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Plenarsitzung

des Bundesrates

Stenographisches Protokoll

 

951. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 16. März 2023

 

 

 

 

Bundesratssaal


Stenographisches Protokoll

951. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 16. März 2023

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 16. März 2023: 9.00 – 18.48 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz über einen befristeten Kostenersatz des Bundes an die Länder für finanzielle Aufwendungen als Teuerungsausgleich im Rahmen der Grundversorgung

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz 2021 geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeits­prüfungs­gesetz 2000 geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Maklergesetz geändert wird (Maklergesetz-Änderungsgesetz – MaklerG-ÄG)

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Heiz- und Kältekostenabrechnungsgesetz geändert wird


BundesratStenographisches Protokoll951. Sitzung, 951. Sitzung des Bundesrats vom 16. März 2023 / Seite 2

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert wird

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Inhalt

Bundesrat

Unterbrechung der Sitzung ....................................................................................  194

Personalien

Verhinderungen ......................................................................................................     11

Ordnungsruf ............................................................................................................  228

Fragestunde (174.)

Frauen, Familie, Integration und Medien ...........................................................     12

Elisabeth Wolff, BA (1933/M-BR/2023); Korinna Schumann, Christoph Steiner, Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross

Mag. Elisabeth Grossmann (1939/M-BR/2023); Alexandra Platzer, MBA, Andrea Michaela Schartel, Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber

Marlies Steiner-Wieser (1937/M-BR/2023); Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross

MMag. Elisabeth Kittl, BA (1942/M-BR/2023); Heike Eder, BSc MBA, Elisabeth Grimling, Marlies Steiner-Wieser

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (1934/M-BR/2023); Nicole Riepl, Andreas Arthur Spanring, MMag. Elisabeth Kittl, BA


BundesratStenographisches Protokoll951. Sitzung, 951. Sitzung des Bundesrats vom 16. März 2023 / Seite 3

Eva Prischl (1940/M-BR/2023); Mag. Franz Ebner, Dr. Johannes Hübner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky

Andrea Michaela Schartel (1938/M-BR/2023); Johanna Miesenberger, Mag. Sandra Gerdenitsch, Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber

Barbara Tausch (1935/M-BR/2023); Dominik Reisinger, Markus Leinfellner, Claudia Hauschildt-Buschberger

Doris Hahn, MEd MA (1941/M-BR/2023); Klara Neurauter, Markus Steinmaurer, Claudia Hauschildt-Buschberger

Florian Krumböck, BA (1936/M-BR/2023); Mag. Sascha Obrecht, Josef Ofner, Marco Schreuder

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitglieds der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ........................................................................................................................     74

Vertretungsschreiben ............................................................................................     75

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ...................................................................     75

Ausschüsse

Zuweisungen ............................................................................................  70, 295

Dringliche Anfrage

der Bundesrät:innen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Österreich 2023 – Dringliche Anfrage zur Zukunft von Bundeskanzler Karl Nehammer“ (4089/J-BR/2023) ...................  195


BundesratStenographisches Protokoll951. Sitzung, 951. Sitzung des Bundesrats vom 16. März 2023 / Seite 4

Begründung: Christoph Steiner .............................................................................  195

Staatssekretärin Claudia Plakolm ..........................................................................  209

Debatte:

Josef Ofner ..............................................................................................  219, 291

Dr. Karlheinz Kornhäusl ..........................................................................................  228

Korinna Schumann ..................................................................................................  237

Andrea Michaela Schartel (tatsächliche Berichtigung) .......................................  248

Marco Schreuder ......................................................................................................  249

Andreas Arthur Spanring ........................................................................................  254

Johanna Miesenberger ............................................................................................  262

Doris Hahn, MEd MA ...............................................................................................  266

Marlies Steiner-Wieser ............................................................................................  272

Ing. Eduard Köck ......................................................................................................  281

Markus Leinfellner ...................................................................................................  287

Christoph Steiner .....................................................................................................  293

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mieterhöhungen in Zeiten der extremen Teuerung aussetzen – Es braucht langfristige Konzepte für die Regulierung von Mietkosten!“ – Ablehnung ............................................................  245, 294

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rücktritt der Bundesregierung“ – Ablehnung ..  261, 295

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz über einen befristeten Kostenersatz des Bundes an die Länder für finanzielle Aufwendungen als Teuerungsausgleich im Rahmen der Grundversorgung (3116/A sowie 11189/BR d.B.) ............................................     76

Berichterstatter: Silvester Gfrerer .........................................................................     76


BundesratStenographisches Protokoll951. Sitzung, 951. Sitzung des Bundesrats vom 16. März 2023 / Seite 5

Redner:innen:

Markus Leinfellner ...................................................................................................     77

Ernest Schwindsackl ................................................................................................     81

Günter Pröller ...........................................................................................................     83

Dominik Reisinger ....................................................................................................     87

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................     89

Otto Auer .................................................................................................................     92

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Durchführung von Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien“ – Ablehnung ....................................................  80, 94

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................     94

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz 2021 geändert wird (1899 d.B. und 1935 d.B. sowie 11191/BR d.B.) ...............................................     95

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ...........................................     95

Redner:innen:

Christoph Steiner .....................................................................................................     95

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................     99

Martin Preineder ......................................................................................................  101

Ingo Appé .................................................................................................................  103

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  104

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  105

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 geändert wird (1901 d.B. und 1938 d.B. sowie 11185/BR d.B.) ......................  105


BundesratStenographisches Protokoll951. Sitzung, 951. Sitzung des Bundesrats vom 16. März 2023 / Seite 6

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..............................................................  105

Redner:innen:

Michael Bernard .......................................................................................................  106

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................  110

Josef Ofner ...............................................................................................................  114

Ferdinand Tiefnig .....................................................................................................  117

Daniel Schmid ..........................................................................................................  119

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  123

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .......................................................................................  125

Ing. Isabella Kaltenegger .........................................................................................  127

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  128

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geän­dert wird (3086/A und 1942 d.B. sowie 11184/BR d.B. und 11186/BR d.B.) .......  128

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .....................................................  129

Redner:innen:

Dr. Johannes Hübner ...............................................................................................  129

Sonja Zwazl ..............................................................................................................  132

Günther Novak .........................................................................................................  136

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................  140

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  144

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .......................................................  147


BundesratStenographisches Protokoll951. Sitzung, 951. Sitzung des Bundesrats vom 16. März 2023 / Seite 7

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maklergesetz geändert wird (Maklergesetz-Änderungsgesetz – MaklerG-ÄG) (1900 d.B. und 1952 d.B. sowie 11187/BR d.B.) .......................................................................................................  147

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .....................................................  148

Redner:innen:

Eva Prischl ................................................................................................................  148

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................  152

Mag. Christine Schwarz-Fuchs ...............................................................................  158

Florian Krumböck, BA ..............................................................................................  160

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................  164

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Eva Prischl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umgehungsmöglichkeiten beim Bestellerprinzip: Endlich eine echte Abschaffung der Makler*innenprovision für Mieter*in­nen umsetzen!“ – Ablehnung ...............................................................  150, 168

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  167

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heiz- und Kältekostenabrechnungsgesetz geändert wird (3095/A und 1953 d.B. sowie 11188/BR d.B.) .........................  168

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ........................................................  168

Redner:innen:

Markus Steinmaurer ................................................................................................  169

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .......................................................................................  170

Ing. Eduard Köck ......................................................................................................  172

Korinna Schumann ..................................................................................................  174


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Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  176

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert wird (1928 d.B. und 1941 d.B. sowie 11190/BR d.B.) ......................................  176

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ..................................................................  177

Redner:innen:

Ingo Appé .................................................................................................................  177

Karl Bader .................................................................................................................  180

Dr. Johannes Hübner ...............................................................................................  184

Marco Schreuder ......................................................................................................  185

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................  188

Bundesminister Dr. Magnus Brunner, LL.M. ..........................................................  190

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner ...............................................................................  193

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  194

Eingebracht wurden

Anträge der Bundesrät:innen

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pilotversuch 4-Tage-Woche auch in Österreich durchführen (366/A(E)-BR/2023)

Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhalt des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien (367/A(E)-BR/2023)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Shrinkflation – die Abzocke mit den Mogelpackungen geht weiter (368/A(E)-BR/2023)


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Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Skimpflation - eine weitere Mogelpackung zulasten der Konsument*innen (369/A(E)-BR/2023)

Anfragen der Bundesrät:innen

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Corona-Förderungen für steirische Bauernbund-Zeitung (4083/J-BR/2023)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Corona-Förderungen für steirische Bauernbund-Zeitung (4084/J-BR/2023)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Barcelona Ziele 2030: Warum werden wir den EU weiten Mindeststandards zur Kinderbildung nicht gerecht? (4085/J-BR/2023)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Barcelona Ziele 2030: Warum werden wir den EU weiten Mindeststandards zur Kinderbildung nicht gerecht? (4086/J-BR/2023)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Barcelona Ziele 2030: Warum werden wir den EU weiten Mindeststandards zur Kinderbildung nicht gerecht? (4087/J-BR/2023)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Barcelona Ziele 2030: Warum werden wir den EU weiten Mindeststandards zur Kinder­bildung nicht gerecht? (4088/J-BR/2023)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Österreich 2023 – Dringliche Anfrage zur Zukunft von Bundeskanzler Karl Nehammer (4089/J-BR/2023)


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Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Klimastreik als schulbezogene Veranstaltung? (4090/J-BR/2023)

Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Versorgungslage psychisch erkrankter Kinder und Jugendlicher seit 2020 (4091/J-BR/2023)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesrät:innen Mag. Sascha Obrecht, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zeitplan für die Kundmachung der Registerzählung (3768/AB-BR/2023 zu 4066/J-BR/2022)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesrät:innen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung eines Gas- und Strompreisdeckels - wann ist es endlich soweit, Herr Bundeskanzler? (3769/AB-BR/2023 zu 4067/J-BR/2022)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesrät:innen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entwicklungen bei der Kinderimpfung (3770/AB-BR/2023 zu 4068/J-BR/2022)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesrät:innen Mag. Sascha Obrecht, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zeitplan für die Kundmachung der Registerzählung (3771/AB-BR/2023 zu 4069/J-BR/2022)


 


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09.00.18Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsident Günter Kovacs, Vizepräsident Mag. Harald Himmer.

09.00.19*****


Präsident Günter Kovacs: Ich eröffne die 951. Sitzung des Bundesrates. Einen wunderschönen guten Morgen im Bundesrat!

Das Amtliche Protokoll der 950. Sitzung des Bundesrates vom 16. Februar 2023 ist aufgelegen und wurde nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Andrea Kahofer und Stefan Schennach.

09.00.42Fragestunde


Präsident Günter Kovacs: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Ich darf die Frau Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt, Mag. Dr. Susanne Raab, sehr herzlich bei uns im Bundesrat begrüßen. – Herzlich willkommen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Bevor ich jetzt, um 9.01 Uhr, mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Dauer der Fragestunde, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten bis zu 120 Minuten erstrecken werde.

Bitte stellen Sie die Anfragen beziehungsweise auch die Zusatzfragen von den Saalmikrofonen aus.


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Frauen, Familie, Integration und Medien


Präsident Günter Kovacs: Wir kommen nun zur 1. Anfrage, 1933/M-BR/2023, an die Frau Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Elisabeth Wolff, um die Verlesung der Anfrage. – Bitte, Frau Bundesrätin. 09.01.43


Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Bun­des­ministerin! Herzlich willkommen hier bei uns, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen. In den letzten Monaten wurden ja so viele Unterstützungs­maß­­nahmen wie noch nie für Familien beschlossen, daher meine Frage:

1933/M-BR/2023

„Welche Unterstützungsmaßnahmen haben Sie während der Pandemie und zuletzt auf Grund der Teuerung konkret für die Familien und insbesondere für die Kinder in unserem Land gesetzt?“


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Vielen Dank für die Frage. Schönen guten Morgen an alle! Die aktuelle Teuerung trifft ja alle in Österreich lebenden Menschen, besonders natürlich die Familien. Deshalb haben wir die Teuerungsentlas­tungs­pakete sehr speziell auf Familien abgestimmt.

Wir haben drei Antiteuerungspakete im Ausmaß von 32 Milliarden Euro ver­abschiedet, unter anderem den Antiteuerungsbonus mit 500 Euro für Erwachsene und 250 Euro pro Kind, die 180 Euro Sonderfamilienbeihilfe im August, die Familienbonuserhöhung von 1 500 auf 2 000 Euro, die Erhöhung des Kindermehrbetrages – ganz wesentlich, besonders um Allein­erzieherinnen zu unterstützen – und zuletzt auch die Valorisierung der Familienleistungen – eine Forderung der Familien- und auch Fraueneinrich­tungen seit vielen Jahren, ich möchte nicht sagen Jahrzehnten.


BundesratStenographisches Protokoll951. Sitzung, 951. Sitzung des Bundesrats vom 16. März 2023 / Seite 13

Natürlich haben wir bereits während der Pandemie Maßnahmen getroffen, um die Härten für Familien abzufedern, wie den Coronafamilienhärtefonds, aber auch die Sonderbetreuungszeit und den Familienkrisenfonds mit 100 Euro pro Kind, beispielsweise auch für Notstandshilfebezieher.

Wir versuchen so, dass wir mit sowohl Einmalzahlungen als auch langfristigen Maßnahmen wie der Valorisierung der Familienleistungen insgesamt für die Familien auch langfristig eine bessere finanzielle Situation in der Teuerungswelle erreichen können.


Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Bundesministerin.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.


Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA (ÖVP, Wien): Der neue Familienbonus Plus ist für Familien eine der bisher größten Entlastungsmaßnahmen. Daher meine Frage: Wie sehen die konkreten Erhöhungen aus?


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Der Familienbonus Plus ist für die Familien tatsächlich eine Maßnahme, die sich in den letzten Jahren sehr bewährt hat, daher haben wir ihn ja auch erhöht, von 1 500 auf 2 000 Euro, und wie gesagt auch den Kin­dermehrbetrag von 250 auf 550 Euro, damit wir auch jene treffen, die aufgrund des niedrigen Einkommens nicht allumfassend vom Familienbonus Plus pro­fitieren können, weil er ja eine Steuerentlastungsmaßnahme ist.

Mit dem Familienbonus Plus werden jetzt rund 950 000 Familien und 1,6 Millionen Kinder im Ausmaß von 1,6 Milliarden Euro steuerlich entlastet. Der Familienbonus Plus wirkt also schon ab dem ersten Steuereuro. (Bundesrätin Wolff: Danke!)


Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Bundesministerin.


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Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Fraktionsvorsitzende Korinna Schumann zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.


Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin! Sie haben jetzt sehr stark auf die Leistungen für Familien fokussiert. Wir wissen, dass besonders Frauen durch ihre Teilzeittätigkeit, durch ihre Tätigkeit in den Frauenbranchen, durch ihre große Sorgearbeitsleistung, die sie in Österreich übernommen haben, besonders von der Teuerung betroffen sind. Welche Maßnahmen werden Sie zukünftig setzen, um die Frauen in dieser schwierigen Situation zu entlasten?


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Vielen Dank für die Frage. Natürlich gibt es immer eine gemeinsame Schnittmenge, weil wir natürlich auch von Müttern sprechen, die von den Familienleistungen glücklicherweise mehr profitieren. Man muss ein sorgsames Auge besonders auf prekäre Einkommenssituationen haben, und das sind eben vielfach alleinerziehende Mütter. Daher haben wir bei­spielsweise insbesondere den Kindermehrbetrag erhöht, aber natürlich auch die Familienleistungen wie das Kinderbetreuungsgeld, die Familienbeihilfe, das Schulstartgeld und den Kinderabsetzbetrag.

Ganz generell ist es selbstverständlich so, dass wir unterschiedliche Strategien haben, um Frauen verstärkt in bessere Einkommenssituationen zu bringen. Auf der einen Seite geht es natürlich darum, dass wir Frauen in besser bezahlte Branchen bringen, dass wir es Frauen auch ermöglichen, dass sie Vollzeit arbei­ten, wenn sie das möchten, und da ist natürlich die Kinderbetreuung ein ganz zentraler Schlüssel, dass wir in die Kinderbetreuung investieren, damit es eine echte Wahlfreiheit gibt und die Frauen somit von einer Teilzeitstelle in eine Vollzeitstelle wechseln können, wenn sie das möchten.


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Ich denke auch, dass es eine wichtige Strategie ist, dass wir Frauen in besser bezahlte Branchen bekommen. Da gibt es unterschiedliche Ansätze. Ich glaube an die Kraft von Vorbildern. Wir haben deshalb eine breite Vorbilderkampagne in den Schulen gestartet, die LEA – Let’s empower Austria heißt. Wir bringen diese Lea, diese Löwinnen aus den Technikbereichen, aus den Naturwissen­schaften, aus den sogenannten Mint-Berufen in die Schulen und dort sehr frühzeitig mit den Mädchen in Kontakt, damit diese Stereotype, die es gibt, sehr früh durchbrochen werden können.

Das waren nur einige wenige Ansätze, aber Sie wissen, das ist eine Herku­lesaufgabe, dass wir langfristig mit unterschiedlichen Zugängen diesen Genderpaygap schließen.


Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Ministerin.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Christoph Steiner zu Wort gemeldet. – Bitte.


Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Frau Minister! Es wurde ja vor Kurzem im ORF eine Studie veröffentlicht, die, glaube ich, sehr erschreckend ist. Wer es gesehen und wer es mitbekommen hat – ich glaube, da müssen wir schon schleunigst entgegentreten –: Bei Kindern und Jugendlichen sind die psychi­schen Probleme um bis zu 30 Prozent gestiegen, und auch die Zukunftsängste und Zukunftssorgen sind um bis zu 30 Prozent gestiegen.

Das sind erschreckende Zahlen. Wir wissen auch alle, worauf diese Zahlen beru­hen: Es war das Coronaregime, das Sie mit Ihrer Regierung übers ganze Land gezogen haben. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Unsere Kinder haben in den Schulen gelitten – unglaublich, was da passiert ist! Bis heute gab es keine Entschuldigung dafür, was man den Kindern in diesen zweieinhalb bis fast drei Jahren angetan hat. (Bundesrat Schreuder: Das ist nicht erlaubt!)

Deshalb, Frau Minister, eine ganz klare Frage – die können Sie mit Ja oder Nein beantworten –: Werden Sie in Regierungsverantwortung unseren Kindern jemals


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wieder solche Wahnsinnigkeiten antun, ja oder nein? (Bundesrat Buchmann: Hallo, schön sprechen! – Bundesrat Kornhäusl: Die schaffen das nicht einmal in der Fragestunde!)


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Minister.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Wir möchten gerne flächendeckend Jugendliche und Kinder in all ihren unterschiedlichen Lebenslagen unterstützen. Ich glaube, dass gerade Unterstützungspersonal in der Schule – Schulpsychologinnen und Schulpsychologen –, aber natürlich auch ein flächendeckendes psychologisches und psychotherapeutisches Angebot dafür ein Schlüssel sind.

Jetzt gibt es das Gesundheitsministerium und das Bildungsministerium, die unterschiedliche Maßnahmen setzen. Ich unterstütze aus meinem Ressort besonders Kinder und Jugendliche in Beratungssituationen, in Frauen- und Mädchenberatungseinrichtungen und Familienberatungsstellen. Wir haben daher das flächendeckende Angebot der 300 Familienberatungsstellen und 170 Frauen- und Mädchenberatungsstellen massiv erhöht und in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut, um Mädchen und natürlich auch Burschen in den Familienberatungsstellen in unterschiedlichen Konstellationen immer zu unterstützen. (Bundesrat Steiner: Ja oder nein? – Bundesrat Hübner: Wo ist da überhaupt die Frage behandelt?)


Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Minister.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Adi Gross zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Ministerin, haben Sie vor, die gesetzten Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit hinsichtlich Armutsprävention – ich meine jetzt vor allem hinsichtlich der Familien und besonders der Kinder – evaluieren zu lassen?



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Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Ich glaube, es ist ganz wichtig, wenn man Gesetze beschließt beziehungsweise auch Budgetmittel einsetzt, dass man sozusagen die Treffsicherheit und die Zielgenauigkeit, die Folgen auch abschätzen kann und evaluiert.

Wir haben ja deshalb die wirkungsorientierte Folgenabschätzung, die uns den Auftrag gibt, die Maßnahmen, die ich vorhin genannt habe, auch im Zusam­menhang mit der Erhöhung der Entlastungsmaßnahmen in einer bestimmten Zeit zu evaluieren. Wir haben die Wirkungsziele in der UG 25 mit der Messung der Wirkung der Familienleistungen, die jährlich erhoben werden. Und wir haben die Kennzahl des Wirkungsziels 1, die sogenannte Familienquote. Die Familienquote stellt die Ausgaben für Familien dem Bruttoinlandsprodukt gegenüber. Sie gibt an, wie viel Österreich, gemessen als Anteil an der österreichischen Wirt­schafts­leistung, für Familien aufwendet. 2020 betrug sie 3,6 Prozent; im Vergleich dazu: 2019 waren es 3,1 Prozent. Also da haben wir uns auch gut gesteigert.

Ich glaube auch, dass eine gute Grundlage die unterschiedlichen Studien sind, die es aus dem Sozialministerium und aus meinem Ressort gegeben hat, auch was die Abfederung der Aufwendungen, die man eben als Familie mit Kindern hat, durch Familienleistungen betrifft. Dazu hat es letztes Jahr eine umfassende Studie gegeben, die besagt, dass diese besonders für jene Familien, die ein gerin­geres Einkommen haben, die sogenannten Kinderkosten, die Aufwen­dun­gen, die man als Familie mehr hat, sehr gut abfedern und vollständig ausgleichen. Das war einmal eine gute strategische Annäherung, der ich auch gerne in Zukunft weiter nähertrete.


Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Ministerin.


BundesratStenographisches Protokoll951. Sitzung, 951. Sitzung des Bundesrats vom 16. März 2023 / Seite 18

Wir gelangen nun zur 2. Anfrage, 1939/M-BR/2023. Ich bitte die Anfrage­stellerin, Frau Bundesrätin Mag.a Elisabeth Grossmann, um die Verlesung der Anfrage. – Bitte, Frau Bundesrätin. 09.12.05


Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Guten Morgen, Frau Ministerin!

1939/M-BR/2023

„Welche Maßnahmen werden Sie – abseits von entbehrlichen Debatten um niedrigere Sozialleistungen bei Teilzeitarbeit – setzen, um den hohen Anteil von Frauen, die unfreiwillig bzw. gezwungenermaßen in Teilzeit arbeiten zu senken bzw. die Vollzeiterwerbsquote von Frauen zu erhöhen?“


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Ministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Danke, Frau Bundesrätin. Ich glaube, Sie haben es in Ihrer Frage auch schon formuliert: Es ist immer darauf Bedacht zu nehmen, dass die Wahlfreiheit der Familien und in dem Fall eben auch der Frauen erhalten bleibt. Die neuen Studien, die wir haben, zeigen ja, dass rund 88 Prozent der teilzeitbeschäftigten Frauen mit mindestens einem Kind unter sechs Jahren Betreuungspflichten als Grund für die Teilzeitarbeit angeführt haben. Dabei geben acht von zehn Frauen als Motiv an, die Betreuung selbst übernehmen zu wollen.

Das heißt, es ist wichtig, dass wir die Wahlfreiheit erhalten, aber dass wir für jene Frauen, die sich wünschen, früher und in Vollzeit in die Erwerbstätigkeit einzusteigen, das einfach hundertprozentig ermöglichen. Dazu braucht es die Kinderbetreuung, deshalb haben wir uns da in den letzten Jahren massiv gesteigert. Zuletzt haben wir in einer 15a-Vereinbarung 1 Milliarde Euro für die Kinderbetreuung bis zum Jahr 2026 beschlossen. Sie wissen, Kinderbetreu­ung ist Ländersache, aber wir tun als Bundesregierung alles, um den Ausbau der Kinderbetreuung voranzutreiben.



BundesratStenographisches Protokoll951. Sitzung, 951. Sitzung des Bundesrats vom 16. März 2023 / Seite 19

Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Ministerin.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht?


Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Sehr viele Teil­zeit­beschäftigungen sind ja auch betriebsbedingt, weil den Frauen gar nichts anderes angeboten wird. Eine Teilzeitbeschäftigte hat mir unlängst gesagt, sie fühle sich wie eine menschliche Manövriermasse. Daher stelle ich auch die Frage zu unfreiwilligen Teilzeitbeschäftigungen: Inwieweit werden Sie auf Betriebe einwirken, verstärkt auch Vollzeitbeschäftigungen anzubieten und dafür zu sorgen, dass eine Stunde Teilzeit auch gleich viel wert ist wie eine Stunde Vollzeit?


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Ministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Sie sprechen da sicherlich ein Thema an, das man jedenfalls adressieren muss. Nur um die Zahlen in ein Zahlenkorsett einzuord­nen: 92 Prozent der teilzeitbeschäftigten Frauen tun dies laut Eurostat 2021 nicht aus dem Grund, dass keine Vollzeitstelle gefunden werden könnte. Das heißt aber, wir haben da einen Prozentsatz, der da ist, den Sie ansprechen, der aufgrund der Daten zwar niedriger ist, wo man aber dennoch auf die Betriebe zugehen muss.

Wir tun da zweierlei: Wir haben ein breites Zertifizierungsverfahren für familien­freundliche Unternehmen. Wir zertifizieren mehrere hundert Unternehmen, und es kommen immer wieder neue dazu. Wir sprechen mit diesen natürlich auch ganz zentral über Karrierechancen der Eltern, darüber, wie man nach der Karenz wieder in Vollzeit in den Beruf einsteigen kann.

Wir haben ein ähnliches Zertifizierungsprogramm speziell für Frauen entwickelt, das Equalita-Gütesiegel, bei dem wir uns besonders auf den Wiedereinstieg der Mütter konzentrieren. Es muss selbstverständlich möglich sein, dass Frauen,


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aber insgesamt Familien – es gibt ja Gott sei Dank auch immer mehr Väter, die in Karenz gehen – auch eine Vollzeittätigkeit ausüben können.


Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Ministerin.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Alexandra Platzer zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrätin Alexandra Platzer, MBA (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Minister, die Information für die Frauen über die jeweiligen Auswirkungen von Vollzeit und Teilzeit ist unglaublich wichtig, speziell auch für die Mütter. Daher ist meine Frage: Wie ist denn die Umsetzung der geplanten Elternbera­tung im Zuge des elektronischen Eltern-Kind-Passes geplant oder vorge­sehen?


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Ministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Mir war diese sogenannte Vereinbarkeit bei der Elternberatung ganz zentral. Wir haben den Mutter-Kind-Pass, und als ein Element soll in der Elternberatung eben auch auf die gemeinsame Verantwor­tung in der Erziehung des Kindes, auf die gemeinsame Aufteilung der Sorgearbeit Bedacht genommen werden und das adressiert werden. Gerade wenn man das erste Kind bekommt, stellen sich da viele Fragen: Wie teilt man es sich untereinander auf? Wie tut man? Welche Auswirkungen hat es, wenn die Frauen – es sind jetzt halt primär Frauen – über einen längeren Zeitraum in Karenz gehen, dann später für die Pension? Meistens ist man in dem Moment in einer Situation, in der man noch nicht darüber nachdenkt, umso wichtiger ist es, dass es diesen Prozess gibt, dass Eltern im Rahmen des Mutter-Kind-Passes beraten werden.

Wir erstellen nun gerade gemeinsam mit den Familienberatungsstellen und mit dem Sozial- und Gesundheitsministerium einen Rahmen, wie eine solche Eltern-Kind-Beratung aussehen könnte, was da Platz finden müsste. Und mir ist wie


BundesratStenographisches Protokoll951. Sitzung, 951. Sitzung des Bundesrats vom 16. März 2023 / Seite 21

gesagt auch der frauenstärkende Fokus diesbezüglich ganz zentral. Mit den Familienberatungsstellen und dem Koalitionspartner ist ein Stufenplan vereinbart. In diesem Jahr erstellen wir das Konzept, im nächsten Jahr führen wir das freiwillig ein, und dann verankern wir es fix im Mutter-Kind-Pass.


Präsident Günter Kovacs: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage. – Bitte, Frau Bundesrätin.


Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Guten Morgen, Frau Minister! Sie sind jetzt in der Beantwortung der Hauptanfrage darauf eingegangen, dass sich fast 90 Prozent der betroffenen Frauen bewusst für eine Teilzeitstelle entscheiden, weil sie a) ihre Kinder gerne selber betreuen und b) auch die Pflicht übernommen haben, Angehörige zu betreuen. Deshalb ist es für mich umso verwunderlicher, warum eigentlich auch die jetzige Regierung immer wieder am Bedarf und an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei Entscheidungen trifft.

Deshalb meine Zusatzfrage: Werden Sie jemals ernsthafte Maßnahmen setzen, um die unbezahlte Arbeitszeit von Frauen, die entweder ihre Kinder betreuen wollen oder die Pflege von Angehörigen übernehmen, abzugelten, sodass es bei der Pension dadurch zu keinen finanziellen Nachteilen mehr kommt?


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Im europäischen Vergleich sind wir unter den top drei der europäischen Länder mit den höchsten Familienleistungen finanzieller Natur. Das heißt – ich würde Ihnen da widersprechen –, dass wir sehr wohl ernsthafte Maßnahmen setzen, um Familien auch bei der Kinderbetreuung zu unterstützen. Dafür gibt es das sogenannte Kinderbetreuungsgeld.

Wir haben im Bereich Pflege – weil Sie das angesprochen haben – gerade mit der Pflegereform jetzt auch den Angehörigenbonus umgesetzt, mit dem wir auch


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Menschen, die zu Hause Familienangehörige pflegen, mit finanziellen Mitteln unterstützen.

Wir haben Familienleistungen wie die Familienbeihilfe, das Schulstartgeld und beispielsweise auch die Schülerfreifahrt. Wir sind unter den top drei, das können Sie mir glauben.

Ich war jetzt gerade in New York bei der Weltfrauenkonferenz, und dort sprachen mich viele Frauenministerinnen auf unser System an, wie wir Familien unterstützen, die die Kinder zu Hause betreuen, darauf, wie gut wir das tun und wie außerordentlich das ist, und ich bin jedes Mal stolz darauf, dass ich als Familienministerin auf die zahlreichen Maßnahmen verweisen darf, die wir in dem Bereich tätigen.


Präsident Günter Kovacs: Danke.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage. – Bitte sehr.


Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Sehr geehrte Frau Ministerin! Wir wissen, der Frauenanteil in wirtschaftlichen Führungs­positionen ist leider noch immer relativ gering. Welche Maßnahmen setzen Sie daher, dass die gläserne Decke für Frauen in großen Unternehmen durch­brochen wird?


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Tatsächlich sehen wir das in zahlreichen Unter­nehmen. Wir haben eine Studie dazu gemacht und im September 2022 veröf­fentlicht, um uns anzusehen: An welchen Faktoren liegt es?

Das ist ein breites Portfolio: Es geht dabei natürlich um Einkommenschancen. Es geht auch um Zufriedenheit der Mitarbeitenden, die durch die verstärkte Teilhabe von Frauen auch auf Führungsebene gefördert wird. Es zeigt sich, dass


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Unternehmen, die von Frauen gegründet oder mitgegründet werden, sich wirtschaftlich günstiger entwickeln und natürlich auch in höherem Ausmaß weibliche Führungskräfte haben.

Es gibt unterschiedliche Maßnahmen, die man setzen kann. Ich habe vorhin schon von Maßnahmen der Incentivierung, wie den Gütesiegeln, gesprochen. Es gibt aber auch Maßnahmen, die wir in den staatsnahen Unternehmen durch­führen, nämlich mit der Quote den Frauenanteil in den Aufsichtsgremien zu erhöhen. Wir sehen aktuell im Fortschrittsbericht 2023, dass wir nun eine Frauenquote von 50 Prozent in den Aufsichtsratsgremien erreicht haben, was sehr erfreulich ist.

Sie kennen auch Maßnahmen auf EU-Ebene, die derzeit in Umsetzung sind: die Women-on-Boards-Richtlinie, aber genauso gut auch die Transparencyrichtlinie, die derzeit im Bereich von Bundesminister Kocher liegen.

Ich glaube, es gibt keine One-Size-fits-all-Lösung, um das zu tun. Ich glaube, wir müssen die Mädchen bereits in der Schule stärken. Wir müssen Kinderbetreuung ermöglichen. Wir müssen uns ansehen, wie wir Stereotype durchbrechen. Wir müssen Incentives setzen, und selbstverständlich werden wir auch Maßnahmen, die auf EU-Ebene getroffen werden, die regulativer Natur sind, in Österreich umsetzen.


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank.

Wir gelangen nun zur 3. Anfrage, 1937/M-BR/2023. Ich bitte die Anfrage­stellerin, Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser, um die Verlesung der Anfrage. – Bitte sehr. 09.21.46


Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Damit Schüler pünktlich und vor allen Dingen sicher in die Schule und wieder nach Hause kommen, ist es unumgänglich und ganz wichtig, dass die Schülerbusse speziell im ländlichen Raum erhalten bleiben, Frau Minister.


BundesratStenographisches Protokoll951. Sitzung, 951. Sitzung des Bundesrats vom 16. März 2023 / Seite 24

1937/M-BR/2023

„Können Sie garantieren, zumindest setzen Sie sich dafür ein, dass österreich­weit, im speziellen in Salzburg, alle Schülerbusse weiterhin uneingeschränkt fahren werden, damit der Schülergelegenheitsverkehr auch zukünftig gesichert wird?“


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Auch mir ist sehr wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler sicher und pünktlich in die Schule kommen. So haben wir das Budget 2023, mit dem die Schüler- und Lehrlingsfreifahrt finanziert wird, zusätzlich um 18,8 Millionen Euro erhöht, um auch da der Teuerungswelle und der Inflation entgegenzuwirken, weil eben auch die Unternehmerinnen und Unternehmer, die die Busse zur Verfügung stellen, höhere Kosten haben.

Das Budget 2023 beträgt da insgesamt 555,1 Millionen Euro. Es wurde wie gesagt jährlich jedes Mal erhöht. Ich glaube, das ist auch wichtig, damit wir das Angebot weiterhin zur Verfügung stellen können.


Präsident Günter Kovacs: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.


Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Inwieweit können die Durchführungsrichtlinien bei einer besonderen Gefährdung am Schulweg betreffend die 2-Kilometer-Regelung durch die Gemeinden in Anspruch genom­men werden? Wie sieht dies im Speziellen im Fall Kuchl aus?


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Die Antwort in Bezug auf Kuchl müsste ich nach­reichen. Ich möchte nämlich darauf hinweisen, dass für die Durchführung nicht das Familienministerium zuständig ist, sondern das Finanzministerium und die entsprechenden Stellen in den Bundesländern, die Finanzämter. Daher müsste


BundesratStenographisches Protokoll951. Sitzung, 951. Sitzung des Bundesrats vom 16. März 2023 / Seite 25

ich, was die konkrete Durchführung betrifft, mit dem Finanzminister Kontakt aufnehmen, um speziell die Daten des Finanzamts in Kuchl oder im ent­sprechenden Bezirk abzufragen.


Präsident Günter Kovacs: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Dr. Andrea Eder-Gitschthaler zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Auch von mir einen schönen guten Morgen! Sehr geehrte Frau Minister, wie wird die Finanzierung der Schülerfreifahrt im Gelegenheitsverkehr im Hinblick auf die hohe Teuerung gewährleistet?


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Es gibt für die Schülerfreifahrt im Gelegenheits­verkehr gesetzliche Grundlagen, auch Verträge. Die besagen, dass die Verträge ohnehin jedes Jahr entsprechend dem VPI valorisiert werden. Das heißt, zusätzlich zu dem Geld, das wir – ich habe das gerade ausgeführt – ergänzend gegeben haben, gibt es ohnehin eine Valorisierung der Leistungen nach dem VPI mit dem Monatswert Juli – und das waren letztes Jahr 9,4 Prozent. Das heißt, es gibt automatisch die Inflationsanpassung, und zusätzlich dazu haben wir noch einmal mehr investiert, damit das Angebot flächendeckend sichergestellt werden kann. Es gibt also eine zweimalige Sondererhöhung in den Schuljahren 2020/21 und 2021/22 um je 2 Prozent plus die reguläre VPI-Erhöhung.

Die Ausgaben pro Schulkind, falls Sie das vielleicht interessiert, sind im Gele­gen­heitsverkehr 915 Euro, im Linienverkehr 571 Euro. Das gilt für das letzte Schuljahr. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Vielen Dank!)


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner zu Wort gemeldet. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll951. Sitzung, 951. Sitzung des Bundesrats vom 16. März 2023 / Seite 26

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Frau Ministerin! Die Mobilität ist für junge Menschen eine Voraussetzung, um einerseits ihr Umfeld erkunden zu können, aber eben auch, um ihren Aktionsradius nach und nach erweitern zu können, egal ob sie zur Ausbildung fahren, ob sie Kultur- und Freizeitangebote wahrnehmen wollen, ob sie Freunde treffen wollen. Im Idealfall gelingt ihnen das in einer selbstbestimmten und vor allem auch klimafreund­lichen Art und Weise.

Daher lautet meine Frage an Sie, Frau Ministerin: Werden Sie sich für die echte österreichweite Freifahrt für alle jungen Menschen, die in Ausbildung sind, einsetzen?


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Die jetzige Gesetzeslage ist so, dass, soweit die im Ausbildungspflichtgesetz – das wäre sozusagen der gesetzliche Rahmen – vorgesehenen Maßnahmen den Erfordernissen für die Teilnahme an der Schüler- und Lehrlingsfreifahrt entsprechen, ja bereits jetzt der Zugang zu diesen Leistungen möglich ist.

Was Sie wahrscheinlich ansprechen, ist, dass es keine Schüler- beziehungsweise Lehrlingsfreifahrt für Jugendliche gibt, die im Rahmen der Ausbildungspflicht bis 18 an Lehrgängen oder Kursen oder arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen des AMS teilnehmen. Da – diesbezüglich habe ich mich letztens auch kundig gemacht – ist es so, dass diese eben ohnehin zu einem fast vollständigen Aus­maß oder jedenfalls größtenteils vom AMS selbst bezuschusst werden, wenn die Jugendlichen in diesen Lehrgängen oder Kursen sind. (Bundesrätin Schumann: Was?!)

Das heißt, es gibt ohnehin die Schüler- und Lehrlingsfreifahrt; und bei sonstigen Ausbildungsmaßnahmen, die über das AMS angeboten werden oder über das


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AMS zugewiesen werden, wird das durch das AMS selbst bezuschusst. (Bundesrätin Schumann: Da kriegst einen Fahrschein!)


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.


Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Ich kann es jetzt kurz machen, Frau Ministerin, ich habe nämlich die gleiche Frage wie meine Kollegin, also betreffend Freifahrt für die in Ausbildungspflicht Befindlichen, die keine Lehre machen und keine Schule besuchen. Wir haben es aber bereits gehört. – Danke.


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Ich glaube, wir haben mit dem Ausbildungs­pflicht­gesetz einen guten Rahmen. Man kann sich da anschauen, wie das alles sozusa­gen abgedeckt wird. Das habe ich gemacht. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir da über unterschiedliche Unterstützungsleistungen, sei es jetzt der Familien­lasten­ausgleichsfonds, sei es das AMS, einen Zugang sicherstellen.


Präsident Günter Kovacs: Danke sehr.

Wir gelangen nun schon zur 4. Anfrage, 1942/M-BR/2023. Ich bitte die Anfragestellerin, Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, um die Verlesung der Anfrage. – Bitte sehr. 09.28.00


Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Guten Morgen! Es geht um Frauengesundheit, Gendermedizin. Da ist auch das Gesundheitsministerium zuständig, aber ich frage Sie als Frauenministerin, als Sachverständige:


BundesratStenographisches Protokoll951. Sitzung, 951. Sitzung des Bundesrats vom 16. März 2023 / Seite 28

1942/M-BR/2023

„Welche Schwerpunkte setzen beziehungsweise planen Sie im Bereich Frauengesundheit (Stichwort: Gender Medizin)?“


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Ja, ich setze auch Schwerpunkte in diesem Bereich. Ich kann jetzt nicht wie das Gesundheitsministerium den flächendeckenden Zugang gewährleisten, aber ich möchte natürlich auch unterstützen. Ich bin da auch mit Johannes Rauch in gutem Austausch. Wir haben am 16.2. gemeinsam den Frauengesundheitsbericht 2022 veröffentlicht, in dem man eben Infor­ma­tionen über die gesundheitliche Situation von Frauen in Österreich sieht.

Selbst werde ich Schwerpunkte insbesondere im Bereich der Brustgesundheit setzen. Die Brustkrebsvorsorge ist mir sehr wichtig. Wir haben diesbezüglich ein ganz großartiges neues Projekt ins Leben gerufen, nämlich das sogenannte Brustkrebs-Forum, in dessen Rahmen in zwölf Modulen ausgewiesene öster­reichische Expert:innen über Vorsorge, über Diagnostik, über Therapie aufklären und auch die Familien, die Angehörigen der erkrankten Frauen mitnehmen und sozusagen auf diesem schwierigen Weg begleiten.

Wir haben da zudem mit der Österreichischen Krebshilfe eine neue Informa­tionsbroschüre über die Vorsorge und das Brustkrebsfrüherkennungsprogramm erstellt, und wir fördern natürlich aus dem Frauenbudget spezielle Projekte im Zusammenhang mit Frauengesundheit. 2022 haben wir 355 000 Euro für Projekte im direkten Zusammenhang mit Frauengesundheit ausgegeben.


Präsident Günter Kovacs: Danke schön.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.


Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Bis 2018 lag auch der Zuständigkeitsbereich für die Förderung von Frauengesundheitszentren beim


BundesratStenographisches Protokoll951. Sitzung, 951. Sitzung des Bundesrats vom 16. März 2023 / Seite 29

Frauenministerium. Werden Sie auch da einen Beitrag leisten? Wird da wieder etwas geplant? Wie stehen Sie dazu?


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Nein, im Bereich der Frauengesundheitszentren wird aus dem Frauenministerium nichts beigesteuert; das ist etwas, das im Gesund­heitsministerium angesiedelt ist. Sie kennen das Frauenbudget – wir haben es zwar massiv aufgestockt, nämlich mehr als verdoppelt, dennoch ist mir wichtig, dass ich mich da auf die Frauen- und Mädchenberatungsstellen, auf die Unterstützungsleistungen für die Frauen, die sozusagen von keinem anderen Ressort abgedeckt werden können, konzentriere. Deshalb werden die Frauengesundheitszentren vom Gesundheitsministerium finanziert. Das halte ich auch für gut, richtig und wichtig so.


Präsident Günter Kovacs: Danke sehr.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Heike Eder zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.


Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Guten Morgen, Frau Minister! Im Bereich der Frauengesundheit ist HPV als Auslöser für unterschiedliche Krebserkrankungen wirklich ein zentrales Thema. Mit welchen Maßnahmen gehen Sie auf dieses Thema ein?


Präsident Günter Kovacs: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Ich bin wirklich sehr froh, dass es gelungen ist, die HPV-Impfung ab Februar 2023 jetzt bis zum vollendeten 21. Lebensjahr gratis anzubieten. Ich glaube, das ist ein wichtiger Schritt, und es ist wichtig, die Frauen


BundesratStenographisches Protokoll951. Sitzung, 951. Sitzung des Bundesrats vom 16. März 2023 / Seite 30

darüber jetzt zu informieren. Das heißt, wir bringen diesbezügliche Informa­tionsmaterialien in alle Beratungseinrichtungen, die wir haben, und versuchen so, die Frauen zu erreichen.

Ich glaube aber, dass es auch wichtig ist, dass wir die Burschen darüber informieren, weil auch Männer und Buben Überträger sein können – das heißt, es ist wichtig, dass wir auf diese Seite nicht vergessen –, und dass wir ihnen auch sagen, dass die HPV-Impfung etwas ist, mit dem sie etwas für sich machen, aber natürlich auch etwas, um den Nächsten zu schützen.


Präsident Günter Kovacs: Danke schön.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Elisabeth Grimling zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.


Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin! Laut Frauen­gesundheitsbericht 2022 leben Frauen zwar länger als Männer, dabei aber auch länger in einem schlechteren Gesundheitszustand. Was werden Sie konkret tun, um Frauengesundheit insbesondere mit Blick auf sozioökonomische Nachteile von Frauen, die in diesem Bereich besonders stark wirken, nachhaltig zu verbessern? – Danke.


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Danke.

Der Frauengesundheitsbericht sagt in dem Bereich, dass es unterschiedliche Gründe gibt, weshalb Frauen im höheren Alter eben auch mehr Erkrankungen ausgesetzt sind. Ein Grund – den haben Sie auch angesprochen – ist sicherlich die Mehrfachbelastung im Laufe des Lebens: die Mehrfachbelastung zwischen Kinderbetreuung, Arbeitswelt, vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten und natürlich auch der Pflege der Angehörigen zu Hause.


BundesratStenographisches Protokoll951. Sitzung, 951. Sitzung des Bundesrats vom 16. März 2023 / Seite 31

Das heißt, mein Ansatz ist, in diesem Bereich mit unterschiedlichen Maßnahmen zu entlasten, zum Beispiel mithilfe des Vereinbarkeitscoachings, das ich vorhin genannt habe. Wenn man beim ersten Kind im Rahmen des Mutter-Kind-Passes verpflichtend mit beiden Elternteilen spricht und beiden Elternteilen sagt, wie man sich partnerschaftlich die gemeinsame Erziehung aufteilt, dann ist das ein wesentlicher Schritt, damit Frauen, die hauptsächlich die Sorgearbeit leisten, entlastet werden. Wenn wir die Kinderbetreuung flächendeckend ausbauen und Frauen dadurch die Möglichkeit bekommen, auf Kinderbetreuungsangebote zuzugreifen, dann ist das ein wesentlicher Schritt, um Frauen auch in der Sorge­arbeit zu entlasten. Und wenn wir dann auch noch finanziell gewisse Sorgen nehmen, indem wir die Familienleistungen erhöhen, was wir jetzt getan haben – das Kinderbetreuungsgeld, die Familienbeihilfe, das Schulstartgeld –, dann haben wir da auch noch einen Weg, um Frauen auch eine gewisse Sorge im Bereich der Finanzierung zu nehmen.

Alles, was wir tun, ist darauf ausgerichtet, Frauen zu entlasten und es Frauen auch leichter möglich zu machen, all die unterschiedlichen Aufgaben, die man als Frau zu bewerkstelligen hat, besser zu lösen und sie innerhalb der Familie fairer und gerechter aufzuteilen.


Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Ministerin.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.


Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Wie wir alle wissen, wirken sich Medikamente hormonell zwischen Männern und Frauen verschieden aus, was bei falscher Medikation fatale Folgen haben kann. Derzeit wird im Pharma­bereich die Verträglichkeit von Medikamenten immer noch hauptsächlich an männlichen Probanden erforscht.

Frau Minister, welche Schritte werden Sie unternehmen, damit in der Medikamentenforschung der Frauenanteil bei den Probanden erhöht wird?



BundesratStenographisches Protokoll951. Sitzung, 951. Sitzung des Bundesrats vom 16. März 2023 / Seite 32

Präsident Günter Kovacs: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Gendermedizin ist tatsächlich ein großes Thema. Ja, es geht um Medikamente – es geht aber nicht nur um Pharmazeutika, sondern es geht auch um diagnostische Maßnahmen, weil wir oft bemerken, dass bei Frauen ein Herzinfarkt in vielfach höherem Ausmaß nicht erkannt wird, weil er sich, was die Symptome anlangt, anders darstellt als bei Männern.

Das heißt, der Weg, den man gehen kann und den man gehen muss, ist, dass man auch bei der Ausbildung der Ärztinnen und Ärzte ansetzt, aber natürlich auch bei jener der Pharmazeutinnen und Pharmazeuten, um auf diesen Bereich der Gendermedizin aufmerksam zu machen und das in die Ausbildung mitein­fließen zu lassen. Das passiert jetzt verstärkt.

Der Gesundheitsminister und ich haben zum Thema Gendermedizin im letzten Jahr ein Symposium veranstaltet, zu dem wir eben auch die unterschiedlichen Partner eingeladen haben. Auch ich bin in Kontakt mit der MedUni hier in Wien, damit wir uns ansehen, wie wir das künftig in den Ausbildungsmodulen besser verankern können. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Medikamentenforschung war die Frage!) – Ja.

Also ich denke, man muss an unterschiedlichen Punkten ansetzen. Ich glaube, es geht um die Medikamente, aber es geht natürlich auch darum, die Pharma­zeu­tinnen und Pharmazeuten zu schulen, weil das diejenigen sind, die die Medika­mente am Ende ausgeben.

Ja, natürlich ist es wichtig, dass die Gendermedizin die Herstellung der Medika­mente, die Diagnostik der Krankheiten und am Ende des Tages die Beratung der Pharmazeut:innen und der Ärzte umfasst. All das sind Teile einer Strategie, die wir auch im Frauengesundheitsbericht verankert haben und der auch der Gesundheitsminister, mit dem ich ja den Frauengesundheitsbericht erstellt habe, nachkommt.



BundesratStenographisches Protokoll951. Sitzung, 951. Sitzung des Bundesrats vom 16. März 2023 / Seite 33

Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank.

Wir gelangen nun bereits zur 5. Anfrage, 1934/M-BR/2023. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Mag.a Dr.in Doris Berger-Grabner, um die Verlesung der Anfrage. – Bitte sehr. 09.36.54


Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sie haben ja jetzt bereits etliche Maßnahmen für Frauen, die Sie in Ihrem Ressort gesetzt haben, genannt. Mir geht es jetzt vor allem um einen zusammenfassenden Überblick.

1934/M-BR/2023

„Was haben Sie als Frauenministerin für die Stärkung der Frauen in Österreich in dieser Legislaturperiode bereits umgesetzt?“


Präsident Günter Kovacs: Frau Bundesminister, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Danke für die Frage. Ich kann im Rahmen dieser Fragestunde natürlich nur auszugsweise sozusagen Highlights nennen.

Ich glaube, was einmal ganz zentral war, war, dass es nach jahrelanger – ich möchte nicht sagen: jahrzehntelanger – Aushungerung des Frauenbudgets durch andere Regierungen (Heiterkeit bei der SPÖ) wichtig war, dass wir das Frauen­budget erhöhen – was wir getan haben, wir haben es nämlich mehr als verdoppelt. Wir haben 2019 im Frauenministerium ein Budget von 10,15 Mil­lionen Euro vorgefunden, und nun, 2023, ist es ein Budget von 24,3 Millionen Euro. Ich möchte mich da auch für die gute Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner bedanken, durch die wir hier auch den Schutz von Frauen und Mädchen in Österreich so stark vorantreiben können. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Es ist ganz wichtig, dass Frauen und Mädchen in ihren unterschiedlichen Lebenssituationen Anlaufstellen finden, deshalb fließt auch ein bedeutender Teil dieses Budgets in den Ausbau von Frauen- und Mädchenberatungsstellen sowie in den Bereich des Gewaltschutzes – konkret in Gewaltschutzzentren, jetzt neuerdings auch in Schutz- und Übergangswohnungen, damit Frauen, die Unterstützung brauchen, um sich aus einer Gewaltbeziehung zu befreien, in ein Frauenhaus gehen können und dann in der Folge aber vielleicht auch noch die Möglichkeit haben, im Rahmen der Bereitstellung einer Schutz- und Über­gangswohnung auch ihr Leben neu zu ordnen, es neu zu sortieren. Auch da, bei den Schutz- und Übergangswohnungen, werde ich künftig einen Beitrag leisten; die Gewaltschutzzentren sind mit den bestehenden Mitteln ausfinanziert.

Zudem setzen wir natürlich auch vielfach weitere Schwerpunkte: Wir haben einen neuen Fonds gegründet, der LEA – Let’s empower Austria heißt, über den wir unterschiedliche Maßnahmen, zum Beispiel eine Rolemodelkampagne in den Schulen, anbieten, über den wir aber auch – und das ist gerade in Zeiten der Teuerung wichtig – mit Frauen über Finanzstrategien sprechen, über ihre Pension sprechen, darüber, wie man sich finanziell gut aufstellen kann, weil die finanzielle Unabhängigkeit auch der Schlüssel für die Selbstständigkeit und die Selbstbestimmtheit ist, weshalb es so wichtig ist, dass wir Frauen auch auf diesem Weg unterstützen.

Ich glaube auch, dass es ein großer Erfolg war, dass wir die Kinderbetreuung so stark ausgebaut haben (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann) beziehungsweise die Bundesländer dabei unterstützen, dass sie das tun. Am Ende des Tages ist auch das eine Frauen stärkende Maßnahme, die wir da setzen.


Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Ministerin.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin.


Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Meine Zusatzfrage hat sich erübrigt.


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Mich hätte interessiert – da das Frauenbudget verdoppelt worden ist –, welche Schwerpunkte im Speziellen für den Gewaltschutz gesetzt werden. Darauf sind Sie bereits eingegangen. – Vielen Dank. (Bundesrätin Schumann: Unpackbar!)


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Nicole Riepl zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.


Bundesrätin Nicole Riepl (SPÖ, Kärnten): Frau Ministerin! Besonders der Schutz vor Gewalt ist für Frauen extrem wichtig. Bisher gab es laut den Daten der autonomen Frauenhäuser in diesem Jahr bereits vier nachgewiesene und zwei vermutete Femizide zu beklagen. Das Projekt Stop – Stadtteile ohne Partnergewalt in Völkermarkt ist eines jener Projekte, die Frauen vor Gewalt schützen sollen. Werden Sie dieses in Ihrem Ressort weiterhin finanziell fördern, um diese wichtige Arbeit aufrechtzuerhalten?


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Also mir ist ganz wichtig, dass natürlich die Förderentscheidung und die Beurteilung der Projekte bei mir in der Verwaltung liegen. Das ist keine politische Entscheidung, bei der man Daumen nach oben, Daumen nach unten macht, sondern da ist in der Verwaltung ein Prozess dahinter, bei dem man sich ansieht, ob das Projekt gut abgewickelt wurde, ob die Steuergeldressourcen gut eingesetzt werden und ob das Projekt auch die Ziele erreicht hat, die man sich zu Beginn gesetzt hat. Deshalb kann ich dieser Förderentscheidung nicht vorgreifen. Ich kann nur grundsätzlich sagen, dass ich das für einen guten Ansatz halte und dass ich diese Projekte, die jetzt gefördert werden, auch insgesamt als gute Projekte erachte.

Es gibt aber neue Schwerpunkte, denen wir uns auch widmen müssen. Sie haben beispielsweise das Projekt Stop angesprochen, da geht es auch immer mehr um den Bereich der Gewalt durch Ex-Partner. Cybergewalt ist ein Riesenthema,


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Cyberstalking ist ein Riesenthema. Das heißt, das sind neue Schwerpunkte, die ich gerade setze, auch um zum Beispiel alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Frauen- und Mädchenberatungsstellen im Bereich der Cybergewalt zu schulen.

Maßnahmen zur Stärkung von Mädchen und Frauen in der digitalen Welt sind ein Schwerpunkt. Wir haben einen neuen Schwerpunkt für ältere Frauen gesetzt, die dürfen wir auch nicht vergessen: jene, die bereits aus dem Berufs­leben ausgeschieden sind, 60 plus, oft mit viel Verantwortung für die Erziehung der Enkelkinder, im Bereich der Pflege von Angehörigen, gesundheitlich oft in schwierigen Situationen, nicht hundertprozentig angebunden an die digitale Welt. Deshalb war es mir wichtig, dass wir auch dort einmal genau hinsehen. Da habe ich gerade den neuen Förderaufruf für Maßnahmen zur Stärkung von Frauen in herausfordernden Zeiten in der Altersgruppe 60 plus gestartet. – Danke.


Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Ministerin.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Bundesrat Andreas Arthur Spanring zu Wort gemeldet. – Bitte sehr, Herr Bundesrat.


Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Minister, meine Frage bezieht sich auf Transfrauen im Sport. Das möchte ich, bevor ich die Frage stelle, mit einem Beispiel untermalen, damit man sich auch etwas darunter vorstellen kann. Es gibt in Amerika zum Beispiel einen Schwimmer oder jetzt eine Schwimmerin namens Lia Thomas, die bei sämtlichen Wettbewerben, an denen sie teilnimmt, natürlich alle Frauenrekorde bricht. Unter anderem war im Dezember ein Wettbewerb, bei dem sie mitgeschwommen ist, und bei 1 500 Meter Kraulen hat sie die zweitplatzierte Frau um 40 Sekunden hinter sich gelassen. Diese Beispiele gibt es jetzt in vielen verschiedenen Sportarten, und es werden natürlich immer mehr.

Frau Minister, wie stehen Sie beziehungsweise wie steht diese Regierung dazu, dass in immer mehr Sportarten sogenannte Transfrauen, also biologische


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Männer, die sich einer Hormonbehandlung unterzogen haben, an Frauen­wett­kämpfen teilnehmen und dort oftmals aufgrund ihres ursprünglich männlichen Körpers einen unfairen Vorteil gegenüber biologischen Frauen haben? (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Das ist der Testosteronspiegel, der wird eh gemessen!)


Präsident Günter Kovacs: Frau Ministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Ich sehe da keine Kompetenz oder keine Zuständig­keit in unserem Ministerium oder innerhalb der Bundesregierung (Zwischenruf bei der FPÖ), sondern Sie wissen genauso wie ich, dass die Regelungen in diesem Sinn die Sportverbände selber treffen. Daher gibt es da auch keine Handlungs­kompetenz oder gar keine gesetzliche Basis, aufgrund derer wir handeln könnten. (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Ministerin.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Mag.a Elisabeth Kittl zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.


Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Eine ganz simple, aber, wie ich glaube, sehr wichtige Frage: Welche Maßnahmen, welche Schritte wollen Sie setzen oder setzen Sie, um unbezahlte Carearbeit zwischen Vätern und Müttern gerechter aufzuteilen?


Präsident Günter Kovacs: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Vielen Dank – das ist eine ganz zentrale Frage. Ich habe jetzt schon viel dazu genannt. Wir haben die neue Vereinbarkeitsberatung im Eltern-Kind-Pass – ich meine, ich möchte mich nicht wiederholen, daher vielleicht nur noch zwei, drei neue Aspekte: Wir dürfen nicht vergessen, dass wir Incentives haben, damit auch Väter in Karenz gehen, um eine höhere


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Väterbeteiligung zu schaffen – den Papamonat, den Familienzeitbonus, den Partnerschaftsbonus –, die grundsätzlich gute und richtige Instrumente sind.

Ich glaube aber, es geht auch um einen gesellschaftlichen Wandel, um einen Wandel im Gesellschaftsbild, und den versuche ich zu unterstützen. Ich möchte in diesem Jahr eine neue Kampagne starten, bei der es eben um die Stärkung der Väterbeteiligung geht, bei der es auch darum geht, dass man einmal Väter vor den Vorhang holt, die sich in diesem Sinne einbringen und auch zeigen, wie wertvoll eine solche Einbringung und eine starke Vaterrolle für die gesamte Familie, aber auch für sich selbst sind. Das sehe ich ja gerade an meinem eigenen Beispiel mit meinem Mann, der in Karenz ist beziehungsweise war.

Ich werde da also auch versuchen, zum gesellschaftlichen Bild beizutragen, und plane eine neue Rolemodelkampagne.


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank.

Wir gelangen nun bereits zur 6. Anfrage, 1940/M-BR/2023. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Eva Prischl, um die Verlesung der Anfrage. – Bitte sehr, Frau Bundesrätin. 09.46.08


Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Schönen guten Morgen meinerseits! Meine Frage zielt auf Sie als Medienministerin ab, und zwar lautet meine Frage folgendermaßen:

1940/M-BR/2023

„Welche Maßnahmen treffen Sie, um im Angesicht ständig sinkender Demo­kra­tie-Rankings sowie die gleichzeitig durch Sie angekündigten Millioneneinsparungen im Bereich von ORF und die beschlossene Einstellung der Wiener Zeitung, die Medienfreiheit und Vielfalt in der Medienlandschaft in Österreich zu stärken?“


Präsident Günter Kovacs: Frau Bundesministerin, bitte.



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Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Danke – die freien Medien sind tatsächlich der Grundpfeiler der Demokratie, ein hohes Gut, für das wir uns einsetzen müssen. Deshalb haben wir derzeit folgende Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht:

Wir haben auf der einen Seite eine neue Qualitätsjournalismusförderung, die ja schon in Begutachtung war, die ein neues Fördervolumen von 20 Millionen Euro mit dem Fokus auf journalistische Qualität bringt. Das heißt, unser Zugang ist, dass man, wenn man die Journalistinnen und Journalisten mit guten Arbeits­bedingungen in ihrer Unabhängigkeit stärkt, auch die Qualität heben kann, weil sie einfach frei im Arbeiten sind. Daher haben wir Qualitätskriterien entwickelt: gute Arbeitsbedingungen, kollektivvertragsähnliche Anstellungen, aber genauso Frauenförderungspläne in den Unternehmen, die vorliegen sollen, und Fehler­managementsysteme, die in den Redaktionen gegeben sein sollen. Anhand dessen werden dann künftig auch Förderungen für die Journalistinnen und Journalisten ausgegeben.

Zusätzlich dazu ist es so, dass sich der ganze Trend in der Medienwelt in Rich­tung Digitalisierung entwickelt. Das heißt, wir haben auch eine neue Digitalisierungsförderung auf den Weg gebracht, mit der wir die Unternehmen dabei unterstützen, dass sie die digitale Transformation auch umsetzen können.

Was wir auch gerade machen und hoffentlich bald auch dem parlamentarischen Prozess zuführen können, ist das sogenannte Medientransparenzgesetz, mit dem wir konkret auf Inserate der öffentlichen Hand abzielen, wo wir massiv strenger werden wollen, wenn es um den Einsatz von Steuergeld geht. Daher werden neue Kriterien wie Wirkungsanalysen und Berichtspflichten geschaffen, aber natürlich auch hundertprozentige Transparenz ab dem ersten Euro – wo und wie das Geld eingesetzt wird.


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Zum ORF: Es ist so, dass wir nach dem Erkenntnis des VfGH eine Neuregelung für die Finanzierung brauchen. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, denen wir nähertreten, die wir uns gerade ansehen. Ich bin davon überzeugt, dass öffentlich-rechtlicher Rundfunk einen Wert hat, dass es ihn auch braucht. Ich glaube nur, er kann schlanker, sparsamer und österreichischer sein.


Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Ministerin.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte sehr.


Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Welche Maßnahmen setzen Sie, um das Demokratiebewusstsein der Jugendlichen zu stärken?


Präsident Günter Kovacs: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: In der neuen Journalismusqualitätsförderung finden sich unter anderem auch Fördermittel besonders für Medien-Know-how in den Schulen. Das heißt, ich glaube, es ist wichtig, dass wir Jugendliche sehr zeitnah auf den Umgang mit Medien vorbereiten, besonders auch was die sozialen Medien betrifft. Da sehe ich eine große Gefahr. Ich bin daher froh, dass der Bildungsminister da ein neues Schulfach einsetzen wird, neue digitale Unter­richtskompetenz, bei der man sich solche Dinge ansehen muss.

Ich unterstütze aber auch Projekte, bei denen die Zeitungen – die Herausgeber, die Journalistinnen und Journalisten – selbst in die Schulen gehen und dort über Medienkompetenz sprechen. Dafür gibt es im neuen Journalismusqualitäts­gesetz auch Budgetmittel.


Präsident Günter Kovacs: Danke schön.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Mag. Franz Ebner zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.



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Bundesrat Mag. Franz Ebner (ÖVP, Oberösterreich): Liebe Frau Bundes­minis­terin, du hast die erforderliche Neuregelung der ORF-Finanzierung ange­sprochen. Wie ist da der aktuelle Stand?


Präsident Günter Kovacs: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Vielen Dank für die Frage. Es hat das VfGH-Erkenntnis gegeben, das besagt, dass auch jene, die nur online streamen, in die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks miteinzubeziehen sind. Das heißt, dass die jetzige Regelung, wonach nur jene zahlen, die ein TV-Gerät oder ein Radiogerät haben, verfassungswidrig ist. Das heißt, wir stellen die Finanzierung jetzt auf neue Beine.

Das heißt auch, das ist eine Aufgabe, die uns der Verfassungsgerichtshof mitgegeben hat – keine, die wir uns selbst gewählt haben, der wir aber natürlich nachkommen müssen, denn auch das bedeutet es, staatspolitische Verant­wortung zu übernehmen: höchstgerichtliche Erkenntnisse und Urteile umzu­setzen.

In einem ersten Schritt war es uns wichtig, dass der ORF in einer Zeit, in der alle Unternehmen sparen müssen, besonders Unternehmen sparen müssen, auch selbst einen Sparkurs einschlägt, und ich begrüße es daher, dass der ORF dieses Sparpaket nun auch vorgelegt hat – aus meiner Sicht ein Schritt in die richtige Richtung.

Derzeit arbeiten wir mit Hochdruck an zweierlei Dingen, zum einen daran, wie eine mögliche neue Finanzierung aussehen kann, und zum Zweiten auch an einer Digitalnovelle, denn auch der ORF braucht Möglichkeiten, im digitalen Raum verstärkt aufzutreten, nicht zuletzt auch um mehr Jugendliche zu erreichen und sozusagen auf dem Zug der Zeit mitfahren zu können. Wichtig ist, dass es in einem Rahmen ist, der dem dualen System am Medienmarkt, den Privaten und


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dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gemeinsam, zu einem guten Weg verhelfen kann.


Präsident Günter Kovacs: Danke schön.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Johannes Hübner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.


Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Frau Ministerin! Sie haben auf die letzte Frage hin gemeint, dass man dem ORF weitere Möglichkeiten geben wird, vor allem im digitalen Bereich.

Der ORF hat derzeit schon Gesamteinnahmen, also ein Budget, von deutlich über 1 Milliarde Euro im Jahr. Das zweitgrößte österreichische Medien­unter­nehmen im Bereich Rundfunk, Fernsehen, nämlich die Prosieben-Sat.1-Puls-4-Gruppe, hat ein Budget von ungefähr 120 Millionen Euro, also nicht viel mehr als ein Zehntel. Alle anderen liegen deutlich unter 100 Millionen Euro Budget. Von der 1 Milliarde Euro sind ungefähr 650 Millionen Euro Steuergeld – jetzt heißt das noch GIS-Gebühren –, 250 Millionen Euro Werbeeinnahmen. Alleine die Werbeeinnahmen des ORF sind mehr als doppelt so hoch wie das Gesamt­bud­get des zweitgrößten Medienunternehmens.

Halten Sie eine Fortschreibung dieser Situation durch Umfirmierung der GIS-Gebühren auf Haushaltsabgabe – oder was immer es auch werden wird – im Sinne der angesprochenen Medienvielfalt und Medienfreiheit in Österreich für sinnvoll? – Danke.


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Ich glaube, um einen starken Medienstandort zu haben, braucht es eben beides, einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk und eine Vielfalt an privaten Medien, und beide Säulen müssen Unterstützung bekommen


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oder werden Unterstützung bekommen, diesen digitalen Weg sozusagen auch zu gehen.

Es braucht aber natürlich auch Innovation aus den Unternehmen heraus. Der Staat kann das nicht regeln, sondern es braucht Unternehmen, die diesen digitalen Transformationsweg auch bewerkstelligen. Wir unterstützen den privaten Markt mit der digitalen Transformationsförderung – das waren jetzt 54 Millionen Euro für dieses Jahr, für die nächsten Jahre werden es 20 Millionen Euro sein –, und wir werden dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch Möglichkeiten geben – hallo (in Richtung einer den Saal betretenden Schüler:in­nengruppe), herzlich willkommen! –, zum Beispiel: online only, online first, dass er sich auch im digitalen Raum weiterbewegen kann.

Aber ja, das muss in einem Rahmen sein, der garantiert, dass das duale System insgesamt weiterhin aufrechterhalten werden kann. Ich glaube auch, dass es ein Weg sein kann, dass es mehr Kooperationen zwischen dem privaten und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt. Auch das ist ein Weg, den ich nicht gesetzlich reglementieren oder regeln kann, den ich als Medienministerin aber grundsätzlich unterstütze.


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Ministerin.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Marco (niederländisch aussprechend) Schreuder zu Wort gemeldet. – Bitte sehr. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Bundesrat Kornhäusl: Perfekte Aussprache!)


Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Guten Morgen, Frau Ministerin! Entschuldigen Sie, meine Stimme ist heute ein bisschen angeschlagen.

