insgesamt, aber mit speziellem Schwerpunkt gegen die Gewalt in der Familie, gegen die Gewalt an Kindern, gegen sexuellen Mißbrauch von Kindern erstellt hat. Insbesondere meine Kollegen Michalek und Schlögl haben schon sehr beeindruckend dargelegt, was bisher an einzelnen Arbeitspunkten abgehakt werden konnte, was noch zu erledigen ist und woran noch gearbeitet werden muß.


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Auch ich habe als Familienminister – so hoffe ich – in den letzten Monaten einen vernünftigen Beitrag dazu leisten können. Es gibt Checklisten für einerseits pädagogisches, andererseits medizinisches Personal – wenn Sie so wollen, für Kindergärtnerinnen und Ärzte; das sei nur verkürzend angemerkt –, anhand welcher Bürger dieses Landes, die viel mit Kindern zu tun haben, schneller und leichter erkennen können: Halt! Dieses Symptom oder jene Verhaltensauffälligkeit könnten auf sexuellen Mißbrauch oder Gewalt hindeuten. Leider Gottes – Barmüller hat es bereits gesagt – wissen wir, daß beides in weitaus überwiegendem Maße – so schlimm gewerbliche Kinderpornographie auch ist – im familiären Bereich vorkommt. Hier darf man sich auch keiner Täuschung hingeben.

Wir arbeiten daran – das ist nunmehr auf gutem Wege –, mittels Schaffung zentraler Meldestellen respektive mittels Benutzung der Jungendwohlfahrtsstellen in den Ländern als zentrale Meldestellen durch eine Vernetzung vorhandener Daten dann, wenn begründeter Verdacht besteht, daß Mißbrauch vorliegen könnte, Täter, Prügelväter, gute Onkel und Großväter, die ihre Nichten und Enkel mißbrauchen, schneller aufzuspüren.

Ich bekenne mich dazu, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß Strafe auch im Sinn von Sühne sein muß und absolut notwendig ist. Ich bekenne mich weiters dazu, daß es dringend erforderlich ist, mit der Verjährung solcher Taten erst nach der Volljährigkeit von Kindern zu beginnen. Ich selbst spreche mich darüber hinaus dafür aus, daß es zur Einführung eines Schutzalters in Sachen Kinderpornographie kommt. Ein solches Schutzalter fehlt bis jetzt de facto. Man kann heute einem fünfzehnjährigen Mädchen oder Burschen nicht verbieten – mit Ausnahme des Jugendwohlfahrtsrechtes, aber das ist zahnlos und hält nicht das, was man sich erhoffen würde –, sich in kinderpornographische Machenschaften verwickeln und sich ausnützen zu lassen.

Opferschutz und Tätertherapie sind weiters wichtige Schwerpunkte, über die Kollege Schlögl zum Teil schon referiert hat. Wenn ich von Tätertherapie spreche, dann komme ich doch gegen Ende meiner sehr kurzen Ausführungen – vieles ist ja schon gesagt worden – zu dem Anlaßfall, der der Grund für die heutige Dringliche Anfrage der Freiheitlichen ist, nämlich zu Herrn Mühl und den Ereignissen, die sich um diesen Herrn in den letzten Wochen abgespielt haben, was um ihn herum aufgeführt wurde, und zwar aufgeführt wurde nicht nur im Burgtheater, sondern in Wirklichkeit wurde er seit dem Zeitpunkt seiner Haftentlassung von Kameras und den Medien begleitet.

Ein Teil davon ist von diesem Hohen Hause nicht beeinflußbar – das ist mediale Freiheit, das ist Pressefreiheit –, aber ein Teil ist jedenfalls beeinflußbar. Darauf möchte ich noch zu sprechen kommen, und dann, meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses, wird aus Betroffenheit Zorn.

Herr Bundeskanzler! Sie haben zu Recht von einem verabscheuungswürdigen Verbrechen gesprochen, und andere und auch ich sagen im Klartext dazu: Es handelt sich hier um einen verurteilten Kinderschänder! Es gibt Zeitpunkte, da man die Dinge beim Namen nennen muß: Herr Mühl ist ein verurteilter Kinderschänder, und umso schmerzhafter sind die medialen Festspiele, die Herrn Mühl seit seiner Haftentlassung geboten wurden. Besonders schmerzhaft ist auch, daß sich der öffentlich-rechtliche ORF ebenfalls in verschiedenen Sendungen – auch Kultursendungen – in nicht unerheblichem Maße daran beteiligt hat.

Das Burgtheater, einst des deutschen Sprachraums erstes Theater, wurde zu Mühls Bühne. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht nicht so sehr um das einzelne Ereignis, aber das Gefühl, das bei den österreichischen Bürgern entstehen mußte und auch konnte, war wohl jenes, daß sich hier jemand zum Teil selbst rehabilitiert hat, zum Teil aber auch rehabilitiert wurde. Und das ist die dramatische Entwicklung der letzten Wochen in dieser Sache: daß all das, was vornehmlich oder vorgeblich künstlerisch rund um Herrn Mühl argumentiert wurde, in Wirklichkeit so etwas wie eine öffentliche Rehabilitation dargestellt hat. Von ihm selbst war von Reue und Sühne nichts zu hören. Uneinsichtig war er, hat Frau Kollegen Hlavac gesagt. Das ist das mindeste, was dazu an dieser Stelle noch zu sagen ist.


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Wenn es auch ein Fehler – und ich sage ein unverzeihlicher Fehler – war, ihn an die Burg zu lassen, ihn ein kulturell ja ohnehin völlig wertloses Dramolett zum besten geben und lesen zu lassen, so ist es – meine ich – ein Minimum dessen, was man verlangen muß, daß man sich aufgrund des Skandals, der sich in diesem Zusammenhang an der Burg – und letztlich an unserer Burg – ereignet hat, hier ganz klar von offizieller Stelle und auch von Regierungsseite distanziert und das auch als Skandal brandmarkt, wenn dieser schon unbedingt vorkommen mußte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Kleinen hängt man, die Großen läßt man laufen. – So einfach ist das in diesem Fall nicht. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, das, was mit Herrn Mühl gemacht wurde, macht es für jemanden wie mich und uns alle hier in diesem Hohen Hause – und da beziehe ich auch alle Abgeordneten der Opposition mit ein – in Zukunft doch ein gut Teil schwerer, das, was wir in den letzten Monaten an Aufbauarbeit geleistet haben, fortzuführen. Dabei geht es ein wenig um die Glaubwürdigkeit, dabei geht es darum, der Öffentlichkeit auch in Zukunft klar sagen zu können: Wir verurteilen Kinderschändung. Wir verurteilen das ganz klar und deutlich, nicht nur rein rechtlich, sondern vor allem auch moralisch.

Es wurde ein gewisser Grad an Bewußtseinsbildung erreicht. Karl Schlögl, der Herr Innenminister, hat davon gesprochen, daß die Zahl der Anzeigen sprunghaft gestiegen ist. Gott sei Dank ist auch die Zahl der Verurteilungen gestiegen! Gott sei Dank werden auch die Strafen schön langsam nicht nur saftiger, sondern müssen auch tatsächlich abgebüßt werden. Hier ist sicherlich noch ein gutes Stück Weges zu gehen.

Das alles hängt mit der öffentlichen Bewußtseinsbildung zusammen, und was mich daher auch betroffen macht, ist, daß diese Bewußtseinsbildung in den letzten Wochen ein klein wenig behindert worden ist und daß es schwer sein wird, dies in den nächsten Monaten wieder aufzuholen. Es ist zu einer Verharmlosung gekommen. Da brauchen wir uns gar nichts vorzumachen. Es ist unter dem Strich zu einer Verharmlosung dessen gekommen, was man unter Kinderschändung subsumieren kann. Wir müssen uns jetzt gemeinsam kräftig anstrengen, um die begangenen Fehler wieder gutzumachen und um einen Aufholprozeß einzuleiten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Arbeit des letzten Jahres wurde – jedenfalls von mir – immer wieder unter folgendes Motto gestellt: Wer wegschaut, macht sich schuldig! Leider Gottes ist und war es beim sexuellen Mißbrauch nämlich immer wieder ein großes Thema, daß die Leute Bescheid wußten, aber weggeschaut haben, sich nicht trauten, den Täter anzuzeigen, nicht mit den Lehrern oder den Eltern geredet haben und so weiter.

Was sich in den letzten Tagen und Wochen in mir ein wenig breitgemacht hat, ist ein Zusatz zu dieser Formulierung, der da lautet: Nicht nur wer wegschaut, macht sich schuldig, sondern wer zuschaut und zugeschaut hat, ohne die Konsequenzen zu ziehen, macht sich auch mitschuldig. – Ich danke, Herr Präsident. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

17.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.39

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren Minister! Meine Damen und Herren! Ich kann den Ausführungen des Herrn Minister Bartenstein in ihren überwiegenden Teilen folgen. Was die Person Otto Mühl anlangt, kann ich darüber hinaus auf die Feststellungen des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Innenministers verweisen. Dazu möchte ich nichts mehr sagen. Diese sind eindeutig. Das ist keine Frage.

Ich meine aber, man muß einen Punkt relativieren, nämlich den Umstand, auf welche Art und Weise es heute zu dieser Dringlichen Anfrage gekommen ist. Da bleibt wahrscheinlich nichts anderes übrig, als festzuhalten, daß durch eine unglaubliche Unterstellung hier versucht worden ist, die politische, aber auch die moralische Autorität dieses Hauses nachhaltig zu stören, meine Damen und Herren von der FPÖ! Das ist negativ und anzukreiden! (Beifall bei der SPÖ.)


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Positiv in diesem Zusammenhang ist der Umstand, daß Ihnen derartige Verhaltensweisen, derartige Vorhaben zunehmend selbst auf den Kopf fallen. Das ist positiv.

Der Titel Ihrer Dringlichen Anfrage lautet: "Begünstigt der Bundeskanzler Kinderschänder?" Meine Damen und Herren! Da können Sie doch niemandem in diesem Haus erklären, daß es Ihnen tatsächlich daran gelegen ist, hier eine sachliche Diskussion zu führen. "Begünstigt der Bundeskanzler Kinderschänder?" – Und da stellen sich der Herr Abgeordnete Krüger und der Herr Kollege Haider heraus und sagen: Herr Bundeskanzler, wir wollen Ihnen ja nichts unterstellen! Nein, wir wollen Ihnen eine Frage stellen, und die Frage lautet: Begünstigt der Bundeskanzler Kinderschänder? – Das ist es, was dann in der Zeitung steht, meine Damen und Herren, und das – das ist einmal deutlich zu sagen – ist auch der Duktus dieser gesamten Anfrage. Daher muß man das auch in diesem Lichte sehen – abgesehen vom tragischen Hintergrund des Ganzen.

Sie stellen in Ihrer Dringlichen Anfrage die Frage in den Raum: Welche Gesichtspunkte waren dafür maßgeblich, daß bei diesem Auftritt niedrigere Preise als üblich festgesetzt worden sind? – Das ist falsch, das stimmt nicht, hören wir heute. Die Frage ist völlig unsinnig.

Eine weitere Frage an den Bundeskanzler lautet: Wie konnten Sie dem Auftritt Otto Mühls zustimmen? – Meine Damen und Herren! Wir haben heute schon gesagt: Autoritäres Verhalten und Zensur, das ist das, was Sie wollen.

Der Herr Bundesminister für Justiz hat heute ausgeführt, was die Konzepte sein können, daß nicht nur strafrechtliche Konzepte bestehen, um diese Fürchterlichkeiten in den Griff zu bekommen, sondern daß es auch darum geht, daß man Kinder so erzieht, daß sie sich wehren können, daß Kinder dafür geschult werden, wie man mit derartigen Verführungen umgeht, daß sie nein sagen können, daß sie aufgrund der Ausbildung in die Lage versetzt werden, nein zu sagen. (Abg. Mag. Stadler: Wie wollen Sie ein halbjähriges Kind schulen?) – Es gibt auch andere, Herr Kollege. – Und dazu brauchen Sie aber etwas, was Ihnen nicht naheliegt, meine Damen und Herren von der FPÖ, nämlich weniger Autorität.

Wenn ich mir anschaue, was zum Beispiel Ihr Obmann Haider in diesem Zusammenhang immer wieder von sich gibt, dann weiß ich eigentlich nicht, wie man dieses Ziel im Rahmen der Erziehung, im Rahmen der Schule erreichen könnte. Wie sollen wir das erzielen, wenn Sie sagen, wie ich lese – ich muß es Ihnen immer wieder sagen, ich weiß, Sie hören es nicht gern, aber das ist das, wofür Sie stehen –: Ich werde ein einheitliches Erscheinungsbild in der ganzen Partei durchsetzen, denn das ist die Führungsfrage, die noch zu erledigen ist!? Ebenso sagen Sie: Die heutige Form des Zusammenlebens ist denaturiert. Das ist kein Ideal. Partnerschaft besteht aus dem führenden und dem dienenden Teil.

Meine Damen und Herren von der FPÖ! Ich frage Sie: Wie bringen Sie das in Einklang mit dem, was eigentlich alle anderen in diesem Hause als notwendig erachten, nämlich daß man Kinder so erzieht, daß sie sich wehren können, wenn gleichzeitig Abgeordneter Haider hergeht und sagt: Das wollen wir nicht, wir wollen einen Führer!? Ich kann Ihnen nur sagen: Das ist sicher nicht das richtige Rezept. Die Art und Weise, wie Sie diese Anfrage heute eingebracht haben, ist entlarvend für Sie. (Beifall bei der SPÖ.)

Vielleicht nur ganz kurz einige Worte zum Abgeordneten Stadler, der sich heute hier wieder eher betrüblich in Szene gesetzt hat. – Kollege Stadler! Sie wurden gefragt – und das wurde heute schon angesprochen –, ob Sie mit zweierlei Maß zu messen pflegen. Sie haben gemeint, daß es notwendig sei, daß Sie einen katholischen Klub gründen. Sie haben darüber hinaus gemeint, daß es notwendig sei ... (Abg. Mag. Stadler: Wollen Sie beitreten? Ich habe ein Beitrittsformular mit!)  – Das ist eher abschreckend, wenn Sie dort Mitglied und Obmann sind, Herr Kollege. Ich horche es mir vielleicht einmal an. In einer launigen Stunde würde ich es mir gerne einmal anschauen.

Sie haben dort – als Obmann oder was auch immer dieser Gruppe – Erklärungen abgegeben, die in Zusammenhang damit stehen, daß Vorwürfe in diesem Land erhoben werden, und zwar nicht von der Sozialdemokratie, nicht von den Liberalen, nicht von der ÖVP, sondern Vorwürfe


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von Bischöfen. Es geht darum, daß Bischöfe gesagt haben, ein Wort des Bekenntnisses wäre sinnvoll und notwendig, um eine unerträgliche Situation zu bereinigen. Und dann kommt natürlich der Herr Stadler, der die Weisheit gepachtet hat, wie er uns ja ununterbrochen zeigt, und sagt folgende kluge Sätze zur Causa Groër: Es gibt keine stichhaltigen Beweise gegen diesen ehrwürdigen alten Mann. – Schluß mit der Debatte! Das ist nicht gestattet, meine Damen und Herren. Ich, Stadler, befinde, das soll nicht so sein! Als beschämend hat er diese Diskussion gewertet. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Können Sie nicht lesen? Das hat er doch nicht gesagt!) Ich kann Ihnen nur sagen: "Presse"-Inland lesen, Frau Kollegin. Ich weiß nicht, ob Sie lesen können, ich kann es jedenfalls. (Abg. Dr. Partik-Pabé: Er hat doch bitte nicht die Diskussion verboten! Zitieren Sie wenigstens richtig!) "Beschämend" hat er gesagt. Es seien innerkirchliche Spiele, in die sich gewisse Kreise – gewisse Kreise, meine Damen und Herren! – einmischen wollen.

Jetzt frage ich Sie: Ist das der Umgangston, den Sie in einer konkreten Situation, in der Vorwürfe von Bischöfen erhoben worden sind, pflegen?

Sie sagen weiters: Es ist wohl einmalig, in welcher Weise ein Kardinal heruntergemacht wird. Da werden mit fadenscheinigen Argumenten Behauptungen aufgestellt, die auch noch von Vertretern der Kirche benutzt werden, um Propaganda gegen Groër zu machen.

Meine Damen und Herren! Das ist das, woran ich Sie messen muß. In dem einen Fall: Ruhe, zuschütten! Da gibt es nichts zu sagen. Das ist verächtlich. Da gibt es "gewisse Kreise". In dem anderen Fall stellen Sie sich hierher und fragen: Herr Bundeskanzler, begünstigen Sie Kinderschänder?, ohne irgendeinen Nachweis zu haben, aber in Kenntnis des Umstandes, daß kein Mensch hier in diesem Haus jemals gewollt oder unterstützt hat, daß derartige Aktionen starten.

Meine Damen und Herren von der FPÖ! Sie haben heute nachhaltig gezeigt, daß Ihnen nicht daran gelegen ist, hier ein Thema sachlich zu diskutieren, und Sie dürfen sich wahrlich nicht wundern, wenn man Ihnen die politische Zurechenbarkeit aberkennt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.46

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Frau Abgeordnete, Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschänkung von 4 Minuten. Die Gesamtredezeit für Ihren Klub beträgt 6 Minuten. Ich stelle die Uhr auf 4 Minuten ein. – Bitte.

17.46

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte noch zu meinen Vorrednern sagen: Wir wollten heute weder einen Kulturkampf, noch haben wir uns von Sichrovsky beraten lassen, sondern wir wollten ganz ernsthaft darüber diskutieren, was hier passiert ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir wollten auch keine Geschäfte für Mühl machen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Morak, Frau Kollegin Petrovic und andere auch! Sie sollten wirklich einmal Ihr demokratisches Verständnis überprüfen und sich fragen, ob es wirklich legitim ist, daß Sie, wenn wir ein Thema anschneiden, uns sofort irgend etwas Negatives unterschieben, daß Sie uns Unterstellungen machen (Ruf bei der SPÖ: Das steht nur Ihnen zu!), warum wir ein Thema anschneiden, während all das, was Sie interessiert, diskutiert werden darf. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Da gibt es überhaupt nichts daran zu bezweifeln. Ich glaube wirklich, daß das ganz einfach nicht richtig ist, daß Sie hier Zensuren verteilen. Herr Kollege Jarolim! Auf Sie trifft das genauso zu.

Schauen Sie sich einmal die Liste an, die wir dieser Dringlichen Anfrage beigelegt haben. Dann werden Sie sehen, daß wir uns ganz ernsthaft mit diesem Thema auseinandergesetzt haben und auch ernstzunehmende Vorschläge eingebracht haben.

Frau Kollegin Petrovic! Sie haben gemeint, das gnadenlose Beflegeln, die autoritäre Sprache seien so entsetzlich. Mindestens genauso unerträglich ist für uns, daß Sie uns ständig irgend


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etwas Mieses in die Schuhe schieben. Das möchte ich Ihnen schon sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir wollten heute mit dieser Anfrage überprüfen, wie ernst es der Bundesregierung mit dem sogenannten konsequenten Kurs in der Bekämpfung des sexuellen Mißbrauches und der Gewalt gegen Kinder ist. Herr Bundesminister Michalek hat ja gesagt, die Regierung setze diesen Kurs konsequent fort. Aber gerade die Gestattung dieser Aufführung im Burgtheater läßt schon sehr bezweifeln, ob dieser Kurs wirklich so konsequent verfolgt wird, denn der Herr Mühl hat bei diesem Auftritt den sexuellen Mißbrauch bagatellisiert, er hat die Gerichte verhöhnt, und er hat auch die Gefühle der Opfer mit Füßen getreten.

Ich weiß schon – das haben wir schon hundertmal gehört –, daß der Staatssekretär und der Bundeskanzler nicht widersprechen konnten. Sie haben keine Möglichkeit gehabt, diese Vorstellung zu verhindern. Aber eines hätte der Herr Bundeskanzler schon machen können: Er hätte Zivilcourage zeigen können, meine sehr geehrten Damen und Herren. Und diese Zivilcourage hätte ihn dazu veranlaßt, seine Entrüstung zu zeigen über das, was sich hier abspielt. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Er hätte sich von diesem furchtbaren Spektakel des Herrn Mühl distanzieren können, und er hätte sich ein Beispiel an den Bundestheaterbediensteten, an den Schauspielern nehmen können. (Abg. Seidinger: Was sagt der Herr Sichrovsky dazu?) Die Schauspieler haben Zivilcourage bewiesen. Die Schauspieler haben nämlich protestiert, obwohl sie viel zu befürchten gehabt haben. Vor diesen Schauspielern, die da nicht mitgetan haben, habe ich Achtung. Der Herr Bundeskanzler hat nicht einmal in der heutigen Sitzung seine Entrüstung über dieses Spektakel ausgedrückt. Und das, glaube ich, muß man ihm schon sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Er war feig, der Herr Bundeskanzler! Bis heute war er feig, und das ist ganz einfach schäbig, meine sehr geehrten Damen und Herren. Er hätte sich ein Beispiel an den Schauspielern nehmen sollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte dem Herrn Bundeskanzler einen Rat geben. Er hat heute gesagt, er werde mit der gesamten Bundesregierung gegen die Gewalt in Österreich, speziell gegen die Gewalt gegen Kinder, zu Felde ziehen. Vieles an Gewaltdarstellungen wird von der Bundesregierung subventioniert. Das haben wir hier im Parlament immer wieder diskutiert. Ich erwarte mir als allererstes im Feldzug gegen die Gewalt, daß man aufhört, jene Künstler zu subventionieren, die die Gewalt verherrlichen, insbesondere die sexuelle Gewalt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Mag. Prammer. – Bitte.

17.51

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Sexuelle Gewalt, sexueller Mißbrauch – es wurde schon gesagt – treffen in einem hohen Ausmaß Mädchen und Frauen. Sexuelle Gewalt und sexueller Mißbrauch sind Jahrhunderte alt und wurden mit vielen verschiedenen Mitteln zum Ausdruck gebracht. Ich erinnere daran: bis heute als Kriegsmittel, nur um eines zu erwähnen.

Sexuelle Gewalt und sexueller Mißbrauch wurden gerade deswegen, weil Frauen unmittelbar und unglaublich häufig damit konfrontiert waren, von Frauen thematisiert – langsam, viel zu langsam, aber es waren die Frauen. Ich behaupte daher: Wenn wir heute hier über das Thema sexuelle Gewalt und sexueller Mißbrauch diskutieren und es in die Öffentlichkeit stellen und alles dagegen unternehmen wollen, dann haben wir das sehr vielen Frauen in der Vergangenheit zu verdanken, die eben nicht weggeschaut haben und nicht den Mund gehalten haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Auf der einen Seite müßte es uns nahezu mit Zufriedenheit erfüllen, daß so vieles zuwege gebracht wurde. Ich selber kann mich noch sehr gut an Zeiten erinnern, in denen es notwendig war, Häuser zu besetzen, um Frauenhäuser, die immer wieder als Freudenhäuser bezeichnet


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wurden, zu installieren. Ich kann mich noch sehr gut an Zeiten erinnern, in denen sehr viele private Personen und auch Personen in der Öffentlichkeit weggeschaut und dieses Thema negiert oder wegdiskutiert haben.

Heute nach diesem langen Weg haben wir vieles institutionalisiert, die entsprechenden Einrichtungen sind mehr und mehr vorhanden, die Geldmittel werden zur Verfügung gestellt, die Rechtsmittel werden verbessert, und dieses Thema tritt aus dem Tabubereich heraus. Gott sei Dank: Wir klagen an, wir zeigen auf und wir bekämpfen. Ich denke, daß die gesamte Gesellschaft sehr gut beraten ist, diesen Weg sehr ernsthaft, ohne Polemik und ohne Mißbrauch dieses Themas weiterzugehen. (Beifall bei der SPÖ.) Ich denke auch, daß wir da noch sehr vieles zu tun haben.