Sie haben schon die neue Qualitätsjournalismusförderung angesprochen, die ja erfreulicherweise auch die Möglichkeit für reine Onlinemedien eröffnet – und nicht mehr nur für Medien, die nur auf Print setzen. Es gibt allerdings im Onlinebereich auch Plattformen und Seiten, die nicht auf Information, sondern


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auf Desinformation setzen. Wie wollen Sie verhindern, dass auch diese Zugang zu diesen Fördermitteln erreichen?


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Ich bin auch davon überzeugt, dass es in Zeiten wie diesen gut ist, wenn man auch Onlinemedien sozusagen mitbedenkt – was wir tun. Sie wissen, dass das Qualitäts-Journalismus-Förderungs-Gesetz jetzt sozusagen erst in Abstimmung, in Endabstimmung ist, dass die Begutachtung geendet hat, wir jetzt derzeit die Stellungnahmen einarbeiten und ich daher noch nicht über das finale Gesetz sprechen kann, sondern nur über den Begutach­tungsentwurf, der in § 5 Abs. 2 auch Ausschlusskriterien für Förderung vorsieht, was ich für wesentlich erachte: dass demokratiefeindliche Medien von der Förderung auch ausgeschlossen sind, beispielsweise wenn in einem Medium eine gerichtlich strafbare Handlung nach unterschiedlichen Straftatbeständen – wie Verhetzung oder terroristische Straftaten – vorgenommen wurde, aber natürlich auch wenn es Verurteilungen in anderen Bereichen gibt. Auch die Förderwürdig­keit für dieses Medium soll dann davon abhängen.

Das ist einmal der grundsätzliche Gedanke, mit dem wir uns der Sache annähern. Es sind aber in der Begutachtung auch zu diesem Punkt einige Stellungnahmen hereingekommen, die derzeit von meinem Haus geprüft werden, die wir sehr ernst nehmen und hinsichtlich derer wir uns auch genau ansehen, wo wir in der Umsetzung noch nachschärfen können.


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Ministerin.

Recht herzlich darf ich das Bundesrealgymnasium aus Feldkirch bei uns im Haus begrüßen. – Herzlich willkommen im Sitzungssaal des Bundesrates! (Allgemeiner Beifall. – Ruf: Servus!)

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Mag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.



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Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich beziehe mich auch auf die ORF-Finanzierung. Momentan werden ja durch die GIS GmbH Rundfunkgebühren – ORF-Programmentgelt – und Länderabgaben eingehoben. Gibt es Überlegungen, diese Länderabgaben bei einer Umstellung der ORF-Finanzierung zukünftig zu streichen?


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Wir prüfen derzeit natürlich tatsächlich in alle Richtungen, wobei unser Fokus auf der Frage liegt, wie wir den Nettokosten­beitrag, den der ORF aufgrund der Gebühren bekommt, senken können und künftig eine andere Finanzierung sicherstellen können. Das ist für uns das Wichtigste.

Ich glaube auch, dass das jetzige GIS-System einfach­ ein veraltetes System ist. Ich halte nichts davon, wenn Menschen – oder in dem Fall Angestellte des ORF – an Häusertüren klopfen können und an Wohnungstüren klopfen können, um zu sehen, ob da jemand einen Fernseher zu Hause hat. Das ist ein Modell, das veraltet ist, nicht mehr zeitgemäß ist – im freundlichsten Sinne formuliert –, und daher prüfen wir natürlich, wie wir das verändern können. Da ist derzeit unser Fokus. Ich will, dass es für die Menschen, die jetzt seit vielen Jahren brav ihre GIS zahlen, am Ende günstiger wird. Das ist mir das Wichtigste. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank.

Wir gelangen nun zur 7. Anfrage, 1938/M-BR/2023. Ich bitte die Anfrage­stel­lerin, Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel, um die Verlesung der Anfrage. – Bitte, Frau Bundesrätin. 09.58.48


Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Es ist heute schon mehrmals angesprochen worden und Sie haben immer wieder auch darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, dass Familien und Eltern bei der Art der


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Betreuung ihrer Kinder eine Wahlfreiheit haben. Deswegen verstehe ich es immer wieder nicht, dass, obwohl Sie sich dazu bekennen, es sozusagen erkennen, dass die Familien das wollen, trotzdem von der Regierung nach wie vor gerade in diesem Bereich, dass man Kinder selbst zu Hause betreuen kann, so wenig getan wird. Deshalb meine Frage:

1938/M-BR/2023

„Welche Schritte werden Sie setzen, damit das ‚Berndorfer Modell‘, um Wahl­freiheit zu schaffen, österreichweit angeboten wird?“


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Vielen Dank für die Frage. Ich kann mich nur wie­derholen: Ich sehe das anders als Sie. Ich glaube, gerade im europäischen Vergleich tun wir da sehr, sehr viel, nämlich mit der Unterstützung durch die Familienleistungen, die wir in vielfacher Weise ausrollen, gerade um auch die Kinderbetreuung zu Hause zu ermöglichen beziehungsweise auch da finanziell zu unterstützen.

Es gibt das Kinderbetreuungsgeld, es gibt den Familienzeitbonus. Wir haben jetzt eine großzügige Valorisierung des Kinderbetreuungsgeldes vorgenommen, die meines Erachtens längst überfällig war. Wir haben die Anrechnung der Kinder­erziehungszeiten in der Pensionsversicherung, wir haben das Recht auf Elternteilzeit, den arbeitsrechtlichen Anspruch auf Elternteilzeit. (Bundesrätin Schumann: Die Anrechnung haben aber nicht Sie gemacht! Die Anrechnung der Kindererziehungszeiten!) – Das alles ist ein gutes System, das sich über die vielen Jahre aufgebaut hat, das ich unterstütze, das ich richtig und wichtig finde, um eben diese Wahlfreiheit zu stärken. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Günter Kovacs: Ist eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.



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Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Sie haben jetzt wieder erwähnt, dass Sie davon überzeugt sind, dass die Unterstützung, die den Familien derzeit zuteilwird, vor allem wenn es um die häusliche Betreuung geht, mehr als ausreichend ist. Dann frage ich Sie:

Warum empfinden Sie 14,53 Euro in der Pauschalvariante des Kinderbetreu­ungsgeldes als ausreichend, während der Tagsatz für die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge zwischen 98 und 110 Euro beträgt? (Beifall bei der FPÖ.)


Präsident Günter Kovacs: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Ich möchte mir ja eigentlich keine Worte in den Mund legen lassen. Ich habe gesagt, dass wir in Österreich, insbesondere im Vergleich innerhalb der Europäischen Union, ein sehr gutes Modell haben, um Familien zu betreuen. Nicht umsonst sind wir auf Platz drei bei den finanziellen Familienleistungen innerhalb Europas.

Wie wir aber auch im letzten Jahr gesehen haben, sind wir immer bemüht, auch weitere Unterstützungsmaßnahmen zu treffen. Wir haben jetzt die Valorisierung der gesamten Familienleistungen auf den Weg gebracht. Wir investieren 1 Milliarde Euro zusätzlich in die Kinderbetreuung. Wir werden uns natürlich auch genau ansehen, wo wir noch weitere Entbürokratisierungen vornehmen können. Beispielsweise haben wir jetzt genau beim Familienzeitbonus eine Gesetzesänderung neu eingebracht, wonach das Geld, das man im Familienzeit­bonus während des Papamonats bekommt, nicht mehr am Ende vom Kinderbetreuungsgeld abgezogen beziehungsweise darauf angerechnet wird.

All das sind Dinge, mit denen wir zeigen wollen: Wir wollen die Wahlfreiheit, wir wollen, dass Familien das Lebensmodell wählen können, das sie möchten, und wir setzen mit Unterstützungsmaßnahmen vor allem auf den Wert der Familie und auf den Wert der Kinder, denn diese sind das wichtigste Gut, das wir in


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unserem Land haben. (Bundesrat Steiner: Das ist keine Antwort! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)


Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Ministerin.

Ich darf inzwischen die Gruppe zwei aus dem Bundesrealgymnasium Feldkirch bei uns begrüßen. – Herzlich willkommen im Bundesratssitzungssaal auch an euch! (Allgemeiner Beifall.)

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Johanna Miesenberger zu Wort gemeldet. – Bitte sehr, Frau Bundesrätin.


Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Bundesministerin, Sie haben heute schon mehrmals die neue 15a-Vereinbarung, die im letzten Jahr zwischen Bund und Ländern beschlossen wurde, erwähnt. Sie ermöglicht ja den Ländern und Gemeinden viele zusätzliche Maßnahmen und Angebote, zum Beispiel stehen in Oberösterreich bis 2027 jährlich 35 Millionen Euro dafür zur Verfügung.

Meine Frage ist: Welche Schwerpunkte im Bereich der Elementarpädagogik sind im Rahmen dieser Vereinbarung bis 2027 angedacht?


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Danke.

Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass man mit dieser 15a-Vereinbarung auf strategische Weichenstellungen setzt. Wir haben uns daher besonders darauf konzentriert, dass wir ein flexibles, flächendeckendes und ganzjähriges Betreuungsangebot für unter Dreijährige unterstützen, in altersgerechten elementarpädagogischen Einrichtungen, weil wir bei den über Dreijährigen ja schon eine sehr hohe Besuchsquote haben. Da sehen wir: Wir brauchen ein flächendeckendes Angebot für die unter Dreijährigen.


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Was wir getan haben, ist, die Verlängerung und Flexibilisierung der Öffnungs­zeiten, sodass sie eben mit einer Vollzeitbeschäftigung der Eltern konform gehen können, zu einer Grundvoraussetzung für die Förderung zu machen. (Bundesrätin Hahn: ... Niederösterreich ...!) Das heißt, wir wollen besonders Einrichtungen stärken, die 40 Stunden, jedenfalls 40 Stunden pro Woche offen haben, und das auch über 50 Wochen im Jahr, sodass man in den Sommerbetreuungszeiten nicht wieder in Schwierigkeiten kommt. (Bundesrätin Schumann: 40, ja, das wird helfen, genau! Dann darf ich halt nicht in die Arbeit fahren!)

Was wir auch tun, ist, dass wir besonders in die Bildungssprache Deutsch investieren. Das heißt, die 15a-Vereinbarung enthält auch Mittel zur sprach­lichen Frühförderung. Auch das ist wichtig, weil wir früher investieren statt später reparieren wollen, insbesondere bei Kindern, die Deutsch nicht als Muttersprache haben.

Und weil Sie gerade Oberösterreich angesprochen haben, möchte ich zusätzlich noch erwähnen, dass ich denke: Es ist wichtig für den Ausbau der Kinder­betreuung, dass wir Geld für die Infrastruktur zur Verfügung stellen, wir brauchen aber auch die Pädagoginnen und Pädagogen für die Umsetzung. (Bundesrätin Schumann: Ist auch Bundeskompetenz!) Das ist der zentrale Schlüssel, und da wissen wir, dass das nicht so leicht ist. Deshalb begrüße ich Initiativen von Bun­desländern wie Oberösterreich (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), das Einstiegsgehalt für Pädagoginnen und Pädagogen zu erhöhen. Auf gut 2 800 Euro hat die zuständige Landesrätin Christine Haberlander jetzt das Einstiegsgehalt der Pädagoginnen und Pädagogen erhöht. (Bundesrätin Schumann: ... Betreuungsquote! – Weitere Zwischenrufe der Bundesrätinnen Grimling und Hahn.) Ich denke, das ist gut, richtig und wichtig für den Ausbau der elementar­pädagogischen Einrichtungen. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Günter Kovacs: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Mag.a Sandra Gerdenitsch zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.



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Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Guten Morgen, Frau Ministerin! Meine Frage passt eigentlich ganz gut zu dem, was Sie vorhin bezüglich 40 Stunden pro Woche und 50 Wochen im Jahr geöffneter Elementar­pädagogikeinrichtungen gesagt haben:

Werden Sie jene Bundesländer, die eben die ganzjährige, ganztägige Kinder­betreuung gratis und flächendeckend eingeführt haben, um dem Beispiel von Burgenland zu folgen, fördern, um österreichweit gute Voraussetzungen für Kinder und deren Familien zu schaffen, und wie genau wollen Sie das tun? Vergessen wir hierbei auch Wien und Kärnten nicht!


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Ich verstehe die Intention, das Ziel, das ich auch teile. Ich möchte dennoch noch einmal darauf hinweisen – das ist hier schließlich die Bundesländerkammer –, dass die verfassungsrechtliche Kompetenz für die Kinderbetreuung bei den Bundesländern liegt, nicht beim Bund! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das heißt, wir können auch verfassungsrechtlich nur Incentives für den Ausbau setzen, nicht aber für die Umsetzung.

Was wir aber getan haben, ist, dass wir bei der Bund-Länder-Vereinbarung an die sogenannte VIF-Konformität anknüpfen, das heißt, es muss eben das Kinderbetreuungsangebot mit einer Vollbeschäftigung von Eltern vereinbar sein – dort investiert der Bund in die Infrastruktur. So können wir auch einen Beitrag dazu leisten; aber ja, das Angebot ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, denn es ist eine Zuständigkeit der Bundesländer. (Bundesrätin Gerdenitsch: Das ist schon richtig! Vielen Dank!)


Präsident Günter Kovacs: Zu einer Zusatzfrage ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber zu Wort gemeldet. – Bitte um Ihre Frage.


Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Sehr geehrte Frau Ministerin! Bundeskanzler Nehammer hat ja in seiner Rede zur Lage der Nation


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auch angekündigt, dass die Kinderbetreuung umgebaut werden soll; deswegen meine Frage: Welche Schritte werden Sie setzen, um die von Kanzler Nehammer garantierte Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr umzusetzen?


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Ich unterstütze den Vorstoß von unserem Bun­des­kanzler, das Kinderbetreuungsangebot bis 2030 deutlich weiter auszubauen. Wir haben da mit der 15a-Vereinbarung und mit der Erhöhung der Budgetmittel für die Bundesländer auch gute Schritte gesetzt, und selbstverständlich, glaube ich, braucht es auch unterschiedliche und flexiblere Modelle – in Unternehmen, bei Tagesmüttern, es gibt ja unterschiedliche Betreuungsangebote, die wir uns gemeinsam mit den Bundesländern genau ansehen.

Wir werden natürlich in meinem Ressort auch einen Schwerpunkt setzen, wie wir in Zukunft, auch nach Vollendung der 15a-Vereinbarung, weiter verstärkt in die Kinderbetreuung investieren können. Das ist ein Strategieprozess, dessen wir uns jetzt annehmen.


Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Ministerin.

Wir gelangen nun bereits zur 8. Anfrage: 1935/M-BR/2023. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Barbara Tausch, um die Verlesung der Anfrage. – Bitte, Frau Bundesrätin. 10.08.53


Bundesrätin Barbara Tausch (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Meine Frage bezieht sich auf den Integrationsbereich. Sie haben vorhin schon erwähnt: Frauen geben Werte und Rollenbilder weiter, und das ist vor allem auch im Integrationsbereich so, da üben sie einen großen Einfluss auf Integrationsverläufe aus.

Meine Frage ist: Was tun Sie für die Integration von Familien mit Migrationshintergrund? (Bundesrätin Schumann: Frauen! Nicht Familien!)


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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 1935/M-BR/2023, hat folgenden Wortlaut:

„Was tun Sie für die Integration von Frauen mit Migrationshintergrund?“

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Präsident Günter Kovacs: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Vielen Dank für die Frage.

Ich will die Stärkung von Frauen in allen Lebensbereichen und unabhängig davon, ob sie Migrationshintergrund haben oder nicht. Im Integrationsbereich ist es mir aber besonders wichtig, auf die Frau zu setzen, weil ich davon überzeugt bin, dass Frauen für ihre Familien Integrationsmotoren sind und auch Vorbilder für ihre Kinder, dass sie vielfach ihre Werte und Rollenbilder weitergeben und einen Einfluss auf die Integrationsverläufe haben.

Wir setzen folgende Maßnahmen: Wir haben eigene Frauenzentren in den Zentren des Österreichischen Integrationsfonds gegründet – zuletzt durfte ich vor zwei Wochen das Frauenzentrum in Graz eröffnen; in Wien haben wir schon eines, jetzt haben wir auch eines in Graz –, in denen Frauen mit Migrations­hintergrund speziell auch zu Frauenthemen beraten werden – wenn es um Frauen­gesundheit geht, wenn es um den Eintritt in den Arbeitsmarkt geht, wenn es aber womöglich auch um Herausforderungen an der Schnittstelle zu innerfami­liärer Gewalt geht. All das wird dort konzentriert und von großartigen Berater:innen durchgeführt.

Wir haben außerdem spezielle Schwerpunkte zur Verhinderung von kulturell bedingter Gewalt gesetzt, die ja natürlich auch im Kontext von Migration nach Österreich kommt, wenn es um Mädchen geht, die zwangsverheiratet werden, wenn es um weibliche Genitalverstümmelung geht. Da haben wir eine eigene


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Koordinationsstelle gegen weibliche Genitalverstümmelung als zentrale Anlaufstelle eingerichtet. Es gibt Präventionsworkshops in den Schulen, in denen man auch über Ehrkultur spricht und darüber, wie es ist, aus ehrkulturellen Milieus sozusagen auszubrechen, oder welche Wertemuster es dahinter gibt.

Wir haben am 7. November die zweite Österreichische Integrationskonferenz mit dem Schwerpunkt Arbeitsmarktintegration von Frauen mit Migrations­hintergrund abgehalten. Das ist natürlich auch ein Thema, das wichtig ist, um auch die Selbstbestimmung von Frauen mit Migrationshintergrund sicher­zustellen.

Ein letzter Satz noch: Wir haben aktuell zwischen 80 000 und 90 000 Frauen und Kinder aus der Ukraine, die in Österreich Schutz gefunden haben, und bei einer so großen Anzahl von Frauen, die auf der Flucht sind, die als Vertriebene in unserem Land sind, ist es natürlich besonders wichtig, dass wir besonders auf Integrationsmaßnahmen abstellen, die Frauen stärken, wie beispielsweise durch Deutschkurse mit Kinderbetreuungsangebot. Da haben wir massiv ausgebaut.


Präsident Günter Kovacs: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.


Bundesrätin Barbara Tausch (ÖVP, Oberösterreich): Ein bisschen hat es sich schon erübrigt, aber ich möchte die Frage trotzdem stellen, vielleicht gibt es noch ergänzende Auskünfte dazu. Es herrscht ja leider bereits ein Jahr Krieg in der Ukraine, und meine Zusatzfrage im Speziellen ist – vielleicht gibt es noch zusätzliche Informationen dazu –: Wie unterstützen Sie die vertriebenen ukrainischen Frauen und Kinder in Österreich?


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Ministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Es ist über ein Jahr her, dass dieser brutale russische Angriffskrieg begonnen hat, und ich sehe auch eine Veränderung bei den Menschen, die zu uns gekommen sind. Jetzt sind sie über ein Jahr hier – viele der Menschen wollten rasch wieder in ihr Heimatland zurückgehen.


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Dadurch, dass der Krieg einfach immer noch massiv wütet und kein Ende in Sicht ist, geht es jetzt darum, dass wir nach einer ersten Phase des Ankommens – dass die Menschen ein Dach über dem Kopf haben, die Kinder auch in die Schule integriert werden –, auch des Deutschlernens, jetzt in Richtung Arbeitsmarkt­integration gehen.

Es gibt eine Arbeitsmarktsituation, die viele Chancen und Möglichkeiten bietet, besonders für Ukrainerinnen und Ukrainer, von denen viele ein gutes Qualifikationsniveau haben. Da investieren wir beispielsweise in Karriereplatt­formen, die Vertriebene auch direkt mit den Unternehmen matchen. Wir investieren natürlich massiv in Deutschkurse. Wir investieren auch in sogenannte mobile Servicepoints, die besonders am Anfang für die Menschen interessant waren. Sie sind gekommen und haben an einer Stelle in ihrer Region alles machen können: sich zum Deutschkurs anmelden, sich beim AMS anmelden, sich die E-Card holen, sich mit dem Innenministerium auseinander­setzen, wenn irgendetwas wegen der Aufenthaltsbewilligung nicht gepasst hat.

All das tun wir nach wie vor, zusätzlich zu ukrainischsprachigen Hotlines und einem Schwerpunkt Richtung Ehrenamtsförderung. Ich denke, Integration beginnt vor Ort, und wenn wir ehrenamtliche Initiativen unterstützen, dass sie auch Ukrainerinnen und Ukrainer im Rahmen des Ehrenamts mitdenken und ihnen dort auch Chancen geben, sich ehrenamtlich zu engagieren, dann ist das schon sehr viel wert.


Präsident Günter Kovacs: Danke schön.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Bürgermeister Dominik Reisinger zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.


Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Ihr Ressort hat doch schon vor geraumer Zeit unter Ihrer Verantwortung die sehr umstrittene Islamlandkarte veröffentlicht. Dazu meine


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Frage: Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um rassistische Übergriffe konkret zu vermeiden? Sind Ihnen seit dieser Veröffentlichung solche Übergriffe bekannt?


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Ministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Vielen Dank für die Frage. Es ist ganz klar, dass Rassismus und Diskriminierung, egal welcher Art, in Österreich keinen Platz haben dürfen. Es darf keine Diskriminierung, Ausgrenzung oder Benachteiligung, egal ob es aufgrund des Geschlechts, der Herkunft oder der Religion, des Glaubens ist, geben. Daher gibt es in Österreich einen wesentlichen Rechts- und Diskriminierungsschutz. Es gibt mit den beiden Gleichbehandlungsgesetzen in der Privatwirtschaft und im Bund einen starken rechtlichen Rahmen. Jede und jeder Betroffene hat die Möglichkeit, das Diskriminierungsverbot auch vor Gericht geltend zu machen.

Es gibt in Österreich die Gleichbehandlungsanwaltschaft und auch die Regionalstellen der Gleichbehandlungskommissionen. Auch dort finden Sie – ich darf ja die Berichte laufend dem Parlament vorstellen – die konkreten Maßnahmen, die dort getroffen werden. Sie finden auch einen Überblick – weil Sie nach den Zahlen gefragt haben – über die Diskriminierungsgründe, wegen derer man sich bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft oder in den Gleichbehandlungskommissionen beschwert. Gerne sende ich diesen Bericht auch im Nachgang zu.

Wir haben auch eine Hotline gegen Diskriminierung und Intoleranz, um auf die jeweiligen Antidiskriminierungsstellen zu verweisen. In der Hotline, das ist sozu­sagen eine zentrale Anlaufstelle, wird man dann auch gefragt, um welche Art von Diskriminierung es sich handelt, um dann zum bestmöglichen Beratungs- und auch Rechtsschutzangebot zu gelangen.


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Ich denke, am Ende ist es auch die Arbeit im Integrationsbereich – durch die man zeigt, dass es nicht um Herkunft geht, dass es nicht um Religion geht, dass es nicht um Hautfarbe geht, sondern dass es darum geht, was jemand bereit ist, in unserem Land beizutragen und auch zu leisten –, die gelebte Integration ist. Es gibt in unserem Land so viele Menschen mit Migrationshintergrund, die einen wertvollen Beitrag für unser Land leisten, und dass wir diese positiven Beispiele vor den Vorhang holen, ist auch ein wesentlicher Teil, um gegen Rassismus vorzugehen.


Präsident Günter Kovacs: Vielen Dank, Frau Ministerin.

Bei uns eingelangt ist die neue Mittelschule Neuhofen an der Krems. Herzlich willkommen bei uns im Bundesrat, schön, dass ihr da seid, danke! (Allgemeiner Beifall.)

Zu einer weiteren Zusatzfrage ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.


Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Bundesminister, die Worte hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube, hätte Goethe wahrscheinlich dazu gesagt. Sie sprechen von Integrationsmaßnahmen, gelungenen Inte­grationsmaßnahmen. Auf der anderen Seite schaffen Sie aber zum Beispiel das Kopftuchverbot an Kindergärten wieder ab, nämlich jenes äußere Zeichen von Unterdrückung, das ganz Österreich und die ganze Welt kennt, und da frage ich mich schon: Wie passen Ihre Worte mit den tatsächlichen Taten zusammen, Frau Bundesminister? (Beifall bei der FPÖ.)


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Ministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Wir leben in Österreich in einem Rechtsstaat, so ist das, und daher haben sich die gesetzgebenden Organe und auch die Bundes­regierung an höchstgerichtliche Urteile und Erkenntnisse zu halten, insbeson­dere


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wenn es um diese Bereiche geht, die Sie jetzt genannt haben, wie das Kopf­tuchverbot et cetera. Da gibt es höchstgerichtliche Urteile, die sich darauf beziehen. So ist das eben in einem Rechtsstaat. An diese Gerichtserkenntnisse – wie vom Verfassungsgerichtshof – und -urteile muss man sich auch halten. (Bundesrat Steiner: Das war die letzten zweieinhalb Jahre ja anders!)


Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Ministerin.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.


Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Meine Frage geht etwas in Richtung der Frage von Kollegen Reisinger: Am 21. März ist der Internationale Tag gegen Rassismus, und gestern war der Internationale Tag gegen Islamfeindlichkeit. NGOs, aber auch die Europäische Kommission weisen in ihren Berichten auf die steigende Zahl von Fällen der Diskriminierung von Migrant:innen und Muslim:innen hin. Mehrheitlich davon betroffen sind Frauen. Welche Maßnahmen setzen Sie, um Migrant:innen, insbesondere Muslim:innen, zu unterstützen, die bei ihrer Arbeitssuche, am Arbeits- und Ausbildungsplatz oder generell im Alltag Diskriminierung erfahren?


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Ministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Vielen Dank. Es wurde vorhin schon einiges genannt, was es an Rechtsschutzmöglichkeiten gibt, auch im Arbeitskontext, nämlich die Gleichbehandlungsgesetze, die Gleichbehandlungsanwaltschaft, die Regional­stellen und die Gleichbehandlungskommission.

Vielleicht darf ich darüber hinaus noch erwähnen, dass besonders auch bei den Integrationsmaßnahmen – wie unseren verpflichtenden Werte- und Orien­tierungskursen – über diese Themen gesprochen wird, nämlich welche Rechte man in Österreich hat, insbesondere welche Rechte Frauen in Österreich


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haben, vielfach auch im Vergleich zu ihrem Herkunftsland, und auch wie man zu seinen Rechten kommt.

Gleichzeitig besprechen wir natürlich auch, welche Pflichten man in Österreich hat – es ist ganz wichtig, diese Ausgewogenheit herzustellen. Auch in unseren Frauenzentren des Österreichischen Integrationsfonds beraten wir Migran­tinnen: Wir haben da auch unterschiedliche Förderprogramme, Sprechstunden, auch Dolmetsch- und Unterstützungsangebote. Das heißt, es gibt vielfache Möglichkeiten für die Stärkung von Frauen zusätzlich zum Rechtsschutz der Institutionen, der in Österreich meines Erachtens gut, richtig und wichtig ausgebaut ist.


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Ministerin.

Wir gelangen nun bereits zur 9. Anfrage, 1941/M-BR/2023. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Mag. Doris Hahn, um die Verlesung der Anfrage. – Bitte. 10.20.57


Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Geschätzte Frau Ministerin! Gelungene Integration heißt ja auch für den Expertenrat, wie wir wissen, eine möglichst chancengleiche Partizipation an den zentralen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, angefangen bei vorschulischen Einrichtungen, schulischer Bildung, beruflicher Ausbildung, Erwerbstätigkeit bis zu Wohnraum natürlich, aber auch Teilnahme an der Politik, an verschiedensten Schutz- und Fürsorgesystemen in Österreich und vieles mehr, und vor allen Dingen von Beginn an.

Meine Frage daher: Welche konkreten Maßnahmen werden Sie besonders hinsichtlich einer Integration ab dem ersten Tag beziehungsweise eines Rechtsanspruchs auf Integrationsmaßnahmen treffen, um möglichst viele Menschen auch möglichst früh vollständig in unsere Gesellschaft integrieren zu können?


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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 1941/M-BR/2023, hat folgenden Wortlaut:

„Welche konkreten Maßnahmen werden Sie – Stichwort Integration ab dem ersten Tag bzw. Rechtsanspruch auf Integrationsmaßnahmen – treffen, um möglichst viele Menschen möglichst früh vollständig in unsere Gesellschaft integrieren zu können?“

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Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Ich würde ihnen da den Terminus nicht zusprechen, denn ich weiß nicht, ob es einen Rechtsanspruch auf Integration gibt. (Bun­desrätin Hahn: Menschenrechtskonvention!) Ich glaube, es gibt eine Pflicht dahin gehend, dass man Integrationsmaßnahmen wahrnimmt. Integration ist ein wechselseitiger Prozess, das heißt, es braucht das Angebot des Staates, diesbezüglich zu öffnen, und es braucht aber auch das Bemühen der Menschen, die zu uns kommen. Das heißt, ich würde sagen, es ist ein wechselseitiger Prozess (Bundesrat Steiner: Eine Bringschuld!), dem wir natürlich gerecht werden müssen, wobei es immer auch das Bemühen und das Zutun und die Leistung des Zuwanderers, der Zuwanderin braucht, da Integration ansonsten nicht gelingen kann. Es gibt daher auch Integrationspflichten, die im Integrationsgesetz vorgesehen sind: Beispielsweise muss jeder Asylberechtigte, der einen Asyl­berechtigtenstatus bekommt, Deutschkurse belegen, Wertekurse belegen und Integrationsberatungsmaßnahmen absolvieren, da es sonst zur Kürzung von Sozialleistungen kommt.

Wenn der Staat jemandem eine Pflicht auferlegt, dann ist es selbstverständlich auch die Pflicht des Staates, dieses Angebot flächendeckend zur Verfügung zu stellen, was wir tun, damit dieser Pflicht auch nachgekommen werden kann. Deshalb gibt es auch in den Zentren des Österreichischen Integrationsfonds all


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diese Maßnahmen, die absolviert werden müssen, beispielsweise die Wertekurse.

Ich habe hier eine kurze Bilanz, die Sie interessieren könnte: Wir haben 2022 knapp 252 000 Beratungen in den Integrationszentren gehabt; es fanden rund 55 000 Deutschkursprüfungsantritte statt; wir stellten über 67 440 Deutsch­kursplätze zur Verfügung – das entspricht einer Verdoppelung gegenüber dem Jahr 2021. Das heißt, all das sind Maßnahmen, die wir zur Verfügung stellen, aber wichtig ist auch: Diese Maßnahmen müssen auch angenommen werden.


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Ministerin.

Ist eine Zusatzfrage erwünscht? (Bundesrätin Hahn: Ja!) – Bitte sehr.


Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): In Folge der Rede des Kanzlers vor wenigen Tagen haben Sie auch verlautbart, dass Sie eine Reform der Sozialleistungen mit einer Wartefrist bis zum Bezug planen und dass der volle Umfang dann erst nach fünf Jahren Aufenthalt in Österreich gewährt werden soll. Mit welchen Evidenzen erklären Sie hier diesen Zusammenhang zu einem schnelleren Einstieg in den Arbeitsmarkt, wie Sie ihn angeführt haben? Wie soll also diese Maßnahme aus Ihrer Sicht Integration tatsächlich positiv befördern?


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Mit Evidenzen, die wir haben – die Zahlen im Detail kann ich Ihnen nachreichen. Nur, wir alle wissen, dass die Anzahl der Mindestsicherungsbezieher – insbesondere hier im Großraum Wien – in Bezug auf Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte eine sehr hohe ist. (Bundesrätin Schumann: Na Gott sei Dank!) Wir sehen beispielsweise, dass die Erwerbsquote bei Frauen mit Migrationshintergrund aus gewissen Ländern – sowohl aus der Türkei als auch aus Syrien als auch aus Afghanistan – teilweise unter 20 Prozent liegt.


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All das sind Themen, bei denen ich denke, dass wir uns überlegen sollten, wie wir garantieren können, dass besonders auch Frauen in den Arbeitsmarkt eintreten und finanziell selbstbestimmt leben können – dafür ist ein eigenes Einkommen wichtig. Ich denke auch, dass man diesbezüglich Maßnahmen setzen muss, damit dem Zuzug nach Österreich, der vielfach eben ein Zuzug in das Sozialsystem ist, ein Riegel vorgeschoben werden kann.

Wir wissen, dass wir im Vergleich zu anderen europäischen Ländern einen sehr hohen Sozialstandard und sehr hohe Sozialleistungen haben, und daher ist es wichtig, sich anzusehen, wie man im Rahmen der Migrationsstrategie auch auf europäischer Ebene diesbezüglich Maßnahmen setzen kann. (Beifall des Bundesrates Stillebacher.)


Präsident Günter Kovacs: Vielen Dank, Frau Ministerin.

Ich darf jetzt den Teil zwei der Mittelschule Neuhofen an der Krems bei uns begrüßen – ich sehe da die Mädchengruppe. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Zu einer weiteren Zusatzfrage ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.


Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Frau Bundesminister, danke für diese Informationen, mich interessiert aber besonders: Sind diese Werte- und Orientierungskurse entsprechend ausgebaut worden?, denn die Werte- und Orientierungskurse sind ein wichtiges Instrument zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund.


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Absolut. In den Werte- und Orientierungskursen, die jetzt von 8 auf 24 Stunden ausgebaut wurden und eine verpflichtende Integra­tions­maßnahme sind, werden natürlich Themen wie Arbeitsmarkteintritt, aber auch


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demokratiepolitische Werte oder das Bildungswesen in Österreich besprochen. Es geht da vielfach um Themen, die natürlich in Richtung Selbstständigkeit gelagert sind.

Wir haben eine Situation in Österreich, wonach es – wie ich auch vorhin erwähnt habe – gerade bei den Sozialhilfebezugsquoten große Herausforde­rungen gibt. 2021 bezogen beispielsweise in Wien 79 Prozent der Syrerinnen und Syrer, 72 Prozent der Somalierinnen und Somalier und 60 Prozent der Afghaninnen und Afghanen Mindestsicherung. Das heißt, wir haben da Hand­lungsbedarf, dem wir mit unterschiedlichen Maßnahmen Rechnung tragen müssen, weil es nicht Ziel sein kann, dass man im Sozialhilfesystem verharrt, sondern es ist wichtig, dass gerade in einer Arbeitsmarktsituation, wie sie sich derzeit darstellt, in der es vielfach Chancen am Arbeitsmarkt gibt, diese Chancen auch angenommen werden.

All das adressieren wir auch in den Wertekursen und in den Orientierungs­kursen: am ersten Tag in Richtung Deutsch lernen, Bildung und Arbeitsmarkt, am zweiten Tag geht es um Verfassungswerte und rechtliche Integration, und am dritten Tag auch um kulturelle Aspekte des Zusammenlebens und um freiwilliges Engagement.


Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Minister.

Bei uns ist Herr Bundesminister für Inneres Mag.a – Entschuldigung! – Mag. Gerhard Karner eingetroffen. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Bundesrat Steiner: Fleißig gendern!)

Zu einer weiteren Zusatzfrage ist Herr Bundesrat Markus Steinmaurer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.


Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Ich stelle folgende Zusatzfrage: Warum sollten zusätzliche Maßnahmen nötig sein, wenn ja nur Facharbeiter kommen? (Rufe bei der ÖVP: Was? – Bundesrat Steiner: Es ist so laut, ich glaube, die Frau Ministerin


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hat es nicht gehört!) – Ich wiederhole: Warum sollten zusätzliche Maßnahmen nötig sein, wenn ja nur Facharbeiter kommen?


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Ich versuche einmal, sozusagen die Ironie in Ihrer Frage beiseitezulassen und möchte auf das Migrationssystem im Generellen eingehen.

Es braucht Migration aus dem hoch qualifizierten Bereich, ja, und wir haben natürlich auch eine Fluchtmigration aus Ländern wie Syrien, Afghanistan, dem Irak, bei der wir alles tun müssen, um diese Flüchtlingsströme, diese illegale, irreguläre Migration selbstverständlich zurückzudrängen und zu verhindern. Das heißt, es braucht unterschiedliche Maßnahmen im Kontext der Migrations­strategie. Aber ja, wir brauchen auch hoch qualifizierte Zuwanderung, insbeson­dere am Arbeitsmarkt, um eben die Spitzen abzudecken, weil klar ist, dass die Flüchtlingszuwanderung – das habe ich mit den Zahlen, die ich vorhin genannt habe, glaube ich, gezeigt – nicht den Arbeitskräftebedarf, den die Unterneh­merinnen und Unternehmer in Österreich haben, abdecken kann.


Präsident Günter Kovacs: Danke schön.

Ich bitte um die nächste Zusatzfrage von Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte sehr.


Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Viele Geflüchtete und Vertriebene sind dezentral im ländlichen Raum wohnhaft. – Wir beide kommen aus dem Bezirk Vöcklabruck, da ist es schon mitunter weit, um zum Beispiel von Straß im Attergau in die Stadt, nach Vöcklabruck, zu kommen.

Welche Schritte setzen Sie, um eben auch dort Angebote zur Integration zu setzen?


Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau


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Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Wir haben grundsätzlich folgende Integrations­angebotsstruktur: Wir haben in jedem Bundesland ein Integrationszentrum, und zusätzlich haben wir mobile Integrationsangebote. Das heißt, wir haben Integrationsangebote in den Bezirksstädten, in denen es auch mobile Werte- und Orientierungskurse gibt. Das Deutschkurssystem ist absolut flächen­deckend, das heißt, Deutschkurse finden dort statt, wo es Deutschkursanbieter gibt.

Ja, es mag sein, dass es in einem kleinen Ort – in Vöcklabruck gibt es ja Deutschkurse – wie Ampflwang im Bezirk Vöcklabruck, von wo ich herkomme, keine Volkshochschule oder kein BFI gibt, über die man einen Deutschkurs anbieten kann. Die Deutschkurse werden aber flächendeckend angeboten, und das ist auch wichtig, damit es da nicht zu ewig langen Wegzeiten kommt. Ich denke aber auch, dass es zumutbar ist, dass man sich einmal in einen Bus oder in einen Zug setzt, um einen Deutschkurs zu absolvieren. Ich glaube, das ist absolut möglich und zumutbar, und so organisieren wir uns auch. (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Darüber hinaus vielleicht noch ein Hinweis: Wir haben während der Coro­napandemie vielfach auch auf Onlinedeutschkurse umgestellt, was bei einem Klientel, das gewohnt ist, mit Digitalisierung zu arbeiten, möglich ist. Das ist nicht überall möglich, aber gerade dort, wo schon gewisse Sprachkenntnisse vorhanden sind, sind Onlinedeutschkurse eine Möglichkeit, um die Sprach­kenntnisse zu verbessern. Daher investieren wir auch intensiv in neue Online­deutschkurse.


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir kommen somit zur 10. Anfrage. Der Anfragesteller ist Bundesrat Florian Krumböck. – Bitte. 10.31.49


Bundesrat Florian Krumböck, BA (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin! In der finalen Runde zurück zum Thema Medienpolitik: Wir wissen, Medien unterliegen – genauso wie die Gesellschaft – dem digitalen Wandel und


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müssen sich daher entsprechend einstellen. Deshalb meine Frage: Welche Unterstützung setzen Sie in diesem Wandel? Und vor allem:

1936/M-BR/2023

„Welche Rolle spielt die Digitaltransformationsförderung für die heimische Medienpolitik?“


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau Ministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Vielen Dank. Ich glaube, eine ganz, ganz große, denn wenn man sich weltweit die Entwicklung an den Medienmärkten ansieht, dann sieht man einfach, es geht weg vom klassischen Print hin zu einer digitalen Nutzung.

Wenn wir einen starken Medienstandort haben wollen und wenn wir weiter gute Medien in unserem Land haben wollen, dann müssen diese Innovationen auch in den Medienhäusern stattfinden. Wir incentivieren das jetzt mit Förderungen, indem wir Projekte von nicht bloß lokalen Tages-, Wochen- und Monatszeitungen, aber beispielsweise auch Volksgruppenzeitungen und nicht kommerziellem Rundfunk, TV und Radio unterstützen, die die Digitalisie­rung in den jeweiligen Häusern vorantreiben.

Die Inhalte können drei Bereiche abdecken, nämlich digitale Transformation, Digitaljournalismus – also wenn es um die Stärkung der journalistischen Tätigkeit, von journalistischen Mitarbeitern im Digitalbereich geht – und die Erhöhung des Jugendschutzes und der Barrierefreiheit von Inhalten im Digitalbereich, denn klar ist auch: Wenn Medien sich in den digitalen Raum hinein entwickeln, dann muss es auch Sicherheitsvorkehrungen geben und dann müssen sie auch für alle zugänglich sein.


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zusatzfrage? – Bitte.



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Bundesrat Florian Krumböck, BA (ÖVP, Niederösterreich): Frau Ministerin! Sie haben heute schon zum Beispiel das geplante Qualitäts-Journalismus-Förderungs-Gesetz und die geplante Novelle zum Medienkooperations- und -förderungs-Transparenzgesetz angesprochen, die ja bei diesem Wandel, aber auch grundle­gend die Qualität des Journalismus und unserer Medien in Österreich fördern sollen.

Meine Zusatzfrage dazu: Können Sie uns da über den derzeitigen Stand der Novellen, das Verfahren und vielleicht auch über die Ergebnisse der Begutachtung informieren?


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau Ministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass es über viele Jahre, gar Jahrzehnte, keine Novellierung der bestehenden Gesetze gegeben hat. Die Presseförderung, die es seit vielen Jahrzehnten gibt, ist unverändert gewesen, das Medientransparenzgesetz ist bereits viele Jahre alt. Es war immer der Wunsch der Branche, aber auch von Medienexpertinnen und -experten, dass man sich auf die Qualität und auf den Journalisten, auf die Journalistin konzentriert und die Arbeitsbedingungen im Rahmen einer neuen Förderung stärkt.

All dem sind wir jetzt nachgekommen. Die Gesetzesmaterien waren in Begut­achtung, die Stellungnahmen sind eingelangt, die Expertinnen und Experten prüfen das derzeit, arbeiten dort, wo es vernünftige und gute Anmerkungen gab, noch um. Ich hoffe, dass wir in den nächsten Wochen in den weiteren parlamentarischen Prozess einsteigen können. Ich hoffe natürlich sehr auf eine breite Zustimmung, besonders bei den Gesetzen, an denen wir alle Interesse haben, zur Stärkung der Unabhängigkeit der Medien, der Demokratie und der Medienvielfalt in unserem Land. – Ich hoffe sehr auf Ihre Zustimmung zu diesen Materien.



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Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Bundesrat Mag. Sascha Obrecht zu Wort gemeldet. – Bitte.


Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Frau Ministerin! Das fand ich bis zu einem gewissen Grad sehr unterhaltsam, dass Sie in dieser Frage vor allem dem Qualitätsjournalismus einen Stellenwert einräumen wollen. Warum sage ich das? – Ganz konkret: Bei der Digitaltransformationsförderung profitiert vor allem der Boulevard, der klatscht in die Hände. 9,3 Millionen Euro gehen allein ans Mediaprint-Haus.

Die Frage an Sie – Sie sind für Medien zuständig – ganz konkret: Was tun Sie für Qualitätsjournalismus? Halten Sie es zum Beispiel für ein Qualitätsmerkmal, wenn man eine Förderung daran hängt, ob ein Medium 30 Millionen Zeichen in einem Jahr publiziert? – Das ist für mich ein Quantitäts-, aber kein Quali­tätsmerkmal.


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau Ministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: All das sind Dinge, die wir uns jetzt im Rahmen der Begutachtung noch ansehen. Ich glaube, es ist legitim, wenn man Begut­achtungs­prozesse ernst nimmt, dass man sich ansieht, welche Rückmeldungen von den Expertinnen und Experten und auch von den betroffenen Organisationen kommen. Deshalb sage ich gerade zu Ihrer letzten Frage: Das sehen wir uns jetzt an. Sie dürfen es nur nicht vermengen.

Es gibt die Digitaltransformationsförderung, die darauf abzielt, dass bestehende Printmedien ins digitale Zeitalter transformieren können. Und dann gibt es die Förderung des qualitätsvollen Journalismus, und die zielt darauf ab, dass Journalistinnen und Journalisten gute Arbeitsbedingungen vorfinden, das heißt, dass es laut Begutachtungsentwurf kollektivvertragliche oder kollektivver­tragsähnliche Anstellungen und Qualitätssicherungssysteme in den Redaktionen gibt, ein Fehlermanagement, zum Beispiel auch eine Zusatzförderung für


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Auslandskorrespondenten, da ich auch das als Qualität erachte, wenn man live und unverfälscht Content aus dem Ausland nach Österreich bekommt. Es gibt Maßnahmen zur Stärkung von Frauen in Führungsebenen, Frauenförderungspläne.

Das sind die Qualitätskriterien, die auch ich für gut erachte, ansonsten wäre der Begutachtungsentwurf zu den Qualitätskriterien so nicht eingereicht worden. Ich denke aber auch, dass es Common Sense unter den Medienexpertinnen und -experten ist, dass das Maßstäbe sind, mit denen man journalistische Qualität sicherstellen kann.


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Josef Ofner zu Wort gemeldet. – Bitte.


Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Frau Minister! Sie haben ja zuerst bereits gesagt, was auch Kanzler Nehammer in seiner inszenierten Rede vollmundig angekündigt hat, dass es in Schulen künftig Maßnahmen zur Forcierung von politischer Bildung und Medienkompetenz geben soll und auf diese gesetzt werden sollte.

Da wir ja gebrannte Kinder sind, wenn es um die Unabhängigkeit von Medien im Zusammenhang mit ÖVP-Regierungspropaganda geht, da diese einfach gekauft werden – das haben wir ja bei Corona gesehen –, stellt sich folgende Frage: Wie werden Sie die Meinungsvielfalt in den Schulen entsprechend medial abbilden?, vor allem aber: Nach welchen Kriterien werden die Medien ausgesucht und wird deren Unabhängigkeit sichergestellt? (Beifall bei der FPÖ.)


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau Ministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Also ich möchte Ihre wüste Unterstellung einmal zurückweisen. (Zwischenruf des Bundesrates Ofner.) Es ist ganz zentral, dass, wenn Medienkooperationen stattfinden, das entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen abgehandelt wird. Ja, wir verschärfen diese gesetzlichen


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Bestimmungen jetzt noch einmal mit einer Novelle des Medientrans­pa­renz­gesetzes , von der ich vorhin gesprochen habe. Ich glaube, es ist richtig, dass es Medienkooperationen geben kann, denn auch die öffentliche Hand muss die Menschen über gewisse Maßnahmen informieren.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Als Frauenministerin ist es mir wichtig, dass jede Frau weiß, wo sie Unterstützung bekommt, wenn sie Opfer von Gewalt ist. Dem Innenminister ist es wichtig, dass jede Frau weiß, dass sie die Polizei anrufen kann, wenn häusliche Gewalt stattfindet. Deshalb investieren wir auch in unsere Informationskampagnen, um die Menschen mit unseren Angeboten zu erreichen. Das entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen abzuwickeln und darüber hinaus ein höchstes Maß an Transparenz walten zu lassen, denn schließlich geht es um den Einsatz von Steuergeld, ist auch Zielrichtung des neuen  Medien­transparenzgesetzes, das jetzt in Begutachtung war.

Zu Ihrer eigentlichen Frage: Was die Medienkompetenz betrifft, braucht es meines Erachtens unterschiedliche Mittel. Es braucht die Befassung der Schüle­rinnen und Schüler mit Medien, es braucht ein eigenes digitales Unterrichtsfach, in dem sie über digitale Methoden informiert werden, und es braucht natürlich den Zugang der Jugendlichen zu qualitätsvollen Medien, denn natürlich kann es nicht sein, dass sich unsere Jugend immer nur über Tiktok und Telegram und Instagram informiert. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Ich unterstütze daher den Vorstoß des Bundeskanzlers, dass er die Schulen auch mit Qualitäts­medien in Verbindung bringen will beziehungsweise den Schülerinnen und Schülern diese Zeitungen auch im Rahmen des Unterrichts näherbringen will. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen. – Bundesrat Ofner: Was sind denn Qualitätsmedien? Wer legt denn die Kriterien fest?)


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu einer weiteren Zusatzfrage ist Herr Bundesrat Marco Schreuder zu Wort gemeldet. – Bitte.


Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Ministerin, ich möchte noch einmal kurz auf die Digitaltransformationsförderung zurückkommen. Die


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Mindestprojektsummen für diese Förderungen sind ja relativ hoch. Gibt es schon Überlegungen, dass man diese Mindestprojektsummen senken könnte, damit auch kleinere Medien Zugang zu diesen Förderungen bekommen?


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau Ministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Für die Umsetzung der Digitaltransforma­tions­förderung ist die RTR zuständig. Es ist jetzt der erste Umsetzungszyklus, wo man sich einmal ansieht, wie dieses neue Fördermodell aufgesetzt wird. Ich glaube, es ist auch nicht immer so leicht, ein völlig neues Fördersystem zu imple­mentieren. Ich denke, die RTR hat das gut gemacht. Selbstverständlich kann man sich im Rahmen von Evaluierungen nach den ersten Förderzyklen gewisse Themen ansehen.

Persönlich denke ich aber auch, dass man schon eine Ausgewogenheit zwischen Verwaltungsaufwand und dem Einsatz von Steuermitteln schaffen muss. Das muss in dieser Einordnung also auch irgendwie mitberücksichtigt werden. Daher gibt es klassischerweise in vielen Häusern, auch in meinem Ministerium, wenn ich die Integrationsförderungen ansehe, auch Grenzen an Fördersummen, damit die Verwaltung dieses große Maß an Anträgen auch gut abarbeiten kann.


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Die Fragestunde ist beendet.

10.42.31Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Hinsichtlich der eingelangten und verteilten Anfragebeantwortungen,

eines Schreibens des Verbindungsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt eines Mitglieds der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union


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verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf diese gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen

(Anlage 1) (siehe auch S. 10)

2. Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Frau Bundes­ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA am 16. März 2023 in Belgien, wobei ihre Angelegenheiten im Bundesrat Herr Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumen­tenschutz Johannes Rauch wahrnehmen wird (Anlage 2)

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung)

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder


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Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht 2020, vorgelegt von der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (III-816-BR/2023)

zugewiesen dem Ausschuss für Verkehr

Bericht über die Situation und Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen der österreichischen Wirtschaft ("KMU im Fokus 2022"), vorgelegt vom Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft (III-817-BR/2023)

zugewiesen dem Wirtschaftsausschuss

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Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weiters eingelangt ist ein Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Univ.-Prof. Dr. Martin Kocher von 14. bis 17. März in Saudi-Arabien bei gleichzeitiger Beauftragung von Frau Bundesminister für EU und Verfassung Mag. Karoline Edtstadler mit seiner Vertretung.

*****

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreich 2023 – Dringliche Anfrage zur Zukunft von Bundeskanzler Karl Nehammer“ an den Bundeskanzler vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

*****


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Wir gehen in die Tagesordnung ein.

10.44.231. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz über einen befristeten Kostenersatz des Bundes an die Länder für finanzielle Aufwendungen als Teuerungsausgleich im Rahmen der Grundversorgung (3116/A sowie 11189/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Diesbezüglich darf ich den Herrn Innenminister sehr herzlich bei uns begrüßen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. – Ich bitte um die Berichterstattung.


10.44.57

Berichterstatter Silvester Gfrerer: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz über einen befristeten Kostenersatz des Bundes an die Länder für finanzielle Aufwendungen als Teuerungsausgleich im Rahmen der Grundversorgung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 14. März in Verhandlung genommen. Bei der Abstimmung wurde mehrstimmig beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.


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Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. – Bitte, Herr Kollege.


10.46.17

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Vorsitzender! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist heute wieder einmal ein Tag, an dem wir die harte Zuwanderungslinie dieser ÖVP in diesem Haus miterleben müssen. Da frage ich mich schon, Herr Innenminister: Schämen Sie sich eigentlich nicht, wenn Sie zu den Leuten rausgehen? Schämen Sie sich nicht, wenn Sie auf der einen Seite draußen eine harte Zuwanderungslinie vorgaukeln und auf der anderen Seite heute wieder solche Beschlüsse fassen wollen? Ich habe es das letzte Mal schon gesagt: Sie können der Bevölkerung inzwischen kein X mehr für ein U vormachen und können der Bevölkerung auch diese harte Zuwanderungslinie nicht mehr vorgaukeln. (Beifall bei der FPÖ.)

Wie schaut es in der Realität aus? Wie schaut diese harte Zuwanderungslinie der ÖVP in der Realität aus? Die harte Zuwanderungslinie ist, dass man den Klima­bonus für Asylwerber auszahlt. Das wird wohl keinen von all diesen Terrorexper­ten davon abhalten, nach Österreich zu kommen und hier in Österreich einen Asylantrag zu stellen.

Zu diesen Asylmagneten, die die ÖVP setzt, sagen wir Freiheitliche klar und deutlich Nein – das Traurige ist: als einzige Partei in diesem Haus. Diese Asylmagneten, diese Zeichen nach außen dürfen wir nicht setzen. Dieser Magnet wird keinen Wirtschaftsflüchtling, Analphabeten, Terrorexperten und sonstige Leute, die Sie hereinholen, davon abhalten, in unserem Land einen Asylantrag zu stellen. Es braucht klar und deutlich eine No-way-Politik, wie es andere Länder bereits vorgezeigt haben.

Ich denke da zum Beispiel an Australien. Na, da, wenn es um die Zuwande­rungsfrage geht, hätten wir vielleicht einen Armeegeneral hinsetzen und einmal


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ein Fernsehinterview machen können, und nicht bei Corona, wie Sie es gemacht haben. Dort hätten wir ihn gebraucht, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundesminister, das wollen Sie aber nicht. Sie wollen diesen Asylmagneten setzen. Das wundert mich bei diesem Parteikonglomerat in diesem Haus auch nicht. Diese ÖVP macht einen großen Schritt nach links, geht auch einen Schritt in Richtung Rot, Rosarot, Grün. Die anderen haben es ja auch gemacht, ihr hängt euch ein. Das zeigt wieder einmal, dass es nur uns Freiheitliche hier in diesem Haus gibt, die einen Weg mit unserer Bevölkerung gehen, einen Schulterschluss mit ihr vollziehen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.)

Genau dazu passt dieser heutige Beschluss wieder sehr, sehr gut. 15 Millionen Euro von unseren fleißig arbeitenden Österreichern werden heute wieder beim Fenster hinausgeschmissen. Und wofür? – Um Anreize zu setzen, um neue Unterkünfte in diesem Land zu schaffen. Das Groteske bei dem Ganzen ist: Das ist ja nicht etwas für die Zukunft, das sind 15 Millionen Euro für die Vergan­genheit, nämlich von Oktober bis März, und wir haben jetzt bereits März 2023. Ja, Herr Innenminister, das ist Geld, das im wahrsten Sinne des Wortes beim Fenster hinausgeworfen wird, und das, wenn die Asylunterkünfte in diesem Land eh schon wie die Schwammerl aus dem Boden schießen.

Das ist Ihre harte Zuwanderungslinie, von der Sie und unser Bundeskanzler die ganze Zeit sprechen? – Ich kann nur sagen, das ist ja an Unfähigkeit durch nichts mehr zu überbieten. Auf einer Seite gibt man eine harte Zuwanderungslinie vor, auf der anderen Seite gibt es Geldgeschenke für Unterkunftgeber und zig andere Asylmagneten.

Wissen Sie aber, Herr Innenminister, wie viele Asylanträge von neu Eingereisten im Jahr 2018, nämlich unter unserem Innenminister Herbert Kickl, gestellt wurden? – Es waren 5 800 Asylanträge. Herr Innenminister, wissen Sie, wie viele Asylanträge im Jahr 2023 bereits in den ersten beiden Monaten gestellt


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wurden? – Es sind 6 700: 2023 in den ersten beiden Monaten bereits um 1 000 mehr als im gesamten Jahr 2018, Herr Innenminister. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist der große Unterschied: Diese ÖVP spricht von einer Asylbremse, macht aber genau das Gegenteil. Wir Freiheitliche haben es im Jahr 2018 vorgezeigt und nicht von einer Asylbremse gesprochen. Wir haben es gemacht, Herr Innenminister. Das erwarten sich die Leute dann auch von Ihnen. Nicht die Worte zählen, die Taten zählen! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Preineder: Das stimmt ja nicht! Herr Kickl hat mehr Leute hereingenommen als ...! Nehmen Sie das zur Kenntnis, Herr Kollege!) –Lieber Herr Kollege, wer hat Ihnen das erzählt? Der Innenminister? Hat dir das der Innenminister erzählt? (Bundesrat Preineder: Der Kickl hat mehr Leute ...!) Na bitte! Die Leute glauben es dieser ÖVP nicht mehr.

Ich habe eh gesagt: Euch kann er ein X für ein U vormachen, bei den Leuten kann er es inzwischen nicht mehr (Bundesrätin Schumann: Ein bisschen leiser! Ihr seid so laut!), aber schaut: Das ist ja auch der Grund dafür, warum diese Bundesregierung heute noch weiterwurschtelt, als wäre nichts gewesen: weil Sie wissen, dass es die Leute da draußen bereits durchschaut haben. Sie haben Sie durchschaut. Deswegen fürchten Sie den Wahltag wie der Teufel das Weihwasser, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist aber nicht mehr lange, Gott sei Dank ist es nicht mehr lange bis zum Wahltag. Ich sage, jeder einzelne Tag mit dieser Bundesregierung ist eine Belastung für dieses Land und eine Belastung für unsere Österreicher. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) Deswegen: Der Wahltag wird kommen, und die Österreicher werden euch sprichwörtlich mit dem nassen Fetzen aus euren Ämtern hinausjagen. (Bundesrätin Schumann: Und ihr werdet sie wieder in die Ämter setzen!) Diese Bundesregierung hat auf allen Ebenen versagt, meine sehr geehrten Damen und Herren.


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Um Ihnen aber heute auch die Möglichkeit zu geben, einen Schritt in die richtige Richtung zu machen – nämlich einen Schritt, um Abschiebungen durch­zuführen –, darf ich an dieser Stelle schon folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Durchführung von Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien“

Die unterfertigten Bundesräte stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, schnellstmöglich dafür Sorge zu tragen, dass Abschiebungen insbesondere nach Afghanistan und Syrien wieder durchgeführt werden.“

*****

Herr Bundesminister, das ist schon eine gut gemeinte Hilfestellung, nämlich für Ihre harte Zuwanderungslinie. Die ÖVP kann diesen Antrag ja heute unterstützen, damit ihr auch einmal wirklich zeigt, dass ihr für Abschiebungen von Menschen mit negativ beschiedenen Asylanträgen seid.

Das machen Sie aber nicht, und ich frage mich schon, warum. Warum machen Sie das nicht? Wenn ich ins Reisebüro gehe, kann ich Urlaube nach Afghanistan und Syrien buchen. (Bundesrat Preineder: Dann buchen Sie sie! – Heiterkeit der Bundesrätin Zwazl.) Na bitte, warum können wir dann keine Leute dorthin abschieben? (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt liegt es an Ihnen, jetzt liegt es an dieser ÖVP. Heute können Sie zeigen: Asylmagnet oder Abschiebungen. Jetzt haben Sie die Möglichkeit, sich zu


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entscheiden. Sie haben es heute in der Hand: Abschiebung oder Asylmanget. Ich freue mich auf die Abstimmung. (Beifall bei der FPÖ.)

10.54


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Der von den Bundesräten Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Durchführung von Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Bitte.


10.55.09

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wer sich selber nicht mag, kann andere nicht ausstehen. – Das hat Paul Watzlawick gesagt. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Lassen Sie mich zum Thema Teuerungsausgleich des Bundes für Quartiergeber von Schutzsuchenden aufgrund gestiegener Gebäude- und Energiekosten auf die sachliche Ebene zurückkehren!

Mein Dank gilt besonders all jenen, die jene Personen, denen ja alles genommen wurde, aufgenommen haben und wirklich viel dazu beitragen, dass sie auch menschenwürdig in unserem schönen Land Österreich leben dürfen. Einen herzlichen Dank an all diese Personen und Institutionen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

91 000 Menschen – das sind 1 Prozent unserer Bevölkerung – sind derzeit in Österreich in der Grundversorgung. Anfangs waren es noch knapp 93 000. Die Asylantragszahlen sind zurückgegangen. Danke, Herr Bundesminister, für alle Bemühungen, zu versuchen, in den verschiedenen Ländern – zuletzt auch in Marokko – Abkommen zu schließen.


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Weiters gelingt es auch zunehmend, dass die rund 56 000 Menschen aus der Ukraine, die seit einem Jahr unsagbares Leid durch den Überfall russischer Truppen in ihrem demokratischen Land erlitten haben und bei uns in der Grundversorgung sind, am Arbeitsmarkt integriert werden und damit die Grundversorgung auch wieder verlassen können.

Die Grundversorgung ist eine „Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a [...] über gemeinsame Maßnahmen zur vorüber­gehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Öster­reich“. Ziel dieser Vereinbarung, die aus dem Jahre 2004 stammt, beschlossen von der damaligen Bundesregierung aus ÖVP und FPÖ, war und ist es, mit den neun Bundesländern in Verhandlung zu treten, um eine Grundversorgung einzurichten und sie auch zu vereinheitlichen.

Die Vereinbarung über die Grundversorgung hat bisher auch gut funktioniert. Sie wurde auch jahrelang nicht angepasst. Erst im Jahre 2016, als ein großer Flüchtlingsstrom nach Europa kam und viele ihre Zuflucht auch in Österreich gefunden haben, wurden die Tarife aufgrund der diversen Teuerungen erstmals angepasst. Den Ländern, deren Vertreter wir hier in der Länderkammer sind, sollen finanzielle Aufwendungen, die ihnen im Rahmen der Grundversorgung aufgrund der Leistungen eines finanziellen Beitrags als Teuerungsausgleich bei individueller sowie bei Unterbringung in einer organisierten Unterkunft entstehen, durch den Bund abgegolten werden.

Der Teuerungsausgleich ist auf sechs Monate befristet und soll für private Unterkünfte 50 Euro bei der Unterbringung einer Einzelperson und 100 Euro bei der Unterbringung einer Familie sowie 2 Euro zusätzlich für die Betreuung in der sogenannten organisierten Grundversorgung und 4 Euro zusätzlich für die in der Grundversorgung aufgenommenen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge pro Monat abgelten, befristet bis Ende dieses Monats und rückwirkend ab Oktober.

Mit diesem Gesetz wird klargestellt, dass die Quartiergeber – die Länder, aber indirekt die Quartiergeber – unterstützt werden, die auch bereit sind, eben


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diesen vertriebenen Menschen Asyl zu gewähren. Ohne diese unermüdliche Hilfe und Bereitschaft der Zivilgesellschaft, die unaufgeregt Hilfe leistet, und die staatlichen Einrichtungen, die großartig unterstützen, wäre das alles nicht möglich.

Vielleicht einen kurzen Satz zur Freiheitlichen Partei, die dieser Änderung ja im Nationalrat nicht zugestimmt hat: Es ist immer wieder auch möglich, eine Horizonterweiterung und auch gewisse Lichtblicke zu erfahren.

Sie führen auf dem Rücken der Allerärmsten eine Neiddebatte, die an den Stammtischen noch befeuert wird. (Ruf bei der FPÖ: Ja, genau!) Das ist ja auch nichts Neues. (Bundesrätin Steiner-Wieser: ... armen Frauen und Kinder!) Ihnen geht es nicht um die leidgeprüften Menschen, sondern lediglich um das politische Kleingeld (Bundesrat Steiner: ... leidgeprüften Österreicher!) und darum, Unruhe zu schaffen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Spanring: ... einen kurzen Satz!) Besinnen Sie sich doch eines Besseren! Vor allem ist da zu sagen: Wehret den Anfängen! (Bundesrat Steiner – die sogenannte Scheibenwischerbewegung machend –: ... „Wehret den Anfängen“!?)

Die österreichische Bundesregierung mit Bundeskanzler Karl Nehammer wird auch weiterhin mit Hirn, Herz und Hand diesem 1 Prozent der Menschen, die sich in Österreich in der Grundversorgung befinden (Bundesrat Spanring: ... Nazi bezeichnen, so schaut’s aus! ... ÖVP-Korruption!), hilfreich zur Seite stehen. Einen herzlichen Dank, und vielleicht gelingt die Horizonterweiterung. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP.)

11.01


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Günter Pröller zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.


11.01.11

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kollegen! Geschätzte Damen und Herren hier im Saal


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und vor den Bildschirmen! Herr Kollege, wir kümmern uns um die Österreicher! (Beifall bei der FPÖ.)

Bezüglich den Horizont erweitern (Bundesrat Schwindsackl: Ja!), so wie du sagst, erkennen wir die Tatsachen, wir sehen die Wahrheit tagtäglich, wenn wir rausgehen. Ihr seht sie auch, aber ihr blinkt immer rechts und biegt links ab. Bleibt auf unserem Weg, dann wird vielleicht auch die Zukunft besser! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!) Ja, Niederösterreich!

Geschätzte Damen und Herren, es handelt sich, wie bereits angesprochen wurde, um einen Teuerungsausgleich im Rahmen der Grundversorgung. Damit wird aber wieder Geld verschenkt, und es ist ein falsches Zeichen. Es ist zum x-ten Male ein Teuerungsausgleich, und dieses Mal geht er halt an die Quar­tiergeber von Asylunterkünften; und wie Kollege Leinfellner bereits angesprochen hat, wachsen die derzeit wie die Schwammerl aus dem Boden. Das heißt, Herr Minister: Sie rechnen weiterhin mit einem Anstieg der Asylzahlen und mit einem Mehrbedarf an Asylunterkünften, obwohl Sie ja behaupten, dass die Asylzahlen rückläufig sind. Tatsache ist, dass es bei den Asylanträgen eine Steigerung um 32 Prozent im Vergleich vom Jänner 2022 zum heurigen Jänner gab. Und wenn es so weitergeht, wird es 2023 vermutlich wieder eine große Flüchtlingswelle geben.

Geschätzte Damen und Herren, mit diesem Gesetz wird wieder mehr Geld ins Asylsystem gesteckt – und das ist in dieser Zeit, in der die Österreicher nicht mehr über die Runden kommen und ihnen am Ende des Monats kaum mehr Geld übrig bleibt, eigentlich eine Zumutung. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister, Sie wissen, dass immer mehr Österreicher unter der Teuerung leiden und sich die Menschen vor allem das Wohnen nicht mehr leisten können. Auch die Energiekosten steigen und steigen, und es ist schon so weit, dass der tägliche Einkauf für Familien immer schwieriger wird. Und was macht diese Regierung? – Einfach zu wenig, um nicht zu sagen, nichts. Anstatt dass diese Bundesregierung endlich – wie das andere Länder auch machen – wirksame


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Maßnahmen setzt, um die Teuerung zumindest ein bisschen in den Griff zu kriegen, geht sie her und verschenkt heute erneut Millionen an Steuergeld an das nicht funktionierende Asylsystem.

Geschätzte Damen und Herren, wir fordern schon lange einen Asylstopp, die neuerliche Einführung von Ausreisezentren sowie Sachleistungen auf niedrigen Ebenen anstelle von Geldleistungen für Asylwerber. (Beifall bei der FPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, kein Mensch versteht, warum Asylwerber 500 Euro Klimabonus ausbezahlt bekommen, obwohl sie keine Energiekosten haben. Wir in Oberösterreich haben auch die SPÖ Oberösterreich im Landtag überzeugen können und letzten Donnerstag gemeinsam mit ÖVP und SPÖ eine freiheitliche Resolution beschlossen, dass das Klimabonusgesetz insofern abgeändert wird, dass Personen, die keine Energiekosten tragen – wie Asyl­werber, Asylberechtigte, Vertriebene und Inhaftierte –, nicht mehr von weiteren Auszahlungen profitieren. Die SPÖ Oberösterreich weiß also auch, in welche Richtung das geht, und von der ÖVP erwarte ich mir, dass sie das auch auf Bundesebene macht.

Weiters hat die SPÖ mit der ÖVP einer freiheitlichen Resolution zugestimmt, dass eine Evaluierung der Altersfeststellung bei Asylwerbern umgesetzt wird. Der Minderjährigenstatus ist ja attraktiv – Abschiebungen sind nahezu unmöglich und bei strafbaren Handlungen ist der Strafrahmen zu niedrig. Da auch finanzielle Leistungen vom Alter der Betroffenen abhängig sind, ist die konkrete Altersfeststellung dringend notwendig. (Bundesminister Karner: ...! Das machen wir eh!)

Wir sollen heute – und das ist wirklich ein Wahnsinn – zusätzlich zu den vielen Millionen, die in der Grundversorgung schon ausgegeben werden, und zu den Milliarden, die uns das Asylsystem insgesamt kostet, diesem Gesetz zustimmen. Nein, nicht mit uns, wir werden nicht zustimmen! Wir brauchen sicher nicht zusätzliche Millionen für das Asylsystem, sondern für die Österreicher. (Beifall bei der FPÖ.)


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Die Österreicher haben genug von den Überschriften; die Österreicher wollen keine Rede zur Zukunft der Nation von einem Bundeskanzler, der sich nicht einmal einer Wahl gestellt hat (Bundesrat Tiefnig: Geh!) und von oben herab, sozusagen aus dem 35. Stock, zum Volk spricht. Das brauchen sie nicht mehr. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Bundeskanzler und die Regierung sollen die Probleme und Herausfor­de­rungen von heute lösen und nicht über die Probleme von morgen laut nachden­ken. (Bundesrat Preineder: Nicht an morgen denken!) Allerdings ist der Herr Bundeskanzler – du weißt es – bereits am nächsten Tag wieder vor den Grünen auf die Knie gefallen und hat sich entschuldigt. Die Menschen wollen engagiertes Auftreten, einen echten Grenzschutz, Rückführungen, Maß­nahmen in Österreich, auch in der Sozialpolitik, damit Österreich in Zukunft unattraktiver für Flüchtlinge wird; ebenso braucht es Verfahrenszentren an den EU-Außengrenzen. – Das sind Lösungsansätze, die wir brauchen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesminister Karner führt eine entsprechende Kopfbewegung aus.) – Der Herr Minister nickt, also setzen wir es um!

Meine Damen und Herren! Die Sanktionspolitik ist mitverantwortlich dafür, dass Österreich immer noch 11 Prozent Inflation hat, ist mitverantwortlich für die steigenden Energie- und Lebensmittelpreise und die damit steigenden Lebens­haltungskosten, wie bereits erwähnt.

Diese Regierung schafft leider Gottes mit jedem gut gemeinten Lösungsansatz, den sie liefert, mehr Probleme, mehr Unsicherheit, als davor vorhanden waren. Diese Regierung ist einfach nicht in der Lage, dieses Land zu führen – das zeigt sich in vielen Bereichen. Die Österreicher brauchen wieder Zuversicht und Hoffnung und keine großen Ankündigungen vom Bundeskanzler. Jetzt benötigen die Österreicher – ob Familien, Alleinerziehende, Pensionisten – Unterstützung. Viele Österreicher sind am Ende ihrer Kräfte. Leider hat auch die SPÖ nichts anderes zu tun, als sich mit sich selbst zu beschäftigen, anstatt für die Menschen da zu sein. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Werdets euch schön wundern!)


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Daher brauchen wir rasch eine neue Regierung, die wieder für Sicherheit, Ordnung, stabile Verhältnisse sorgt und für die Menschen da ist. Es reicht! Diese Regierung soll sich einer Wahl stellen – treten Sie zurück! (Beifall bei der FPÖ.)

11.08


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dominik Reisinger. – Bitte, Herr Kollege.


11.08.44

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Bevor ich auf den Tagesordnungspunkt eingehe, noch in Richtung FPÖ (Bundesrat Spanring: Warum wundert mich das jetzt nicht?) zu der lautstarken Polterrede, die wir anfangs gehört haben: Sie passt ja wieder einmal so gut und typisch in das Muster der FPÖ. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Die FPÖ will ja im Grunde genommen (Bundesrat Steiner: Doskozil! Doskozil! Doskozil! Doskozil!) überhaupt nichts, was geeignet wäre, Integration vernünftig und erfolgreich zu organisieren. Sie will das gar nicht. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Doskozil! Doskozil! Doskozil!)

Ich sage auch, warum: weil es später, wenn es das erste Problem gibt, auch die FPÖ ist, die als Erste hier heraußen steht, lautstark poltert und mit ihrer Kampfrhetorik wieder einen Keil in die Gesellschaft treibt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Mit dem Doskozil gemeinsam machen wir das ...!) Diese Politik ist unverantwortlich, sie ist polemisch und gerade deshalb auch abzulehnen. (Bundesrat Steiner: Doskozil!)

Noch eines, weil wir gehört haben, Afghanistan wäre ja eine Urlaubsdestination, in die man abschieben könnte: Afghanistan ist bei den Reisewarnungen mit Stufe 6 – der höchsten – eingestuft.


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Jetzt zum Thema: Ich darf vorwegnehmen, dass die SPÖ diesem Gesetzesantrag zustimmen wird, weil es dringend eine Maßnahme braucht, um die Kosten­explosionen im Bereich der Grundversorgung für Schutzsuchende zumindest ein wenig abzufedern. Dieser Kostenersatz wird geeignet sein, erhöhte Energie-, Gebäude- und Personalkosten abzufedern, und zwar in jedem Bereich: bei den organisierten Unterbringungen und auch bei den privaten, klein strukturierten Unterkünften, die uns am Herzen liegen müssten, weil dort Integration wirklich am besten möglich ist. Großquartiere bieten sich dafür nur bedingt und vor allem zeitlich begrenzt an.

Betreffend Kostenersatz muss ich im Detail nichts mehr ausführen, darüber haben wir schon vom Kollegen Schwindsackl gehört. – So weit, so gut. Was ich aber doch kritisieren oder zumindest anmerken darf, ist der Umstand, dass dieser Kostenersatz bis 31. März befristet ist. Da müssen wir uns fragen: Glaubt wirklich jemand in der Regierung oder auch hier im Saal, dass wir die Teuerung bis Ende März derart in den Griff bekommen, dass die Menschen draußen keine Mehrkosten mehr zu tragen haben? (Beifall bei der SPÖ.)

Das beschäftigt mich umso mehr, weil es von der Regierung bis jetzt ja nur Einmalzahlungen gab, die im Gesamtvolumen zwar durchaus beachtlich sind, aber keine Effekte erzielt haben, um die Kosten wirklich nachhaltig und strukturell zu senken. Nicht ein Preis wurde durch diese Maßnahmen gesenkt, und das ist eigentlich das Grundproblem. (Beifall bei der SPÖ.)

Obendrein riskiert die Koalition – wie in einem politischen Schauspiel – auch noch, dass ab April die Mieten für rund 380 000 Wohnungen um unglaubliche 8,6 Prozent steigen. Das ist unfassbar, da muss etwas getan werden! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sehen ja, dass es funktioniert: Schauen wir nach Europa! Andere Länder wie Spanien, Portugal, Frankreich oder die Schweiz machen es ja vor. (Bundesrat Spanring: Wien! Wien! – Bundesrätin Schumann: Wien macht es! Wohnbonus! Genau, Wien!) Dort wird die Teuerung bekämpft und dort gibt es beachtlich


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niedrigere Inflationsraten als bei uns in Österreich. Man erinnere sich nur einige Wochen zurück: Wir hatten im Jänner 2023 mit 11,2 Prozent den absoluten Höchststand seit 70 Jahren.

Die Menschen draußen sind hilflos, sie sind verzweifelt und wissen nicht, wie sie den Lebensalltag bestreiten sollen. Deshalb, sehr geehrter Herr Minister, ist es höchst an der Zeit, wirklich strukturelle Maßnahmen zu ergreifen. Greifen Sie in die Märkte, in die Systeme ein, um die Teuerung nachhaltig und effektiv zu bekämpfen! Sie brauchen dabei auch nichts Neues zu erfinden. Schauen Sie über die Landesgrenzen, dort können Sie sehr, sehr viel lernen! – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

11.13


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte.


11.13.50

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte mich vorab bei den Kollegen Schwindsackl und Reisinger bedanken, die die heute zu beschließende Vorlage auf einer sachlichen Ebene beleuchtet haben.

Ich möchte dazu trotzdem noch einmal etwas ausführen, weil man das nicht oft genug sagen kann: Es ist inzwischen ein Jahr vergangen, seit uns die Nachricht von Putins Angriffskrieg auf die Ukraine erreicht hat. Wahrscheinlich haben sich vor einem Jahr nur wenige von uns gedacht, dass in Europa jemals wieder Krieg in einer solchen Form ausbrechen kann. Frauen und Kinder – hauptsächlich Frauen und Kinder – sind aus der Ukraine geflohen, um in Europa – und auch bei uns in Österreich – Schutz und Zuflucht zu finden. In einer großartigen Welle der Hilfsbereitschaft haben sehr viele Österreicherinnen und Österreicher ihre Türen geöffnet und diesen Menschen Unterkünfte zur Verfügung gestellt. Zu diesem Zeitpunkt wusste niemand – und wir wissen es immer noch nicht –, wie


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lange dieser Krieg dauern wird. Was wir jetzt aber schon sehen, ist die Auswirkung, die dieser Krieg auf uns alle hat, insbesondere – das merken wir jeden Tag – auf unsere Energieversorgung als Beispiel.

Wenn ich in meine Region, die Ferienregion am Attersee, schaue, dann sehe ich, dass dort für viele Vertriebene Unterkünfte angeboten worden sind: unbe­wohnte Häuser, Ferienwohnungen (Bundesrat Steiner: Bei dir zu Hause auch? In deinem Haus auch?), die in Bezug auf Heizung und Infrastruktur mitunter keine optimalen Bedingungen bieten. Oftmals wurden mit den Geflüchteten sogenannte Prekariumsverträge abgeschlossen, die nur die Betriebskosten ersetzen, und diese wurden sehr gering angesetzt, weil die Teuerung erst später erfolgt ist.

Im Rahmen der Grundversorgung für Schutzbedürftige erhalten die Geflüchteten notwendigerweise natürlich auch Unterstützung wie Krankenversicherung und Verpflegungsgeld. Wir reden da von circa 53 000 Vertriebenen, die, ebenso wie die 19 600 Asylwerber:innen, mit geringen finanziellen Mitteln – das ist hoffentlich unbestritten – ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen. Sie alle sind, genau wie jeder andere Mensch, der in Österreich lebt, von der Teuerung betroffen, haben aber zumeist keinen Anspruch auf andere staatliche Unterstützung und finden erst nach und nach in Beschäftigungsverhältnisse.

Aus diesem Grund wurde seitens des Bundes ein temporärer Teuerungs­ausgleich geschaffen, über den wir heute unter diesem Tagesordnungspunkt abstimmen. Es wurde schon gesagt, dass es sich um einen temporären Teuerungsausgleich für 1. Oktober bis 31. März handelt. Dieser Aufwand­ersatz – ich nenne ihn jetzt einmal so, denn das ist er in der Realität – soll insbesondere privaten Unterkunftgeber:innen zugutekommen, um die Kosten für den Wohnraum abzufedern. Wir reden da – wir haben es heute schon gehört – von 50 Euro pro Monat für Einzelpersonen und 100 Euro für Familien in privater Unterbringung.


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Für Menschen in organisierten Quartieren wird der Tagsatz ebenfalls temporär erhöht, um 2 Euro, bei minderjährigen Flüchtlingen um 4 Euro. Das kommt insbesondere NGOs und gewerblichen Quartiergeber:innen zugute.

Ich bin ja schon sehr lange in diesem Bereich tätig und ich kann mich erinnern, dass es in der Vergangenheit – noch bevor 2004 die Grundversorgung eingeführt wurde – im Winter auch immer einen Heizkostenzuschuss vonseiten des Bundes gegeben hat – das waren noch Schillingbeträge, ich kann mich aber nicht mehr an die Höhe erinnern. Das war auch damals schon sinnvoll und wird auch jetzt einen Teil der Kosten abfedern.

Wir erfinden das Rad also gar nicht neu, sondern machen etwas durchaus Bekanntes. Im Gegensatz zu früher – das ist jetzt schon interessant und dieser Aspekt wurde heute noch nicht eingebracht – liegt es nun aber an den Ländern, diese Gelder auszubezahlen; das Geld wird von Bundesseite zur Verfügung gestellt. Ich möchte an dieser Stelle nachdrücklich an die Länder und an Sie alle hier im Saal als Ländervertreter:innen appellieren, dass das auch wirklich passiert, dass diese Gelder auch wirklich bei den Menschen ankommen, die sie so dringend benötigen.

Ich bin eine Frau der Praxis und ich weiß natürlich, dass das sehr viel Aufwand bedeutet. Es lässt sich aber lösen – es ist eben bitter notwendig, dass diese Gelder ausbezahlt werden –, daher an dieser Stelle noch einmal mein Appell an Sie alle: Wirken Sie auf Ihre Landesregierungen ein, damit das Geld möglichst schnell zu den Menschen kommt!

Eine Sache möchte ich hier auch nicht so im Raum stehen lassen, und zwar geht es dabei um den Entschließungsantrag der Kollegen von der FPÖ. Ich möchte noch einmal ganz klar darauf hinweisen – den meisten, außer der FPÖ, wird es sowieso bekannt sein –, es gibt die Europäische Menschenrechtskonvention, dieser sind wir 1958 beigetreten, 1964 haben wir sie in Österreich in den Verfassungsrang gehoben. Ich zitiere daraus Artikel 3, und der ist in Bezug auf Abschiebungen in kriegsführende Länder, insbesondere Afghanistan und Syrien,


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so wichtig: „Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“

Wenn hier heute ein Entschließungsantrag aufschlägt, der fordert, Menschen nach Syrien oder Afghanistan abzuschieben, dann möchte ich behaupten, dass damit der Artikel 3 der EMRK verletzt würde, und das ist ja quasi eine Auffor­derung zum Gesetzesbruch. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Das kann und will ich hier nicht so stehen lassen. Ich bitte um die Zustimmung zur Grundversorgungsvereinbarung, über diesen Antrag möchte ich eigentlich gar nicht mehr reden. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.19


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Otto Auer zu Wort. – Bitte.


11.20.03

Bundesrat Otto Auer (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister, lieber Gerhard! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste, hier und zu Hause! Wenn man hier zuhört, dann möchte man den Eindruck bekommen, dass Menschen, die aus der Vergangenheit nichts gelernt haben, nicht leicht imstande sind, eine Zukunft zu gestalten. Man muss sehr wohl alles bedenken, was sich in der längeren und kürzeren Vergangenheit abgespielt hat, genauso wie das, was man bis 2030 als Land, als Menschheit, als Gesellschaft erreichen will und welche Ziele man sich setzt. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir diskutieren heute über eine Leistung für die finanziell Schwächsten und auch für Menschen, die oft stark mit sozialen und menschlichen Problemen konfrontiert sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Ich denke, dass wir als wohlhabende Gesellschaft verpflichtet sind, unsere Hilfe in einem entsprechen­den Ausmaß anzubieten und auch zu verteilen. (Bundesrat Spanring: Jetzt sind wir wieder wohlhabend! Warum ist dann nicht Geld für die eigenen Leute da?) Die


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Grundversorgung ist aufgrund von Abkommen und Abmachungen eine gemeinsame Leistung von Bund, Ländern und Gemeinden und ich denke, dass es durchaus gerechtfertigt ist, wenn man aufgrund der Teuerung, die speziell im Lebensmittel- und Energiebereich für diese Personengruppe sehr, sehr stark schlagend wird, auch eine entsprechende Unterstützung anbietet. Wir bieten eine Unterstützung für Menschen an, die sich in Notsituationen befinden, die nur zur Absicherung des Notwendigsten dient, um das zu sichern, was man ganz dringend zum Leben braucht.

Es ist auch notwendig, dass die Unterkunftsgeber – jene, die Menschen, die hilfsbedürftig sind und es wirklich brauchen, Unterkunft geben – in Zeiten, in denen sich vieles verteuert hat und in denen viele Kosten, die vorher so nicht zu berechnen waren, schlagend werden, notwendige Unterstützungen bekommen. Wir brauchen diese finanzielle Unterstützung für die Unterkunftsgeber, damit wir dieses System am Leben erhalten können, denn es ist wichtig, dass auch die Gesellschaft und nicht nur der Staat einen Beitrag für Menschen leistet, die in Not geraten sind und bei uns Schutz suchen.

Diese Maßnahme – und das ist auch ganz wichtig für mich – ist eine zeitlich befristete Maßnahme, die aufgrund der Preissteigerungen auch von der Höhe her sachlich und rechnerisch begründbar und darstellbar ist. Diese Maßnahme hat durchaus ihre Berechtigung, deshalb ersuche ich hier wirklich alle, zuzu­stimmen, denn das ist eine Hilfe für die Schwachen in unserer Gesellschaft. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Da das heute meine letzte Rede ist, möchte ich mich besonders bei den Mitarbeitern bedanken (Bundesrat Kornhäusl: Letzte Rede hier im Haus! – Bun­desrätin Eder-Gitschthaler: Du wirst noch mehrere halten!) –im Haus, ja –, egal ob von der Parlamentsdirektion oder von den Klubs. Man kriegt hier eine hervorragende Unterstützung, man wird hier vom ersten Tag an sehr gut mitbetreut, damit man sich im System des Bundesrates schnell zurechtfindet, das System auch versteht und für die Menschen, für die Gesellschaft etwas Positives bewegen kann. Die freundschaftliche und partnerschaftliche Art, mit der hier


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gearbeitet wird, ist ein sehr schönes und sehr fruchtbringendes Miteinander, auch unter den einzelnen Fraktionen hat man hier schnell Freunde gefunden. – Ich möchte mich bei allen ganz herzlich bedanken, wünsche allen alles Gute und noch eine schöne Zeit! (Allgemeiner Beifall.)

11.23


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Lieber Kollege Otto Auer, ich darf dir auch das Allerbeste für deine Zukunft wünschen, vor allem Gesundheit und natürlich auch ein erfolgreiches Wirken im Landtag und in deiner Gemeinde Höflein. Vielen Dank für deinen Beitrag, den du hier geleistet hast! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.) 11.24.19


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen dazu vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmenmehrheit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Durchführung von Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmenminderheit fest. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.


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11.25.212. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz 2021 geändert wird (1899 d.B. und 1935 d.B. sowie 11191/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Ich darf diesbezüglich den Herrn Gesundheitsminister sehr herzlich bei uns im Saal begrüßen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um die Berichterstattung.


11.25.52

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Herr Präsident! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2023, betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz 2021 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Christoph Steiner. – Bitte, Herr Kollege.


11.26.30

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Vizepräsident! Da ich der erste Redner bin, ganz kurz zur Einführung, worum es nun eigentlich geht. Das ist eine ganz einfache Geschichte, es geht um die Umsetzung einer EU-Richtlinie, um


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eine Novelle des Medizinproduktegesetzes. Eigentlich wäre so etwas relativ unspektakulär, aber nicht, wenn Herr Minister Anschober dafür zuständig ist. (Rufe bei der ÖVP: Der Rauch!) Dann wissen wir, dass es rumpelt und tuscht. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Rauch!) – Anschober! Nein, wie heißt er? (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Rauch! Ja, die wechseln ja so oft, das tut mir leid. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Buchmann: Hast eine alte Rede erwischt? Ist das eine alte Rede?) Wen aller haben wir gehabt? (Heiterkeit des Redners.) Anschober, ja. Aber wer war der Nächste? (Ruf: Der Mückstein!) – Ah, Mückstein! Ja, das war ein goldiges Experiment, Mückstein war auch sehr gut. (Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.)

Entschuldigung (in Richtung Bundesminister Rauch), ich habe Sie vor lauter Wechseln im Gesundheitsministerium verwechselt. (Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.) – Da könnt ihr noch so viel hereinschreien, es hat sich ja nichts geändert. Am Chaos selber hat die Umbesetzung des Ministers nichts geändert. (Beifall bei der FPÖ.) Das Gesundheitsministerium arbeitet gleich katastrophal weiter. Eigentlich hätte ich ja – da haben Sie recht, Herr Kollege Buchmann – auch die Rede für Herrn Anschober hernehmen können, weil sich nichts geändert hat (Zwischenrufe der Bundesrät:innen Eder-Gitschthaler und Buchmann) – aber ich habe sie angepasst.

Herr Minister Rauch, Sie sind zuständig und es wäre nichts einfacher, als eine EU-Richtlinie in einen österreichischen Gesetzestext zu gießen und umzusetzen. Was aber machen Sie? – Sie machen Chaos. Wer Ihren Gesetzentwurf gelesen hat, sieht, dass sich da drinnen ein Wirrwarr an Begrifflichkeiten, an Unzu­länglichkeiten findet. Ich sage es euch ganz ehrlich, dazu kann man eigentlich niemals seine Zustimmung geben. Diese Novellierung ist bei Weitem nicht zufriedenstellend.

Man hat auch bei dieser Novelle wieder gesehen, Herr Minister, wie Sie mit Medizinprodukten sowie ihren Wirkungen umgehen. Wir wissen seit Corona, dass das ja nicht Ihr Steckenpferd war und ist. Und auch nicht das Ihrer


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Vorgänger: Ich erinnere nur an den sorglosen Umgang mit den Coronaimp­fungen. Es ist behauptet worden, dass diese frei von Nebenwirkungen sind. Ich habe, Herr Minister, ein aktuelles Schreiben von Ihnen vom 1. März mit (ein Schriftstück in die Höhe haltend), Sie verlängern das Haltbarkeitsdatum des Impfstoffes, dieses abgelaufene Graffel, schon wieder. Ich könnte jetzt wieder vorlesen, welche Impfstoffe wieder verlängert werden. Man lässt also das Graffel ablaufen, und weil man es nicht weiterbringt, verlängert man es, verlängert man es, verlängert man es jedes Mal aufs Neue. (Bundesrat Spanring: Wie ein guter Rotwein, wird immer besser!)

Wir haben bitte schön ein Gesetz beschlossen, damit Sie die Impfdosen in aller Herren Länder verschenken dürfen, ohne uns hier herinnen Rechenschaft ablegen zu müssen, aber anscheinend will kein anderes Land – die, die angeblich so dringend Impfstoff brauchen würden – diesen haben. Wir werden also das abgelaufene Graffel nicht mehr los. Ich sage Ihnen jetzt schon, diese um viele Millionen Stück zu viel bestellten Impfstoffe werden uns noch Millionen an Entsorgungsgebühren kosten, Herr Minister, da diese niemand auf dieser Welt – nicht einmal geschenkt – haben will. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber das kostet ja unsere Steuerzahler überhaupt nichts! Das ist ja nicht Ihr Geld, das ist ja nur Steuerzahlergeld! Und ich hoffe schon, dass Sie und Ihre zwei Vorgänger, aber auch alle anderen Regierungsmitglieder, die immer brav beim Leute-Einsperren dabei waren, noch ordentlich zur Rechenschaft gezogen werden für diesen Wahnsinn! – Jetzt bin ich schon wieder ins Schimpfen im Zusammenhang mit Corona abgeglitten. (Bundesrätin Grimling: Das ist ja nichts Neues!)

Nun komme ich aber zurück zum Medizinproduktegesetz, und da zeigt sich halt schon wieder quasi eine Spiegelung: Auch bei Corona haben Sie es so gemacht, dass Sie die Stellungnahmen nicht eingearbeitet haben. Im Zusammenhang mit dieser Novellierung des Medizinproduktegesetzes gab es wieder unzählige Stellungnahmen, und zwar begründete Stellungnahmen, sogar eine sieben Seiten umfassende Stellungnahme des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes!


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Sieben Seiten! Sie haben jedoch all diese Stellungnahmen und auch diese sieben Seiten weggewischt und nicht in das Gesetz eingearbeitet. Herr Minister! Da kann nichts Gescheites herauskommen. Allein mit Sturheit wollen Sie immer alles ohne Rücksicht auf Verluste durchboxen. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Rauch! Ich warne Sie! Auch im Zusammenhang mit den Erlässen in der Coronazeit haben Sie nicht auf Kritik gehört, sind aber dann – Gott sei Dank! – krachend an der Bevölkerung gescheitert.

Jetzt haben wir ein Problem. In den Stellungnahmen wurde deutlich, dass wir immer noch nicht wissen, ob die höchstpersönlichen Patientendaten dann auch ordentlich geschützt sein werden. Das geht aus dieser Novelle nicht hervor. In der Stellungnahme des Bundeskanzleramtes ist das allerdings deutlich zu lesen. All das sind offene Fragen.

Herr Minister! Wie gehen Sie mit den höchstpersönlichen Gesundheitsdaten der österreichischen Bevölkerung um? Es kann doch nicht sein, dass Sie, wenn eine Stellungnahme eingeht, in der zu Recht der Umgang mit den höchstpersönlichen Gesundheitsdaten kritisiert wird, einfach so tun, als ob es diese Stellungnahme nicht gegeben hätte! – Diese Stellungnahme war nicht von den Freiheitlichen, diese Stellungnahme kommt aus dem Bundeskanzleramt, und dort sitzen nicht wir drinnen. (Bundesrat Bader: Gott sei Dank nicht!)

Was ist los mit Ihnen, Herr Minister? Sie müssen doch ein bisschen Sensibilität für sämtliche Gesundheitsdaten unserer österreichischen Bürger haben. Mir scheint aber, Sie haben all das in Coronazeiten verloren. (Beifall bei der FPÖ.)

Viele Fragen, die ja nicht unbegründet sind, bleiben weiterhin offen. Es wäre jedoch wichtig, diese Fragen vor dem Beschluss zu beantworten. Deshalb kann man, wenn man noch ein bisschen Hausverstand hat, dieses Gesetz einfach nicht beschließen. Doch was passiert heute wieder? Herr Kollege Schwindsackl! Wehret den Anfängen! Erinnern wir uns an Geschehnisse vor etwa eineinhalb oder zwei oder drei Jahren, als Sie das Gleiche betrieben haben! Hören Sie auf,


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mit den Gesundheitsdaten der österreichischen Bevölkerung zu spielen! – Wir werden dieser Novellierung mit Sicherheit nicht zustimmen, Herr Ungesund­heitsminister! (Beifall bei der FPÖ.)

11.33


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Kollegin.


11.33.54

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich weiß nicht, ob Sie das Gefühl auch kennen, wenn Sie nach einer Operation oder nach einem Unfall Prothesen oder fremde Materialien implantiert bekommen haben. Abgesehen davon, dass Sie dadurch Heilung beziehungsweise Schmerzlinderung erfahren, bleibt immer das Gefühl zurück, dass Sie einen Fremdkörper in sich tragen. Und wenn dieser Fremdkörper aufgrund eines Materialfehlers defekt oder gar schadhaft ist, dann ist das zwar nicht gleich sichtbar oder spürbar, aber mitunter sehr gesundheitsgefährdend.

Tritt dieser Fall bei einem Herzschrittmacher ein, dann werden Sie sofort verständigt, denn dann besteht höchste Gefahr und ist höchste Vorsicht geboten. Dafür gibt es bereits jetzt gesetzliche Regelungen. Bei vielen anderen Implantaten war aber eine Verständigung der Betroffenen bis jetzt nicht der Fall, und das wird heute geändert.

Mit dem heutigen Gesetzesbeschluss erreichen wir eine massive Verbesserung zum Schutz von Patientinnen und Patienten. Ich nenne jetzt den Anlassfall dafür, damit wir endlich einmal wissen, worüber wir jetzt hier reden, denn Herr Steiner hat ja wieder nur gebasht. (Bundesrat Steiner: Was? – Bundesrätin Grimling: Englisch!) Der Anlassfall für diese Novellierung ist der Einsatz von ganz schad­haften beziehungsweise mangelhaften gynäkologischen Spiralen eines


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spanischen Herstellers. Als diese Mängel bekannt wurden, haben die betrof­fenen Patientinnen keine entsprechende Information erhalten, weil es die notwendige Verpflichtung der Medizinerinnen und Mediziner zur Informations­weitergabe an die Betroffenen schlichtweg nicht gab.

Schätzungen zufolge sind in Österreich rund 1 500 Frauen von diesem Mangel betroffen. Mehr als 1 500 Frauen haben damals eine schadhafte Spirale eingesetzt bekommen, also ein Medizinprodukt, bei dem sich im Nachhinein herausgestellt hat, dass es mangelhaft ist. Niemand war jedoch dazu verpflichtet, die Betroffenen darüber zu informieren und eine Lösung im Sinne dieser Betroffenen zu suchen und zu finden.

Um dem Ganzen sozusagen noch etwas Intensität zu verleihen: Viele der betroffenen Frauen haben überhaupt nur aus Medienberichten davon erfahren, und genau das wird heute geändert. In Zukunft gibt es eine eindeutige Verpflichtung, bei Vorliegen der Meldung eines Mangels oder Schadens betref­fend bestimmte Medizinprodukte, nämlich Implantate, die davon betroffenen Patientinnen und Patienten umgehend zu informieren. In Zukunft sind die für den Einsatz des Implantats verantwortlichen Ärztinnen und Ärzte verpflichtet, Patientinnen und Patienten ohne Aufschub – ich sage es noch einmal, weil es so wichtig ist – über eine mögliche Gesundheitsgefährdung zu informieren.

Sie haben außerdem die Verpflichtung, empfohlene Maßnahmen – das ist auch ganz wesentlich – zur Behebung des Problems mit den Betroffenen zu besprechen. Erfolgt eine Mängel- oder Schadensmeldung durch das Basg, das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen, dann haben zukünftig die behandelnden Ärzte sofort zu handeln. Das ist sehr wichtig und bringt weitere Sicherheit für die Patient:innen, und ich ersuche daher um breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.37


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Preineder. – Bitte, Herr Kollege.



BundesratStenographisches Protokoll951. Sitzung, 951. Sitzung des Bundesrats vom 16. März 2023 / Seite 101

11.37.14

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer im Saal! Wir haben das Medizinproduktegesetz auf der Tagesordnung. Herr Kollege Steiner hat schon darauf hingewiesen: Es gilt eine EU-Verordnung umzusetzen. Und Frau Kollegin Buschberger hat darauf hingewiesen, dass es darum geht, dass die Patienten sehr schnell und rechtzeitig informiert werden, wenn Medizinprodukte, diesfalls Implantate, schadhaft sind, um Schäden zu vermeiden. Ich darf Sie dafür um Ihre Zustimmung ersuchen.

Ich darf aber noch einen kurzen Bericht aus dem Ausschuss bringen, weil das für mich sehr, sehr interessant war und ich eigentlich erwartet hätte, dass Kollege Steiner als Vorsitzender darauf eingeht. Es gab zusätzlich als 2. Tagesord­nungspunkt einen Entschließungsantrag zum Thema K.-o.-Tropfen, und es hat mich als Bundesrat sehr gefreut, dass es dazu wieder einmal eine sehr ordentliche, angeregte, faire, offene und über Parteigrenzen hinweg geführte Diskussion gab. Wir waren in Wiener Neustadt, in meiner Heimatbezirksstadt, dieses Wochenende in diesem Zusammenhang wieder schwer betroffen. – Bei dieser Diskussion hat man sich zum Ziel gesetzt, zu einer Einigung betreffend K.-o.-Tropfen zu kommen und entsprechendes Zahlenmaterial zu organisieren. Es ging darum, zu schauen, wie viele Anzeigen, Anklagen und letztlich auch Verurteilungen es in diesem Bereich gab, und vielleicht auch herauszufiltern, wie groß der Graubereich ist. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Noch dazu war ein sehr kompetenter Vertreter des Ministeriums als Auskunfts­person anwesend, der auch zugesichert hat, dass Maßnahmen seitens des Gesundheitsministeriums zu diesem Thema, die geplant sind oder bereits durchgeführt werden, auch in Unterlagen entsprechend dokumentiert und diese dem Ausschuss zugeleitet werden.


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Ich denke, das ist eine unserer wesentlichen Aufgaben, die Lebenssituation der Menschen zu verbessern. Ich glaube, es ist auch eine wesentliche Aufgabe und ein Merkmal des Bundesrates, Konsens zu suchen. Ich war sehr lange in der Landwirtschaftskammer als Funktionär und damit in der Sozialpartnerschaft tätig und bin es von dort gewohnt, Kompromisse zu suchen und Konsens herbei­zuführen, um gemeinsam für die Menschen in unserem Land etwas weiterzu­brin­gen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es geht letztlich in der Politik um den Wettbewerb der besten Ideen und nicht um den Wettbewerb der besten Verunglimpfung. Vieles stimmt mich momentan in unserer Republik sehr bedenklich, wenn ich nämlich Politik mit Anzeigen, wenn ich Untersuchungsausschüsse sehe, die mehr einer Justizverfolgung gleichen, wenn es Diskussionsunkulturen gibt, die unser Ansehen in der Politik und das Ansehen der Politik verletzen und sie schlechtmachen. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Wir haben Vorbildfunktion.

Die niederösterreichische Wahl hat sehr viel Veränderung, vor allem im Bundes­rat, gebracht. Damit gilt es auch für mich, Danke zu sagen: Danke für über 20 Jahre in diesem Hohen Haus, für mehr als 260 Plenarsitzungen als National­rat und als Bundesrat in diesem Haus, Danke für ein halbes Jahr Präsidentschaft und ein halbes Jahr Klubobmannschaft in einem Zeitraum von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel bis Bundeskanzler Karl Nehammer. Ich hatte auch immer die Möglichkeit, in einer Fraktion tätig zu sein, die Regierungs­fraktion ist. (Zwi­schenruf bei der FPÖ.) Mein Anliegen waren immer die Landwirt­schaft und der ländliche Raum, der Bereich Gesundheit.

Ich darf den vielen Kollegen, die mich in diesen 20 Jahren begleitet haben, ein herzliches Dankeschön sagen, ein herzliches Dankeschön den Mitarbeitern im Haus, den Mitarbeitern im Klub, Danke auch für viele Freundschaften, die sich in dieser Zeit – auch über Parteigrenzen hinweg – ergeben haben. Ich darf euch und Sie alle einladen, das Profil des Bundesrates, nämlich Dezentralität, Regionalität und Menschlichkeit, weiter zu pflegen. Ich war immer gerne


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Bundesrat. Ich wünsche Ihnen das weiterhin, auch allen neuen Kollegen. Es lebe der Bundesrat der Republik Österreich! (Allgemeiner Beifall.)

11.42


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Lieber Martin Preineder, ich darf dir auch sehr herzlich für dein Wirken hier ganz speziell im Bundesrat danken, wo du als Präsident und auch als Fraktionsobmann tätig warst. Du hast es ja selber, glaube ich, auch erwähnt: Du warst ja auch einmal im anderen Haus – im Unterhaus sozusagen –, im Nationalrat tätig. (Allgemeine Heiterkeit.) Es war insgesamt eine sehr lange Zeit. Für dein Wirken herzlichen Dank und persönlich natürlich in allererster Linie Gesundheit und alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

Es freut mich, dass wir jetzt die Neue Mittelschule aus St. Veit an der Gölsen hier bei uns haben. Wenn ich richtig informiert bin, ist das eine ganz berühmte Schule, weil dort einmal ein gewisser Direktor Bader tätig war. Seid herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. – Bitte, Herr Kollege.


11.43.42

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Im Prinzip ist über das Medizinproduktegesetz und die anstehenden Änderungen schon sehr viel gesagt worden. Erfreulich aus unserer Sicht und begrüßenswert ist es, dass im Rahmen der Gesetzwerdung der Entschließungs­antrag unserer Fraktion Gehör gefunden hat und dies auch umgesetzt wurde – ein zukunftsweisender Schritt. Wir hoffen, dass in Zukunft weitere derartige gemeinsame Aktionen bei der Gesetzwerdung stattfinden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich betone ausdrücklich, dass ich glaube, es ist eine wichtige Maßnahme, dass eine gesetzliche Verpflichtung zur nachweislichen und ohne nötigen Aufschub erfolgenden Information für den Patienten durch die durchführenden


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Gesundheitseinrichtungen oder Ärzte erfolgt. Wenn wir hier von Implantaten reden, sollte man nicht Implantate aus der Schönheitschirurgie im Fokus haben. Implantate haben die Aufgabe, Körperfunktionen zu unterstützen und zu ersetzen, und sind begrüßenswerte Hilfsmittel der Medizin, die das Leben erleichtern und im Prinzip den Gesundheitszustand unserer Österreicherinnen und Österreicher verbessern. Da den Schwerpunkt darauf zu setzen, dass im Aufklärungsgespräch auch die Patientinnen und Patienten informiert werden, was da eingesetzt wird, ist ein sehr begrüßenswerter Schritt. Daher stimmen wir diesem Antrag auch zu. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

11.45


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen - - ach so, doch. – Bitte, Herr Bundesminister.


11.45.44

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: In aller Kürze zu zwei Punkten, die angesprochen worden sind: Also im Kern geht es darum, die Aufnahme in das Medizinprodukteregister sicherzustellen. Es hat sich gerade auch bei der angesprochenen Spirale gezeigt, wie wichtig das ist, weil es da um Schadenersatzforderungen und -fragen und auch um die Sicherheit von Patientinnen und Patienten geht. Das ist in jedem Fall wichtig und notwendig. Es ist die Umsetzung einer Richtlinie.

Was die Datenfrage angeht, noch folgender Hinweis: Es ist klar festgelegt und geklärt, welche Informationen da enthalten sind. Es geht um die Bezeichnung, Art, die Type und den Loscode, die Seriennummer des betreffenden Implantates, Name und Anschrift des Herstellers – was wohl wichtig ist –, des Händlers, die Sozialversicherungsnummer der Patientin, des Patienten, und die für die Implantation verantwortliche Person. Diese Daten liegen ausschließlich bei den Gesundheitseinrichtungen, bei der Krankenanstalt, bei dem Arzt oder der Ärztin, die die Implantation durchgeführt haben. Damit ist nach den österreichischen


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Standards die Datensicherheit durchaus gewährleistet. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

11.47  


11.47.07

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Wünscht noch jemand das Wort? – Wenn das nicht der Fall ist, ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmenmehrheit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

11.47.323. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 geändert wird (1901 d.B. und 1938 d.B. sowie 11185/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Ich bitte um die Berichterstattung.


11.47.48

Berichterstatter Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross: Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Ich bringe den Bericht des Umweltausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2023 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.


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Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte, Herr Kollege.


11.48.28

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Herr Minister! Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren im Saal und vor den Bildschirmen! (Bundesminister Rauch spricht mit Bundesrätin Schwarz-Fuchs.) – Herr Minister, ich bitte um Aufmerksamkeit. Vielleicht könnte man das beenden. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister, zum Titel nationaler Kraftakt, zur Zerstörung des österreichischen Mittelstandes, der Rechte der österreichischen Bevölkerung unter dem Titel Energiewende. – Ja, Herr Minister, wenn Sie und Ihre Ministerkollegin, die Sie ja heute vertreten, so weitermachen, können Sie sich auf Ihre Fahnen heften, dass Sie mit den von Ihnen getroffenen Maßnahmen der letzten Monate und Jahre den österreichischen Mittelstand nicht nur massiv belastet, sondern regelrecht in die Armut getrieben haben.

Herr Minister, Sie können sich auf Ihre Fahnen heften, dass Sie gemeinsam mit Ihrem Koalitionspartner, den Sie am Nasenring durch die Manege ziehen, die österreichische Bevölkerung durch Ihre freiheitsberaubende, gesetzeswidrige Coronapolitik um drei Jahre ihres Lebens gebracht haben. (Bundesrat Gross: UVP!)

Herr Minister, stellvertretend für Ihre Kollegin Gewessler können Sie sich auf Ihre Fahnen heften, dass Sie gemeinsam mit Ihrem Koalitionspartner durch Ihre völlig sinnbefreite Verkehrspolitik – geprägt durch Hass gegenüber Personen,


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die auf Kraftfahrzeuge angewiesen sind (Bundesrat Buchmann: Zum Thema!) diese durch Baustopps von Straßenprojekten, Staus und erhöhte Schadstoff­belastung um ihre kostbare Freizeit im Kreise der Familie bringen. (Bundesrat Kornhäusl: Wenn man kein Thema hat!) Natürlich wissen wir ja, dass sich Ihre Ministerkollegin in ihrer Vergangenheit zum Beispiel mehr für seltsame Vögel als für die ländliche Bevölkerung, die auf ein Kraftfahrzeug angewiesen ist, eingesetzt hat. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Natürlich hat die ländliche Bevölkerung nicht nur die verfehlte Verkehrspolitik Ihrer Ministerkollegin im Straßenbau, sondern auch ihre Blockadepolitik gegenüber dem öffentlichen Verkehr über sich ergehen lassen müssen. Es gab vielversprechende Pressekonferenzen, zum Beispiel zum zweigleisigen Ausbau der Laaer Ostbahn. Die Realität: Neubau, eingleisige neue Brücken oder Erneuerung eines eingleisigen Unterbaus.

Die Klimapolitik der türkis-grünen Bundesregierung und die verschiedensten gesetzten Handlungen sind durch die grüne Verbots-, Belastungs- und Wirtschaftsvernichtungsideologie geprägt, sind meilenweit von einer Umwelt­politik mit Hausverstand entfernt und werden noch durch komplett ideo­logieverblendete Fakten der Bevölkerung aufgedrückt. Die neue Qualität ist die grüne Verkehrspolizei der Frau Minister Gewessler. Jetzt sollen einschlägig geschulte Asfinag-Organe die Befugnis bekommen, Fahrzeuge anzuhalten und technische Kontrollen durchzuführen. (Zwischenruf des Bundesrates Buchmann.)

Auf die Freiheit der österreichischen Bevölkerung, die durch die verfehlte Coronapolitik dieser Bundesregierung ihrer Freiheit beraubt wurde und teilweise bis in die Familien hinein tief gespalten ist, soll nun durch diese Versagerregie­rung, von den Ministern und dem Parlament verabschiedet, der nächste Anschlag in anderer Form verübt werden (Bundesrat Buchmann: Hallo! – Zwi­schenruf des Bundesrates Kornhäusl) – und zwar unter dem Titel: Die Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien ist angesichts des


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Krieges in der Ukraine nicht nur klimapolitisch, sondern auch geopolitisch und ökonomisch notwendig.

Diese Bundesregierung ist jedoch der Meinung, dass der Ausbau der Windkraft in mehreren Bundesländern durch fehlende planungsrechtliche Festlegung gehemmt ist. Aufgrund dessen ist man der Meinung, dass dringender Handlungs­bedarf besteht, und nun soll im UVP-G 2000  dafür Vorsorge getroffen werden, dass Windkraftanlagen schneller realisiert werden können. Dafür wird dem Bundesgesetzgeber eine weitreichende gesetzliche Befugnis eingeräumt. Die grün-schwarze Politik lautet: anstatt Personalressourcen für die UVP-Verfahren zu erhöhen, um diese zu beschleunigen, lieber den Weg, die Rechte der österreichischen Bevölkerung zu beschneiden, zu gehen.

Worum geht es? – Die Regelung zielt darauf ab, dass Windkraftanlagen unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne die aktuelle, im Einklang mit den Ausbauzielen des § 4 des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes stehende planungs­rechtliche Festlegung genehmigt werden können. – Herr Minister, ich frage mich: Was hat Ihnen, im Besonderen aber Ihrer Kollegin, die österreichische Bevölkerung getan, dass diese grüne Ministerin – wie es scheint, durch Ideologie getrieben – immer neue, weitere Angriffe gegen die demokratischen Rechte der österreichischen Bevölkerung startet?

Untermalt wird das zusätzlich noch dadurch: Ich will ja nicht zu den glorreichen Vorschlägen Ihrer Kollegin Gewessler betreffend Energiesparen kommen, aber sich ihrer Vorbildwirkung bewusst seiend sollte sie nicht mit dem Privatjet durch die Gegend fliegen oder anstatt mit dem Kfz oder der Bahn zu fahren mit dem Flugzeug von Bratislava nach Wien fliegen.

Mit diesem heute zur Beschlussfassung vorgelegten Gesetz, welches wieder von der politischen Einheitspartei mit den Farben Schwarz, Türkis, Grün, Rot, Pink verabschiedet wird, soll gegen den Willen der ortsansässigen Bevölkerung, gegen den Willen von Gemeinden die Möglichkeit bestehen, Windkraftanlagen und die dazugehörige Infrastruktur zu errichten. Um es in der Vogelsprache, in


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der sich Ihre Ministerkollegin ja gut auskennt, auf den Punkt zu bringen: Wenn sich ein seltener Vogel in einem Gebiet aufhält, dann darf die Straße nicht gebaut werden. Der in einer Gemeinde, in einer Region wohnhaften Bevölkerung soll in Zukunft das demokratische Recht entzogen werden, sich zum Beispiel durch eine Volksbefragung für oder gegen Windräder auszusprechen. Wir Freiheitlichen stehen auch in diesem Punkt auf der Seite der Bevölkerung und werden diesem demokratiefeindlichen, ideologiegetriebenen, bevölkerungsfeindlichen Gesetz die Zustimmung verwehren. (Beifall bei der FPÖ.)

Noch eines zu den grünen Themen: Wenn Ihre Kollegin zum Beispiel fordert, dass die Bevölkerung – alle – von ihren Pkws mit Verbrennungsmotoren auf Elektro umsteigen sollen und gegenüber der Bevölkerung massiv Druck ausübt, dann hören Sie mir, Herr Minister, vielleicht einmal gut zu: Um eine Batterie eines der derzeit meistgekauften Elektroautos herzustellen, benötigt man 12 Kilogramm Lithium, 30 Kilogramm Nickel, 22 Kilogramm Mangan, 15 Kilo­gramm Kobalt, 100 Kilogramm Kupfer, 200 Kilogramm Aluminiumstahl und Kunststoff. Diese gewinnt man aus 12 Tonnen Lithiumsalzen, 5 Tonnen Erz für Kobalt, 3 Tonnen Erz für Nickel, 12 Tonnen Erz für Kupfer. Insgesamt werden für eine Akkubatterie eines Elektroautos 250 Tonnen Erdkruste bewegt. Bei den 4,8 Millionen Pkw, die derzeit in Österreich zugelassen sind, wäre das alleine eine Erdbewegung von 1,2 Milliarden Tonnen – plus die 548 000 Lkw, die in Österreich zugelassen sind, die natürlich einen größeren Akku benötigen, der circa 2 100 Kilogramm hat. Das sind weitere 411 Milliarden Tonnen, sprich: 1,6 Milliarden Tonnen Bewegung dafür, dass allein in Österreich alle auf Elektro umgestellt werden. Da rede ich gar nicht davon, wo wir den Strom hernehmen: Der kommt nicht aus der Steckdose. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Wie glaubwürdig diese Bundesregierung arbeitet und handelt, wurde ja auch wieder bei der gestrigen Abstimmung im EU-Ausschuss, bei der es um das Aus für Verbrenner 2035 gegangen ist, bewiesen. Unser freiheitlicher Antrag gegen das Aus für Verbrenner 2035 wurde vonseiten der ÖVP, der SPÖ und der Grünen natürlich abgelehnt. Anscheinend nehmen aber nicht einmal mehr die


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ÖVP-Bundesräte den abgehobenen Nochbundeskanzler, der aus dem 35. Stock zur Bevölkerung spricht – intern bezeichnet er ja, wie wir wissen, die öster­reichische Bevölkerung als Pöbel –, ernst. (Bundesrat Buchmann: Hallo! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Für mich ist das Ganze alles nur mehr fahrlässig. In der Privatwirtschaft würden solche Geschäftsführer für ein solches Verhalten die fristlose Kündigung bekommen.

Ich und meine freiheitlichen Kollegen sind der Meinung, dass Sie, Herr Minister, nicht warten sollten. Nehmen Sie Ihre Ministerkollegen, treten Sie zurück und machen Sie den Platz für Personen frei, die nicht ideologiegetrieben agieren und eine Ahnung von der Materie haben! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

11.58


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächstem erteile ich, wenn er mir die Möglichkeit dazu gibt, Herrn Kollegen Adi Gross das Wort. – Bitte. (Bundesrat Kornhäusl: Das war schon ein Teil der Dringlichen!)


11.58.21

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister und ehemaliger Energie- und Umweltlandesrat! – Das passt gut zum Thema. Also was das jetzt für eine Rede war, kann, glaube ich, nur Kollege Bernard selber beantworten. Ich wäre wirklich sehr dafür, wenigstens irgendwo in Rufweite des Themas einer Tagesordnung zu bleiben (Beifall bei Grünen und ÖVP – Zwischenrufe bei der FPÖ), und das UVP-Gesetz haben Sie offenbar nicht gelesen; aber das werde ich gleich erörtern.

Wir haben uns mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz ein wirklich wichtiges Ziel gesetzt, nämlich – Sie wissen das – bis 2030 die Stromversorgung vollständig auf erneuerbare Energieträger umzustellen. Dazu ist ein Zubau von 27 Terawatt­stunden gesetzlich verankert. Ich möchte das ein bisschen in Relation rücken, damit man versteht, was das heißt. Der Strombezug aus dem öffentlichen Netz beträgt in Österreich pro Jahr ungefähr 60 Terawattstunden.


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27 Terawattstunden wollen wir in acht Jahren, nachdem  wir damit gestartet haben, dazubauen. Das ist schon eine Challenge, und die jetzige Preiskrise und der Ukrainekrieg, denke ich, haben gezeigt, wie wichtig und richtig dieses Gesetz ist. (Präsident Kovacs übernimmt den Vorsitz.)

2030, darauf sei auch hingewiesen, ist nicht das Ende der Fahnenstange beim Ökostromausbau, da wird es nämlich erst noch einmal so richtig losgehen. Der Stromverbrauch wird weiter steigen, weil sich die Gesellschaft in allen Bereichen quasi elektrifiziert. Der Stromverbrauch wird weiter steigen, weil wir dringend Wasserstoff, der hergestellt werden will, in der Industrie brauchen – und sicher keinen Wasserstoff etwa in der Individualmobilität brauchen.

Damit die Ausbauziele realisiert werden können, braucht es vieles, unter anderem natürlich eine Verbesserung und Beschleunigung der Genehmigungs­verfahren. Genau das ist ein zentrales Anliegen der Novelle, nämlich die Energiewende voranzutreiben und zu beschleunigen, und dafür gibt es eine Reihe von Verbesserungen. So werden sämtliche Vorhaben der Energiewende – das ist definiert; das sind alle Projekte, die zur Errichtung, Erweiterung, Änderung von Anlagen zur Erzeugung, Speicherung oder Leitung erneuerbarer Energien dienen – per se als im öffentlichen Interesse stehend definiert. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Es betrifft also Windparks, Biomassekraftwerke, Wasserkraftwerke, Leitungssysteme. Das wird dann bei der Abwägung der Interessen im Verfahren die Position solcher Energiewendeprojekte stärken.

Wie macht man das konkret? – Neben dem öffentlichen Interesse wird zum Beispiel festgelegt – ein wichtiger Punkt! –, dass Einwendungen, die natürlich legitim sind, in Hinkunft konkret begründet sein müssen. Wenn sie nicht konkret begründet sind, entfalten sie keine aufschiebende Wirkung. Diese quasi Blanko- oder Standardbeschwerden werden in Zukunft nicht mehr verzögernd wirken können. Zudem sind solche Einwendungen zeitgerecht, mindestens eine Woche vor der mündlichen Verhandlung, einzubringen. Das schafft Zeit für die Sachverständigen, für die Verfahrensleitung, sich damit zu beschäftigen, um dann das Verfahren effizient abwickeln zu können.


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Ein wichtiger Punkt – das war ein großes Anliegen vieler Projektanten, das auch verständlich ist – war, den Stand der Technik als im Zeitpunkt festgelegte Auflage des Verfahrens zu definieren. Das ist ganz wichtig: Verfahren dauern mitunter länger, und ändert sich der Stand der Technik und verbessert er sich, hat es mitunter quasi geheißen: Zurück an den Start, Neudefinition des tech­ni­schen Konzeptes! – Das wird es in Zukunft nicht mehr geben.

Die wohl meistdiskutierte Änderung befindet sich in § 4a; dabei geht es eben genau um diese Genehmigung von Windparks. Was wird da tatsächlich festgelegt? – Es wird einerseits festgelegt, dass, wenn ein Bundesland zwar eine überörtliche Raumplanung für Windenergie hat, aber keine Konkretisierung auf der regionalen, örtlichen Ebene, die Errichtung von Windenergieanlagen trotzdem zulässig ist; also von solchen Anlagen, die über der UVP-Schwelle sind, darunter gilt ja sowieso ein anderes Regime. Das ist ein wichtiger Punkt.

Andererseits werden die Gemeinden nicht entmachtet. Das Gegenteil ist der Fall, sie werden gestärkt. Liegen nämlich keine überörtlichen Zonenplanungen eines Landes vor, kann die Gemeinde, gemeinsam mit einem Projektanten, hergehen und trotzdem Windenergieanlagen errichten. Das ist ein ganz wichtiger Punkt zum Verständnis, wie dieser Paragraf in der UVP-Novelle gemeint ist.

Gemeinden, die engagiert sind und einen Beitrag leisten wollen, können das in Zukunft tun, auch wenn es keine überörtliche Raumplanung gibt. Solche Gemeinden gibt es viele, zum Beispiel auch die des Kollegen Auer, der sich vorhin verabschiedet hat. Das ist auch so eine Gemeinde, die sehr engagiert ist und damit eigentlich gestärkt wird.

Weil es immer wieder kommt und Kollege Bernard das auch breitgetreten hat – ich erachte das als mutwilliges Missverständnis, aber es gibt auch nicht mutwillige Missverständnisse –, möchte ich anmerken, dass es halt nicht stimmt, dass diese Bestimmungen, die jetzt geändert werden, andere einzuhaltende


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Kriterien aushebeln. Das tun sie nicht. Selbstverständlich sind naturschutz­rechtliche Bestimmungen einzuhalten, selbstverständlich sind Mindestabstände einzuhalten, selbstverständlich sind die Rechte Dritter zu berücksichtigen. Alles das ändert sich nicht; Projekte können nur eben nicht mehr aufgrund fehlender energieplanerischer Festlegungen verhindert werden. Das ist der Punkt. Übri­gens wird in diesen Tagen ein Schreiben des BMK – eine Klarstellung – an die Behörden ergehen, wie das zu verstehen und auszulegen ist.

Es geht also nicht darum, Rechte Dritter oder von Gemeinden zu mindern, ganz und gar nicht, es geht vielmehr darum, eine Motivation zu setzen, Planungen zu machen. Das sagt eben auch § 4a im ersten Satz: dass Wind­kraftanlagen vorrangig dort errichtet werden sollen, wo rechtlich verankerte Zonen sind. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Ich möchte das noch einmal hervorheben: Man kann im UVP-Verfahren vieles machen, und man macht es auch, aber die wichtigste Beschleunigung für die Energiewende, um die Ausbauziele zu erreichen, ist entsprechende strategische Planung auf Landes- und Gemeindeebene – das ist ganz, ganz wichtig! –, denn das schafft Planungssicherheit, und nicht nur das, es verhindert Konflikte und bringt auch Ordnung in das Ausbaugeschehen hinein.

Ein hoher Stellenwert kommt in der UVP-Novelle, eben genau in dieser Denklogik, jetzt den strategischen Umweltprüfungen zu. Liegt eine solche vor, kann im Verfahren in vielen Punkten auf diese Bezug genommen werden und ganz viele Sachen müssen im Verfahren nicht mehr geprüft werden. Also da wieder die Botschaft – eine Motivation –: Bitte in einem demokratischen Prozess im Vorfeld Zonen festlegen und diese Zonen mit einer SUP verknüp­fen! – Das ist die beste Voraussetzung für schnelle Verfahren, und das UVP-Gesetz unterstützt jetzt genau das. Das ist einmal ein ganz, ganz wichtiges Verständnis dieser ganzen Sache; das ist der Kern bei der Beschleunigung bei den Energieprojekten.


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Das machen übrigens einige Bundesländer und Gemeinden – es ist ja nicht so –, aber nicht alle, und ich möchte daran erinnern, dass es im Rahmen von Repower EU – ein Beschluss dieses Paketes ist übrigens im nächsten Quartal wahrscheinlich beziehungsweise hoffen wir darauf – ohnehin eine verbindliche Ausweisung von sogenannten Go-To-Areas geben wird. Das heißt, Länder müssen dann – bei uns ist das ja subsidiär – solche Flächen verbindlich ausweisen und verankern, und zwar in einem Ausmaß, mit dem nachgewiesen werden kann, dass die nationalen Ziele erreicht werden können. Darum ist es gescheit, sich dem Thema zu widmen und nicht auf den letzten Moment zu warten.

Und noch einmal: Das UVP-Gesetz belohnt genau das – wenn man solche Planungen vorher gemacht hat. Die UVP-Novelle motiviert dazu, mehr Klarheit zu schaffen. Sie wird kürzere Verfahren bringen und zum Anliegen der Energiewende beitragen, ohne die berechtigte Mitsprache von Bürger:innen­initiativen einzuschränken. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Neurauter.)

12.07


Präsident Günter Kovacs: Danke, Herr Bundesrat.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Josef Ofner. – Bitte sehr, Herr Bundesrat.


12.07.49

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen! Geschätzte Zuhörer! Wenn wir jetzt diesen Ausführungen des Herrn Kollegen Gross gefolgt sind: Ich muss sagen, da kriege ich es direkt mit der Angst zu tun, denn das ist genau diese grüne Verbotspolitik, mit der man mit Zwangsgewalt alles Mögliche umsetzen will. (Beifall bei der FPÖ.) Gerade wenn wir uns den Bereich der Windkraftanlagen anschauen: Wir sprechen in diesem Zusammenhang von einem demokratiepolitisch bedenklichen Anschlag auf Länder und Gemeinden, die autonom handeln dürfen müssen.


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Da gehen Minister einfach her – wir haben das schon erlebt, es war ja bei Corona nicht anders – und hebeln ganz unverfroren die Gemeinde- und Länderkompetenzen aus, was allein ihrer ideologischen Verblendung geschuldet ist. Wir haben es ja gesehen, was passiert, bei Herrn Anschober, bei Herrn Mückstein oder auch bei Ihnen, Herr Rauch. Wenn man das bemerkt und draufkommt: Hoppala, irgendwie hat man einen Irrweg eingeschlagen und das war der völlige Wahnsinn!, versucht man zurückzurudern und glaubt, die Leute werden schon irgendwie vergessen haben, welchen Schwachsinn man über Jahre verzapft hat und was man angerichtet hat.

Dasselbe haben wir jetzt auch beim Klima. Da will man diktatorische Zügel anlegen, mit denen man die Gemeindeautonomie zu Fall bringt. Verfassungs­rechtliche Bedenken, die auch von den Ländern kundgetan werden, werden einfach weggewischt. Die Länder kürzt man entsprechend auch in Bezug auf die Raumordnung, auf den Naturschutz oder auf den Umweltschutz. Man will mit einer Novelle einfach alles untergraben und glaubt, die Gesetzmäßigkeiten entsprechend aushebeln zu können.

Ich sage Ihnen, das wird es sicher nicht spielen, und schon gar nicht unter dem schwindligen Vorwand, dass man energiepolitisch nicht mehr vom russischen Gas abhängig sein will. Was wollen Sie denn dann tun? 80 000 Windräder in Österreich aufstellen? – Das wäre ungefähr die Anzahl, die wir brauchen würden, um das Gas kompensieren zu können. (Beifall bei der FPÖ.)

Oder was wollen Sie dann tun? (Bundesrat Preineder: Biogasanlagen! – Zwischen­ruf des Bundesrates Novak.) Blindlings in die nächste Abhängigkeit vom nächsten diktatorischen Staat wandern, nach China nämlich, denn dort kommen die ganzen Produkte her – das ist dann aber vollkommen irrelevant, da hat man eine Scheuklappenpolitik mit einem Tunnelblick, Hauptsache erneuerbare Energie mit Windkraft, egal wie hoch die Emissionen sind –, Produkte, bei deren Produktion ebenfalls die Umwelt zerstört wird?


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Das ist auch egal, wichtig ist, dass wir in Österreich von 0,2 Prozent des welt­weiten CO2-Ausstoßes vielleicht auf 0,1 Prozent kommen. Dass China derweil vielleicht von 28 auf 35 Prozent kommt und dass die Ressourcen­gewinnung bei den Emissionen auch entsprechend hoch ist, ist völlig irrelevant. Im grünen Paralleluniversum wird das einfach so gesehen und dieser Wahnsinn auch entsprechend umgesetzt.

Wir brauchen ja nur nach Kärnten zu schauen: Kärnten gewinnt bereits jetzt seinen Strom zu 100 Prozent aus erneuerbarer Energie, und trotzdem gibt es diese Grün:innen, die zwar unseren Energiemasterplan kennen, aber sagen: Nein, wir müssen 150 Windräder auf unseren Bergen aufstellen! – Das ist der Zugang jener, die eigentlich einmal Umweltpolitik gemacht haben. Da ist es dann egal, ob der Wind in Kärnten weht oder nicht, Hauptsache wir stellen das auf.

Jetzt kommt der umweltpolitische Wahnsinn dazu: Da redet auf einmal kein Mensch mehr von der Bodenversiegelung. Wo höre ich da die Aufschreie bezüglich Bodenversiegelung? Wenn man einen Sicherheitsausbau machen will auf unseren Autobahnen, auf unseren Autostraßen, wo es jährlich Todesopfer zu beklagen gibt, dann redet man von der Bodenversiegelung. Dann sind Unfälle und Todesopfer völlig egal. Da darf man den Sicherheitsausbau nicht machen – wie auf unserer B 317 beispielsweise –, und zwar mit dem Hinweis auf die Bodenversiegelung.

Wenn man aber unsere Almen und Berge mit meterbreiten Straßen zuplaniert, wenn man Stromleitungen braucht und die verlegt werden müssen, wenn Tausende Kubikmeter Beton auf die Berge gegossen werden und man nachher draufkommt, dass das Netz nicht einmal dafür ausgelegt ist, den Strom auch entsprechend transportieren zu können, dann ist das völlig wurscht! Da geht es einfach genau gemäß dem Motto dieser Chaosregierung: „Koste es, was es wolle“, ob es um unsere unberührte Natur geht, um Tiere, die aus ihren Refugien vertrieben werden, oder um den Tourismus, der daran glauben muss – alles vollkommen egal. (Beifall bei der FPÖ.)


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Da frage ich mich schon: Wie verrückt muss man wirklich sein, um sich so aufzuführen, dieser Utopie zu verfallen und auch noch zu glauben, das Richtige zu machen? Glauben Sie wirklich, dass sich die Länder, beispielsweise Kärnten, und Gemeinden das gefallen lassen? Wenn Sie sagen, die Gemeinden haben da gewisse Möglichkeiten, muss ich entgegnen: Nein, Sie zwingen die Gemeinden mit Ihren Projektanten, solche Projekte dann umzusetzen. Die Gemeinden wollen das bei uns gar nicht umsetzen.

Vielleicht haben auch Sie in Kärnten schon einmal diese Wahrnehmung gehabt: Die wollen das nicht umsetzen und sagen: Wir brauchen auf unseren Bergen, in unserer Natur keine Windräder, wir haben beispielsweise Wasserkraft! (Bundesrätin Schumann – erheitert –: Ja, schaut schlecht aus mit der Wasserkraft, ganz schlecht, Herr Bundesrat!) – Da sind noch 150 Kleinwasserkraftwerke im Genehmigungsverfahren. Das wird nicht umgesetzt – übrigens von Ihren Roten, liebe Frau Schumann. Das ist in der Pipeline, das wird nicht gemacht, aber dafür stellen wir auf unseren Bergen Windräder auf, wirklich toll! Stellungnahmen werden wie gesagt entsprechend ignoriert.

Das ist eben der Kurzsichtigkeit dieser Grün:innen geschuldet, die glauben, damit eine energiepolitische Wende durchzuführen. Ich kann Ihnen eines verraten: Nichts davon ist der Fall. Selbstverständlich werden wir das auch verfassungs­rechtlich bekämpfen und auch heute diesem demokratiepolitischen Amoklauf keinesfalls die Zustimmung geben. (Beifall bei der FPÖ.)

12.14


Präsident Günter Kovacs: Danke sehr, Herr Bundesrat.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Ferdinand Tiefnig. – Herr Bundesrat, ich bitte um Ihre Ausführungen.


12.14.34

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörerinnen und


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Zuhörer! Mit der UVP-Gesetz-Novelle ist es wie mit einer Münze: Sie hat zwei Seiten.

Auf der einen Seite muss ich aus oberösterreichischer Sicht sagen, dass beispielsweise die Firma Fronius mit ihrer Produktion von Wechselrichtern viele Arbeitsplätze schafft. Auch im Biomassebereich entstehen Biomasse­anlagen­firmen beziehungsweise werden diese größer und schaffen weitere Arbeits­plätze. Auf der anderen Seite gibt es eben die Möglichkeit, den Energiemix in Österreich voranzutreiben. Wir werden nämlich nicht alleine Windkraft, Solarkraft und Wasserkraft als Hauptenergiequellen haben, sondern wir werden den Energie­mix brauchen, der auch Biogas und andere Energieformen beinhaltet.

In diesem Sinne, glaube ich, ist es wichtig, dass hier heute mit der UVP-Novelle Schritte gesetzt werden, sodass wir auch wirklich sagen können: Es wird der Boden entsprechend geschützt und der Bodenverbrauch reglementiert. – Das ist, glaube ich, auch wichtig für die Zukunft. Wir müssen nicht nur schauen, dass wir die Energieversorgung mehr in der Hand haben, sondern auch, dass in Zukunft die Lebensmittelversorgungssicherheit gegeben ist.

Dieser Schritt wird teilweise auch schon in manchen Bereichen – auch hinsicht­lich UVP oder deren Novellen – bekämpft. Ich denke da etwa an die Indus­trieemissionsrichtlinie der Europäischen Union, wonach man dann auf einmal auch als Landwirt mit wenigen Tiereinheiten eine UVP-Prüfung machen sollte. Da haben wir leider keine Novelle oder keine gemeinsame Stellungnahme mit unserem Koalitionspartner zusammengebracht. Wir sind aber da mit der UVP-Novelle dabei, dass wir auch im Energiebereich entsprechende Maßnahmen setzen können, dass die Verfahren schneller abgewickelt werden können, dass auch die Gemeinden miteingebunden sind und dass ein gesamtes Verfahren abgewickelt werden kann.

Auch das sehr wichtige Thema Bodenverbrauch ist da ganz stark verankert. Wir verlieren immer mehr Fläche durch Verbau, seien es Baumaßnahmen für


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Handelsketten, für Parkplätze, für Gebäude oder für anderes, mit diesen wird der Flächenverbrauch entsprechend vorangetrieben.

Aber das Thema ist Klima. Im Klimabereich bereiten uns in den letzten Jahren ganz stark, etwa im Waldviertel, aber auch bei uns, einerseits die starken Stürme und andererseits die Borkenkäfer Probleme. Daher dürfen wir auch nicht wegschauen, wenn wir die fossilen Energieträger immer mehr hinausdrängen wollen. Die Speicherkapazität von Batterien, aber auch jene von Speicherkraft­werken wird ein Thema sein, um auch dementsprechend Energie zu gewinnen, die wir brauchen, wenn die Sonne nicht scheint, wenn der Wind nicht weht. Daher müssen wir eben schauen, dass wir das vorantreiben.

Daher wird es wichtig sein, dass wir mit der UVP-Novelle auch in den anderen Bereichen – nicht nur bei Windrädern, sondern in vielen anderen Bereichen auch – Maßnahmen setzen können. Daher werden wir, die ÖVP-Fraktion, dieser Novelle des UVP-Gesetzes zustimmen. – Danke schön für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.18


Präsident Günter Kovacs: Danke sehr, Herr Bundesrat.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Daniel Schmid. – Bitte, Herr Bundesrat.


12.18.22

Bundesrat Daniel Schmid (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren via Livestream! Zunächst muss ich etwas ausholen, denn so manche – auch hier in unseren Reihen – verstehen es nicht.

Ich kann mich noch ganz gut an die Weihnachtsfeiertage im Jahr 2015 erinnern. Damals war ich daheim auf der Terrasse – ich lebe auf circa 1 000 Meter Seehöhe – und habe die Sonne genossen, bekleidet mit einem kurzärmeligen T-


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Shirt. Heuer tat ich exakt am 1. Jänner dasselbe, aber diesmal hatte ich noch eine kurze Hose an – am 1. Jänner, auf 1 000 Meter Höhe!

Nun gut, da können wir jetzt sagen, das sind Wetterereignisse, wie sie halt hie und da einmal vorkommen. Ein Wetterereignis ist halt ein momentaner Zustand der Atmosphäre zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort, und in diesem Fall war das halt bei mir daheim im Tiroler Oberland.

Wenn wir den Zeitraum auf den gesamten bisherigen Winter ausdehnen, so sehen wir, dass wir beispielsweise in Tirol einen bisher ungewöhnlich nieder­schlagsarmen und warmen Winter hatten. Und wenn wir dann die letzten 23 Jahre Revue passieren lassen, erkennen wir, dass seither Österreich jedes Jahr im Vergleich zum Langzeitschnitt überdurchschnittlich hohe Temperaturen aufweist.