Es ist bis heute oft und oft nicht Schande der Täter, weil sie Täter sind, sondern Schande der Opfer, weil sie als solche nach wie vor dargestellt werden. Wir haben noch immer häufig die breite Akzeptanz in der Gesellschaft, daß Gewalt in der Familie, sexuelle Gewalt etwas ist, womit man am liebsten nichts zu tun haben will und was man wegdiskutieren will. Es ist notwendig, daß die Zahlen der Anzeigen, aber auch jene der Verfahren und der Verurteilungen steigen. Damit sich aber gesellschaftlich generell etwas ändern kann, brauchen wir natürlich das Empfinden der Gesellschaft und damit hoffentlich auch das Empfinden der Täter, etwas getan zu haben, womit sie Individuen und die gesamte Gesellschaft verletzt haben. Es kann nicht angehen, daß dieses Thema der sexuellen Gewalt und des sexuellen Mißbrauches zum Teil immer noch als Kavaliersdelikt dargestellt wird, daß vielfach in der Gesellschaft, in den eigenen Familien und in der Nachbarschaft weggeschaut wird, daß keine Zivilcourage geübt wird, weil man eben mit diesem unangenehmen Thema nichts zu tun haben will.

Wir brauchen die intensive Arbeit mit den Kindern, damit sich diese Kinder auch wehren können, damit sie aufstehen und sagen können, da geschieht mir Unrecht, da passiert etwas, was ich nicht zu akzeptieren brauche, was ich ablehnen kann und wogegen ich mich auch wehren kann. Dazu braucht es aber auch die Auseinandersetzung mit der Sexualität allgemein, und dazu braucht es auch eine neue Qualität einer aufgeschlossenen und modernen Gesellschaft.

Wir haben vieles auf den Weg gebracht, viele Maßnahmen gesetzt und viele Einzelprojekte verwirklicht, und wir wenden erfreulicherweise mehr und mehr Geld auf, um das alles auch zu garantieren. Aber nur gemeinsam werden wir erreichen können, daß der Mißbrauch von Kindern – ein Thema, das wir wohl nie gänzlich von der Tagesordnung werden nehmen können – so in dieser Gesellschaft bewertet wird, wie wir es den Kindern und den Frauen gegenüber verantworten können, nur gemeinsam werden wir erreichen können, daß wir diesen Kindern und Frauen so gegenübertreten können, wie wir ihnen gegenübertreten wollen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Abgeordneter Dr. Povysil. Die Restredezeit beträgt nur mehr 2 Minuten. – Bitte.

17.57

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Der Herr Bundeskanzler hätte heute bei seiner Beantwortung der Dringlichen Anfrage nicht so laut werden müssen: Schreien ist Aggression, Aggression ist Furcht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mißhandelte Kinder sind still, sie sind unendlich still. Sie bleiben alleine, sie können nicht mehr schlafen. Sie schreien in der Nacht, sie haben Kopfweh, sie haben Bauchschmerzen, sie nässen ein, sie koten ein. Sie sind ratlos. Wissen Sie, was sexueller Mißbrauch ist? Sexueller Mißbrauch ist Mord, Mord an der kindlichen Seele, meine Damen und Herren!

Einen Menschen, der durch Jahre hindurch Kinder und Jugendliche in seine Abhängigkeit gebracht hat, nach Verbüßung der Strafe sofort wieder in die Gesellschaft zu heben, sodaß er wieder Macht hat, das öffnet Tür und Tor für weitere Experimente dieser Art. 


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Die Opfer, meine Damen und Herren, sehen das so: Der eine, der Täter, hat seine volle Autorität wieder, kann auf renommiertesten Bühnen, in Museen und Medien auftreten. Die anderen versagen in der Liebe, sie leiden an Schlafstörungen und Depressionen. Sie stecken in der Psychose, sie können aus ihrem Leben nie wieder etwas machen. Wo, frage ich Sie, die Sie dafür verantwortlich sind, die Sie die politische Verantwortung für diese Aufführungen haben, wo ist die Bühne, wo ist die Aufführung für die Opfer? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Letzte Rednerin in dieser Debatte ist Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. – Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort. Ihre Redezeit beträgt 9 Minuten.

17.59

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren und Damen Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich bin sehr froh, daß Herr Bundesminister Bartenstein sehr ausführlich zu all den Maßnahmen Stellung genommen hat, die die Bundesregierung in den letzten Jahren gesetzt hat. Vor allem die Studie, von Frau Bundesminister Feldgrill-Zankel in Auftrag gegeben, mit dem Titel "Die Knospe" hat dazu beigetragen, daß dieses Tabuthema erstmals aufgebrochen ist. Ich bin sehr froh, daß er sehr ausführlich darüber berichtet hat, was seither gegen Gewalt an Kindern, gegen sexuellen Mißbrauch getan wurde und welche Maßnahmen noch gesetzt werden.

Lassen Sie mich aber ganz kurz auch auf die Doppelzüngigkeit bei den Freiheitlichen eingehen. Herr Abgeordneter Schweitzer hat darauf hingewiesen, daß die ÖVP der Wohnbauförderung für den Friedrichshof zugestimmt hätte. Ich darf ihn daran erinnern, daß auch der freiheitliche Landesrat Wagner dafür gestimmt hat, daß man ihm aber genauso wie allen anderen (Abg. Mag. Stadler: Das war gar nicht möglich! So ein Topfen! – Abg. Scheibner: Da hat es ihn noch gar nicht gegeben!) zugute halten muß, daß Wohnbauförderungen nach bestimmten Kriterien vergeben werden (weitere lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen)  – das tut Ihnen offensichtlich weh – (Abg. Haigermoser: Nein, das tut uns nicht weh!)  – und daß zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar war, was auf dem Friedrichshof später passieren wird. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Ganz anders verhält es sich allerdings mit dem freiheitlichen Abgeordneten und Jörg-Haider-Berater Sichrovsky, der, als die später erwiesenen Straftaten erstmals durchsickerten beziehungsweise erstmals an die Öffentlichkeit gelangt sind, jenen Straftäter beraten und möglicherweise nicht sehr gut beraten hat. (Abg. Dr. Haider: Falsch! – Abg. Haigermoser: Da nützt auch Ihre sich überschlagende Stimme nichts!) Dazu hätte ich gerne einige Fragen an den Jörg Haider gerichtet, der erfreulicherweise heute noch im Saal ist. Das wollen wir ihm zugute halten.

Herr Abgeordneter Haider! Haben Sie Ihren Berater Sichrovsky zu seiner Beratungstätigkeit für Otto Mühl befragt? Was, Herr Abgeordneter Haider, hat Ihnen Ihr EU-Abgeordneter und Berater Sichrovsky darauf geantwortet? Wenn er seine Beratungstätigkeit bestritten hat, Herr Abgeordneter Haider, haben Sie diese seine Aussagen im Sinne der Sauberkeit, auf die Ihre Partei ja bei den anderen so großen Wert legt, auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft? Und wenn Sichrovsky seine Beratertätigkeit zugegeben hat, Herr Abgeordneter Haider, welche Konsequenzen hat das für Ihren Berater Sichrovsky? (Abg. Haigermoser: Das können Sie ihn selbst fragen! – Abg. Dr. Haider, eine Unterlage in Richtung Rednerin haltend: Ich schenke Ihnen das!)

Wird Ihr Berater Sichrovsky weiter als Abgeordneter im EU-Parlament – zwar selten persönlich, aber zumindest nominell – für die Freiheitlichen vertreten sein? (Abg. Mag. Stadler: Ja! Ein klares Ja!) Und halten Sie diese enge Verbindung Ihres Beraters Sichrovsky zum Friedrichshof für einen "F"-Mandatar vereinbar? (Abg. Haigermoser: Er ist uns lieber als Frau Minister Flemming, die wegen Gesetzesbruchs zurücktreten mußte! Noch eine!) Wenn ja, wie vertreten Sie das mit Ihrem Sauberkeitsanspruch an die eigene Partei? Sie sind ja auch in diversen anderen Fällen in Ihrer Partei in den letzten Wochen mit Säuberungsaktionen nicht zimperlich gewesen! (Beifall bei der ÖVP.) Und wenn nein, werden Sie Ihren Generalsekretär, mit Handy und Sportwagen bewaffnet, nach Brüssel schicken oder, besser, nach Chicago, weil er ja in Brüssel den Herrn Sichrovsky nicht treffen wird, um diese Angelegenheit sauber erledigen zu können?


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Ich hoffe sehr, Herr Abgeordneter Haider, daß wir von Ihnen auf diese Fragen Antworten erhalten, und wenn schon nicht von Ihnen, dann vielleicht von der Frau Abgeordneten Partik-Pablé, der es als Richterin auch nicht gleichgültig sein kann, einen Kollegen zu haben, der Berater eines Kinderschänders war und der jetzt auch noch unter dem Verdacht der Zeugenbeeinflussung steht. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Schauen Sie sich doch an, wann das Gutachten war! – Abg. Haigermoser: Sie hätten am Faschingsdienstag reden sollen! Drei Tage zu spät! Ihre Rede wäre am Faschingsdienstag angebracht gewesen!)

Meine Damen und Herren! Weil es heute aber nicht nur um die Doppelzüngigkeit der Freiheitlichen Partei geht, sondern vielmehr um Kinder, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind oder werden könnten, lassen Sie mich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Hans Jarolim, Dr. Maria Theresia Fekter und Genossen betreffend konsequentes Vorgehen gegen alle Formen des Kindesmißbrauchs und gegen Gewalt an Kindern

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, zur Fortsetzung ihrer konsequenten Politik gegen alle Formen des Kindesmißbrauchs" (Abg. Mag. Stadler: Wo ist "ihre konsequente Politik"?!)

"1. dafür zu sorgen, daß die Reform des Sexualstrafrechts möglichst bald ein Ergebnis zeitigt und daß ein geeigneter Entwurf raschestmöglichst dem Nationalrat zugeleitet wird."

(Die Rednerin greift zum Wasserglas. – Abg. Haigermoser: Bei einer solchen Rede hätte ich auch einen trockenen Gaumen! Warum sind Sie so nervös?!) – Herr Präsident! Würden Sie bitte dafür sorgen, daß ich diesen Antrag in Ruhe verlesen kann! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Es ist auch schwer, Ihnen zuzuhören!)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete, setzen Sie bitte mit dem Verlesen des Antrages fort!

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (fortsetzend):

"2. zu prüfen, inwieweit ähnlich wie bei der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität im Bereich der Staatsanwaltschaften eigene Bereichsgruppen eingerichtet werden, die sich speziell mit Delikten gegen Kinder beschäftigen,

3. die flächendeckende Einrichtung von Notrufnummern für Kinder ernsthaft in Erwägung zu ziehen (zumindest in allen Landeshauptstädten),

4. sicherzustellen, daß in allen Schulen ab der 1. Klasse Volksschule umfassend und adäquat über Kindesmißbrauch informiert wird, um die Kinder in die Lage zu versetzen, erforderlichenfalls von sich aus Kontakt mit der zuständigen Behörde oder Vertrauenspersonen aufzunehmen,

5. alle übrigen Maßnahmen umzusetzen, die geeignet sind, Kinder zu schützen und Opfern von Gewaltdelikten umfassend zu helfen, insbesondere durch ausreichende und unentgeltliche Therapie,

6. täterbezogene Maßnahmen zur Verhinderung von Rückfällen zu intensivieren."

*****

Dieser Antrag liegt dem Präsidium vor. (Abg. Mag. Stadler: Ein schwacher Antrag!)

Meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh darüber, daß gerade mit der Enttabuisierung dieses Themas und nach den ersten Aktivitäten – dazu zählt zum Beispiel die Gründung des Vereins "Die Möwe", zu dessen Mitbegründerinnen ich vor mehr als sieben Jahren gehört habe – hier


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erstmals Taten gesetzt werden, die bewirken sollen, daß die Opfer von Sexualdelikten aus ihrer Anonymität heraustreten und auch bereit sind, über dieses traumatische Erlebnis zu reden und damit den ersten Schritt für ihre Therapie und die Hilfe, die sie benötigen, setzen.

Ich bin auch sehr froh darüber, daß schon im Jahr 1992, unmittelbar nach Vorliegen dieser Studie im Familienministerium – das war eine meiner ersten Handlungen als Familienministerin –, die Plattform gegen Gewalt in der Familie gegründet wurde, in der alle Organisationen vertreten sind, die mit Gewalt gegen Kinder in der Familie, mit sexueller Gewalt zu tun haben. Dadurch ist erstmals auch eine Vernetzung dieser Einrichtungen zustande gebracht worden. Ich bin froh darüber, daß in der Weiterführung dieser Bestrebungen mit der "Lobby für Kinder" eine intensive Tätigkeit gegen Gewalt – nicht nur gegen Gewalt in der Familie, sondern zum Beispiel auch gegen jene im Fernsehen – und für präventive Maßnahmen begründet und damit etwas erreicht wurde, was zwar die sexuelle Gewalt noch nicht verhindern kann, aber vielleicht und hoffentlich möglichst viele Kinder schützen kann. Lassen Sie uns alle gemeinsam daran arbeiten! (Beifall bei der ÖVP.)

18.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Entschließungsantrag, den Frau Abgeordnete Rauch-Kallat verlesen hat, ist geschäftsordnungsgemäß unterstützt und wird in die Verhandlungen mit einbezogen.

Es liegt jetzt eine Wortmeldung des Herrn Abgeordneten Dr. Salzl zu einer tatsächlichen Berichtigung vor. – Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen dazu das Wort. Redezeit: 2 Minuten. Bitte beginnen Sie mit der Behauptung, die Sie berichtigen wollen.

18.08

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frau Abgeordnete Rauch-Kallat hat gesagt, der freiheitliche Landesrat Wagner hätte der Wohnbauförderung für den Friedrichshof zugestimmt. – Das ist unrichtig!

Ich berichtige tatsächlich: Zu dem Zeitpunkt, als die Wohnbauförderung für den Friedrichshof beschlossen wurde, gab es keinen freiheitlichen Landesrat, und die Freiheitlichen waren auch nicht im Wohnbauförderungsbeirat vertreten. Und als der Mißbrauch dieser Gelder eklatant wurde, waren die Freiheitlichen die ersten, die die Rückzahlung dieser Gelder gefordert haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Lebhafte Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Haider – in Richtung des Abg. Mag. Steindl –: Das zweite Eigentor heute!)

18.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist daher geschlossen.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, um abstimmen zu können. (Abg. Rauch-Kallat, in Richtung der Freiheitlichen: Jetzt gehört euch der Wagner, ätsch! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und den Freiheitlichen. – Unruhe im Saal.)

Meine Damen und Herren! Vielleicht kann man sich wenigstens für den Zeitpunkt der Abstimmung etwas beruhigen!

Wir stimmen zunächst ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Haider und Genossen betreffend Maßnahmen gegen Kindesmißbrauch und Kinderpornographie.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt .

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Jarolim, Dr. Fekter und Genossen betreffend konsequentes Vorgehen gegen alle Formen des Kindesmißbrauchs und gegen Gewalt an Kindern.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Dieser Antrag ist mit Mehrheit angenommen . (E 105.)


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Kurze Debatte über Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nun zu einer kurzen Debatte, die den Antrag des Abgeordneten Mag. Peter betrifft, dem Wirtschaftsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 513/A betreffend Gesetzesfolgenabschätzungsgesetz eine Frist bis 24. März 1998 zu setzen.

Wenn diese Debatte beendet ist, wird die Abstimmung über diesen gegenständlichen Fristsetzungsantrag stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein, und ich rufe in Erinnerung, daß nach § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf. Der Erstredner hat für seine Begründung eine Redezeit von 10 Minuten. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung und von Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Ich erteile zunächst dem Antragsteller, Herrn Abgeordneten Mag. Peter, das Wort. Für seinen Debattenbeitrag ist eine Redezeit von 10 Minuten vorgesehen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.12

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Folgekosten von Gesetzen für die Wirtschaft beschäftigen nicht nur internationale politische Foren, sie beschäftigen auch die Wirtschaft in Österreich – und insbesondere beschäftigen sie die Frau Dr. Maria Fekter, wofür ich ihr sehr dankbar bin. (Abg. Dr. Fekter ist stehend in ein Gespräch mit Fraktionskollegen vertieft, die ihr die Sicht zum Rednerpult verstellen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) – Ich muß es lauter sagen, sie hört es nicht. (Ruf bei der ÖVP: Noch einmal!)

Es geht um die Folgekosten von Gesetzen für die Wirtschaft und für die österreichischen Haushalte. Da gibt es eine internationale Parallele. (Abg. Dr. Fekter hat das Gespräch beendet und nimmt wieder Platz.)  – Es ist gut, Frau Dr. Fekter, wenn Sie da bleiben, weil ich sehr auf Ihre Unterstützung hoffe. – Die Holländer, die bereits sehr viel für die Reform ihres Staatswesens getan haben, haben klare Vorschriften, klare Spielregeln, nach denen Gesetze auch hinsichtlich der Folgekosten für Unternehmungen betrachtet werden müssen. In Großbritannien gibt es ein "compliance cost assessment", und sogar die Kommission der Europäischen Union will, daß ihre Regeln nach denkbaren Folgen für Unternehmungen überprüft werden. Es gibt eine Entschließung des Rates vom Dezember 1992, meine Damen und Herren, in der es darum geht, daß die Belastungen für die Unternehmen bei der Beurteilung von gesetzlichen Vorschriften zu berücksichtigen sind. Österreich ist dieser Entschließung des EU-Rates bisher nur mangelhaft nachgekommen, ich würde sogar sagen, nicht nachgekommen.

Wir in Österreich beschäftigen uns immer noch mit der Frage, wie sehr denn unsere gesetzgebende Tätigkeit sich mit der Belastung der Verwaltung, des Bundes, der Länder und Gemeinden beschäftigt. Es ist auch sehr sinnvoll, daß man darüber nachdenkt. Es gab zu diesem Thema eine parlamentarische Enquete am 5. Mai 1996, bei welcher man sich aber ausschließlich damit beschäftigt hat, welche Auswirkungen die Gesetze auf die Gebietskörperschaften und die Verwaltung haben.

Es gab außerdem einen diesbezüglichen Antrag von Dr. Khol und Dr. Kostelka vom 31. Oktober 1996. Dieser Antrag ist im Parlament noch nicht behandelt worden. Aber auch in diesem Antrag, lieber Herr Dr. Khol, wird wiederum ausschließlich die Frage gestellt, was die Gesetze die Bürokratie kosten. Auch in diesem Antrag stellen Khol und Kostelka nicht die Frage, welche Kosten aus den Gesetzen den Unternehmungen, den Normadressaten in Österreich erwachsen.

Es gab auch eine Anfrage von Herrn Dipl.-Ing. Prinzhorn von den Freiheitlichen an den damaligen Finanzminister Mag. Klima. Dieser gab ihm auf die Frage: "Sind Sie interessiert daran, was Gesetze die Unternehmungen in diesem Land kosten?" trocken und nüchtern zur Antwort – ich zitiere wörtlich –: "Nur hinsichtlich der voraussichtlich vermehrten Ausgaben für den Bund und für andere Gebietskörperschaften würde ich es prüfen, nicht aber für die öster


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reichische Wirtschaft insgesamt. Es bleibt den Interessenvertretungen im Rahmen ihrer Begutachtungsrechte vorbehalten, entsprechende Berechnungen anzustellen."

Meine Damen und Herren! Wen nimmt es Wunder, daß sich österreichische Unternehmungen heute als Normadressaten dieser Gesellschaft in der ganz faszinierenden Situation befinden, daß sie von allen mit gut gemeinten, neuen Vorschlägen und Ratschlägen bedacht werden, während die Kosten, die daraus entstehen, sich klammheimlich kumulieren? – Meine Damen und Herren! Es ist nicht die einzelne Maßnahme! Es sind nicht das Arbeitnehmerschutzgesetz und seine Kosten per se, die das Problem darstellen. Es sind nicht die Umweltgesetze per se. Es sind nicht die neuen Verordnungen, etwa jene, daß mittlere GesmbHs jetzt ein Testat brauchen. Es sind nicht, im einzelnen gesehen, die arbeits- und sozialrechtlichen Normen. Es sind nicht, im einzelnen gesehen, die Normen aus dem Bäderhygienegesetz, aus dem Lebensmittelgesetz und so weiter und so fort. Es ist die Summe der Normen, die fortwährend aus diesem und jenem Ausschuß, aus diesem und jenem Landtag und aus dem Parlament kommen und sich in den Unternehmungen letztlich kumulieren. Das, meine Damen und Herren, ist der Wahnsinn! (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn.  – Abg. Böhacker: Du hast die Steuergesetze vergessen!) – Die Steuergesetze will ich nicht vergessen, lieber Hermann Böhacker, weil sie auch sehr wichtig sind.

Es geht darum, einmal dem Gesetzgeber klarzumachen: Du hast einen Normadressaten, du beschließt ein Gesetz nach dem anderen, in immer unterschiedlichen Feldern, aber die Kosten, die daraus entstehen, summieren sich in den Unternehmungen! – Wundert es Sie, meine Damen und Herren des Hohen Hauses, daß immer weniger Leute bereit sind, Selbständige zu werden, aus dem geschützten Bereich der Unselbständigkeit hinauszugehen in den kalten Regen der Selbständigkeit und dort für alles zuständig zu sein?

Wissen Sie, was Unternehmertum heißt? – Unternehmertum heißt, für alles zuständig zu sein und jeden Tag einen anderen Kontrollor zu haben! Ich sage Ihnen: Das, was dieses Hohe Haus an Kosten an die Unternehmungen weitergereicht hat, ist eine klassische, eine dramatische Verschlechterung des Wirtschaftsstandortes Österreich! Dort, wo die Kosten über eine höhere Produktivität weitergegeben werden konnten, in marktgängigen Lohn-Stück-Kosten, in marktgängigen Preisen, dort hat es funktioniert. Aber in den Bereichen, in welchen dieses Weitergeben an den Markt über den Preis nicht möglich war, hat das zu einer sehr schwierigen wirtschaftlichen Lage, vor allem der kleinen und mittleren Betriebe, geführt. Wir erleben, daß die größeren Betriebe zwar Gott sei Dank in Österreich steigende Eigenkapital- und Umsatzrenditen haben, daß aber die kleineren Betriebe in Österreich durch die Bank sinkende Eigenkapital- und Umsatzrenditen haben.

Es war also sinnvoll, am 8. Juli 1997 – dem Vorschlag von Frau Dr. Fekter folgend – ein Gesetzesfolgenabschätzungsgesetz hier im Haus einzubringen, ein Gesetz, von dem wir glauben, daß es von Frau Dr. Fekter gut ausgearbeitet war. Und sie ließ uns in einem Buch wissen, daß die weitere Vorgangsweise folgende sein sollte – ich zitiere wörtlich –: "In einer internen Arbeitsgruppe wird an diesem Vorschlag derzeit gearbeitet. Die parlamentarische Beschlußfassung ist für Herbst 1997 ins Auge gefaßt."

Wenn ich mich nicht irre, ist jetzt Februar 1998, und geschehen ist nichts. Aber von Worten, Stehsätzen und Sonntagsreden können wir nicht leben, meine Damen und Herren! Da geht es um ein ganz klares Bedürfnis der österreichischen Wirtschaft, nämlich zu wissen, was an Kosten auf sie zukommt, und zu verhindern, daß es zu einer Kumulation von Kosten aus der die verschiedensten Bereiche betreffenden Gesetzesarbeit in den Ausschüssen kommt!

Meine Damen und Herren! Ich schlage Ihnen daher vor: Drücken wir uns nicht vor diesem Thema! Wir können es doch zumindest diskutieren und behandeln. Sie von den Koalitionsparteien, liebe Abgeordnete von der ÖVP und von der SPÖ, können nicht alles aussitzen. Sie können nicht alles so lange liegen lassen, bis es schimmelig und unaktuell wird. Sie müssen sich doch mit den Dingen beschäftigen, damit, was eine Abgeordnete der Regierungsfraktion ausgearbeitet hat und wo ich die Rolle übernehmen durfte, es für sie einzubringen, weil sie es offensichtlich gegenüber ihrem "Zuchtmeister" Khol in der Klubsitzung nicht durchgebracht hat.


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Meine Damen und Herren! Ich fordere Sie im Sinne einer sinnvollen parlamentarischen Arbeit auf, einmal abseits von dem kleinkarierten Hickhack etwas zu tun, was wirklich notwendig ist, nämlich an sich selbst im Umweltausschuß, im Finanzausschuß, in allen Ausschüssen des Hohen Hauses die Frage zu stellen: Was beschließen wir an neuen Regelungen, und was kostet das nicht nur die Verwaltung, sondern auch die Wirtschaft? – Und damit ziehe ich einen abschließenden Bogen zum Beginn dieser zwei Plenartage.