Macht man in weiterer Folge eine statistische Auswertung der aufgezeichneten Messdaten über einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren, dann ergibt sich ein Mittelwert, und diesen Mittelwert, sehr geehrte Damen und Herren, nennt man Klima. Unter den 25 wärmsten Jahren seit Beginn der Messgeschichte vor 256 Jahren liegen 18 im Zeitraum zwischen dem Jahr 2000 und 2022.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wissenschaft ist sich darüber einig, dass wir uns in einer Phase einer äußerst besorgniserregenden Erwärmung des Klimas befinden. Die globale Erwärmung der letzten Jahrzehnte beruht auf der starken Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre, die dem Verhalten und Handeln der Menschen vor allem seit der Industrialisierung geschuldet ist. Die negativen Folgen für uns, aber vor allem für die künftigen Generationen werden wirklich beispiellos sein. Die Land- und Forstwirtschaft in Österreich spürt es ja bereits jetzt, und im globalen Süden sind die Auswir­kungen mittlerweile schon verheerend.

Wir hier in Österreich sind ein Teil dieses globalen Problems. So haben wir in Österreich pro Jahr einen Ressourcenverbrauch, für den man mehr als


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dreieinhalb Erden bräuchte; das ist das Doppelte des weltweiten Durchschnitts. Umso unverständlicher ist es für mich – ja, es hat mich nahezu sprachlos gemacht –, dass ein türkiser Bundeskanzler zum Klimaquacksalber mutiert, dessen Ignoranz gegenüber der Wissenschaft zum Himmel schreit. (Beifall bei der SPÖ.)

Dass sich das Klima durch menschliches Handeln rasch ändert und sich die Erde erwärmt, wissen wir ja schon sehr lange. So startete beispielsweise etwa der Deutsche Bundestag bereits 1987 die Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“, die 1994 ihren Abschlussbericht veröffentlichte. Das Fazit von damals war, es müsse etwas gemacht werden, es sollten ganz konkrete Maßnahmen definiert werden. Heute ist uns die Dringlichkeit erst recht bewusst, dass wir entsprechende Maßnahmen nicht nur definieren, sondern treffen müssen. Daher ist Nehammers Aussage zum Klimawandel in seiner skurrilen Zukunftsrede völlig entbehrlich, wie auch er selbst spätestens durch diese befremdliche, wirklich befremdliche Rede als Bundeskanzler dieses Landes entbehrlich ist. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Kornhäusl: Hallo!)

Wir müssen jetzt rasch handeln und noch stärker als zuvor auf erneuerbare Energie setzen.

So, sehr geehrte Damen und Herren, damit komme ich jetzt zur Umwelt­verträglichkeitsprüfung, zum Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz. (Bundesrat Kornhäusl: Ah, eh schon!) Es wurde hier schon einiges dazu gesagt, deswegen werde ich mich jetzt da nicht noch einmal in Details verlieren. Das überarbeitete UVP-Gesetz soll einen Beitrag dazu leisten, zum Beispiel Genehmigungen von Vorhaben der Energiewende eben entsprechend zu beschleunigen, denn es ist bereits fünf vor zwölf. (Bundesrat Hübner: Nach zwölf!) Es ist unbestritten, dass die Genehmigungsverfahren einfacher - - Richtig, Kollege, nach zwölf, ja richtig (Bundesrat Hübner: Es war schon 1987 nach zwölf!) Es ist unbestritten, dass die Genehmigungsverfahren einfacher und schneller abgearbeitet werden müssen, denn es kann ja nicht sein, dass Projektwerber über mehrere Jahre hinweg


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darauf warten müssen, bis sie endgültig wissen, ob sie das Vorhaben realisieren können oder nicht.

Das UVP-Gesetz enthält durchaus gute Ansätze. Es sind gute Absichten darin zu erkennen. Ob die Verfahren dadurch aber wirklich schneller und beschleunigt werden, das stelle ich hier schon infrage. Es braucht dafür nämlich gerade in den Bundesländern definitiv mehr Ressourcen und mehr Personal, also folgerichtig auch mehr Geld. Der Bund ist da eben gefordert, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, damit die Länder die erforderlichen Maßnahmen auch realisieren können, um die Verfahren so wie gewünscht zu beschleunigen. Und das erkenne ich leider nicht.

Wir laufen Gefahr, dass die Verfahrensbeschleunigung letztendlich auf Kosten des Naturschutzes geht und eben der Klimaschutz gegen den Naturschutz ausgespielt wird. Ich vermisse auch den bundesweiten Pool für Sachverständige, der bis zum angekündigten Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz auf­geschoben wurde, wann auch immer dieses Gesetz kommen mag.

Frau Bundesministerin Gewessler hat davon gesprochen, dass die Gesetzes­änderung „eine Überholspur für die Energiewende“ mit sich bringen werde. Ja, das sehe ich auch so, ich sehe es halt aus einer anderen Perspektive. Eine Ausgewogenheit zwischen der so dringend notwendigen Energiewende einer­seits und dem Naturschutz sowie dem Schutz der Biodiversität andererseits lässt sich meines Erachtens nur schwer erkennen. Einer Forcierung der Energiewende mit fadenscheiniger Berücksichtigung des Artensterbens kann ich wenig abgewinnen, denn die Biodiversitätskrise ist in ihrem Ausmaß sowie als Bedro­hung unserer Lebensgrundlage mindestens gleich relevant und sollte von der Energiewende nicht überholt werden.

Letztendlich ist es aber von enormer Bedeutung, dass wir bei der Energiewende rasch voranschreiten. Daher werden wir dem Gesetzentwurf zustimmen, wenn


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auch mit etwas Bauchschmerzen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Bun­des­rätin Eder-Gitschthaler: Also doch!)

12.27


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Johannes Rauch. – Bitte, Herr Minister.


12.28.01

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Es sind zwei Punkte, auf die ich in aller Kürze eingehen möchte, weil es die beiden wichtigsten Punkte sind. Im Detail hat ja Bundesrat Adi Gross die Reform schon dargestellt. Im Verfahren stellt die Energiewende jetzt eben ein beson­deres öffentliches Interesse dar. Dadurch kommt diesem Aspekt in der Prüfung eine hohe Bedeutung zu. Es geht darum, dass Doppelprüfungen im Verfahren verhindert werden sollen, dass die Verfahren besser strukturiert werden und es damit für alle Beteiligten einfacher wird, die Verfahren effizient abzuwickeln.

Die Windkraft ist jene Energiequelle, die uns auch in den niederschlagsarmen Monaten des Winters mit Energie versorgt – Stichwort: Wasserkraft. Darum wird ihr Ausbau immer wichtiger und wird zukünftig auch ermöglicht, falls Bundesländer es verabsäumt haben, eine Energieraumplanung durchzuführen.

Diese Novelle bringt wichtige Verbesserungen betreffend Bodenschutz, denn der Schutz von unversiegelten Flächen ist eine große Herausforderung im Umweltschutz. In Österreich ist die tägliche Flächeninanspruchnahme mit rund 10 Hektar viel zu hoch. Damit verschwinden nicht nur wertvolle Grünflächen, sondern im Falle von Versiegelung auch Versickerungsflächen, die als Schutz vor Hochwasserereignissen dienen. Vor allem dienen die noch vorhandenen Grünflächen als Nahrungsgebiete jedoch der Lebensmittelproduktion und als


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Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen, und darum wird bei Groß­projekten die möglichst geringe Versiegelung in den Fokus gerückt.

Dies geschieht am besten bereits in der Planungsphase von Projekten, weshalb zukünftig im Rahmen der Umweltverträglichkeitserklärung ein Bodenschutz­konzept zu erstellen ist, das darlegt, wie der Boden besser geschützt wird. Außerdem werden Schwellenwerte für besonders flächenintensive Vorhaben erstmals festgelegt beziehungsweise abgesenkt, zum Beispiel für Parkplätze oder Logistikzentren.

Einen Punkt möchte ich noch herausgreifen, weil es auch erwähnt worden ist: Natürlich gibt es – Stichwort Biodiversität und besondere Rücksichtnahme auf alpine Landschaften – auch Grenzen, weshalb Kleinwasserkraftwerke jetzt auch in Einzelverfahren abgewickelt werden müssen, aber – und das ist auch von den Vorrednern dargelegt worden – die Energiewende hat Priorität, und wenn es darum geht, die Abhängigkeit von russischem Gas, die wir alle beseitigen wollen, zu beseitigen, dann müssen die Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass das forciert möglich ist. Das wird mit dieser Gesetzesnovelle sichergestellt. Es ist ja der Ausbau der Erneuerbaren – ob jetzt Fotovoltaik, Windkraft oder Wasser­kraft – in Österreich sehr am Vormarsch, das Interesse daran ist ungebrochen.

Ein wichtiger Aspekt, den ich erwähnen möchte, ist: Daran hängen Zehntau­sende von Arbeitsplätzen. Es ist jetzt akuter denn je, die Arbeitsplätze der Zukunft in diesen Branchen zu sichern. Es gibt Vorzeigeunternehmen in Öster­reich, die Weltmarktführer im Bereich der erneuerbaren Energien sind. Es gibt in Vorarlberg ein Unternehmen namens Bachmann Electronic, das weltweit sämtliche Windkraftanlagen mit Steuerungselementen ausstattet. Das gehört zu den absoluten Champions in dieser Frage und hat seine Mitarbeiterzahl und seine Umsätze extrem in die Höhe schrauben können. Wir wären gut beraten, auch diese Zukunftschancen auf dem Arbeitsmarkt und nicht nur die negativen Aspekte zu sehen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.31



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Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesminister.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Dr. Maria Huber. – Bitte sehr.


12.32.00

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher, die Sie unserer Debatte hier folgen, sei es im Haus oder auch via Livestream! Die Umweltverträglichkeitsprüfung – es freut mich wirklich, dass die SPÖ heute anscheinend ihre Liebe zum Umwelt- und Klimaschutz entdeckt hat; es freut mich, dass wir da künftig Projekte auch gemeinsam umsetzen können – ist ein wichtiges Instrument für den Schutz unserer Umwelt und für den Schutz unseres Klimas.

Allerdings – das ist mir auch sehr wichtig –: Wir beschließen heute hier im Bundesrat die gesetzliche Grundlage dafür, bei der Vollziehung des UVP-Rechts wiederum haben auch die Länder große Verantwortung.

Warum erwähne ich das? – In der Steiermark gab es leider in der Vergangenheit Vorkommnisse, die den Schluss nahelegen, dass innerhalb der zuständigen Umweltabteilung bei der Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen teilweise eklatante Missstände vorgekommen sind. So sollen beispielsweise – in Medienberichten wurde das zitiert – zumindest in drei Fällen sogar Teile der Bescheide von den Projektwerbern selbst geschrieben worden sein. Das alles hat natürlich zu einem massiven Vertrauensverlust bei den Menschen in der Steiermark geführt.

Da ist die Landesregierung in Form der zuständigen Umweltlandesrätin von der SPÖ stark gefordert, denn um dieses Vertrauen in die Behörde wiederzuge­winnen, braucht es einerseits eine rasche lückenlose Aufklärung der Vorfälle, und andererseits muss dafür Sorge getragen werden, dass die Umweltabteilung des Landes auch über ausreichende personelle Ressourcen verfügt, um eine


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qualitativ hochwertige und objektive Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne aller beteiligten Parteien durchführen zu können, denn nur so können wir letztendlich sicherstellen, dass wir erneuerbare Energieträger an den geeigneten Standorten rasch und naturverträglich ausbauen können, so wie es auch in der vorliegenden Gesetzesnovelle vorgesehen ist.

Die Novelle des UVP-Gesetzes, die wir heute hier debattieren, ist eine sehr umfangreiche. Wir haben bereits sehr viel darüber gehört, und ich möchte das unterstreichen, was Kollege Tiefnig und auch unser Herr Minister schon ausgeführt haben, nämlich: Sie beinhaltet erfreulicherweise auch ein großes Bodenschutzpaket. Das Thema Bodenschutz ist angesichts des massiven Flächenfraßes in Österreich auch zu Recht ein sehr wesentlicher Punkt in dieser Novelle, denn – wir haben auch das gehört – kaum ein anderes Land hat einen so hohen Pro-Kopf-Flächenverbrauch wie Österreich.

Mit dem neuen UVP-Gesetz, das wir heute hier beschließen wollen, wird der ungehemmten Bodenversiegelung in zweifacher Weise ein Riegel vorgeschoben: Zum einen muss künftig in jeder Antragstellung ein detailliertes Bodenschutz­konzept mit Angaben zu Flächenverbrauch, Charakterisierung der Böden anhand einer Bodenfunktionsbewertung, Maßnahmen zur Reduktion der Inanspruch­nahme von Flächen sowie auch Maßnahmen zur Verringerung der Versiegelung enthalten sein, zum anderen werden Projekte auf bisher unversiegelten Flächen wesentlich strenger geprüft und bereits bei niedrigen Schwellenwerten UVP-pflichtig.

Der Flächenverbrauch wird somit in Zukunft bei Einkaufszentren, großen Parkplätzen und Logistikzentren, die meist an Ortsrändern auf der grünen Wiese geplant werden, zu einem zentralen Kriterium im Genehmigungsverfahren.

Kollege Schmid, mit der vorliegenden UVP-Gesetzesnovelle werden wichtige Schritte für die Erhaltung unserer Zukunftsressource Boden und auch für die Biodiversität, die damit zusammenhängt, gesetzt. Das wird eine deutliche Entlastung bringen, denn sparsamer Flächenverbrauch und Bodenschutz sind die


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größten Hebel für den Erhalt von intakter Natur. Ich bitte daher um breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.36


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.

Ich darf aus Oberösterreich den Pensionistenverband des Bezirkes Rohrbach bei uns recht herzlich begrüßen. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ing.in Isabella Kaltenegger. – Bitte, Frau Bundesrätin.


12.36.38

Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Rohrbacherinnen und Rohrbacher! Diese Novelle bringt eine spürbare Erleichterung der UVP-Verfahren, und das ist wirklich wichtig.

Wir haben inhaltlich schon sehr viel gehört. Mehr als 20 neue Regelungen zielen auf eine Beschleunigung und Vereinfachung von UVP-Verfahren ab. Es gibt überall Personalmangel – das ist angesprochen worden –, deswegen geht es auch um Effizienz durch Digitalisierung: Sachverständige können zum Beispiel zugeschaltet werden und müssen nicht mehr vor Ort bei den Verhandlungen dabei sein. Es geht um Erleichterungen bei den Abnahmeprüfungen: Es gibt keine Doppelprüfungen mehr. Verfahrensverzögerungen durch sukzessives Nachschieben von Beschwerdegründen sind auch nicht mehr zulässig, und so ist eine bewusste Verzögerung auch schwerer zu bewerkstelligen.

Das alles hat sehr, sehr positive Auswirkungen auf unsere Energiewende. Das sind wir den nächsten Generationen auch schuldig, darüber sind wir uns, glaube ich, auch einig.


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Ein beschleunigtes UVP-Verfahren führt zu einer Verringerung bürokratischer Hürden, es führt aber auch zu geringeren Kosten und zu einer schnelleren Umsetzung von Projekten. Ein schnellerer Ausbau wird auch die Abhängigkeiten von den fossilen Brennstoffen reduzieren – wir alle wissen, was das im Moment bedeutet –, er wird auch zu niedrigeren Energiepreisen und zu einer Entlastung bei den Verbrauchern führen.

Letztlich bringt das uns allen Arbeitsplätze, die sehr wertvoll sein werden, und es stärkt auch den Standort Österreich mit all seiner Wettbewerbsfähigkeit. Darauf müssen wir immer achten. Deshalb glaube ich, dass wir dieser Novelle wirklich ohne zu zögern zustimmen können, und ich freue mich auf Ihre Unterstützung. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

12.38 12.38.35


Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Bundesrätin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.39.054. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird (3086/A und 1942 d.B. sowie 11184/BR d.B. und 11186/BR d.B.)


Präsident Günter Kovacs: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.


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Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Dr.in Maria Huber. – Ich bitte um den Bericht.


12.39.35

Berichterstatterin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber: Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Bundesrätin.

Nun ist bei uns im Haus die zweite Gruppe des Pensionistenverbandes des Bezirkes Rohrbach. – Auch Sie heiße ich natürlich herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Johannes Hübner. – Bitte sehr, Herr Bundesrat.


12.40.37

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste aus dem Mühlviertel, nehme ich an! Bezirk Rohrbach klingt nach Mühlviertel. Gaswirtschaftsgesetz klingt nach einer trockenen Materie, ist es auch. Es geht eigentlich nur um zwei Dinge: Ein bestehendes Gesetz wird auf Grundlage oder in Befolgung einer Richtlinie der Europäischen Union dahin gehend novelliert, dass es eine sogenannte


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Speicherzertifizierung gibt. Ich werde gleich noch einige Worte dazu sagen, was das bedeutet. Zusätzlich wird der Kreis der begünstigten oder geschützten Bezieher auf die Erzeuger von Fernwärme ausgedehnt, wenn also Fernwärme­erzeuger Gas benötigen, sind sie auch geschützt.

Was bedeutet das mit offenen Worten? – Es bedeutet, dass die Europäische Union weitere Kompetenzen an sich zieht und die Möglichkeit der Nationalstaaten, selbst für die Sicherheit ihrer Gasversorgung zu sorgen, beschneidet. Es ist also in einem recht komplizierten Zertifizierungsprozess sicherzustellen, dass jederzeit sogenannte bedürftige Länder, die also ein Manko in ihrer Versorgung haben, aus den Vorräten weniger bedürftiger Länder oder gut vorratender Länder versorgt werden können.

Allein die Umstellung im Sinne dieser Zertifizierung wird, wie man aus dem Ministerium weiß – der Herr Minister wird es uns vielleicht genauer sagen –, zumindest 100 Millionen Euro kosten. Mit diesen 100 Millionen Euro haben wir dann einen weiteren Beitrag zum Abbau der österreichischen Energiesouverä­nität geleistet und sichergestellt, wie das auch in der Richtlinie heißt – ich habe mir das auch aufgeschrieben –, dass in erster Linie die Sicherheit der Union und ihrer Mitgliedsländer gewährleistet werden soll. Wieso die Union Gassicherheit braucht, erschließt sich mir nicht. Allenfalls brauchen das die Mitgliedsländer, denn das Gebäude der Union in Brüssel wird wohl von der Erdgasversorgungs­sicherheit des Königreichs Belgien abhängen und damit von jener eines Mitgliedstaates.

Warum sind wir dagegen? – Es ist nicht nur der weitere Verlust österreichischer Souveränität und Selbstsicherungsmöglichkeiten, sondern damit soll kaschiert werden, was für einen Schaden die sogenannte Sanktionspolitik in Europa ange­richtet hat. Diese Sanktionspolitik ist natürlich alternativlos und wird ebenso wie das im vorigen Punkt behandelte Klimathema geradezu religiös fortgeführt. Es gibt eine religiöse Grundsatzentscheidung, dass Russland das absolute Reich des Bösen ist und dass mit diesem Bösen niemand Geschäfte machen darf, koste es,


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was es wolle, koste es vor allem eigene Ressourcen und den Wohlstand der eigenen Bürger, so viel es wolle.

Das ist eine Art von Wirtschaftskrieg, den wir nicht freiwillig führen. Das muss man ganz klar sagen, auch wenn uns der Minister sagen wird: Ja, wir machen das alle freiwillig, weil wir alle unseren Werten verpflichtet sind und wir einen Aggressor bekämpfen müssen! – Das machen wir aber auf Kommando der Vereinigten Staaten, die das Sanktionsregime seit November 2021 fixfertig in der Schreibtischlade haben und seit 2017 auch gesetzliche Grundlagen geschaffen haben, sodass Sanktionsbestimmungen der USA universelles Recht werden. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Ich habe das ohnehin schon einmal hier erwähnt: Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act vom August 2017 und so weiter. All das wird uns natürlich verschwiegen, vorenthalten und nicht mitgeteilt, denn wir leben in der pseudoreligiösen Blase, in der es darum geht, das Böse zu bekämpfen, und in der weitere Fragen über die Hintergründe dieses Kampfes gegen das Böse nicht gestellt werden dürfen.

Man könnte hier zwar noch sehr, sehr viel sagen und sehr ins historische und zeitgenössische Detail eingehen, das mache ich aber nicht. Das, was ich gesagt habe, reicht, um darzulegen, dass wir dieser Novelle keinesfalls zustimmen werden. Wir verstehen es auch nicht ganz, dass die anderen Kollegen dem hier zustimmen werden, ohne sich ein bisschen vertieft mit diesen Dingen zu beschäftigen (Bundesrat Buchmann: Das ist eine Unterstellung!), sondern in der religiösen Blase bleiben, so wie wir es vorhin gehört haben, in der Klimaret­tungsblase. Der Kollege, der vier Redner vor mir dran war, hat ja davon gesprochen, dass man das alles seit 1987 weiß. Wer da ein bisschen in die Anfangszeiten des Weltklimarates, des Intergovernmental Panel on Climate Change, zurückge­blättert hat, wird gesehen haben, dass der für das Jahr 2020 das völlige Abschmelzen der Polkappen, das Aussterben der Eisbären, das Ansteigen der Meeresspiegel um 2 Meter und die Unbewohnbarkeit weiter Tiefengebiete unseres Festlandes prophezeit hat. Alles war wissenschaftlich abgesichert und alles argumentationssicher – ohne zulässiges Gegenargument.


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Wer sich das ein bisschen anschaut – nur die Geschichte der Prophezeiungen – und sich heute wieder hinstellt und sagt: Das wissen wir, das ist so und das ist alles einer Diskussion entzogen!, macht sich, glaube ich, gerade als Volks­vertreter das Leben ein bisschen zu leicht. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

12.46


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. – Bitte, Frau Bundes­rätin. (Bundesrätin Zwazl – versuchend, die Höhe des Redner:innenpults zu verstellen, was sich jedoch nicht ausführen lässt –: Ich krieg es nicht runter! Das geht nicht! – Bundesrat Buchmann: Geht nicht, gibtʼs nicht! – Bundesrätin Zwazl gelingt es mit Unterstützung von Präsident Kovacs, die Höhe des Redner:innenpults zu verstellen. – Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrätin Zwazl: Wie man gesehen hat, hast du recht, Herr Kollege!)


12.46.46

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Minister! Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Kollege Hübner, wir reden jetzt zum Gaswirtschaftsgesetz. Sie haben den Bogen sehr weit gespannt, und ich finde, es ist ganz wichtig, dass jeder eine eigene Meinung hat und dass er seine Meinung auch sagt und die anderen das überlegen lässt, damit sie sich dann selbst eine Meinung bilden können. Das ist etwas Wichtiges.

Ich muss sagen, gegen Solidarität habe ich nichts, und durch diese Verordnung wurden bestehende europäische Regelungen, die einen Solidaritätsmechanismus für Notlagen bei der Gasversorgung vorsehen, angepasst. Ich finde es ja wichtig, dass die Leute in ganz Europa warme Wohnungen haben und dass sie nicht unter Umständen im Winter zu uns zum Aufwärmen kommen. Es geht ganz einfach um verpflichtende Befüllungsziele und Befüllungspfade sowie Speicher­sicherungsvereinbarungen und einen Lastenverteilungsmechanismus zwischen Staaten mit und ohne eigene unterirdische Gasspeicheranlagen, weiters um die


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verpflichtende Zertifizierung aller Speicheranlagenbetreiber durch eine zuständige nationale Behörde.

Künftig müssen Speicherunternehmen die Aufnahme ihrer Tätigkeit im Voraus bei der Regulierungsbehörde anzeigen. Damit wird eine zielführende Über­wachung und Aufsicht durch die Regulierungsbehörde sichergestellt werden. Andererseits – und das ist schon erwähnt worden – soll der Kreis der geschütz­ten Kunden und der durch Solidarität geschützten Kunden entsprechend den Vorgaben der Verordnung auf Fernwärmeanlagen ausgeweitet werden. Bislang sind nur Kunden, die an das Erdgasverteilernetz angeschlossen sind, geschützt. Dadurch, dass wir jetzt die Fernwärmekunden miteinbeziehen und diese in den geschützten Kundenkreis aufnehmen, schließen wir eine Lücke, nämlich von Haushalten, die bislang ganz einfach nicht geschützt waren.

Ein ganz wesentlicher Punkt ist auch noch, dass neben der Versorgungssicher­heit natürlich auch die Kosten eine große Rolle spielen. Daher begrüße ich, dass eine freiwillige Vereinbarung mit dem Fachverband Gas Wärme getroffen wurde. Das ist gerade jetzt sehr wichtig, da ja die Rechnungen eintrudeln. Jetzt ist es für Haushalte und kleinere Unternehmen auch möglich, für die Begleichung ihrer Energierechnung eine Ratenzahlung über die Dauer von bis zu 18 Monaten zu beantragen.

Wichtig ist auch, dass wir auf die wichtige Initiative Wohnschirm aufmerksam machen. Manche schaffen es auch mit Ratenzahlungen ganz einfach nicht, ihre Energierechnungen zu bezahlen. Diese Menschen können sich unter wohnschirm.at registrieren lassen und bekommen eine Beratung, und wenn sie ein niedriges Einkommen haben und eben in Zahlungsverzug sind, wird ihnen die Energierechnung auch bezahlt. Ich habe mir das angeschaut: Ein Haushalt mit vier Personen bekommt bis zu 1 620 Euro für die Zahlung der Energiekosten.

Mir ist es immer wichtig, dass wir die Menschen informieren, dass wir sie unterstützen, dass wir sie nicht ängstigen. Wir haben die schwierige Situation in der Energiekrise gut bewältigt. (Bundesrätin Schumann: Nein, nein! Nein!) Denken


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wir zurück: Wie war es denn eigentlich? – Wir als Republik haben keine Möglichkeit wie bei Öl gehabt, selbst Gas einzukaufen und eine staatliche Gasreserve anzulegen und zu bilden. Wir haben nicht einmal Informationen erhalten, wie viel in den österreichischen Gasspeichern eingespeist war, und Unternehmen, die bei uns in Österreich einen Gasspeicher betrieben haben, konnte man auch nicht vorschreiben, dass sie diesen auch zu befüllen haben. Das war uns ganz einfach nicht möglich.

Das haben wir geändert. Wir haben jetzt den Speicher gefüllt. Wir sind gut über die Runden gekommen, wir sind gut über den Winter gekommen, und wir werden das auch in Zukunft schaffen. Das ist wichtig. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Schumann: 11 Prozent Inflation!)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Fraktion stellt sich in Nieder­österreich neu auf, deshalb ist das auch meine letzte Rede. Es ist mir ein Anliegen, mich bei euch, bei Ihnen allen recht herzlich zu bedanken.

Es war für mich eine extrem spannende Zeit, es war eine lange Zeit – 20 Jahre durfte ich hier im Bundesrat sein. Wie bei meinen anderen Funktionen habe ich das mit Leidenschaft gemacht – bei den Funktionen, die ich noch habe und bekleide, gilt das noch immer. Wenn man in so einer Position ist wie der, in der wir alle sind, kommt man sich schon ein bisschen privilegiert vor, weil wir hinter die Kulissen schauen, weil wir Möglichkeiten haben, uns einzubringen und zu gestalten. Das ist ein ganz wesentlicher und wichtiger Punkt.

Ich habe sehr viele außergewöhnliche Persönlichkeiten kennenlernen dürfen. Jeder von Ihnen, von euch ist ein Puzzlestein in meinem Leben, und dafür, für diese Erfahrung, möchte ich mich recht, recht herzlich bedanken, wie auch für die gute Zusammenarbeit, auch für die Unterstützung, die wir durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseres Hauses haben. Also ich kann wirklich sagen: Ich bin als Präsidentin der Wirtschaftskammer immer wieder toll serviciert worden und werde es jetzt noch. Auch hier im Haus wurden wir großartig unterstützt, und hier wie auch in meinem Ausbildungszentrum, in


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unserem Ausbildungszentrum in Niedernondorf habe ich das Glück, gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu haben. Auch bei der Betriebshilfe ist das so und in meiner Firma sowieso. Da hat mir meine Tochter gesagt, dass ich jetzt die Fehlstunden, die sich in den letzten Jahren angesammelt haben, abzu­arbeiten habe. – Ich befürchte schon, dass ich noch mit dem Rollator in die Firma kommen muss, damit ich das abarbeiten kann.

Ich sage noch einmal ein recht herzliches Dankeschön! Ich wünsche Ihnen, ich wünsche euch allen genauso viel Freude, wie ich sie in dieser Funktion hatte und habe – denn das ist das Wichtigste. Wir dürfen nicht vergessen: Wir können gestalten, wir können umsetzen.

Und ich bedanke mich auch recht herzlich, denn gerade der letzte Ausschuss war für mich etwas, was mir Hoffnung und Vertrauen für die Zukunft gegeben hat. Dieser letzte Ausschuss hat nämlich einen Geist widergespiegelt, den ich mir wünsche: Wir haben über alle Parteigrenzen hinweg ein Thema gehabt, und jeder hat sich eingebracht, und da hat man das Gefühl gehabt, dass wir gemein­sam etwas bewältigen können. Und wir sollten schon alle darüber nachdenken, ob es nicht viel schöner ist, statt gegeneinander miteinander zu arbeiten. Das wünsche ich euch. – Alles Gute! (Anhaltender allgemeiner, von den Bundesrät:innen der ÖVP stehend dargebrachter Beifall.)

12.54


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin und ehemalige Präsidentin – auch der Wirtschaftskammer, wie Sie das vorhin gesagt haben. Ein großes Dankeschön darf ich natürlich auch von allen hier, von allen Bundes­rätinnen und Bundesräten, sagen. Du warst sehr, sehr engagiert in der Zeit, in der ich dich kennenlernen durfte. Du bist wirklich ein Vorbild für den Bundesrat, auch mit deinem Einsatz, und du hast auch immer darauf geschaut, dass du – und das sagt auch unsere Fraktionsvorsitzende immer wieder – die Familie zusammenhältst, im besten Sinne zusammenhältst.


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Noch einmal ein großes Dankeschön, und das ist dein Applaus. (Allgemeiner Beifall.)

Nun ist Herr Bundesrat und Bürgermeister aus Mallnitz Günther Novak zu Wort gemeldet. – Bitte sehr. (Bundesrat Kornhäusl: Heute lernen wir ganz Österreich! – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)


12.55.28

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Gaswirtschaftsgesetz wurde ja jetzt schon mehrfach erklärt, ich habe nur nicht richtig verstanden – Dr. Hübner ist momen­tan nicht im Saal –, warum er jetzt wirklich gegen das Gaswirtschaftsgesetz ist und das mit der Sanktionspolitik verbindet, aber vielleicht kann ich mit ihm darü­ber ja noch später einmal reden.

Der Krieg in der Ukraine hat neben dem furchtbaren Leid, das wissen wir, für die Menschen vor Ort seit langer Zeit auch massive Auswirkungen auf den globalen Energiemarkt – davon sprechen wir heute – mit sehr heftigen Preisentwick­lungen bei den Energieträgern und bei Rohstoffen nach sich gezogen. Ein baldiges Ende der gewaltsamen Auseinandersetzung ist leider nicht absehbar, und die kriegerischen Handlungen sind leider Gottes, wir sehen das tagtäglich im Fern­sehen, bittere Realität.

Der russische Angriffskrieg hat europaweit eine Energiekrise ausgelöst – wir haben das ja hier verfolgt –, und viele Konsumentinnen und Konsumenten fragen sich, wenn sie in ihre Brieftasche schauen, wie das weitergeht, wie sicher und belastbar die Energieversorgung ist, aber auch, wie die hohen Kosten, die auf sie zukommen, weiterhin bezahlt werden können. Die Politik hat sich daher mit aller Kraft dafür einzusetzen, nicht nur die Versorgungssicherheit zu opti­mieren, sondern auch für die Leistbarkeit von Energie zu sorgen.

In der Vergangenheit wurden bereits mehrere Gesetze auf den Weg gebracht, und ich denke, im Nationalrat hat Kollege Schroll, im Bundesrat haben wir hier


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natürlich versucht, diese Gesetze mit Argumenten zu untermauern. In weiterer Folge ist es dann auch gelungen, diese auf den Weg zu bringen, deswegen verstehe ich jetzt die Ausführungen von Frau Dipl.-Ing. Dr. Huber nicht, als sie bei der Debatte über das UVP-Gesetz vorhin gemeint hat, dass die SPÖ erst auf den Weg kommen muss, damit irgendetwas passiert.

Ich kann Ihnen zum Beispiel mitteilen, dass es in Kärnten nach dem neuen Raumordnungsgesetz keine Möglichkeit für größere Betriebe beziehungsweise Handelsunternehmen mehr gibt, einen Betrieb auf die grüne Wiese zu stellen. Das ist bei uns nicht mehr möglich. (Beifall bei der SPÖ.)

Mit der gezielten staatlichen Bevorratung von Gas, dieser strategischen Gasreserve, ist es auch gelungen, trotz der Lieferreduktion aus Russland sicher durch den Winter und durch diese Heizperiode zu kommen – Gott sei Dank! Natürlich ist uns der Winter, das wissen wir alle, mit den Temperaturen entge­gengekommen, aber wir wissen auch, dass die Speicher gut gefüllt sind, das wurde ja auch schon von Kollegin Zwazl erwähnt.

Nun ist eine weitere Novellierung des Gaswirtschaftsgesetzes notwendig, um eine zielführende Speicherbewirtschaftung sicherzustellen. Mit der Zertifizierung von Speicherbetrieben können Regulierungsbehörden überprüfen, ob der Betrieb der Speicheranlagen der Versorgungssicherheit dient und nicht womög­lich nationalen Sicherheitsinteressen entgegensteht. Das kann auch bis zum Entzug der Verfügungsgewalt über den Speicher gehen – wir haben da noch Haidach in Erinnerung, wo eine systematische Nichtnutzung unterbunden wurde.

Mit der jetzigen Novellierung werden aber auch weitere wichtige Punkte geregelt. So ist die Anbindung an die überregionale Gasflusssteuerung über eine verpflichtende Anbindung der Speicheranlagen der Netzebene 1 festgeschrieben worden – das ist gut und richtig so. Und ja, natürlich – das wurde auch schon erwähnt; viele von uns leben ja am Land, aber in den Städten ist das ein wesent­licher Punkt – gibt es Änderungen bei der Fernwärmeversorgung, die vor allem


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im urbanen, also im Stadtbereich eine große Rolle spielt. Mit einem Abände­rungsantrag wurde sichergestellt, dass der Kreis der schutzbedürftigen Menschen und durch Solidarität Geschützten ab der kommenden Heizsaison um den Bereich der Fernwärme erweitert wurde. Das ist, glaube ich, eine sehr wichtige Tatsache für den städtischen Bereich.

Diese Regelung sorgt dafür, dass die Gaslieferanten einerseits für die Versorgung mit Fernwärme eine Vorratshaltung betreiben müssen und dass andererseits in einem europaweiten Gasversorgungsnotfall die für die Fernwärme vorgesehene Gasmenge nicht an andere Länder abgegeben werden muss. Damit soll gewährleistet werden, dass die Wärmeversorgung der österreichischen Haushalte so lange wie möglich aufrechterhalten werden kann.

Die durch die vorliegende Novelle zum Gaswirtschaftsgesetz vorgenom­menen Änderungen sind wichtige Maßnahmen zur Sicherung der Versorgung und zur Bevorratung von Gas und daher auch zu befürworten. Das alles darf aber keinesfalls darüber hinwegtäuschen, dass das heute verbrauchte Gas zu Höchstpreisen eingekauft und eingelagert wurde – leider – und daher weiterhin die Bevölkerung massiv finanziell belastet. Das muss man bei dieser Gele­genheit einfach feststellen. Wenn mich jemand fragt: Mein Gott, jetzt kauft ihr das Gas so billig ein, warum müssen wir das so teuer bezahlen?, sage ich: Ja, leider – vor einem halben Jahr, einem Dreivierteljahr haben wir das sehr teuer eingekauft und damit Sicherheit gewährleistet, und das muss auch bezahlt werden.

Da bedarf es einer weiteren großen Bemühung, die Kostenlawine am Energie­markt zu bremsen und die Belastung der Bevölkerung zu mindern. Die Marktüberwachung durch die E-Control und die Bundeswettbewerbsbehörde ist daher zu begrüßen. Die Möglichkeit der Ratenzahlung wurde auch schon erwähnt: Wie es im Strombereich schon möglich war, ist es jetzt auch im Gas- und Fernwärmebereich möglich, das ist zumindest ein Schritt in die richtige Richtung.


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Bedenklich stimmt jedoch – das sollte man bei dieser Gelegenheit auch sagen – die Abhängigkeit von Gasimporten aus Russland. Wir lesen immer wieder in den Zeitungen, dass das bis zu 70 Prozent geht und nach einem Jahr Krieg unver­ändert hoch ist. Das deklarierte Ziel der Bundesregierung, die Reduzierung der Importe, ist damit nicht hundertprozentig erreicht worden. Nicht nur der relative, sondern auch der tatsächliche Anteil der bezogenen Mengen von russischem Gas steigt wieder und macht Österreich wieder abhängig und für die Zukunft verletzlich.

Ja, werte Kolleginnen und Kollegen, das ist meine letzte Rede hier im Bundesrat. Zehn Jahre sind eigentlich im Grunde genommen recht schnell vergangen. Ich habe im Laufe der Zeit versucht, nach bestem Wissen und Gewissen das zu tun, was für die Bevölkerung das Beste ist. Ob es so gelungen ist, bleibt anderen zu beurteilen. Danke an Sie alle, die mich dabei unterstützten, vor allem Sie als Mitglieder hier im Bundesrat: Danke an Sie!

Ich möchte mich aber auch bei den Mitarbeiter:innen der Parlamentsdirektion und beim Klub recht herzlich bedanken, vor allem aber bei meiner Fraktion mit Korinna Schumann an der Spitze, in der Vergangenheit mit Reinhard Todt, vielleicht schaut er heute auch zu: Danke vielmals für die Unterstützung, die wir gebraucht haben!

Wenn ich den einen oder anderen mit Glyphosat, Mercosur – wird wieder kommen – oder mit dem Energieeffizienz- und Klimaschutzgesetz genervt habe, bitte ich, mir das nachzusehen. Ich werde fleißig Zeitung lesen und sehen, ob Sie das in weiterer Folge umgesetzt haben werden.

Machen Sie es gut im Sinne der Menschen, die von uns erwarten, dass zum Wohle der österreichischen Bevölkerung etwas weitergeht! – Danke. (Anhaltender allgemeiner, von den Bundesrät:innen der SPÖ stehend dargebrachter Beifall.)

13.04



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Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat – auch dir ein riesengroßes Dankeschön für deine Arbeit! Du hast es erwähnt: zehn Jahre im Bundesrat. Du bist schon sehr, sehr lange Bürgermeister deiner Gemeinde, du warst Vizepräsident im Bundesrat, du hast es mit einem enormen Einsatz gemacht.

Ich durfte dich in den letzten Jahren auch in der Fraktion kennenlernen. Ich möchte dir wirklich danken. Man sieht, was man mit Einsatz alles bewirken kann. Das hast du gemacht, das hast du hier im Bundesrat gemacht, das hast du in deinem Heimatbundesland, in Kärnten, gemacht – für unsere Bundesländer sind wir letztendlich alle hier und verantwortlich. Herzlichen Dank dafür, und auch dieser Applaus gehört dir! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte, Herr Bundesrat, um Ihren Redebeitrag.


13.05.24

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Wir machen heute zweifelsfrei einen weiteren Schritt zur Sicherung der Erdgasversorgung und damit zur Energie­souveränität. Das ist schon wichtig zu betonen, denn ohne Sicherheit gibt es keine Souveränität. Leider ist es so, dass wir noch ein paar Jahre von Gas und von Gasimporten abhängig sein werden, allerdings umso kürzer, je schneller wir den Mut haben, konsequent Maßnahmen zu setzen, um aus dem Gas ganz generell auszusteigen.

Übrigens, als Seitenbemerkung: Dazu gehört natürlich auch eine Offenlegung der OMV-Verträge Richtung Regierung, um prüfen zu können – auch unab­hängig –, ob oder wie ein Ausstieg aus diesen Verträgen möglich ist.

Der Ausstieg selbst im Sinne von Umstieg ist zweifelsfrei eine große Heraus­forderung. Man kann leider nicht über Jahrzehnte aufgebaute Strukturen, Verträge und Abhängigkeiten von heute auf morgen vom Tisch wischen. Es geht – ich möchte das noch einmal betonen, weil Herr Hübner, für mich völlig


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unverständlich, wieder einmal oder bei jeder Gelegenheit eine antieuropäische Position einnimmt – nur europäisch. Ohne europäische Solidarität sind wir in der Energieversorgung generell – bei den fossilen Energieträgern, also Öl, Gas, übrigens auch beim Strom, aber vor allem beim Gas – komplett aufgeschmissen und haben keine Energiesicherheit und keine -souveränität. Ich erinnere an die Durchleitungskapazitäten, wir brauchen LNG-Importe und so weiter und so fort.

Ich empfehle dringend – wir hatten das Thema schon ein paar Mal –, die vor Kurzem erschienene Analyse der Österreichischen Energieagentur, sie heißt „An der Gasleine“, zu lesen. Sie zeigt wirklich sehr eindrücklich, auf ein paar Seiten zusammengefasst, dass über Jahrzehnte alle Warnungen vor einer einseitigen Abhängigkeit von Gas aus Russland in den Wind geschlagen wurden. Das wurde in den Wind geschlagen, auch noch nach 2014, also der Krim-Okkupation, auch noch zu Zeitpunkten, als längst klar war, dass Putin selbstverständlich bereit ist und nicht zögert, die Gasversorgung als Waffe und als Druckmittel einzusetzen. Genau das sollten wir nicht vergessen.

Ich halte es schon für ganz wichtig, den Kontext noch einmal kurz anzusprechen: Je länger wir vom Gas aus Russland abhängig sind, desto länger hat Putin Geld, um den Vernichtungskrieg in der Ukraine, den er ganz alleine losgetreten hat, weiterzuführen, weiter ganze Städte komplett zu zerstören, weiter Abertau­sende Existenzen zu zerstören, Abertausende Menschen zu töten und zu verletzen. Gas ist nun einmal wirklich mehr als ein Molekül, das ist eine geopolitische Waffe. Aus dieser Abhängigkeit müssen wir raus.

Seitens der Regierung ist eine ganze Reihe von Maßnahmen erfolgreich gesetzt worden. Ich zitiere sie nur kurz, das vergisst man ja sehr schnell: Wir haben letztes Jahr eine strategische Gasreserve geschaffen. Vor einem Jahr ging das übrigens noch gar nicht, das war rechtlich nicht möglich. Wir haben geschafft, dass der Staat selber Gas einkaufen kann. Wir haben die Speicher gefüllt, trotz aller Unkenrufe und vieler Leute, die dachten, das sei nicht möglich. Jetzt, nach dem Winter, sind wir immer noch bei zwei Dritteln Füllstand.


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Ich beobachte das ein bisschen, in den letzten Tagen steigt das sogar wieder. Diesen Polster brauchen wir ganz dringend für den nächsten Winter. Ich warne davor: Es ist nicht klar, dass es leicht werden wird, die Speicher zu füllen, überhaupt nicht. Es ist nicht gesichert, dass im Herbst die Preise so sein werden, wie sie im Moment gerade sind, ein bisschen auf Sinkflug. Deswegen ist es nach wie vor natürlich wichtig, Gas zu sparen und aus Gas auszusteigen.

Ich erinnere an eine ganz wichtige Maßnahme: die Take-it-or-lose-it-Bestimmung Anfang des Sommers letzten Jahres. Das ist wichtig, weil die Gazprom nicht daran dachte, die Speicher in Österreich zu befüllen, und die Gazprom hat große Kontingente gebucht. Das hat sie übrigens vorletztes Jahr auch schon gemacht, also gebucht hat sie das schon länger, schon über viele Jahre, aber vorletztes Jahr hat sie die Speicher nicht befüllt. Und das war übrigens der Grund dafür, warum 2021 im Herbst die Preise gestiegen sind: weil die Speicher leer geblie­ben sind – natürlich strategisch beabsichtigt, um dann mit höheren Gaspreisen die Kriegskassa zu füllen.

Wir haben ein Gasdiversifizierungsgesetz beschlossen, das im Wesentlichen eine Finanzierung vorsieht, um erhöhte Kosten für den Umstieg auf andere Liefer­optionen abzugelten und den Umstieg auf andere Energieträger bei den Nutzern, also vor allem bei Industriebetrieben und bei Händlern, zu finanzieren, und damit auch das Ziel verfolgt, dass die Kosten dieser Maßnahmen nicht weitergegeben werden.

Was inhaltlich im GWG im Detail drinsteht, das komprimiere ich jetzt und wiederhole nicht alles – das ist, finde ich, gut und breit ausgeführt worden –: Die Zertifizierung ist sehr wichtig, weil man damit sozusagen einen schädlichen Einfluss auf die Speicher verhindern kann, weil man eine Zertifizierung entziehen kann, wenn die Speicherbewirtschaftung nicht den Zielen entsprechend erfolgt. Das ist ganz wichtig.

Zur Anbindung an die Netzebene 1 möchte ich noch kurz ausführen: Wir haben letztes Jahr darüber diskutiert, vielleicht können Sie sich erinnern, dass der


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Speicher Haidach eben nicht an die Netzebene 1 in Österreich angeschlossen war, sondern direkt bei unseren Nachbarn nach Deutschland. Das ist ein ganz wichtiger Punkt: alle Speicher an die Netzebene 1, also die große Verteilebene, anzuschließen. Das schafft mehr Versorgungssicherheit, weil im Krisenfall dann die Speicherenergie besser in die Bundesländer verteilt werden kann.

Wir haben gehört, dass auch die Fernwärmekunden als geschützte Kunden gelten. Ganz viele Fernwärmeversorgungsnetze – Wien vor allem, Graz, aber auch Salzburg, Linz – hängen am Gas. Was bedingt das nun? – Das bedingt, dass diese Versorger zusätzliche Mengen einspeichern müssen, weil die Kunden geschützt sind, und für geschützte Kunden muss bevorratet werden. Das heißt also, damit sind auch alle diese Kunden, die indirekt über Fernwärme versorgt werden, geschützt, also deren Versorgung ist gesichert – ein ganz wichtiger Punkt. Das steckt eigentlich hinter dieser Bestimmung.

Über die freiwillige Vereinbarung haben wir gehört, sehr schön, das breite ich jetzt nicht noch einmal aus. Ich möchte nur auf zwei andere Dinge hinweisen, weil es so wichtig ist: Es hat sehr, sehr viele Hilfen im Energiebereich gegeben, die teils höher als die Kostenerhöhungen waren. Trotzdem gibt es Menschen, die nicht mehr in der Lage sind, die Energierechnungen selber zu bezahlen, so wie auch zum Beispiel das Wohnen. Deswegen haben wir den Wohnschirm – ich möchte es noch einmal betonen – auch auf einen Energieschirm ausgedehnt. Wenn jetzt Menschen nicht mehr in der Lage sind, es wirklich nicht mehr geht, die Energierechnung zu bezahlen, dann kann das der Wohnschirm übernehmen, und er tut das auch. (Bundesrätin Schumann: Wäre aber gescheiter, die Inflation zu senken! Schirme gut und schön!) Das ist ganz wichtig, und ich finde es auch wichtig, das zu verbreiten, wenn Sie Leute kennen, die das betrifft, diese Infos weiterzugeben.

Noch einmal – das sage ich ja fast jedes Mal, weil es auch so wichtig ist –: Wichtig ist umsteigen. Wir haben eine Möglichkeit geschaffen, im Moment noch für Ein- und Zweifamilienhäuser, wir sind intensiv dran, das auf Mehrwoh­nungs-


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häuser auszudehnen: Wir finanzieren den Umstieg auf erneuerbare Energie­träger zu 100 Prozent, wenn die Leute sich das nicht leisten können. Das ist klar definiert mit 20 Prozent, also die untersten 20 Prozent der Einkommen können das in Anspruch nehmen.

Es freut mich, dass in letzter Zeit die allermeisten Energiegesetze mit großer Mehrheit beschlossen werden konnten, das ist sehr schön, und es werden auch nicht die letzten sein.

Ich möchte abschließend schon die Gelegenheit nützen, mich bei Kollegen Günther Novak mit großem Respekt zu verabschieden. Günther, du bist aus meiner Sicht und aus unserer Sicht ein absolut glaubwürdiger und authen­ti­scher Vertreter der Energie- und Klimaschutzthemen, also da hatte ich nie einen Zweifel, und ich habe auch großen Respekt vor dem, was du in deiner Gemeinde auch bei dem Thema leistest. – Danke. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

13.14


Präsident Günter Kovacs: Danke, Herr Bundesrat.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Johannes Rauch. – Bitte sehr, Herr Bundesminister.


13.14.16

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Sehr geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Ich möchte an die Ausführungen von Adi Gross anknüpfen. Gas war über lange Zeit verfügbar, billig, niemand hat groß darüber nachgedacht. Das hat sich dann mit dem russischen Angriffskrieg massiv und sehr drastisch verändert. Wir haben vor Augen geführt bekommen, was es bedeutet, eine Abhängigkeit von russischem Gas in der Größenordnung von 70 oder 80 Prozent zu haben und da auch in Verträge gebunden zu sein, aus denen es sehr schwierig herauszukommen ist.


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Dann war die Aufgabe, die Gasspeicher zu füllen. Das war eine durchaus schwierige und herausfordernde Aufgabe für den heurigen Winter, ist dann aber, meine ich, gut gelungen, und jetzt ist klar: Die Bevorratung hat auch ausgereicht, um gut durch diesen Winter zu kommen.

Was da jetzt mit diesem Gaswirtschaftsgesetz gemacht wird, ist, die Versor­gungssicherheit weiter zu stärken, weil da an ein paar Schrauben gedreht werden muss, wo es einfach noch notwendig ist. Es ist dies seit Beginn des Krieges bereits die vierte Novelle dieses Gesetzes. Eine der ganz besonders wichtigen Maßnahmen ist die verpflichtende Zertifizierung von Speicherunter­nehmen. Was ist das? – Es wird hinkünftig ganz genau geschaut, welche Speicherunter­nehmen österreichische Speicheranlagen betreiben und wer hinter diesen Unternehmen steht. Das ist deshalb wichtig, weil es nicht sein kann, dass – Gazprom ist angesprochen worden und ist ein bekanntes Beispiel – wir da nicht volle Transparenz haben und möglicherweise sekundäre Abhängigkeiten generieren, die wir in dieser Hinsicht schon gar nicht brauchen können. Die Pflicht zur Zertifizierung wird unionsrechtlich vorgegeben. Der vorliegende Initiativantrag ergänzt damit das Gaswirtschaftsgesetz 2011 um die notwen­di­gen verfahrensrechtlichen Bestimmungen.

Darüber hinaus wird der Kreis der geschützten Kundinnen und Kunden und der durch Solidarität geschützten Kunden auf Fernwärmeanlagen ausgeweitet. Auch das halte ich für essenziell wichtig, weil eben in Österreich viele Fernwärme­ver­sorger darauf angewiesen sind, diese Gasversorgungssicherheit zu haben, weil ja daran viele österreichische Haushalte hängen und die dann bei einer Gasmangel­lage einfach besser geschützt sind. Die Ausweitung dieses Kundenkreises ist auch deshalb von Bedeutung, weil sie sich auf den Versorgungsstandard der Gas­versorger auswirkt. Die Versorger müssen künftig bei Gewährleistung der Versorgungsstandards eben auch jene Gasmengen berücksichtigen, die an Fern­wärmeanlagen geliefert werden müssen.

Die Gasversorger müssen durch diese Novellierung künftig deutlich mehr Gas in den Speichern vorhalten. Das ist jedenfalls wichtig. Es ist auch der berühmt


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gewordene Speicher Haidach angesprochen worden, weil es darum geht, die verpflichtende Anbindung von Speicheranlagen an die Netzebene 1 – Netzebene 1, das ist das Versorgungs-, das Verteilernetz – sicherzustellen. Das dient dazu, eine rasche und unkomplizierte Ausspeicherung, sprich Einspeisung von Gas­mengen, im Bedarfsfall zu garantieren, eben auch beim Speicher Haidach, der seit Kurzem an das Fernleitungsnetz angeschlossen ist, aber bisher eben noch nicht an das Verteilernetz.

Es freut mich auch, dass es gelungen ist, im Zuge der Gespräche zu dieser Novelle eine freiwillige Vereinbarung mit dem Fachverband der Gas- und Fern­wärmeunternehmen abzuschließen. Damit wird sichergestellt, was auch schon thematisiert wurde, dass für den Fall einer erhöhten Jahresabrechnung für Nachzahlungen Ratenzahlungsmöglichkeiten über die Dauer von bis zu 18 Mona­ten eingeräumt werden. Das ist jedenfalls wichtig.

Die Pflicht zur Zertifizierung habe ich angesprochen. Einen Satz noch zum Wohnschirm, weil er thematisiert worden ist, der ja in meinem Haus beheimatet ist: Wir haben da die Geldmittel intensiv aufgestockt. Die Erweiterungsmög­lichkeit, nicht nur Delogierung zu verhindern, sondern auch Energieabschaltun­gen zu verhindern, greift. Seit Beginn haben 6 000 Personen davon profitiert, sehr niederschwellig, sehr rasch wird abgewickelt, in sehr guter Kooperation mit Volkshilfe und anderen Trägereinrichtungen, die uns auch bestätigen, dass dies eine gute, funktionierende, rasch notwendige Basismaßnahme ist, um Ener­gie­armut und jedenfalls auch Delogierungen zu verhindern. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

13.19 13.19.17


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.


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Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz und bedarf daher der Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen. Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zwei­drittelmehrheit fest.

13.20.475. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maklergesetz geändert wird (Maklergesetz-Änderungsgesetz – MaklerG-ÄG) (1900 d.B. und 1952 d.B. sowie 11187/BR d.B.)


Präsident Günter Kovacs: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.


BundesratStenographisches Protokoll951. Sitzung, 951. Sitzung des Bundesrats vom 16. März 2023 / Seite 148

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Dr. Maria Huber. – Ich bitte um den Bericht.

Ich darf gleichzeitig die Frau Ministerin bei uns begrüßen. – Herzlich will­kommen, Frau Ministerin Alma Zadić! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)


13.21.19

Berichterstatterin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber: Ich bringe den Bericht des Wirt­schaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maklergesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Bundesrätin.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Eva Prischl. – Bitte, Frau Bundesrätin.


13.21.58

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Zuseher:innen! Das geplante Bestellerprinzip bei der Maklerpro­vision soll auf dem ohnehin angespannten österreichischen Immobilienmarkt die Mieter:innen finanziell entlasten. Wer eine Leistung bestellt, soll sie auch bezahlen.

Das klingt auf den ersten Blick sehr vernünftig, dieses Versprechen hält jedoch in der Praxis leider nicht. Im Gegenteil, das Bestellerprinzip gaukelt mehr Inhalt vor, als es tatsächlich hat: Die Mieter:innen sind gesetzlich nicht davor geschützt,


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wenn findige Vermieter:innen dieses Prinzip umgehen. Es ist unserer Meinung nach daher nicht sichergestellt, dass die Person, die den Makler beauftragt, auch für die Maklerprovision aufkommt. Aktuell sind die Vermieter:innen gesetzlich nicht dazu verpflichtet, die Maklerprovision zu bezahlen, auch wenn sie den Makler beauftragt haben. In Österreich müssen die Mieter:innen beweisen, dass die Vermieter:innen den Auftrag gegeben haben – im Gegensatz zur Vorgangsweise in Deutschland.

Seitens der sozialdemokratischen Fraktion fordern wir daher ergänzende Bestimmungen, um dieses Bestellerprinzip zu einem wirklichen Bestellerprinzip zu machen und gegen diese Umgehungen abzusichern. (Beifall bei der SPÖ.)

Schließen wir gesetzlich die in der Praxis angewandten Umgehungsmög­lich­keiten aus! Auch die Wohnexperten der Arbeiterkammer und der Mietervereini­gung Österreichs sind mit uns gleicher Meinung. Das Bestellerprinzip soll nicht nur bei Vermietungen, sondern auch bei der Vermittlung von Kaufverträgen von Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern Anwendung finden. Auch finden wir, dass die im Gesetz vorgesehene Geldstrafe von 3 600 Euro keine abschreckende Wirkung hat. Wir wünschen uns da eine Erhöhung.

Seitens der sozialdemokratischen Fraktion können wir dieser Gesetzesvorlage nicht zustimmen, weil wir nicht wollen, dass die Mieter:innen provisionspflichtig werden. Die Maklerprovision stellt für junge Erwachsene, Studierende und nicht einkommensstarke Familien einen sehr hohen zusätzlichen Aufwand dar. Dabei ist das Wohnen ein Grundbedürfnis. Viele Menschen in unserem Land können sich das Wohnen gar nicht mehr leisten. Daher ist es auch höchst an der Zeit, endlich eine Mietpreisbremse einzuführen. (Beifall bei der SPÖ.)

Österreich ist bei der Bekämpfung der Mietpreisspirale im EU-Vergleich ein Nachzügler. Dänemark, Frankreich, Spanien und Portugal haben statt des Gießkannenprinzips dämpfende Maßnahmen gesetzt. Der Beitrag des Bereichs Wohnen zur gesamten Teuerung fällt in Ländern mit der Preisbremse deutlich geringer aus. In Spanien und in Portugal dürfen die Mietpreise um maximal


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2 Prozent steigen. Bei uns sieht es so aus, dass mittlerweile zwischen 30 und 50 Prozent des Einkommens für das Wohnen ausgegeben werden müssen! Die Zeit drängt, der finanzielle Druck ist sehr groß. Noch dazu steht bereits im April die nächste Erhöhung an. Es drohen Delogierungen. Es ist also ganz, ganz dringend eine Lösung notwendig.

Ich bringe nun zu diesem Tagesordnungspunkt einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Eva Prischl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umge­hungsmöglichkeiten beim Bestellerprinzip: Endlich eine echte Abschaffung der Makler*innenprovision für Mieter*innen umsetzen!“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird aufge­fordert dem Nationalrat sowie dem Bundesrat ein Gesetzespaket vorzulegen mit dem ein echtes ‚Bestellerprinzip‘ ohne Umgehungsmöglichkeiten umgesetzt wird. Das Gesetzespaket soll vor allem folgende Punkte enthalten:

- Provisionsverbot für Mieter*innen, außer die Makler*innen können einen Such­auftrag der Mieter*innen vor der Kenntnis über das vermittelte Objekt beweisen

- Nachschärfungen bei den Umgehungsmöglichkeiten beim Bestellerprinzip

- Bestellerprinzip auch bei der Vermittlung von Kaufverträgen von Eigentums­wohnungen und Einfamilienhäusern

- Geldstrafen bei den angeführten Verwaltungsübertretungen, die tatsächlich abschreckende Wirkung haben.“


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*****

Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ich darf mich wie auch schon meine Vorredner:innen von euch, von Ihnen verabschieden. Ich darf heute meine letzte Rede hier halten, weil ich in den Niederösterreichischen Landtag wechsle.

Ich möchte mich bei allen hier, bei jeder Einzelnen und jedem Einzelnen, sehr, sehr herzlich für die Kollegialität und die beste Zusammenarbeit bedanken. Ich kann wirklich nur das Beste über den Bundesrat sagen. Wir haben natürlich verschiedene Meinungen, das ist auch ganz klar – Gott sei Dank gibt es eine Demokratie –, aber wie Sonja im letzten Ausschuss, bei dem ich auch dabei sein durfte, ausgeführt hat (Bundesrätin Zwazl nickt), war dieser wirklich ein Parade­beispiel für einen Ausschuss, wie er sein soll. Dafür auch noch einmal herzlichen Dank! Das war der Gesundheitsausschuss, der war besonders interessant.

Ich möchte mich bei allen noch einmal herzlich bedanken, und ich hoffe, dass wir uns vielleicht einmal wiedersehen. Man sagt ja, man sieht sich immer zweimal. Ich würde mich freuen, wenn wir uns in Niederösterreich, in Sankt Pölten, begegnen, und ich freue mich auch, euch wieder zu treffen, wenn ich vielleicht auf Besuch in den anderen Bundesländern bin.

Vielen, vielen Dank, alles Gute euch! Ich verlasse euch mit einem weinenden und einem lachenden Auge. – Danke schön. (Anhaltender allgemeiner, von den Bundesrät:innen der SPÖ stehend dargebrachter Beifall.)

13.27


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin! Liebe Eva, ich darf mich als Präsident des Bundesrates auch bei dir für deine Arbeit in den letzten Jahren bedanken. Ich durfte dich, auch dein riesengroßes Engagement, das dahintergestanden ist, kennenlernen. Du wechselst in den Landtag. Du hast es nicht dazugesagt: Du wirst Präsidentin des Landtages in Niederösterreich. Das ist eine sehr großartige, eine große Aufgabe in Niederösterreich. Dazu einmal herz­l­iche Gratulation. Es ist auch das einwohnermäßig größte Bundesland in Österreich. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Auch flächenmäßig!) Es


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ist also wirklich eine besondere Aufwertung und auch, glaube ich, etwas Besonderes, wenn eine Bundesrätin in einen Landtag wechselt und Landtagspräsidentin wird. Herzlichen Dank – und das ist dein Applaus. Danke schön! (Allgemeiner Beifall.)

Der von den Bundesrät:innen Eva Prischl, Kolleginnen und Kollegen einge­brachte Entschließungsantrag betreffend „Umgehungsmöglichkeiten beim Bestellerprinzip: Endlich eine echte Abschaffung der Makler*innenprovision für Mieter*innen umsetzen!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Mag. Elisabeth Kittl. – Bitte.


13.29.11

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Ich habe gehört – auch von Ihrer Fraktion –, ich muss Sie ausbessern (erheitert): Wien ist das größte Bundesland! (Zwischenruf des Bundesrates Krumböck. – Ruf: Das bevölkerungsreichste!)


Präsident Günter Kovacs: Ich habe die Fläche gemeint.


Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (fortsetzend): Ach so, die Fläche, okay!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen vor den Bildschirmen! Ja, Umziehen kostet eine Menge Geld, Zeit und Nerven: das Suchen der Wohnung, der Abschluss und die Prüfung des Mietvertrags, die Kaution, die zu bezahlen ist, die Maklerin, der Makler, der zu bezahlen ist, das Herrichten der alten Wohnung und das Her­rich­ten der neuen Wohnung – und ich habe sicher noch weitere Dinge ver­gessen. Hat man, wie es derzeit in den meisten Fällen üblich ist, einen befris­teten Mietvertrag, stehen einem diese Kosten und Anstrengungen alle paar Jahre wieder ins Haus.


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Nun haben wir endlich ein Gesetz auf den Weg gebracht, das einen großen Brocken dieser Kosten wegfallen lässt, und zwar die Vermittlungsprovision in der Höhe von ein bis zwei Monatsmieten plus Umsatzsteuer; nimmt man beispielsweise 1 000 Euro Miete, dann sind das, wenn man eine Mietwohnung auf fünf Jahre befristet mieten möchte, knapp 2 200 Euro Vermittlungs­provi­sion. Der Wegfall dieser Provision entlastet die Menschen bei einem Umzug signifikant. Eine existenziell wertvolle Entlastung ist das natürlich für Menschen mit geringem Einkommen und für junge Menschen. Wenn hier jemand – wie im Nationalrat – auch von einem Tropfen auf den heißen Stein redet, so lebt er meiner Meinung nach in einer weit abgehobenen Welt. (Beifall des Bundesrates Krumböck.)

Menschen müssen wohnen. Entweder sie ziehen zum ersten Mal in eine Wohnung, das sind meist junge Menschen, oder sie haben wie schon erwähnt einen befristeten Mietvertrag, der nicht verlängert wird, und sie müssen umziehen, was nicht immer erfreulich ist, denn Wohnungen waren bisher nur mit der Zwischenschaltung eines Vermittlungsbüros zu finden, und daher musste Provision gezahlt werden, ob man wollte oder nicht, vor allem in Wien.

Menschen müssen aber wohnen und ohne Wohnung stehen sie auf der Straße. Wohnungssuchende sind Konsument:innen par excellence, die besonders aus diesem Grund schutzwürdig sind. Schauen wir uns einmal die Praxis an; ich habe 15 Jahre lang als Vermittlerin und als Hausverwalterin gearbeitet und glaube, sie auch zu kennen. Besitzt jemand eine oder viele Wohnungen, die sie oder er vermieten möchte, kann sie oder er entweder selbst eine Mieterin oder einen Mieter suchen oder diese Dienstleistung – und es ist tatsächlich eine Dienstleis­tung – an jemanden anderen delegieren. Bisher war diese Marktmacht der Vermieter:innenseite so groß, dass es den Vermieter:innen möglich war, jeman­den gratis zu beauftragen, für die Wohnung Mieter:innen zu finden, weil eben die gesetzliche Regelung oder eben auch der Markt es zuließ, dass die Provision nur von den Mieter:innen zu bezahlen war, das heißt, die Vermieter:innen die Provision eigentlich auf die potenziellen Mieter:innen abgewälzt haben. Das ist


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natürlich nicht gerechtfertigt und meiner Meinung nach auch eine missbräuch­liche Schieflage, die heute nun endlich behoben wird.

Warum kam es zu dieser Schieflage? Das möchte ich kurz erklären, um auch neue Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. – Die Makler:innen waren vom Goodwill der Vermieter:innen abhängig. Geben ihnen die Vermieter:innen keine Wohnung in Vermittlung, verdienen die Makler:innen kein Geld, ganz einfach. Es war also für die Makler:innen wichtig, sich mit den Vermieter:innen gut zu stellen, am besten so gut, dass man immer wieder mit der Vermietung von Woh­nungen beauftragt wird, und daher haben natürlich die Makler:innen vorrangig im Sinne der Vermieter:innen gehandelt.

Nun bringen einige Verbände das Argument, Makler:innen vertraten als Doppel­makler:innen beide Parteien, die Vermieter:innen- und die Mieter:innenseite. Das stimmt, aber leider nur auf dem Papier und nicht in der Praxis. Das Argu­ment, dass in Zukunft die von den Vermieter:innen beauftragten und bezahlten Makler:innen einseitig arbeiten werden, ändert meines Erachtens kaum etwas an der bisher gelebten Praxis. Ganz im Gegenteil: Eben durch diese Gesetzesände­rung wird das endlich klar ausgesprochen und auch diese Transparenz nutzt den Konsument:innen.

Makler:innen aber – das ist ein wichtiger Punkt –, die nur von den Vermieter:in­nen beauftragt wurden, unterliegen als sogenannte Gehilfen der Vermieter:in Sorgfalts- und Aufklärungspflichten gegenüber den potenziellen Mieter:innen. Das tun sie, das taten sie bis heute und das tun sie danach immer noch. Zusätzlich sind sie auch Sachverständige, und in dieser Funktion unterliegen sie genauso Sorgfaltspflichten gegenüber Wohnungssuchenden. Der Konsumenten­schutz, der ein großer Teil des Maklergesetzes ist, muss eingehalten werden. Das war so und das ist so, da geht es zum Beispiel um Rücktrittsaufklärungspflichten. (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Dass aber ein Vermittlungsbüro sehr wohl mit einer provisionspflichtigen Suche einer Mietwohnung beauftragt werden kann, ist sehr gut. Das war bisher nicht


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so leicht für die Makler:innen, die nämlich, um eine Wohnung zu haben und Geld zu verdienen, von der Beauftragung von Wohnungseigentümer:innen abhängig waren, die Bezahlung war aber sozusagen von Wohnungssuchenden abhängig.

Es war natürlich problematisch, wenn eine Maklerin nur für Interessenten gesucht hat, denn sie hatte selbst keine Wohnung anzubieten, und ein soge­nanntes a-metà-Geschäft, das heißt, die Provision muss geteilt werden, wenn sie mit einer anderen Maklerin, die diese Wohnung hat, zusammen­arbeitet, war nicht sehr oft der Fall. Diese Dienstleistung, dieses Marktsegment wurde nicht sehr stark in Anspruch genommen und durch die neue Regelung kann das sehr wohl sein. Das ist sehr spannend, weil sich dieser Dienstleis­tungsbereich, der dann für Wohnungssuchende, die eine Maklerin, einen Makler nehmen wollen, jetzt stärker herauskristallisieren wird und sozusagen eine konkrete Dienstleis­tung damit geschaffen wird, die auch bezahlt wird. Das sehe ich als großen Fortschritt in der Professionalisierung des Berufsbildes und für den Ruf der Branche. Das ist meiner Meinung nach sehr wichtig, weil der Ruf leider nicht immer der beste war und ist.

Was machen nun die vielen Mietwohnungsmakler:innen, die um ihren Job bangen? Das knüpft gleich an das Argument von vorhin an. – Makler:innen, die ihr Gewerbe verstehen und weiterhin am Mietwohnungsmarkt tätig sein wollen, haben Wissen und Kompetenz, und dieses Wissen, diese Kompetenz werden auch weiterhin gefragt sein, sei es auf der Vermieter:innenseite, aber auch auf der Mieter:innenseite. Auf der Vermieter:innenseite werden sicher einige Firmen, die gewerblich vermieten, wie vor allem auch Hausverwaltungen, Menschen suchen, die sich auskennen, und diese anstellen.

Aber, und das ist sicher auch eine gute Auswirkung: Das Auf- und Zusperren der Wohnung wird nicht mehr reichen. Allerdings, und das muss man wirklich dazusagen, ist und war das Herzeigen der Wohnung nicht die ausschließliche Arbeit von Makler:innen, denn eine professionelle Vermittlung bietet weit mehr.


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Gute Makler:innen können eben auf der Vermieter:innenseite den Vermieter:in­nen sehr viel abnehmen. Sie wissen, in welchem Zustand Wohnungen sein müssen, um sie adäquat vermieten zu können. Sie kennen den Markt, sie kennen die Mieter:innen, sie geben Inserate auf, sie geben Auskünfte, sie besichtigen, bewerten, beraten, bereiten Mietvertragsunterzeichnungen vor oder unter­stüt­zen bei der Erstellung des Mietvertrags. Sie übergeben die Wohnung, sie melden Strom um, leider manchmal auch Gas, und sicher noch vieles mehr.

Sie können aber auch auf der Mieter:innenseite viel abnehmen, wenn das gewünscht und wenn das in Zukunft bezahlt wird. Sie haben Informationen über den Markt, das Wohnungsangebot, die Wohnung selbst, die Wohngegend, die Infrastruktur, die erwartbaren Kosten, worauf man im Mietvertrag achten muss, die mietrechtlichen Schutzbestimmungen, die diversen Anmeldevorausset­zungen, die Umzugs- und Einzugsmodalitäten und noch vieles mehr. Ich bin mir sicher, dass genau diese Regelung, wonach nun die Dienstleistung, die gewünscht ist – und das ist der wichtige Punkt –, bezahlt wird, zu einer Aufwer­tung dieses Berufsbildes führen wird. Ich freue mich da auch sehr auf die Evaluierung in vier Jahren, denn ich weiß, sie wird uns recht geben und sie wird eine wesentliche Entlastung der Mieter:innen zeigen. Sie haben sicher im Vorblatt gelesen: Man erwartet, dass sich Mieter:innen dadurch 55 Millionen Euro pro Jahr ersparen. Das ist sehr gut.

Zum Argument, dass die Mieten angeblich teurer werden: Die Mieten werden leider jedes Jahr teurer. Wir wissen, dass sie bei Neuvermietungen steigen, immer weitaus mehr als das Haushaltseinkommen, das hat aber sehr wenig mit dem Bestellerprinzip zu tun. Entsprechende Mietzinsobergrenzen einzuziehen, das wissen Sie auch, das wissen wir alle, ist uns Grünen ein großes Anliegen. Dass es dafür aber nicht immer die entsprechenden Mehrheiten gibt, wissen wir auch. (Bundesrätin Hahn: ... ihr in der Regierung seid! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Einer Erhöhung der Mietpreise aufgrund der Einführung des Bestellerprinzips im Jahr 2015 in Deutschland ist nach der dortigen Evaluierung nicht nachzuweisen,


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genauso wenig wie ein Rückgang an angebotenen Wohnungen. Das wäre ja auch nicht sehr sinnig, denn wer vermieten möchte, wird sein Renditeobjekt nicht deswegen leer stehen lassen, weil er ein oder zwei Monatsmieten an eine Maklerin zahlen muss oder weil er vielleicht selbst eine Mieterin, einen Mieter sucht – noch dazu, wenn wir in jedem Bundesland Leerstandsabgaben einge­führt haben; aber das ist nur lautes Wunschdenken.

Eine weitere Auswirkung könnte sein, dass sich Vermieter:innen die Mieter:in­nensuche eben nicht mehr so oft antun wollen und dadurch lieber langfristige Mietverträge abschließen wollen und wir da von den vielen befristeten Miet­ver­trägen wegkommen. Auch da wird die Evaluierung klären, ob das so war.

Was mich aber besonders freut, ist, dass so umfassend dafür Sorge getragen wurde, dass diese Regelung eben nicht umgangen werden kann, auch nicht mittels Zwischenschaltung einer zweiten Maklerin. Auch da halfen uns die Erfahrungen aus Deutschland, um diese möglichen Umgehungskonstruktionen im Vorhinein zu unterbinden.

Darüber hinaus wurden auch Verwaltungsstrafen eingeführt, die zu zahlen sind, wenn gegen das erforderliche schriftliche oder digitale Festhalten eines Auftrags verstoßen wird oder ungerechtfertigte Provisionen oder sonstige Leistungen und Geldbeträge, wie zum Beispiel verbotene Ablösen, auch für jemanden anderen – wie zum Beispiel die ausziehende Mieterin oder den Mieter oder die Verwalter:innen – vereinbart werden, gefordert werden oder auch nur bloß entgegengenommen werden. Das ist eine gute Neuerung, und ich glaube sehr wohl, dass sie der Abschreckung diesbezüglich unredlicher Absichten dient.

Wohnen ist ein Menschenrecht, als solches ist es auch zu behandeln und vor Spekulation und Ausbeutung zu schützen. Ich weiß, es müssen insgesamt noch viele Schritte gesetzt werden, aber, liebe Kritiker:innen, denken Sie an Ihre eigene, weit machtvollere Regierungsbeteiligung und fragen Sie sich, warum Sie nicht schon in den letzten Jahrzehnten eine entsprechende mieter:innen­freund­liche Regelung bei den Provisionen geschaffen haben! (Bundesrätin Schumann:


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Was?!) Stimmen Sie also dieser Regelung zu, die das Leben der Menschen mit wenig Einkommen entlastet! Und, wie mein Kollege Gross auch schon gesagt hat: Reden Sie über die Hilfen, die beschlossen wurden, und reden Sie auch über diese Regelung, die Mieter:innen wesentlich bei ihrer Wohnungssuche entlastet! (Bundesrätin Schumann: Geh, geh, jede zweite Miete in Österreich ist befristet! ... Leerstandsabgabe ...!) Machen Sie sie bekannt, denn genau das hilft den Men­schen, die wenig Einkommen haben!

Da ist ein großer Schritt gesetzt worden, der nahe an der Realität der Woh­nungssuchenden ist und eine wesentliche Entlastung der Wohnungssuchenden bedeutet, eine Verbesserung, die wir Grünen schon lange gefordert haben. Ich freue mich, dass wir sie genau jetzt umsetzen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.41


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Christine Schwarz-Fuchs. – Bitte, Frau Kollegin.


13.42.03

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Wir alle waren wahrscheinlich schon einmal in der Situation, dass wir am Wohnungs­markt eine passende Bleibe gesucht haben. Kaum hat man ein passendes Angebot gefunden, muss man für den Abschluss eines Mietvertrages eine Provision von bis zu zwei Bruttomonatsmieten bezahlen, auch wenn der Makler vom Vermieter beauftragt wurde.

Es ist nachvollziehbar, dass die Bevölkerung für diese Regelung wenig Ver­ständnis aufbringt. Aus diesem Grund hat unsere Regierung in ihrem Regierungsprogramm die Maklerprovision nach dem Bestellerprinzip vereinbart, was nun mit der vorliegenden Gesetzesvorlage umgesetzt wird. Das bedeutet,


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künftig sollen die Kosten für die Makler bei Vermittlungen von Mietwoh­nungen von demjenigen übernommen werden, der den Auftrag erteilt hat, so wie es gewöhnlich bei Dienstleistungen üblich ist, wie meine Vorrednerin Elisabeth Kittl bereits sehr im Detail ausgeführt hat.

Als Bundesrätin pflege ich auch gerne Kontakt zu jungen Vorarlbergern, die in Wien studieren. Gerade im Jänner berichtete mir ein junger Herr davon, dass er sehr schnell und sehr dringend Wohnraum suchen müsse, und bat mich um Hilfe, fragte, ob ich jemanden kenne, der spontan ein Zimmer vermieten könnte. Er berichtete mir Folgendes: Kaum findet man ein passendes Angebot, stolpert man bei etwaigen Angeboten über die Zeile, dass eine Provision zu zahlen sei, und zwar in einer Höhe, die sich Studierende kaum leisten können. Ein Ticket bei Wiener Wohnen kam für ihn ebenfalls nicht infrage (Bundesrätin Schumann: Warum?), weil er als Vorarlberger Studierender noch nicht so lange in Wien lebt. (Bundesrätin Schumann: Studentenheim!)

Wie es bei Studierenden so ist, ist die Bleibe während der Studienzeit keine lang­fristige. Diese persönliche Erfahrung des jungen Herrn macht es mir nun leicht, Ihnen die Zustimmung zu dieser Gesetzesänderung zu empfehlen, denn wir entlasten damit vor allem junge Menschen. Doch nicht nur junge Menschen im Allgemeinen, sondern vor allem auch junge Familien werden dadurch enorm entlastet. Mit dem Familienglück beziehungsweise der Geburt von Kindern steigt der Bedarf nach größerem und damit kostspieligerem Wohnraum.

Wenn man bedenkt, dass im Zuge der Gründung einer Familie das Einkommen oft für eine Weile wegfällt, macht die Entlastung gerade für junge Familien ebenfalls Sinn. Trotzdem muss uns bewusst sein, dass diese Gesetzesänderung die Maklerinnen und Makler in Österreich fordern wird. Es wird davon ausge­gangen, dass in Zukunft manche Eigentümer die Vermietung der Immobilien selber organisieren und keine Makler mehr damit beauftragen werden. Der Markt wird sich also verändern. Wir haben aber vollstes Vertrauen in die Branche, dass es mit ihrer Professionalität gelingen wird, diese Umstellungen gut zu bewältigen.


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Nun noch ein paar Worte zu unserer Kollegin Prischl von der SPÖ. In ihrer Rede gab es sehr viel Kritik, was wohl die meisten Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause irritiert, ihre Wähler:innen wahrscheinlich auch. Man sollte meinen, dass gerade der Sozialdemokratie die Entlastungen der Mieterinnen und Mieter wichtig sind. Bitte bleiben Sie dabei auch objektiv, bleiben Sie bei den Fakten, denn Sie schüren hier Ängste und verkaufen den Menschen diese Gesetzes­ände­rung als Belastung (Bundesrätin Hahn: Ist es ja auch!), was absolut nicht der Wahrheit entspricht. (Bundesrätin Schumann: Lesen Sie den Antrag, Frau Bundes­rätin!)

Sie behaupten, dass durch dieses Maklergesetz-Änderungsgesetz keine Entlastung auf die Mieter zukommt. Das stimmt einfach nicht, denn der Makler kann mit dem Mieter nur dann über die Vermittlung eines Wohnungsmiet­vertrags eine Provision vereinbaren, sofern dieser der Erstauftraggeber ist, das ist präzise geregelt. Mit der transparenten Dokumentation der zeitlichen Abfolge der Vertragsabschlüsse wird klargestellt, wer der Erstbesteller ist und somit die Provision zu bezahlen hat.

In diesem Sinne bitte ich Sie, diesem Antrag die Zustimmung zu erteilen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.46


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Florian Krumböck. – Bitte, Herr Kollege.


13.46.52

Bundesrat Florian Krumböck, BA (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Gäste und Zuhörer:innen! Seit ich 15 bin, bin ich politisch aktiv. (Bundesrat Kornhäusl – erheitert –: Das ist noch nicht so lang!) Das ist irgendwie seltsam, denn ich habe nie damit gerechnet, irgendwann einmal an diesem Rednerpult zu stehen, heute mit Ihnen diskutieren zu dürfen und seit Dezem­ber 2021 mitgestalten zu dürfen.


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Viele, die jung in der Politik angefangen haben, wissen: Man wird von Partei­freunden, hin und wieder auch von persönlichen Freunden für dieses politische Engagement leicht belächelt und vom politischen Mitbewerber und von der politischen Beobachterseite dann genauso leicht – sagen wir so – auf ein bestimmtes Gleis gestellt. Umso stolzer bin ich heute darauf, meine letzte Rede bei Ihnen im Bundesrat, bevor es mit Eva Prischl und anderen in den Nieder­österreichischen Landtag geht, mit einem Thema zu beschließen, das jungen Menschen wirklich etwas bringt, nämlich ganz konkrete Verbesserungen für viele, viele Junge im Land.

In Zukunft zahlen diejenigen die Maklerkosten, die diese Leistung bestellt haben, und nicht mehr diejenigen, die den Makler vorgesetzt bekommen, nachdem sie selbst im Internet ihre Wunschwohnung gefunden haben. Geschätzte Kolleg:in­nen, das sichert gerade jungen Erwachsenen, jungen Menschen mehr finanzielle Bewegungsfreiheit beim Start ins eigene Leben.

Geschätzte Damen und Herren! Ich bin deshalb auch stolz darauf, weil mir mit vielen Freundinnen und Freunden der Jungen Volkspartei genau das immer ein großes Anliegen war, jungen Menschen beim Start ins eigene Leben mehr Freiraum und neue Chancen zu bieten, und dass dabei wieder ein Schritt nach vorne gelingt. Uns war das ein Anliegen in Niederösterreich und direkt in St. Pölten, wo wir viele Projekte Junges Wohnen geschaffen haben.

Wir machen das jetzt mit dem heutigen Beschluss wieder möglich. Ich persönlich hoffe auch darauf, dass wir es mit einem positiven Abschluss der Debatte rund um den Entfall der Grunderwerbsteuer und der notwendigen Gebühren bald ermöglichen, dass man auch dort Belastungen reduziert, und wir eben dafür sorgen, dass sich in Zukunft mehr Menschen – gerade junge Menschen und junge Familien – Eigentum leisten können und zu Eigentümerinnen und Eigen­tümern werden.

Ich habe gesagt, ich bin stolz, aber ich bin vor allem auch dankbar für diese Zeit bei Ihnen im Bundesrat, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, nämlich dankbar


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für viele parteiübergreifende – von links bis rechts geblickt – Diskussionen mit Ihnen, die für mich sehr wertvoll und sehr lehrreich waren.

Ich denke an ausgefeilte inhaltliche Lehrstunden der Kollegen Arlamovsky und Obrecht, ich denke an die ideologische Bandbreite und ganz unterschiedliche Stilistik von Marco Schreuder bis Thomas Steiner (Bundesrätin Steiner-Wieser: Markus!) – Markus Steiner, Entschuldigung (Heiterkeit und Rufe: Christoph Steiner!) – Christoph Steiner, sage ich eh! Christoph Steiner. Marlies, da musst du dich jetzt, glaube ich, dafür entschuldigen (Heiterkeit des Redners. – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.– Und ich denke natürlich auch an die Gespräche und Einblicke in der eigenen Fraktion, woraus ganz neue Blickwinkel und Positionen entstanden sind, die man selbst vielleicht noch nicht so eingenommen hat, etwa wenn man die Kolleg:innen aus Oberösterreich oder Vorarlberg ein bisschen näher kennenlernt oder wenn man als ungestümer und vielleicht immer wieder einmal ungezügelter junger Bundesrat von arrivierten Bundesrätinnen und Bundesräten einfach auch ein bisschen Lehrgeld bekommt. Man muss auch sagen: Heute verlassen immerhin über 65 Jahre Bundesrats- und Parlaments­erfahrung die Fraktion der Volkspartei (Bundesrätin Zwazl: Wirf mir nicht mein Alter vor!), also das ist auch nicht nichts. Danke vielmals allen dafür, von und mit euch gelernt zu haben und die Chance gehabt zu haben, mitgestalten zu dürfen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss nach dem Danke aber auch noch eine Bitte, nämlich an euch alle und eigentlich an uns alle, die wir ja weiterhin Politik machen, auch wenn es in anderer Funktion ist: Ich hätte gerne, dass wir Politik leben, nämlich auf eine Art und Weise, dass auch in Zukunft 15-Jährige daran Interesse und Freude haben, Politik zu machen oder zumindest zu beobachten – und das beginnt beim Ton der Debatte. Es wird Sie nicht wundern, wenn ich mich jetzt in diese Richtung (in Richtung FPÖ) drehe, geschätzte Kolleginnen und Kollegen. Ich unterstelle Ihnen und ich sage es ganz ehrlich: Sie in der FPÖ liegen ganz oft richtig im Aufzeigen der Problemstellung. Da gibt es schon Punkte, bei denen Sie recht haben, aber ich glaube, dass der Stil und die


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Art und Weise uns nicht weiterbringen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Ofner: Besser als korrupt! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich würde mir wünschen, dass wir miteinander auf eine Art und Weise disku­tieren, die ganz hart in der Sache ist, aber ohne persönliche Herabwürdigungen auskommt. Ich würde mir wünschen, dass wir auf der Basis von Fakten disku­tieren und die Verschwörungstheorien auf die Seite schieben (Beifall bei der ÖVP – Zwischenruf des Bundesrates Ofner), und ich würde mir wünschen, dass wir der Komplexität der Welt wirklich Rechnung tragen und nicht auf falsche Simplifizierung hereinfallen.

Lassen Sie uns gemeinsam doch einfach das weiter tun, worauf es ankommt: gesittet streiten! Schauen wir darauf, dass These und Antithese einfach zur Synthese werden! (Bundesrätin Schumann: Genau, zur Koalition!)

Ich möchte aber nicht nur eine Lanze für den Wert des gesitteten Streits brechen, sondern auch für den Wert des Kompromisses. Ich drehe mich deshalb ganz bewusst jetzt auch zu den Kollegen der Sozialdemokratie. Unsere Demo­kratie lebt von unterschiedlichsten Zugängen und Ansichten, sonst bräuchten wir ja nicht gesittet zu streiten. Unser Verhältniswahlrecht macht es notwendig, dass wir unterschiedliche Zugänge und Ansichten unter einen Hut bekommen, dabei helfen aber keine Ultimaten oder Drohszenarien rund um abgetrennte Gliedmaßen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen. (Bundesrätin Schumann: Ja, ja, ja!) Das mag Parteifunktionären gefallen, unserer Gesellschaft hilft das aber nicht weiter. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, nicht zuletzt ist meine Bitte: Versuchen wir, den Fokus abseits von täglichen Headlines auf die positiven Veränderungen, die wir alle gemeinsam für unser Land ermöglichen können, zu richten! Zeigen wir den 15-Jährigen von heute und von morgen, dass Politik nicht einfach ist, sich der Einsatz aber lohnen kann, wenn man Beschlüsse wie heute fasst! Zeigen wir den 15-Jährigen von heute und morgen, dass Politik nicht darin besteht, sich gegenseitig zu beleidigen, sondern darin, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten!


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Und zeigen wir den 15-Jährigen von heute und morgen, dass Lösungen in unserem System nicht allen immer zu 100 Prozent gefallen können, aber dass das auch vollkommen in Ordnung ist!

Ich hoffe, dass wir es schaffen, dass wir auf diese Art und Weise möglichst viele Menschen, von den 15-Jährigen bis zu den Hochaltrigen, von unserer Demo­kratie überzeugen und sie zur Mitarbeit bewegen können, denn diese Teilhabe muss unser wichtigstes Ziel sein.

Deshalb ein großes, großes Dankeschön für den oftmals gesitteten Streit, für viele konstruktive Diskussionen, fürs Lernen- und Mitgestaltendürfen. Ihnen alles Gute, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, für Ihre weitere Arbeit hier im Parlament für die Republik und die Bundesländer. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrät:innen Steiner-Wieser und Arlamovsky.)

13.54


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Lieber Florian, herzlichen Dank für dein Wirken hier im Bundesrat. Du wirst im Niederösterreichischen Landtag die Möglichkeit haben, dich weiterhin für die jungen Menschen einzusetzen. Ich glaube, du wirst auch weiterhin die Möglichkeit haben, Erfahrungen mit den Freiheitlichen, den Sozialdemokraten und so weiter sammeln zu können – dafür alles Gute. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Zu Wort gelangt Frau Bundesminister Zadić. – Bitte, Frau Minister.


13.55.26

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Es ist mir eine große Freude, dass wir heute über das Besteller:innenprinzip reden. Nach diesem Prinzip, auf das wir alle schon sehr, sehr lange gewartet haben und das wir endlich umgesetzt haben, müssen künftig diejenigen eine Leistung zahlen, die sie auch beauftragen.


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Wie Sie alle wissen, ist es übliche Praxis, dass genau diejenigen, die eine Woh­nung suchen und dann auch finden – vielleicht Stunden im Internet verbracht haben, um tatsächlich ein paar Wohnungen auszusuchen –, dann dorthin fahren mussten, um die Wohnungen anzuschauen, letzten Endes für eine Leistung zahlen müssen, die sie selbst erbracht haben, weil sie stundenlang damit ver­bracht haben, Wohnungen zu sortieren und letzten Endes vielleicht zu finden. Ich glaube, dass wir mit der Umsetzung des Besteller:innenprinzips mit einer jahrzehntelangen Ungerechtigkeit aufräumen, und ich halte es wirklich für einen richtigen und einen wichtigen Schritt, insbesondere für die jungen Menschen in unserem Land.

Nun wird auch im Mietbereich das gelten, was sonst im Dienstleistungssektor gilt, nämlich dass derjenige, der bestellt, die Leistung letzten Endes auch zahlt. Und ja, wir verbieten den Mieterinnen und Mietern nicht, diese Leistung zu beauftragen, wenn sie das wünschen, denn es soll ja durchaus vorkommen, dass Mieterinnen und Mieter sich diese Arbeit nicht antun und daher einen Makler oder eine Maklerin bestellen wollen. Das soll nach wie vor möglich sein, und daher verbieten wir das selbstverständlich nicht.

Wie wichtig diese Reform aber ist, zeigt uns ein genauer Blick auf den öster­reichischen Wohnungsmarkt: Jedem dritten Mieter, der einen befristeten Mietvertrag hat, wird dieser nicht verlängert. Das bedeutet, dass diese Miete­rinnen und Mieter erneut eine Wohnung suchen müssen. Sehr oft betrifft das junge Leute, sehr oft betrifft das auch Familien, die sich einen Wohnungs­wechsel vielleicht nicht leisten können. Diese müssen, wie bereits von vielen von Ihnen erwähnt, einiges an Geld in die Hand nehmen, um tatsächlich diesen Wohnungswechsel vorzunehmen, den sie auch vornehmen müssen, weil sie einen befristeten Mietvertrag haben.

Ja, da sparen sich die Familien mehrere Tausend Euro, denn wenn man das hochrechnet, sind es insgesamt über 55 Millionen Euro pro Jahr – in Zeiten der Teuerungen ist das eine hohe Summe. (Beifall bei den Grünen.)


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Weil das auch mehrfach angesprochen wurde: Um sicherzustellen, dass das Gesetz auch seine intendierte Wirkung entfalten kann, haben wir auch einen umfassenden Umgehungsschutz vorgesehen. Die Mieter:innen sollen selbst nicht provisionspflichtig werden, wenn zum Beispiel die Maklerin mit der Ver­mieterin ausmacht, jetzt keinen Vertrag abzuschließen, damit eben der Mieter die Maklerprovision zahlt – genau solche Umgehungskonstruktionen sind per Gesetz nicht zulässig.

Des Weiteren wird der Mieter oder die Mieterin auch nicht provisionspflichtig, wenn zwischen Makler und Vermieter ein wirtschaftliches Naheverhältnis besteht – auch dann entsteht nicht die Provisionspflicht für den Mieter. Die Mieterinnen und Mieter werden auch nicht provisionspflichtig, wenn Makler:in­nen eine zu vermietende Wohnung mit dem Einverständnis des Vermieters inserieren oder zumindest für einen eingeschränkten Interessenkreis auf eine andere Weise bewerben.

Ein vierter Umgehungspunkt, der meines Erachtens auch entscheidend ist, besagt, dass jegliche Vereinbarungen unwirksam sein sollen, die Mieter:innen verpflichten, anstatt des Vermieters das Entgelt für die Maklerprovision zu zahlen, sprich Ablösen. Wenn man Ablösen in der Höhe der Maklerprovision vereinbart, dann ist das selbstverständlich nichtig und auch vom Gesetz her verboten.

Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, dass wir mit diesem Umgehungsschutz wesentlich besser dran sind als das von Ihnen angesprochene deutsche Recht. Ich bin der Überzeugung, dass wir von den deutschen Fehlern gelernt haben. Deswegen haben wir diese Umgehungskonstruktionen auch explizit niedergeschrieben. Wir ermöglichen es so weiterhin, dass Mieter:innen auch einen Makler beauftragen können, was ja in Deutschland per se erschwert wurde. Damit das Ganze transparent wird, gibt es auch umfassende Trans­pa­renzverpflichtungen. Es gibt umfassende Verpflichtungen, die Vertragsabschlüsse zu dokumentieren. Wer dieser Pflicht widerspricht, dem gebühren Verwal­tungsstrafen, und zwar gar nicht so niedrige.


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Es wurde die Beweislastumkehr angesprochen: Ich bin der Meinung, dass unser Verfahrensrecht bereits gute Maßnahmen setzt, denn wenn der Makler behauptet, dass ihm vom Mieter eine Maklerprovision zusteht, muss er das selbstverständlich beweisen. Ich glaube, auch aus diesem Grund kennt unser Verfahrensrecht die notwendigen Beweislastregelungen bereits.

Im Großen und Ganzen bin ich der festen Überzeugung, dass uns mit dieser Novelle ein ganz großer Schritt gelungen ist, dass wir damit mit einer jahr­zehn­telangen Ungerechtigkeit aufhören und vielen jungen Menschen, vielen Wohnungssuchenden eine Stütze sein werden, damit sie eben nicht teuer eine Wohnung mieten müssen. In diesem Sinne hoffe ich auch auf Ihre Zustim­mung. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

14.01 14.01.49


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmenmehrheit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesrät:innen Eva Prischl, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Umgehungsmöglichkeiten beim Bestellerprinzip: Endlich eine echte Abschaffung der Makler*innenprovision für Mieter*innen umsetzen!“ vor.


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Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmenminderheit fest. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

14.02.456. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heiz- und Kältekostenabrechnungsgesetz geändert wird (3095/A und 1953 d.B. sowie 11188/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Isabella Kaltenegger. – Ich bitte um den Bericht.


14.02.49

Berichterstatterin Ing. Isabella Kaltenegger: Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heiz- und Kältekostenabrechnungsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich darf zunächst die Frau Staatssekretärin sehr herzlich bei uns begrüßen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Steinmaurer. – Bitte, Herr Kollege.



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14.03.52

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Vizepräsident! Frau Staatssekretärin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Werte Zuseher vor den Fernsehgeräten! Bezüglich Heiz- und Kältekostenabrechnungsgesetz ist Folgendes festzuhalten: Wie im Nationalrat werden wir Freiheitliche auch im Bundesrat nicht zustimmen. Für eine Familie, in der beide Elternteile arbeiten gehen, ist das tägliche Leben zur finanziellen Belastung geworden. Die Belastungen, auch beim Wohnen, hätte diese Bundesregierung schon längst abfedern können.

Als Betriebsrat einer Baufirma kontaktieren mich die Mitarbeiter mit ihren Problemen, aber auch Bürger, die nicht mehr wissen, wie die offenen Rech­nungen bezahlt werden sollen, melden sich bei mir. Die Teuerung kann einfach nicht geleugnet werden. Wie sollen die Bürger, alleinerziehende Mütter oder Familien mit geringem Einkommen, das zahlen? Das tägliche Leben, die Kinderbetreuung, der gesamte Alltag sind zur finanziellen Belastung geworden. Bei der Billigarbeitskraft Frau, die familienbedingt nur Teilzeit arbeiten kann: Wie soll sich das am Ende des Tages ausgehen? (Bundesrätin Hahn: Die „Billigarbeits­kraft Frau“? – Bundesrätin Schumann: Na bist du fertig!)

In Wahrheit muss man bei den Ursachen anfangen und eine Strom- und Gas­preis­bremse umsetzen. Das Meritorderprinzip darf nicht angewendet werden. Es kann nicht sein, dass das teuerste Kraftwerk den Marktpreis bestimmt. In Öster­reich braucht es konkrete Maßnahmen, damit die Mehreinnahmen des Staates wieder bei den Menschen ankommen. Es ist überfällig, dass die Regie­rung gegen die davongaloppierende Inflation aktiv wird und auf die Teuerung reagiert. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Änderungen dieses Gesetzesvorschlages sind für die Bürgerinnen und Bürger informativ, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass die Rechnungen nicht bedient werden können. Der erste Schritt wäre daher eine Entlastung der Steuern auf Arbeit, sowohl arbeitnehmer- als auch arbeitgeberseitig. Ein


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weiterer konkreter Vorschlag wäre die Senkung der Mineralölsteuer – das könnte der Finanzminister ja durch seine Mehreinnahmen ausgleichen.

Nach dem Sprichwort, wo ein Wille, da ein Weg, bringe ich das Beispiel der Stadt Wels, das die Bundesregierung gerne aufgreifen kann: Es werden dort die Mieten nicht um 8,6 Prozent, wie es der Richtwertsatz vorsieht, sondern nur um 3 Prozent erhöht. Des Weiteren ist ein Mietkostenzuschuss von bis zu 200 Euro pro Jahr (Bundesrätin Platzer: Gemeinsam mit der ÖVP!) – danke, Frau Platzer! –, gestaffelt nach dem Einkommen, vorgesehen, sofern der Gemeinderat das beschließt. Es ist eine kurze Antragsfrist von zwei Monaten geplant, somit ist die Abwicklung gesichert. Da wird nachhaltig gearbeitet, es wird kein Steuergeld mit der Gießkanne verteilt. (Beifall bei der FPÖ.)

Eine Preisbremse bei Strom, Gas und den kommunalen Belastungen durch die Bundesregierung ist überfällig. Diese Gesetzesänderungen teilen dem Kunden die tatsächlichen Kosten mit, sind aber keine Hilfe für die betroffenen Men­schen. Die Änderungen gehen uns nicht weit genug, es muss eine gesetz­liche Grundlage zur Bewältigung der vorhandenen Probleme erarbeitet werden. Wir können diesem Wunsch nach einer Gesetzesänderung daher nicht zustim­men. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.07


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bun­des­rätin Dr. Maria Huber. – Bitte, Frau Kollegin.


14.08.00

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zusehe­rinnen und Zuseher, die unserer Debatte hier folgen! Kollege Steinmaurer, mir ist nicht ganz klar, welcher Teil Ihrer Rede jetzt wirklich konkret das Heiz- und Kältekostenabrechnungsgesetz behandelt hat. Ich werde das gerne nachholen und jetzt einmal erklären, worum es überhaupt geht. (Zwischenruf des Bundes­rates Spanring.)


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In diesem Tagesordnungspunkt geht es eben um Änderungen im Heiz- und Kälte­kostenabrechnungsgesetz. Viele Mieterinnen und Mieter kennen das Prob­lem: Man bekommt die jährliche Heizkostenabrechnung, und bisher war es für Sie als Mieterin oder Mieter meist schwer nachvollziehbar, wie die Höhe der Heiz­kosten, die Sie zu tragen haben, ganz konkret ermittelt wurde.

Diese Novelle bringt eine wesentliche Verbesserung für Sie als Konsumentinnen und Konsumenten. Durch die vorliegende Änderung im Heizkostenabrech­nungsgesetz müssen nämlich sowohl die zugrunde liegenden Ermittlungs- und Berechnungsmethoden als auch die anfallenden Kosten ganz klar ausgewiesen werden. Des Weiteren können Sie als Konsumentinnen und Konsumenten nun bestimmen, dass beispielsweise Abrechnungsinformationen direkt vom Anbieter an einen Energiedienstleister übermittelt werden. So haben Sie die Chance, sich im Hinblick auf Ihren Energieverbrauch, aber auch im Hinblick auf überhöhte Energiekosten besser beraten zu lassen. Wichtig dabei ist außerdem, dass diese Übermittlung kostenlos geschehen muss. Wir setzen damit auch eine seit Langem ausständige EU-Vorgabe um.

Es wird also wirklich Transparenz für Sie als Konsumentinnen und Konsumenten geschaffen. Warum ist diese Transparenz gerade in diesem Bereich so wesentlich? – In Österreich gibt es mehrere Firmen, die Heizkostenablesungen durchführen. Diese haben in der Vergangenheit ihre Marktmacht ausgenutzt. Die Bundeswettbewerbsbehörde ist dahin gehend auch schon tätig geworden und hat Millionenstrafen ausgesprochen – der Verdacht: Kartellabsprachen. Das geht von wechselseitiger Abgabe von Deckangeboten, der Abstimmung von Preisen und Preiserhöhungen für insbesondere Kundendienstleistungen, Entsorgungs-, Montage-, Nachtermin- und Austauschkosten bis hin zum systematischem Austausch von wettbewerblich sensiblen Informationen über Preise, Kunden und potenzielle Kunden- und Geschäftsbedingungen. Kurz zusammengefasst betrifft das also alles, was sich am Ende des Tages nachteilig auf die jährliche Heizkostenabrechnung von Ihnen als Konsumentinnen und Konsumenten auswirkt.


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Genau deshalb ist uns Transparenz in diesem Bereich so wichtig, deshalb haben wir im letzten Jahr bereits Verbesserungen im Heiz- und Kältekostenabrech­nungsgesetz umgesetzt und deshalb setzen wir heute weitere Anpassungen um. Ich bitte um Ihre breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Schwarz-Fuchs.)

14.11


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Edi Köck. – Bitte.


14.11.11

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Staats­sekretärin! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorrednerin hat den Gesetzentwurf sehr gut erklärt, dem ist nichts hinzuzufügen, ich könnte es nicht besser. (Heiterkeit bei ÖVP und Grünen.)

Es geht nun erstens um ein Gesetz, welches den Konsumentinnen und Konsumenten Transparenz bringt, zweitens geht es darum, dass sie die Hoheit über ihre Daten bekommen, und drittens geht es auch darum, dass Kosten aus dem System genommen werden. Die Freiheitlichen sind dagegen – was soll man dazu sagen?

Wir arbeiten aber weiter daran, die Menschen auf der einen Seite am Energie­sektor zu entlasten – genau dazu führt dieses Gesetz –, auf der anderen Seite aber auch die Transformation der Energiepolitik voranzutreiben, denn auch dazu führt dieses Gesetz.

Ich möchte ein Beispiel aus dem Stromsektor bringen, da sind ja die Daten für jeden Einzelnen schon länger verfügbar. Heuer hat es den Rat gegeben, man möge in den Stunden zwischen 8 und 12 Uhr vormittags sowie zwischen 17 und 19 Uhr nachmittags versuchen, weniger Strom zu verbrauchen, weil gerade das die Spitzenzeiten sind, zu denen Strom mit Gas produziert wird. Das hat


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offensichtlich ganz gut gegriffen: Der Stromverbrauch im Jänner ist im Jahres­vergleich um 6 Prozent – auch im langjährigen Vergleich – und der Gasverbrauch um 21 Prozent gesunken. Da sieht man ganz deutlich: Die Bürgerinnen und Bürger haben daran mitgearbeitet, weniger Gas und weniger Strom zu verbrauchen, um damit die Gaspreise und in der Folge letzten Endes auch die Strompreise zu senken.

Dieses Gesetz macht auch transparent, wo man eine Förderung und eine Beratung erhalten kann, wie man sein Handeln verändern kann und auch, wie man zu Ansätzen kommt, die letzten Endes zur Senkung des Verbrauches führen. Das ist auch sehr, sehr wichtig. Gerade was die Energieproduktion betrifft, müssen wir uns in Zukunft ganz anders ausrichten. Wir brauchen das Ziel, dass wir energieunabhängig sind, und müssen alles daran setzen, das so schnell wie möglich zu erreichen.

Ich habe vor ein paar Wochen eine Dokumentation gesehen, die Putin gezeigt hat, als er vor zwei, drei Jahren in Berlin bei einer Veranstaltung gesagt hat: Womit wollt ihr eigentlich heizen, wenn wir euch kein Gas liefern? – Dabei hat er süffisant gelächelt. Dann hat er noch gesagt: Dann müsst ihr wieder zu uns kommen, damit wir euch Holz aus Sibirien liefern! – Er war sich schon sehr sicher, dass er uns alle in der Hand hat.

Voriges Jahr war das vielleicht für ein paar Monate so, aber ich denke, diese Regierung hat darauf sehr, sehr gut reagiert. Wir haben uns letzten Endes von dieser Abhängigkeit wegbewegt. (Bundesrat Spanring: Ach so? Wo kommt denn jetzt das Gas her? Na, wo kommt denn unser Gas jetzt her?) Wir müssen alles tun und jede Möglichkeit wahrnehmen, damit wir in Zukunft unsere Energie in Österreich selbst produzieren können. (Bundesrat Spanring: Ach so, wir produ­zieren jetzt selber das Gas! Heiße Luft!) Dieses Gesetz wird dazu beitragen, dass wir auch in diese Richtung gut unterwegs sind und so schnell wie möglich dort, wo wir hinwollen, ankommen. Ich bitte um breite Unterstützung und danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

14.14



BundesratStenographisches Protokoll951. Sitzung, 951. Sitzung des Bundesrats vom 16. März 2023 / Seite 174

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. – Bitte, Frau Kollegin.


14.15.01

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Bevor ich auf den Tagesordnungspunkt eingehe, würde ich gerne ein paar einleitende Worte sagen, weil das heute so eine besondere Sitzung ist.

Es liegt so viel Abschied in der Luft. Ich glaube, für viele Bundesrätinnen und Bundesräte ist es ein sehr schwieriger Abschied, weil man mit dem Bundesrat einfach eine Verbindung aufbaut, die einen in diesem Gremium gut ankommen lässt. Trotz aller Unterschiedlichkeiten und trotz aller Auseinandersetzung sagt man: Ich bin gerne im Bundesrat und ich will auch nach außen tragen, dass der Bundesrat ein so wichtiger Teil des Parlamentarismus ist!

Ich darf mich ganz besonders bei den Bundesrätinnen und Bundesräten unserer Fraktion, die zukünftig nicht mehr dabei sein werden, für die tolle Arbeit bedanken: Vielen Dank unserem Bundesratspräsidenten Ingo Appé! – Du hast mit deiner Bundesratspräsidentschaft und der Schwerpunktsetzung auf das Thema Wasser etwas vorgelegt, das für das Wirken eines Bundesratspräsi­den­ten wirklich eine Besonderheit war. Wir werden noch lange davon zehren, das Thema Wasser wird uns weiter begleiten. Vielen Dank an Günther Novak für seine tolle Vizepräsidentschaft, an Andrea Kahofer, die leider an Corona erkrankt ist und heute nicht da sein kann, die auch eine ganz, ganz tolle Vizepräsidentin war! Vielen Dank an dich, liebe Eva Prischl, für den guten Zusammenhalt und deine tolle Arbeit!

Ich freue mich natürlich über alle, die dableiben, weil wir auch erfahrene Bundesrätinnen und Bundesräte brauchen. All jenen, die ausscheiden, auch von den anderen Fraktionen: Alles Gute für Ihre Zukunft! Ich glaube, jeder, der einmal Mitglied war, macht Werbung für den Bundesrat, da brauchen wir gar nicht weiterzureden. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)


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Jetzt zur Materie: Ich glaube, das Heizungs- und Kältekostenabrechnungsgesetz per se brauche ich jetzt wirklich nicht mehr zu erklären, das haben wir schon durch. Wir werden dem Gesetz zustimmen, weil es ein erster wichtiger Schritt in Richtung Transparenz ist.

Ich würde Ihnen gerne noch mitgeben, dass man aber weiter hinschauen muss. Das Ablesen von Wärme-, Kälte- und Warmwasserverbrauch ist sehr stark in Monopolhand einiger weniger global agierender Konzerne. Da müsste man hinschauen. Ich darf nur ein Beispiel bringen: Der Anbieter Ista ist vor einigen Jahren um 4,5 Milliarden Euro an einen anderen Besitzer gegangen. Das heißt, da muss man schauen: Wie könnte man diese Monopolsituation brechen?

Für uns wäre wichtig, dass man die Nutzungsdauer von Geräten von fünf Jahren auf zehn Jahre ausdehnt, erstens, weil es ökologischer ist, und zweitens, weil es für die Mieterinnen und Mieter auch ökonomischer ist. Wir fordern auch – auch das wäre wichtig, umzusetzen – standardisierte Softwareschnittstellen, um ein unabhängiges Ablesen möglich zu machen. Es ist wichtig, zu sagen: Den Wohnungsnutzer:innen dürfen mit den Heiz-, Kälte- und Warmwasserkosten nur die Betriebskosten der Anlage verrechnet werden und nicht etwaige Repara­turen oder Baukosten.

Und ganz ehrlich gesagt: Wir alle müssten heute eigentlich hier sein, um die Mietpreisbremse zu beschließen. Mit 1. April werden die Mieten um 8,6 Prozent erhöht, und Sie haben es bisher nicht geschafft, diese Mietpreisbremse einzuziehen. Ganz ehrlich: Die Regierung ist mehr als dringend aufgefordert, da noch etwas zustande zu bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine Erhöhung der Mietpreise um 8,6 Prozent ab 1. April bedeutet für viele Familien – es sind fast 400 000 Menschen, die eine Wohnung haben und in Miete wohnen – eine höchste Belastung. Menschen, die jetzt schon nicht wissen, wie sie ihr Leben finanzieren können, werden dann noch mehr belastet. Da muss man hinschauen.


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Sie treiben die Inflation noch weiter hinauf. Wir haben eine extrem hohe Inflation von 11 Prozent. Bitte tun Sie noch etwas! Heute wäre der Tag gewesen, die Mietpreisbremse im Bundesrat zu beschließen. Sie haben es nicht geschafft. Gut, wir geben die Hoffnung nicht auf, es wäre mehr als notwendig. Wenn Sie es nicht tun, ist es ganz eindeutig zum Schaden der Bevölkerung. (Beifall bei der SPÖ.)

14.19 14.19.40


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich darf mich den an die ausscheidenden Mitglieder geäußerten Glückwünschen der Fraktionsobfrau anschließen und darf sagen, dass ich froh bin, dass wir es an Tagen und in Stunden wie diesen auch immer schaffen, Kolleginnen und Kollegen hier würdig zu verabschieden und entsprechend Dank zu sagen. Da kann ich mich nur anschließen.

Zum Tagesordnungspunkt selbst liegen mir keine Wortmeldungen mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Somit ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bunderäte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmenmehrheit fest, der Antrag ist somit angenommen.

14.20.367. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert wird (1928 d.B. und 1941 d.B. sowie 11190/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.


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Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Ich bitte um die Berichterstattung.

Ich darf zwischenzeitlich den Herrn Bundesminister sehr herzlich begrüßen – willkommen! (Beifall bei der ÖVP.)


14.21.07

Berichterstatter Ernest Schwindsackl: Herr Präsident! Geschätzte Frau Staats­sekretärin! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert wird.

Durch den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates sollen die einheitliche Kategorisierung der Leistungen in Anlehnung an die Klassifikation der Auf­gabenbereiche des Staates legistisch verankert und die Datenverfügbarkeit durch eine Erweiterung des Kreises der Datenquellen für die Transparenz­datenbank weiter verbessert werden.

Der Bericht liegt Ihnen auch in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke schön.

14.22


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ingo Appé. – Bitte, Herr Kollege.


14.22.20

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ja, die Transparenzdatenbank sollte eigentlich ein Werkzeug der


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Kontrolle sein, um die Nachverfolgung von Geldflüssen zu ermöglichen und zu verhindern, dass Gelder, die von öffentlicher Hand ausgegeben werden, irgendwo versickern und verschwinden. Unsere Erfahrung nach drei Corona­jahren war aber leider eine andere. Es ist eigentlich nur der Europäischen Union zu verdanken, dass wir die Möglichkeit haben, ein Instrument zu nutzen, mit dem man nachverfolgen kann, wo die Gelder hingeflossen sind.

Leider bietet diese Transparenzdatenbank, wie sie uns nun vorliegt, dieses Instrument nicht in der Art und Weise, wie wir uns das vorstellen. Da fehlen wesentliche Teile. Wenn ich die Gruppenbesteuerung als Beispiel heranziehe: Es gibt keine Auflistung, welche Profite gewisse Konzerne erzielen können. All das fehlt, und andere Teile fehlen, weil bestimmte Körperschaften überhaupt nicht dabei sind. Daher können wir dieser Gesetzesvorlage leider nicht unsere Zustimmung erteilen.

Es ist auch meine letzte Rede. Auch für mich heißt es: time to say goodbye. Kärnten wird ja in allen Fraktionen komplett neu aufgestellt. Es kommt dann auch von der ÖVP ein Kollege oder eine Kollegin in den Bundesrat. Auch hier verschieben sich also gewisse Standpunkte, wie sie derzeit feststehen, und es gibt im Bundesrat einen großen Wechsel über die Fraktionen und die Bun­desländer hinweg. Ich muss sagen, rückblickend auf meine Zeit im Bundesrat waren das wunderschöne Jahre – und wer hat schon die Möglichkeit, in seiner Präsidentschaft einen Vizepräsidenten zu haben, der nun Finanzminister ist? (Allgemeine Heiterkeit.) Magnus, an dieser Stelle eine herzliches Danke für diese sechs Monate, die wir gemeinsam werkeln durften! (Allgemeiner Beifall.)

Auch ich möchte mich bei der Direktion, bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hier im Hause bedanken, und vor allem bei meiner Fraktion, aber auch bei euch allen. Es war eine schöne Zeit, man könnte sagen: „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut.“

Es ist aber nicht nur Licht, es ist auch Schatten, und die letzten drei Jahre waren eigentlich sehr herausfordernd und auch sehr belastend. Als Fraktionssprecher


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für Gesundheit und Finanzen war ich besonders gefordert. Wir waren eigentlich in den letzten drei Jahren laufend hier, am Pult, und langweilig ist mir nicht geworden. Wir – mich eingeschlossen – waren eigentlich stets bemüht, zum Wohle der Österreicherinnen und Österreicher Entscheidungen zu treffen, verbindend und sachlich zu diskutieren und zu debattieren. Wie gesagt, die Entscheidungen waren aber zu treffen; zu denen hat man auch zu stehen – das ist unser Job, ob es lustig ist oder nicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bundesrat ist die Länderkammer, aber auch die Europakammer und die Zukunftskammer. Sonja hat es gesagt: Nur gemein­sam geht es – und nicht gegeneinander. Das kann ich nur unterstreichen, denn wenn wir uns zeitweise anpinkeln, helfen wir keinem, sondern schaden uns allen nur selbst. Deswegen mein Appell: Arbeitet zukünftig miteinander, das ist besser für uns alle! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Es ist ja heute schon angeklungen, das Wasser war mein Thema. Es ist mir eine Herzensangelegenheit, war gestern das Thema, ist heute das Thema und wird auch zukünftig das Thema sein. Bitte nehmt euch des Themas an, als Länder­kammer, als Zukunftskammer! Macht den Bundesrat stark! Er hat es sich verdient. Ihr leistet wertvolle Arbeit, es liegt an euch. Alles Gute für die Zukunft! (Anhaltender allgemeiner Beifall.)

14.27


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Lieber Kollege Ingo Appé! Ich glaube, der Applaus zeigt es dir: Du warst und bist tatsächlich ein besonders verbindlicher, offener Mensch und hast wirklich hervorragend, würde ich sagen, vorgeführt, wie man eine gegenteilige Meinung haben kann, ohne den anderen zu belei­digen. Dafür möchte ich mich im Namen von allen noch einmal sehr herzlich bei dir bedanken. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.) Ich weiß, im Namen aller zu sprechen, wenn ich sage: Ich wünsche dir von Herzen das Allerbeste.

Wir kommen nun zum nächsten Redner, Kollegen Bundesrat Karl Bader. – Bitte.



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14.28.46

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Schüler:innen und andere Besucher:innen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, das Transparenzdatenbankgesetz ist ein Gesetz, bei dem es um Folgendes geht: Wenn Fördergelder ausgegeben werden, dann ist auch klar, dass es sich dabei um Steuergelder handelt und dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ganz einfach das Recht und die Möglichkeit haben müssen, nachzuvollziehen, was mit dem Geld passiert. Es ist auch klar, dass diese Gelder effizient eingesetzt werden müssen, daher wurde 2012 das Transparenz­daten­bankgesetz eingeführt. Heute besprechen wir eine Novellierung.

Es geht im Wesentlichen um vier Punkte: Zum Ersten geht es darum, dass der Energiekostenzuschuss auch in der Transparenzdatenbank veröffentlicht wird.

Zum Zweiten geht es darum, dass durch die Kontrolle des Rechnungshofes einige Dinge bemängelt beziehungsweise empfohlen wurden. Diese sind hier auch eingearbeitet worden.

Drittens geht es um eine bessere Möglichkeit, auf die Transparenzdatenbank zuzugreifen; das ist auch wichtig und soll die Qualität verbessern.

Und viertens geht es schließlich darum, dass auch Gemeinden unter 20 000 Ein­wohnern autorisiert werden, die Transparenzdatenbank zu nutzen und freiwillig einzumelden. Ich bitte daher darum, dass wir unsere Zustimmung geben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch ich gehöre zu den rund – das habe ich mit ein bissel Verwunderung festgestellt – 20 Prozent der Mitglieder dieses Hauses, die ab jetzt nicht mehr dem Bundesrat angehören werden. Das ist schon sehr, sehr viel. Wie alles im Leben hat auch das seine Zeit, und ich blicke sehr dankbar und zufrieden auf zweimal fünf Jahre als Mitglied hier im Bundesrat und zehn Jahre als Abgeordneter im Niederösterreichischen Landtag zurück.


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20 Jahre lang Mandatar im Interesse der Bevölkerung und für diese unterwegs zu sein: Das waren schon sehr, sehr wertvolle 20 Jahre, und es waren auch sehr intensive und sehr herausfordernde 20 Jahre. Jeder, der Verantwortung trägt, weiß, was es heißt, nicht nur bei Sonnenschein dazustehen und seine Meinung zu vertreten. Es waren 20 Jahre mit gewaltigen Erfahrungen und vor allem auch 20 Jahre, in denen man viele Menschen kennengelernt hat, nicht nur als Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus, sondern auch draußen in der Bevölkerung. Es sind viele Freundschaften entstanden, und einige werden sicherlich auch weiter bestehen bleiben.

Es ist Zeit, auch Danke zu sagen. Ich möchte heute ganz bewusst mit einem Dank an meine Familie, an meine Frau beginnen. Ohne die Unterstützung, die ich von dort erfahren habe, hätte ich das alles nicht machen können. Ich sage das ganz bewusst am Beginn meiner Dankesworte, weil wir heute, in einer Zeit von verbalen Herabwürdigungen, Diffamierungen und Demütigungen, besonders gefordert sind und ich vor allem darauf aufmerksam machen möchte, dass hinter jedem und jeder von uns eine Familie, Freunde, Bekannte stehen, die das miterleben, mit ertragen und mit aushalten müssen. (Allgemeiner Beifall. – Bundes­rätin Steiner-Wieser: ... Wehret den Anfängen!)

Ich glaube daher, dass wir alle gut daran tun, das bei unserer Wortwahl immer auch zu bedenken.

Ich danke meinem Team in der Volkspartei Niederösterreich, die mich dafür vorgeschlagen hat, hier im Bundesrat das Bundesland Niederösterreich zu vertreten. Ich danke meinem Team in der Gemeinde, die das auch mitgetragen hat, im Klub, in der ÖVP-Fraktion, der ich einige Jahre als Fraktionsobmann vorstehen durfte: Danke für die Kollegialität und die großartige Zusammen­arbeit! Es ist wichtig, ein Team zu haben, bei dem man spürt, dass man getragen wird. Ich danke auch Karlheinz Kornhäusl, dass er diese Aufgabe übernommen hat, und wünsche ihm als neuem Fraktionsobmann im Interesse unserer Fraktion alles Gute und viel Erfolg. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Ich möchte auch unseren Kollegen von der zweiten Regierungsfraktion, den Grünen, Danke sagen. Bei den großen inhaltlichen Differenzen werden wir uns nie zusammenraufen können, da werden immer Gräben und Unterschiede bleiben. Das ist aber, glaube ich, doch nicht so tragisch, denn, lieber Marco, ich danke dir und deinem Team dafür, dass wir trotz unterschiedlicher Zugänge und Meinungen, glaube ich, schon ein Beispiel dafür gegeben haben, wie man trotzdem auf Sachebene gut zusammen arbeiten kann. Dir und deinem Team: Danke für dieses gemeinsame Beispielgeben! (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Gross und Schreuder.)

Ich danke – bei allen Unterschieden – jedem und jeder hier für die Zusammen­arbeit. Ich bedanke mich für die Zusammenarbeit in der Präsidiale, der ich ja viele Jahre angehören durfte, und ich bedanke mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Parlament: Danke für die Unterstützung, damit unsere Arbeit getan werden kann!

Zum Schluss möchte ich dennoch ein paar Anmerkungen machen. Bei allen parteipolitischen Unterschieden und divergierenden Meinungen, die wir haben, tun wir alle gut daran, immer wieder darüber nachzudenken, ob unsere Hand­lungsweisen und unsere Wortwahl dem Parlament, dem Bundesrat, der Politik und damit den Menschen und unserer Demokratie auch tatsächlich guttun oder ob manche Handlungsweisen doch nur dem eigenen Ego und der eigenen Medienblase geschuldet sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) Das ist, glaube ich, nicht das Ziel, das wir verfolgen sollten.

Wir haben in unserem Land auch etwas, das mir Sorgen bereitet. Auf der einen Seite ist das die Empörungskultur: Gut, das ist nicht so tragisch. Die Anzei­genkultur, die sich in den letzten Jahren breitgemacht hat, ist aber schon etwas, das demokratiepolitisch sehr, sehr bedenklich ist, wenn man daran denkt, was dadurch passiert. Es ist immer die Rede von Vorverurteilungen. – Nein, meine sehr geehrten Damen und Herren, heute passieren keine Vorverurteilungen mehr, sondern politische und mediale Verurteilungen von Menschen, und das ist zutiefst abzulehnen. Das möchte ich auch auf den Weg mitgeben.


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Der Rechtsstaat funktioniert, das ist gut, und das möchte ich hier auch betonen. Wir erleben dann auch immer wieder Freisprüche wie vorgestern erst – und ich nehme jetzt wirklich keinen Politiker als Beispiel – bei Oberstaatsanwalt Fuchs. Wenn man bedenkt, was man diesem Herrn mit dieser Anzeige menschlich angetan hat: Also das ist etwas, das wir, glaube ich, zurückdrehen sollten. Die Meinungen auszutauschen, zu diskutieren und – wie auch Kollege Florian Krumböck schon gesagt hat – durch These und Antithese zu einem guten Ergebnis für die Menschen zu kommen – das muss unser Ziel sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube auch, dass wir unsere Geschäftsordnung nicht mit – ja, man kann schon sagen – Taschenspielertricks ad absurdum führen sollten. Ich möchte da ein Beispiel aus der letzten Sitzung geben. Sehr geehrte Kollegen von der FPÖ, ich sage nicht: Ihr seid Punkt, Punkt, Punkt. Ich möchte hier gar keine Worte wählen, nein, ich sage das bewusst nicht, weil es einen Ordnungsruf nach sich ziehen würden. (Bundesrat Spanring: Genau, darum haben wir es nicht gesagt!) Das ist ein Taschenspielertrick.

Ich sage aber schon, dass eure Politik sachlicher sein sollte und nicht herab­würdigend und beleidigend, wie das in vielen Bereichen der Fall ist. Das würde den Menschen etwas bringen, das würde der Demokratie etwas bringen, und das würde auch unserem Bundesrat viel bringen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Bundesrat Steiner: Das suchen wir uns schon selber aus!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin ein privilegierter Politiker. (Bundesrat Steiner: Ja!) Ich habe als Mandatar den Zeitpunkt des Einstiegs in die Politik und auch des Ausstiegs aus der Politik selbst wählen dürfen, das ist nicht jeder und jedem gegönnt. Daher verlasse ich dieses Haus natürlich mit Zufriedenheit und mit großer Dankbarkeit. Ich wünsche euch allen persönlich alles Gute und Gesundheit und dem Bundesrat sage ich: Ein herzliches Glückauf! Es war mir eine Ehre und eine Freude. – Vielen Dank! (Stehend dargebrachter Beifall bei der ÖVP, Beifall bei SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

14.38



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Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Vielen Dank, lieber Karl Bader! Du warst viele Jahre Fraktionsobmann, Präsident, Landtagsabgeordneter, Bürgermeister und hast ordentlich Spuren gezogen. Dafür sei dir von dieser Stelle sehr, sehr herzlich Dank ausgesprochen.

Als Nächster zu Wort gemeldet – und nicht zur Verabschiedung zu Wort gemeldet – ist Kollege Johannes Hübner. – Bitte, Herr Kollege. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Bundesrat Kornhäusl: Noch nicht! – Bundesminister Brunner: Endlich einer, der nicht geht!)


14.39.03

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Danke dir, lieber Präsident Harald! Ja, ich halte noch keine Abschiedsrede – das kommt für uns alle irgendwann einmal, da werden sich dann manche mehr und manche weniger freuen (Bundes­rat Kornhäusl: Du wirst uns abgehen! Ist so!) –, sondern ich halte natürlich ein Rede zum Transparenzdatenbankgesetz. Vorher wünsche ich aber den Kollegen, die sich heute verabschiedet haben, alles Gute, danke auch für die Zusammenarbeit.

Kollegen Bader darf ich aber doch mitgeben: Es ist immer gut, Tipps zu geben, aber man sollte die Art, wie Politik zu machen ist, doch eher in der eigenen Partei durchsetzen als bei den anderen. (Bundesrat Bader: Das bleibt ja unbenommen!) Es ist schon die Sache der FPÖ, welche Linie wir fahren, wie wir sie fahren, wie wir uns äußern und so weiter. (Beifall bei der FPÖ.)

Da gibt es aber in der eigenen Fraktion auch etwas zu tun, das möchte ich nur sagen. Das gibt es überall, und da ist es besser, wir beschäftigen uns damit auch in unserer Fraktion.

Jetzt aber zur Transparenzdatenbank, das kann ich kurz machen. Kollege Appé, der vorhin schon dazu gesprochen hat, hat recht, natürlich sind da verschiedene Dinge nicht ersichtlich, aber die Transparenzdatenbank ist ja keine Steuer­zahlereinsichtsbank, sondern eine Steuergeldausgabeeinsichtsbank, wenn man das so salopp sagen darf. Daher ist es nicht ganz falsch, dass man einzelne


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Steuerakte auch von großen Konzernen und Gruppen dort nicht einsehen kann, sondern es geht darum, was mit dem Steuergeld passiert.

Da ist die Datenbank mittlerweile unentbehrlich, denn der Regen an staatlichen Mitteln ist ja auch in einer Weise unübersehbar, die wir vor 20 Jahren noch für unmöglich erachtet haben. Was jetzt alles gefördert wird und wo da alle Fördermittel und Fördertöpfe geöffnet werden, in einer Kaskade von drei oder vier Ebenen, angefangen von der Europäischen Union über den Bund bis zu den Ländern und Gemeinden, ist meiner Ansicht nach bereits irre. Ich glaube, da kann mir nicht einmal der Finanzminister widersprechen.

Da entsteht natürlich ein wachsender Handlungsbedarf und eigentlich sollten wir uns alle einmal an der Nase nehmen, vor allem diejenigen, die an den Töpfen und Ausgabequellen sitzen, und fragen: Was kann man da tun, um diesen Wildwuchs einzubremsen, was kann man tun, um die Quellen der Förderungs­notwendigkeiten zu beseitigen und nicht die Quellen zu lassen und immer weiter aus dem Topf zuzuschießen? Also das ist ganz wichtig.

Die Änderungen, die gemacht werden, sind meiner Ansicht nach nicht substan­ziell, aber sie sind im Prinzip zweckmäßig. Sie erleichtern die bürokratische Handhabung dieser Bank vor allem für kleinere Gemeinden ein bisschen, sie machen es ein bisschen übersichtlicher, und sie erhöhen ein bisschen die Datenmengen, die man findet. Ob man sich leichter zurechtfindet, kann ich noch nicht sagen, weil ich nicht hineingeschaut habe, das wird erst in ein paar Monaten möglich sein, wenn diese Voraussetzungen gelten. Wir werden aber, anders als die SPÖ, aus den erwähnten Gründen hier doch zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.42


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster ist Herr Bundesrat Marco Schreuder zu Wort gemeldet. – Bitte.


14.42.26

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! (Mit heiserer Stimme sprechend:)


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Mein Arzt hat gestern gesagt, ich sollte nicht viel reden, nur wenn es wichtig ist oder wenn die FPÖ einen Blödsinn macht. Das hat er gesagt. (Heiterkeit und Beifall bei Grünen und ÖVP.) Ich habe einen sehr guten Arzt.

Ich möchte trotzdem ganz kurz etwas zum Transparenzdatenbankgesetz sagen: Wir fördern ja in vielen Bereichen, und das ist ja auch wichtig. Nennen wir KMU digital, nennen wir die Energiekostenzuschüsse, die wir machen, und so weiter! Da Transparenz zu schaffen, damit Leute wissen, was die eigentlich mit ihrem Steuergeld machen, war ja eine gute Idee.

Vor zehn Jahren haben wir diese Transparenzdatenbank gestartet, und nur bei den Gemeinden hat es ja tatsächlich auch gehapert. Da hat der Rechnungshof gesagt: Da könnt ihr wirklich etwas verbessern. – Graz, Villach und Gratkorn möchte ich hier bewusst erwähnen, das sind die drei Gemeinden, die das bereits gemacht haben, und dass wir jetzt mehr Gemeinden unterstützen, da einzupflegen, halte ich für richtig und wichtig.

Aber natürlich ist dieser Tagesordnungspunkt jetzt vor allem ein Anlass, von vielen Abschied zu nehmen. Es ist gesagt worden, es sind 20 Prozent, das habe ich gar nicht ausgerechnet. Die Fluktuation hier im Bundesrat ist ja schon immer wieder erstaunlich, denn da wir ja keine Legislaturperiode haben, ist es ein kontinuierlicher Austausch von Menschen. Und – das sage ich jetzt ganz bewusst auch ein bisschen als der Vertreter jener Fraktion, die keinen Abschied zu verzeichnen hat, sondern nur Zuwachs – da darf ich mich natürlich auch sehr herzlich bei einigen Menschen bedanken.

Ich möchte mich zum Beispiel bei Frau Kollegin Eva Prischl für die Zusammen­arbeit bedanken. Ich wünsche ihr auch als Dritter Landtagspräsidentin – glaube ich – in der Zukunft alles erdenklich Gute für die neue Aufgabe. – Herzlichen Dank!

Ebenso – und richten Sie ihr das bitte aus, weil sie ja heute nicht da sein kann – Frau Kollegin Kahofer: Ich finde es sehr schade, denn es wäre ihr letzter Tag als Vizepräsidentin gewesen, sie war eine sehr engagierte Vizepräsidentin. Ich möchte mich auch da wirklich für ihre Vorsitzführung hier bedanken.


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Den Kollegen Otto Auer und Florian Krumböck wünsche ich viel Erfolg, viel Freude bei ihrer Tätigkeit im Niederösterreichischen Landtag. Auch Ihnen, Herr Josef Ofner, wünsche ich natürlich alles Gute. Ich würde lügen, wenn ich der FPÖ politische Erfolge gönnen würde, das gebe ich zu, aber Ihnen persönlich wünsche ich natürlich alles Gute für Ihre Tätigkeit.

Liebe Doris Berger-Grabner, lieber Eduard Köck, lieber Martin Preineder, vielen Dank für euer Engagement hier im Bundesrat! Ich wünsche euch natürlich auch in Zukunft viel Gesundheit, alles Gute. Ebenso Ingo Appé, den wir alle in den letzten drei Jahren als sehr sachlichen und großartigen – die Rede hat es ja wie­der gezeigt –, konstruktiven Partner hier im Bundesrat getroffen haben – alles Gute! Ich kann mich erinnern, ich war auch einmal nicht hier im Bundesrat und dachte, es ist vorbei mit der Politik. Die Zeit ohne Politik war auch ganz schön, und politisch bleibt man ja, auf welcher Ebene auch immer.

Günther Novak, das sage ich auch bewusst als Grüner: Du warst eigentlich immer im Herzen ein Mitgrüner, außen rot und innen grün, sage ich einmal. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) – Nein, aber das darf ich doch sagen: Du warst als Sozialdemokrat ein äußerst engagierter Kämpfer für Umwelt- und Klimaschutz, und das weiß ich sehr zu schätzen – vielen Dank dafür.

Wie gesagt, ich bin mir sicher, ihr bleibt politische Menschen, ihr bleibt aktiv auf vielen Ebenen. Manchmal kann man hinter den Kulissen mehr bewirken als davor, diese Erfahrung konnte ich machen.

Ich erlaube mir jetzt aber, zwei Personen noch ein bisschen in den Vordergrund zu rücken, weil es mir ein persönliches Anliegen ist. Liebe Sonja Zwazl, dich kenne ich ja schon aus meiner ersten Periode im Bundesrat. Ich habe dich damals auch als Wirtschaftskammerpräsidentin in Niederösterreich kennen­gelernt, und ich habe damals erkannt, dass auch ich manchmal Vorurteile habe, die nicht stimmen. Ich dachte, das ist sicher so eine eiserne Arbeitgeber­ver­treterin, und dann lernte ich in diesen Jahren, in denen wir zusammenarbeiten konnten, eine ungeheuer empathische Frau kennen, eine sozial sehr engagierte


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Politikerin, eine Politikerin, die sich mit aller Vehemenz und mit aller Leiden­schaft für das Wohl der Wirtschaft eingesetzt hat, aber gleichzeitig immer gesehen hat, wo Menschen es schwer haben, wo Menschen es nicht so leicht auf der Welt haben. Du hast auch darauf geschaut und für diese Leute gekämpft. Für mich bist du eine Inspirationsquelle und wirst es immer bleiben. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Und wenn ich ganz ehrlich bin: Ich finde, die Politik könnte mehr Zwazls brauchen und nicht eine weniger.

Last but not least, lieber Karl Bader, das war ja schon eine wilde Achter­bahn­fahrt, die wir auf politischer Ebene in den letzten Jahren gemeinsam erleben durften. Ich kann mich erinnern, im Jänner 2020 wussten wir dann, wir werden gemeinsam hier im Bundesrat Regierungspartner als Vertreter der Regierungs­fraktionen sein, und konnten ja noch nicht ahnen, was auf uns zukommt: diese Serie an Sondersitzungen, wirklich schwierige Zeiten, auch auf einer persön­lichen Ebene.

Das möchte ich wirklich sagen: Ich finde, eine der wichtigsten Qualitäten in der Politik ist Handschlagqualität. Die hast du, und wir konnten immer sehr direkt, sehr ehrlich, sehr offen miteinander kommunizieren, immer für die Sache. Ich weiß das wirklich sehr zu schätzen. Diese konstruktive, diese freundschaftliche Art, in der wir zusammengearbeitet haben, war auch mir eine Inspiration. Ich wünsche dir wirklich alles erdenklich Gute und glaube, dein Fahrrad freut sich auf mehr Zeit, die es mit dir verbringen kann. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Kovacs.)

In diesem Sinne: Stimmen Sie dem Transparenzdatenbankgesetz zu! (Heiterkeit und Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.49


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Dr. Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Kollege.


14.50.05

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich


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möchte zuerst zum Gesetzentwurf sprechen: Es geht um die Transparenz­daten­bank, in der derzeit ein großer Teil der Förderungen von Bund, Ländern und Gemeinden erfasst ist, die aber nach Ansicht meiner Partei nach wie vor ihr Ziel, einen vollständigen Überblick über das staatliche Förderungsangebot zu geben, noch nicht ganz erfüllt. Sie sollte auch zur Steuerung und Kontrolle dieser Förderungen beitragen, und wir glauben auch, dass die Transparenz bei der Transparenzdatenbank noch nicht ausreichend gewährleistet ist.

Das haben der Rechnungshof in einem Prüfbericht 2021 und auch der Budget­dienst des Parlaments festgestellt. Die vier wesentlichen Punkte, die bemängelt wurden, waren damals, dass die Förderzahlungen nur unvollständig von den abwickelnden Stellen eingemeldet werden, dass indirekte Förderungen nur teil­weise in der Transparenzdatenbank berücksichtigt werden, dass es kein Gesamtkonzept gibt, wie die Daten der Transparenzdatenbank zu Steuerungs­zwecken genutzt werden können, und dass die Leistungsgeberinnen und -geber und die Abwicklungsstellen nur unzureichend mit den Einsatzmöglichkeiten – vor allem mit den technischen Einsatzmöglichkeiten – der Transparenzdaten­bank vertraut sind.