Wir haben uns am ersten Plenartag über die Frage des Beschäftigungsprogramms der Bundesregierung unterhalten. Eines ist klar: Beschäftigung wird nur in Unternehmungen stattfinden, es sei denn, Sie wollen den Staatssektor ausweiten. Die jetzige gesetzliche Situation führt aber offensichtlich dazu, daß die Beschäftigung weniger wird. Das kann nicht im Interesse dieses Hohen Hauses sein! (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich erteile als nächstem Redner Herrn Abgeordneten Marizzi das Wort und mache gleichzeitig darauf aufmerksam, daß für alle folgenden Rednerinnen und Redner eine Redezeitbeschränkung von 5 Minuten gilt.

18.20

Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Peter, ich muß Ihnen widersprechen: Sie haben gesagt, es gebe eine dramatische Verschlechterung des Wirtschaftsstandortes Österreich. Wenn Sie so etwas sagen, dann heißt das für mich, daß Sie keine Zeitungen lesen. Wenn Sie schon nicht glauben, was die Regierung sagt, dann lesen Sie wenigstens Zeitungen. Ich lese nur: Der Export wächst, bei der Arbeitslosigkeit sind wir das Schlußlicht, wir haben ein freundliches Investitionsklima. (Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. ) Wir sind trotz der derzeitigen Höhe der Arbeitslosigkeit Schlußlicht in Europa, was die Arbeitslosigkeit angeht. Das ist nicht zu leugnen.

Herr Kollege Peter! Die Kernfrage der ganzen Thematik, die Sie vortragen, ist, daß Sie zwar auf der einen Seite Deregulierung, letztendlich aber mehr Regulierung wollen, denn auf der einen Seite sagen Sie: Weniger Staat!, aber auf der anderen Seite verlangen Sie Kostenkontrollen, mit denen wieder ein Heer von Leuten, die Kalkulationen machen müssen, geschaffen würde.

Sie als Unternehmer müßten eigentlich wissen, daß ein Kalkulant auch etwas kostet. Vielleicht bekommen wir dadurch mehr Verwaltung, aber die Entscheidungsabläufe werden sicher langsamer, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir alles noch einmal prüfen, noch einmal drehen und wenden. Und ich frage mich: Wird dadurch die Genauigkeit größer?

Weil Sie die Frau Fekter angesprochen haben: Die Frau Fekter hat das schon schubladiert, und die Frau Kollegin Frieser hat sich auch nicht mehr dazu zu Wort gemeldet. (Abg. Dr.  Fekter: Wir werden aber heute mitstimmen! Von Schubladieren kann gar keine Rede sein!)

Sehr geschätzter Herr Kollege Peter! Wir haben eine tatsächliche Budgetunschärfe oder -schärfe – ich weiß, daß das jetzt nicht das unmittelbare Thema ist – von 1 Prozent. Das kann man als Maßstab anlegen, und wenn man, so wie Sie, eine 100prozentige Kostengenauigkeit bezüglich der Durchführung von Gesetzen will, dann kann ich Ihnen sagen, daß wir da (Abg. Dr. Fekter: Nicht für das Budget, für den Normadressaten!)  – ich weiß es, ich sage es ja nur als Beispiel; Sie müssen mir zuhören, Frau Kollegin Fekter! – etwa 2 Prozent Kosten mehr haben werden. 2 Prozent Kosten mehr bei 220 000 – um bei diesem Beispiel zu bleiben – sind 25 Milliarden Schilling. Das also kostet Ihr Vorschlag! (Abg. Mag. Peter: Bei der Milchmädchenrechnung wird die Milch sauer!)

Wir stecken das lieber in die Exporte, wir stecken das lieber in die Wirtschaft, Herr Kollege Peter. Ich habe Ihr Buch gelesen, das haben Sie mir zur Verfügung gestellt. Wir haben das IHS, das Wifo, und wissen Sie, was unsere Experten sagen, Herr Kollege Peter? – Sie sagen, wenn wir das wollen, was Sie vorschlagen und was die Kollegin Fekter vorgeschlagen hat, dann brauchen wir 20 Wifos. 20 Wifos bräuchten wir, damit wir dann vielleicht auf eine Schärfe von 2 bis 3 Prozent kommen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. )


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Herr Kollege Peter! Ich gebe gerne zu, daß Verbesserungen notwendig sind, aber warum haben Sie dann den Haushaltsausschuß, den wir vorgeschlagen haben, abgelehnt, einen Haushaltsausschuß ähnlich wie in der Bundesrepublik Deutschland? Dazu haben Sie im Geschäftsordnungsausschuß gesagt: Das kommt für uns nicht in Frage! Da hätte das Parlament mehr Mitsprache gehabt, auch die Opposition, aber das wollten Sie nicht. (Abg. Böhacker: Da bedarf es keiner zusätzlichen Beamten!) Ich glaube, Sie wollen eine Aufblähung der Administration oder eine Auslagerung zu Ihren Freunden hin, die diese Arbeit machen. Damit wollen Sie neue Unternehmen gründen. Oder Sie wollen einen Machtzuwachs der Experten haben, Herr Kollege Peter, und eine Verlangsamung der Entscheidungsabläufe. Deshalb geben wir diesem Ihrem Vorschlag nicht unsere Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

18.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nun ist Herr Abgeordneter Dr. Khol zu Wort gemeldet. – Bitte.

18.24

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir von der Österreichischen Volkspartei sind der Ansicht, daß der Gesetzgeber verläßliche Zahlen an der Hand haben muß, um entscheiden zu können, was ein Gesetz für den Staatshaushalt aller Gebietskörperschaften bedeutet und was ein Gesetz in den Folgekosten auch für diejenigen bedeutet, die sich an dieses Gesetz zu halten haben. Diesem Grundsatz folgend haben wir als erstes einmal bei uns selber begonnen und haben den Konsultationsmechanismus in das Hohe Haus gebracht, wo der Grundsatz festgehalten wird, daß alle Gesetze in Zukunft mit Folgekosten genau berechnet werden müssen und daß auch klargestellt werden muß, was jedes Gesetz an Kosten für die Gebietskörperschaften Bund, Länder und Gemeinden bedeutet. (Abg. Mag. Peter: Was ist mit den Unternehmungen?)

Diesem Gesetz haben die Liberalen bis jetzt Ihre Zustimmung nicht gegeben.

Wir haben dann als weiteren Schritt, um Kostenwahrheit zu erzielen, gesagt: Wir wollen, daß die Bundesregierung alle Gesetze, die sie in dieses Hohe Haus bringt, nicht mehr wie bisher mit den Worten "Kosten unwesentlich!" oder "Kosten: derzeit keine!" oder "Kosten: dieses Jahr ein A-Beamter, nächstes Jahr ein halber B-Beamter, übernächstes Jahr gar nichts!" bewertet, also mit Begründungen versieht, die man auf tirolerisch mit "Schmecks!" bezeichnet, sondern daß da echte Zahlen vorliegen.

Die Bundesregierung hat, diesem ständigen Drängen entsprechend, letzte Woche eine Verordnung im Amtsblatt der Österreichischen Finanzverwaltung veröffentlicht, in welcher die gesamten Regelwerke für die Berechnung der Folgekosten der Gesetze dargelegt sind. (Abg. Mag. Peter: Und was ist mit den Unternehmungen?)  – Hören Sie zu, Herr Peter! Sie waren nicht im Geschäftsordnungsausschuß, und man hat Sie unwissend sterben lassen. Sie kennen diese Dinge nicht. – Wir, Kostelka und ich, haben nämlich im Geschäftsordnungsausschuß den Antrag eingebracht, daß auch wir selbst die Initiativanträge und auch die Abänderungsanträge, die wir in diesem Hohen Haus einbringen, nach den gleichen Modellen berechnen. Doch da waren es Sie von den Liberalen, und da waren es die Damen und Herren Abgeordneten von den Grünen, und da waren es die Freiheitlichen, die gesagt haben: Unter keinen Umständen, das kommt ja überhaupt nicht in Frage, das ist ja eine Knebelung der Opposition! Daraufhin haben wir gesagt: Okay, wir warten ein Jahr ab, bis wir sehen können, wie die Praxis mit der Kostenrechnung bei Gesetzen in Vollzug des neuen Haushaltsrechtes aussieht, und dann werden wir unser weiteres Interesse diesen Kostenfragen zuwenden. Da haben auch Sie gesagt, daß Sie dann allenfalls bereit sein werden, da mitzugehen. Diesen Zeitplan wollen wir einhalten, und wir lassen uns nicht durch populistische Fristsetzungsanträge von Unwissenden jagen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.27

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Haigermoser. – Bitte.

18.27

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich wäre fast versucht, jetzt den Kollegen Peter zu verteidigen. Ich habe nämlich den Eindruck,


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meine Damen und Herren, daß wir ein wenig aneinander vorbeireden. Es wird offensichtlich – unbewußt oder bewußt – nicht verstanden, worum es da geht.

Peter Marizzi, es ist richtig, daß es der OMV glänzend geht. Die Bilanzen sind ein Traum, und warum, das wissen wir: Weil die Spotpreise in Rotterdam gesunken sind und die OMV-Monopolisten die Preise nicht an die Verbraucher weitergeben. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Das ist das Problem, das du hast! Aber auf der anderen Seite schaut es bei den klein- und mittelständischen Unternehmungen zappenduster aus, unter anderem auch wegen der ausufernden Bürokratie. (Abg. Marizzi: Steigerung unserer Exporte ...!)

Da gibt es Zeitzeugen sonder Zahl, Kollege Marizzi, wir brauchen keine 20 Wifos, wir brauchen nur den Hausverstand in diesem Hohen Hause wieder einzuführen und Gesetze zu schaffen, die vollziehbar sind – und nicht Werkvertragsregelungen, die pausenlos vor dem Verfassungsgericht landen und wieder an das Haus zurückverwiesen werden. Das, meine Damen und Herren, ist Bürokratie, welche Kosten verursacht und junge Menschen nicht animiert, sich selbständig zu machen und Arbeitsplatzsicherung zu betreiben.

Natürlich entbehrt es nicht einer gewissen Groteske, jetzt mit einem Gesetz, mit Bürokratie wieder Bürokratie abschaffen zu wollen, aber es gibt doch einen einstimmigen Entschließungsantrag dieses Hohen Hauses, in welchem eine ähnliche Vorgangsweise wie im Peter-Vorschlag bereits beschlossen wurde. Die Regierung schert sich einen feuchten Kehricht um diesen einstimmigen Beschluß des Hauses und sagt: Das interessiert uns nicht, Schublade, ab die Post, wir gehen zur Tagesordnung über! Und das sollte sich ein Parlament, welches auf Selbstverständnis und Selbstwert Wert legt, nicht gefallen lassen, gleich, in welcher Partei man tätig ist, meine Damen und Herren. (Ruf bei der SPÖ: Kein Applaus!)

Das hat mit Applaus nichts zu tun, das ist eine inhaltliche Auseinandersetzung, Kollege. Du solltest einmal einen Betrieb gründen und dort Arbeitsplätze schaffen, dann reden wir miteinander, aber ich bitte, nicht zu meinen, aus der "satten" Hinterbank Zurufe an die Klein- und Mittelständler machen zu müssen. Das ist ein wenig dürftig, wenn wir uns wirklich unterhalten wollen, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn eine Tageszeitung titelt, die Gründerwelle, die Sie ausgerufen haben, nicht wir, rolle an Österreich vorbei, die Selbständigenquote liege weit unter dem EU-Durchschnitt – 6,8 Prozent in Österreich, 12,8 Prozent in der EU –, dann ist doch irgendwo ein Fehler, dann kann doch was nicht stimmen.

Einerseits sind die Vergleichszahlen bereits auf dem Tisch – da brauchen wir kein Wifo, denn diese Zahlen haben schon andere erarbeitet –, auf der anderen Seite tun Sie nichts dazu, um diese Gründerwelle auf die Reihe zu bringen. Da kündet die Frau Frieser großspurig an, sie werde nie und nimmer neuen Bürokratiemonstern in diesem Hause zustimmen, um dann liegend umzufallen, meine Damen und Herren! Sie stimmt dann sehr wohl zu, und es ist zuwenig, daß sie in diesem Zusammenhang einmal in der Zeitung war.

Meine Damen und Herren! Noch dazu verkünden dann die Wirtschaftskämmerer in ihren Gazetten, daß die Entlastung der Firmen überfällig wäre. Mit einem neuen Bürokratiemonster, das mit der Verdienststrukturerhebung beschäftigt ist, kommen aber wieder neue Lasten auf die Mittelständler zu, und damit wird wieder ein Mosaiksteinchen an Belastungen, an Bürokratie gesetzt. Herr Stummvoll sagt wörtlich: Das darf nicht sein!, aber als Abgeordneter einer Regierungsfraktion ist er dann nicht bereit, das auch tatsächlich umzusetzen. Hier wird Ihnen wieder einmal der Spiegel vorgehalten.

Ich bin dem Kollegen Peter dankbar, daß wir heute darüber diskutieren. Wir werden leider Gottes – oder Gott sei Dank, wie immer Sie das sehen – diese Diskussion fortführen müssen, meine Damen und Herren, weil Sie offensichtlich nichts dazugelernt haben. Das geht aus den Ausführungen von Khol und Marizzi ganz deutlich hervor. Sie sind nicht bereit, Ihre Versprechungen aus Sonntagsreden auch einzuhalten.


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110. Sitzung / Seite 146

Meine Damen und Herren! Daher ist es nur recht und billig, daß Jungunternehmer gefordert haben – es war dies geradezu ein Aufschrei! –, man solle sie von diesen Zwängen, von diesen Fesseln der Bürokratie befreien, daß sie eine drastische Reduzierung der Gesetzesflut verlangt haben, die Eindämmung der Überreglementierung, die Rücknahme von Auflagen, die nicht vollziehbar sind, nicht finanzierbar sind, daß sie gefordert haben, den Überprüfungsdschungel zu lichten, Lohnverrechnung zu vereinfachen et cetera. Das ist ein Hilferuf an das Parlament!

Meine Damen und Herren! Diesen Hilferuf haben wir sehr wohl vernommen, und wir werden diesem Fristsetzungsantrag zustimmen in der Hoffnung, daß auch Sie, eingedenk der Tatsache, daß wir gemeinsam die Verantwortung für die Lehrlinge, für die Betriebe in unserem Lande tragen, zustimmen werden und daß Sie keine 20 Wifos gründen, sondern geeignete Maßnahmen setzen wollen, die keinen Groschen, keinen Centesimo an Mehrkosten verursachen würden. (Beifall bei den Freiheitlichen und beim Liberalen Forum.)

18.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt noch eine Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Van der Bellen vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.32

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ohne mich jetzt in jedem einzelnen Punkt Herrn Kollegen Peter oder Herrn Haigermoser anzuschließen und ohne mich vor allem der Poetik, wenn ich das so ausdrücken darf, des Herrn Peter anzuschließen – wenn ich mich recht erinnere, sprachen Sie, Herr Abgeordneter Peter, von der "geschützten Wärme" für den Arbeitnehmer einerseits und vom "kalten Regen" für den Unternehmer andererseits; ob das immer so ist, lassen wir einmal dahingestellt sein (Abg. Böhacker: Aber eine gewisse Berechtigung hat es schon!), aber grundsätzlich haben Sie recht, Herr Kollege Peter –, werden die Grünen diesem Antrag zustimmen.

Was die Regierungsparteien übersehen und was, so glaube ich, auch Herr Kollege Khol heute übersehen hat: Es kann ja gar keine Rede davon sein, daß nur für den budgetären Bereich von Bund, Ländern und Gemeinden Folgekosten erwachsen, sondern es entstehen auch im Unternehmensbereich und, wie ich hinzufügen möchte, Herr Kollege Peter, auch im privaten Bereich, im Bereich der privaten Haushalte, Folgekosten. Und das, was wir gestern anläßlich Ihres Dringlichen Antrages besprochen haben, ist ja gerade ein Beispiel dafür, was alles an "privaten Kosten" – unter Anführungszeichen –, Zeitkosten zum Beispiel, bei den Werkverträgen und so weiter entsteht.

Es betrifft ja gar nicht alles notwendigerweise den Unternehmensbereich. Da gibt es auch Private, die davon betroffen sind. Im Sozialrecht beispielsweise treten solche Fragen auf. Diese Thematik ist also sicher unterbelichtet, und ich bin daher ganz froh, daß Sie diesen Antrag gestellt haben. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

18.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag, dem Wirtschaftsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 513/A betreffend Gesetzesfolgenabschätzungsgesetz eine Frist bis 24. März 1998 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um eine entsprechende Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt. (Demonstrativer Beifall des Abg. Haigermoser. )

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich nehme jetzt die Verhandlungen über den 3. Punkt der Tagesordnung betreffend den Sonderbericht des Rechnungshofes über das Beschaffungswesen des Bundesheeres, Vierter und letzter Teilbericht, wieder auf.


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110. Sitzung / Seite 147

Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jung zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.35

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte ursprünglich nur einen Ablauf der fehlgeschlagenen Beschaffungsvorgänge als Beispiel nehmen und abhandeln, aber die Ausführungen des Herrn Ministers und die Halleluja-Gesänge zum – wie hat er es bezeichnet? – "intensivsten Prüfungsvorgang" aller Zeiten kann man nicht unwidersprochen hinnehmen.

Ich erinnere diejenigen, die im Unterausschuß waren und die es anscheinend vergessen haben, und ich erzähle den anderen Kollegen hier im Hause, wie es tatsächlich gewesen ist.

Es gab Vorgänge, die wir zu prüfen hatten, die folgendermaßen aussahen: Ein Blatt Papier, eine Geschäftszahl, eine Summe und die Bezeichnung der Beschaffung. Quer darüber war gestempelt: "Geheim". Das waren die Unterlagen, anhand derer wir Prüfungen vornehmen sollten!

Die Sozialisten brauchen da gar nicht zu lächeln, denn sie haben das geduldet. Ich verstehe schon, daß es Zwänge im Rahmen einer Koalition gibt, aber Prüfung kann man das nicht nennen.

Ich bringe noch ein zweites Beispiel aus der ganzen Angelegenheit. Den Wifo-Bericht, der auch eine wesentliche Grundlage unserer Information gebildet hat, haben wir ursprünglich gar nicht bekommen. Das Ministerium ist nicht damit herausgerückt, bis wir nachweisen konnten, daß dieser Bericht schon Monate vorher der Wirtschaftskammer zur Verfügung gestanden ist. Erst dann hat man ihn den freigewählten Vertretern dieses Hauses zur Verfügung gestellt. Und das nennt sich Transparenz, Herr Bundesminister?! Das ist die – wie haben Sie so schön gesagt? – "intensivste Prüfung aller Zeiten"? Also es ist wirklich eine Pflanzerei, das so zu bezeichnen!

Nun konkret und kurz, da die Zeit drängt, zum Ablauf eines einzigen solchen Beschaffungsvorganges, nämlich jenes bei den Radpanzern.

Das Außenministerium hat im Mai 1993 festgestellt, daß zum Zwecke der Erhöhung der Beweglichkeit und des Schutzes der Soldaten dringend – dringend! – Radpanzer zu beschaffen wären, und Sie wollten 68 Stück davon haben. Weil es so dringend war, wurde, so schreibt der Rechnungshof, der Möglichkeit, das Vorhaben in die damals befindliche größere Beschaffung von Radpanzern einzubeziehen, nicht nähergetreten. Die ressortinternen Planungsvorhaben – Ihre eigenen! – wurden nicht eingehalten. Es gab keine qualitative und quantitative Bedarfserhebung.

Es fehlte also die Voraussetzung für jeden Einkauf: Man hat nicht gewußt, wieviel und wie sie genau ausgestattet sein sollen. Sanitätsfahrzeuge fehlten. Dann kam die freihändige Vergabe, nachdem ursprünglich eine andere Vergabe erfolgt ist. Das heißt, das Ganze war zugeschnitten auf ein Unternehmen, zugegeben: ein österreichisches, aber mit dieser Art der Beschaffung begibt man sich völlig in die Hände des Unternehmens, das dann alles diktiert und einem einfach keine Möglichkeit mehr gibt, vernünftige Bedingungen auszuhandeln.

Aber es kommt noch schlechter. Es wurde eine Arbeitsgruppe zur Bewertung gebildet, aber diese Arbeitsgruppe hatte keinen Bewertungskatalog. Das wäre nach Ansicht des Rechnungshofes auch bei einem dringlichen Vorhaben notwendig und möglich gewesen. Und dann, nach der Zuschlagerteilung, kam das nächste: Bedingungsänderungen zu Lasten des Ministeriums. Wir haben auf Geld verzichtet, das hätte hereinkommen können. Allein bei diesem Vorhaben sind das 5,5 Millionen Schilling, bei den gesamten geprüften Berichten über 50 Millionen Schilling, und das sind in Relation zu Ihrem Budget insgesamt keine Peanuts, Herr Minister. (Abg. Hans Helmut Moser spricht mit dem auf der Regierungsbank sitzenden Bundesminister Dr. Fasslabend.)  – Kollege Moser, laß bitte den Herrn Minister zuhören; es wäre ganz wertvoll, er könnte sich vielleicht etwas davon merken.


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110. Sitzung / Seite 148

Der Minister sagt, daß nur wir immer kritisierten. – Es hat der Rechnungshof kritisiert, es hat das Bundesministerium für Finanzen kritisiert, und es hat auch sein eigenes Kontrollbüro, bitte, die Vorgänge kontrolliert. Ja sind die wirklich alle so daneben? Hat nur der Herr Minister die höchste Weisheit, der von der "intensivsten Prüfung aller Zeiten" spricht, die gezeigt habe, daß alles in Ordnung sei? So war es nicht! Die finanzielle Bedeckung beim Vertragsabschluß war ungeklärt. Folge: Vier Monate Verzögerung, und das bei einer so dringenden Beschaffung, wo man für eine Ausschreibung keine Zeit mehr gehabt hat!

Der vereinbarte Zeitplan wurde vom Lieferanten nicht eingehalten, drei wesentliche Kriterien, die vorher als sehr wichtig erachtet wurden, haben plötzlich nichts gegolten. Man hat aber nichts vom Preis heruntergehandelt, keinen Groschen! Und das hinterläßt natürlich einen schlechten Nachgeschmack. Der Rechnungshof kritisiert das auch mit Recht. Und dazu kommen dann noch nachträglich zusätzliche Ausstattungen – Kritik über Kritik. Das ist kein Beschaffungsvorgang, mit dem Sie in der Privatwirtschaft hätten reüssieren können, Herr Minister! Ich wundere mich, was Sie dort eigentlich gelernt haben, wenn das bei Ihnen im Büro so durchgehen kann.

Für uns stellt sich die Frage: Sind da wirklich – denn die Fehler liegen eindeutig im Beschaffungsvorgang – unbelehrbare und fachlich ungeeignete Verantwortliche am Werk? Oder aber – und das wurde heute schon angesprochen – wurde da vielleicht politischer Druck ausgeübt? Oder – die letzte Frage – ist der politische Entscheidungsträger vielleicht überfordert, Herr Minister? Das sollten Sie sich durch den Kopf gehen lassen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.40

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.40

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Bundesminister! Wenn man die Diskussion verfolgt hat, die bisher zum vorliegenden Rechnungshofbericht über das Beschaffungswesen des Bundesheeres geführt wurde, könnte man versucht sein, zwei positive Punkte zu sehen:

Erstens: Der Rechnungshof hat nach genauester Prüfung festgestellt, daß es keine wie immer geartete illegale Zahlung im Zusammenhang mit der Heeresbeschaffung gegeben hat.

Der zweite "positive" – da ist schon ein Anführungszeichen zu setzen – Punkt könnte sein: Der Rechnungshof hat bei seiner bisherigen Überprüfung eine ganze Reihe von Mängeln aufgezeigt, die dringend behoben werden sollten und die durch diesen Bericht zum Thema in diesem Hohen Haus geworden sind.