Generell ist unverständlich, weshalb der Kreis der Einsichtsberechtigten bei der Transparenzdatenbank so klein gehalten wird und zum Beispiel das Parlament – der National- und der Bundesrat, der Budgetdienst als parlamentarisches Kontrollorgan – keine Einsichtsrechte besitzt. Da würden wir uns wünschen, dass es eine entsprechende Konkretisierung der einsichtsberechtigten Institu­tionen gibt.

Es wäre auch anzustreben, dass es verpflichtende Einmeldungen gibt – zum Beispiel dass das über eine 15a-Vereinbarung geregelt wird – und dass es eine bessere Verknüpfung mit den Förderungsberichten gibt.

Ein weiterer Vorschlag ist, dass der Zugang der Öffentlichkeit zu den Infor­mationen in der Transparenzdatenbank verbessert wird. Dieser beschränkt sich ja derzeit auf die Möglichkeit zum Aufruf eines Leistungsangebotes im Transparenzportal inklusive entsprechender Auszahlungssummen pro Jahr. Es


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könnten auch die Auswertungen zu den jährlichen Auszahlungssummen je Leistungsangebot abgerufen werden, und die Förderungsbezieherinnen und -bezieher selbst könnten ihre bezogenen Förderleistungen abfragen.

Was wir uns wünschen würden, ist, dass im Sinne einer höheren Transparenz die Informationen in der Transparenzdatenbank auch der Öffentlichkeit zur Einsichtnahme zugänglich gemacht werden, und zwar deutlich über die derzeit eher allgemeinen Informationen zu Förderprogrammen und Fördersummen hinaus. Im Vergleich dazu müssen im Transparency Award Module TAM der EU Förderungen über 100 000 Euro eingemeldet werden und können öffentlich abgefragt werden. Wir würden uns wünschen, dass im Sinne einer höheren Transparenz und eines sorgsamen Umgangs mit Fördermitteln auch in der österreichischen Transparenzdatenbank Förderungen an Unternehmen und Vereine ab einer Fördersumme von 2 000 Euro öffentlich einsehbar gemacht werden.

Nun zum zweiten Punkt: Wie du, Marco, schon richtig ausgerechnet hast, scheidet ein Fünftel der Mitglieder des Bundesrates aus – zwölf, wenn ich das richtig nachgezählt habe –, und deswegen möchte ich den Niederöster­reicherinnen und Niederösterreichern und den Kärntnern, die ausscheiden – teilweise, weil sie in den Landtag wechseln –, alles Gute für ihre weitere private oder auch teilweise berufliche Tätigkeit wünschen.

Ich möchte mich für die Aufnahme, die ihr Veteraninnen und Veteranen mir bereitet habt, als ich vor inzwischen schon fast zweieinhalb Jahren hier hereingekommen bin, bedanken und wünsche euch alles Gute. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

14.54


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Brunner. – Bitte.


14.54.14

Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Das ist eine sehr emotionale Sitzung,


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wie ich gerade merke. Ich möchte wirklich auch die Gelegenheit wahrnehmen, mich von allen zu verabschieden, die dem Bundesrat nicht mehr angehören werden. Bei einigen ist es für mich heute überraschend gekommen, und ich wünsche Ihnen wirklich alles Gute.

Es waren auch für mich mit euch allen gemeinsam spannende Jahre im Bundesrat, und viele der Kolleginnen und Kollegen, die heute ausscheiden oder zum letzten Mal dabei sind, durfte ich auch noch hier im Bundesrat erleben. Ich danke für die gemeinsame Zeit, die wir hier verbracht haben.

Man lernt im Bundesrat extrem viel. Ich schwöre euch, es ist auch für andere Aufgaben in der Politik durchaus empfehlenswert, diesen Weg zu gehen. (Allge­meine Heiterkeit und allgemeiner Beifall.) Wer auch immer noch vorhat, andere Jobs in der Politik zu übernehmen, hat mit dem Bundesrat durchaus eine sehr, sehr gute Voraussetzung. Ich schaue jetzt einfach in alle Richtungen, damit ich mich da nicht in die falsche - - (Allgemeine Heiterkeit.) – Okay, also vielen Dank an alle.

Ein paar Sätze muss ich natürlich inhaltlich doch noch sagen, wenn Sie mir erlauben, weil es doch ein Gesetzentwurf ist, der durchaus auch eines gewissen Hinschauens bedarf, weil es wirklich etwas ist, auf das wir eigentlich stolz sind, weil es mehr Transparenz für Förderungen bringt.

Wir haben jetzt seit Oktober letzten Jahres alle Förderungsempfänger, die zumindest 10 000 Euro an Wirtschaftshilfen über die Cofag bekommen haben, und jetzt auch die Empfänger des Energiekostenzuschusses, die dazukommen, die da veröffentlicht werden. Ich glaube, dass das ein ganz entscheidender Schritt ist. Warum machen wir das? – Weil es da – und da bin ich wieder als Finanzminister dabei – um Steuergelder geht, um Gelder der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, und weil wir deswegen die Höhe der erhaltenen Leistung natürlich auch öffentlich machen müssen, weil wir eben viele Steuergelder dafür aufwenden und die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler natürlich ein Recht haben, auch zu erfahren, wohin diese Mittel gehen.


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Vielleicht eine neue Zahl – damit ich nicht wiederhole, was viele vor mir schon gesagt haben –: Rund 2,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger haben sich im Transparenzportal bisher schon darüber informiert, an wen die Förderungen gegangen sind – das gibt natürlich oft ein bisschen Unruhe –, aber auch in welcher Höhe diese Fördergelder geflossen sind. Im gesamten Vorjahr gab es mehr als 4,7 Millionen Zugriffe auf das Portal, das ist rund viermal mehr als im Referenzjahr 202, dem bisherigen Rekordjahr.

Man sieht also, die Bürgerinnen und Bürger nehmen das sehr stark an, das ist durchaus positiv. Das Portal stellt ja Informationen über die gesamte Förder­landschaft zur Verfügung, also nicht nur über Leistungen des Bundes, sondern auch über Förderungsmaßnahmen der Bundesländer. Da würde ich mir natürlich wünschen, dass alle Bundesländer diesen Weg mitgehen. Es gibt zwei Bun­desländer, die noch nicht ganz so weit sind, aber da bin ich überzeugt, dass das auch noch kommen wird.

Dieses Transparenzportal ist natürlich eine Art Work in Progress, das muss auch ständig weitergehen. Da gibt es noch Dinge, die wir in den nächsten Jahren anzupassen haben, aber dieses steigende Interesse der Bevölkerung auf der einen Seite, aber auch der Verwaltung auf der anderen Seite, die immer mehr auf diese Transparenzdatenbank zugreifen kann, zeigt, dass der Weg durchaus der richtige ist.

Ich wünsche allen, die ausscheiden und heute die letzte Sitzung haben, wirklich alles Gute und bedanke mich auch persönlich für die vielen Jahre der guten Zusammenarbeit sowohl in der Funktion als Bundesrat als auch dann in anderen Funktionen – alles Gute! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

14.58


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? (Ruf bei der ÖVP: Ja, die Doris!) – Bitte, Frau Kollegin Berger-Grabner.



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14.58.32

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Heute ist nicht nur der Tag der Informationsfreiheit, sondern, wie es ausschaut, auch der Tag des Abschieds. Auch ich gehöre zu diesen 20 Prozent, die sich mit heute verabschieden.

Ich bin nun seit über vier Jahren im Bundesrat gewesen, Vorsitzende des Wis­senschaftsausschusses, und mir war es auch immer sehr, sehr wichtig, in meinen Reden evidenzbasiert zu argumentieren. Bei mir geht es jetzt wieder back to the roots, ich werde mich wieder um Forschung und Lehre kümmern und natürlich auch die eine oder andere Studie veröffentlichen, wobei ich mich freue, wenn Sie diese in der Politik auch aufgreifen.

Ich bin im Bundesrat sehr wertschätzend und herzlich von allen Kollegen und Kolleginnen aufgenommen worden, und auch wenn hier herinnen jeder seine politische Ideologie vertritt – was ich in einer Demokratie auch sehr gut finde –, habe ich gemerkt, dass es, kaum verlassen wir den Saal, bei dem einen oder anderen Gläschen dann auch über alle Fraktionen hinweg in einem Miteinander geht.

Ihr wisst, ich komme aus Krems, aus der wunderschönen Wachau. Momentan beginnen bei uns die Marillenbäume zu blühen, und es beginnen auch die Wachauer Gourmetwochen. Ich freue mich sehr, wenn der eine oder andere von Ihnen nach Krems kommt und bei einem guten Gläschen Wein vielleicht diverse politische Diskurse in gemütlicher Atmosphäre aufgreift.

Ich bedanke mich bei allen ganz, ganz herzlich für die wertschätzende Aufnahme und wünsche dem Bundesrat weiterhin viel Kraft, Energie und wertvolle Diskussionen. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

15.00 15.00.16


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Liebe Doris, ich bedanke mich auch sehr herzlich für deinen Beitrag, den du hier im Bundesrat geleistet hast. Ich wünsche


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dir das Allerbeste für deine wissenschaftliche Arbeit und für deine wissen­schaftliche Zukunft. Was andere Dinge betrifft, ist mir heute schon der Gedanke gekommen: 2015 haben sich ein gewisser Marco Schreuder und ich hier verabschiedet, und heute sitzen wir wieder hier, also: You never know what happens. (Allgemeine Heiterkeit.) In diesem Sinne wünsche ich dir noch einmal das Allerbeste.

Es liegen mir dazu keine weiteren Wortmeldungen vor.

Habe ich noch jemanden übersehen? – Dann ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmeneinhelligkeit - - (Zwischenrufe bei der SPÖ: Nein! Nein!) – Verzeihung! Ich stelle Stimmenmehrheit fest. Der Antrag ist somit angenommen. (Bundesrat Schreuder: So harmonisch ist’s auch wieder nicht!)

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich unterbreche für 2, 3 Minuten die Sitzung. Entfernen Sie sich bitte nicht zu weit vom Raum! Ich würde sagen, dass wir, sobald die Frau Staatssekretärin hier ist, die Sitzung wieder aufnehmen.

15.02.02*****

(Die Sitzung wird um 15.02 Uhr unterbrochen und um 15.14 Uhr wieder aufgenommen.)

15.14.00 *****


Präsident Günter Kovacs (den Vorsitz übernehmend): Werte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.


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Ich darf in unserer Mitte Frau Staatssekretärin Claudia Plakolm begrüßen. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

15.14.17 Dringliche Anfrage

der Bundesrät:innen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Österreich 2023 – Dringliche Anfrage zur Zukunft von Bundeskanzler Karl Nehammer“ (4089/J-BR/2023)


Präsident Günter Kovacs: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundeskanzler, in diesem Fall natürlich an die Frau Staats­sekretärin.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Christoph Steiner als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.


15.14.43

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Präsident, ich muss korrigieren: Die Dringliche Anfrage richtet sich nicht, weil jetzt halt die Staatssekretärin da ist, an die Staatssekretärin, sondern sie richtet sich nach wie vor an den Kanzler, den man halt leider Gottes im Parlament – ob in diesem Saal oder im Plenarsaal des Nationalrates – nicht so oft antreffen kann, weil er sich ja durchwegs von der Frau Staatssekretärin vertreten lässt.

Jetzt kann man sagen, ja, das ist richtig so, weil sie ja ein gutes Geld verdient, da muss sie ihn auch vertreten, aber wenn man schon Reden an die Nation hält, dann wäre es auch gut, wenn man sich zumindest vor den Volksvertretern auch rechtfertigt und äußert, aber, Frau Staatssekretärin, nichtsdestotrotz werden wir jetzt mit Ihnen vorliebnehmen müssen.


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Es zeigt halt ein wenig – das ist so, warum auch immer – die Feigheit dieses Kanzlers vor dem Bundesrat (Bundesrat Kornhäusl: Hallo! Hallo!), die Feigheit dieses Kanzlers vor Problemen im Jahr 2023, weil er ja lieber von 2030 redet, und es zeigt halt auch die Feigheit des Kanzlers vor Neuwahlen. (Beifall bei der FPÖ.) Es vervollständigt aber das komplette Zeugnis der Feigheit dieses Kanzlers.

Da passt dann der Spruch ganz gut: „Des Faulen Werktag ist immer morgen, sein Ruhetag heute.“ – Jetzt weiß ich nicht, wo der Kanzler gerade ist, aber zumin­dest nicht bei uns. Vielleicht hat er heute Ruhetag. Es kann ja sein, dass am Donnerstag im Kanzleramt Ruhetag ist. (Bundesrat Kornhäusl: Hallo! Hallo!) Am Türschild steht nichts von Ruhetag, aber vielleicht steht dort Komme gleich!, kann ja auch passieren, oder Komme gar nicht mehr!, das wäre uns eh das Liebste. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Frau Staatssekretärin, das Sprichwort passt aber nicht nur zum Kanzler, sondern es passt eigentlich zur gesamten ÖVP-Regierungsclique. Dazu ein Zitat: Eine Rede zur Lage der Nation – „gehalten von der größten Plage der Nation“. Ein gutes Zitat! Von wem stammt es? (Ruf bei der ÖVP: Kickl!) – Richtig, richtig, dieses Zitat stammt von der größten Hoffnung der Nation: Herbert Kickl. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Preineder: Der Villacher Fasching ...! – Heiterkeit und Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Kommen wir vorerst einmal zum Setting dieser merkwürdigen ÖVP-Inszenie­rung! Wie soll man diese Veranstaltung vom 10. März nennen, was war das? – Skurril, glaube ich – oder, Frau Staatssekretärin? –, skurril passt am besten. Alle bezahlten Parteigänger der ÖVP wurden – mehr oder weniger gezwungen, weiß ich nicht, das ist jetzt eine Mutmaßung von mir – auf eng gestellte, komische Plastikstühle hingesetzt, um ihrem Dritte-Wahl-Kanzler zu huldigen. Er war ja nicht die erste Wahl. Die erste Wahl war ja der Basti Fantasti, dann kam ja der - - Ja, um keinen Ordnungsruf zu riskieren, sage ich: Dann kam der Herr Schallenberg und die dritte Wahl war jetzt der Karli Nehammer. Ihr habt dann alle – mehr oder weniger freiwillig, das kann ich jetzt nicht beurteilen, Frau


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Staatssekretärin – immer ganz frenetisch applaudieren müssen, wenn er da etwas erzählt hat. (Bundesrat Preineder: Der Villacher Fasching ist schon vorbei!)

Im ersten Moment hat mich diese Rede zur Zukunft der Nation ein wenig an das Gebet für Sebastian erinnert. Könnt ihr euch noch daran erinnern, als ihr hochrot vor den Fernsehern gesessen seid, als er in der Wiener Stadthalle gesegnet wurde? Das war nämlich zum Fremdschämen, und so ähnlich ist es mir da ergangen. Man hat ja gewusst, dass es Scientology gibt, aber man befasst sich ja niemals mit Scientology, und dann habe ich mir gedacht, jetzt muss ich mir einmal anschauen, was die Richtung von Scientology ist. Also allzu weit weg, meine Damen und Herren von der ÖVP, wart ihr mit eurem Huldigungsklatschen und was auch immer das da gewesen ist, nicht von Scientology.

Man wurde quasi zum Zuhörer einer 90-minütigen Pseudostaatsrede, die so ab Minute 10 immer mehr zu einer Schwurblerei – das muss man offen und ehrlich sagen – eines völlig überforderten Staatskünstlers verkommen ist. Es war keine Rede an die Nation, das muss man ganz offen und ehrlich sagen, es war eine Rede an die letzten gut bezahlten übrigen Brösel der ÖVP.

Um die Rede halbwegs verkraften zu können, hat es mit Sicherheit Alkohol und/oder Psychopharmaka gebraucht, wobei ich mir nicht sicher bin, ob diese Rede nicht auch unter Einfluss derselben geschrieben wurde. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Preineder: Das gilt für dich auch!)

Ich darf ihn zitieren, den Kanzler aller Weisheiten, Karli Nehammer: „Es braucht die Blasmusikkappelle“ in der Stadt. – Ehrlich jetzt? Wer bitte in aller Gottes Namen hat ihm diese Rede geschrieben? Ich bin mir nicht ganz sicher, Frau Staatssekretärin, ob es der Redenschreiber mit eurem Kanzler wirklich gut gemeint hat. Ich bin mir nicht sicher. (Heiterkeit bei der FPÖ. – Bundesrat Kornhäusl: Das sind wir aber bei deinen ...!)

Ich war mir eigentlich die ganze Zeit, also die ganzen 90 Minuten, nicht sicher, ob ich ihn auslachen oder beweinen soll. Aber ein Gefühl, ich sage euch das, hat


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mich die ganzen 90 Minuten lang nicht verlassen, nämlich, ihr kennt das wahr­scheinlich, das ungute Gefühl des Fremdschämens. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Geh, geh, ...!) So ging es mir 90 Minuten lang. (Ruf bei der ÖVP: So ein ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Jetzt versetzt euch nur einmal in die Lage eines anderen Regierungschefs auf der Welt, der zufällig diese Rede hört. Was denkt sich denn dieser Regierungschef, wenn der Karli dann jemals zu ihm auf Besuch fährt? Der nimmt ja den Karli um Himmels willen gar nicht mehr ernst, wenn er das gehört hat! Deshalb habe ich ein Gefühl des Fremdschämens. (Bundesrat Preineder: ... auch nicht besser!)

Aber mir ist dann – um das Gefühl ein bisschen wegzukriegen, weil ich mich so fremdgeschämt habe – auch noch etwas eingefallen. Die ein wenig Älteren unter uns und auch ich wissen das noch ganz gut. Es hat einmal eine Fernsehsendung gegeben, die heißt „Pinky and the Brain“.

Da geht es so dahin (der Redner singt „The Pinky and the Brain“), am Beginn jeder Folge sagt Pinky zu Brain: „Hey Brain! Was wollen wir denn heute Abend machen?“ Darauf sagt Brain: „Genau dasselbe wie jeden Abend, Pinky. Wir versuchen, die Weltherrschaft an uns zu reißen!“ Und ich sage es euch, wir wissen es alle, diese zwei sind mit ihren Vorhaben jedes Mal kläglich geschei­tert. – Willkommen in der Welt der ÖVP! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)

Diese ÖVP scheitert immer an ihren eigenen Lügen. Ihr macht es immer gleich: Öffentlich behauptet und fordert ihr etwas ganz anderes als das, was ihr dann am Ende umsetzt. Aber schauen wir einmal auf die Rede! Gehen wir einmal ein wenig genauer auf das ein, was er alles gefordert hat, von sich selber im Übrigen. – Das ist ja auch interessant: Ein Kanzler stellt sich hin und stellt Forderungen an sich selber.


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Schauen wir uns einmal das Thema Asyl an! Bis heute, Frau Staatssekretärin, habt ihr es nicht zusammengebracht, auch nur ein einziges Rückführungs­abkommen abzuschließen. Alle unsere diesbezüglichen Anträge wurden abgelehnt. Dann stellt er sich hin, der Karli, und sagt, sein Ziel sei es, dass es Sozialleistungen nur noch für jene gibt, die schon fünf Jahre in Österreich leben.

Wer es sich angetan hat, das genauer anzuschauen, weiß, dass das eine Ver­schlechterung des Istzustandes wäre. Denn was haben wir für einen Istzustand in Österreich? Derzeit gilt nämlich:

„Drittstaatsangehörige haben grundsätzlich nur dann einen Anspruch auf die Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung, wenn sie schon mehr als fünf Jahre rechtmäßig in Österreich gelebt haben.“

Und: „EU- bzw. EWR-Bürgerinnen/EU- bzw. EWR-Bürger haben in Österreich nur dann einen uneingeschränkten Anspruch auf Sozialhilfe bzw. Mindest­sicherung, wenn sie sich als Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer“ – es wird da gegendert, aber sei es drum – „in Österreich aufhalten.“

Das heißt, wenn man diese so restriktive Forderung von eurem Nehammer bezüglich Ausländer umsetzen würde, wäre das eine Verschlechterung des Istzustandes! Da verkauft ihr die Österreicher wieder einmal für dumm, und das ist traurig. (Beifall bei der FPÖ.)

Alle unsere diesbezüglichen Anträge habt ihr abgelehnt:

Entschließungsantrag betreffend „Zuwanderungsstopp in den österreichischen Sozialstaat jetzt – ‚Unser Geld für unsere Leute‘“: von der ÖVP und Herrn Hörl, der gerade da steht, abgelehnt.

Entschließungsantrag betreffend „Maßnahmenpaket zur Deattraktivierung Österreichs als Zielland für illegale Wirtschaftsmigranten und Scheinasylanten“ : von der ÖVP und Herrn Hörl abgelehnt.


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Dann ist es weitergegangen:

Entschließungsantrag betreffend „endlich illegale Migration abstellen“: von der ÖVP und Herrn Hörl abgelehnt.

Entschließungsantrag betreffend „10-Punkte-Plan zur Abwehr von Gewalttaten durch Asylwerber bzw. Asylberechtigte“: von der ÖVP und Herrn Hörl abgelehnt.

Stichwort koalitionsfreier Raum: Frau Staatssekretärin, wie oft haben wir euch angeboten: Macht Gebrauch von eurem ausverhandelten koalitionsfreien Raum, um mit uns gemeinsam sinnvolle Anträge, sinnvolle Initiativen zum Schutze der österreichischen Bevölkerung, vor allem unserer österreichischen Frauen umzu­setzen!? Alles wurde abgelehnt, Frau Staatssekretärin.

Zum Gendern, das hat er auch angesprochen; ich darf Herrn Nehammer zitieren: „Wir können mittlerweile trefflich wochenlang über das richtige Gendern in Broschüren und Publikationen diskutieren, aber verlieren dabei den Blick auf die echten Probleme der Menschen.“

Nun könnte man das ja glauben, wenn man das hört, aber was macht die ÖVP wirklich? Was macht sie wirklich? Ihr gendert in allen euren Anträgen, ihr gendert in allen Ministerien. Der Herr Brunner war gerade da. Ein Beispiel: Das Finanzministerium gendert überall. Ihr gendert auch in allen euren Aussen­dungen, Frau Staatssekretärin. Unser Antrag betreffend „Schluss mit dem Gender­zwang an den Universitäten“ wurde von der ÖVP abgelehnt.

Gott sei Dank haben wir jetzt eine Petition laufen, im Übrigen die sechsterfolg­reichste Petition in der Geschichte der Petitionen, nämlich die Petition „Gegen Gender-Politik in unserer Sprache“. Sie wurde bisher in nicht einmal einer Woche von etwa 9 000 Personen unterstützt. Nehammer hätte ja recht mit dem, was er sagt, nur macht die ÖVP stets das Gegenteil.


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Dann hat er die Neutralität angesprochen. Dazu hat Superkarli gesagt, Öster­reich könne immer ein wertvoller Brückenbauer sein. – Das heißt, Neutralität nutzen und nicht wegwerfen. Das kann man unterstreichen, zu 1 000 Prozent, recht hat er: Neutralität nutzen und nicht wegwerfen! Nur, was macht die ÖVP in Wahrheit? In Wahrheit ist euch unsere Neutralität ein Dorn im Auge, seit Jahren. Ihr alle wärt lieber heute als morgen in der Nato. – Herr Hörl, da kannst du mit deinen Schultern schon zucken. Jetzt hat es mir wieder einen Beweis dafür gegeben, dass ihr lieber heute als morgen in der Nato wärt.

Ihr versucht auch in regelmäßigen Abständen, diese Neutralität zu beschießen. Ein Beispiel: Ihr macht immer so Trägerraketen. Ihr schickt das Ausgedinge der ÖVP vor. Das Ausgedinge Andreas Khol habt ihr schon wieder vorgeschickt, um die Abschaffung der Neutralität in Österreich auszutesten. Ihr schickt natürlich den vor, der damals bei der Bundespräsidentenwahl weniger Prozent gehabt hat als ein Starkbier, aber sei’s drum. Ihr habt es immer wieder probiert und ihr werdet nicht aufhören. Das einzige Bollwerk gegen die Abschaffung der Neutra­lität ist die Freiheitliche Partei. (Beifall bei der FPÖ.)

Wer hat am 28. Februar Folgendes verlautbaren lassen? – Euer Kanzler hat am 28. Februar gesagt, die Neutralität „wurde uns aufgezwungen von den Sowjet-Kommunisten“. Das ist die Wahrheit im Umgang mit der Neutralität in der ÖVP. Unsere Anträge zur Neutralitätserhaltung wurden alle in Bausch und Bogen von der ÖVP abgelehnt. Ein, zwei Beispiele:

Entschließungsantrag betreffend „Sicherung der österreichischen Neutralität und Wahrung des Friedens in Europa“: abgelehnt.

Entschließungsantrag betreffend „Stopp der neutralitätsverletzenden Zahlungen an die korruptionsanfällige Kriegspartei Ukraine und sofortige Beendigung der EU-Sanktionsregime“: abgelehnt.


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Im Übrigen zur Ergänzung: Russland hatte im Jahr 2022 einen Handelsüber­schuss von satten 300 Milliarden Euro. – Tolle Sanktionen habt ihr! Trifft eh nur die Österreicher.

Entschließungsantrag betreffend „Österreich zuerst“: abgelehnt.

Aktive Friedens- und Neutralitätspolitik statt Kriegstreiberei: abgelehnt.

Wiederherstellung der Neutralität Österreichs: abgelehnt.

Das ist das wahre Gesicht der ÖVP hinter den visionslosen Sonntagsreden. (Beifall bei der FPÖ.)

Kommen wir zum Verbrennungsmotor: Superkarli will ja den Verbrennungs­motor auf EU-Ebene retten. Zu dem Schmäh komme ich dann gleich. Ihr beweist es hier herinnen, ob im Nationalrat oder im Bundesrat, aber immer und ihr seid immer dabei, wenn es um die Beitragstäterschaft geht, den Wohlstand gemein­sam mit den Grünen weiter zu vernichten.

Was habt ihr bisher beschlossen? – Die Ökologisierung der Normverbrauchs­abgabe NoVA wurde im Nationalrat – ein paar hier werden sich erinnern – am 10. Dezember 2020 beschlossen, in Kraft getreten am 1. Juli 2021. Inhalt: Der CO2-Freibetrag wird ab dem Jahr 2021 um 3 Gramm abgesenkt, von 2022 bis 2024 jährlich um 5 Gramm pro Kilometer, Verschärfung des CO2-Malus, Verdoppelung auf 80 Euro pro Gramm bis 2024, Verschärfung der NoVA-Deckelung 2021, Anhebung auf 50 Prozent, 2022 auf 60 Prozent, 2023 auf satte 70 Prozent und 2024 dann sogar auf satte 80 Prozent.

Und was ist das Ergebnis dieser drastischen Verteuerung? – Beispiel: Für einen Neuwagen, Ford Galaxy, also eine richtige Familienkutsche, die man, würde ich sagen, ab zwei Kindern schon brauchen kann, hat die NoVA 2020 848 Euro gekostet. Ab 2024 – so viel zu den Familienentlastungen, die wir heute am Vormittag hier besprochen haben – kostet die NoVA für diesen Ford Galaxy satte 4 750 Euro! Das ist eine Vervielfachung um 560 Prozent. Um 560 Prozent!


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Aber noch schlimmer ist es ja bei den Nutzfahrzeugen. Ihr wisst es alle: Der Kleinunternehmer, der alleine unterwegs ist, der Einpersonenunternehmer, der Handwerker, das Hausmeisterservice, das wir ja alle ganz dringend brauchen, sind so mit den klassischen Autos unterwegs, wie der VW Crafter eines ist oder der Doka-Pritsche. Wissen Sie, Frau Staatssekretärin, was die NoVA 2020 war? – Sie wissen es nicht. Es waren 0 Euro. Jetzt lasse ich die Stufen dazwi­schen bis 2024 aus. Wissen Sie, was die NoVA 2024 sein wird? Das trifft auch ganz viele Jungunternehmer, wenn Sie sich schon so für die Jungen einsetzen. – 17 348 Euro! Ja, sind Sie denn verrückt, meine Damen und Herren von der ÖVP? (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Kornhäusl: Hallo, hallo!)

Wie soll sich denn noch jemand als Einpersonenunternehmen selbstständig machen, wenn er für das Fahrzeug, das er braucht, um von A nach B zu kommen, allein nur für die NoVA, da hat er noch nicht getankt, da hat er noch keine Versicherung abgeschlossen, null, da hat er auch die Firma noch nicht einmal aufgesperrt, schon 17 348 Euro abdrücken muss?! Und das alles nur, weil euch das die Grünen diktieren. Und dann redet ihr davon, dass ihr die Retter des Verbrennungsmotors seid.

Die Einführung der CO2-Strafsteuer, Frau Staatssekretärin: im Nationalrat am 20. Jänner 2022 beschlossen, am 1. Oktober 2022 in Kraft getreten. Was ist das Ergebnis? – Eine massive Belastung! Schon mit der Einführung sind die Preise um fast 10 Cent pro Liter gestiegen, bei Diesel um 9,9 Cent und bei Benzin um 8,6 Cent. Und was passiert mit 1. Jänner? – Da steigt es ja wieder, automatisiert, denn das habt ihr im Gesetz so drinnen. Das heißt: Auf die Steigerung vom letzten Jahr kommt noch einmal eine Steigerung drauf: um 0,8 Cent für Diesel und um 0,7 Cent für Benzin.

Alle unsere Anträge – weit mehr als 20 an der Zahl, ich liste sie jetzt nicht auf, denn sonst werde ich nicht mehr fertig – zur Rettung der österreichischen Autoindustrie wurden von der ÖVP abgelehnt. So viel zu eurem: Wir retten den tollen Verbrennungsmotor.


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Und was macht diese Frau Gewessler unter den Augen aller? Was macht sie? – Sie unterschreibt mit acht anderen Staaten eine Aufforderung, das EU-Parlament oder die EU-Kommission soll gefälligst schnellstmöglich ein Datum für das Aus des Verbrennungsmotors festlegen.

Frau Staatssekretärin, eine Frage habe ich noch: Wissen Sie, wie viele Jobs das allein in Österreich in der Automobilindustrie kosten würde, wenn diese Forderung umgesetzt wird? Wissen Sie das? – Wenn man bei uns im Zillertal miteinander redet, schaut man sich an. (Ruf bei der ÖVP: Nein, sie hat Angst!) –Frau Staatssekretärin, Angst brauchen Sie vor mir keine zu haben. Überhaupt nicht! Ich bin ein ganz liebenswerter Kerl. (Heiterkeit bei der ÖVP sowie der Staatssekretärin Plakolm. – Bundesrat Preineder: Ein Kuscheltier!) Es ist alles gut. Überhaupt keine Angst! (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Freundin sagt zu mir immer: Christoph, du bist mein Kuschelbär. – Also keine Sorge, ich tue niemandem was. (Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ.)

Wissen Sie, wie viele Arbeitsplätze das kosten würde, Frau Staatssekretärin? – Gut, Sie wissen es nicht. Schade! Es sind über 300 000. Ich hoffe, das ist Ihnen dann auch bewusst.

Und der nächste Schmäh, den Nehammer dann in dieser visionslosen Visions­rede losgelassen hat, war: Am EU-Gipfel der Regierungschefs wird er sich dagegen aussprechen. Nur hat er nicht dazugesagt, dass das Aus des Verbren­nungsmotors aller Wahrscheinlichkeit nach natürlich nicht auf Regierungs­chefebene landen wird. Das wird natürlich bei den Ministern, die dafür zuständig sind, landen. Und der Herr Kanzler hat keine Weisungsbefugnis gegenüber Frau Gewessler. Er kann zu ihr nicht sagen: Wenn du jetzt nach Brüssel fährst, dann musst du gegen das Aus des Verbrennungsmotors stimmen. – Es ist wieder falsch, was er da gesagt hat. Er wird sich dagegen aussprechen, weil er ja genau weiß, dass er das nicht beschließen kann.

Eine Möglichkeit hat er allerdings, und wenn er zu seinem Wort steht, muss er diese Möglichkeit nutzen. Von der Verfassung her hat der Herr Kanzler jedoch eine Möglichkeit: Er muss vor dem Gipfel zum Aus des Verbrennungsmotors, der


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für die österreichische Wirtschaft so einschneidend ist, bevor das also beschlos­sen wird, Frau Gewessler dem Bundespräsidenten zur Entlassung vorschlagen und jemand anderen hinschicken. Das ist die einzige Möglichkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

Ansonsten ist dieses Versprechen des Herrn Nehammer nur wieder schwarzer Schall und Rauch der ÖVP oder türkiser – nennt es, wie ihr es wollt –, wie wir es schon gewohnt sind.

Zur Gesundheit, oh, da gäbe es einiges zu sagen. Das wird aber mit der Zeit ein bisschen schwierig. Es ist aber interessant, dass Nehammer jetzt draufkommt, dass wir in Österreich einen Ärztemangel haben. (Bundesrat Preineder: Herr Bundeskanzler! – Bundesrat Kornhäusl: Herr Bundeskanzler!) Ich habe einmal geschaut, wie lange es her ist, dass die Freiheitliche Partei den ersten Antrag eingebracht hat, in dem wir diesen aufkeimenden Ärztemangel in Österreich das erste Mal zum Thema gemacht haben. Ich habe es dann bei 2007 belassen, weil das doch weit zurückgeht. Seit 2007 haben wir mit unzähligen Anträgen gefor­dert, den Ärztemangel zu beheben, doch zu schauen, dass wir für die Landärzte eine Situation schaffen, dass sie ordentlich arbeiten und leben können. Die wurden alle in Bausch und Bogen von der ÖVP abgelehnt. (Bundesrat Preineder: Was hat eure Bundesministerin da gemacht? – Bundesrat Schreuder: Was hat Hartinger-Klein getan?) – Da nutzt das ganze Reinschreien jetzt nichts, Herr Kollege aus Niederösterreich. Es wird deshalb nicht besser. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann ist Karli dagestanden und hat über die Meisterprüfung geredet. Die müsse jetzt gratis werden. Also Karl Nehammer, ÖVP-Mitglied seit weiß ich nicht wie lange, und die ÖVP seit Ewigkeiten in Regierungsverantwortung, stellt sich jetzt her und stellt die Forderung an sich selber, denn der Arbeits- und Wirtschafts­minister gehört ja auch dieser Partei an: Die Meisterprüfung soll gratis werden. Jetzt liegt von uns, von der FPÖ seit März 2020 ein Antrag im Ausschuss, mit dem wir fordern, dass die Meisterprüfung gratis sein muss. Seit drei Jahren


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hätten wir das umsetzen können. Passiert ist nichts, liebe ÖVP! Nicht immer reden, endlich arbeiten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Auf das Thema Wohnen kann ich jetzt aus Zeitgründen gar nicht mehr weiter eingehen, aber ihr schafft es auch noch, dass die Mietpreiserhöhung schlagend wird. Wenn das passiert, dann schämt euch in Grund und Boden mit eurer Taktiererei mit den Grünen, mit der ihr es nicht schafft, zugunsten der öster­reichischen Mieter eine Lösung zu finden! Setzt euch einmal dahinter! Wehe, es passiert da nichts! Dann habt ihr wirklich den Scherben auf in dieser Republik – das kann ich euch versprechen (Beifall bei der FPÖ) –, weil es dann um Leib und Leben und um Delogierungen geht und wir dann Obdachlose auf der Straße sitzen haben, wie wir es in dieser Republik noch nie gehabt haben. (Bundesrat Preineder: Na geh!) – Nicht „Na geh!“, Herr Kollege Buchmann aus der Steier­mark! Dir geht es eh gut. (Bundesrat Buchmann: Ich habe kein Wort gesagt! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesrat Buchmann: Jetzt entschuldige dich!) – Wer war das dann mit „Na geh!“? – Dann war es Preineder. – Herr Kollege Buchmann, Entschuldigung!

Nicht „Na geh!“, Herr Kollege Preineder! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ja, ich entschuldige mich gerade. Ich habe es vielleicht nicht gehört, wenn so viele hereinschreien. Das kann ja einmal passieren, Frau Kollegin. (Beifall bei der FPÖ.)

Trotzdem macht es das nicht besser. Wenn ich über Obdachlose oder über Personen rede, die vielleicht delogiert werden, wenn die Mietpreise jetzt so steigen, dass sie das nicht mehr zahlen können, braucht von der ÖVP keiner „Na geh!“ hereinzuschreien, egal, wer es ist. Also das haben die Leute nicht verdient. (Beifall bei der FPÖ.)

Zur Teuerung muss man wirklich sagen: Die Wortspenden eures Kanzlers entbehren wahrlich jeder Grundlage. Wenn man ständig nach Sanktionen schreit und mit dem Füllhorn das Geld beim Fenster hinausschüttet – Stichwort Klima­bonus für Flüchtlinge und Häfnbrüder –, die höchste Inflation in ganz Europa zu verantworten hat, erübrigt sich, Frau Staatssekretärin – und das sage ich Ihnen


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ganz klar –, jeder Kommentar zu eurer Verantwortungslosigkeit gegenüber der österreichischen Bevölkerung. (Beifall bei der FPÖ.)

Es schließt sich aber der Kreis der Verantwortungslosigkeit. Euer Kanzler hat davon gesprochen – und das war ein Schock für viele in Österreich –, es sei Unmögliches möglich geworden, und darauf sei er stolz.

Jetzt frage ich mich: Ist dieser Kanzler stolz auf das Einsperren der Bevölkerung? Ist dieser Kanzler stolz darauf, dass er die Grund- und Freiheitsrechte, die andere für uns erkämpft haben, mit Füßen tritt? Ist dieser Kanzler stolz darauf, dass man die Österreicher mit der Impfpflicht in die Nadel zwingen wollte? Ist dieser Kanzler stolz darauf, Österreich in einen Wirtschaftskrieg getrieben zu haben? Ist dieser Kanzler stolz auf die Außen- und Sicherheitspolitik? Ist dieser Kanzler stolz darauf, dass er die Neutralitätspolitik kaputt gemacht hat? Ist dieser Kanzler stolz darauf, dass wir eine Rekordteuerung haben? Ist dieser Kanzler stolz darauf, dass diese Regierung gerade Wohlstandsraub betreibt? Ist dieser Kanzler wirklich stolz darauf, dass unter seiner Kanzlerschaft das wahnsinnige Jahr 2015 mit all den illegalen Migranten letztes Jahr übertroffen wurde und dieses Jahr übertroffen wird? Ist man darauf stolz, Frau Staatssekretärin? Eine wahrlich tolle Bilanz des Dritte-Wahl-Kanzlers! (Bundesrat Kornhäusl: ... null Verantwortung! Herrlich! Das muss was Schönes sein! Nur bla, bla, bla!)

Zu dem Versöhnungsprozess mit dieser Regierung, der jetzt im Raum steht, dazu, dass ihr mit Experten einen Versöhnungsprozess machen wollt, sage ich euch ganz ehrlich: Nein, danke! Auf eure Experten und auf all diese Schwurbler, wie man mittlerweile sagen kann, die in den diversen staatsnahen Medien auf­getreten sind, können die Österreicher mittlerweile gut und gerne verzichten. Danke, aber: Nein, danke! (Beifall bei der FPÖ.)

Ein paar Zitate muss man von dieser visionslosen Visionsrede des Nehammers dann doch noch bringen. Er hat gesagt: „All diese Krisen haben eines gemein-


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sam“ und das sei Angst. – Das ist euch in der Zeit von Corona nur zupassgekom­men, denn Angst macht Menschen gefügig. (Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger.)

Was haben alle diese Krisen aber noch gemeinsam? Was haben alle diese Krisen noch gemeinsam? – Die ÖVP in Regierungsverantwortung! Das hat er vergessen dazuzusagen.

Dann sagte er: „Die einen arbeiten für das Geld, die anderen bekommen es.“ – Jetzt muss ich Sie fragen, Frau Staatssekretärin: Na, wo ist die Leistung? – Wir finden sie leider Gottes nicht. Ich kriege eh keine Antwort. (Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger.)

Mittelmaß, hat er gesagt, soll nicht das Ziel Österreichs sein. – Na, dann, würde ich sagen, können wir auf den mittelmäßigen Kanzler gut und gerne verzichten. (Beifall bei der FPÖ.)

Summa summarum: Angesichts der, ja, erschreckenden Visionslosigkeit ist an eine Amtsführung bis 2030 natürlich nicht zu denken. Als Hauptbotschaft bleibt innerhalb der ÖVP übrig: Ja mei, der Karli halt!

Er kann es nicht, und ich frage mich ja, was sich Frau Edtstadler im Plastikstuhl erste Reihe fußfrei gedacht hat. Man kann nur mutmaßen, ob sie nicht schon mit ganz anderen Posten in dieser Republik spekuliert hat. Wie gesagt: Ich kann nur mutmaßen.

Übrig bleibt von der Rede des Kanzlers die Zitierung nachher zum Vizekanzler, wo er sich entschuldigen musste, damit er von Gewesslers Gnaden halt noch ein bisschen Kanzler bleiben darf. Das ist aber nur möglich – und das dürfen wir nicht vergessen –, weil die ÖVP Neuwahlen fürchtet wie der Teufel das Weihwasser. Warum geht denn das alles: das Schikanieren der Autofahrer, das Schikanieren der Wirtschaft, all die wahnsinnigen Klimahysterien? Warum funktioniert das alles? – Weil die ÖVP Angst vor Neuwahlen hat.


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Wenn wir in Neuwahlen gehen, wird den Grünen nicht viel passieren: 9, 10, 11 Prozent, 1 Prozent auf oder ab ist nicht so dramatisch. Bei der ÖVP raschelt es aber im Gebälk und nicht nur im Börserl, denn ein Haufen Klubförderung, ein Haufen Parteiförderung, ein Haufen Förderung für die Bildungsakademie und ein Haufen Mandate gehen verloren. Das ist die Angst, die ihr habt, und deswegen treibt ihr ganz Österreich in die Geiselhaft der Grünen. (Beifall bei der FPÖ.)

Da kann der Kanzler noch so viele Visionen oder Nichtvisionen preisgeben. Ich will gar nicht sagen, dass das, was er da gesagt hat, keinen Furz wert ist, sonst kriege ich einen Ordnungsruf. Ich sage es natürlich nicht und nehme es wieder zurück, aber eine Bitte zum Abschied: Bitte beendet dieses Trauerspiel so schnell wie möglich! Frau Staatssekretärin, Sie werden innerhalb der ÖVP nicht so viel zu sagen haben, aber ich muss es Ihnen ausrichten, da sich ja der Kanzler wieder aus der Verantwortung stiehlt. Geht aus dieser Koalition heraus! Ermöglicht Neuwahlen! Wenn euch Österreich am Herzen liegt, dann beweist einmal in der Geschichte dieser ÖVP Rückgrat und erlöst Österreich von dieser Regierung! – Ansonsten bleibt nur noch zu sagen: Glück auf, Österreich! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

15.48


Präsident Günter Kovacs: Danke, Herr Bundesrat.

Zur Beantwortung hat sich Frau Staatssekretärin Claudia Plakolm zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Staatssekretärin.


15.48.34

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm: Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf für unseren Bundeskanzler Karl Nehammer bei der heutigen Bundesratssitzung stellvertretend die Dringliche Anfrage beantworten, so, wie es meiner Verpflichtung als Staatssekretärin im Bundeskanzleramt auch entspricht.


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Warum ist die Rede zur Zukunft Österreichs in Zeiten wie diesen so wichtig? – Weil wir alle in diesem Land wieder eine längerfristige Perspektive brauchen (Zwischenrufe bei der FPÖ), weil die letzten Jahre besonders lang und anstrengend waren, weil eine Krise die nächste jagt und weil wir alle in diesem Land wieder einen Blick über den Tellerrand brauchen, um optimistisch nach vorne zu blicken. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Geschätzte Damen und Herren, insbesondere geschätzte Mitglieder des Bun­desrates von der FPÖ-Fraktion, ich freue mich, dass auch Sie sich eingehend mit den Vorstellungen zur Zukunft Österreichs beschäftigt haben und offensichtlich auch einige Punkte gefunden haben (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), die Sie unterstützenswert finden, wie etwa: weg von den Geldleistungen, hin zu mehr Sachleistungen für Asylwerber! (Bundesrat Spanring: Hört gut zu bei den Grünen! Hört gut zu bei den Grünen! – Bundesrat Kornhäusl: Du brauchst nicht nervös zu werden!)

So spiegeln sich auch in meiner Zuständigkeit als Jugendstaatssekretärin drei Punkte wider, die ich für ganz zentral halte (Ruf: Na, welche?): zuallererst das klare Bekenntnis zu leistbarem Wohnen und vor allem zu leistbarem Eigentum, zum Zweiten die Berufspflicht für Jungmediziner und als dritten ganz wesentlichen Punkt für die junge Generation die kostenlose Meisterprüfung für unsere jungen talentierten Fachkräfte. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte ganz kurz auf diese drei Punkte eingehen: Gerade für junge Men­schen muss es wieder möglich werden, sich mit Fleiß die eigenen vier Wände leisten zu können. (Bundesrätin Schumann: Ja, ja, genau! Mit dem Fleiß, das zeigen Sie mir! Erklären Sie uns das einmal, ...!) Das ist ein ganz zentraler Motivator, den wir, denke ich, nach diesen vielen, vielen Jahren, die gerade für die junge Generation sehr, sehr schwierig waren, so dringend benötigen. Dieser Traum vom Eigenheim ist für viele in unerreichbare Ferne gerückt (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Grimling und Hahn), ist oft nur ein Traum geblieben, und die Gründe dafür sind sehr, sehr vielfältig. Wir alle kennen die Zahlen – gestiegene Zinsen, gestiegene Baukosten – und vor allem auch die Kreditrichtlinien, die es


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unmöglich gemacht haben, sich durch eigene Arbeit eigene vier Wände aufzu­bauen (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), und gerade die Kreditrichtlinien der Finanzmarktaufsicht halte ich für realitätsfremd und auch für gefährlich.

Wir müssen gerade jungen Menschen, die bereit sind, etwas zu leisten und sich vor allem auch für die Zukunft etwas aufzubauen, diese Möglichkeiten geben. Ganz konkret brauchen wir da Erleichterungen beim Kauf der eigenen vier Wände, aber ich bin auch offen für einen Wettbewerb der besten Ideen (Bundes­rätin Hahn: Das ist so überheblich, dass es ärger nicht geht!), wenn es um Miet­kauf­modelle geht oder auch um attraktivere und nachhaltige Möglichkeiten, Eigenheime zu sanieren und vieles mehr. (Bundesrätin Hahn: Wenn sie sich kein Brot leisten können, dann sollen sie eben Kuchen essen!)

Das klare Bekenntnis unseres Bundeskanzlers ist deswegen auch ein klares Bekenntnis für junge Menschen in Österreich, es ist ein klares Bekenntnis für Familien in Österreich und ein klares Bekenntnis für Leistungsbereitschaft in diesem Land. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Genau! Denn die ..., die leistet nichts, genau!)

Der zweite zentrale Punkt, den ich mir als Jugendstaatssekretärin mitnehme, ist die kostenlose Meisterprüfung. Das halte ich für eine der wichtigsten Ansagen unseres Bundeskanzlers. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Bundesrät:innen Bernard und Steiner-Wieser.)

Die Meisterprüfung kostet aktuell über 10 000 Euro, wenn man sämtliche Gebühren (Bundesrätin Schartel: Da kommt ihr jetzt drauf?) – Prüfungsgebühren, Kursantritte, Unterlagen und vieles mehr – zusammenzählt. Die Matura und der Studienabschluss sind in Österreich vergleichsweise fast kostenlos. Deswegen bin ich froh, dass wir hier endlich auch an die Lehrlinge denken (Bundesrätin Grimling: Seit wann kümmert sich die ÖVP um die Lehrlinge? – Bundesrätin Schumann: Die hat die ganze Coronazeit die Lehrlinge vergessen!), denn sie sind nicht nur unsere Fach- und Führungskräfte von morgen, sie sind insbesondere auch die Arbeitgeber von übermorgen, und dieser Schritt ist in meinen Augen auch ein


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weiterer, um die duale Ausbildung, um die Lehre zu stärken. Die Lehre darf nicht der Plan B sein, wenn es mit der Schule nicht hinhaut, sondern die Lehre ist und bleibt immer der Plan A (Bundesrätin Schumann: Das haben wir in der Coronazeit gesehen!), wenn man eine ordentliche Ausbildung, eine ordentliche praktische Ausbildung in unserem Land machen will, um die uns viele andere Länder auch beneiden. (Beifall bei der ÖVP.)

Weil wir gerade beim Thema Ausbildung und Beruf sind, auch etwas zum Thema Schule: Ich würde aus meiner Sicht noch einen Schritt weiter gehen. Die Kinder müssen nicht nur Deutsch können, wenn sie die Schule verlassen, sondern auch ausreichend Lesen, Schreiben und Rechnen (Ruf bei der SPÖ: Nein!?), und das ordentlich. Kinder ohne gescheite Ausbildung haben keine Perspektive in unserem Land. (Ruf bei der SPÖ: Das ist die Erkenntnis ...?) Und was dann mit der jungen Generation passiert, das haben wir vor wenigen Monaten beispielsweise in der Halloweennacht in Linz gesehen. (Ah- und Oh-Rufe bei der SPÖ. – Bundes­rätin Schumann: Ah! Frau Plakolm!)

Wie Sie wissen, ist mir insbesondere der ländliche Raum ein großes persönliches Anliegen und deswegen auch die Berufspflicht für Jungmediziner, die ich vorhin angesprochen habe. Insgesamt geben wir pro Medizinstudenten 360 000 Euro für das Studium aus. Der Rechnungshof spricht sogar von mehr als einer halben Million Euro pro Student. Das ist gut und wichtig so, um die medizinische Versorgung in unserem Land weiter auszubauen, und genau aus diesem Grund halte ich auch den Vorschlag unseres Bundeskanzlers für richtig, dass nach Abschluss des Medizinstudiums für einige Zeit auch tatsächlich in Österreich praktiziert werden soll. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist, denke ich, nur fair, wenn man das Studium in Österreich kostenlos abschließen kann. Die Quote derjenigen, die nach Abschluss des Medizin­studiums in Österreich in ein anderes Land abwandern, beträgt 30 Prozent. Natürlich kann das nur ein Punkt von vielen sein, um den Gesundheits- und Medizinstandort Österreich attraktiver zu machen, insbesondere für


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Jungmediziner. Wir müssen natürlich auch generell daran arbeiten, die Arbeitsbedingungen und Rahmenbedingungen zu verbessern.

Es gibt jetzt schon Regionen in Österreich, wo man nicht mehr genügend Haus­ärzte findet. Das müssen wir definitiv lösen, denn gerade für ältere Menschen, die nicht mehr so mobil sind, ist es eine entscheidende Frage auch der Lebens­qualität, ob man einen Doktor direkt ums Eck vorfindet, wenn es wo zwickt. Deswegen ist dieser Vorschlag ein sehr, sehr wichtiger, und deswegen freue ich mich auch, dass Sie, geschätzte Damen und Herren insbesondere der FPÖ, viele dieser Vorschläge von Bundeskanzler Karl Nehammer, viele dieser aufgezeigten Perspektiven auch begrüßen und sich darin teilweise auch wiederfinden.

Ich darf nun zur konkreten Beantwortung der Fragen zu den zahlreichen Themen, die Sie in Ihrer Anfrage angesprochen haben, kommen, auch wenn manche – und das wissen Sie ganz genau – beziehungsweise viele nicht im Bereich der Vollziehung des Bundeskanzleramtes liegen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Zur Frage 1 Ihrer Dringlichen Anfrage:

Mit seiner Rede zur Zukunft der Nation hat unser Bundeskanzler Karl Nehammer vergangenen Freitag eine klare Vision dafür gegeben, in welche Richtung sich unser Land weiterentwickeln soll. (Ruf bei der SPÖ: Also wenn das eine Vision ist!) Die Entscheidung darüber, wer im Jahr 2030 Bundeskanzler sein wird, obliegt den Wählerinnen und Wählern. Persönliche Einschätzungen dazu unterliegen nicht dem Interpellationsrecht.

Zur Frage 2:

Es wurden bereits zahlreiche Schritte gesetzt, um dies sicherzustellen. Die Deutschförderklassen sind dafür ein geeignetes Instrument. (Die Bundesrätinnen Grimling und Schumann: Nein! Nein! Nein! – Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Selbstverständlich wird laufend an der Weiterentwicklung und Verbesserung der bestehenden Maßnahmen gearbeitet. (Bundesrätin Hahn: Kein Experte sagt etwas


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Positives über diese Deutschförderklassen! Keiner!) Dazu zählen neben ausreichen­den und jüngst aufgestockten Ressourcen auch das Nachschärfen und die Treff­sicherheit der bestehenden Testinstrumente und der Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte.

Zur Frage 3:

Ausreichende qualitätsvolle elementare Bildung ist für Familien von großer Bedeutung und ein Schlüsselfaktor für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Grundsätzlich fallen die Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen in die Zuständigkeit der Länder (Bundesrätin Grimling: Das ist immer eine gute Ausrede!), aber der Bund beteiligt sich seit 2008 an den Kosten. Zwischen 2022 und 2027 stellen wir von Bundesseite insgesamt 1 Milliarde Euro für den Ausbau zur Verfügung, mit dem Schwerpunkt, dass wir ein flexibles, flächendeckendes und ganzjähriges Angebot für unter Dreijährige (Bundesrätin Schumann: Genau!) schaffen und ausbauen können, auch in altersgemischten elementaren Einrich­tungen.

Der Bundeskanzler hat in seiner Rede zur Zukunft der Nation unser Ziel angekündigt, dass bis 2030 ausreichend Kinderbetreuungsplätze für Kinder ab dem ersten Lebensjahr zur Verfügung stehen sollen. (Bundesrätin Hahn: Also in Niederösterreich ist es ...!) Dazu soll unter Einbeziehung aller relevanten Akteure ein gesamtheitlicher Plan ausgearbeitet werden. (Bundesrätin Grimling: Na viel Zeit habt ihr nicht mehr! – Heiterkeit bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Zu den Fragen 4, 5 und 10:

Die Ankündigungen des Bundeskanzlers sind wichtige und richtige Impulse für die Weiterentwicklung des Bildungs- und Hochschulbildungssystems. Bezüglich der Berufspflicht für Jungmediziner führen wir derzeit Gespräche mit dem Koalitionspartner.


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Mit der Einführung des neuen Pflichtfaches Digitale Grundbildung ab dem laufenden Schuljahr wurde dieses Thema erstmals verbindlich für alle Schülerinnen und Schüler im Lehrplan festgeschrieben. Im Rahmen der begleitenden Evaluierung dieses neuen Pflichtfaches und auch der Lehrpläne durch entsprechende Expert:innengruppen wird auch eine weiterführende Implementierung von Programmen im Unterricht thematisiert, und es werden Konzepte entwickelt.

Zur Frage 6:

Der Bundesregierung ist die Berücksichtigung der Lebensrealitäten von Frauen ein besonders wichtiges Anliegen. (Bundesrätin Schumann – erheitert –: Na geh!) Das ist allein schon an den maßgeblichen Mittelaufstockungen des Frauen­budgets zu sehen. (Bundesrätin Grimling: Das haben wir heute schon einmal gehört! – Bundesrätin Schumann: Ja, das haben wir heute schon einmal gehört!) Für das Bundeskanzleramt gilt der BKA-Kommunikationsleitfaden, der neben vielen Bereichen auch diesen Themenbereich erfasst.

Zur Frage 7:

Die Meisterprüfung ohne große finanzielle Belastung möglich zu machen ist ein wichtiges Zeichen für junge Menschen und ihren Ausbildungsweg. Das für diese Frage zuständige Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft begrüßt diese Idee und arbeitet derzeit an einem konkreten Konzept für die Umsetzung, damit dies auch schnellstmöglich Realität ist.

Zur Frage 8:

Das österreichische Gesundheitssystem gehört zu den besten der Welt, dennoch gibt es auch Potenzial zur Verbesserung. Wie der Bundeskanzler in seiner Rede erwähnt hat, braucht es eine flächendeckende Versorgung mit Kassenärztinnen und Kassenärzten. Dazu braucht es verschiedene Maßnahmen und Konzepte, an denen wir derzeit arbeiten.


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Zur Frage 9:

Das für internationale Fachkräfte zuständige Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft hat mit Erleichterungen bei der Zuwanderung für qualifizierte Pflegekräfte durch die Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte deutlich verbesserte Rahmenbedingungen geschaffen. Seit dieser Reform wurden deutlich mehr Rot-Weiß-Rot-Karten in Pflegeberufen ausgestellt. Um diesen Prozess weiter zu beschleunigen, braucht es sowohl ministeriumsübergreifende Zusammenarbeit als auch Zusammenarbeit mit den Ländern. Der Bundeskanzler wird dazu, wie angekündigt, einen Gipfel einberufen.

Frage 10 wurde bereits beantwortet.

Zur Frage 11:

Die zuletzt stark gestiegenen Immobilienpreise haben den Traum vom Eigenheim für viele in weite Ferne rücken lassen. Darum legen wir den Fokus wieder stärker darauf, dass Menschen, vor allem junge Menschen, sich Eigentum wieder besser leisten können. Deswegen ist es unser Ziel, die Zweckbindung der Wohnbaufördermittel wieder einzuführen. Das heißt, die Mittel sollen wieder verpflichtend für die Schaffung von Wohnraum eingesetzt werden. Klar ist, dass der Bund das nicht im Alleingang machen und umsetzen kann, sondern nur im Einklang mit den zuständigen Bundesländern, deswegen wird es auch dahin gehend Gespräche mit den Bundesländern geben.

Zur Frage 12:

Auch da laufen die Verhandlungen mit dem Koalitionspartner über ein größeres, gesamtheitliches Wohnpaket. Wichtig ist, dass am Ende nicht nur Altbaumieter in Wien, sondern insbesondere auch junge Familien, egal wo sie zu Hause sind, egal ob in der Stadt oder am Land, unterstützt werden, wenn sie sich gerade ein erstes Eigenheim schaffen wollen. Den aktuellen Gesprächen dazu will ich nicht vorgreifen. (Beifall bei der ÖVP sowie Bravoruf des Bundesrates Buchmann. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Zur Frage 13:

Im internationalen Vergleich weist Österreich eine sehr hohe Abgabenquote auf. Ziel ist es deswegen, diese zu senken. Das hat der Bundeskanzler in seiner Rede auch klar angesprochen. Viele Maßnahmen, die wir jüngst beschlossen haben, tragen mit dazu bei, dass uns das auch gelingen wird. Mit Jahresbeginn wurde etwa die kalte Progression abgeschafft und damit der schleichenden Steuer­erhöhung ein Ende gesetzt.

Ebenso ab heuer wirksam ist die Senkung der dritten Tarifstufe der Lohn- und Einkommensteuer im Rahmen der ökosozialen Steuerreform. Mit dieser Steuerreform entlasten wir nicht nur die Menschen und Betriebe, sondern erwirken auch Lenkungseffekte zur erfolgreichen Bekämpfung des Klimawan­dels.

Zur Frage 14:

Eines ist klar: Sozialleistungen dürfen keinen Pullfaktor für illegale Migration darstellen. (Bundesrat Spanring: Wahnsinn! Wahnsinn!) Aus diesem Grund hat der Bundeskanzler in seiner Rede das Ziel bis 2030 formuliert (Bundesrat Spanring: 2030 keinen Klimabonus mehr, ja!), dass künftig nur jene einen Anspruch auf die vollen Sozialleistungen haben, die sich länger als fünf Jahre legal in Österreich befinden. Er hat dabei angekündigt, ein Modell zu entwickeln. (Bundesrat Steiner: ... das ist die aktuelle Gesetzeslage!)

Zur Frage 15:

Klar ist, die Automobilbranche stellt einen wichtigen Industriezweig dar, mit dem bedeutende Arbeitsplätze in Österreich verbunden sind. Der Bundeskanzler hat auch dargelegt, dass Klimaschutz und Wohlstand einander nicht ausschließen und auch nicht gegensätzlich sind. Gerade in der Automobilbranche entstehen durch den grünen Wandel mehr und nicht weniger Arbeitsplätze (Bundesrat Steiner: Ja!), beispielsweise in den Bereichen Forschung und Entwicklung neuer Technologien oder der Wartung der Produktionsmaschinen.


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Unser Ziel ist es, die große Bedeutung von Österreich in der Automobil­entwicklung, -fertigung und -forschung weiterhin sicherzustellen. Transformation kann jedoch nur mit und nicht gegen die Industrie gelingen. (Bundesrätin Schartel: Ah, da schau her! Auf einmal geht das!)

Zur Frage 16:

Die jüngsten nicht angemeldeten Versammlungen hatten zum Teil massive Beeinträchtigungen des Straßenverkehrs in mehreren Landeshauptstädten zum Ziel, die auf bestimmten Straßenabschnitten wiederholt zu temporären Verkehrsstillständen geführt haben. Diese bewusst und systematisch herbeige­führten Verkehrsblockaden haben damit ein Ausmaß angenommen, das eine Gefährdung anderer Personen befürchten lässt, zumal auch Einsatzfahrzeuge von diesen Verkehrsbehinderungen betroffen sein können. Da ist eine Null­toleranzpolitik richtig und wichtig. Eine Prüfung einer möglichen Verschär­fung oder möglicher Änderungen der gesetzlichen Regelungen findet derzeit statt. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Zur Frage 17:

Nein, der Bundeskanzler hat in seiner Rede klar festgehalten, dass er im Europäischen Rat, sollte es dort zu einer Abstimmung kommen, gegen ein Aus von Verbrennungsmotoren stimmen wird.

Zur Frage 18:

Jeder Abgeordnete verfügt über ein freies Mandat, so auch der Vizepräsident des Europäischen Parlaments.

Zur Frage 19:

Die Bundesregierung unternimmt große Anstrengungen, um die Landwirtinnen und Landwirte in der Produktion von hochqualitativen und leistbaren Lebens­mitteln zu unterstützen. Der Landwirtschaftsminister wird sich weiterhin auf


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europäischer Ebene für weniger Bürokratie und bessere Rahmenbedingungen für die Bäuerinnen und Bauern einsetzen.

Zur Frage 20:

Die Neuregelung der ORF-Finanzierung wird durch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes notwendig. Die Medienministerin arbeitet derzeit daran.

Und abschließend zur Frage 21:

Diese Frage ist kein Gegenstand der Vollziehung. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir unsere Ziele bis 2030 mit harter und redlicher Arbeit in der Politik auch zur Realität machen können und werden. Deswegen freue ich mich über die parteiübergreifende Unterstützung und über die Zusammenarbeit. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

16.03


Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Staatssekretärin.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. Ich erteile ihm dieses. – Bitte, Herr Bundesrat.


16.04.20

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Werte Kollegen! Geschätzte Zuschauer vor den Bildschirmen zu Hause und auch hier im Saal! Ich habe es fast nicht für möglich gehalten, Frau Staatssekretärin, aber ich danke Ihnen einmal, dass Sie Ihrer „Verpflichtung“ nachkommen, in den Bundesrat zu kommen. Es zeugt auch einmal von Qualität, wenn es eine Ver­pflichtung ist, als Regierungsmitglied in den Bundesrat zu kommen. Ich würde es


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als demokratiepolitisch ganz normal empfinden, dass man hierherkommt – eigentlich hätte der Herr Kanzler heute hier zu sitzen und nicht Sie. Danke, dass Sie Ihrer Verpflichtung nachkommen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Bundesräte Bader und Preineder.)

Lieber Kollege Preineder, Folgendes kannst du dir vielleicht zum Abschied auch noch mitnehmen, ich werde es tun – das können wir uns heute mitnehmen –: ÖVPler kannst du nicht lernen, als so etwas musst du geboren sein! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Preineder: Genau!) Es ist ein Wahnsinn, das gibt es kein zweites Mal!

Am 10. März habe ich mir gedacht, als ich diese Rede auf ORF III angeschaut habe: Na hoppala, es handelt sich wohl um Gernot Kulisʼ Parodie Schmäh­hammer. Dann habe ich genau geschaut und gedacht: Na schau, der ist das wirklich, das ist wirklich der Kanzler! Der redet aber heute nicht als Kanzler, sondern – nein! – er redet ja eigentlich als ÖVP-Chef, und das Ganze wird auf Kosten der Zwangsgebührenzahler auch 80 Minuten lang übertragen. Die dürfen das übernehmen, dass alle 80 Minuten vom Staatsfunk übertragen werden.

Dass wir heute noch einmal solch ein Déjà-vu erleben, mit dem habe ich wirklich nicht gerechnet, weil jetzt zwar er die Gelegenheit ausgelassen hat, heute hier zu sein, und Sie es etwas kürzer gemacht haben, aber es war wieder einmal angelehnt an den Stil des gefallenen Engels, des ehemaligen Messias: unglaub­würdig, unauthentisch (Bundesrat Buchmann: Da kennst dich aus, gell?) und ein aufgesetztes Schauspiel vor den bekanntermaßen klatschenden, hochge­coach­ten ÖVP-Jüngern alias Publikum. Man hat dort eben nicht das gesehen oder gehört, was Sie heute auch wieder zutage gefördert haben. Es war nicht von Visionen die Rede – nein! –, sondern es hat 80 Minuten Visionslosigkeit, 80 Minuten Lösungsinkompetenz und 80 Minuten Realitätsverweigerung und Wahrnehmungsstörungen gegeben. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: So, wie wir jetzt dasitzen!)


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Eigentlich hat das Ganze ja wie so ein Selbstgespräch über 80 Minuten angemutet. Es war eher so ein Plädoyer einer Selbsthilfegruppe, nur hat man statt des Sitzkreises halt Sitzreihen gemacht. Das war der einzige Unterschied. Da zeigt sich aber eben, wie die ÖVP tickt. Es ist so, dass man hergeht und philosophiert und nicht von den Problemen, die die Menschen in unserem Land jetzt haben, redet, sondern sagt: 2030 wird natürlich alles anders! – Da stellt man dann Forderungen auf und ist sich auch nicht zu schade und zu blöd dafür, dass man an sich selbst Forderungen stellt, obwohl man selbst in der Regierung sitzt. Da ist man sich auch nicht zu schade dafür, dass man die FPÖ-Anträge abschreibt und kopiert und dann Dinge fordert, die man längst hätte mit beschließen können – aber nein, die hat man damals abgelehnt. Deswegen hat das Ganze, was Sie hier aufführen, ja nichts mehr mit Regieren zu tun.

Liebe Frau Staatssekretärin, richten Sie Bundeskanzler Nehammer aus, es heißt Game over für ihn und für die ÖVP. Dieses Spiel funktioniert nicht mehr, weil sich die Österreicher dieses Spiel auch nicht mehr gefallen und sich vor allem nicht für dumm verkaufen lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wer sitzt denn bitte seit 36 Jahren ununterbrochen in der Regierung? – Ja, die ÖVP. (Bundesrat Himmer: Wer hat uns dort hineingewählt?!) Glauben Sie jetzt wirklich, dass wir Sie noch sieben weitere Jahre brauchen, sodass wir 2030 haben, ihr dann fast ein halbes Jahrhundert drinnen sitzt und noch nie etwas zustande gebracht habt? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Nein, das werden die Österreicher nicht zulassen, und deswegen werden sie euch auch aus den Ämtern befördern, weil ihnen die Korruption beim Hals heraushängt, weil ihnen eure Unfähigkeit und vor allem eure Schmähpolitik beim Hals heraushängt. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Buchmann: Wir waren aber nicht in Ibiza!)

Man hat es ja gesehen – Kollege Steiner hat das richtigerweise auch ange­sprochen –: Am nächsten Tag hat das Handy des Herrn Nehammer schon geklingelt und dann musste er sich von Vizekanzler Kogler vorführen lassen. Dieser hat gesagt: Jetzt werden wir die Leine einmal ein bissl kürzer nehmen, weil es so nicht weitergehen kann! – Er hat dann gesagt: Na ja, irgendwie habe


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ich ja alles eh nicht so gemeint! (Heiterkeit des Bundesrates Preineder. – Bun­des­rätin Eder-Gitschthaler: Haben wir heute Märchenstunde?)

Genau so stimmt ihr hier herinnen auch ab: Jedes Mal wenn ein Antrag von den Grünen kommt, seid ihr mit dabei. Ihr seid bei jedem Schmarrn mit dabei: CO2-Bepreisung: war man dabei; NoVA-Erhöhung: war man dabei. Dann geht man aber her und sagt, man will den Österreichern helfen. Das ist eine Heuchelei, die ihresgleichen sucht, liebe ÖVP! (Beifall bei der FPÖ.)

Der einzige Satz, der in dieser Rede wirklich gestimmt hat, war jener, als Herr Nehammer gesagt hat: Wir haben das Unmögliche möglich gemacht!

Ja, das stimmt, denn wir in Österreich hätten es, glaube ich, nie für möglich gehalten, dass ihr mit eurer Korruption es zusammenbringt, dem Staat zum Ansehen einer Bananenrepublik zu verhelfen (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Geh, geh, geh, geh!); wir hätten es niemals für möglich gehalten, dass es mit den Mittätern von Grün, Rot und Rosarot, den Medien und all den selbsternannten Experten in Österreich eine Zeit geben wird, in der man die eigene Bevölkerung einsperrt; wir hätten es niemals für möglich gehalten, dass ein Bundeskanzler mit seinem Vorgänger als Bundeskanzler und dann wieder Außenminister hergeht und einmal die Neutralität infrage stellt, und erst dann – so wie es die ÖVP halt immer tut – wieder einen Schritt zurück macht, wenn man draufkommt: Na hoppala, bei der Bevölkerung kommt das nicht gut an! – Das ist die Weise, wie ihr arbeitet. Das ist eure Arbeitsweise in der Politik, und davon haben die Leute eben auch genug. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir hätten es aber auch niemals für möglich gehalten – zumindest von Teilen der ÖVP niemals für möglich gehalten –, dass ihr euch wirklich mit diesen grünen Verbotsfetischisten in ein Bett legt, euch an euren Regierungssesseln anklebt, wie die anderen sich auf der Straße ankleben – auch heute hat man es ja gemerkt, als Sie (in Richtung Staatssekretärin Plakolm) gesagt haben, dass wir restriktiver sein müssen; ich hoffe nur, dass das ein bisschen restriktiver ist als die Asylpolitik des Herrn Karner –, und dass man dann hergeht und die letzte


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Moral und auch wirklich die letzten christlichen Werte über Bord wirft, weil es um eines geht: Machterhalt, koste es, was es wolle, um in der Blümel-Sprache zu bleiben.

Und dann stellt sich Herr Nehammer vor die Kameras, so quasi als Brandstifter der Nation, philosophiert über die Brandursache und sagt dann, dass er das Problem mit den Experten bis 2030 lösen werde. – Da kann ich nur eines sagen: Allein das ist eine gefährliche Drohung, denn wir wissen, was diese Experten und diese Regierung unserem Land angetan haben. Warum sitzen wir denn wegen einer völlig verkorksten Coronapolitik auf einem Milliardenberg an Schulden? – Weil ihr (in Richtung ÖVP) mit euren Experten gemeint habt, das müssen wir so machen. Heute können sich die Leute zwar das Leben nicht mehr leisten, aber dafür sitzen wir auf Millionen von Spritzen, auf Masken und haben auch noch immer entsprechende Tests. Keiner braucht sie, keiner will sie haben, das hat Millionen gekostet, aber diesen Milliardenschuldenberg nehmen wir schon einmal in Kauf, denn schließlich haben sich auch ein paar ÖVP-Freunde daran bedienen können. (Beifall bei der FPÖ.)

Dasselbe haben wir mit dem Energieproblem und Russland. Wie ich gesagt habe: Da sind wir sogar bereit, die Neutralität zu opfern, damit wir ein bisschen mit der Nato und vor allem mit dieser Sanktionspolitik liebäugeln können. – Ja, wirtschaftlich und finanziell bedeutet das für Österreich zwar einen Knie- und Kopfschuss, aber das ist uns auch egal; ebenso wie uns die Rekordinflation und -teuerung egal sind, durch die die Leute in unserem Land wirklich nicht mehr wissen, wie sie ins Jahr 2030 kommen sollen. Das ist vielleicht das Problem, das man angehen sollte, da die Leute heute schon nicht mehr wissen, wie sie sich ihr Leben leisten können.

Während die eigenen Leute im Land nichts wert sind, geht ihr her und holt wie voriges Jahr 110 000 Menschen herein – das sind natürlich lauter Atomphysiker, wie wir wissen –, weil das der grünen Ideologie geschuldet ist, und mit den Grünen müsst ihr ja zwecks Machterhalt zusammenarbeiten, denn Neuwahlen


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gehen sich nicht aus, sonst wärt ihr weg vom Fenster. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Preineder: ... Legislaturperiode!)

Damit wir uns die Grünen noch ein bisschen näher herholen, kriegt auch noch jeder Asylwerber einen Klimabonus, und es kommt nicht einmal ein bisschen Aufregung - - (Bundesrat Kornhäusl: Na, in Kärnten sind die Bäume in den Himmel gewachsen, das muss man schon sagen, richtig durch die Decke gegangen!) – Ja, du kannst nachher reden, Kollege Kornhäusl (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Er kommt eh dann dran!), denn du hättest dich aufregen können, weil Frau Gewessler den Klimabonus verlängert – doch man hat kein Wort gehört. Aber das ist die restriktive Asylpolitik des Herrn Karner, das kennen wir eh schon, doch dafür haben wir eine Regierung, in der die Ministerposten öfter gewechselt werden als die Unterhemden, und das Land wird von einer Krise in die nächste geführt.

Schauen wir uns das an: Der Chef geht dann her und stellt in dieser Rede vollkommen diametrale Forderungen zu dem, was jeden Tag in der Regierung und hier im Parlament getan wird. Und da glaubt ihr wirklich noch, dass ihr Glaubwürdigkeit besitzt und dass nur ein Satz von dem, was Sie (in Richtung Staatssekretärin Plakolm) heute gesagt haben, draußen bei der Bevölkerung ankommt? Na, bitte! (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.)

Und es gibt ja auch noch eine andere Situation: In Österreich gibt es mittlerweile die Situation, dass nicht nur die Leute nicht wissen, wie sie sich das Leben leisten sollen, sondern dass wir auch –diese schlimme Situation haben wir auch – eine Regierung haben, der das völlig wurscht ist (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ah geh!), der das egal ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Und wenn ich jetzt höre: „Ah geh!“, liebe Andrea, dann muss ich dir Folgendes sagen: Entschuldigung, es war eine Abgeordnete deiner Partei, die im Nationalrat gesagt hat, dass wir uns die Teuerung ja nur einreden. Solch ein Gespür habt ihr für die Leute! – Ihr habt einfach kein Gespür für die Leute. (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.) – Das ist eben die Überheblichkeit dieser ÖVP, die wir da sehen.


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Wir brauchen ja nur die heutige Schmähpartie oder die von letzten Freitag anzuschauen. Schauen wir uns einmal an – ihr habt ja auch aufgepasst –, welche unserer Fragen heute beantwortet worden ist: Wir haben nicht ein Datum der Umsetzung gehört – außer 2030, ja, weil man sich ja über sieben Jahre drüber­schwindeln will –, wir haben kein konkretes Vorhaben gehört, sondern wir haben nur gehört, dass es Gespräche mit Experten gibt – das ist eben wie gesagt sehr gefährlich. Zum Thema Gendern hören wir: Frauen sind uns wichtig. – Das hat aber mit Gendern und euren Genderleitfäden nichts zu tun, das hat nichts mit der Geschichte zu tun, dass ihr hergegangen seid und sechs Geschlechter im Meldewesen implementiert habt – das habt ihr alles mitgetragen. Und dann geht Herr Nehammer her und sagt: Nein, gegendert wird nicht mehr! – Ihr macht ständig das Gegenteil von dem, was ihr sagt, aber das ist eben eure Heuchelei. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann, wenn es beispielsweise um die Wohnbauförderung oder wenn es um die Grunderwerbsteuer geht, heißt es: Es gibt Verhandlungen!, oder die Verant­wortung wird an die Ländern abgeschoben. Das gleiche machen wir ja beim Asyl mit der EU, damit wir selber nur gar nichts tun müssen.

Dann – und das war wirklich das Beste, denn das hat nicht einmal Herr Nehammer so gut zusammengebracht – wurde gesagt: Wir werden die Pullfaktoren redu­zieren. – Was heißt das jetzt? Dass bis 2030 alle noch den Klimabonus kriegen, aber dann hören wir damit auf? Und ihr (in Richtung ÖVP) seid dabei gewesen, als es darum ging, die Kostensätze in der Grundversorgung zu erhöhen. Das wart ihr von der ÖVP, das waren nicht wir! Wir haben dagegengestimmt – übrigens als Einzige. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Halbe Milliarde!)

Es ist eben so: Alles wird ausgearbeitet und alles wird angeschaut. – Ja, aber vom Anschauen haben die Leute in unserem Land nichts, sondern sie erwarten sich von dieser Regierung, dass endlich einmal gearbeitet wird. Das geht aber natür­lich auch nicht, weil man sich halt überhaupt nicht eins ist, weil es halt das Schlechteste aus zwei Welten ist. So kann man aber leider Gottes keinen Staat machen, das ist das Problem. (Beifall bei der FPÖ.)


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Herr Nehammer hat da zum Beispiel auch noch gesagt: Die Kinder sind uns das Wichtigste. – Also das war ja für mich eigentlich, muss man sagen, der perverseste Satz dieser ganzen Rede, denn wer war es denn, der die Kinder bei Corona eingesperrt hat, der sie zwangsgetestet hat, der ihnen Masken im Kindergarten verordnet hat? – Ja, das wart ihr! – Und dann sind die Kinder das Wichtigste?! Man hat ihnen gesagt: Ihr dürft Opa und Oma nicht besuchen, denn sonst sterben sie wegen euch. – Ja, das waren die Coronajünger von der ÖVP.

Es waren noch ein paar so tolle Punkte drinnen: Da geht es dann darum, die Abgabenquote zu senken. Auch das wird dann natürlich publikumswirksam gefordert. Wie gesagt: Alle diesbezüglichen freiheitlichen Anträge werden natürlich abgelehnt. Und es ist dann so, dass man halt wieder Wasser predigt und Wein trinkt – das ist in der ÖVP so. Das habt ihr ja auch heute bewiesen.

Wenn es dann darum geht, dass man euch irgendwo erwischt und das benennt – genauso wie jetzt bei den vielen Punkten, die Kollege Steiner und ich aufgezählt haben –, dann hört man nichts. Zuerst hört man nichts, aber dann kommt jemand heraus und spielt, wie Herr Krumböck heute, die moralische Instanz und sagt: So, wie die Freiheitlichen Politik machen, das kann man doch nicht tun! – Dazu sage ich: Bitte, alleine, dass ihr euch mit diesem ganzen korrupten Haufen (He-Rufe der Bundesrät:innen Eder-Gitschthaler und Kornhäusl – Zwischenruf des Bundes­rates Buchmann), den es da zwischendrin gibt, anmaßt, überhaupt von Moral zu reden, ist normalerweise eine Frechheit und eine Sauerei. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben heute auch wieder gehört: Leistung muss sich lohnen. – Ja, das sagen wir aber schon seit 100 Jahren. Doch jetzt kommt auf einmal auch die ÖVP drauf – natürlich, weil die Umfragewerte komplett im Keller sind – und schaut wieder einmal: Was macht denn die FPÖ? (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Der Wahlkampf in Kärnten ist vorbei! – Bundesrat Kornhäusl: Der ist eh schon vorbei!) – Ah, die FPÖ hat diesen Slogan: Leistung muss sich lohnen!, natürlich schon seit ewigen Zeiten! Den schreiben wir jetzt einmal geschwind ab, und gleichzeitig lehnen wir alle Entlastungspakete für die Leistungsträger im Bundesrat und im Nationalrat ab.


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Wenn man jetzt hergeht und sagt: Herr Othmar Karas – das ist der Vizepräsident von euch Volksvertretern, möchte ich sagen, damit mir der Herr Präsident keinen Ordnungsruf gibt, denn in Brüssel sind alle Spezialisten –, der ist überall dabei. Dann sagt man: Eigentlich haben wir ja mit dem nichts zu tun, der ist zwar von uns dorthin entsandt, wir arbeiten immer zusammen, aber eigentlich haben wir mit dem ja nichts zu tun! – Und der fordert das gleiche wie die Grünen. Deswegen versteht ihr euch ja auch so gut mit ihm.

Wenn es dann eben, so wie heute, um die Klimakleber geht, dann gibt es natürlich null Toleranz, aber wir schaffen es nicht, dass wir der ganzen Situation Herr werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese ganze Situation hat sich natürlich auch im Bereich der Sicherheit gezeigt. Ich glaube – das hat Kollege Steiner heute auch entsprechend ausgeführt –, wir haben in Österreich das Problem, dass wir eine ÖVP haben, die leider der moralischen Verwahrlosung und einer Gewissenlosigkeit verfallen ist, weil sie nur auf eines ausgerichtet ist, und das ist der Trieb zum Machterhalt.

Das hat sich auch bei dieser Rede in einer anderen Facette gezeigt. Es hat nicht ein Wort von diesem Herrn Nehammer gegeben – das hätte der Anstand eigentlich verlangt –, dass man sich für drei Jahre Coronawahnsinn einmal bei den Leuten entschuldigt (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Es ist wurscht, was er sagt, es passt euch eh nichts!): vier unnötige Lockdowns, entbehrlicher Maskenzwang, evidenzloser Testzwang am Arbeitsplatz, die Spaltung der Gesellschaft – ich erinnere nur an Herrn Schallenberg und ein paar von euren Ministern, was die alles zuwege gebracht haben –, keine Entschuldigung, kein Wort der Entschuldigung.

All die despektierlichen Aussagen von Frau Edtstadler – weil sie letztes Mal hier war –: Die kann sich jetzt nicht einmal mehr daran erinnern, dass sie überhaupt etwas gesagt hat. Ja, kein Wort der Entschuldigung – und die ganze Entourage ist immer noch fest und fröhlich unterwegs, unser Land zu regieren, Hauptsache Machterhalt um jeden Preis. (Beifall bei der FPÖ.)


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Ich sage euch, das ist ein Irrsinn und eine einzige Schande, aber keine Sorge: Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, denn – ich glaube, es gibt ja bei euch viele, die heute noch der Meinung sind, dass alles richtig war – die Bevölkerung wird die Aufgabe in Form von Neuwahlen gerne für Sie übernehmen, und dann, ja, wird das passieren, was Ihnen gebührt. Warum Sie dieses Land so an die Wand gefahren haben, werden Sie dann erkennen, wenn Ihre Umfragewerte im Keller sind, vor allem auch Ihre Wahlergebnisse. Dann wird es wieder Freiheit geben, dann wird es Neutralität, Wohlstand und Sicherheit geben, denn dann wird wieder gelten: Österreich zuerst! (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

16.22

16.22.50*****


Präsident Günter Kovacs: Herr Bundesrat Ofner, für den Ausdruck „korrupter Haufen“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. Sie haben die Möglichkeit, sich hier zu entschuldigen. (Bundesrat Ofner: Nein!) – Das habe ich mir fast gedacht. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

*****

Zu Wort gemeldet ist Dr. Karlheinz Kornhäusl. Ich bitte um deine Ausführungen.


16.23.06

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sogar vor seinem Abgang keine Einsicht – schade, aber ich habe mir auch nichts anderes erwartet.

Bevor ich zu meinen Ausführungen komme, Herr Präsident, hätte ich noch eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung. Es liegt uns ja dieser unsägliche Text vor. (Bundesrat Steiner: Das muss man schon anmelden, Kollege! Geschäfts­behand­lungen sind da, nicht am Rednerpult! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Wieso? Ich darf ja noch etwas zu der Dringlichen Anfrage sagen. (Bundesrat Steiner – auf einen Platz zwischen den Bankreihen zeigend –: Geschäftsbehandlungen sind da! –


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Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Bitte, lass ihn ausreden!) Da steht nämlich gleich im ersten Absatz „Des Faulen Werktag“, und damit soll suggeriert werden, dass der Bundeskanzler faul ist. (Bundesrat Spanring: Nein, das ist die ganze Regierung! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das ist eine Unverschämtheit und eine Dreistigkeit, und ich würde hier um einen Ordnungsruf bitten. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Günter Kovacs: Herr Dr. Kornhäusl, ich habe das alles von den Juristen im Haus prüfen lassen. Für diese Ausführungen wird kein Ordnungsruf erteilt. (Oh-Rufe bei der FPÖ.) – Danke schön.


Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (fortsetzend): Das ist natürlich zu akzeptieren. (Bundesrat Spanring: Das ist ein Pech!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Vor allem verehrte Frau Staatssekretärin! Ich müsste jetzt lügen, wenn ich sage, ich habe Freude mit dieser Dringlichen Anfrage. Ich muss aber auch zugeben, dass es schon Dringliche Anfragen gegeben hat, über die ich persönlich mich mehr aufregen musste, und ich sage Ihnen auch, warum: weil der Inhalt oder der Titel dieser Dringlichen Anfrage die Kanzlerrede ist und das beweist, dass diese Kanzlerrede völlig zu Recht viel Beachtung gefunden hat (Zwischenrufe bei der FPÖ), sogar bei der Freiheitlichen Partei, und weil anscheinend die Nervosität in den Reihen der Freiheitlichen immer größer wird, weil unser Kanzler Themen anspricht, über die Sie zwar selber gerne reden, aber dort, wo Sie Verantwortung hatten, nie etwas zusammengebracht haben.

Ich verstehe die Nervosität auch, weil der Vergleich einfach sicher macht: auf der einen Seite ein Kanzler, der mit ruhiger Hand dieses Land durch das letzte Jahr geführt hat (Heiterkeit des Bundesrates Spanring – Bundesrätin Steiner-Wieser: ... Alkohol! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), der Mut und Zuversicht ausstrahlt, und auf der anderen Seite ein Klubobmann Kickl, der mit Schaum vor dem Maul wie ein wild gewordenes Rumpelstilzchen herumspringt (Zwischenrufe der Bundesrät:innen Ofner und Steiner-Wieser – Bundesrat Spanring: Der Herr


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Doktor darf sich selber Psychopharmaka ausstellen! – Heiterkeit der Bundesrätin Steiner-Wieser) und sich nur in Hasstiraden wiederfindet. So gesehen ist es eine Nervosität, die ich durchaus nachvollziehen kann.

Meine Damen und Herren, blicken wir aber einmal zurück auf das letzte Jahr! Ich glaube, in einem sind wir uns einig: Das sind unglaublich herausfordernde Zeiten. Die letzten drei Jahre, die Coronapandemie, und wenn wir an die Angelobung von Kanzler Nehammer vor über einem Jahr zurückdenken: Die hat noch mitten in einem Lockdown stattgefunden. 80 Tage später kam es zu diesem furchtbaren Angriffskrieg auf die Ukraine durch einen Aggressor, dem Sie ja am allerliebsten ganz verliebt nachhecheln, einem Angriffskrieg, der nicht nur die ukrainische und die russische Bevölkerung in eine große Krise gestürzt hat, einem Angriffskrieg, der die ganze Weltwirtschaft in eine Krise gestürzt hat und eine Rekordinflation ausgelöst hat, die ihresgleichen sucht. (Bundesrat Spanring: ... geschafft hat!)

Sie aber reden Herrn Putin ja noch den Krieg schön, und am liebsten wäre Ihnen, wenn Herr Putin in Europa das Sagen hätte. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich verstehe das nicht, ich verstehe das nicht! (Bundesrat Spanring: Alkohol oder Psychopharmaka, Herr Doktor, das ist jetzt die Frage!) – Alkohol und Psychopharmaka, ja, das können Sie - - (Bundesrat Spanring: Ich weiß, dass du dir das selber verschreiben darfst, aber normal ist das nicht!) – Alkohol habe ich noch selten verschreiben müssen, aber Psychopharmaka sind da und dort schon möglich und machen da und dort sicherlich auch Sinn – ich würde mich an deiner Stelle einmal erkundigen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Spanring: So viel zum Thema Respekt der ÖVP!)

Erinnern wir uns auch zurück, was damals die Sorgen der Menschen und auch die Sorgen dieser Regierung waren, die wir ernst genommen haben: Wir haben vor einem Jahr, im März, Angst gehabt, dass wir die Menschen nicht über diesen Winter bringen, wenn es um die Energie- und Wärmeversorgung geht. Wir hatten damals einen Füllstand unserer Gasspeicher von 18 Prozent. Heute haben wir 70 Prozent, und wir rüsten jetzt schon auf und sorgen jetzt schon für


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den nächsten Winter vor (Bundesrat Spanring: Mit russischem Gas!), und das, obwohl wir von der Abhängigkeit von russischem Gas runterkommen.

Wo andere bereits das Handtuch geschmissen hätten, haben diese Bundes­regierung und vor allem dieser Bundeskanzler Verantwortung bewiesen (Bundesrat Spanring: Woher kommt denn das Gas?) und etwas geschafft, nämlich für Sicherheit zu sorgen und die Gasspeicher zu füllen (Bundesrat Spanring: Woher kommt denn das Gas, wenn nicht aus Russland?), statt dass sie noch leerer werden. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Spanring: Woher kommt denn das Gas? Es kommt aus Russland, das ist die Wahrheit!)

Trotz dieser schwierigen Zeit, die in der jüngsten Geschichte Österreichs wirk­lich ihresgleichen sucht, ist es dieser Bundesregierung gelungen, ihr Programm weiter abzuarbeiten, nicht nur die Menschen zu entlasten, nicht nur den Menschen Sicherheit zu geben (Zwischenruf des Bundesrates Hübner), sondern es ist auch gelungen, das Regierungsprogramm weiter abzuarbeiten. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wo andere schon gescheitert wären, nämlich im Abwenden der Krisen, hat diese Regierung nicht nur das gemacht, sondern hat unter anderem die kalte Progression abgeschafft, ein Jahrhundertprojekt, um das uns viele Länder beneiden. Viele Regierungen haben darüber geredet, keine hat es geschafft – diese Bundesregierung unter der Führung von Karl Nehammer hat es geschafft, die kalte Progression abzuschaffen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Es ist uns gelungen, eine Pflegereform auf den Weg zu bringen, die größte Pflegereform seit über 20 Jahren. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ihr bleibt mitten in der Arbeit stecken! – Bundesrätin Schumann: Na geh, bitte! – Bundesrätin Grimling: Ihr wart doch ...!) – Es tut mir leid, Frau Korinna Schumann, aber auch Ihre Minister haben da leider nicht viel zustande gebracht. (Bundesrätin Schumann: Das Pflegegeld! ... – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die größte Pflegereform mit über 1 Milliarde Euro Volumen (Bundesrätin Grimling: ... Regierungsbeteiligung! Ihr warts dabei und seids nicht mitgegangen!), 570 Millionen Euro, die allein in die Grundgehälter unserer Pflegekräfte fließen (Bundesrat Spanring: Um 5 Milliarden


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habts Tests gekauft! ... Pflege! ...), Entlastung von pflegenden Angehörigen (Bundesrätin Schumann: Da warst du anscheinend noch im Studium!) – das hat diese Bundesregierung während dieser Krisenzeiten gemacht. (Ruf bei der SPÖ: Kein Ahnung!) Und das ist etwas, für das Karl Nehammer und seinen Ministerinnen und Ministern Respekt und Anerkennung gebührt. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben zusätzlich die Menschen weiter entlastet – Stichwort ökosoziale Steuerreform, und, und, und (Bundesrätin Schumann: Haben wir schon gehabt!), es ist vieles mehr. (Bundesrat Hübner: Die Preisentwicklung ist kein Zufall! – Bundesrätin Steiner-Wieser: 500 Euro ...! – Bundesrat Hübner: Entlastung ...!)

Weil das auch in Ihrem Text drinnen steht und Sie da herumschwurbeln – von wegen Wirtschaft „zerstört“ und „Arbeitsplätze vernichtet“ (neuerlicher Zwischen­ruf des Bundesrates Hübner–: Keine Ahnung, woher Sie Ihre Informationen beziehen! Entweder müssen Sie selber sinnerfassend lesen oder Ihren Mitarbei­tern sagen, dass sie gescheit recherchieren sollen. Wir haben Vollbeschäftigung und wir haben ein Wirtschaftswachstum in Österreich. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Ich weiß nicht, wie Sie zu dem Ammenmärchen kommen, dass Arbeitsplätze zerstört wurden. Ganz im Gegenteil: Wir suchen hände­ringend nach Arbeitskräften. Das ist die Realität. Ich weiß nicht, wo Arbeitsplätze zerstört worden sind, aber in der Wahrnehmung der Freiheitlichen schaut das natürlich ein bisschen anders aus. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Dann frag die Unternehmer ...!) So viel zum Thema Istzustand und zum letzten Jahr. (Vize­prä­sident Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Worum ist es Karl Nehammer in dieser Rede aber vor allem auch gegangen? (Bundesrätin Schumann: Das fragt man sich!) Es ist darum gegangen, klare Ziele für die Zukunft zu formulieren (Bundesrätin Grimling: Ach so!), klare Visionen zu formulieren. Warum ist das so wichtig? – Die Staatssekretärin hat es bereits angesprochen: Meine Damen und Herren, unsere Welt ordnet sich neu. Es können nur jene erfolgreich in die Zukunft gehen, die die Herausforderungen unserer Zeit auch als Chancen wahrnehmen. Es geht darum, dass wir heute


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Rahmenbedingungen schaffen, die allen Menschen ermöglichen, selbstbestimmt für sich die Zukunft zu gestalten. (Bundesrätin Grimling: Glaubt der das wirklich, was er sagt?)

All diese Ziele, die Karl Nehammer in seiner Rede formuliert hat und die hier auch verschriftlicht sind (ein Schriftstück in die Höhe haltend), werden jetzt in den Zukunftsplan Österreich 2030 gegossen. (Bundesrat Spanring: Da müsst ihr aber eine ... 180-Grad-Drehung machen ...! – Zwischenruf des Bundesrates Ofner.) Das sind viele Ziele, und auch die Frau Bundesministerin, auch die Frau Staatssekre­tärin – jetzt rede ich schon in der Zukunft – hat es bereits erwähnt: Es ist ja schön, wenn die Kolleginnen und Kollegen von den Freiheitlichen sich in vielen unserer Forderungen für Österreich und in vielen unserer Visionen wieder­finden. (Bundesrat Spanring: Was sind denn deine Forderungen?) Es ist ja schön, nur bitte: kein Neid und keine Panik deswegen. (Bundesrat Ofner: Das sind deine schlimmsten Tage, wenn du draufkommst ...! – Heiterkeit bei der FPÖ.)

Ich könnte die Punkte jetzt alle aufzählen, mir ist es aber wichtig, vor allem drei davon herauszuarbeiten. Das ist zum Ersten der Punkt des Eigentums. Wir wollen und der Kanzler will, dass die Österreicherinnen und Österreicher wieder zu Eigentümern werden (Zwischenrufe des Bundesrates Spanring) und es nicht nur darum geht, in einer Mietwohnung zu leben. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Auch da macht der Vergleich sicher: Da hinken wir nämlich hinterher, weil wir in Österreich eine Eigentumsquote von 48 Prozent haben (Bundesrat Spanring: Es ist nicht jeder ein ÖVPler und hat so viel Kohle! Es gibt auch ganz nor­male Menschen!), im Gegensatz zu 70 Prozent im Europaschnitt.

Da gibt es klare Vorschläge, die auf dem Tisch liegen. Der Zugang zum Eigen­heim soll vor allem für junge Menschen erleichtert werden (Bundesrätin Grimling: Ja, weil die haben das Geld am Sparbüchel liegen!), indem unter anderem die Wohnbauförderung zweckgewidmet wird und indem das Modell des Mietkaufs wieder ausgerollt wird und forciert wird. Das ist innovativ. (Bundesrätin Grimling: Aha!) So bringen wir den Menschen die Möglichkeit, ein Eigenheim zu schaffen.


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Der zweite Punkt, der angesprochen wurde und den ich jetzt herausstreichen möchte, der mir persönlich auch wichtig ist, betrifft das Thema Einkommen durch Arbeit und Leistung versus Einkommen durch Nichtarbeit und Sozialhilfe. Da haben wir tatsächlich eine gewisse Schieflage. (Ah-Rufe bei der SPÖ.) Da haben wir tatsächlich eine gewisse Schieflage, und ich sage Ihnen auch, warum (Bundesrätin Schumann: Ja! Und das als Arzt!): weil die Situation derzeit einfach jene ist, dass die Schere zwischen einem Einkommen durch Arbeit und einem Einkommen durch Sozialhilfe viel zu gering ist. Der Unterschied sind nur 15 Prozent bis 20 Prozent. (Bundesrat Reisinger: Ja, dann hebts die Löhne an!) Da fragt sich ja jeder, der jeden Tag in der Früh aufsteht (Bundesrätin Schumann: Hebts die Löhne an! – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling – Bundesrätin Schumann: Entschuldigung, das ist ja wohl das Ärgste!), der arbeiten geht, die Steuern zahlt, zu Recht, ob er der Dumme in diesem Land ist – denn das darf es nicht sein, dass jene bestraft werden, die arbeiten gehen, die ihre Leistung bringen (Bundesrätin Hahn: Wollt ihr jetzt noch blauer als die Blauen werden?), dass denen dann unterm Strich weniger als jenen bleibt, die versuchen, es sich zu richten und sich in der sozialen Hängematte ausruhen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Entschuldige, wo sind wir denn!? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich komme schon dazu, keine Sorge, ich komme schon dazu. (Bundesrätin Schumann: Ja, aber schnell!)

Eines möchte ich an dieser Stelle nämlich schon sagen, und das wird wahr­scheinlich bewusst missverstanden (Bundesrätin Schumann: Ah!): Es geht mir und es geht uns nicht um jene, die den Euro – und da darf ich Hermann Schützenhöfer, unseren Altlandeshauptmann, noch zitieren – dreimal umdrehen müssen, bevor sie ihn ein halbes Mal ausgeben. (Bundesrat Spanring: Das wissen wir eh, dass es der ÖVP nicht um die geht! Das wissen wir eh, dass euch die wurscht sind!) Es geht mir nicht um jene, die es selber nicht schaffen, weil sie schwach sind, weil sie krank sind, weil sie unsere Hilfe brauchen. (Bundesrat Reisinger: Ja, aber das sind die meisten!) Jene, die unsere Hilfe brauchen, haben unsere uneingeschränkte Solidarität. (Bundesrat Reisinger: Das sind die meisten, die anderen sind ...!) Jene, die unsere Hilfe brauchen, haben unsere uneingeschränkte Solidarität. (Bundesrätin


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Grimling: Aber das stimmt doch nicht! Das stimmt doch nicht, was er da sagt!) Was aber nicht geht, ist, dass man, wenn man gesund ist, wenn man jung ist, wenn man kräftig ist, wenn man vier gerade Glieder hat, zu Hause bleibt und versucht, es sich zu richten. Dann steh auf, geh arbeiten und leiste deinen Beitrag! – Das sei all jenen ins Stammbuch geschrieben. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Weil Sie schon Sorge gehabt haben und gesagt haben, wir sollen die Löhne anheben: Ja, das steht auch hier drinnen. Natürlich geht es darum, durch Steuern und Beiträge, die wir senken wollen, weiter zu entlasten und Gehälter zu schaffen, von denen Erwerbstätige auch gut leben können. (Bundesrätin Hahn: 80 Prozent ...!)

Ein weiterer Vorschlag ist – aber das ist mit Ihnen leider immer schwer zu diskutieren (Bundesrätin Schuhmann: Geh bitte!) – ein Modell eines degressiven Arbeitslosengeldes, ein Modell eines degressiven Arbeitslosengeldes, das es nicht erst - - (anhaltende Zwischenrufe der Bundesrätinnen Schuhmann, Grimling und Hahn– Ich verstehe jetzt die Aufregung nicht. Ich versuche ja nur, es Ihnen zu erklären. (Bundesrätin Grimling: Du brauchst uns nichts erklären!) Ein degres­sives Arbeitslosengeld (Ruf bei der SPÖ: Geh hör auf! – Bundesrätin Schumann: Das habt ihr nicht geschafft! Ganz einfach, ihr habt es nicht geschafft!), das es nicht noch versüßt, in der Arbeitslosigkeit zu bleiben (Bundesrätin Hahn: Weil es ja so lustig ist!), das ist ein Zukunftsmodell, das der Kanzler aufgezeichnet hat. (Bundesrätin Schuhmann: ... Reform ist gescheitert!)

Der dritte Punkt (weitere Zwischenrufe bei der SPÖ – Unruhe im Saal) – mir kommt vor, es wird immer lauter im Saal – ist das Thema Gesundheit. Da hat die Pandemie, das wissen wir und das muss man sagen, ganz klar gezeigt, dass wir zwar auf der einen Seite ein sehr gut aufgestelltes, schlagkräftiges Gesundheits­system haben, auf der anderen Seite aber natürlich auch Lücken. Auch das hat die Staatssekretärin schon gesagt: Wir brauchen 800 Kassenstellen mehr im niedergelassenen ärztlichen Bereich. Wir müssen schauen, dass wir die Aufnah­metests zum Medizinstudium adäquater und zeitgemäßer gestalten, und wir


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müssen Sorge tragen, dass jene, die in Österreich studieren, nicht sofort abwan­dern, sondern eine Zeit lang auch dem österreichischen Gesundheitssystem zur Verfügung stehen.

Weil es in der Dringlichen Anfrage auch so drinnen steht und auch schon mehrfach gekommen ist: Ja warum setzen Sie es nicht gleich um? – Da kann ich Sie beruhigen. Wir werden Dinge jetzt auch umsetzen. Bei dem, was jetzt schnell und unkompliziert umzusetzen ist, werden wir das auch tun, und dann werden Dinge dabei sein, die nicht von heute auf morgen gehen, aber an denen bleiben wir dran.

Die Menschen wissen, wofür Kanzler Nehammer steht, und die Menschen wissen, wofür die ÖVP steht. Es ist ja bitte kein Verbrechen – so wie Sie es darstellen –, politische Forderungen und Visionen niederzuschreiben. Ich glaube, das ist wichtig, und es ist richtig, dass man den Menschen sagt, wofür wir stehen und wofür Kanzler Nehammer steht, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Spanring: ... alle halben Jahre!)

Ich darf zum Schluss meines Redebeitrags kommen. Ich glaube, die Krisen der vergan­genen zwei, drei Jahre haben uns sehr deutlich gezeigt, dass das Unmög­liche eintreten kann – sei es eine weltweite Pandemie, mit der wir in dieser Form nicht gerechnet haben, sei es ein Krieg mitten in Europa, mit dem wir in dieser Form nicht gerechnet haben –, aber wir, die Österreicherinnen und Österreicher und alle Menschen, die hier leben und guten Willens sind, haben auch gezeigt, dass wir das Unmögliche schaffen können. Österreich ist gut durch diese Krisen gekommen – viel besser, als die Freiheitlichen das immer wieder behaupten, und viel besser als andere europäische Länder, die heute neidvoll nach Österreich blicken.

Es ist wichtig, dass wir gemeinsam die Lehren aus dieser Krise ziehen (Bundes­rätin Grimling: Jetzt kommt er schon wieder mit dem „gemeinsam“!) und dass wir mit Zuversicht und Mut die Ärmel aufkrempeln und gemeinsam versuchen, die Zukunft zu gestalten. (Bundesrätin Grimling: Ja, gemeinsam!)


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Meine Damen und Herren, ich möchte mit einem Zitat enden, das, wie ich finde, sehr gut zu dieser Kanzlerrede (Bundesrat Steiner: Parteiobmannrede!) und auch zu diesem Anlass passt: „Die Zukunft hat viele Namen.“ (Bundesrat Steiner: Aber nicht Karl Nehammer!) „Für die Schwachen ist sie das Unerreichbare. Für die Furchtsamen ist sie das Unbekannte.“ Aber: „Für die Mutigen ist sie die Chance.“ – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

16.39


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Korinna Schumann. – Bitte.


16.40.02

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Staatssekretärin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Als ich gesehen habe, dass wir eine Dringliche Anfrage der FPÖ behandeln, habe ich mir gedacht: Warum machen sie das jetzt? Ich habe den Sinn nicht erkannt. (Bundesrat Steiner: Na, eine Dringliche zu Doskozil können wir nicht machen!) Die Rede des Herrn Bundeskanzlers war in der Qualität mehr als schlecht, in der offiziellen Aufnahme, in allen Medien, hat man gesagt: Um Himmels willen, was war das für eine Rede?! – Ich habe mir gedacht: Gut, jetzt schauen wir uns an, warum man dazu eine Dringliche macht.

Ich habe irgendwie das Gefühl, ÖVP und FPÖ versuchen, einander irgendwie auszuloten, wie es denn zukünftig weitergeht (Bundesrat Steiner: Wir hätten sie eh zu Doskozil auch gemacht!), denn eines muss man schon sagen: Jetzt hören wir uns schon viele, viele Sitzungen des Bundesrates lang die Wutreden der FPÖ an, den Ärger über diese Regierung und vor allen Dingen über die ÖVP, auf der anderen Seite aber denke ich mir: Erstaunlich, in Niederösterreich ist man jetzt miteinander auf einem gar nicht so schlechten Weg! (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Was sind das für unglaubliche Dinge, was passiert denn da? (Beifall bei der SPÖ.)


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So viel Aufregung, dann eine Koalitionsverhandlung, und man ist sich ja gar nicht so uneins. Und wenn ich mir heute die Reden anhöre, auch jene der ÖVP-Bundesrätinnen und ‑Bundesräte: Na ja! Also da gefällt einem schon, was die FPÖ so sagt, und umgekehrt, man ist sich schon ein bisschen einig. (Bundesrat Spanring: Siehst du! Ist ja in Ordnung!) – Na bitte, was regt ihr euch denn gar so auf? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das ist doch für nichts und wieder nichts, wenn man sich dann eh - - (Bundesrat Steiner: Doskozil! Doskozil! Doskozil! Doskozil! Doskozil!) – Wunderbar, Doskozil und Pamela Rendi-Wagner, wir machen unse­ren Weg, aber ich sehe, was da los ist, und ich sehe, was da geht! (Bundesrat Steiner: Blau-Rot! Blau-Rot! Doskozil!) – Jawohl! (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Jawohl! Niederösterreich! Da macht man einen Wahlkampf mit Wut gegen die Landeshauptfrau, Bilder über Bilder, und dann sagt man: Na ja, aber doch, es wäre schon schön, wenn wir miteinander arbeiten würden (Bundesrat Spanring: Wir haben halt einmal drei Landesräte, das geht nicht anders!), wir haben doch vieles, was uns eint! – Mein Gott, da ist man ganz beruhigt. (Beifall bei der SPÖ.) Und Herr Kornhäusl – mein Gott, wir sind alle so FPÖ-nahe jetzt. Nachtigall, ick hör dir trapsen! – Also bitte, das erkennt man, selbst wenn man nicht mit großen Fähigkeiten ausgestattet ist. (Bundesrat Steiner: Doskozil! Doskozil! Doskozil!)

Ja, wunderbar, die große Liebe zwischen FPÖ und ÖVP ist sehr wohl da, und ich habe es ja in vielen Reden schon gehört (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser), in denen gesagt worden ist: Die Koalition zwischen ÖVP und FPÖ, das war doch die beste! Ja immerhin: Sie haben es zusammengebracht, dass Sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Rechte in der Sozialversicherung weggenommen haben. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Sie haben es zusammengebracht, dass Sie die 60-Stunden-Woche und den 12-Stunden-Tag aufgestellt haben. (Bundesrat Steiner: Schumann! Schumann! Schumann!) Sie haben die Ruhezeiten verkürzt, sodass es den Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmern noch schlechter geht. (Bundesrat Steiner: ... Doskozil! ...!) Sie haben den persönlichen Feiertag eingeführt. – Gratuliere, so funktioniert eine Koalition


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zwischen FPÖ und ÖVP! (Beifall bei der SPÖ.) Ich gratuliere, jetzt sind wir wieder auf dem Weg dorthin. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Und dafür machen wir so eine Anfrage und regen uns so sehr auf, wenn man sich dann doch eh wieder liebt! – Es ist ja lächerlich.

Ganz ehrlich: Es geht um etwas ganz anderes. Es geht darum, dass sich viele Menschen derzeit ihr Leben nicht leisten können. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Genau!) Darum geht es (Beifall bei SPÖ und FPÖ), und das sind meine Leistungs­träger:innen (Bundesrätin Steiner-Wieser: Wirklich!): die Alleinerzieherin (Bun­desrat Spanring: Ja, aber wählen tun sie euch nicht! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), die einfach nicht mehr weiß, wie sie die Woche herumbringt (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser), der Arbeitnehmer, die Arbeitnehmerin, die mit ihrem Geld nicht mehr auskommen. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ja, weil ...!)

Wir haben gerade jetzt wieder eine Erhöhung der Kreditzinsen. Und wenn man davon spricht: Mein Gott, das Eigenheim! Das Eigenheim!, dann sagen Sie mir bitte, Frau Staatssekretärin: Wo sind die jungen Menschen, die sich dieses Eigenheim schaffen können, bei den derzeitigen Grundstücks- und Immobilien­preisen?! Wo sind sie? Sie können es erben! Ja, das können sie; aber selber schaffen, das funktioniert jetzt nicht (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ihr wollt eine Erbschaftssteuer!), weil ihr Einkommen einfach nicht so groß ist und weil die Leute nicht wissen, wie sie damit auskommen sollen. – So schaut’s aus! (Beifall bei der SPÖ.)

Bevor wir in Jubel über den Kanzler ausbrechen: Es ist schon klar, dass wir derzeit eine Inflation von über 11 Prozent haben! Das ist nicht ohne und das bedeutet eine Teuerung, dass die Tür nicht zugeht. Wer glaubt, dass, wenn die Inflation jetzt ein bisschen heruntergeht, deswegen die Preise sinken, dem sage ich: Das ist eine Illusion!

Das heißt, man wird da hinschauen müssen, und die Menschen brauchen die Deckel. Man braucht den Gaspreisdeckel, man braucht den Strompreisdeckel, aber nicht so, wie Sie ihn gemacht haben: dass es die Leute wieder selber zahlen.


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Und ganz ehrlich, schauen wir uns den Warenkorb an, rein was die Lebensmittel betrifft: Da haben wir ein Inflationsplus von 17 Prozent. Wenn wir Wohnen und Heizen anschauen, sehen wir, wir haben ein Inflationsplus von 19 Prozent. Das drückt die Leute, das macht den Menschen Sorgen, und da wollen sie Entlastung haben! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Kaltenegger: ... Lebensmittel ...!)

Im Regierungsübereinkommen zwischen den Grünen und der ÖVP steht drinnen, dass Sie die Armut halbieren wollen. – Sie sind in der Armutsbekämpfung gescheitert. Es sind neue Gruppen der Armut dazugekommen, durch Ihr Handeln, und Sie haben so unglaublich viel Geld in die Hand genommen, es hat den Menschen aber nicht so geholfen, wie es hätte helfen müssen.

Und noch etwas: Sie haben jetzt den Teilzeitkräften gedroht, dass Sie die Sozialleistungen kürzen werden. Das ist wirklich unanständig! (Beifall bei der SPÖ.) Das betrifft jene, die gar nicht wissen, wie Sie den Tag überhaupt noch herumbringen, und vor allen Dingen, die gar nicht anders können, als Teilzeit zu arbeiten, denn wenn Sie etwas nicht gemacht haben, dann das, die Kinder­bildungseinrichtungen flächendeckend auszubauen. Sie erzählen zwar immer schön: Wir haben da etwas gemacht und dort etwas gemacht!, aber Sie haben es nicht flächendeckend gemacht.

Sie hatten drei Chancen, und diese haben Sie alle drei verstreichen lassen: den Resilienzfonds, die 15a-Vereinbarung und dann die Budgetverhandlungen. Sie haben immer gegengehalten und haben nicht einen wirklichen Booster im Ausbau der Kinderbildungseinrichtungen gemacht. Und dann wundern Sie sich, wenn wir solche Teilzeitraten haben?!

Sie haben die 60-Stunden-Woche und den 12-Stunden-Tag eingeführt, und es war jedem, der die Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmersituation kennt, klar, dass das die Rollenbilder einzementiert (Beifall bei der SPÖ), denn das lässt sich nicht mit Familie vereinbaren. Da geht einer ganz viel arbeiten, bis er nicht mehr kann und zusammenbricht, und die andere bleibt daheim und arbeitet in Teilzeit,


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weil irgendwer auf die Kinder und auf die älteren Leute schauen muss. – So schaut es einfach aus, das ist die Situation, die wir jetzt haben!

Ganz ehrlich: Wir hören das alles sehr wohl, und wir hören auch, wie Sie mit der Finanzierung des Sozialstaats umgehen. Wir hören, dass es da um Einsparung geht, wir hören, dass es darum geht, dass man den Sozialstaat kürzen soll. Alle diese Botschaften hören wir. Diese sind noch fein – jetzt sind Sie auf die Teilzeitkräfte losgegangen, dann auf jene, die Asylstatus haben, es werde eine Feinabstimmung an den Dingen gemacht. – Das sind Einsparungsankündi­gungen!

Wenn etwas geholfen hat und wenn etwas gewirkt hat, dann war es der Sozialstaat, in der Coronakrise und in der Krise jetzt. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Wir brauchen diesen Sozialstaat, wir brauchen die Daseins­vorsorge, und den räumen Sie uns nicht ab – da werden wir als Sozialdemo­kra­ten auf alle Barrikaden gehen, die es nur gibt –; nicht auf die Geschwinde und indem Sie ihn schlechtreden und noch dazu die Menschen schlechtreden, die diesen Sozialstaat brauchen. Das ist eindeutig unanständig – so ist das. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir leben in einer Zeit des Wandels, und es ist einfach so, dass wir vor einer richtigen Klimakatastrophe stehen. Wir können das so schön wegleugnen, wie es halt die FPÖ tut – gibt’s nicht! –, oder wir können sozusagen mit dem erhobenen Zeigefinger sagen: Also bitte, dreht die Heizungen ab und gebt einen Deckel auf die Suppe, damit sie besser kocht! (Heiterkeit bei der SPÖ.) – Das sind nicht die Antworten!

Wir brauchen Antworten und Bilder für die Menschen, damit sie beim Klima­wandel mitgehen, bei den Maßnahmen, die jetzt zu setzen sind. Sie brauchen Antworten, sie brauchen Bilder dafür! Und in Österreich braucht man das Auto, es geht nicht anders im ländlichen Raum. (Bundesrat Spanring: Das ist nicht ... in Wien! Es gibt auch noch welche, die lesen und schreiben können! – Weitere Zwi­schen­rufe bei der FPÖ.) Wie soll das funktionieren? Wir haben den öffentlichen


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Verkehr nicht ausgebaut, und es ist die Frage, ob das Elektroauto die einzige Lösung ist oder ob man sich noch andere Sachen überlegen muss, wie man damit umgeht. (Bundesrat Spanring: Bilder!) Wir wollen die CO2-Werte senken, und es muss etwas passieren, aber die Leute müssen mitgehen können, und sie brauchen Bilder. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben Stromtankstellen, bei denen die Tarife völlig unterschiedlich sind. Die Leute wissen ja gar nicht, wenn sie ihr Auto anstecken, was sie dort zahlen werden. (Bundesrat Spanring: Bilder! So wie in Wien!) –Wir haben zwei Anfragen dazu gemacht. Sie haben nichts dafür getan. (Bundesrat Hübner: Deswegen brauchen sie Bilder! Keine Strompreisbremse, sondern Bilder!) So kann es nicht funktionieren. Wir müssen die Leute mitnehmen! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Na, ist eh gut, passt schon! (Heiterkeit und Beifall der Bundesrätin Grimling.)

Und ganz ehrlich: Wenn sich die Leute jetzt Wärmepumpen haben einbauen lassen (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), dann heißt das, die haben jetzt Kosten ohne Ende, Stromkosten, dass die Tür nicht zugeht, und die werden nicht entlastet, aber sie waren im guten Glauben, dass sie etwas Gutes für die Umwelt tun. Und wir haben Leute, die sich Pelletsheizungen haben einbauen lassen, und die Pelletspreise sind auf die dreifache Höhe hinaufgefahren. Die waren sich sicher, sie tun etwas Gutes, und sind jetzt die Angeschmierten. So kann es nicht funktionieren. So können wir gemeinsam den Wandel nicht schaffen.

Auch für die Just Transition und für die gesamte Erzählung darüber, wie wir eine neue Industriestrategie aufsetzen können, muss man sehr gut nachdenken. Da muss man die Menschen mitnehmen und man muss die soziale Frage mitneh­men, denn wir können die Leute nicht zurücklassen – auf keinen Fall! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, man muss auf die Jugend schauen. Sie kämpfen um ihre Zukunft und sagen: Leute, wir sind die nächste Generation und wir werden Kinder haben und wir wollen, dass sie in einer guten Welt leben, in einer Welt, die gesund ist und die noch lebenswert ist. Dass sie dafür kämpfen, das muss man verstehen, man


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darf ihnen nicht noch Prügel vor die Füße werfen. Das geht nicht, das ist nicht fair.

Wir wollen die beste Bildung für die Kinder haben und wir wollen, dass die Kinder auch alle Chancen haben. Wir wollen nicht, dass Kinder zurückgelassen werden, weil ihre Herkunft nicht in das Gesamtbild passt. (Bundesrat Spanring: Oder Schulen geschlossen werden, wie ... SPÖ!) – Nein, wir wollen, dass sie gut ausgebildet werden. Das ist jetzt wesentlich.

Sie entdecken jetzt auch die Lehre wieder. Ist eh gut, das ist gescheit. Das ist ganz, ganz wichtig (Bundesrat Spanring: ... in Wien!), aber während der Coronazeit haben Sie die Lehre völlig vernachlässigt. Die Berufsschulen waren kein Thema, und die Jugendlichen in den Berufsschulen waren kein Thema. Das haben Sie verabsäumt, und das merken sich halt die jungen Leute auch, das ist auch selbstverständlich.

Frau Staatssekretärin, Sie sind für die Jugend zuständig. Ich glaube, das ist wirklich wichtig: Die Jugend leidet wirklich unter psychischen Belastungen – da kommen jetzt Dinge zutage –, die brauchen eine Unterstützung. Das kann man nicht wegreden und das kann man nicht schönreden und nicht sagen: Wir haben eh so viel getan, und alles ist gut. – Es ist nicht gut! Wir brauchen die Therapie­plätze (Bundesrat Steiner: Warum brauchen wir die?) und wir erwarten die Unterstützung. Wir müssen die jungen Leute wahrnehmen. (Bundesrat Hübner: ... Kinder ...!) Das ist jetzt ein ganz, ganz wesentlicher Punkt. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Thema Ärztemangel. Das geht ganz einfach, Sie haben den Wissenschafts­minister: Erhöhen Sie die Anzahl der Studienplätze an den Universitäten! Sie brauchen nur das Geld in die Hand zu nehmen (Bundesrat Steiner: Dass wir noch mehr Deutsche ...!) und den Universitäten geben. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.– Das ist ja nicht wahr! Aber nein, wir brauchen einfach mehr Ärzte (Bundesrat Steiner: Numerus-Clausus-Flüchtlinge!), weil sich in den letzten Jahrzehnten die Ärztearbeitszeitregelungen verändert haben und dadurch ganz einfach mehr Bedarf da ist. Das ist ja selbstverständlich. Wir wollen ja auch


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nicht, dass die Ärzte durchgehend von Freitag abends bis Montag in der Früh arbeiten. (Zwischenrufe des Bundesrates Steiner.) So sollen die Ärztearbeitszeiten nicht sein. Das heißt, wir brauchen mehr Ärzte, also bitte: Bilden wir mehr aus! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Herr Polaschek ist gefordert. Gemma, auf geht’s, das ist ja nicht so eine Schwierigkeit! Jetzt wäre es einmal an der Zeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, worauf man auch schauen muss, das sind die Pensionen. Dass Sie die Aliquotierung im ersten Jahr gemacht haben, ist auch unfair ohne Ende. Die Pensionistinnen und Pensionisten – ganz besonders die Frauen – sind heiß, ganz ehrlich, denn so kann man mit ihnen nicht umgehen.

Lassen Sie mich zu den Frauen Folgendes sagen: Wir können das Thema Gendern rauf- und runterreden und wir können über die Frage, ob Sprache Wirklichkeit schafft, ohne Ende diskutieren. Ich bin mir ganz sicher, dass sie Wirklichkeit schafft, aber da geht es ja um viel mehr. Die Frauen bilden 51 Prozent der öster­reichischen Bevölkerung, und es geht um die Frage: Für wen gibt man das Budgetgeld aus und für wen nicht? – Und das steht in der Verfassung, das ist Genderbudgeting. So schaut es aus.

Was macht man jetzt? –Diese Regierung trägt dem eben nicht Rechnung, denn wir haben jetzt zwei Budgets gehabt, wo 69 Prozent den Männern, 31 Prozent den Frauen zugutekommen. Das ist nicht gerecht, ganz einfach. Da kann sich die Frauenministerin heute hinstellen, so oft sie will, sie kämpft nicht für die Frauen – und das ist ganz, ganz schlecht, besonders in Krisenzeiten, in denen die Frauen jetzt so stark belastet sind. Also so kann man mit den Frauen nicht umgehen! (Beifall bei der SPÖ.)

Dazu noch ein Beispiel: Sie sind sehr stolz auf den Familienbonus. – Gut, schön, aber auch da ist es klar: 70 Prozent der Bezieher des Familienbonus sind Männer und 30 Prozent sind Frauen. (Zwischenrufe bei der FPÖ. – Bundesrat Leinfellner: Wie soll denn das gehen? Das gibt’s ja gar nicht!) Da stimmt was nicht in den Gewichten. Man braucht die Genderfrage nicht nur in der Sprache, sondern man


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braucht sie in der Frage der Verteilung und der Gerechtigkeit. Um das geht es, so ist es, eindeutig! So ist es. (Bundesrat Spanring: Ihr tut ja gar nichts bei den Frauen!) Aber geh, bitte! Lächerlich! (Beifall bei der SPÖ.)

Für uns ist ganz, ganz wichtig – noch einmal gesagt –: Die Chance, dass sich junge Menschen ein Eigenheim schaffen, ist derzeit nicht gegeben, das ist eine Illusion, ganz ehrlich. Bitte, Frau Staatssekretärin, reden Sie mit Lehrlingen, reden Sie mit jungen Leuten, die haben keine Chance! Wenn Sie sich die Kosten für eine Wohnung anschauen: Wie soll sich jemand mit 400 000, 500 000 Euro verschulden? – Das ist ja unmöglich, das geht einfach nicht. Schaffen Sie doch nicht Illusionen, dass so etwas möglich wäre. Es geht einfach nicht. Dass dann junge Leute frustriert sind und sagen: Ich kann mir ja eh nichts schaffen, warum soll ich mich dann ohne Ende reinhauen, wenn ich gesehen habe, dass meine Eltern sich wirklich ganz, ganz krank gearbeitet haben?, das ist doch auch selbstverständlich. Auf die Sache muss man anders zugehen, als Sie es tun. (Bundesrat Spanring: Genau! ...!)

Es werden viele junge Menschen eine Mietwohnung brauchen. Darum fordern wir, und das ist ganz, ganz wichtig, einen Mietpreisstopp, einen Deckel – jetzt, mit 1. April, muss der rein! (Beifall bei der SPÖ. Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mieterhöhungen in Zeiten der extremen Teuerung aussetzen – Es braucht langfristige Konzepte für die Regulierung von Mietkosten!“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert umgehend ein mietrechtliches Inflationslinderungspaket zum


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Beschluss an den Nationalrat sowie den Bundesrat vorzulegen, das unter anderem folgende Punkte enthalten soll:

- Aussetzung der Erhöhung der Richtwertmieten bis 31. März 2026

- Aussetzung der Erhöhung der Kategoriemieten bis 31. März 2026

- Ab April 2026 Entkoppelung von Mieterhöhungen von der Inflation und eine maximale Erhöhungsrate von 2% per anno.“

*****

So schaut es aus! Das muss man jetzt umsetzen, sonst macht man den Menschen das Leben noch einmal schwerer, und das wollen wir nicht.

Frau Staatssekretärin, es ist so: Die Jugend lebt am Land und sie lebt in der Stadt, und Sie sind auch für die Jugendlichen in der Stadt zuständig. Ich muss ganz ehrlich sagen, Ihre Reaktion auf den Sager des Herrn Waldhäusl, darauf, wie er in der Diskussion mit den jungen Menschen, jungen Schüler:innen umge­gangen ist, das war wirklich letztklassig. Letztklassig war, zu sagen, am besten wärt ihr weg, und da war noch Wien Wien. (Bundesrat Spanring: Das hat er nicht gesagt!) – Natürlich, ich habe ja den Text vor mir. (Ruf bei der SPÖ: Hat er sehr wohl gesagt! Bundesrat Spanring: Das ist eine glatte Lüge, Frau Schumann! Er hat gesagt, dann wäre Wien noch Wien, aber er hat nicht gesagt ...! Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Auf die Frage der Schülerin hat er gesagt (Bundesrat Spanring: Aber er hat nie gesagt ...!): „Das ist relativ einfach zu beantworten. So wie es andere Kontinente schaffen, ihre Außengrenze tatsächlich zu sichern, ist es auch EU-weit möglich, die Grenze zu sichern. Das kann man machen, wenn man es möchte.“ Auf die Frage, wenn das geschehen wäre, dass hier sehr viele nicht in dieser Schule wären: „Ja, wenn das schon lange geschehen wäre, dann wäre Wien noch Wien.“ (Anhaltender Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.) – Na bravo! Super! (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Hahn und Grimling.) Genau, super, das ist es! Das ist der


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Koalitionspartner für die ÖVP, wunderbar. Liebe ÖVP, das ist Ihr Koalitions­partner für Niederösterreich. Ich gratuliere Ihnen ganz herzlich. (Bundesrat Steiner: Du bist so neidisch! So neidisch!) Nein, ich gratuliere. Großartig! Großartig! Wunderbar! (Bundesrat Steiner: Dein Sozi in Niederösterreich hat’s versemmelt!) Aber, Herr Bundesrat Steiner, regen Sie sich nicht so auf, das ganze Aufregen hilft ja nichts! Sie gehen dann eh wieder mit der ÖVP zusammen, und alles ist leiwand, oder? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Alles gut, ja, alles gut. Alles gut! (Beifall bei der SPÖ. Bundesrat Steiner: Brauchst ja nicht neidisch sein!)

Frau Staatssekretärin, stellen Sie sich hinter die jungen Menschen, die in Österreich eine tolle Ausbildung machen! Stellen Sie sich hinter die jungen Menschen, nicht nur im ländlichen Bereich, sondern auch im städtischen Bereich! Wien ist eine Stadt mit sehr vielen jungen Menschen, und es ist endlich Zeit, dass man um die Demokratie kämpft. Es wird gefährlich. Zu den Demo­kratiewerten haben wir eine Dringliche gemacht, dann hat man es ein bisschen lächerlich gemacht, so schlimm sei das nicht, das könne man alles relativieren. Unser Demokratieranking, Österreichs Demokratieranking geht bergab, es geht wirklich bergab. Und das muss uns als Parlamentarierinnen und Parlamentarier wirklich Sorgen machen (Bundesrat Spanring: Drum machts ihr jetzt eine Mitgliederbefragung!), wirklich Sorgen machen. Das ist nicht gut. Das kann selbst die FPÖ nicht wollen, ganz ehrlich nicht (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser), denn wir alle, das hoffe ich doch, in diesem Raum kämpfen gemeinsam für die Demokratie, weil wir alle dafür kämpfen, dass junge Menschen sich für die Demokratie interessieren und dass wir sie nicht relativieren. (Bundesrat Steiner: Wir waren jetzt drei Jahre die Einzigen, die dafür gekämpft haben!) – Aber klar, freilich, ja freilich. (Rufe und Gegenrufe zwischen Bundesrät:innen von FPÖ und SPÖ.) – Ja, ich glaube es, ich glaube es.

Nichtsdestotrotz, die Sinnhaftigkeit dieser Anfrage kann ich nur darin erkennen, dass man halt auslotet, wie es jetzt zwischen FPÖ und ÖVP so geht. Man haut ein bisschen hin, aber dann trifft man sich doch. Ich habe die Rede Kornhäusl gehört, ich habe eure Rede gehört – wir kennen uns aus. (Bundesrat Steiner:


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Bitte, gerne! – Bundesrat Spanring: ... drei Jahre ...! – Ruf bei der SPÖ: Geh, hör auf! Bundesrätin Grimling: Der Scherz war gut!) Wir Sozialdemokraten sagen, es geht um die Leute und es geht um das, wie es ihnen jetzt mit all ihren Belastungen, mit all ihren Sorgen geht. Dafür stehen wir, und eure Spielereien interessieren uns leider nicht. (Beifall bei der SPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Schachner.)

16.59


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Mieterhöhungen in Zeiten der extremen Teuerung aussetzen – Es braucht langfristige Konzepte für die Regulierung von Mietkosten!“ ist genügend unter­stützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Frau Kollegin Andrea Michaela Schartel. – Bitte.


17.00.13

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Kollegin Schumann hat in ihrem Redebeitrag behauptet, die FPÖ hätte in ihrer Regierungsverantwortung den 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche eingeführt. (Bundesrätin Schumann: Na was denn?! Bundesrätin Hahn: Ja, habt ihr ja! Ganz genau das habt ihr gemacht!)

Ich berichtige tatsächlich: Wir haben in unserer Verantwortung das Arbeitszeit­flexibilisierungsgesetz ermöglicht (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann), was mehr oder minder nur die Möglichkeit geschaffen hat, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber selbst darüber entscheiden dürfen (Bundesrätin Hahn: Genau!) und nicht nur der Betriebsrat, sprich die Gewerkschaft, sprich die SPÖ. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

17.00


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte, Herr Kollege.



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17.00.59

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Vielen Dank, nach dieser tatsächlichen Bestätigung!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Stimme ist noch nicht besser geworden, es tut mir leid, aber wie gesagt, mein Arzt hat gesagt, ich soll dann reden, wenn es wichtig ist, und jetzt tue ich das halt. Er hat aber auch gesagt, ich soll mich kurz fassen, und ich werde versuchen, das zu tun.

In einem muss ich Kollegin Schumann schon recht geben (Ruf bei der SPÖ: Jawohl!): Also wenn wir nach allen Reden von Kanzlern, die diese in den letzten Jahren so gehalten haben, nämlich dann, wenn sie als Parteichef eine Rede halten, immer eine Dringliche dazu machen würden: Na dann hollodrio! (Bundesrat Steiner: Na, was ist dann?!  Bundesrat Spanring: Gut so! Gut so!) Da können wir viele Dringliche machen, immer zu Themen, wenn der Parteichef eine Vision erzählt. Das kann man machen, aber ich halte es für nicht besonders legitim, das in einem Parlament zu machen, weil das in diesem Fall keine parlamentarische Sache war, aber bitte. Er hat das auch nicht als Kanzler gemacht, sondern als Parteichef. (Bundesrat Steiner: Ach so!? Bundesrat Spanring: Und wer hat’s dann gezahlt?)

Solche Reden hat Christian Kern gehalten; ich kann mich zum Beispiel an einen Plan A erinnern. Es ist ja auch eine legitime Rede gewesen, es ist legitim, als Kanzler zu sagen: Ich halte jetzt eine Rede als sozialdemokratischer Parteichef und präsentiere meine Visionen! (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Das hat der damalige Kanzler Kurz auch gemacht. – Also bitte schön! (Bundesrat Steiner: Wolfgang Schüssel hat das ...!)

Aber keine einzige Rede dieser früheren Kanzler oder des jetzt aktuellen Kanzlers hatte persönliche Angriffe unter der Gürtellinie zum Inhalt, persönliche Angriffe statt politischer Argumentation, so wie sie etwa bei den Aschermitt­wochstreffen der Freiheitlichen Partei Österreichs üblich sind. Dort sind sie üblich! Dort wird mit Niedertracht (Bundesrat Spanring: Nein, mit Tracht! 


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Bundesrat Steiner: ... Jopperl!) – ja mit angezogener Tracht und mit Niedertracht, Herr Kollege – und in einer Art und Weise mit Worten über Menschen herge­zogen, wie zum Beispiel über unseren aktuellen Bundespräsidenten, die wirklich auf keine Kuhhaut geht. Das sind Rücktrittsgründe! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie Heiterkeit des Bundesrates Steiner.)

Wenn man sich aus jeglicher politischen Kultur und aus jedem demokratischen Miteinander verabschiedet, indem man so über den anderen redet: Also das geht einfach nicht! Ich wundere mich dann ja auch, dass es noch Menschen gibt, die meinen, dass man mit der FPÖ umgehen kann. (Bundesrat Steiner: Ja, aber wie ihr über die Leute drübergefahren seid in der Coronazeit, das ist komplett wurscht!) – Meine Stimme ist ein bisserl schwächer, ich kann nicht drübergehen, ist aber wurscht.

Die Kultur des Gegeneinanders, die Kultur des Spaltens (Bundesrat Steiner: Drei Jahre Corona! Drei Jahre lang! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), des Gegen­einander-Aufhetzens, die betreiben Sie (Bundesrat Steiner: Ja, Sie!) von der Freiheitlichen Partei. Und was ich auch interessant finde: Sie behaupten immer, Sie vertreten alle Österreicherinnen und Österreicher und das Volk. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Ich darf Ihnen sagen: Diese Österreicherinnen und diese Österreicher wählen auch die ÖVP, sie wählen auch die SPÖ, sie wählen auch die Grünen (Bundesrat Spanring: Nein, die Grünen wählen sie nicht! Zwischenruf des Bundesrates Steiner), sie wählen auch die NEOS, und auch unsere Wäh­lerinnen und Wähler sind das Volk und sind Österreicherinnen und Österreicher. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Schmid.)

Auch diejenigen, vor allem die jungen Leute, die tagtäglich Angst um ihre Zukunft haben, die sich täglich für eine aktive Klimapolitik engagieren (Bundesrat Steiner: ... ihr macht denen Angst!), sind Österreicherinnen und Österreicher und das Volk. (Bundesrat Steiner: Da sind Deutsche auch dabei!) Auch diejenigen, die sich eingebürgert haben oder vorhaben, es zu tun, weil sie hier eine neue Heimat gefunden haben, sind Österreicherinnen und Österreicher oder zukünftige Österreicherinnen und Österreicher und gehören zu uns.


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Es gibt Lesben, es gibt Schwule, es gibt Transgender, Herr Kollege Spanring (Bundesrat Spanring: Ja, bitte?), die auch hier in diesem Land leben, sie sind Öster­reicherinnen und Österreicher, und vielleicht auch einmal etwas dazwischen (Bundesrat Steiner: Was ist dazwischen?), und sie gehören genauso zu unserem Volk. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Sie machen gerne Stimmung gegen diese Leute, das weiß ich, und Ihr neues Feindbild sind ja die liberalen städti­schen Menschen, aber auch die Menschen, die in den Städten leben, sind Öster­reicherinnen und Österreicher und sind das Volk.

Auch die Menschen im Gesundheitswesen, die dort gearbeitet haben, gerade in der Coronakrise, als es wirklich noch um Leben und Tod gegangen ist, als es wirklich noch darum ging, die Intensivstationen vor einer Überlastung zu schüt­zen – und manche haben ihnen das Leben schwer gemacht –, die sich tagtäglich für uns aufgeopfert haben, gehören zum Volk und sind Österreicherin­nen und Österreicher (Bundesrat Spanring: Die gekündigt worden sind, weil sie sich nicht impfen lassen wollten, gell? Das Pflegepersonal meint er!), und auch all die Wissen­schaftlerinnen und Wissenschaftler, die seit Jahren, seit vielen Jahren ganz klare Evidenzen gesammelt haben und dazu forschen (Zwischenrufe der Bundes­rät:innen Steiner und Steiner-Wieser), dass die Klimakrise akut ist, dass wir drin­genden Handlungsbedarf haben, dass jetzt gehandelt werden muss, dass wir keine Zeit mehr zu verlieren haben.

Wir können die Verantwortung auch nicht woanders hinschieben. Ja, auch wir Politikerinnen und Politiker haben die besondere Pflicht – die verdammte Pflicht! –, hier jetzt zu handeln, und zwar nicht für die nächste Wahl, sondern für unsere Kinder. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Schmid.)

Und wie wir in der Regierung auf sehr, sehr vielen Ebenen – nicht nur in Fragen des Klimaschutzes, aber besonders auch in Fragen des Klimaschutzes – agiert haben, so wie es übrigens noch nie eine Regierung vorher geschafft hat, darauf bin ich wirklich stolz.