Ein Problembereich scheint mir die Beschaffung im Bereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung zu sein. Sie unterliegt nicht der Bundesvergabeordnung, dem Bundesvergabegesetz, wenn es sich um Waffen, Munition oder Kriegsmaterial handelt oder wenn es der Schutz wesentlicher Staats- oder Sicherheitsinteressen gebietet. Für derartige Beschaffungen gelten die Richtlinien des Bundesministeriums für Landesverteidigung für die Vergabe von Leistungen, die sich auf die ÖNORM 2050 aus dem Jahre 1957 gründen. Da empfiehlt der Rechnungshof, diese Richtlinien bezogen auf die neue ÖNORM aus dem Jahre 1993 neu zu formulieren.

Der bloße Verweis auf militärische Belange oder auf Sicherheitsinteressen des Landes darf allerdings nicht zu mangelnder Transparenz bei der Vergabe oder zur Mißachtung ökonomischer Kriterien führen. Neben dem bereits üblichen, wenn auch nicht immer befolgten militärischen Pflichtenheft zur sachlichen Bewertung der Angebote ist ein ökonomisches Pflichtenheft, das heute schon vom Abgeordneten Gaál gefordert wurde, für die wirtschaftliche Bewertung von Angeboten unter Einbeziehung der Bewertung möglicher Kompensationsgeschäfte dringend notwendig und wünschenswert.


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Für die Abwicklung dieser Kompensationsgeschäfte, deren Bedeutung für die österreichische Wirtschaft unbestritten ist und die seit 1978 mit einem Gesamtvolumen von zirka 21 Milliarden Schilling erfolgten, sollte der Vorschlag des Wifo aufgenommen werden, ein Büro für militärische Gegengeschäfte und industriepolitische Kooperationen zu errichten. Diese Einrichtung würde die vom Rechnungshof geforderte Zusammenarbeit von Landesverteidigungsministerium und Wirtschaftsministerium hinsichtlich der Behandlung der Gegengeschäfte regeln. (Abg. Hans Helmut Moser: Herr Kollege! Es gibt eine Abteilung im Wirtschaftsministerium, die sich mit dieser Materie beschäftigt!)  – Ja, eine Abteilung gibt es, aber keine koordinierende Stelle. (Abg. Hans Helmut Moser: Büro und Abteilung ist im Prinzip dasselbe!)

Diese Maßnahmen würden im Bereich der Programmabwicklung und des Controllings die Transparenz der Kompensationsgeschäfte erhöhen. Diese Transparenz bei Kompensationen betrifft auch die Bekanntgabe von beteiligten Firmen und einzelnen Geschäften in diesem Hohen Haus, um einmal die Kompensationen objektiv evaluieren zu können, um dem Wettbewerbsgedanken, dem gerade die ÖVP sehr verpflichtet ist, besser entsprechen zu können und um – im vorletzten Punkt wurden sie angesprochen – insbesondere Klein- und Mittelbetriebe an diesen Kompensationsgeschäften teilhaben zu lassen. Das ist ein guter Beitrag zu dem Ziel, das Wirtschaftsminister Farnleitner im "Kurier" diese Woche formulierte, das da lautet: Bei Klein- und Mittelbetrieben müssen wir endlich die Berührungsängste vor dem Export wegbekommen. Dies ist eine hervorragende Möglichkeit dazu.

Bei 85 von insgesamt 128 geprüften Beschaffungsvorgängen wurden gravierende Mängel festgestellt, nicht nur solche, die ein nicht ausgenütztes Zahlungsziel zeigen. Warum die restlichen 43 Beschaffungsvorgänge nicht in mangelfreie und in mit dem Mangel nicht ausgenützter Zahlungsziele behaftete differenziert wurden, ist mir unerklärlich, geht es dabei doch um hergeschenkte beziehungsweise, wie man es auch sagen kann, verlorene 2,2 Millionen Schilling. Auf das Bestellvolumen von 1987 bis 1995 hochgerechnet handelt es sich dabei immerhin um 27 Millionen Schilling.

Fehlende Planung und fehlendes Controlling, mangelhafte Vertragsgestaltung und Vertragsabwicklung führen zu Kostensteigerungen, die leicht vermeidbar wären. Unverständlich sind insbesondere auch die Fehler im kaufmännischen Bereich, wie beispielsweise unklare Vertragsformulierungen, ungünstige Liefer- und Zahlungsbedingungen, das zitierte Beispiel der nicht ausgenützten Zahlungsziele, fehlende Berechnungen der Gesamt- und Folgekosten und teilweise beträchtliche Preisabweichungen. Man könnte bei ordnungsgemäßer Buchführung und Kostenrechnung da sicherlich einiges einsparen.

Neben diesen Fehlern, die ich bereits angeführt habe, gibt es auch noch die Kritik an vorschriftswidriger Abnahme bei einzelnen Beschaffungen, was durchaus auch die militärische Sicherheit in Frage stellen kann, jene militärische Sicherheit, die häufig als Argument gegen mehr Transparenz in Beschaffungsangelegenheiten herhalten muß.

Bereits 1987 – und damit komme ich zum Schluß – hat der Rechnungshof dem Bundesministerium für Landesverteidigung empfohlen, die Feststellungen des ressortinternen Kontrollbüros wirkungsvoller umzusetzen. Es ist zu hoffen, daß es als Folge dieses Sonderberichtes des Rechnungshofes nicht nur bei unverbindlichen Formulierungen des Bundesministeriums für Landesverteidigung wie etwa: Wir sind bemüht ..., bleibt, sondern daß echte Konsequenzen gezogen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

18.46

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Haupt. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.46

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Präsident! Über den Vierten vorliegenden Sonderbericht des Rechnungshofes über das Beschaffungswesen des Bundesheeres wurde heute vor der Behandlung der Dringlichen Anfrage schon lange und ausführlich diskutiert, sodaß mir nur mehr eine zusammenfassende Betrachtung aus meiner Sicht übrigbleibt.


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Herr Bundesminister! Ich glaube, Sie hätten gut daran getan, der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit der Radarbeschaffung nicht nur jene Teile zu Gehör zu bringen, die Sie als wichtig erachtet haben, sondern den vollständigen Rechnungshofbericht. Es ist für mich unbefriedigend, daß gerade in bezug auf die Firma Thomson schlußendlich von zwei Kaufpreiszahlungsvarianten jene gewählt wurde, die für das österreichische Budget am schlechtesten und für die Firma am besten war.

Herr Bundesminister! Sie sind bis jetzt auch eine Antwort auf die Frage des Kollegen Scheibner schuldig geblieben, wie viele dieser Radargeräte tatsächlich geliefert werden und wann sie endlich geliefert werden, wann endlich – von dem Zeithorizont 1997 bis 1999 ist schon mehr als die Hälfte vorbei – all diese Geräte, die wir vorfinanziert haben und die wir nach einer meiner Ansicht nach zu Recht vom Rechnungshof als schlecht eingestuften Zahlungsvariante angekauft haben, vorhanden sein werden.

Ich glaube, Kollegen Wurmitzer sollte man ins Stammbuch schreiben, daß es keinen Grund gibt, über die Feststellung: "Hinweise auf illegale Zahlungen ergaben sich nicht" zu jubeln, und daß diese nicht als Blankobescheinigung aufgefaßt werden kann.

Sie, Kollege Wurmitzer, und Sie, Kollege Leikam, sollten eigentlich als Kärntner Abgeordnete wissen, daß der Rechnungshof auch die Sozialverbände des Bundeslandes Kärnten geprüft hat, unter anderem jenen des Bezirkes Spittal an der Drau, dessen Kassier, Herr Bachner, sich ein halbes Jahr später erschossen hat, weil er fünf Jahre hindurch insgesamt 30 Millionen Schilling unterschlagen hat, was dem Rechnungshof bei der Prüfung nicht aufgefallen ist.

Aus diesen Beispielen kann man durchaus ableiten, daß der Rechnungshof mit seinen Beamten zwar ein korrektes Prüfungsorgan, aber sicherlich kein Organ ist, um strafrechtlich relevante Dinge allumfassend aufklären zu können.

Ich meine, Herr Bundesminister und auch Herr Kollege Wurmitzer, wenn Sie tatsächlich Interesse daran gehabt hätten, das Bundesheer in der Öffentlichkeit so dastehen zu lassen, wie es die Mehrheit der Angehörigen des Bundesheeres eigentlich verdienen würde, und wenn Sie nichts zu verbergen gehabt hätten, dann hätten Sie Auskunftspersonen im Ausschuß beziehungsweise deren Zulassung nicht behindern dürfen und wäre mehr Großzügigkeit gegenüber den Forderungen der Oppositionsparteien durchaus angebracht gewesen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube daher, daß sowohl Sie, Herr Kollege Wurmitzer, als auch Sie, Herr Kollege Leikam, als damalige Fraktionsführer ein gerüttelt Maß Schuld daran tragen, daß Kollege Wabl heute immer noch in der Öffentlichkeit pauschal Kritik am Bundesheer üben kann, weil Sie ihm dafür das Feld bereitet haben, sodaß er meint, eine gewisse Berechtigung für seine Kritik zu haben.

Herr Bundesminister! Ich glaube, daß es richtig wäre, die Mängel, die der Rechnungshof zu Recht aufgezeigt hat, in Ihrem Ministerium endlich abzustellen, und Sie sollten für Ihre eigenen Fehler nicht immer die Offiziere in Ihrem Haus verantwortlich machen. Das hat keiner von uns Freiheitlichen jemals getan, und es wäre auch für Sie gut, Herr Minister, eigene Fehler als solche zu verkaufen und nicht als Fehler des Hauses. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als letzte Rednerin in dieser Debatte hat sich Frau Abgeordnete Gabriele Binder zu Wort gemeldet. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.50

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Wie bereits ausgeführt, wurde dem Beschaffungswesen des Bundesheeres vom Rechnungshof die Note Mangelhaft erteilt. In den im Vierten und letzten Teilbericht seiner Sonderprüfung enthaltenen Schlußbemerkungen wird vom obersten Kontrollorgan vermerkt: Mängel wurden mit unterschiedlicher Häufigkeit in allen Bereichen der Beschaffung festgestellt.


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Neuerlich bestätigt fand der Rechnungshof die oftmals nicht gänzliche Ausnützung von Zahlungszielen. Das heißt, es wurde frühzeitig gezahlt, und dadurch kam ein Zinsenverlust für den Bund von rund 1,3 Millionen Schilling zustande. Ich würde sagen, das war vorauseilender Gehorsam.

Hinweisen möchte ich noch einmal darauf, daß es keine illegalen Zahlungen gegeben hat. Der Herr Minister hat das ja auch betont. Die größten Prüfungsbrocken in diesem Zusammenhang waren die Anschaffung französischer Radaranlagen mit einem Bestellwert von 1,3 Milliarden Schilling und die Bestellung von 68 Radpanzern.

Meine Damen und Herren! Mängel wurden festgestellt. Bei einem Drittel gab es keine, bei einem weiteren Drittel geringfügige Mängel, und in 14 Fällen stießen die Prüfer auf planerische Mängel, wie beispielsweise unklare Bedarfserhebung, unzureichende zeitliche Verwendungsabstimmung, nicht abgeschlossene Konzepte, was schon von meinen Vorrednern betont wurde.

Ein gutes Zeugnis bekam das Kontrollbüro als wesentlichste Kontrolleinrichtung des Verteidigungsministeriums. Seine Tätigkeit habe in den letzten zehn Jahren, so der Rechnungshof, zu Einsparungen von insgesamt 1,4 Milliarden Schilling geführt. Ich meine, daß das ein wichtiger Faktor ist.

Auch die Bewertungskommission beurteilt der Rechnungshof positiv, und er hielt auch deren Zusammensetzung für sachgerecht. Eine Bevorzugung beziehungsweise Benachteiligung von Bietern konnte vom Rechnungshof nicht festgestellt werden.

Meine Damen und Herren! Das Beschaffungswesen des Bundesheeres beruht – wie in vielen anderen Ländern natürlich auch – auf Gegengeschäften, verknüpft mit drei wesentlichen Zielen, nämlich dem verteidigungspolitischen, dem wirtschaftlichen und dem politischen Ziel. Damit komme ich zu zwei konkreten Punkten.

Erstens: Beschaffung von Radaranlagen. Da waren die Vorteile des Thomson-Angebotes nicht militärischer Art, sondern dessen Wert lag vor allem in Gegengeschäften. Der Wertschöpfungsgehalt der Gegenlieferung lag bei Thomson mit 270 Prozent höher als bei anderen Bietern.

Zweitens stellen sich für mich dabei folgende zwei Fragen: In welcher Form wurden diese Kompensationsgeschäfte erfüllt, und wie schaut der jetzige Stand der Lieferung dieser Radaranlagen aus?

Ein paar Worte auch zu der Beschaffung von Radpanzern. Der Rechnungshofbericht befaßt sich nämlich auch mit der Beschaffung der 68 Radpanzer, die für UNO-Einsätze bestellt worden sind. Es wurden einige Mängel dabei festgestellt. Hinweise auf illegale Zahlungen haben sich nicht ergeben. Für die Bewertung der Angebote und für das Kontrollbüro wurde vom Rechnungshof wieder Lob erteilt.

Meine Damen und Herren! Das Mech-Paket wurde heute schon erwähnt. Im Jänner 1998 sind die ersten 30 Stück Kampfpanzer des Typs LEOPARD II von der niederländischen Armee in Österreich eingetroffen. Die Verträge mit Steyr Daimler-Puch für PANDUR und ULAN sind aber noch immer nicht abgeschlossen. Was den Unterschied zwischen diesen beiden Panzern betrifft, habe ich die Auskunft erhalten, daß LEOPARD II, der importierte Kampfpanzer, ein reines Angriffsfahrzeug ist, während es sich beim PANDUR um einen gepanzerten Mannschaftstransportwagen handelt, der seiner Besatzung Schutz gegen Infanteriewaffen und Splitterwirkung bietet. Der PANDUR dient in seiner Anwendung dem Schutz der österreichischen Soldaten, und er wird vor allen Dingen auch in Österreich produziert. Aber diese 200 Radpanzer stehen sozusagen auf der Warteliste.

Meine Damen und Herren! Zum Schluß kommend: Wenn durch den Ankauf dieses Produktes Arbeitsplätze in Österreich gesichert werden können und die Sicherheit der österreichischen Soldaten erhöht werden kann, dann ist Handlungsbedarf gegeben. (Zwischenruf des Abg.


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Scheibner. ) Ich glaube, es ist im Sinne aller Beteiligten an der Zeit, dieses Paket anzugehen und zum Abschluß zu bringen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Ein Schlußwort wurde von seiten des Berichterstatters nicht verlangt.

Wir kommen nun zur Abstimmung; ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir stimmen ab über den Antrag des Ausschusses, den vorliegenden Sonderbericht III-81 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Bericht ist somit zur Kenntnis genommen.

4. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes (III-100 der Beilagen) über die Bank Austria AG (1069 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet, sodaß die Debatte sofort beginnen kann.

Die erste Wortmeldung ist jene des Abgeordneten Mag. Trattner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.57

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Aktuell ist dieser Bericht ganz bestimmt nicht, aber wenn man ein bißchen genauer schaut, was dahintersteckt, muß man sagen: Immerhin hat der Rechnungshof versucht, die Bank Austria zu prüfen. Der erste Prüfungsversuch war am 31. März 1992. Der nächste Prüfungsversuch war am 14. Mai 1992. Das hat sich alles sehr lange hingezogen. Die Bank Austria hat sich immer wieder erfolgreich dagegen gewehrt, daß der Rechnungshof eine Prüfung vornimmt, bis schließlich im Jahr 1995 eine endgültige Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes erfolgte, aufgrund derer die Prüfung in der Zeit von Oktober 1995 bis März 1996 durchgeführt wurde.

Warum hat ein Institut reges Interesse daran, nicht geprüft zu werden? – Wenn ich mir die wirtschaftliche Situation der Bank Austria in den Jahren 1991 und 1992, wie sie aus dem Prüfungsbericht hervorgeht, anschaue, und zwar mit Abschreibungen von Forderungen allein im Jahr 1991 in der Größenordnung von 7,5 Milliarden Schilling aus Auslandsgeschäften, wo eine Bilanzerstellung ohne außerordentliche Erträge beziehungsweise sonstige außerordentliche Ergebnisse wahrscheinlich gar nicht möglich gewesen wäre, dann muß ich sagen, daß ich mir eigentlich vom Rechnungshof erwartet hätte, daß er diese Dinge etwas kritischer hinterfragt.

Da steht einfach drinnen: Zur Bilanzerstellung hat man sich eines außerordentlichen Ertrages von 2,4 Milliarden Schilling bedient. Indem man die Anteile, die die Bank Austria an der Girozentrale, der jetzigen Ersten, gehalten hat, einfach zu einem sehr hohen Preis an die Anteilsverwaltung Sparkasse verkauft hat, hat man einen außerordentlichen Ertrag von 2,4 Milliarden Schilling lukriert. Dann hat man eine Lücke gefunden, und zwar hat man eine Modifikation des Pensionsrechts vorgenommen und dabei 800 Millionen Schilling aufgelöst. Dann hat man, um Bewertungsverluste zu vermeiden, Wertpapiere des Umlaufvermögens ins Anlagevermögen gestellt, und zwar in der Größenordnung von 21,4 Milliarden Schilling.


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Man hat auch Sale-and-lease-back-Verträge abgeschlossen. Im Ausschuß ist es uns aber nicht gelungen, bei der Hinterfragung des Ganzen zu erfahren, welche Liegenschaften dabei verkauft worden sind, wie sie bewertet worden sind, wer sie bewertet hat und mit welcher Laufzeit diese Leasing-Verträge abgeschlossen wurden. In den Folgejahren wirkt sich das bei Mietaufwendungen natürlich aus.

Aber auf der anderen Seite hat man sehr hohe außerordentliche Erträge lukriert, um die Bilanz 1991 beziehungsweise die Bilanz 1992 herzustellen.

Das waren die Gründe, warum die Bank Austria und der damalige Vorsitzende mit aller Gewalt versucht haben, dem Rechnungshof keine Einschau in die Bücher zu gewähren. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Der Rechnungshof hat des weiteren kritisiert, daß man die Bilanz geschönt beziehungsweise das Betriebsergebnis besser dargestellt hat, indem man das Kreditrisiko, das Ausfallsrisiko zu gering pauschal wertberichtigt hat, sodaß man sehr hohe Direktabschreibungen für Forderungsausfälle, und zwar in einer unüblichen Größenordnung von 12 Prozent, vornehmen mußte, weil aus bilanztechnischen Gründen die entsprechenden Bewertungen nicht durchgeführt worden sind.

Man hat also das ganze Paket Bank Austria in den Jahren 1991 und 1992 bilanzmäßig durch außerordentliche Erträge gut darzustellen versucht, aber in Wirklichkeit war es um die Bank Austria zum damaligen Zeitpunkt von der Bonität her nicht sehr gut bestellt, und zwar insofern, als die Möglichkeit, die die Bank Austria damals schon gehabt hat, nämlich die Haftung der Gemeinde Wien, natürlich dann immer mehr in den Vordergrund gerückt ist. Eigentlich erfolgte das ganze Kreditgeschäft beziehungsweise Ausleihungsgeschäft und Geldkapitalgeschäft, das die Bank Austria für ihre Finanzierungen eingehen mußte, mit dem Rückhalt der Haftung der Gemeinde Wien, was ja relativ einfach war.

Da ist auch eine Kritik am Rechnungshof angebracht: Der Rechnungshof ist auf die Haftungsfrage Bank Austria – Gemeinde Wien überhaupt nicht eingegangen, sondern hat lediglich Zahlen von der Bank Austria übernommen, und zwar 1 zu 1, sodaß eine Haftungsprämie in der Größenordnung von 65 Millionen Schilling herausgekommen ist. Doch der Rechnungshof – ich habe das auch im Ausschuß so vernommen – hat keine Prüfung auf Plausibilität durchgeführt, nämlich eine theoretische Einschätzung des Kreditratings der Bank Austria ohne die Haftung der Gemeinde, und vor allen Dingen hat der Rechnungshof nicht geprüft, welche Finanzierungsgeschäfte für eine Bemessungsgrundlage eines etwas teureren Geldbeschaffungskostenanteils seitens der Bank Austria ohne die Haftung der Gemeine Wien überhaupt heranzuziehen sind. Da hat man einfach eine Best-case-Rechnung vorgenommen, wobei 65 Milliarden Schilling herausgekommen sind. (Abg. Dr. Lukesch: Das wäre zuviel! Sie haben "65 Milliarden Schilling" gesagt!) Milliarden? (Abg. Dr. Lukesch: Millionen!) Es sind 65 Millionen Schilling.

Wir kritisieren, daß der Rechnungshof das nicht geprüft hat, obwohl es in der Bank Austria selbst Papiere beziehungsweise Berechnungen gibt, die die Haftung der Gemeinde Wien ganz anders ausschauen lassen, und zwar einen Vorteil aus der Haftung der Gemeinde Wien nicht in zweistelliger Millionenhöhe, sondern in dreistelliger Millionenhöhe. Diese Fälle hätte meiner Meinung nach der Rechnungshof auch genauer prüfen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Außerdem fällt bei diesem Prüfbericht auf, daß er zu spät kommt. Er kommt zu spät, weil der Versuch unternommen wurde, die Prüfung drei Jahre lang zu verhindern, und zwar aus den Gründen, die ich dargestellt habe. Aber eines ist klar: Eine Bank Austria mit diesem Beteiligungskonglomerat in sechs Monaten zu prüfen, ist sehr schwer möglich beziehungsweise zum Teil gar nicht möglich. Deswegen ist der Prüfbericht, so gut er auch vom Rechnungshof gemeint ist, sicherlich in sehr vielen Passagen unvollständig. Er ist insofern unvollständig, als man das Risikogeschäft der Bank Austria bei der Prüfung in der Form eingegrenzt hat, daß man eben nur Kreditfälle herangezogen hat, die ausfällig geworden sind, und zwar in der Größenordnung von über 100 Millionen Schilling. Alles, was darunter war, konnte man gar nicht anschauen, weil man dort offensichtlich die Kapazität dafür nicht hat.


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Ich meine, daß in diesen Fällen eine intensivere Prüfung notwendig gewesen wäre. Wir nehmen zur Kenntnis, daß eine weitere Behandlung der acht Fälle, die im Rechnungshofbericht angeführt sind, sehr schwierig ist, weil sie dem Bankgeheimnis unterliegen. Aber wir meinen, daß es bei einer etwas intensiveren Prüfungskonsequenz möglich gewesen wäre, im Ergebnis der Prüfung der Bank Austria klarere Zahlen zu gewinnen. Dies ist nicht der Fall, und deswegen können wir diesem Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes unsere Zustimmung nicht erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Lukesch. Freiwillige Redzeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.05

Abgeordneter Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Ich möchte mit der Feststellung beginnen, daß die Bank Austria in der einen oder anderen Form schon mehrmals in diesem Haus Gegenstand von öffentlichen Erörterungen war. Ich möchte nur daran erinnern – und damit die Ausführungen des Kollegen Trattner ergänzen –, daß es nicht nur zweier Verfassungsgerichtshofurteile, sondern auch einer Änderung des Bundesverfassungsgesetzes und einer Änderung des Rechnungshofgesetzes bedurfte, bis es endlich möglich war, in der Bank Austria eine entsprechende Einschau durchführen zu lassen.

Es war ja die Bank Austria erst jüngst im Gespräch, und zwar im Zusammenhang mit dem Erwerb der Creditanstalt, der CA, und das hat eine ganze Reihe von sehr heftigen Auseinandersetzungen ausgelöst.

Ich glaube, Herr Bundesminister, Sie teilen meine Ansicht – genauso wie die Vorstände der Bank Austria, aber auch Fachexperten –, daß eine öffentliche Erörterung des Geschäftslebens und der Geschäftsinterna einer Bank sicherlich am Image dieser Bank kratzt, daß sie den Firmenwert bedroht und Kursveränderungen bewirken kann und so weiter. Es ist ja auch vom Kollegen Nowotny häufig betont worden, daß durch eine allzu heftige Diskussion in der Öffentlichkeit wirtschaftliche Chancen, die durchaus vorhanden sind, bedroht sind.

Was die Diagnose betrifft, so sind, glaube ich, die meisten derselben Meinung. Bei der Ursache allerdings sind wir der Meinung, daß sie zu beseitigen ist. Die Ursache besteht nämlich darin, daß die Bank Austria mehrheitlich unter öffentlichem Einfluß steht oder stand (Abg. Mag. Firlinger: Immer noch steht!)  – immer noch steht! – und daher die Kontrolle durch den Rechnungshof nur eine logische Konsequenz eines Ersatzes der Kontrolle durch die Aktionäre einer solchen Bank darstellt.

Das heißt, die Linie der Österreichischen Volkspartei, da auf eine konsequente, echte Privatisierungslösung zu drängen und darauf zu bestehen, sie anhand unseres 17-Punkte-Programms durchzuführen, war richtig. Wenn auch die letzten Anteile der Anteilsverwaltung auf unter 20 Prozent heruntergehen und – in Klammern – (nicht irgendwo noch ein Syndikats- und Beherrschungsvertrag auftaucht), dann wird ein Business as usual, wie es für eine Großbank sicherlich angenehmer ist als die politische Diskussion, eintreten.

Das war ja auch der Grund des Konfliktes wegen des Verkaufs der CA. Die ÖVP hat immer darauf bestanden, daß die CA zu privatisieren ist und nicht zu kommunalisieren. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Jawohl!)

Der Rechnungshof attestiert bezüglich der gesamten Prüfungsperiode – Kollege Trattner, das werden Sie auch gelesen haben – und nicht der einzelnen Jahre, die Sie als besonders problematisch herausgestellt haben, nämlich der Jahre, in denen man auch gewisse Übernahmen aus dem Zusammenschluß mit der Länderbank verdauen mußte, daß das wirtschaftliche Ergebnis der Bank Austria durchaus im Rahmen vergleichbarer Großbanken liegt. Ich meine, daß er das mit einer gewissen Anerkennung sagt.


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Meine Nachfrage an den Vorstand der Bank Austria im Rechnungshofausschuß, wie groß jetzt eigentlich sein Marktanteil etwa bei Industrie- und Gewerbekrediten ist, wurde folgendermaßen beantwortet: Schätzungsweise zwischen 30 und 35 Prozent, bezogen auf das Inlandsgeschäft.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie können sich vielleicht noch daran erinnern, daß ich vor einem Jahr im Rahmen einer Dringlichen Anfrage vor der Gefahr gewarnt habe, daß der Wettbewerb unter den Banken wegen der Dominanz eines Rieseninstituts gefährdet ist. Sie können sich vielleicht auch daran erinnern, daß wir die Frage diskutiert haben: Entsteht da nicht nur ein Marktführer, sondern auch ein Preisführer? Ich habe mit einem gewissen Erstaunen diese meine Befürchtung in einer Äußerung des Herrn Vorstandsdirektors Randa von vor einigen Wochen auch bestätigt gesehen, in welcher er ankündigte, daß er vorhat, die Kreditzinsen zu verteuern, die Einlagenzinsen aber zu senken. Eine solche Aussage kann tatsächlich nur ein quasi marktbeherrschendes Unternehmen, das sich zumindest die Rolle des Preisführers zumutet, machen.

Im Wettbewerb geht so etwas nicht. Daher bin ich sehr froh darüber, daß mit dem Eintritt des österreichischen Schillings in die Euro-Währung auch der Begriff "Binnenmarkt" oder "Inlandsgeschäft" eine ganz neue Bedeutung erhalten wird und im internationalen Kontext natürlich auch eine große Bank Austria gemeinsam mit der CA immer noch relativ klein ist und sich auf jeden Fall den Wettbewerbsbedingungen des Marktes wird unterwerfen müssen.

Das zeigt meiner Meinung nach auch, daß öffentliche Nähe, öffentliche Eigentümerschaft die Ausnutzung von Marktmacht nicht verhindert. Daher noch einmal: Das Bestehen der ÖVP auf eine echte Privatisierung liegt auch im Interesse der Kunden dieser Bank und der Wirtschaft Österreichs und sollte als ein wesentliches Motiv des Kampfes meiner Partei um eine Privatisierungslösung nicht nur bei der CA – daß dies mit dem 17-Punkte-Paket und der Vereinbarung auch gelungen ist, wird ja jedermann klar sein –, sondern auch bei der Bank Austria, die ebenfalls innerhalb der nächsten fünf Jahre entsprechend zu privatisieren sein wird beziehungsweise aus dem öffentlichen Einfluß entlassen werden soll, erachtet werden.

Ich möchte auf die einzelnen Kreditfälle, die der Rechnungshof in seinem Tätigkeitsbericht angeführt hat, nicht näher eingehen; das werden Kollegen aus meiner Fraktion noch tun. Ich habe es schon im Ausschuß gesagt: Natürlich ist jede große Bank – das hat auch Kollege Trattner, obwohl er es ein bißchen mit einem Hautgout ausgedrückt hat, zugeben müssen – auch auf ihre Funktion des Risikoausgleichs verwiesen, wo man selbstverständlich auch für dynamische Ausleih- und Kreditbesicherungsmethoden Platz wird haben müssen, nicht nur für vorhandene, einzubringende Sicherheiten.

Aber es fällt auf, daß zumindest in zwei Fällen auf vorhandene Besicherungsmöglichkeiten, obwohl der Kredit nicht rückgestellt wurde, nicht rückbezahlt wurde, seitens der Bank verzichtet wurde. Das ist schon eigenartig. In einem Fall mußte sich der Rechnungshof mit der Auskunft bescheiden, daß da andere als die gewöhnlichen Grundsätze zur Kreditvergabe anzuwenden sind, im anderen Fall geht es offenbar um eine Ausflucht, nämlich daß man es den Garantiegebern nicht zumuten könne, für die abgegebene Bürgschaft auch tatsächlich einzutreten, denn dann würden wieder andere Dinge in Gefahr geraten. Das alles ist, nehme ich an, bei einer privaten Bank nicht möglich oder würde einen sehr dringenden Legitimationsbedarf des Vorstandes gegenüber dem Eigentümer und den Aktionären hervorrufen.

Meine Zeit geht schon zu Ende. (Zwischenruf des Abg. Mag. Steindl. ) Ja, meine Redezeit. Danke, Kollege Steindl.

In dem 17-Punkte-Programm der ÖVP steht auch, daß der Kauf der CA durch die Bank Austria zu keinem asset stripping, also nicht zu den Methoden der feindlichen Übernahme, im Rahmen deren Finanzierung führen darf.

Wir haben vor kurzem beobachten können, was bei der Steyr-Daimler-Puch AG passiert ist. Der Herr Präsident des Rechnungshofes hat gesagt, daß er diesen Fall nicht geprüft hat. Er hat ja nur über den Übernahmefall der CA berichtet. Also er hat das nicht geprüft. Direktor Randa hat uns gesagt, es sei nur eine zeitliche Inzidenz, die die Abgabe einer Industriebeteiligung durch


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die CA mit der Übernahme der CA durch die Bank Austria verbindet, aber sonst nichts, kein innerer Zusammenhang.

Ich weise darauf hin, daß die Prüfungsbefugnis des Rechnungshofes selbstverständlich ausreicht, auch noch diesen Erwerb der CA durch die Bank Austria zu überprüfen, und daß hinsichtlich der Einhaltung dieses Punktes kein asset stripping zu prüfen sein wird.

Ich fasse zusammen: Wir haben uns für eine volle Privatisierung der CA eingesetzt. Wir haben nicht nur das erreicht, sondern auch die Privatisierung der Bank Austria. Auch wenn es mühsam war, danke ich trotzdem unserem Koalitionspartner, daß er uns auf diesem Weg begleitet hat. (Beifall bei der ÖVP.)

19.16

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.16

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Wenn ich Kollege Lukesch wäre (Abg. Kiss: Dann wären Sie Professor!), dann würde ich das 17-Punkte-Programm vom Jänner 1997 hier nicht automatisch bringen, sondern so lange zuwarten, bis es die Opposition bringt, denn da haben Sie, meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei, wirklich kläglich versagt. Und jetzt lamentieren Sie herum: Ja wir wollten damals eigentlich eine Totalprivatisierung!

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Es ist an Ihnen gelegen, daß es nicht so gekommen ist, wie es paktiert war – unter anderem mit den Freiheitlichen –, da haben Sie sich als Umfallerpartei ersten Ranges erwiesen. Und das geschieht jetzt ein zweites Mal. (Abg. Dr. Lukesch: Ungeheuerlich!) Es sagt nämlich der Kollege Stummvoll, eigentlich gelte das, was in der Vereinbarung steht, jetzt nicht mehr, sondern es werde über kurz oder lang – vor Ablauf der fünf Jahre – die Vollfusion kommen. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Dr. Lukesch. )

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Sie sind eine Umfallerpartei, und Sie bleiben eine Umfallerpartei! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nun auf einige Aussagen des Herrn Generaldirektors Randa im Rechnungshofausschuß eingehen. Herr Generaldirektor Randa hat am 16. Dezember 1997, also ein Jahr nach Übernahme der CA, vor Journalisten unter anderem gesagt: Die Creditanstalt Bankverein wird als Marke und als Unternehmen auf Dauer und nicht nur auf fünf Jahre erhalten bleiben. Von politischer Seite erwarte ich deshalb positive Reaktionen. Irgend jemand könnte uns auch einmal loben. – Ende des Zitats.

Meine Damen und Herren! Ich stehe nicht an, positive Leistungen zu honorieren und diese auch hier an dieser Stelle zu erwähnen, aber das gilt natürlich in beide Richtungen: Dort, wo es Kritik gibt, muß sie auch geäußert werden. Das sind wir als Parlamentarier, wenn wir diesen Auftrag ernst nehmen, unseren Wählern und der Öffentlichkeit schuldig.

Meine Damen und Herren! Positiv beurteile ich den Umstand, daß durch die Übernahme der CA natürlich ein größeres Gebilde entstanden ist – kein global player, aber immerhin ein European player, der gute Chancen hat, sich auf dem Markt zu behaupten. Das sind Tatsachen, die man nicht negieren kann.

Positiv bewerte ich auch, daß Generaldirektor Randa ein strategischer Kopf ist und strategische Zielsetzungen verfolgt. Allerdings bleibt immer wieder unklar, wer denn da eigentlich anschafft: der Finanzminister, der Bundeskanzler? In wessen Auftrag handelt er?

Das muß man auch fragen, denn Generaldirektor Randa hat ja im Ausschuß ganz klar gesagt, welche Kernaktionäre er sich wünscht und daß sie das auch bleiben sollen. Er wünscht sich außerdem weiterhin eine starke AVZ, denn sonst müßte er eines Tages nach Frankfurt oder Zürich berichten gehen, und das gefällt ihm nicht.


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Meine Damen und Herren! Aber es kann ja auch nicht die Alternative sein, daß man sagt: Wir nehmen die Zustände so, wie sie sind, machen eigentlich keine weitere Privatisierung, außer daß wir ein paar Anteile von der PTBG veräußern und langsam ein bißchen runterkommen! Die Kernaktionäre bleiben die gleichen, und die haben zusammen die absolute Mehrheit, und dabei bleibt es auch!

Da sehe ich keine Veränderung! Selbst wenn der Anteil der AVZ wirklich auf 20 Prozent heruntergehen sollte, so können Sie doch gemeinsam mit dem Herrn Sellitsch von der Wiener Allianz, gemeinsam mit der Westdeutschen Landesbank alles niederstimmen, meine Damen und Herren. Daher ist das keine Privatisierung.

Ich halte aber auch positiv fest – positiv, Herr Kollege! –, daß sich die Ertragssituation in den letzten Jahren erheblich gesteigert hat, der Asset value, der Shareholder value – ein Reizwort für die SPÖ im übrigen, aber Herr Randa verwendet es trotzdem sehr häufig – ist gestiegen, und das rege Interesse an der Aktie hat dazu geführt, daß es Kurssteigerungen von mehr als 50 Prozent gegeben hat. Das sind sicher positive Errungenschaften, aber es gibt auch eine Reihe von Schwachpunkten. Und es wird immer so getan, als gäbe es diese Schwachpunkte nicht, als wäre das eine Erfindung von uns Oppositionellen. Ich möchte nur sagen: Mit solch einer Eigentümerstruktur kann man freilich leicht leben. Die AVZ ist ein geduldiger Aktionär und daher ein schwacher Aktionär, meine Damen und Herren! (Abg. Koppler: Ist die Bank Austria ein positives Unternehmen – oder nicht?) – Ich habe nicht so viel Zeit, Kollege Koppler! (Abg. Koppler: Hast eh schon überzogen!)

Die Bank Austria hat einen Eigentümer, der es sich gefallen läßt, daß man mit Anteilen der GiroCredit hin- und herjongliert, dorthin schiebt, zurückholt (Abg. Koppler: Ist die Bank Austria ein positives Unternehmen?), daß man auf Kosten der AVZ gewisse Geschäfte macht, die niemand anderer tun würde, und so weiter. Hier sehe ich den großen Schwachpunkt, und ich sehe durchaus ein anderes Szenario für die Bank. Wie wäre es zum Beispiel, wenn die Bank Austria einmal ein Unternehmen im Ausland kaufen würde, damit man sich von der Vergangenheit positiv abhebt, in der immer nur österreichische Unternehmen gekauft wurden? Wie wäre es, wenn man sich vielleicht gemeinsam mit der Crédit Suisse die Kommerzbank anlacht und dort ein großes Aktienpaket zu erwerben versucht? Denn dann müßte die Politik tatsächlich hinauskatapultiert werden. Anders ginge es nicht. (Abg. Koppler: Es ist interessant, was die Freiheitlichen dazu sagen würden!)

Ich glaube, das ist ein interessantes Szenario, und daran sollte man arbeiten und nicht dauernd nur an den bestehenden Zuständen und an der bestehenden Eigentümerstruktur festkleben und haften. Alles andere als eine neue Eigentümerstruktur, glaube ich, wird auf Dauer der Bank nicht weiterhelfen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.22

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brix. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.22

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Die Bank Austria ist das Aushängeschild Österreichs und die unumstrittene Nummer eins in der heimischen Bankenlandschaft. Sie ist eine Bank, die unter den 40 größten Banken Europas rangiert und in Mittel- und Osteuropa als eine der größten ausländischen Banken hervorragend positioniert ist. An dieser Feststellung wird auch das nichts ändern, was Sie versuchen, Herr Kollege Firlinger! Ihnen fällt gar nicht auf, daß der Vorsitzende des Aufsichtsrates der Generaldirektor der Wiener Städtischen ist. Genau so, wie Sie sich mit dem anderen nicht auskennen, werfen Sie da schnell die Wiener Allianz hinein. (Abg. Mag. Firlinger: Ich kenne mich da besser aus!) Aber wenn Sie ein von Wechselwählern gewählter Wechselmandatar sind, verstehe ich, daß Sie auch etwas verwechseln können. Das ist mir schon klar! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Daß diese Bank eine ausgezeichnete Bank ist und daß dieser Bericht – und da können Sie noch einmal herauskommen und hier versuchen, anzukreiden, was


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immer Sie wollen – ein ausgezeichneter Bericht ist, hat wortwörtlich der Präsident des Rechnungshofes, der immer einen ausgesprochen kritischen Bericht abgibt, in der Sitzung des Rechnungshofausschusses festgestellt. Das ist die beste Auszeichnung, die diese Bank erhalten kann und die die Politik dieser Bank nur bestätigt.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Was diese Bank auch so auszeichnet, ist nicht nur, daß der Präsident des Rechnungshofes festgestellt hat, daß es ein positiver Bericht ist, sondern daß in dem Bericht des Rechnungshofes angemerkt wird, daß während des Berichtszeitraumes bereits die Bank Austria auf Anregungen des Rechnungshofes Rücksicht genommen und diese Anregungen bereits verwirklicht hat. Auch das zeigt, daß dort nicht nur Damen und Herren sitzen, die stur nach einer Linie arbeiten, sondern die auch etwas entgegennehmen können.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch eines sagen: Wenn solch eine große Organisation, solch eine große Bank wie die Bank Austria trotz aller politischen Querelen, trotz der Angriffe, die man scheinbar aus einem Neidkomplex gegen sie vorbringt, solch ein positives Ergebnis erwirtschaftet, dann ist Dank in erster Linie an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch an das Management dieser Bank auszusprechen. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bank Austria und ihrem Management ist es gelungen, in den Jahren 1991 bis 1996 das Betriebsergebnis je Mitarbeiter um 103 Prozent zu steigern, den Jahresüberschuß um 147 Prozent zu steigern und den Gewinn je Aktie um 127 Prozent und die Bilanzsumme um 54 Prozent anwachsen zu lassen.

Dann sage ich Ihnen, meine Damen und Herren, daß trotz all dieser Querelen, wie ich schon einmal gesagt habe, die Bank Austria heute mehr als 671 Außenstellen, 18 712 Mitarbeiter und im Jahr 1996 eine Bilanzsumme in Höhe von 1 441 Milliarden Schilling aufweisen konnte. Wenn das kein ausgesprochen positives Ergebnis ist, dann weiß ich nicht. Und wenn es keine große Auszeichnung ist, daß dieser Bank von sechs Ratinginstituten vier das Triple A geben, dann frage ich, welche Auszeichnungen sie noch bekommen soll. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Zur anklingenden Kritik der beiden Vorredner: Vielleicht ist Ihnen nicht aufgefallen, daß der Rechnungshof festgestellt hat – nicht wir, sondern der Rechnungshof! –, daß im Berichtszeitraum die Fusion von Zentralsparkasse und Länderbank organisatorisch bereits weitgehend abgeschlossen wurde und daß diese Zusammenführung der beiden Institute eine Herausforderung war, die in kurzer Zeit sehr erfolgreich bewältigt werden konnte.

Lassen Sie mich noch etwas sagen: Heute ist der Kauf der CA durch die Bank Austria angeklungen. Auch dazu sagt der Rechnungshof bereits, obwohl es noch nicht in seinen Prüfungszeitraum hineingefallen und das am Rande des Prüfungsberichtes passiert ist, daß sich dieser Ankauf spätestens im Jahr 2000 positiv auswirken kann. Aber all das, was wir in diesem positiven Bericht feststellen können, würde wahrscheinlich nicht so viel Geltung haben, als die Österreicherinnen und Österreicher dieser Bank bestätigen. Und die Österreicherinnen und Österreicher – und da können Sie reden, soviel Sie wollen – haben abgestimmt, nämlich insofern, als sie die Vorzugsaktie der Bank Austria im Juni 1997 um 376 S und im Februar 1998 um 873 S gekauft haben. Sie sehen, wie deutlich der Kurs angestiegen ist. Da haben Herr und Frau Österreicher abgestimmt. In Wirklichkeit – nehmen Sie das zur Kenntnis! – ist die Bank Austria eine Erfolgsstory Österreichs! (Beifall bei der SPÖ.)

19.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Prinzhorn vor. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.29

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Eine Prüfung, die oft genug verschoben wird, beschränkt sich natürlich auch nur auf die allerhöchste Ebene. Sie schreiben im Rechnungshofbericht: Keine Konflikte. Nur mit der allerhöchsten Ebene wird diskutiert. Man will die Belegschaft nicht verunsichern.


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Mich würde interessieren, welche Konflikte Sie dabei meinen. Ich kann mir diese vorstellen. Sie schreiben, die Verwaltung ist sehr aufwendig, die Ertragskraft der Bank Austria im geprüften Zeitraum schlecht. Die Investitionen der Bank Austria wurden nicht öffentlich ausgeschrieben, aber der Rechnungshof wird gelobt. Es wird größte Diskretion bewiesen. Herr Präsident! Das ist bei den Zuständen der Bank auch notwendig. Größte Diskretion ist bewiesen.

Die Wirtschaftsprüferberichte der Bank Austria würden mich wirklich einmal interessieren! Aber das ist der Gralsapfel, das gehütetste Geheimnis der Nation – wie vieles andere im Zusammenhang mit der Bank Austria auch.

Aber dort, wo es kein Übernahmerecht, keine Kleinaktionärsrechte gibt, setzt man einen Kleinaktionärsvertreter in den Aufsichtsrat der CA und gibt ihm gleichzeitig ein Mandat bei der Bank Austria. Die Großaktionäre wie AVZ werden, auch wenn sie nur mehr zu 10 Prozent in der Bank mitreden können, das Reden haben, wenn der Rest in Publikumsstreubesitz ist. Das wissen Sie selbst, das ist international so. Das können Sie mit der Wiener Städtischen noch einmal spielen.

Die Ergebnisse der Bank Austria liegen im unteren Drittel, sie liegen nach wie vor im unteren Drittel, nur wenn Sie die CA-Gewinne hereinkonsolidieren, dann können Sie natürlich mit einem erheblichen Anstieg rechnen. Aber nebenbei hätte mich auch eine Prüfung der Gebühren und Spesen, die die Bank Austria verrechnet, interessiert. Ich habe solch eine Prüfung international in den letzten Wochen durchführen lassen. Das Ergebnis ist: Sie liegen um 100 bis 300 Prozent über dem europäischen Wettbewerb, und die Bank Austria hat auch in Österreich mit Abstand die höchsten Gebühren und Spesen. So bedient die Bank Austria den Bürger in Österreich und auch die Wirtschaft.

Sie schreiben, es gibt zu viele Filialen, ein Wettlauf um die Marktanteile findet statt. Natürlich bringt das einen Ausbau des Umsatzes, aber keinen Ausbau der Ertragskraft. – Aber wo kein Kläger, dort kein Richter.

Das ist eine Parallele, die sowohl beim CA-Kauf durch Dr. Jud als auch jetzt bei der Übernahme von Steyr wieder einmal zur Prüfung anstehen wird. Der Aufsichtsratspräsident von CA, Randa, und der Aufsichtsrat, der Magna-Randa, machen ein Geschäft und verkaufen sich Steyr. Der corporate advisor in der ganzen Angelegenheit ist His Honourable Dr. Franz Vranitzky. So spielen sich die Geschäfte ab! – Wo kein Kläger, dort kein Richter. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Koppler. )

Der Kaufpreis, der aufgrund der Gewinne 1997 7 Milliarden ausmachen hätte müssen – rechnen müssen Sie noch lernen, Herr Koppler –, ist in Wirklichkeit um 1 bis 2 Milliarden zu niedrig. – Aber wo kein Kläger, dort kein Richter. Da werden Verlustübernahmen für die Zukunft gemacht, dort werden die unglaublichsten Sale-lease-back-Geschäfte gemacht, Liegenschaften werden nicht bewertet, der ganze Schwarzenbergplatz geht mit. Um 1 bis 2 Milliarden ist dieser Kaufpreis zu niedrig, man fragt sich, wohin das Geschäft geht. Bei dem so tüchtigen Generaldirektor Randa kann man sich nur wundern, wo die Milliarden geblieben sind.

Aber es geht im Prinzip noch weiter. Man muß sich fragen, wo die Interessenten sonst noch zu Hause sind. – Vielleicht in Ebreichsdorf, im Club Fontana, vielleicht haben die Aufsichtsräte von Magna und die Aufsichtsräte der Bank Austria und andere Persönlichkeiten in Österreich dort ihre Liegenschaften und ihre Bungalows. – Das geht mir zu weit.

Ich muß Ihnen sagen, das weist eine Regierungsnähe auf, die Sie vielleicht bei Ihrer Prüfung nicht prüfen können, aber die für uns Österreicher unerträglich ist. 800 Millionen Werbeaufwand der Bank Austria und CA für jeden Schispringer, oben das Stirnband, das sieht man überall in Österreich bei der Bank Austria. Wie das dem Kreditnehmer oder Kreditgeber zugute kommen soll, das frage ich Sie.

Zuletzt kann ich Ihnen nur sagen, meine Herren von der ÖVP: Nehmen Sie sich bald das Nachfolgeparteibuch, das wird bald die Partei Randa sein und nicht mehr Ihre Partei. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.33


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.33

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Zum Bericht über die Bank Austria ist alles schon gesagt worden, nur noch nicht von allen. Dennoch will ich meine Ausführungen, was den Bericht angeht, sehr kurz halten, weil ich glaube, daß angesichts einer Bank, die im Grunde genommen von ihrer Struktur her eigentümerlos ist – insofern unterscheide ich mich in der Interpretation vom Herrn Abgeordneten Firlinger –, der Rechnungshofbericht recht gut ausgefallen ist, nämlich für eine Partei, die primär ihre Kontakte zur Gemeinde Wien hat, keine Ausschreibungen macht, aber dafür große Kredite und Aufträge vergibt.

Das sind die Dinge, die wir gewohnt sind, wenn eine besondere Parteinähe besteht, und daher glaube ich auch, daß es sinnvoll ist, festzuhalten, daß im Rechnungshofausschuß klargelegt worden ist, auch von seiten des Herrn Generaldirektors Randa, daß es in Zukunft keine Verzögerungen mehr geben wird, wenn einzelne Geschäftsvorgänge aus jener Zeit geprüft werden sollen, in der die Bank Austria der Rechnungshofkontrolle unterlag. Es wird zu keinen solchen Verzögerungen mehr kommen, das ist sinnvoll und ausdrücklich festgehalten worden.

Mir scheint es wichtig zu sein, daß gerade der Bereich der Sparkassen – ich höre, daß ein Entwurf von seiten des Herrn Bundesministers bereits in die Begutachtung gegangen ist, er ist ganz frisch – neu geregelt werden soll. Dazu haben die Liberalen schon im Mai des Jahres 1997 entsprechende Anträge eingebracht. Einer betrifft insbesondere den Bereich des Sparkassengesetzes, bei dem wir meinen – das war auch ein Punkt im Rechnungshofausschuß –, daß es sinnvoll wäre, wenn es zu einem Wegfall der Haftung für die Gemeindesparkassen kommen würde.

Es war auch ein Diskussionspunkt, daß die Bank Austria aufgrund des Umstandes, daß die Gemeinde im Hintergrund steht, ein besseres Rating als andere und daher einen Wettbewerbsvorteil hat. Das sollte der Gemeinde Wien mit einer Haftungsprovision abgegolten werden. Der Rechnungshof sagt ausdrücklich, daß eine bundesgesetzliche Regelung dafür hilfreich wäre. Daher: Wenn es zu der Novelle im Sparkassengesetz kommt, dann, meine Damen und Herren, muß diese Haftung der Gemeinden ein Thema sein, und wenn sie nicht wegfällt, dann muß es dafür eine Provision geben.

Ich darf Sie, Herr Bundesminister, auf den Antrag der Liberalen verweisen, der seit Mai des letzten Jahres hier im Hause liegt, und ersuchen, daß man diese Vorschläge, die darin enthalten und insbesondere auch vom Herrn Abgeordneten Haselsteiner schon mehrfach erklärt und ausgeführt worden sind, auch berücksichtigen möge. In diesem Sinne freuen wir uns auf die Diskussion im Sinne einer Verbesserung der gesetzlichen Grundlagen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

19.36

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wurmitzer. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.36

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Finanzminister! Hohes Haus! Die Bankenlandschaft Österreichs ist aus der Sicht Europas ein Sonderfall. Wenn man weiß, daß Österreich allein mehr Banken als Großbritannien und die Schweiz zusammen hat, dann kann man sich die Dimension ungefähr in Österreich ausmalen. Und unter diesen Banken Österreichs gibt es einen besonderen Fall, und zwar ist das die Bank Austria. Das gilt vor allem in bezug auf ihren Marktanteil. Im Bereich von Industrie und Gewerbe hat diese Bank etwa 30 bis 35 Prozent Marktanteil zu verzeichnen. Im privaten Bereich sind es 16 Prozent, und das ist jener Bereich, in welchem sie sich auch ausdehnen will.


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Der Rechnungshof stellt kritisch in seinen Bemerkungen fest, daß es eine Haftung zum Nulltarif gebe. Ich bin nicht Mandatar der Stadt Wien, aber ich könnte mir schon vorstellen, daß das an und für sich ein Zustand ist, der nicht von Dauer sein kann, weil auch der Wiener Bürger als Haftungsgeber einen Anspruch auf eine entsprechende Abgeltung seiner Leistung gegenüber dem Bankinstitut hat. Ich weiß aber, daß man für seine Hausbank etwas leichter haftet als für ein anderes Institut, aber generell ist dieser Zustand nicht erfreulich.

Die Volkspartei hat immer auf dem Standpunkt beharrt und diesen auch vertreten, daß die Privatisierung eine sinnvolle Lösung bedeutet. Wir sind mit dieser Forderung alleine geblieben. Es soll sich auch die Freiheitliche Partei jetzt nicht davonschleichen, indem sie sagt, wir wären ja bereit gewesen, das mitzutragen. Ihr Parteiobmann Haider hat gesagt, der Ankauf der CA durch die Bank Austria – wortwörtlich: dieser Deal – geht in Ordnung.

Wir können aber heute feststellen, daß die Entwicklung, die wir verlangen, vom Bankinstitut nachvollzogen wird. Die Beteiligung der AVZ ist nach Aussagen Herrn Direktors Randa bereits von 35,6 auf 26,5 Prozent gesunken, die Beteiligung der Republik Österreich von 12,1 auf 8 Prozent und der Anteil der Cariplo von 27,8 auf 19,6 Prozent, sodaß man langfristig erwarten kann, daß die Aktien auf dem freien Markt in Mehrheit bleiben werden.

In seinen Feststellungen trifft der Rechnungshof auch eine Aussage in bezug auf die Haftungsfälle. Er vermißt dort eine Datenbasis für eine exakte Risikoanalyse und für eine genaue Abschätzung des Risikovolumens. Mit ein paar Fällen des Berichtes möchte ich mich hier besonders beschäftigen.

Es verwundert einen Laien schon, wenn man hört, daß gewaltige Summen unbesichert ausgegeben werden und daß die Sicherungen sozusagen sehr dünn sind. Eine Privatperson wäre oft glücklich, wenn sie Haftungsbedingungen annähernd im gleichen Ausmaß oder in der gleichen Qualität erreichen könnte. Was hier auffällt, ist auch eine Kreditgewährung an einen Sportverein in der Höhe von 11,8 Millionen Schilling. Besichert waren davon 8,1 Millionen Schilling. Es gab eine Privathaftung der Funktionäre in der Höhe von 6,3 Millionen Schilling. Bei der Abwicklung des Falles wurde dann auf diese Privathaftung verzichtet.

Ich weiß nicht, was das alles sein kann, aber das ist sicher nicht in Ordnung, wenn man es genauer betrachtet.

Zu einem zweiten Fall, dem Geschäftsfall 8 im Rechnungshofbericht: Hier geht es um eine Gewährung eines Überbrückungskredits in der Höhe von 200 Millionen Schilling für eine Zeitung. Als Besicherung wurden die Anteile verpfändet. Es ist schon auffallend, daß sich eine Bank mit einer derartigen Besicherung zufrieden gibt, während sie auf der anderen Seite weiß, daß die Liquiditätsfrage und die Ertragslage des Unternehmens nicht sehr tragfähig sind.

Ich glaube, da sind andere Gründe geltend gemacht worden. Wenn man den Artikel in der "Presse" hernimmt, dann erfährt man auch die Antwort, wie diese Zeitung heißt. In der "Presse" vom 10. Oktober 1997 ist der "Standard" als dieses Presseorgan angeführt.

Auch nicht ganz zufriedenstellend ist das Auslandsengagement der Bank Austria. Da war sie nicht besonders glücklich, weder in den USA noch in Kanada. Ich glaube, daß da bessere Unterlagen und bessere Grundlagen bei der Gewährung und beim Eingehen eines Engagements notwendig sind.

Generell ist es natürlich für einen Ausschuß schwierig, diese Materie in so kurzer Zeit mitzuverfolgen und aufzuschlüsseln, und daher glaube ich, daß eine private Kontrolle besser als die öffentliche wäre. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)


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19.41

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Koppler. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.41

Abgeordneter Erhard Koppler (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Kollege Barmüller hat schon gemeint, die Sache Bank Austria wurde schon sehr ausführlich diskutiert, und ich werde es ihm nachmachen, indem ich meine Ausführungen auch kurz halten werde.

Herr Kollege Brix hat schon ausgeführt, daß der Präsident des Rechnungshofes den Wahrnehmungsbericht im Ausschuß sehr positiv beurteilt hat. Er stellte der Bank nicht nur ein gutes Zeugnis aus, sondern sprach ihr auch die Kompetenz zu, mit der sie durch die Jahre geführt wurde. Gerade im Zusammenhang mit dem Kauf der CA und den dabei entfesselten Horrorszenarien muß besonders darauf hingewiesen werden, daß die ehemalige Zentralsparkasse bereits eine Fusion zweier Großbanken, nämlich der Z und der Länderbank, hinter sich gebracht hat und daß dies erfolgreich und ohne Massenentlassungen erfolgt ist.

Ein günstiger Geschäftsverlauf und ein soziales Augenmaß haben es bei der Bank Austria zuwege gebracht, daß – abgesehen von Disziplinarfällen – nur der natürliche Abgang genützt werden muß, um die personelle Anpassung zu erreichen.

Mit der Fusion der beiden Banken, die zielstrebig, wie ich meine, und in Ruhe durchgeführt und verkraftet werden konnte, ist eine Universalbank, eben die Bank Austria, entstanden, die auch international anerkannt ist, eine ausgezeichnete Marktposition hat und deren Mitarbeiter sich mit ihr auch identifizieren. Ich glaube, das ist auch sehr wichtig.

Ich habe mir die Reden der Kollegen Lukesch und Wurmitzer sehr genau angehört, und auch in ihren Ausführungen kommt eigentlich die positive Bilanz zum Ausdruck. Sie haben sich sehr schwer getan, doch etwas Negatives in der Causa Bank Austria zu finden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, um zu appellieren: Ich betone das deshalb besonders, weil man bei dieser Gelegenheit doch sagen muß, daß es sehr wichtig ist, daß man positiv diskutiert und daß man, wenn Betriebe ordentlich wirtschaften und auch im internationalen Vergleich einigermaßen mithalten können, auch was die Größe betrifft, diese Unternehmungen in Ruhe arbeiten läßt. Ich glaube, bei dieser Feststellung gibt mir auch Kollege Prinzhorn recht. In diesem Sinne, meine sehr verehrten Damen und Herren, geben wir diesem Bericht gerne unsere Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

19.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun der Herr Präsident des Rechnungshofes. – Bitte, Herr Präsident.

19.45

Präsident des Rechnungshofes Dr. Franz Fiedler: Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der gegenständliche Prüfungsfall unterscheidet sich von anderen, die üblicherweise vom Rechnungshof wahrgenommen werden, durch die zeitliche Dimension. Ich darf daran erinnern, daß der Rechnungshof bereits im Frühjahr 1992 den ersten Versuch unternommen hat, die Bank Austria zu prüfen – im Frühjahr 1992, als noch mein Vorgänger, Präsident Dr. Broesigke, die Leitung des Rechnungshofes ausübte.

Es kam im Frühjahr 1992 zu zwei Verweigerungen durch die Bank Austria, worauf sich der Rechnungshof gezwungen sah, zur Klärung der Prüfungskompetenz den Verfassungsgerichtshof anzurufen.

Der Verfassungsgerichtshof hat im Frühjahr 1993, also ein Jahr darauf, ein für den Rechnungshof positives Erkenntnis gefällt, worauf der Rechnungshof im Anschluß daran einen neuerlichen, nämlich dritten Prüfungsversuch unternommen hat, bei dem erstaunlicherweise – dies unterscheidet den Fall von anderen vergleichbaren Fällen, in denen es auch zu Verweigerungen der Prüfung von seiten der geprüften Stelle kam, doch ganz entscheidend – die Bank Austria ungeachtet des vorliegenden Verfassungsgerichtshofserkenntnisses dem Rechnungshof den Zutritt ein neuerliches Mal verweigert hat.


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Der Rechnungshof sah sich daher in einer Situation, daß er zwar ein positives Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes in Händen hatte, daß aber auf der anderen Seite mangels der Möglichkeit, dieses Erkenntnis zu exekutieren, von ihm keine Prüfung vorgenommen werden konnte. In dieser Situation, die für den Rechnungshof nicht nur anlaßbezogen unbefriedigend war, sondern die auch die Gefahr einer gewissen Präjudizialität für andere seiner Prüfung unterworfene Stellen beinhaltet hat, hat der Nationalrat den Rechnungshof sehr tatkräftig unterstützt.

Der Nationalrat hat sich mit dieser Situation seines Prüfungsorgans nicht abgefunden und hat eine Möglichkeit geschaffen, daß der Rechnungshof doch noch zu seinem Recht kommen konnte. Er mußte allerdings zu diesem Zweck die Bundesverfassung und auch das Verfassungsgerichtshofgesetz ändern, und zwar in der Weise, daß den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes in Kompetenzfeststellungsverfahren eine Exekutionsmöglichkeit zuerkannt wurde, daß also seither die diesbezüglichen Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes eine Vollstreckbarkeitsklausel enthalten.

Ich sehe in dieser Unterstützung, die der Nationalrat dem Rechnungshof damals angedeihen ließ, ein Zeichen der Kooperation und des guten Willens des Nationalrates gegenüber dem Rechnungshof. Ich darf von dieser Stelle aus – ich habe es bereits andernorts auch getan – dem Nationalrat meinen Dank für diese Unterstützung aussprechen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP sowie den Freiheitlichen.)

Letztlich war die vom Nationalrat beschlossene Novelle der Bundesverfassung bestimmend dafür, daß der Rechnungshof einen weiteren, vierten Prüfungsversuch unternommen hat, der allerdings auch mit einer ablehnenden Haltung der Bank Austria bedacht wurde, daß aber daraufhin der Rechnungshof nochmals den Verfassungsgerichtshof anrufen konnte und in der Folge daraus ein weiteres Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes erflossen ist, und zwar im Jahre 1995. Mit diesem Erkenntnis ist es endlich gelungen, im fünften Anlauf eine Prüfung bei der Bank Austria vorzunehmen.

Es war also ein von den üblichen Prüfungen durchaus abweichendes Szenario, welches der Rechnungshof zu registrieren hatte. Es war zum Teil auch von spektakulären Medienberichten begleitet. Der Rechnungshof selbst hat die Situation immer etwas nüchterner eingeschätzt. Er hat den Streit oder, besser gesagt, die Auseinandersetzung mit der Bank Austria als Zeichen rechtlicher Auffassungsunterschiede, was die Prüfungskompetenz des Rechnungshofes anlangt, angesehen. Es ist letztlich auch gelungen, diesen Konflikt als rechtlichen Konflikt in ein geordnetes, von der Verfassung vorgezeichnetes rechtliches Verfahren zu lenken und dort in einer Weise auszutragen, wie es einem Rechtsstaat entspricht.

Ich möchte also betonen, ich sehe im Verhalten der Bank Austria zwar eine gewisse Singularität, aber letztlich den Ausdruck einer rechtlichen Auffassung, die von der des Rechnungshofes unterschiedlich war und die dazu geführt hat – das möchte ich durchaus positiv sehen –, daß auf der einen Seite die Verfassung nunmehr für den Rechnungshof weitere Rechte gebracht hat, eben aufgrund der von mir erwähnten Novellierung, und daß auf der anderen Seite – auch das möchte ich positiv vermerken – nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof auch eine Unternehmung Parteienstellung genießt, daß also nicht nur die Gebietskörperschaft, der die Unternehmung zuzurechnen ist, Parteienstellung genießt, sondern auch die Unternehmung selbst.

Auch das betrachte ich als Fortschritt und darf in diesem Zusammenhang darauf verweisen, daß es sich dabei um eine Forderung handelt, die der Rechnungshof schon vor längerer Zeit aufgestellt hatte und die mit dieser Verfassungsnovelle erfüllt werden konnte.

Ich möchte auch betonen, daß ungeachtet dieses zeitlichen Vorlaufes mit allen Begleiterscheinungen, die es dabei gegeben hat, das Prüfungsverhalten der Bank Austria sehr kooperativ war und auch die Einstellung der Prüfer des Rechnungshofes gegenüber der Bank Austria in keiner Weise davon beeinträchtigt war, was sich im Vorfeld abgespielt hat. Es war – ich möchte es so sagen – das Szenario dieses zeitlichen Vorlaufes, dieses Zeitraumes vor der Prüfung spek


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takulärer, als es der Rechnungshof selbst gesehen hat, denn der Rechnungshof hat es immer nur als einen rechtlichen Auffassungsunterschied betrachtet.

Der Rechnungshof hat also die Prüfung durchgeführt, hat sich natürlich nicht von diesem Szenario beeinflussen lassen, sondern nur von den Prüfungszielen, die er ebenso wie bei allen anderen Prüfungen zu beobachten hat.

Er hat sich auch, wie er dies bei anderen Prüfungen vornimmt, nicht darauf beschränkt, eine Mängelberichterstattung vorzunehmen, sondern er hat auch die Positiva hervorgehoben, die es bei der geprüften Stelle gibt. Solche waren bei der Bank Austria, worauf bereits von mehreren meiner Vorredner verwiesen wurde, durchaus zu finden.

Natürlich gab es bei der Bank Austria wie bei jeder geprüften Stelle auch gewisse Mängel, die der Rechnungshof in seinem Bericht dargestellt hat. Es ist eine ganze Reihe von Kritikpunkten in den Bericht eingeflossen. Auch da, muß ich sagen, waren das Verhalten und das Entgegenkommen der Bank Austria doch beachtlich, denn es wurden bereits im Zuge der Prüfung gewisse Mängel abgestellt.

Wenn von einigen Abgeordneten – es war unter anderem Herr Abgeordneter Trattner – ausgeführt wurde, daß der Bericht des Rechnungshofes kein vollständiger sei, so kann ich dem schwer widersprechen. Ich nehme das auch zur Kenntnis. Ich möchte nur betonen, es kann die Prüfung des Rechnungshofes bei keiner von ihm geprüften Stelle vollständig sein. Es würde dies eine Totalprüfung erfordern, die sich über Monate, ja über Jahre erstrecken müßte. Der Rechnungshof muß klarerweise eine Auswahl der von ihm zu prüfenden Teilbereiche bei der geprüften Stelle vornehmen, andere Bereiche wiederum kann er nicht prüfen. Das liegt in der Natur der Sache und entspricht seit vielen Jahren einer Auffassung und einer Übung des Rechnungshofes, sodaß darin keine Abweichung, was die Prüfung bei der Bank Austria anlangt, gegenüber anderen Prüfungen des Rechnungshofes besteht.

Der Rechnungshof wird sich, wenn er noch einmal in die Situation kommen sollte, die Bank Austria zu prüfen, vermutlich anderen Bereichen zuwenden können und wird dann eben jene Bereiche, die er schon in die von ihm vorgenommene Prüfung aufgenommen hat, nicht mehr einer so genauen Prüfung unterziehen können oder auch nicht zu unterziehen brauchen. Auch das liegt in der Natur der Sache, daß der Rechnungshof bei jeder Prüfung Teilbereiche auswählt, die nicht zuletzt auch von ihrer Aktualität abhängen.

Herr Abgeordneter Trattner hat des weiteren in Zweifel gezogen, ob die im Rechnungshofbericht erwähnten 65 Millionen an Zinsenersparnis nicht zu niedrig gegriffen seien. Auch insoweit muß ich durchaus einräumen, daß dies der Fall sein kann. Ich möchte aber hier nochmals betonen, was ich bereits im Rechnungshofausschuß ausgeführt habe: Die 65 Millionen Schilling Zinsenersparnis, die sich in diesem Bericht finden, sind ein Stichtagsergebnis. Sie sind stichtagsbezogen und haben als Bezugspunkt den März 1996.

Ich habe bereits im Ausschuß ausgeführt, daß diese Zinsenersparnis vom Verlauf der Geschäfte abhängig ist und daß sie sich ändern kann. Die Zinsenersparnis kann zu einem anderen Stichtag größer sein, sie kann auch niedriger sein. Sie kann – das will ich nicht ausschließen – auch eine dreistellige Millionenzahl erreichen, so wie dies vom Herrn Abgeordneten Trattner ausgeführt wurde. Nur zu dem Zeitpunkt, zu dem wir die Prüfung vorgenommen haben, zu dem wir eine Stichtagserhebung vorgenommen haben, zu diesem Zeitpunkt war eben die Zinsenersparnis in der Größenordnung von 65 Millionen Schilling gegeben.

Wesentlicher allerdings als das, wie hoch nun die Zinsenersparnis tatsächlich ist – sie beträgt zig Millionen, das steht fest –, ist die Conclusio, die man daraus ziehen sollte und die auch der Rechnungshof in seinem Bericht gezogen hat; die Conclusio nämlich, daß dafür als Äquivalent von seiten der Bank Austria der Gemeinde Wien eine Haftungsprovision zu zahlen wäre. Insoweit liegt eine Empfehlung des Rechnungshofes vor, und insoweit ist der Rechnungshof natürlich daran interessiert, daß sowohl von den politischen Verantwortungsträgern – vor allem allerdings im Rahmen der Gemeinde Wien, das muß ich hinzufügen – als auch von seiten der Bank Austria ein gewisses Entgegenkommen gezeigt wird.


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Wenn ich resümieren darf, dann möchte ich festhalten, daß auf der einen Seite eine sehr kontroversielle Haltung zu Beginn der ersten Prüfversuche des Rechnungshofes von seiten der Bank Austria an den Tag gelegt wurde, daß aber die Prüfung letztlich für alle Beteiligten zu einem gedeihlichen Ende gebracht werden und auch dem Nationalrat ein Bericht über die Prüfung vorgelegt werden konnte, der nach Meinung des Rechnungshofes doch auch sehr stark an Aussagekraft ist.

Über den Prüfungsfall hinausreichend – das möchte ich eben noch besonders positiv hervorheben – sind es die aufgrund der Prüfungsverweigerungen der Bank Austria letztlich resultierenden Gesetzesänderungen, die dem Rechnungshof für die Zukunft eine größere Möglichkeit bieten, seine Prüfungskompetenz durchzusetzen. Ich erblicke in der Unterstützung des Nationalrates für den Rechnungshof einen Beweis der Kooperation und sehe darin auch eine Manifestation der Verbundenheit des Nationalrates mit seinem Prüfungsorgan und weiters einen Beweis dafür, daß, wenn der Nationalrat und der Rechnungshof gemeinsam und geschlossen auftreten, Hindernisse überwunden werden können.

Diese Erkenntnis aus der Kooperation und dem gemeinsamen Vorgehen zwischen Nationalrat und Rechnungshof sollte uns eigentlich beide beflügeln. (Beifall bei der ÖVP und beim Liberalen Forum.)

19.58

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Rechnungshofpräsident.

Zu Wort gemeldet ist jetzt noch Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.58

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Rechnungshofpräsident! Nur noch ein paar Worte: Die Diskussionen, die im Zusammenhang mit dem Aufkauf der CA-Anteile hier im Haus geführt worden sind, mögen vielleicht ein Grund sein, zu erkennen, warum doch über einen längeren Zeitraum eine Rechtsfrage geführt worden ist, was die Prüfungskompetenz anlangt. Es ist doch leider Gottes im Nationalrat in diesem Zusammenhang das eine oder andere negative Beispiel geliefert worden, wie man über eine Bank, über ein Kreditinstitut reden, es ins Gerede bringen und dadurch – es hat auch einen Kursverfall gegeben – durchaus auch eine Gefährdung stattfinden kann. Daher ist es vielleicht nicht ganz unverständlich, daß sich ein Bankinstitut unter Umständen bei einer Rechtsfrage, die nicht eindeutig zu klären ist, etwas sperrt.

Die Verfassungsänderung hat in der Tat mit sich gebracht, daß die Unternehmungen nunmehr Parteistellung bekommen, was sicherlich ein signifikanter Vorteil ist, auch für die zu prüfenden Unternehmen. Der Bericht ist an sich im überwiegenden Bereich sehr positiv. Es wird auch darauf eingegangen, wie die Fusion mit der Länderbank zustande gekommen ist, die sehr positiv bewertet worden ist.

Im Grunde genommen sind von den Kennzahlen her, die mir noch ins Auge stechen, folgende grundsätzliche Feststellungen wichtig, nämlich daß sich die wirtschaftliche Situation der Bank im Rahmen anderer Großbanken befunden hat, daß die Beteiligungsstruktur mit der Wiener Städtischen, Cariplo und der Westdeutschen Landesbank an sich sehr attraktiv ist, daß die Auswahl der Kooperationspartner durch den Rechnungshof als sehr vorteilhaft bezeichnet und auch die Konstruktion der Anteilsverwaltung als Holding als sehr professionell dargestellt wird.

Im großen und ganzen wurden dann noch die Zusammenführung mit der Länderbank und der Zuwachs der Bilanzsumme im Zeitraum von 1991 bis 1996 von immerhin 482 Millionen Schilling auf 542 Millionen Schilling, das heißt um 54 Prozent, als positiv dargestellt, wobei hierbei die Einführung von zwei Bankinstituten stattfand.

Es stellte sich im Rahmen des Berichtes beziehungsweise der Diskussion auch noch heraus, daß in der Zusammenfassung des Berichtes der Rat, nämlich das Auslandsgeschäft im wesentlichen auf die Vertretung inländischer Interessen zu beschränken, jedenfalls durch den Aufkauf


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der CA-Anteile nicht mehr aufrechtzuerhalten ist. Ich meine daher, daß in Summe der Rechnungshofbericht so gehalten ist, daß eine Annahme jedenfalls empfohlen werden kann. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.01

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu jetzt niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters findet nicht statt.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein und kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, den vorliegenden Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes (III-100 der Beilagen) zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der erwähnte Wahrnehmungsbericht ist damit zur Kenntnis genommen.

5. Punkt

Erste Lesung des Antrages 654/A der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir kommen zum 5. Punkt der Tagesordnung und gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält die Antragstellerin. – Ich korrigiere: Das Wort erhält Herr Abgeordneter Koller. – Bitte.

20.02

Abgeordneter Franz Koller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die bäuerlichen Patienten sind durch die Streitigkeiten zwischen Ärztekammer und Bauernkrankenkasse hochgradig verunsichert. Dieser Umstand ist gesundheitsgefährdend, weil viele Bauern und Bäuerinnen trotz Beschwerden auf einen notwendigen Arztbesuch verzichten, da sie die Kosten nicht abschätzen und sich diese nicht leisten können.

Nun zur Aufhebung der Subsidiarität: Betroffen sind hier die Nebenerwerbsbauern. Unter dem Druck der neuen Situation wird die Subsidiarität aufgehoben, das heißt, daß bäuerliche Familienangehörige von Versicherten in außerlandwirtschaftlichen Berufen ihre Mitversicherung verlieren. Die Aufhebung der Angehörigensubsidiarität bedeutet für diese Personengruppe eine Schlechterstellung, die schlicht und einfach nicht zumutbar ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die ÖVP-Bauernvertreter fordern immer wieder, daß es keine weiteren sozialen Belastungen für die Bauern geben möge. Auch die § 7-Kommission, in der alle Sozialpartner vertreten sind, stellt die gleiche Forderung.

Nun zum Selbstbehalt: Derzeit müssen Bauern bei einem Arztbesuch die Behandlungskosten vorfinanzieren und bekommen diese später zu 80 Prozent rückvergütet. Es ist ein Andocken an die Gebietskrankenkasse vorgesehen. Das überfallsartige Vorgehen von Bauernfunktionären und von Herrn Landwirtschaftsminister Molterer betreffend Anpassung der bäuerlichen Sozialversicherung an das Modell der Gebietskrankenkasse sorgt bei den Ärzten für helle Empörung.

Der Präsident der Ärztekammer, Herr Dr. Neumann, bezeichnete diesen Plan als massiven Täuschungsversuch, den Donabauer und Minister Molterer hinter verschlossenen Türen ausgemauschelt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Eine Systemumstellung in Richtung Krankenschein wäre für die Mediziner deshalb ärgerlich, weil diese nicht nur den Papierkram selbst bewältigen müßten, sondern auch befürchten, weniger zu verdienen. Die Bauernkrankenkasse bezahle nämlich derzeit doppelt bis dreimal so viel für ärztliche Leistungen wie die Gebietskrankenkasse.


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Kollege Donabauer ist leider jetzt nicht anwesend, aber er hat als Obmann der Bauernkrankenkasse schlechte Verträge ausgehandelt. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Beiträge in Millionenhöhe wären den Bauern erspart geblieben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Für den Fall, daß die Pläne der Regierung am 1. Juli 1998 Gesetzeskraft erlangen, fordert die Österreichische Ärztekammer die Abschaffung der Krankenversicherung der Bauern. Sie sei ja durch die Eingliederung in die Gebietskrankenkasse überflüssig geworden. Ein aufwendiger und kostspieliger Verwaltungsapparat verliere mit dem Wegfall seines Aufgabenbereiches jegliche Existenzberechtigung. (Beifall bei den Freiheitlichen.) In diesem Falle hätte sich Donabauer selbst wegrationalisiert. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner: Das ist gescheit!) Bauernschläue in allen Ehren, aber, Kollege Donabauer, das ist keine Bauernschläue. Die Versicherung darf sich nicht auf den Rücken der Patienten sanieren, denn eine Versicherung – in diesem Fall die der Bauern –, die verunsichert, ist zwecklos.

Ich fordere Herrn Obmann Donabauer zum Handeln auf. Die Bauern wollen Klarheit haben! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner: So ist es!)

20.06

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Abgeordneter Mag. Guggenberger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

20.06

Abgeordneter Mag. Walter Guggenberger (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beschäftigen uns in erster Lesung mit einem Antrag der Kollegin Edith Haller und Genossen. Ich darf den Begründungsteil wortwörtlich zitieren: "Die Antragsteller schlagen daher vor, die Ankündigungen vieler Koalitionspolitiker, daß auch der Selbstbehalt von 20 Prozent bei den ärztlichen Leistungen wegfalle, bis 1. Juli 1998 tatsächlich umzusetzen." Und gleichzeitig solle – sinngemäß – eine Krankenscheingebühr von 50 S eingeführt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Freiheitlichen! Wenn das tatsächlich die Absicht Ihres Antrages ist, haben Sie folgendes ganz offensichtlich übersehen: Der Selbstbehalt wurde schon im Rahmen des Sozialrechtsänderungsgesetzes abgeschafft. Was jetzt an die Stelle dieses Selbstbehaltes ab 1. Juli 1998, also genau zu dem von Ihnen urgierten Termin, treten wird, ist ein pauschalierter Kostenbeitrag. Dieser wird genau diese Summe von 50 S ausmachen. Das heißt, Sie fordern etwas, was zum Teil gesetzlich bereits beschlossen wurde und was zum anderen Teil in Vorbereitung ist. (Ruf bei den Freiheitlichen: Wo steht das geschrieben?) Sie rennen also mit einem Wort bei uns offene Türen ein; das ist ein geradezu klassischer "Fensterantrag": Es geschieht etwas, ohne daß Sie etwas dazu beigetragen hätten. Das ist ein typischer Antrag, über den man nur den Mantel des Vergessens breiten kann. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Feurstein. )

20.08

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

20.08

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich kann mich an sich im wesentlichen den Ausführungen des Kollegen Guggenberger anschließen, aber nicht ohne mir eine Anmerkung zu verkneifen: Die Tendenz, daß hier in einem Punkt etwas harmonisiert wird, nämlich daß sich die bäuerliche Krankenversicherung der ASVG-Mechanik anzunähern beginnt, ist an und für sich erfreulich: Das wurde ja gestern bereits ein wenig diskutiert.

Wenn sich die Kolleginnen Haller, Aumayr und weitere letztlich durch diesen Antrag, der zwar jene Qualität hat, die Kollege Guggenberger beschrieben hat, auch dieser Tendenz anschließen, dann machen wir einen großen Schritt nach vor. Die Tatsache, daß die Bauern eine eigene Versicherung haben, aber eine relativ kleine Gruppe sind, hat ihnen immer schon Schwierigkeiten bereitet. Eine geringe Anzahl von Leuten zu versichern, ist immer schwieriger als eine größere. Daher meine ich, daß wir im Ausschuß sicher darüber reden werden, aber wahrscheinlich wird


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bereits der Mantel des Vergessens darüber gebreitet sein. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

20.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 654/A dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zu.

6. Punkt

Erste Lesung des Antrages 655/A der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Madl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte. (Rufe: Wabl! – Abg. Madl  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Nicht Wabl! Madl! Darauf lege ich schon Wert!)

20.10

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im vorliegenden Antrag setzen wir uns für eine Gruppe von Menschen ein, die Opfer des Strukturanpassungsgesetzes 1996 geworden sind, nämlich die Bäuerinnen. Kollege Zweytick, ich bin froh darüber, daß wenigstens ein ÖVP-Vertreter des Bauernstandes jetzt anwesend ist, der sich für dieses Problem augenscheinlich interessiert. (Abg. Dr. Khol: Frau Horngacher ist auch hier!) Wo? – Entschuldigung. Das ist ja klar, weil Sie später reden wird. (Abg. Dr. Khol: Die Landesbäuerin von Tirol kann man nicht übersehen!) Man kann sie nicht übersehen. Danke, ich habe das zur Kenntnis genommen. (Abg. Dr. Khol: Danke!)

Jedenfalls sind jene Bäuerinnen betroffen, die im Jahre 1992 von den Berufsvertretungen, von den Kammervertretungen und speziell – darum ist Herr Donabauer gar nicht mehr zum Rednerpult heruntergekommen – von den Vertretern der Sozialversicherungsanstalten überredet wurden – obwohl sie 1992 gar nicht unter die bäuerliche Versicherungspflicht gefallen wären –, dieser Pflichtversicherung doch beizutreten, weil ihnen eingeredet wurde, daß innerhalb von zehn Jahren eine Pensionsanwartschaft für sie herausschauen würde. Das betrifft speziell jene Bäuerinnen, die damals über 50 Jahre alt waren.

Wir Freiheitlichen haben damals gegen dieses Pensionsgesetz gestimmt. Sie können sich wohl – oder auch nicht – daran erinnern, weil wir bereits damals erkannt haben, daß da ein Pferdefuß enthalten ist. Und siehe da: Vier Jahre später, im Jahre 1996, haben sich die Spielregeln für die Bäuerinnen innerhalb dieses Strukturanpassungsgesetzes komplett geändert: Es wurden nicht mehr 120 Monate für die Anwartschaft der Bäuerinnen auf Pensionszahlung bestimmt, sondern dieser Zeitraum von 120 Monaten wurde auf 180 Monate verlängert.

Das bedeutet folgendes: Die Bäuerinnen hätten noch fünf Jahre lang mehr Beiträge zahlen müssen als im Jahre 1992, als sie freiwillig in diese Versicherungspflicht eintraten, weil jene Bäuerinnen – und ich rede nur von diesen –, die damals nicht versicherungspflichtig gewesen wären, damals schon über 50 Jahre gewesen sind. Jetzt ist es so, daß diese Bäuerinnen bis weit über ein Alter von 60 Jahren hinaus arbeiten müßten, um überhaupt eine Anwartschaft zu erreichen. Ich empfinde das als sozialpolitischen Skandal!

Unser Antrag zielt darauf ab, daß wenigstens jene Bäuerinnen, die damals dieser Sozialversicherungspflicht freiwillig nachgekommen sind, aus diesen verlängerten Beitragsmonaten der Anwartschaft herausgenommen werden; das bedeutet, daß man sie in jenem System aus dem Jahre 1992 beläßt, als sie dieser Pensionsversicherung beigetreten sind, nämlich bei


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120 Monaten, sprich zehn Jahren, damit Bäuerinnen – es ist erwiesen, daß das ein Berufsstand ist, der in der schlechtesten körperlichen Verfassung ist – nicht bis zum 65. oder 70. Lebensjahr arbeiten müssen, um diese Schandpension – das muß ich auch noch dazusagen – von wenigen Tausend Schilling zu lukrieren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.13

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Die wievielte Wortmeldung ist das heute? – Abg. Dr. Kier  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Die dritte! – Abg. Dr. Khol: Kein guter Tag für Sie! – Abg. Dr. Kier: Nein, ein schwacher Tag! Was soll ich machen? Was kann ich dafür, wenn dauernd Sozialmaterien sind!) Herr Dr. Kier! Sie haben schon das Wort. – Bitte.

20.13

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In aller Kürze: Dieser Antrag der Freiheitlichen ist es wert, bedacht zu werden, weil tatsächlich offenbar durch die kurzfristige Änderung der Gesetze ein Zustand entstanden ist, durch den sehr viele Personen in die Lage geraten sind, daß sie de facto zwar mit einer gewissen Erwartung Pensionsversicherungsbeiträge bezahlt haben, aber nun in diesem speziellen Fall keinen Anspruch auf vorzeitige Pension aus Gesundheitsgründen – was das in ländlichen Raum bedeutet, brauche ich wohl nicht näher auszuführen – geltend machen können, weil sich die Fristigkeit noch einmal verschoben hat.

Es handelt sich hiebei um eine sehr kleine Gruppe; es ist das also ist keine Frage hoher Kosten. Es soll auch kein Präjudiz für andere Bereiche sein – das möchte ich an dieser Stelle erwähnen –, aber das Liberale Forum steht diesem Antrag daher sehr sympathisierend gegenüber. Wir werden ihn in der Ausschußsitzung natürlich noch in technischen Details besprechen müssen; so einfach geht es eben doch nicht. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum sowie demonstrativer Beifall des Abg. Meisinger. )

20.14

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte.

20.14

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit gegenständlichem Antrag wird eine Ausdehnung der Ausnahme der Verlängerung der Wartezeit begehrt. Es sollen demnach auch jene Frauen ausgenommen werden, die sich von der am 1. Jänner 1992 eingeführten sogenannten Bäuerinnen-Pensionsversicherung aufgrund ihres Alters – eben mindestens 45 Jahre – befreien lassen konnten. Ein Teil dieser Frauen hätte sich damals aufgrund einer Beratung und in Erwartung eines späteren Pensionsanspruches eben nicht befreien lassen. (Abg. Madl: Hat sich befreien lassen!)

Es ist richtig, daß mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 die Wartezeit für die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit nach dem BSVG und dem GSVG, aber auch nach dem ASVG von 120 auf 180 Beitragsmonate verlängert wurde. Es trifft daher alle Gruppen. Eine dementsprechende Änderung ist natürlich auch – wie Sie schon sagten – bei den Verkäuferinnen eingetreten. Die Verlängerung der Wartezeit gilt jedoch aufgrund von Übergangsbestimmungen nicht für Frauen, die am 1. Jänner 1996 das 55. Lebensjahr vollendet haben.

Durch diese Ausnahme werden jene Frauen geschützt, die bereits vor Inkrafttreten der Verlängerung der Wartezeit am 1. September 1996 das 55. Lebensjahr vollendet haben, das heißt, die Voraussetzungen für die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit erfüllt haben. (Abg. Madl: Sonst müssen sie bis 70 arbeiten! Sollen sie bis 70 arbeiten? Das wäre ja noch länger!) Der Grund für ihre damalige Entscheidung kann aber, Frau Kollegin Madl, in Wahrheit nicht die Erwartung einer vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit gewesen sein, denn der Anspruch auf eine solche Pension hängt insbesondere davon ab, ob im Alter von 55 bis 60 Jahren Erwerbsunfähigkeit der Versicherten/des Versicherten eintritt.

Das Auftreten von Erwerbsunfähigkeit in diesem Alter kann jedoch von niemandem mit ausreichender Sicherheit vorausgesehen werden, um dann daran eine Entscheidung zu einer


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meistens viele Jahre bestehenden Pensionsversicherung zu binden. Ich bin daher der Meinung, daß das schon eingesehen werden müßte. (Abg. Madl: Wobei die Vorzeiten überhaupt nicht angerechnet werden!)

Es besteht zumindest aus Sicht der Sozialdemokraten kein ausreichender Grund dafür, eine spezielle Gruppe von Menschen von den verschärften Bedingungen der Anspruchsvoraussetzungen – entgegen dem Gleichheitsgebot – auszunehmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Feurstein. )

20.18


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ich weise den Antrag 655/A dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zu.

7. Punkt

Erste Lesung des Antrages 671/A der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 1990, in der Fassung BGBl. Nr. 43/1995, geändert wird

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir kommen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte.

20.18

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Grünen haben diesen Antrag aus dem Grund eingebracht, damit die einzelnen Fraktionen in diesem Hause die Möglichkeit haben, klar Position zu beziehen. Wir halten nämlich nichts davon, daß Bundesminister Fasslabend und Bundesminister Schüssel – ebenso wie Abgeordnete der ÖVP – bei internationalen Treffen ununterbrochen so tun, als ob es in bezug auf eine Zusammenarbeit mit der NATO kein Problem gäbe. Die Aussagen des Herrn Bundesministers Fasslabend bei Diskussionen, in denen er so tut, als ob Österreich bereits NATO-Mitglied wäre, sind ja bekannt. Es geht insbesondere darum, daß die zur Verfügungstellung von Einrichtungen des österreichischen Bundesheeres an Armeen des NATO-Bündnisses nicht zulässig ist.

Österreich hat eine gültige Bundesverfassung, und ich bin der Ansicht, daß, wenn das Hohe Haus der Meinung ist, daß es diesbezüglich einer Änderung bedarf, darüber in aller Offenheit und Klarheit diskutiert werden sollte.

Die Sozialdemokratie hat in den letzten Tagen und Wochen zumindest etwas klarer Stellung bezogen. Soviel ich weiß, hat Herr Landeshauptmann-Stellvertreter Höger in Niederösterreich daraus einen Wahlkampfslogan gemacht: Neutralität statt NATO.

Wir wollen, daß hier in diesem Haus klargestellt wird, daß es eine gesetzliche Grundlage gibt, und daß hier nicht der Herr Bundesminister meint, irgendwelche Interpretationen vornehmen zu können, in denen er sich über das Neutralitätsgesetz hinwegsetzen kann. Ich brauche nur an die letzte Pressestunde des Herrn Außenministers zu denken, in der er davon sprach, daß es selbstverständlich zulässig sei, daß Flugzeuge der USA über österreichisches Territorium fliegen können, weil es nur um Versorgungsflüge gehe. Das verglich er mit den Einsätzen in Bosnien, aber dort gab und gibt es eine ganz andere Situation. Das ist untragbar, meine Damen und Herren, und deshalb haben wir diesen Antrag eingebracht!

Ich hoffe, daß dieser Antrag bald im zuständige Ausschuß behandelt werden wird und daß wir dann auch darüber – gemäß einem Wunsch des Zweiten Präsidenten des Nationalrates – das Volk befragen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

20.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Abgeordneter Gaál. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.21

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Erlauben Sie mir ein paar grundsätzliche Bemerkungen zum vorliegenden Antrag der Grünen betreffend Änderung des Wehrgesetzes. Wir werden diesem Antrag nicht zustimmen, weil durch die derzeit geltende Rechtslage dieser Sachverhalt ausreichend geregelt ist. Die Festlegungen sind dort sehr klar und eindeutig; es bedarf daher keiner Änderungen beziehungsweise Ergänzungen des Wehrgesetzes.

Das Wehrgesetz hat sich in allen Belangen der Umfassenden Landesverteidigung in der Vergangenheit sehr gut bewährt. Ich denke auch, daß die Änderungsvorschläge der Grünen ein wenig an der Realität vorbeigehen. Uns sollte es meiner Ansicht nach vielmehr darum gehen, daß Österreich seine Verpflichtungen im Rahmen der internationalen Völkergemeinschaft so erfüllen kann, wie das in der Vergangenheit der Fall war. (Abg. Wabl: Die Zusammenarbeit mit der UNO ist ja geregelt!)

Ich darf in diesem Zusammenhang auch in Erinnerung rufen, Kollege Wabl, daß sich Österreich seit 1960 an militärischen Einsätzen beteiligt. Im Rahmen der Friedenssicherung – das muß man immer wieder betonen – sind fast 40 000 Österreicher freiwillig an Aktionen beteiligt, wenn es darum geht, im Dienste des Friedens aktiv tätig zu sein. (Abg. Wabl: Was war das, was Clinton im Irak vorgehabt hat?) Wir können in diesem Zusammenhang auf eine sehr erfolgreiche und anerkannte Politik im Dienste des Friedens verweisen. (Abg. Wabl: Genosse Gaál! Woran erkennt man die Sozialdemokratie?) Österreich hat bewiesen, daß es in der Lage ist, seinen Verpflichtungen aus der Neutralität gerecht zu werden sowie auch seine Verpflichtungen als Mitglied der Europäischen Union und seine Verpflichtungen aus der Zugehörigkeit zu anderen internationalen Organisationen in vertragstreuer, sinnvoller und solidarischer Weise wahrzunehmen.

Meine Damen und Herren! Die österreichische Bundesverfassung, insbesondere der Artikel 9a, berücksichtigt sehr wohl die Interessen Österreichs und ermöglicht es uns auch, internationalen Verpflichtungen nachzukommen. Jede Änderung des Wehrgesetzes bringt da kein Mehr an Sicherheit und bedeutet meiner Ansicht nach eher eine Einschränkung unserer sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit. Daher werden wir, wie gesagt, diesem Antrag keine Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

20.23

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Dr. Maitz vor. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.23

Abgeordneter Dr. Karl Maitz (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag Wabl – das hat er selbst gesagt – gibt Gelegenheit, wieder klare Positionen zu beziehen. Die Volkspartei tritt mit aller Vehemenz dafür ein, daß unser Bundesheer auch in Zukunft an internationalen Friedensmissionen teilnimmt und teilnehmen kann – und das selbstverständlich auch im Rahmen der NATO-"Partnerschaft für den Frieden". Die Grünen hingegen wollen mit diesem Antrag die Friedenseinsätze abdrehen und keine aktive Friedensarbeit des österreichischen Bundesheeres zulassen.

Vier Punkte zum Sachgehalt des Antrages: Zunächst einmal ist die Formulierung nicht sinnvoll – um nicht zu sagen: unsinnig –, in der es heißt, daß die Zurverfügungstellung von Einrichtungen des österreichischen Bundesheers an "Armeen" des NATO-Bündnisses nicht zulässig ist. Die NATO selbst verfügt über keine Armee, sondern über integrierte NATO-Kommandostrukturen. Daher ist das semantisch nicht zutreffend.

Zur zeitweisen Überlassung von Einrichtungen: Eine derartige Vorgangsweise gibt es zurzeit schon im Rahmen des NATO-Einsatzes im ehemaligen Jugoslawien. In Bosnien-Herzegowina


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ist unter Führung der NATO die SFOR-Truppe im Einsatz, auch mit österreichischen Soldaten. Ich glaube nicht, daß Wabl meint, daß man diesen Einsatz beenden sowie das Chaos und den Kampf untereinander dort wieder aufkeimen lassen soll. (Abg. Wabl: Die UNO-Missionen sind im Gesetz geregelt! Sie kennen das Wehrgesetz nicht!) NATO-Einsatz: SFOR unter NATO-Führung, ganz eindeutig!

Dritter Punkt: Neben den Vereinten Nationen positioniert sich die NATO-"Partnerschaft für den Frieden" zunehmend als Organisation für Krisenmanagement und Friedensvorsorge. Daher ist es unsinnig, eine Beteiligung von Einrichtungen des österreichischen Bundesheeres daran zu verbieten.

Zuletzt möchte ich darauf verweisen, daß auch aufgrund des modifizierten Vertrages der Europäischen Union die Aufnahme dieses Passus der Grünen in das Wehrgesetz nicht mit Artikel J.7 dieses Vertrages konform wäre. Das heißt, auch da läuft die Intention daneben.

Was ist dann der politische Hintergrund dieses Antrages? – Wabl hat es gesagt, und wir können es auch in manchen Zeitungen nachlesen: Grün-ideologisch ist er begründbar, pragmatisch ist er aber völlig unrealistisch. Ich habe kein Verständnis dafür, daß man das Schüren von Emotionen mit Unwahrheiten, mit Horrorzahlen und Horrormeldungen gegen vierzehn europäische und zwei amerikanische NATO-Staaten betreibt und im Zuge dieses Schürens von Emotionen den Inhalt eines selbstgemischten Schmutzkübels über all jene Staaten ausschüttet, die Friedensarbeit im Bereich der NATO-"Partnerschaft für den Frieden" leisten. (Abg. Wabl: Karitative Einrichtung NATO!)

Ich habe größtes Verständnis dafür, wenn man sagt, man müsse mit den Gefühlen der Menschen – also auch mit dem Gefühl, daß die Neutralität bisher etwas bedeutet hat – sorgsam umgehen. Wir werden aber alles daran setzen, der Bevölkerung klarzumachen, daß die NATO das Konzept der Zukunft auch für Österreich, für Europa und für den Frieden in der Welt ist, daß die Neutralität ihre Aufgabe erfüllt hat und daß sie nunmehr obsolet geworden ist. (Beifall bei der ÖVP.)

20.27

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist jetzt Herr Abgeordneter Scheibner. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.28

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag des Kollegen Wabl ist nur konsequent, freilich aus seiner Sicht, und er entspricht der Linie der Grünen. Eines sei zugestanden: Die Grünen sind wenigstens in ihrer ablehnenden Haltung zu einer Bündnismitgliedschaft immer konsequent gewesen. Das kann man von den Regierungsparteien nicht immer sagen.

Inhaltlich allerdings bewegen wir uns auseinander, da sind wir sehr weit von diesem Antrag entfernt. Zum einen sind wir der Auffassung, daß es nicht Sinn einer Sicherheitspolitik und einer Landesverteidigung sein kann, ein völkerrechtliches Instrument zu verteidigen, wie es die Neutralität eben ist. Neutralität ist als völkerrechtliches und sicherheitspolitisches Instrument nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck: Sie dient dazu, die Sicherheit und Unabhängigkeit dieses Landes zu gewährleisten.

Meine Fraktion ist der Meinung, daß die Neutralität heute, nach dem Ende des Kalten Krieges, keine Funktion mehr hat. Ich will jetzt nicht mehr darüber diskutieren – wir haben das schon oft genug getan –, ob sie in der Vergangenheit die Funktion hatte, die wir ihr zugemessen haben. Aber sicherlich hat sie heute keine Funktion mehr im Sinne der Gewährleistung der Sicherheit Österreichs. Deshalb sollte unsere Verteidigungspolitik nicht dazu benutzt werden, dieses sicherheitspolitische Instrument zu verteidigen. Verteidigt werden sollten nur die Grenzen unseres Landes.

Dazu sind unserer Meinung nach andere Möglichkeiten zu wählen und andere Wege zu beschreiten. Dabei geht es in erster Linie – selbstverständlich neben der eigenständigen Lan


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desverteidigung, und diese ist auszubauen – um eine Bündnismitgliedschaft Österreichs. Wir sind ganz klar der Meinung, daß Sicherheit in Zukunft nur gemeinsam im Verbund der Staaten organisierten werden kann und daß für Österreich vor allem dadurch die Sicherheitsgarantie der Staatengemeinschaft umgesetzt werden kann, Herr Kollege Wabl.

Zum zweiten halte ich die Forderung, daß Österreich den Armeen der NATO-Staaten keine Infrastruktur zur Verfügung stellen darf, in der Praxis für nicht durchführbar. Denn das würde etwa für den SFOR-Einsatz – selbstverständlich ist das ein Einsatz unter der Ägide der UNO, aber es sind Armeen der NATO-Staaten daran beteiligt – einige Fragen aufwerfen. (Abg. Wabl: Das ist in § 2 geregelt!) Sollen wir die Grenzen dichtmachen, wenn diese Staaten mit ihren LKW durchfahren oder Überflugsgenehmigungen haben wollen? – Wir selbst sind ja auch mit dabei. Sollen wir uns jetzt da heraushalten, zuschauen und gute Tips geben? – Ich denke, das kann wohl nicht der Sinn der Sache sein.

Meine Damen und Herren! Ich möchte diese Gelegenheit ergreifen, um auch auf die merkwürdige sicherheitspolitische Diskussion der letzten Tage einzugehen, die uns von den Regierungsparteien wieder einmal vorgespielt worden ist. Es ist ja immer dasselbe Spiel: Wenn keine Wahlen anstehen, dann wird hier diskutiert, dann wird theoretisiert, und da ist die ÖVP klar für die NATO. In der SPÖ ist Kollege Cap auch für die NATO; andere sagen, das kann sich ergeben, aber nur unter bestimmten Bedingungen. Und immer wieder weist man darauf hin, wie verantwortungsvoll man diese Problematik behandeln müsse.

Wenn aber Wahlen anstehen, dann vergißt man diese Dinge wieder. Ich kann nicht verstehen, meine Damen und Herren von der SPÖ, aus welchem Grund Ihr Spitzenkandidat in Niederösterreich, der Herr Höger, mit der sensiblen Frage der Neutralität Landespolitik betreibt und sie in Niederösterreich zum Wahlkampfthema macht. Er wirbt dafür als Landeshauptmann-Kandidat in Zeitungsinseraten. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Weil Niederösterreich davon betroffen ist!) Ich weiß nicht, welche Kompetenz er dazu hat, Herr Kollege. Wie kann das seriöse Sicherheitspolitik sein, wenn sich Ihr Kandidat in Niederösterreich plötzlich als Retter der Neutralität aufspielt und davor warnt, daß die Freiheitlichen und andere Kräfte hier in diesem Land in die "böse" NATO hinein wollen und damit Österreich gefährden? – Das ist unseriös, Herr Kollege. Von dir würde ich mir erwarten – da ich weiß, daß du anders denkst –, daß man auch innerparteilich dagegen auftritt. Sonst führt es zur Verunsicherung in der Bevölkerung, und das ist im Sinne einer ordentlichen Sicherheitspolitik unverantwortlich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich warte aber nur darauf, meine Damen und Herren, daß auch die ÖVP wieder umschwenkt, und daß es – wie vor der EU-Wahl – zumindest kurzfristig dazu kommt, daß dann hier vom Rednerpult aus wieder glühende Bekenntnisse zur Neutralität abgegeben werden. (Abg. Dr. Maitz: Geändert habt ihr euch!) Nein, wir drehen uns nicht, Kollege Maitz, sondern wir sind für klare Verhältnisse. (Abg. Tichy-Schreder: Seit wann?) Wir haben klar zum Ausdruck gebracht, daß wir die Bündnismitgliedschaft wollen – mit allen Pflichten, aber auch mit allen Rechten. Es kann jedoch nicht so sein, daß man erst der Bevölkerung vorgaukelt, daß all jene Dinge, die man jetzt organisiert, mit der Neutralität vereinbar seien, und dann hinter dem Rücken des Parlaments und der Bevölkerung allerhand Verträge abschließt, in denen sich Österreich zu sehr vielen Dingen verpflichtet, die Rechte aber nicht in Anspruch nehmen kann. Das ist meiner Ansicht nach der falsche Weg, und darauf werden wir auch in Zukunft immer wieder hinweisen. Es liegt an euch, und ich bin schon sehr gespannt darauf, wie denn der Optionenbericht aussehen wird, der ja so groß angekündigt wurde.

Es bleibt mir nicht mehr viel Zeit. Herr Kollege Wabl, ich möchte Ihnen in dieser Causa nur folgendes noch zur Kenntnis bringen: Viele Pazifisten, viele Politiker, viele Journalisten, die immer wieder gegen Armeen und Bündnisse oder gegen die Landesverteidigung auftreten, kommen irgendwann einmal darauf, daß sie einen Fehler gemacht haben. Nur kommen sie meistens sehr spät darauf. Einer dieser Pazifisten, nämlich Wolfgang Brockpähler, hat in einem Zeitungsartikel einen Dank an die IFOR-Soldaten in Bosnien – "Gedanken eines Pazifisten" – geschrieben. Das möchte ich Ihnen ein bißchen ins Stammbuch schreiben. Man sollte vielleicht bedenken, daß man zu Erkenntnissen, wie sie dieser Pazifist nach der Bosnien-Katastrophe gewonnen hat, vernünftigerweise vorher kommen sollte.


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Er sagt dort: "Verzeih mir, mein Bruder Soldat, daß ich mich so spät melde, um Dir zu danken und Dir Abbitte zu tun. ... Meine Augen und die meiner christlichen Schwestern und Brüder waren verblendet durch Rechthaberei und die Angst, von unseren liebgewordenen, viel zu lange Zeit genährten Vor-Urteilen zu lassen. ...

Jetzt aber muß ich es, um der Wahrheit willen, endlich offen aussprechen: Du, mein Bruder Soldat – ja, nur Du allein hast dem Frieden in Bosnien eine erste Bahn gebrochen! Nicht die Friedensarbeiter waren es, nicht die Diplomaten, nicht die Politiker, nicht die Entwicklungshelfer, nicht die Pastoren oder Theologen. Nein, Du warst es – so schwer es mir auch fällt, es zuzugeben – diesmal wirklich ganz allein!"

Das sei Ihnen, Herr Kollege Wabl, ins Stammbuch geschrieben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung stammt von Herrn Abgeordneten Moser. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.35

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bin dem Kollegen Wabl wirklich dankbar dafür, daß er uns mit dieser ersten Lesung heute wieder die Möglichkeit gibt, uns zu sicherheitspolitischen Themen zu äußern und Position zu beziehen.

Herr Kollege Wabl! Ich darf dich daran erinnern, daß wir verschiedene Anträge im Unterausschuß des Außenpolitischen Ausschusses liegen haben. Ich hoffe, daß der Vorsitzende irgendwann einmal diesen Unterausschuß einberufen wird ... (Abg. Schieder: Irgendwann sicher!) Das machst du sicher? – Wunderbar! Ich hoffe auch, daß wir dann wirklich mit der notwendigen sicherheitspolitischen Diskussion über die Perspektiven der österreichischen Sicherheitspolitik beginnen können. Ich erwarte mir, daß seitens der Bundesregierung in nächster Zeit endlich der Optionenbericht vorgelegt wird, sodaß das Hohe Haus endlich zu einer klaren Aussage darüber kommt, wie die Zukunft der österreichischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik aussieht, meine Damen und Herren!

Herr Kollege Wabl! Ich meine, daß die Perspektive wirklich nicht darin liegen kann und wird, daß wir die Neutralität mit Zähnen und Klauen verteidigen, sondern daß es notwendig ist, die sicherheitspolitischen Gegebenheiten und Realitäten in Europa zur Kenntnis zu nehmen. Es ist nun einmal so, daß die Neutralität als sicherheitspolitische Konzeption ihre Aufgabe erfüllt hat. Die Neutralität war für unser Land nach dem Zweiten Weltkrieg sicherlich die richtige Antwort. Sie hat unserem Land sehr viel gebracht, und daher sollten wir sie meiner Ansicht nach auch entsprechend würdigen. Allerdings hat die Geschichte die Neutralität überholt, und so geht es jetzt darum, auf die neuen Herausforderungen, denen wir heute gegenüberstehen, und auf die Herausforderungen der Zukunft eine entsprechende Antwort zu finden.

Meine Damen und Herren! Die Antwort kann aus unserer Sicht nur die Solidarität im Rahmen der europäischen Staatengemeinschaft sein. Dazu gehört nun einmal auch, daß wir gemeinsam mit anderen Ländern die Herausforderungen in sicherheitspolitischer Hinsicht wahrnehmen und erfüllen: sei es in der "Partnerschaft für den Frieden" im Rahmen der NATO oder sei es im Rahmen der Europäischen Union, also im Rahmen einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Uns geht es darum, meine Damen und Herren, daß gerade die europäische Dimension in der Verteidigungspolitik besonders gestärkt wird, daß die Europäische Union ihre Aufgaben auch in sicherheitspolitischer Hinsicht wahrnimmt und daß wir daher dort unsere Priorität und das Schwergewicht unserer Aktivitäten sehen.

Ich denke daher, daß der Ansatz, den man sehr oft vom Kollegen Maitz oder von anderen aus dem Bereich der Österreichischen Volkspartei hört – daß es nur entweder den Beitritt zur NATO oder die Neutralität gibt –, etwas zu eng ist. Es ist durchaus sinnvoll, auch andere Perspektiven, andere Möglichkeiten und andere Optionen ins Kalkül zu ziehen. Für uns, lieber Herbert Scheibner, ist nun einmal auch der Beitritt zur Westeuropäischen Union eine dieser Optionen, die Entwicklung der europäischen Sicherheitsidentität im Rahmen der Europäischen Union,


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damit genau diese Europäische Union ihrer Aufgabe am Kontinent auch in Sicherheitsfragen entsprechend gerecht wird. Daher sind wir der Ansicht, daß dort die Perspektive für Österreich liegt und daß das Priorität hat.

Ich schließe ja gar nicht aus, daß Österreich in weiterer Folge auch einer transatlantischen Partnerschaft, wie sie die NATO darstellt, beitreten kann. Ich glaube aber nicht, daß es sinnvoll ist, wenn im Rahmen dieser Partnerschaft die Nationalstaaten vertreten sind, sondern dort sollte Österreich im Rahmen der Europäischen Union vertreten sein.

Meine Damen und Herren! Da Solidarität gefragt ist, wird es auch darauf ankommen, daß wir bereit sind, unsere Einrichtungen der europäischen Staatengemeinschaft zur Verfügung zu stellen, wenn es darum geht, die Sicherheit auf diesem Kontinent zu gewährleisten. So gesehen ist dieser Antrag kein guter Antrag, Kollege Wabl, und daher werden wir ihm sicherlich nicht unsere Zustimmung geben. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

20.39

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.40

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man soll Anträge der Opposition ernst nehmen. Darum nehme ich es besonders ernst, wenn die Grünen in der Wehrgesetzgebung einen legistischen Vorschlag machen. Wenn man das ernst nimmt, dann muß man sich allerdings fragen, welche Auswirkungen es hätte, wenn der neue Absatz 5, den Kollege Wabl vorgeschlagen hat, wirklich Gesetz werden würde. Das ist meiner Ansicht nach interessant!

Erstens beschränkt er sich auf Einrichtungen des Bundesheeres, die zur Verfügung gestellt werden sollen. Lieber Kollege Wabl! Heißt das, daß Sie sich nur auf Einrichtungen beschränken wollen? – Ein praktisches Beispiel: Eine Kaserne ist eine Einrichtung des Bundesheeres. Wenn wir eine Übung im Rahmen der "Partnerschaft für den Frieden" veranstalten, dann würden Sie zulassen, daß jemand, der aus Schweden, aus Tschechien oder aus Österreich kommt, in der Kaserne übernachten darf. Jeder, der aus einer NATO-Armee kommt, müßte jedoch vor der Tür im Zelt kampieren. Meinen Sie das so? Diese Frage muß ich Ihnen ernsthaft stellen, denn das haben Sie legistisch vorgeschlagen.

Ein zweites Beispiel: Sie beschränken sich auf Armeen der Nato. Heißt das, daß Sie der ukrainischen Armee oder der Schweizer Armee selbstverständlich Einrichtungen des österreichischen Bundesheeres zur Verfügung stellen würden?

Ich sage Ihnen: Da fehlt mir, ehrlich gesagt, die Logik! Aber vielleicht ist das eine "grüne" Logik, die ich nicht verstehe! – Auf jeden Fall ist das aus Sicht der Österreichischen Volkspartei keine logische Ergänzung, auch nicht in dem Sinne, den sie wahrscheinlich meinen, aber in diesem Antrag nicht ausdrücken!

Ich möchte aber zumindest einen Punkt auch positiv erwähnen: Sie haben nach meinem Dafürhalten in Ihrem Antrag zum ersten Mal eine militärische Verteidigung der immerwährenden Neutralität festgelegt: Das ist eine bemerkenswerte Neuerung! Denn bisher haben Sie immer argumentiert, daß Grüne mit Militär nichts zu tun haben wollen. Das erachte ich als wirklich bemerkenswert und werde mir das sehr gut für nächste Reden merken. – Besten Dank! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.42

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Jung vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.42

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Wabl legt mit seinem Antrag den Finger immerhin auf den wunden Punkt der öster


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reichischen Sicherheitspolitik, nämlich auf die Frage der aus unserer Sicht überholten und obsoleten Neutralität.

Ich will Ihnen dazu vier Stellungnahmen wichtiger ausländischer Politiker und Militärs zur Kenntnis bringen, die Ihr Verteidigungsminister und Ihr Außenminister sehr wohl kennen, Ihnen aber, wie ich annehme, nicht zur Kenntnis gebracht haben, und die Ihnen von der SPÖ auch Ihr Kanzler vorenthält.

Zunächst erwähne ich die Stellungnahme des Dr. Gyarmati, des ungarischen Staatssekretärs im Verteidigungsministerium für internationale Beziehungen: In dieser Stellungnahme bezieht sich alles auf die Frage, was geschieht, wenn es kracht, wenn Ungarn NATO-Mitglied ist und das neutrale Österreich dazwischenliegt. Dr. Gyarmati sagt – ich muß das schnell übersetzen –, daß man für den Fall, daß etwas schiefgeht und Ungarn die Hilfe von Nato-Staaten braucht, davon ausgeht, daß ein Land, das auch einmal Nato-Mitglied werden will, keine Schwierigkeiten machen wird, wenn Nato-Truppen und Ausrüstung über sein Territorium geschickt werden.

Wie verträgt sich das mit der Neutralität? Hören Sie gut zu! Der ungarische Generalstabschef hat das vor wenigen Wochen noch etwas deutlicher gesagt. Er sagt, daß bei den bisherigen SFOR-Einsätzen alle Truppen durch Österreich kamen, und man hofft, daß sich das bei einer Artikel-5-Operation, also im Verteidigungsfall, genauso verhalten wird. – Das heißt: Es ist keine Rede mehr von österreichischer Neutralität. (Abg. Schieder: Das hofft er!) Ja, das erhoffen sich die Ungarn!

Jetzt sage ich Ihnen, was die Nato-Militärs dazu sagen: Der erst vor kurzem in Pension gegangene höchste US-Militär General Shalikashvili sagt im Zusammenhang mit dieser Verteidigungsfrage, daß man durchaus damit vertraut zu sein hat, daß im Falle einer militärischen Aggression die gesamte Allianz den Ungarn zur Hilfe eilen wird, rücksichtslos beziehungsweise ohne Rücksicht darauf, ob ein Nichtmitgliedstaat dazwischen eingequetscht wird. (Abg. Schieder: Ja, die NATO ist rücksichtslos!) Wörtlich heißt es "regardless of a non-member country being wedged in". – Das ist die Ansicht der NATO! Das ist die Realität: Auf die Neutralität wird in einem Krieg niemand Rücksicht nehmen!

Das gleiche hat auch General Wesley Clark gesagt, als er hier war. Er hat gesagt, daß Ungarn unterstützt werden wird, so verhält sich jedes Bündnis, wenn es seinen Mitgliedern zu Hilfe eilt.

Wir sind der Meinung, daß alles andere unrealistisch wäre. Das Völkerrecht hat leider in der Praxis der Kriegsführung nie viel Bedeutung gehabt. Auch die Engländer haben das Völkerrecht bei der Invasion Norwegens nicht beachtet. Sie waren nur ein paar Stunden später dran als die Deutschen. – So geht es den Neutralen, wenn sie unrealistisch sind!

Wir sind der Meinung: Schutz bietet nur ein Bündnis, daher sind wir lieber im Bündnis und reden mit – aber nicht gegen den Willen der Österreicher, indem die eigenen Leute beschwindelt werden, wie es zum Teil von der Regierungskoalition versucht wird.

Über Herrn Kollegen Graff steht nicht umsonst im heutigen "Kurier": ",Weil die Neutralität aus dem Sprachschatz der Regierung verschwunden’ ist, hat sich der frühere VP-Generalsekretär Michael Graff an die Spitze eines Personenkomitees gesetzt. Dessen Ziel: Abhaltung einer Volksbefragung ,Neutralität Ja, NATO Nein’." – So schaut es aus, so versuchen Sie, sich darüber hinwegzuschwindeln!

Wir Freiheitlichen sind jedoch nicht bereit, dieses Spiel mitzumachen! Wir sind für die NATO-Mitgliedschaft, aber wir wollen eine Aufklärung der Österreicher über die reale Situation, und wir werden es Ihnen nicht erlauben, sich darüber hinwegzuschwindeln, wie es Ihre Regierung gerne täte. Auch in der SPÖ wird der Bruch zwischen Regierung und Parlamentsfraktion offenbar. Nicht umsonst wurden bereits zweimal Regierungsvorlagen in diesem Zusammenhang vom Ausschuß zurückgewiesen. Wer ist der Chef der Regierung? – Der Kanzler! Das heißt, Sie haben Ihrem eigenen Kanzler dessen Brief mit dem Vermerk "Hausaufgaben nicht erfüllt" zurückgeschickt. In diesem Zusammenhang ist der Bruch in der SPÖ- Fraktion deutlich, und das bedeutet, daß wir in der österreichischen Sicherheitspolitik nicht weiterkommen.


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Wir haben der ÖVP angeboten, das durchzuziehen, wenn Sie die Sicherheitspolitik in der Form, wie Sie sie immer predigen, für so wichtig halten. Aber dazu fehlt Ihnen der Mut und der Mumm in den Knochen!

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Sie führen auch immer große Sprüche, aber es geht nichts weiter. Das liegt allerdings zu einem gut Teil – das muß man auch erwähnen – an Ihrem Verteidigungsminister, der am Parlament vorbeigeht. Er ist gerade jetzt wieder dabei, am Parlament vorbeizugehen, indem er Abkommen mit Ungarn und verschiedenen anderen osteuropäischen Staaten schließt und wiederum fast militärische Außenpolitik macht, das dem Parlament jedoch nicht mitteilt. Der Außenpolitische Ausschuß hat von diesem Kooperationsabkommen, das im März bereits unterzeichnet werden soll, noch nichts gehört, obwohl bereits am 18. März die Verteidigungsminister dieser Staaten in Österreich zur Unterschriftsleistung aufkreuzen werden. Davon hat der Außenpolitische Ausschuß noch nichts gehört, und davon hat der Verteidigungsausschuß noch nichts gehört!

Der Minister ist auch gar nicht willens, ein Zustandekommen im Verteidigungsausschuß zu akzeptieren. Das konnten wir heute wieder feststellen. So schaut die Zusammenarbeit mit dem Parlament aus! Und dann wundert sich der Herr Minister, wenn man ihm Prügel vor die Füße wirft und so nicht mit sich umspringen läßt. Meine Damen und Herren von der ÖVP! Fragen Sie ihn einmal, wie es mit dieser Sache aussieht! Er sagt es Ihnen nicht! Die Diplomaten des Außenamtes wissen das alles, sie haben es Ihnen aber vermutlich auch nicht gesagt – und vermutlich auch den Herrn von der SPÖ nicht!

Das werden wir noch einige Male hier zur Sprache bringen, denn es muß Klarheit herrschen. So, wie es jetzt läuft, kann es nicht weitergehen! Sie leisten der österreichischen Sicherheitspolitik eine Bärendienst, wenn Sie die Österreicher dauernd davor bewahren wollen, die Wahrheit zu hören und der Realität ins Auge zu schauen. Dabei spielen wir Freiheitlichen nicht mit, das können wir Ihnen versichern! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Den Antrag 671/A weise ich dem Landesverteidigungsausschuß zu.

Die Tagesordnung ist damit erschöpft.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Kier, Mag. Kammerlander auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend die Verantwortlichkeit der Bundesregierung im Zusammenhang mit den Kurden-Morden vom 13. Juli 1989.

Der Antrag wurde inzwischen an alle Abgeordneten verteilt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Dr. Kier, Mag. Kammerlander, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 Abs. 1 GOG

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Zur Untersuchung folgenden Gegenstandes wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt:

Die politische Verantwortlichkeit der Bundesregierung (insbesondere des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten, des Bundesministers für Inneres und des Bundesministers für

 


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Justiz) sowie vermutete rechtswidrige Einflußnahme durch politische Funktionsträger im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Morden an drei Kurden am 13. 7. 1989 und der Verfolgung von drei dieser Tat dringend Verdächtigen, die trotz Vorliegens eindeutiger Indizien Österreich unbehelligt verlassen konnten, ist zu prüfen."

Der Untersuchungsausschuß besteht aus 17 Abgeordneten im Verhältnis 6 SPÖ, 5 ÖVP, 4 FPÖ, 1 Liberales Forum, 1 Grüne.

*****

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die Durchführung einer Debatte wurde weder verlangt noch beschlossen.

Wir kommen daher zur Abstimmung über diesen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Einlauf

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich gebe noch bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 696/A bis 707/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 3719/J bis 3782/J eingelangt.

Schließlich ist eine Anfrage der Abgeordneten Dr. Povysil und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates eingebracht worden.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die für Mittwoch, den 25. März 1998, 9 Uhr in Aussicht genommen ist, wird auf schriftlichem Wege einberufen werden. Ich erinnere daran, daß für diesen Tag die Budgetrede des Bundesministers für Finanzen vorgesehen ist.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 20.50 Uhr