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Wie oft und wie lange – um jetzt einmal andere Themen anzusprechen – wurde gesagt, es wäre dringend notwendig, die Sozialleistungen dem Index anzu­passen? Und niemand, auch nicht diejenigen, die sich früher an Regierungen beteiligt haben, auch nicht die FPÖ und in diesem Fall leider auch nicht die SPÖ, hat das geschafft. Wir aber haben das umgesetzt. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Welche Regierung hat die kalte Progression abgeschafft? – Die FPÖ wollte das auch immer, aber die FPÖ war in der Regierung und hat das nicht gemacht. Wir haben das gemacht. Das Einzige, das von der FPÖ-Regierung übrigbleibt, sind unnötige Polizeipferde und Ibiza. Das ist das, was von einer FPÖ-Regierung am Ende übrigbleibt, und das führt meistens von der Oppo­sitionsbank über die Regierungsbank zur Anklagebank. (Beifall bei Bundesrät:in­nen der Grünen. Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Wir haben die ökosoziale Steuerreform geschafft – da könnt ihr schimpfen, so viel ihr wollt. Mit all diesen Maßnahmen – und das haben alle Thinktanks, das haben alle auch euch nahe stehenden Thinktanks, das haben alle Expertinnen und Experten gesagt – wurde so viel entlastet wie noch nie in dieser Zweiten Republik. Wir haben das gemacht. (Beifall bei Bundesrät:innen von Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner: Klimabonus für Asylanten! – Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Es ist legitim, dass jede Partei auch für sich selbst – und natürlich unterscheiden sich da auch Grüne und ÖVP, so soll es ja auch sein – ihre Visionen für die Zukunft erzählt. Ich halte das sogar für sehr wichtig. Ich bin froh, dass es Par­teien gibt, die noch Visionen für die Zukunft entwickeln wollen und nicht nur im Spalten und im Schüren von Desinformation und im Gegeneinander-Ausspielen ihr Auslangen finden. (Bundesrat Steiner: Drei Jahre lang habt ihr das gemacht da herinnen, drei Jahre lang!)

Die Herausforderungen und die Auswirkungen der Klimakrise, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden keine Rücksicht darauf nehmen, wer wen wählt, sondern die wird uns dann alle treffen – egal ob man in der Stadt oder am Land lebt, egal


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ob man in den Alpen oder in den flachen Regionen des Burgenlandes (Bundesrat Steiner: Angstmache wie bei Corona! – Zwischenruf des Bundesrates Spanring) oder in den trockenen Ebenen des Burgenlandes lebt. (Bundesrat Steiner: Angst­mache wie bei Corona!)

Auch wir als Grüne haben eine Vision bis 2030 und weit darüber hinaus. Was wir in dieser Bundesregierung und, ja, auch darüber hinaus – wir alle wissen ja eh nicht, wie es irgendwann weitergehen wird, wir sind ja keine Propheten und Prophetinnen – in Österreich schaffen wollen, ist ein neues Klima (Bundesrat Steiner – erheitert –: Wie soll das gehen?): ein Klima der Vernunft, ein Klima der Zuversicht, auch der Liebe und des Mutes, und das nicht nur in unserer Natur, sondern auch in unserer Gesellschaft, in der es nötig ist, ein neues Klima zu schaffen.

Weil es für Glück positive Energie braucht, arbeiten wir gerne mit dieser positiven Energie, und wenn wir Windkraftausbau in Österreich vorantreiben wollen: Wo ein Wille, dort ein Windkraftwerk! Wir schaffen das! (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Das Schöne an sauberer und günstiger Energie ist ja auch, dass man damit den Despoten und Kriegstreibern dieser Welt den Geldhahn zudreht. Wenn es schon keinen Klimagrund gibt, das zu tun, dann ist es immer noch außenpolitisch gesehen ein guter Grund, sich von Öl und Gas unabhängig zu machen. Wir sind gerne der Motor für diese dringenden Ansätze in dieser Republik.

Erlauben Sie mir bitte schon noch ein Wort zum Thema Verbrennungsmotor zu sagen, immerhin war das doch in den Medien: Die Wirtschaft – und davon kann man wohl ausgehen – wird da eh viel schneller reagieren, als die Politik das je machen wird. Es wird kein Vorstandschef von VW, BMW, Mercedes, Renault oder wer auch immer zuschauen, wie die Politik da (Bundesrat Steiner: Alles partei­politisch!) diskutiert oder agiert. Die wissen ganz genau, mit welcher Technologie sie in der Zukunft Chancen haben werden und mit welcher nicht. (Bundesrat Spanring: Darum hat General Motors angekündigt, sie machen jetzt ...!) Die Techno­logien der Zukunft werden nicht Motoren sein, die das Klima schädigen, da


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können Sie ganz sicher sein. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesräte Obrecht und Schmid.)

Meine Damen und Herren, wenn wir wirklich das Beste für die Zukunft dieses wirklich großartigen Landes machen wollen – das Land, in das meine Eltern zugewandert sind und in das sie mich als Kind mitgenommen haben –, dann brauchen wir ein Land mit einem Wettbewerb der besten Ideen. Arbeiten wir gemeinsam mit Anstand und Respekt für die besten Lösungen – ja, manchmal matchen wir uns, aber das ist ja gut in einer Demokratie – auf demokrati­schem Boden, aber hören wir auf mit abstoßenden Schaukämpfen, die der Demo­kratie nur schaden! – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Bundesräte Schmid und Arlamovsky.)

17.12


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. – Bitte, Herr Kollege.


17.13.05

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vorsitzender! Frau Staatssekretärin! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen und hier im Saal! Als ich die Ankündigung betreffend Rede zur Zukunft von Herrn Nehammer erfahren habe, da habe ich mir gedacht: Boah, super, Herr Nehammer wird sich jetzt hinstellen und wird für zweieinhalb Jahre überzogene, evidenzlose Coronapolitik um Entschuldigung bitten und dann seinen Rückzug aus der Politik ankündigen. – Leider war es dann aber nicht so. Wir haben stattdessen viele abgedroschene Redewendungen, inhaltslose, leere Phrasen gehört. Wir haben heute schon vieles dazu gehört, aber ein Beispiel, das wir noch nicht gehört haben, ist folgendes: Ich glaube, wir müssen die Zukunft als das begreifen, was sie ist. – Also total tiefsinnig, fast schon philosophisch, aber in der Politik und für die Menschen in unserem Land völlig nutzlos und unbrauchbar. (Beifall bei der FPÖ.)


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Meine Damen und Herren, ich habe mir die Rede von Herrn Nehammer sogar drei Mal angehört. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Wirklich? – Wow-Rufe bei der ÖVP.) – Beruhigen Sie sich von der ÖVP: nicht insgesamt drei Mal, sondern auf drei Etappen, weil ich zwei Mal eingeschlafen bin; das war das Problem. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Köck: Überfordert!) Ich bin sicher nicht der Einzige, dem es so ergangen ist. Man muss eben diese Rede als das sehen, was sie war: Sie war eine ÖVP-Wahlkampfrede eines ÖVP-Obmannes ausschließlich vor ÖVP-Funktionären und ÖVP-Günstlingen. Was sie aber ganz sicher nicht war: eine Kanzlerrede an die Nation und an die Bürger Österreichs – das hat mir ja sogar Herr Kollege Schreuder von den Grünen mehrmals bestätigt. Das war die Rede eines ÖVP-Obmanns. Somit aber war die ganze Veranstaltung – und da muss mir Herr Kollege Schreuder jetzt zustimmen – wieder nichts anderes als eine missbräuchliche Verwendung von Steuergeldern. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Das hat die ÖVP gezahlt!)

Das kennen wir ja schon von der ÖVP: Erinnern Sie sich, da hat es einmal solche Fakeumfragen für die ÖVP gegeben, bezahlt aus dem ÖVP-geführten Finanz­ministerium (Zwischenrufe bei der ÖVP) – ja, ich weiß, ihr braucht nicht nervös zu werden, ÖVP (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ihr seids nervös! – Bundesrätin Miesenberger: Wir sind nicht nervös!), es gilt die Unschuldsvermutung (Zwischenruf des Bundesrates Krumböck), wir wissen es. (Beifall bei der FPÖ.) Nach der Rede von Herrn Nehammer muss ich Ihnen aber leider sagen: Es gilt nicht nur die Unschuldsvermutung, es gilt auch ganz klar die Unfähigkeitsvermutung. (Beifall bei der FPÖ.)

Was sich die Damen und Herren Österreicher jetzt nämlich verdient und mit Sicherheit auch erwartet hätten, das wären Lösungen und Antworten gewesen, und zwar auf die Frage, wie es jetzt im Jahr 2023 weitergehen soll. Doch was macht der Herr Kanzler? – Herr Nehammer stellt sich hin und schwadroniert über irgendwelche sinnbefreiten Fragen daher, ob es 2030 mehr Work oder mehr Life geben wird. Als ob das jetzt irgendjemanden in Österreich, der in Wahr­heit tagtäglich ums nackte Überleben kämpfen muss, weil am Ende des Geldes noch so viel Monat über ist, interessieren würde. Das ist das Problem und


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nicht, ob wir 2030 mehr Work oder mehr Life haben werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist ein generelles Problem dieser Regierung, aber allen voran natürlich der ÖVP, weil sie halt einmal der große Partner in dieser Regierung ist oder wäre. Die ÖVP regiert komplett an den Lebensrealitäten der Österreicher vorbei, und das wird sich auch nicht ändern, solange der Herr Kanzler den Kontakt mit der Bevölkerung meidet. Ganz ehrlich, ich verstehe aber seine Distanziertheit zur Bevölkerung, denn an seiner Stelle hätte ich auch Angst vor der eigenen Bevöl­kerung, immerhin hat er ihr ja die letzten drei Jahre genug angetan.

Diese schwarz-grüne Regierung hat keine Lösungen, sondern diese schwarz-grüne Regierung ist vielmehr Teil des Problems. Das Beste aus zwei Welten wurde uns versprochen, und das Schlechteste aus zwei Welten haben wir bekommen. Und wissen Sie, warum? Das geht jetzt ausschließlich an die ÖVP. – Weil – das haben wir heute schon gehört – die ÖVP Angst vor vorgezogenen Neuwahlen samt einer unausweichlichen Niederlage der ÖVP hat! Das wird kommen! Und wie ein Klimakleber sich am Asphalt festpickt, so pickt sich diese ÖVP jetzt an den Grünen fest, nämlich genau an jenen Grünen, die halt leider die Marodeure der europäischen Wirtschaft und somit auch des europäischen Wohlstands sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Dass es wirklich so ist, dass da der grüne Schwanz mit dem schwarzen Hund wackelt und nicht umgekehrt (Heiterkeit bei der FPÖ), hat man ja daran erkannt, dass Herr Nehammer sofort nach seiner Rede zum Herrn Vizekanzler musste und ihm dort ausgerichtet wurde, was Frau Maurer und Frau Gewessler ihm sagen wollten – und dann ist er zurückgerudert. Das war das Ergebnis von dem Ganzen.

Der Kanzler lässt sich also in Wahrheit von diesen Grünen am Nasenring durch die Manege ziehen und macht alles mit, was unseren Landsleuten tatsächlich massiv schadet: Da hätten wir einmal die utopische autofahrer­feindliche Klimapolitik über die Knieschusssanktionspolitik, die übrigens uns viel mehr schadet als Russland, bis hin zu einer Zuwanderungspolitik, die


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derzeit unsere Sozialtöpfe leert und uns zu Fremden im eigenen Land macht. All das hat die ÖVP jetzt mehr als drei Jahre lang mitgetragen, und jede Chance, unsere freiheitlichen Anträge im sogenannten koalitionsfreien Raum – das war eine Abmachung von Ihnen – umzusetzen, hat die ÖVP ausgeschlagen.

Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, dürfen heute nach drei Jahren mit Fug und Recht behaupten, dass Sie die schwarz-türkisen Marionetten der Grünen sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn jetzt das passiert, wovor die Schwarzen Angst haben, nämlich dass die Grünen in der Regierung tatsächlich die Fäden kappen, indem sie die Regierung auflösen, dann klappt Herr Nehammer wie der Pinocchio in einem Puppen­theater zusammen.

Mich würde wirklich interessieren, ob Herr Nehammer sich bei seiner eigenen Rede zugehört hat, denn wenn er das gemacht hat, hat er eines erkannt: Er hat in seiner Rede nichts anderes erklärt, als dass all das, was wir Freiheitliche seit Jahren sagen und fordern, das Richtige ist, der richtige Weg ist. Er hat sich ein­fach in einer Copy-and-paste-Manier hingestellt und das wiedergegeben, was wir Freiheitliche in den letzten Jahren – oder überhaupt schon viel länger – sagen. Guten Morgen, Herr Nehammer! Guten Morgen, kann man da nur sagen, nur – und das ist es! – ich glaube ihm ganz einfach nicht. Ich glaube ihm nicht, wenn er das jetzt auf einmal macht, und genau deshalb muss ich auch in genau dieser Deutlichkeit sagen: Das ist die typische Politik der ÖVP! Das ist falsch und das ist unglaubwürdig, deshalb habe ich vorhin auch von Pinocchio gesprochen. Der Kanzler hat nur Glück, dass seine Nase nicht jedes Mal wächst. Sie wissen, was ich meine. (Beifall bei der FPÖ.)

Warum, meine Damen und Herren, macht Herr Nehammer das alles? Weil ihm auf einmal unsere freiheitlichen Werte wichtig sind? Nein, mitnichten! Wissen Sie, warum er es macht? Weil die Wahlergebnisse und die Umfragen zeigen, dass die FPÖ massiv im Auf- und die ÖVP massiv im Abwind ist. (Beifall bei der FPÖ.)


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Jetzt versucht die ÖVP genau dasselbe perfide Spiel, das sie bereits 2015 unter Sebastian Kurz gespielt hat. Nehammer versucht sich politisch vom Saulus zum Paulus zu wandeln, aber natürlich nicht ernsthaft, sondern nur äußerlich. Wir erinnern uns, wie das unter Kurz war. Er hat gesagt, der durchschnittliche Zuwanderer sei intelligenter als der durchschnittliche Österreicher, nur um einige Wochen später den ganz harten Asylmacker raushängen zu lassen und einen harten Asylkurs einzuschlagen. Wobei „einzuschlagen“ das falsche Wort ist: vorzutäuschen, denn er hat es nämlich nur vorgetäuscht. Das bringt es auf den Punkt. Die Bevölkerung täuschen – das kann die ÖVP sehr gut.

Einmal hat das Ganze ja auch funktioniert und Hunderttausende Österreicher haben der ÖVP dafür auch ihre Stimme gegeben. Jene, die der ÖVP damals ihre Stimme gegeben haben, mussten dann eine schwarz-grüne Regierung erleben, durch die sie im Jahr 2022 in Sachen unkontrollierter Zuwanderung mit einer schlimmeren Lage als im Jahr 2015 konfrontiert waren. Das Gute daran ist, jetzt glaubt Ihnen niemand mehr. Sie können sich zehnmal ganz überzeugend hier herausstellen – egal ob das die Frau Staatssekretär ist, ob das Herr Kollege Kornhäusl ist – und sagen: Das sind unsere Werte! Nein, meine Damen und Herren von der ÖVP, Sie haben keine Werte! Sie haben keine Werte! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Bundesrätinnen Schumann, Grossmann und Hahn.)

Die einzigen Werte, die die ÖVP hat: Die ÖVP würde alles, wirklich alles tun, um die Wählerstimmen zu maximieren und möglichst lange an der Macht zu bleiben. (Bundesrätin Gruber-Pruner: Ihr helft ihnen ja dabei!) Ob das einmal ganz links, einmal ganz rechts, einmal oben, einmal unten ist, ist völlig egal. Diese ÖVP würde alles tun! (Beifall bei der FPÖ.)

Weiter zur Glaubwürdigkeit der ÖVP: Vor Kurzem haben Sie uns erklärt, dass die Asylzahlen 2023 gesunken sind. Das stimmt ja gar nicht! Vergleichen Sie Jänner und Februar 2022 mit Jänner und Februar 2023: Die Asylzahlen sind gestiegen. Es ist natürlich klar, dass es nach einem Rekordjahr, nach Oktober, November, Dezember, im Jänner dann aufgrund der Witterung weniger wird, aber das ist halt wieder ein Vortäuschen. Täuschen kann Herr Nehammer. Wie wir vorhin


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von Kollegen Ofner gehört haben, wird er auch nicht umsonst von den öster­reichischen Kabarettisten als Schmähhammer bezeichnet. Das kommt ja nicht von irgendwo. Sogar die Kabarettisten in unserem Land haben überzuckert, dass er immer nur vortäuscht.

Ich kann Ihnen auch ein ganz aktuelles Beispiel aus seiner Rede bringen. Er hat ja angekündigt, dass er sich in der EU dafür einsetzen wird, dass das Verbren­nungsmotorenaus blockiert wird. Erstens soll er dann gleich einmal seinen Kollegen Karas zurechtweisen, denn der hat nämlich im EU-Parlament schon dafür gestimmt. Zweitens haben wir gestern bereits die Probe aufs Exempel gemacht. Wir haben gestern im EU-Ausschuss einen Antrag auf Stellungnahme eingebracht, um Nehammers angebliches neues Ansinnen zu unterstützen.

Der Antrag lautete: Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf europä­ischer Ebene gegen das von der Europäischen Kommission forcierte Verbot von Benzin- und Dieselfahrzeugen zu positionieren. – Was war das Ergebnis? Alle acht anwesenden ÖVP-Bundesräte haben gegen diesen Antrag gestimmt. Jetzt frage ich mich: Wie kann das sein? Hat Herr Nehammer seine eigenen Leute nicht unter Kontrolle – so, wie das bei der SPÖ der Fall ist? (Beifall bei der FPÖ.) Die zweite Möglichkeit ist: Die ÖVP-Bundesräte sind bei der Rede von Herrn Nehammer ebenfalls eingeschlafen und haben gar nicht mitgekriegt, dass er das gesagt hat. Auch das ist möglich. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.) Oder – und das ist die wahrscheinlichste Möglichkeit – es war wieder nur eine Täuschung, weil Herr Kanzler Nehammer auf Wählerfang unterwegs war.

Was kann Herr Kanzler Nehammer noch? – Steuergeld vernichten, auch das hat er während Corona oftmals bewiesen. Knapp 5 Milliarden Euro haben Herr Nehammer und seine Regierung für Coronatests ausgegeben, die in Wahrheit genau gar nichts gebracht haben, außer dass sich einige gute ÖVP-Freunde finanziell ein goldenes Naserl verdient haben. Millionen von Impfdosen wurden und werden verschenkt beziehungsweise vernichtet, wie wir heute schon gehört haben, weil sie in Wahrheit keiner mehr will.


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Passend dazu hat Herr Nehammer noch etwas in seiner Rede angesprochen: Herr Nehammer hat erklärt, dass er sehr, sehr, sehr, sehr, sehr viel Geld in die Hand genommen hat, um unsere Gasspeicher wieder zu füllen – natürlich nicht sein Geld, sondern das Geld der österreichischen Steuerzahler –, um genau zu sein, 4 Milliarden Euro, und das in einer Zeit, in der der Gaspreis so hoch war wie nie zuvor.

Zuerst hat der Herr Kanzler zugelassen, dass unsere Gasvorräte sträflich geplün­dert werden. Dazu muss man wissen, dass die Erdgasspeicher in Österreich im November 2020 noch zu 96 Prozent gefüllt waren. 2021 hat es diese Regierung dann für nicht so wichtig gehalten. Da kann Herr Gross schon erzählen, dass das die Gazprom oder sonst irgendwer war. Nein, nein, das war die Frau Gewessler, die hat das verbockt! Damals, und zwar war das Ende Oktober, hat man als Höchststand überhaupt nur mehr 76 Prozent verzeichnet. Dann ist der Winter gekommen, und zu Kriegsbeginn, am 24. Februar 2022, haben wir überhaupt nur mehr 20 Prozent Reserve gehabt. Das, meine Damen und Herren, ist grob fahrlässig. Das ist nicht die Schuld von irgendwem, sondern das ist die Schuld von dieser schwarz-grünen Regierung. Auch das haben Sie wieder verbockt. (Beifall bei der FPÖ.)

Was hat diese Regierung dann gemacht? – Diese Regierung hat zu einem histo­rischen Höchstpreis von ungefähr 350 Euro pro Megawattstunde Gas ein­gekauft. Ich weiß nicht, wer von Ihnen es weiß, wie hoch der aktuelle Preis ist. Am 3.3. war er auf 46 Euro pro Megawattstunde, auch heute ist er unter 50 Euro, vor Kriegsbeginn war er zwischen 10 und 20 Euro. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Wenn wir es nicht gemacht hätten, wäre auch wieder was falsch gewesen!)

Wenn man das umrechnet, kann man sagen, dass die Regierung knapp 3,2 Mil­liarden Euro von diesen 4 Milliarden Euro, die ausgegeben wurden, gleich wieder vernichtet hat. Ein Milliardengrab! Es ist aber nicht so tragisch, es ist ja nur das Geld der Steuerzahler oder, um es auch im ÖVP-Sprech zu sagen, es ist ja nur das Geld vom Pöbel – und außerdem gilt die Unschuldsvermutung. Eines kann


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man nach dieser Aktion sagen: Dass die Unfähigkeitsvermutung gilt, haben Sie spätestens damit unter Beweis gestellt. (Beifall bei der FPÖ.)

Wie kam es dazu? – Es wurde das Credo ausgegeben, man muss unbedingt aus dem russischen Gas aussteigen, obwohl die Russen weiter geliefert haben. Dann kam es zu Hamsterkäufen, Engpässen, und der Preis ist durch die Decke geschossen. Genau dann hat unsere Regierung das Gas gekauft. Natürlich war unsere Regierung samt SPÖ und NEOS auch bei der Knieschusspolitik der Europäischen Union mit dabei. Wir in Österreich bluten dank hoher Inflation finanziell aus, und die Russen, die Sanktionierten, machen einen Handelsüber­schuss von 311 Milliarden Euro, wie wir gerade gehört haben. Man kann also mit Fug und Recht behaupten: eine Meisterleistung an Unfähigkeit. Ich bin mir aber auch da wieder ziemlich sicher, dass einige gute Freunde ziemlich gut mitkassiert haben. Auf der anderen Seite hat der Steuerzahler gebrannt wie ein Luster. Genauso, wie es beim Gas sogenannte Kriegsgewinnler gibt, ist es auch beim Strom und beim Treibstoff. Auch da schafft es diese Regierung nicht, für Stabi­lität und leistbare Preise zu sorgen. Nicht 2030 ist interessant, 2023 ist interessant, Frau Staatssekretärin! (Beifall bei der FPÖ.)

All das ist nur ein kleiner Auszug von dem, was diese Regierung den Öster­reichern in den letzten Jahren angetan hat. Um es mit den Worten der ÖVP zu formulieren: Genug ist genug! – Der Kanzler als Primus inter Pares trägt natürlich die Hauptschuld am Versagen dieser Regierung. Deshalb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rücktritt der Bundesregierung“

Der Bundesrat wolle beschließen:


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„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, im Interesse Österreichs, dem Bundespräsidenten seinen Rücktritt und den der Bundesregierung anzubieten.“

*****

Ich hoffe natürlich, dass wir da viel Unterstützung erhalten.

Zum Abschluss meiner Rede habe ich noch eine kleine Tafel mitgebracht. Sie werden sich erinnern können. (Der Redner hält eine Tafel mit der Aufschrift „Kurz muss weg“ in die Höhe, wobei die Buchstabenfolge „urz“ durchgestrichen und mit der Buchstabenfolge „arl“ überschrieben ist.) Wir hatten immer diese Kurz-muss-weg-Aufkleber, -Sticker und -Tafeln. Man kann jetzt daran glauben oder nicht, aber wir haben es geschafft: Kurz ist Geschichte. – Da das so gut passt, haben wir jetzt einfach „Kurz“ gestrichen und daraus „Karl“ gemacht. Vielleicht funktioniert es auch mit der Tafel, dass der Karl dann weg ist. Bekanntlich wissen wir ja: Die Hoffnung stirbt zuletzt. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Miesenberger: Überschätzt euch nicht! – Bundesrat Schreuder: Man kann auch „Kickl“ schreiben! – Heiterkeit der Bundesrätin Schumann.)

17.32


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Der von den Bundesräten Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Rücktritt der Bundesregierung“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Frau Kollegin Miesenberger. – Bitte.


17.32.40

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher hier und vor den Bildschirmen! Eigentlich, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, sollten wir uns bei Ihnen für die Möglichkeit bedanken, hier die Zukunftsrede unseres Bundesparteiobmanns Karl Nehammer nochmals zu


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kommunizieren (Bundesrat Steiner: Das habt ihr aber bis jetzt nicht genutzt! Dann müsst ihr das auch umsetzen!), weil die im Gegensatz zu Ihnen und zu den Aussagen der FPÖ hier im Plenum inhaltlich nämlich auch Visionen und Lösun­gen zu bieten hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn Sie jetzt hier in dieser Dringlichen Anfrage schon mit faulen Zitaten um sich schlagen, möchte ich Ihnen ein Zitat nicht vorenthalten, das nämlich unser Verständnis und das Verständnis unseres Herrn Bundeskanzlers am besten beschreibt: Die Mutigen von heute bereiten die Handlungen von morgen vor. (Bundesrat Ofner: Ja, und zehn Jahre sind wieder vorbei!)

Man sieht heute anhand dieser Dringlichen Anfrage, dass die Zukunftsrede unseres Herrn Bundeskanzlers auch wahrgenommen wurde. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Wie so oft habt ihr, liebe Freiheitliche, aber leider vieles nicht oder falsch verstanden, oder ihr wollt es nicht verstehen. (Bundesrat Ofner: Nein, er hat es nicht besser können!) Vielleicht ist auch die Nervosität bei der FPÖ im Steigen. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Mit Mut und Zuversicht in die Zukunft: Das waren die Hauptbotschaften seiner Rede über die Zukunft Österreichs, die er als Bundesparteiobmann der Volkspartei an die Menschen in Österreich adressiert hat – genau diese Aus­sagen, diese Botschaften, diese Statements, die für uns als Volkspartei nicht nur Wertvorstellungen, sondern klare Ansagen für die Zukunft sind.

Die ÖVP und der Herr Bundeskanzler haben, wie wir schon gehört haben, in Zeiten multipler Krisen Regierungsverantwortung übernommen – Krisen wie einer weltweiten Pandemie, deren Auswirkungen bis jetzt spürbar waren (Bundesrat Ofner: Ja, finanziell!) –, in einer Zeit – er war gerade 80 Tage im Amt –, als am Rande Europas ein Krieg ausgebrochen ist, mit wirtschaftlichen Auswirkungen, einer Teuerung, wie wir sie Jahrzehnte nicht erlebt haben, einer Versorgungskrise und Unsicherheit darüber, wie wir in Österreich ohne den gewohnten Lieferanten unsere Energie- und Gasreserven anlegen.


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Eine weitere Herausforderung kam dadurch auf ihn zu, dass sich gerade wegen geopolitischer Verwerfungen wieder zunehmend mehr Menschen auf den Weg nach Europa und über die Grenzen Österreichs gemacht haben.

Trotzdem sind bis heute neben den aktuellen Themen viele Themen – weit über 1 300 Beschlüsse aus dem aktuellen Regierungsprogramm – abgearbeitet worden. Wir haben es schon gehört: die Abschaffung der kalten Progression, die Steuerreform, die Pflegereform – also wirklich wichtige Dinge.

Zu Beginn der Rede ging unser Bundeskanzler auf die derzeitige Lage in unserem Land ein und scheute sich auch nicht, Vergangenes zu bewerten. Es zeigt meiner Meinung nach auch die Größe eines politischen Verantwor­tungsträgers, zu reflektieren: Was wurde in der Vergangenheit gut gemacht? Was ist vielleicht weniger gut gelaufen? Wichtig dabei ist aber: Welche Lehren wurden daraus gezogen?

Viele Menschen in unserem Land – auch die Medien – haben die Rede des Bundeskanzlers sehr aufmerksam verfolgt (Bundesrat Ofner: Die werden ja dafür bezahlt!) – ja, natürlich auch Sie, geschätzte FPÖ. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Es waren viele erhoffte Aussagen und Botschaften dabei, die vielen Bürgerinnen und Bürgern aus der Seele gesprochen haben.

Dazu möchte ich einige Schwerpunkte herausgreifen, die sehr wichtig sind, wenn es um die Zukunft Österreichs geht. Mein Kollege Bundesrat Kornhäusl hat schon das Thema Arbeit angesprochen. Arbeit muss sich in Österreich lohnen. Dazu gehören für mich auch die Themen Bildung, berufliche Ausbildung und – besonders für Frauen und Familien – die Unterstützung bei der Kinderbetreuung.

Unsere Familien, Mütter und Väter brauchen keine Vorschriften bei der Betreu­ung ihrer Kinder, dafür aber Hilfestellungen, Angebote und Rahmen­bedingun­gen, die ihnen die notwendige Flexibilität geben, um die beruflichen Pflichten und die Betreuung ihrer Kinder unter einen Hut zu bringen. Die Familie ist die


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kleinste Einheit und die Keimzelle unserer Gesellschaft. Somit sind die Familien, die Erziehung und die Betreuung unserer Kinder die Basis für die Erwachsenen von morgen, die in unserem Land sinnerfüllt leben und arbeiten wollen.

Ein weiteres Thema ist auch die Digitalisierung. Sie schreitet dahin. Für unsere Kinder und Jugendlichen ist sie selbstverständlich, denn sie sind damit aufgewachsen. Sie sind diejenigen, die die Digitalisierung auch weiterentwickeln und sie sich – für uns als Menschen – auch zunutze machen. Daher gibt es auch den Plan unseres Herrn Bundeskanzlers, zum Beispiel Programmierung und Coding bereits in den Sekundarstufen einzuführen. (Beifall bei der ÖVP.)

Onlinemedien und soziale Medien gehen Hand in Hand mit Fakenews. Junge Menschen zu sensibilisieren, wie sie mit Medien umgehen und wie sie seriöse Medien filtern sollen, ist nämlich wichtiger denn je.

Österreichs Wirtschaft ist entgegen allen Behauptungen der Freiheitlichen gut durch die Krisen gekommen. Die Unternehmen suchen händeringend nach Fach- und Arbeitskräften. Das Handwerk und die Lehre haben wieder an Bedeutung gewonnen. Es sind wertvolle Berufsbilder für die Zukunft, gerade für die Jungen. Daher begrüßen wir auch den Vorstoß unseres Kanzlers, den Zugang zum Meister genauso wie das Studium für jedermann und jedefrau zugänglich zu machen. Das ist eine wirklich großartige Aufwertung der Meister­ausbildung.

Abschließend möchte ich – das wird Sie jetzt nicht verwundern – auch noch die Landwirtschaft als Zukunftsthema hervorheben. Nicht erst seit den letzten Krisen ist uns der Wert der Versorgung mit heimischen Lebensmitteln bewusst geworden. Doch ist das auch in Zukunft gesichert? Bürokratische Hürden und Auflagen machen es den Bäuerinnen und Bauern immer schwerer, kosten­deckend zu wirtschaften. Nur die Freude an der Arbeit sichert nicht unsere kleinen bäuerlichen Familienbetriebe. Überzogene Forderungen aus beschließenden europäischen Gremien sind Fehlentwicklungen und müssen auch wieder zurück­genommen werden.


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Ich persönlich und auch die Landwirtschaft sowie die Bäuerinnen und Bauern sind froh über diese klaren Ansagen, Aussagen und auch Bekenntnisse unseres Bundeskanzlers zur österreichischen Landwirtschaft, die uns als Bäuerinnen und Bauern auch wieder Hoffnung machen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, besonders von der FPÖ, es ist nicht sinnvoll, den Menschen Angst zu machen – so wie Sie das tun –, sondern es ist sinnvoll, ihnen in schwierigen Zeiten Orientierung und vor allem Mut und Zuversicht zu geben. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Ofner.) Ja, und genau das dürfen Sie durchaus – vielleicht auch neidvoll – eingestehen (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Ofner): Das ist unserem Herrn Bundes­kanzler Karl Nehammer mit seiner Rede zur Zukunft Österreichs auch ganz gut gelungen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Ofner.)

17.40


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Doris Hahn. – Bitte, Frau Kollegin.


17.40.39

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause, von denen womöglich doch noch der eine oder andere via Livestream die Sitzung mitverfolgt! Ich muss sagen, diese Dringliche Anfrage der FPÖ hat schon einen gewissen Skurrilitäts- und Komikfaktor, sie hat manchmal schon ein bisschen etwas von Tschauner Bühne – besonders wenn ich den Redebeitrag von Kollegen Spanring noch einmal für mich selbst repliziere.

Auf der einen Seite – ich meine, ich komme aus Niederösterreich, Kollege Spanring sollte das sogar noch besser wissen als ich – wird dort gerade heftigst mit der ÖVP geflirtet. (Bundesrätin Schartel: Ja, weil ihr es ...!) Man hat ver­nom­men, es soll keine Liebesheirat sein (Zwischenruf des Bundesrates Ofner), aber es gibt doch Koalitionsverhandlungen, die offensichtlich schon einigermaßen weit


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fortgeschritten sind. Auf der anderen Seite gibt es nun allerdings diese Dringliche Anfrage, durchaus mit dem einen oder anderen Anpatzversuch der FPÖ in Richtung ÖVP. Es wirkt ein bisschen wie ein patscherter Flirtversuch eines pubertierenden Dreizehnjährigen, muss man sagen – aber okay. (Beifall bei der SPÖ.)

Als Niederösterreicherin muss man ja auch noch dazusagen, dass sich die FPÖ ganz offensichtlich immer wieder wie ein Fähnchen im Wind dreht, also wie man es gerade braucht (Bundesrätin Steiner-Wieser: ... das ist ein Schmarrn!) und wie es einem in den Kram passt. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der FPÖ.)

Ich darf dann nur noch an ein paar Dinge erinnern (Bundesrätin Schumann: Na, nicht lustig ... nicht geht!), die da in den letzten Jahren so passiert sind. Die Herren und Damen von der FPÖ sollten vielleicht noch einmal zuhören, falls sie es wieder vergessen haben. Da bezeichnet zum Beispiel ein gewisser Herr Udo Landbauer – auch nicht niemand in der FPÖ – Landeshauptfrau Mikl-Leitner erst im Jänner dieses Jahres als „sozialpolitischen Eiskasten“. Wer die ÖVP wählt, wähle „Asylchaos, Korruption und Preisexplosion“, hat es damals geheißen. (Zwi­schenruf des Bundesrates Ofner. – Bundesrätin Schumann: Genau!)

Man hat damals seitens der FPÖ betont, das schwarze Netzwerk aus Korruption, Machtmissbrauch und Postenschacher gehöre zerschlagen – gut, okay. Auf der anderen Seite und fast zeitgleich gibt es Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP. Glaubwürdig ist das nicht, aber gut, das müsst ihr selber wissen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Ofner.)

Beim Thema Glaubwürdigkeit bin ich aber gleich bei der ÖVP, denn wir erinnern uns auch noch an die FPÖ Niederösterreich, die damals – auch bereits mit Udo Landbauer an der Spitze – Landeshauptfrau Mikl-Leitner als „Moslem-Mama“ diffamierte. Plötzlich ist, siehe da, alles wieder vergessen, alle Diffamierungen gab es nie, eitel Wonne zwischen ÖVP und FPÖ. Man spekuliert also nun über eine Koalition.


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Langsam habe ich das Gefühl, man muss sich bei den Blauen dann doch entscheiden: Seid ihr nun für die ÖVP und wollt ihr vor allen Dingen bei einer kommenden Regierungsbildung dann vielleicht doch den Steigbügelhalter machen (Zwischenruf des Bundesrates Ofner – Ruf bei der SPÖ: Genau!) oder seid ihr gegen die ÖVP und bleibt ihr einfach in der Opposition? (Beifall bei der SPÖ.)

Gut, die ÖVP spielt auch mit. So schnell kann man gar nicht schauen, und aus blau-gelb wird in Niederösterreich plötzlich blau, und traurigerweise nimmt man auch diverse braune Flecken in Kauf. Wir erinnern uns an diverse Liederbuch­affären und Bilder mit erhobenem ausgestrecktem Arm (Bundesrat Ofner: Na, ihr seid’s peinlich!) – aber gut.

Nun allerdings zur Rede zur Nation: Einige Aussagen und Ausführungen des Kanzlers sind aus meiner Sicht nicht nur beim ersten Zuhören, sondern auch bei näherer Betrachtung in ihren Auswirkungen mehr als befremdlich, muss man sagen. Sie werfen mehr Fragen auf, als sie Antworten geben. Schauen wir uns die Rede noch einmal im Detail an!

Ich möchte nur ein paar Punkte herausgreifen: Was der Kanzler da zum Beispiel zur Kinderbetreuung sagt, ist aus meiner Sicht wirklich hochinteressant. Ich habe mir da ein Zitat herausgesucht, da hat er gemeint, die Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr muss bis 2030 in Österreich ausgebaut und möglich gemacht werden. Schau, schau, was muss ich da hören? Wissen Sie, warum ich das so hochinteressant finde? – Nämlich genau das, der Ausbau der Kinderbetreuung ab dem ersten Geburtstag, ist eine dieser fünf Forderungen der SPÖ Nieder­öster­reich in den Koalitionsverhandlungen gewesen. Wie wir wissen, hat die ÖVP diese abgebrochen, weil sie gemeint hat, das ist standortschädlich. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Krumböck.) Darum koaliert man lieber mit der FPÖ. (Bundesrat Krumböck: Das stimmt ja nicht!) Das muss man einmal verstehen und sich auf der Zunge zergehen lassen.


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Schauen wir zum nächsten Punkt, der mir da ins Auge gestochen ist! Zum Thema Bildung sagt der Kanzler Folgendes: „Wir alle wollen Schulen, die ein Ort der Bildung, des Wissens sind, aber bitte nicht des Brennpunkts. Wir wollen Schulen, die auf das Leben vorbereiten und nicht auf Arbeitslosigkeit“, und so weiter und so fort. Das klingt sensationell, aber wenn man sich die Realität in Österreich anschaut (Zwischenruf des Bundesrates Krumböck) – und das weiß der Kanzler mindestens so gut wie wir alle hier drinnen, das hoffe ich zumindest –, sieht man: In keinem anderen EU-Land hängt der Bildungserfolg so stark wie in Öster­reich davon ab, welche Eltern man hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Das heißt, ein Kind, dessen Eltern wenig Geld und eine geringe Bildung haben, hat deshalb weniger Chancen. Es steht vor einer Riesenherausforderung, wenn es einen erfolgreichen Bildungsweg gehen möchte, und seine Potenziale spielen im Vergleich eine viel zu geringe Rolle – und es kann diesen Startnachteil im Verlauf seines Lebens niemals ausgleichen, zum Beispiel im Vergleich zu Akade­mikerkindern, die das sehr wohl tun können.

Wir erinnern uns, nur 7 Prozent aller Kinder von Eltern mit Pflichtschulabschluss können einen Studienabschluss bewältigen. Ich würde mich fragen, ob der Bundeskanzler sich auch dessen bewusst ist, denn Sie haben es in Wahrheit in der Hand. Das vergisst er offensichtlich ganz bewusst – oder auch unbewusst; man weiß es nicht. Sie könnten das mit Ihren Regierungsmitgliedern, auch mit den Grünen gemeinsam, ändern, wenn Sie es wollten. Das machen Sie aber offensichtlich nicht, ganz im Gegenteil: Sie zementieren auch diese Tatsache mit vielen, vielen kleineren und größeren Bausteinen ein – auf der einen Seite mit Tun, aber auf der anderen Seite auch mit viel Nichtstun.

Nun wird uns das neue Unterrichtsfach Programmieren als das große Rettungs­programm verkauft. Da würde ich der Frau Staatssekretärin und dem Herrn Bundeskanzler einmal vorschlagen, einen Blick ins Schulorganisationsgesetz, ins Schulunterrichtsgesetz, in die neuen Lehrpläne, die ja noch nicht allzu alt sind, in die Stundentafeln, in die Stundenpläne und auch in die Curricula der Fachhoch­schulen und der Universitäten zu werfen.


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Wir wissen nämlich, es werden mittlerweile überall Unterrichtsstunden gekürzt, es fehlen an allen Ecken und Enden Lehrkräfte, und da soll nun plötzlich zusätzlich noch ein neues Fach dazukommen, für das es in Wahrheit eigentlich auch gar keine Lehrkräfte und gar keinen Lehrplan gibt – na, das klingt nach einem Plan!

Ich glaube, es braucht ganz eindeutig kein zusätzliches Lehrfach, sondern eine ganz grundsätzliche Systemänderung in unserem Bildungssystem. Es braucht ein gerechtes Bildungssystem, davon sind wir meilenweit entfernt (Beifall bei der SPÖ), und da wird uns auch ein Fach Robotics oder Programmieren nicht helfen – und das sage sogar ich als Lehrerin, die dieses Fach selbst unterrichtet.

Ein weiterer interessanter Punkt war für mich der Bereich Gesundheit. Da spricht der Herr Kanzler von langen Wartezeiten bei Operationen oder Unter­suchungen – ja, das ist richtig –, von einem Mangel an Kassenärzten und von rund 800 Kassenärzten, die bis 2030 fehlen. Ja, das stimmt alles. Die Situation in Österreich ist durchaus besorgniserregend und geht immer mehr in Richtung Zwei- oder Mehrklassenmedizin.

Spannend ist, dass in dieser Rede zur Nation zum Beispiel von mehr Studien­plätzen, die wir brauchen, und von einer Berufspflicht für fertig ausgebildete Ärztinnen und Ärzte gesprochen wird. Da kann man beinahe den Eindruck bekommen, Sie haben da Teile des SPÖ-Niederösterreich-Programms abge­schrieben, das noch gar nicht so alt ist. Als das die SPÖ Niederösterreich gefordert hat, war es aber für die ÖVP nicht treffsicher. Wir reden das Land schlecht, hat es da geheißen. Plötzlich, weil es Herr Nehammer sagt, ist es nun auf einmal richtig. Gut, das muss man auch nicht verstehen – aber sei’s drum. (Beifall bei der SPÖ.)

Dann gibt es noch diverse Aussagen zur Klimakrise, der Kanzler spricht von „Untergangsapokalypse“ und von „Untergangsmythen“, für die es „keinen wissenschaftlichen“ Beweis gäbe. – Ganz ehrlich, das ist eines Bundeskanzlers von Österreich nicht würdig. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)


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Kollege Bundesrat Schmid hat das heute auch schon angeführt. Anscheinend haben sich die Klimakrise und all das, was damit zu tun hat, all die Folgen, die damit zusammenhängen, auch jene für die Menschen, noch nicht bis zur ÖVP und bis ins Bundeskanzleramt herumgesprochen. Sind das Wetter und das Klima im Bundeskanzleramt anders als in Restösterreich oder in Resteuropa? – Man weiß es nicht.

Der spannendste Satz der gesamten Rede ist aus meiner Sicht aber der folgende, und ich muss sagen, dass der Kanzler damit vermutlich, wenn auch nicht ganz freiwillig und wohl unbewusst, einmal die Wahrheit gesagt hat: „Die einen arbei­ten fürs Geld, die anderen bekommen das Geld.“ – Das ist leider die traurige Realität in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

Warum sage ich das? – Es gibt in Österreich fast 4,5 Millionen erwerbstätige Menschen, die täglich arbeiten gehen, die hart arbeiten, um sich ein gutes Leben aufbauen zu können, und die damit auch noch einen Riesenanteil des Steuer­aufkommens in Österreich – nämlich immerhin 80 Prozent – erbringen. Das wahre Geld bekommen in Österreich aber nicht die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern zum Beispiel eine ganz spezielle Personengruppe, näm­lich die Spenderinnen und Spender der ÖVP.

Und dann gibt es noch eine Personengruppe, die besonders profitiert, nämlich diverse Millionen- und Milliardenerbinnen und -erben, für die Sie, liebe ÖVP, sich ja nach Kräften einsetzen (Zwischenrufe der Bundesrät:innen Grimling, Schumann und Reisinger) und für die Sie sich weiterhin weigern, auch nur über den geringsten Hauch einer Vermögensteuer nachzudenken. Dabei wäre genau das jetzt, in einer Teuerungskrise, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen haben, die wahre Gerechtigkeitsfrage. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler – und leider ist da auch die Frau Staatssekretärin um keinen Deut besser –, Sie halten es da ja eher mit Marie-Antoinette: Wenn sich die Menschen kein Brot leisten können, dann sollen sie sich doch einen Kuchen kaufen. (Ruf bei der ÖVP: Das hat sie nicht gesagt!) So oder ähnlich könnte man


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das jetzt auch formulieren, wenn es um das Thema Eigentum geht, das der Herr Kanzler immer wieder forcieren möchte.

Frau Staatssekretärin, Sie sind in Vertretung des Herrn Bundeskanzlers hier, und ich lade Sie sehr gerne dazu ein, in meinen Heimatbezirk Tulln zu kommen. Ich kenne nicht viele Jugendliche, die sich zum Beispiel in Klosterneuburg ein Grund­stück um 750 000 Euro pro Quadratmeter oder noch mehr leisten können. Ich kenne nicht viele Jugendliche, die sich in Tulln eine Eigentumswohnung leisten können, bei der 70 000, 80 000, 90 000, 100 000 Euro an Eigenkapital nötig sind. Ich kenne nicht viele Jugendliche, die ungeschaut einen Kredit über 400 000 oder 500 000 Euro für die nächsten 60, 70 oder mehr Jahre aufnehmen können, um ein Haus oder eine Wohnung als Eigentum zu finanzieren. Ich lade Sie gerne ein, sich das einmal genauer anzuschauen.

Zusammengefasst: Der Kanzler hat viel gesprochen und in Wahrheit wenig gesagt. Von Visionen für die Zukunft, die diesen Namen auch tatsächlich verdienen, hat man nichts gehört, diese bleiben Sie uns schuldig, muss man sagen.

An dieser Stelle möchte ich allen ausscheidenden Bundesrätinnen und Bundes­räten für ihre Tätigkeit und ihr Engagement Danke sagen. Alles Gute für das weitere, vielleicht ein bisschen weniger politische Leben, und alles Gute auch für das weitere – wenn ich zum Beispiel an Eva Prischl denke – noch politischere Leben! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Zwazl. – Bundes­rätin Zwazl: Danke!)

17.54


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Kollegin.


17.54.43

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Vizepräsident! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir Freiheitliche hätten Herrn Kanzler Nehammer heute ja zu einer Dringlichen Anfrage eingeladen (Ruf bei der SPÖ: Ja, das wissen wir schon!), aber anscheinend traut er sich nicht mehr, im Bundesrat etwas heiklere Fragen zu beantworten. Das finde ich


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sehr schade. Von einem Bundeskanzler würde man sich ein bisschen mehr Mut erwarten. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir schreiben das Jahr 2023, und der Bundeskanzler – oder vielleicht war er doch in seiner Funktion als Bundesobmann, so genau weiß man das nicht – hat eine Rede zur Zukunft der Nation gehalten, oder aber eine Rede vor seinen Parteimitgliedern. Auf jeden Fall ging es um Visionen für das Jahr 2030, und warum er das gemacht hat, weiß kein Mensch, denn die Probleme brennen den Menschen ja jetzt unter den Nägeln. (Beifall bei der FPÖ.)

In dieser Rede, sei es als Bundesobmann oder als Bundeskanzler, hat er gesagt, dass er das Unmögliche möglich gemacht hat. Und da muss ich dem Bundes­kanzler leider Gottes sogar zustimmen, denn durch die verfehlte schwarz-grüne Politik der letzten Jahre erkennt man Österreich wirklich schon fast nicht mehr wieder. Dass er das Unmögliche möglich gemacht hat, meine ich somit im negativen Sinn.

Wenn der Bundeskanzler weiter von Zukunftsvisionen für 2030 spricht, dann wird mir ganz mulmig. Denn wenn ich mir die Negativbilanz der in den letzten Jahren von der schwarz-grünen Bundesregierung geleisteten Arbeit anschaue, dann – ehrlich und offen – traue ich den handelnden Personen nicht einmal für die nächsten 2 Stunden irgendetwas zu (Beifall bei der FPÖ), geschweige denn dass ich ihnen zutraue, dass sie dieses Land bis 2030 in eine positive Zukunft führen.

Es hat wirklich niemand für möglich gehalten, dass eine Bundesregierung die Bevölkerung mit Lockdowns einsperrt, ihre Grund- und Freiheitsrechte mit Füßen tritt und sie mit einer Impfpflicht in die Nadel zwingen will. Genauso hat es niemand für möglich gehalten, dass unsere immerwährende Neutralität, der Grundpfeiler unserer Außen- und Sicherheitspolitik, einfach vom Tisch gefegt wird. Undenkbar war bisher auch, dass ein Bundeskanzler Österreich in einen Wirtschaftskrieg, der die Rekordteuerung noch anheizt, hineintreibt, den über Jahrzehnte hart erarbeiteten Wohlstand im Land zerstört, damit unsere


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Wirtschaft schwerst schädigt und Arbeitsplätze vernichtet. (Präsident Kovacs übernimmt den Vorsitz.)

Ich kann nur die Conclusio ziehen, dass die schwarz-grüne Politik von A bis Z gescheitert ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich darf Ihnen das mit ein paar Beispielen in alphabetischer Reihenfolge zum Besten geben.

A wie Asylchaos: 2022 haben wir 108 781 Asylanträge gehabt, das war im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung von 172 Prozent. Im heurigen Jahr haben wir mittlerweile wöchentlich 4 000 Asylanträge, auch wenn ÖVP und Grüne uns etwas anderes erzählen wollen. Wenn man das bis zum Ende des Jahres 2023 hochrechnet, kommt man auf 208 000 Asylanträge, was wiederum eine Steige­rung von über 100 Prozent bedeutet.

Für uns Freiheitliche kommt in dieser Situation nur ein sofortiger Aufnahme­stopp infrage: Grenzen dichtmachen und konsequente Rückweisungen! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!)

B wie Bildung: Den Kindern und Jugendlichen wurden durch die Schulschließun­gen mehr als zwei Jahre ihrer wertvollen Bildungszeit geraubt, welche nicht mehr aufzuholen sind und langfristige Schäden – nämlich auch Schäden im späteren beruflichen Leben – nach sich ziehen werden.

Frau Staatssekretärin, auch sie haben Schäden davongetragen, auch ihnen wurde Bildungszeit geraubt. Wo war Ihr Aufschrei für unsere Jugend, für die Ausbil­dung unserer Jugendlichen? Gerade das ist wichtig.

Sie haben vorhin gesagt, dass die Kinder nach der Schulzeit Deutsch sowie lesen und schreiben können sollen. – Bitte gar schön, dann kümmern Sie sich darum! Reden Sie mit dem Bildungsminister, damit endlich einmal die Multiple-Choice-Tests und die Schulbücher, in denen man nur mehr ausfüllen muss, wegkommen, damit die Kinder wirklich sinnerfassend lesen und schreiben lernen! (Beifall bei der FPÖ.)


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Auch Sie können ein Opfer werden. (In Richtung Staatssekretärin Plakolm:) Ist das Handy interessant? – Gut. Auch Sie können ein Opfer werden, Frau Plakolm, Sie sind ja gleich nach der Matura in die Politik hineingestolpert, haben keine Berufsausbildung. Bei jeder Schülerdiskussion sage ich jungen Menschen, die politisch interessiert sind: Es freut mich voll, wenn junge Menschen interessiert sind, aber schaut zuerst, dass ihr in einem Zivilberuf ordentlich auf g’sunden, g’standenen Füßen steht (Beifall bei der FPÖ), dann werdet ihr nie in die Lage kommen, euch von der Politik abhängig zu machen! Ich hoffe, Sie werden meine Worte ernst nehmen. Die gebe ich jungen Menschen immer mit auf den Weg, denn eine Tätigkeit in der Politik kann von heute auf morgen vorbei sein.

C wie Coronawahnsinn, Spaltung der Gesellschaft: Ungeimpfte wurden als Gefährder, als Aluhutträger oder als Covidioten bezeichnet. Monatelang wurden die Menschen einfach weggesperrt, vom gesellschaftlichen Leben ausge­schlossen, es wurde eine menschenunwürdige Impfpflicht in den Raum gestellt, man wollte sie einführen. Jetzt, da man merkt, dass die ganzen Coronamaß­nahmen ja eigentlich nur Rohrkrepierer waren, möchte man zurückrudern und tut so, als ob alles in bester Ordnung wäre. – Mitnichten! Die Menschen werden es dieser schwarz-grünen Bundesregierung niemals vergessen, was sie ihnen angetan hat. (Beifall bei der FPÖ.)

In Salzburg haben wir einen Landeshauptmann, der, so scheint es – anders kann ich mir das nicht vorstellen –, unter Gedächtnisverlust leidet. (Bundesrat Buchmann: Der ist ganz super, der Landeshauptmann!) Er kann sich nicht mehr daran erinnern, dass er bei der Achenseesitzung dabei war und dort für die Impfpflicht gestimmt hat. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Das stimmt nicht, der war nicht bei der Veranstaltung dabei!) Herr Landeshauptmann Haslauer war tatsächlich anwesend, nicht körperlich anwesend, aber er war online zuge­schal­tet, wie auch der Landeshauptmann aus Oberösterreich, und beide haben sie bei der Achenseesitzung online der Impfpflicht zugestimmt. Nicht verges­sen – wir Salzburger vergessen es auf jeden Fall nicht. (Beifall bei der FPÖ.)


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Wir helfen dem ÖVP-Landeshauptmann von Salzburg gerne wieder auf die Sprünge, wenn er mit seinem Gedächtnis ein paar Probleme hat. Wir helfen ihm auch gerne, sich daran zu erinnern, dass er einer der Oberscharfmacher war, wenn es darum ging, uns Salzburger mit Coronamaßnahmen zu drangsalieren. Da war er einer der Ersten, unterstützt wurde das aber von den NEOS und auch von den Roten in Salzburg.

Ja, da komme ich schon zum Buchstaben D im Alphabet, D wie Demokratie. Man hat in den letzten Jahren oft einmal das Gefühl gehabt, dass wir nicht in einer demokratischen Republik leben: Freie Meinungsäußerung, Demonstrationsrecht, Integrität des eigenen Körpers – Grund- und Freiheitsrechte – wurden mit Füßen getreten, beschnitten und stark eingeschränkt. (Beifall bei der FPÖ.) Eine kleine, kleine Gutmachung, welche diese schwarz-grüne Bundesregierung den Menschen zurückgeben könnte, wäre, wenn sie den Bürgern die zu Unrecht ein­gehobenen Coronastrafen zurückzahlen würde. (Beifall bei der FPÖ.)

E wie Energiekosten: Die Kosten für Energie sind ja, wie wir alle wissen, ins Unermessliche gestiegen. Strom, Heizen und Treibstoff sind ja für die Menschen fast gar nicht mehr bezahlbar. Es werden Energieboni in der Höhe von 500 Euro nach dem Gießkannenprinzip ausgezahlt, aber der Witz an der Geschichte ist, dass dieser Bonus von 500 Euro auch an Häftlinge und an Asylwerber ausbe­zahlt wird, die die Heizung und den Strom nicht einmal selbst zahlen müssen. Denen zahlt das ja sowieso die öffentliche Hand. Das ist ja ein Treppenwitz für jeden österreichischen Bürger. Das ist wirklich ein Treppenwitz für jeden, der sich das selber zahlen muss. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein Grund für den enormen Preisanstieg ist sicherlich der Ukrainekrieg. Ein ganz wesentlicher Grund aber, warum wir Österreicher das alles ausbaden müssen und zu spüren bekommen, ist, dass sich unser Bundeskanzler Nehammer und diese schwarz-grüne Bundesregierung aktiv in einen Krieg eingemischt haben, mit dem wir als neutrales Land überhaupt nichts zu tun haben – überhaupt nichts! Mit dieser aktiven Einmischung werden die Neutralität und die Souve­ränität Österreichs massiv gefährdet.


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Womit ich zum Buchstaben F wie Frauen komme: Da höre ich wirklich viel bla, bla, bla. Was mir wehtut, ist, dass euch, wenn es um Frauenpolitik geht, permanent das Gendern wichtig ist. Es wird linke Gleichmacherei betrieben, anstatt ordentliche, echte Gleichstellung zwischen Mann und Frau zu forcieren. (Beifall bei der FPÖ.)

G wie Gesundheit: Es gibt täglich Horrormeldungen aus dem österreichischen Gesundheitssystem – Ärztemangel, Pflegemangel, verschobene Operationen und monatelange Wartezeiten. Ihr habt es kaputtgespart! Sie als Regierungsver­antwortliche sollten sich doch bitte besser darum kümmern, dass Ärzte, welche in Österreich ausgebildet werden (Zwischenrufe bei der SPÖ), nach Beendigung ihrer Ausbildung auch in Österreich bleiben. Da muss man Anreize schaffen, aktiv Anreize schaffen. All die Numerus-clausus-Flüchtlinge, die bei uns in Öster­reich ihre Ausbildung absolvieren, wandern wieder ab. Das sind nicht wenige, das sind viele Hunderte Absolventen der medizinischen Universitäten. Da braucht es halt ein bisschen Mut, da braucht es höhere Löhne, mehr Wertschät­zung, bessere Rahmenbedingungen für Ärzte und Pflegepersonal oder zum Beispiel mehr Freizeit. Dem Pflegepersonal beispielsweise geht es weniger um Geld, sondern mehr um Erholungszeit. Was ganz wichtig ist: Pfleger und Ärzte gehören zu den Patienten, weniger Bürokratie würde mehr Zeit für die Patienten bedeuten. (Beifall bei der FPÖ.)

H wie Heer: In den letzten paar Jahren ist das Bundesheer sehr stiefmütterlich behandelt worden. Gestern musste man in den Medien mitverfolgen, dass vom Landesverteidigungsministerium tatsächlich überlegt wird, dass man von unse­ren österreichischen Grenzen Soldaten – es sind immerhin 1 226, die momentan sicherheitspolizeiliche Assistenzeinsätze machen – abzieht. Ich halte das sicher­heitspolitisch für höchst gefährlich. (Beifall bei der FPÖ.)

I wie Inflation: 11 Prozent Inflationsrate – und dann traut ihr euch und schämt euch nicht dafür, den Menschen eine Ausgleichszahlung zu geben, die weit unter der Inflationsrate ist. I wie Inflation ist in diesem Fall ein Witz.


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J wie Jugend – Frau Staatssekretärin, ich hoffe, Sie nehmen das mit –: Perspektiven wurden den Jugendlichen durch Ihre Politik, durch die ÖVP-Politik geraubt. Wo war Ihr eigener Aufschrei? Sie waren es, die als Jugendverantwortliche zugelassen hat, dass der Jugend Perspektiven geraubt wurden.

K wie Kostenlawine: Die ist nicht mehr in den Griff zu bekommen, wenn nicht schleunigst die Notbremse gezogen wird.

L wie Lockdowns: Lebensgrundlagen genommen, Lebensfreude genommen – das habt ihr in den letzten Jahren zusammengebracht.

M wie Migration: Da kann ich eigentlich nur sagen, es werden nur immer wieder Anreize geschaffen, dass die Menschen zu uns strömen, denn wir sind ja das Schlaraffenland. Also beim Thema M wie Migration kann ich nur sagen: Nicht Genügend, setzen! (Beifall bei der FPÖ.)

N wie Neutralität, Nötigung zur Impfpflicht oder Einführung einer NoVA: Da seid ihr den Grünen aber ordentlich auf den Leim gegangen. Mein Fraktionsobmann Steiner hat euch heute schon vorgerechnet, was ihr da mit den Grünen gemein­sam verbockt habt.

O wie ORF: Schon seit Jahren kommt der ORF seiner öffentlich-rechtlichen Kernaufgabe, dem Bildungsauftrag, nicht mehr nach. Wie ernst dem ORF der Bildungsauftrag ist, sieht man ohnehin daran, dass er heute bei einer Bundes­ratssitzung schon wieder nicht anwesend war. Das wäre Teil des Bildungs­auftrags des ORF. (Beifall bei der FPÖ.)

Schon seit Jahren sind die Kunden, die Zuseher unzufrieden mit dem, was der ORF für teure GIS-Gebühren abliefert. Schon seit Jahren laufen dem ORF daher die Kunden in Scharen weg, sie melden sich ab. Mit zahlreichen Volksbegehren haben viele Österreicher ihrem Ärger Luft gemacht. Was aber macht diese Bundesregierung? – Statt die GIS-Gebühren abzuschaffen, wird eine neue ORF-Zwangssteuer eingeführt, eine Zwangssteuer, die dann automatisch vom Lohn


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oder Gehalt abgezogen wird. Egal ob man einen Fernseher daheim hat oder ob man keinen Fernseher daheim hat, diese Zwangssteuer wird eingehoben. Das finde ich ungeheuerlich. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Zwangssteuer erinnert mich schon ein bisschen an Folgendes: Das wäre so, als müsste ein Grüner jetzt zwangsweise KFZ-Steuern zahlen. Er hat nicht einmal ein Auto, weil er nur mit dem Rad fährt, muss aber die Zwangssteuern für ein KFZ zahlen. Das ist ja wohl vergleichbar. Es gibt genügend Menschen, die keinen Fernseher zu Hause haben, und es ist grotesk, eine ORF-Zwangssteuer einzuführen. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Online! Tablet! – Bundesrat Buchmann: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich!)

P wie Pensionen: Jene Menschen, nämlich unsere Senioren, unsere Pensions­bezieher, die unser Land durch jahrzehntelange Arbeit und Steuerzahlungen zu Wohlstand und Stabilität geführt haben, werden mit Füßen getreten. Einen Kostenausgleich weit unter der hohen Inflationsrate auszuzahlen ist bitter, aber was diese schwarz-grüne Regierung in den letzten Jahren wirklich verbrochen hat, ist, dass sie die Hacklerregelung abgeschafft hat. Das ist keine Wertschät­zung für Menschen, die 45 Jahre und länger gearbeitet haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Q wie Qualität: Ja, ich muss sagen, diese fehlt mir, die Qualität fehlt mir bei dieser Regierung.

Da komme ich schon zu R wie Regierung, Regierungsunfähigkeit: Das ist für mich das Synonym dafür, was ich über ÖVP und Grüne denke, nämlich dass ihr nicht fähig seid, miteinander dieses Land zu führen.

Sicherheitspolitik: Nicht nur dass der ganze ÖVP-Sicherheitsapparat mit der Asylsituation völlig überfordert ist – ihr habt auch die urbanen Krawalle nicht im Griff. Es waren ja überwiegend junge Burschen mit Migrationshintergrund, Asylwerber, Asylanten, die vor ein paar Monaten in Wien, Linz und Salzburg in Straßenschlachten wirklich ein Chaos hinterlassen haben.


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Immer noch – und das ist brandgefährlich! –, immer noch steht Österreich unter Terrorwarnung. Immer noch wird alles ungefiltert, ungeprüft über die Grenze gelassen. Es ist schon ein beklemmendes Gefühl – wie unter einem Damok­les­schwert –, dass irgendwann bald wieder irgendeiner einen Terroranschlag verüben wird – ganz ein eigenes, mulmiges Gefühl.

Teuerung: Für die Menschen ist das Leben kaum mehr leistbar. Wenn ihr nicht bald die Notbremse zieht, ist die Teuerung nicht mehr in den Griff zu bekommen.

Umweltschutz – wir sind schon beim Buchstaben U –: Unsere Umwelt, unsere Natur bringt Lebensqualität und bildet unsere Lebensgrundlage. Über Jahr­hun­derte hinweg haben sich Jäger, Landwirte, Forstwirte für unsere Natur eingesetzt, weil dieses Thema für uns alle eine Herzensangelegenheit ist, aber dieser grüne Verbotswahn, dieser Erziehungszwang und diese ideologischen Fundamental­positionen bringen uns keinen Millimeter weiter und werden von uns abgelehnt. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Erpressungsversuche von durchgeknallten Klimaterroristen und Klimakle­bern werden von dieser Bundesregierung – oder zumindest von der Hälfte dieser Bundesregierung (Ruf bei der ÖVP: Nicht ganz!) – anscheinend auch noch aktiv unterstützt. Das ist einer Bundesregierung nicht würdig. (Beifall bei der FPÖ.)

Verbot der Verbrennungsmotoren: Ja, da spielt die ÖVP den Steigbügelhalter für die Grünen, das ist eine grüne Fantasie.

Wirtschaft: Bürokratische Hürden und strenge Regulierungen sollten abge­schafft werden, damit Klein- und Mittelbetriebe in ihrer Weiterentwicklung nicht gestört werden. Das ist notwendig und unbedingt zu erfüllen.

Z wie Zuwanderung (Bundesrat Schreuder: Das X? – Ruf bei der ÖVP: ... mit dem ABC?): Die Zuwanderungspolitik offenbart ein absolutes schwarzes System­versagen. (Bundesrat Schreuder: Jetzt bin ich enttäuscht!) Politik lässt sich nur mit


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Herz machen, sollte Leidenschaft sein, aber bei der katastrophalen Leistungs­bilanz, die ihr abgeliefert habt, wäre es wirklich gescheiter, ihr würdet alle zusammen zurücktreten und den Weg für Neuwahlen freimachen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Kornhäusl: Besser nicht zu knapp vorbeigehen!)

18.15


Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Bundesrätin.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. – Bitte, Herr Bundesrat. (Bundesrätin Steiner-Wieser: ... ein paar Buchstaben, ich lese es euch aber gern noch einmal vor!)


18.15.33

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Staats­sekretärin! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen und Zuseher, wenn es welche gibt (Ruf bei der ÖVP: Ich hoffe nicht!) und sie nicht schon abgedreht haben! (Ruf bei der FPÖ: Nein, die drehen jetzt ab! – Ruf bei der ÖVP: Na, jetzt können sie wieder aufdrehen!)

Wir reden über eine Dringliche Anfrage über die Zukunft von Bundeskanzler Karl Nehammer. Nach allem, was ich bis jetzt von den Freiheitlichen gehört habe, müsste der Titel eigentlich sein: Dringliche Anfrage zur Vernaderung und Wadlbeißerei gegenüber Bundeskanzler Karl Nehammer. – Das würde es mehr treffen, würde ich sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Danke aber für die Möglichkeit, dass wir über diese Kanzlerrede hier sprechen können. Es ist sicherlich gut und aktuell, dass wir das tun können. Wir haben schon gehört: Der Kanzler hat die Kanzlerschaft in einer Zeit angetreten, die doch sehr bewegt war, in der immer wieder neue Herausforderungen auf die Regierung zugekommen sind und in der es letzten Endes darum gegangen ist, Sicherheit zu vermitteln, Halt zu geben und Entscheidungen zu treffen.


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Natürlich kann man Entscheidungen immer kritisieren, und hinterher kann man auch alles besser wissen (Ruf bei der FPÖ: Wir haben es vorher schon besser gewusst!), aber im Grunde genommen ist diese Regierungsarbeit von der ganzen Regierung gut gemacht worden, und wir haben es gut geschafft, durch diese Krise zu kommen. Dazu kann man die verschiedensten Statistiken heranziehen. Ich nenne Ihnen nur eine, weil ja in dieser Dringlichen Anfrage auch die Rede von Arbeitsplätzevernichtung ist: Wir haben derzeit die höchste Zahl an unselbstständig Erwerbstätigen seit jeher! (Beifall bei der ÖVP.)

Das muss man nach drei Jahren Krisen einmal zusammenbringen. Das ist doch eine wahnsinnig gute Arbeit. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Wir haben aber die meisten Insolvenzen auch dazu!)

Wir haben die Abgabenquote gesenkt. Das ist keine Statistik von mir, sondern die Arbeiterkammer hat sie veröffentlicht. In den letzten fünf Jahren wurde die Abgabenquote von 43,6 auf 42,3 Prozent gesenkt (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder. – Ruf bei der FPÖ: Das nützt nichts, wenn man ...!)  das alles im Lichte dieser Krisenbewältigung! (Ruf bei der FPÖ: Inflation!) Und dann noch die Hilfen, die den Menschen letzten Endes auch zur Verfügung gestellt wurden: Das muss man einmal schaffen. In dieser Kanzlerrede ist eben das Ziel verankert, diese Abgabenquote auf 40 Prozent zu senken. Das sind unsere Ziele.

Kollegin Schumann, in einem stimme ich dir ja zu, nämlich dass diese Dringliche doch etwas unpassend ist. Du hast hier sicherlich eine sehr beherzte Rede vorgetragen, die aber manchmal etwas unscharf war. Du hast gesagt: Wenn jetzt die Inflation wieder zurückgeht, muss man nicht glauben, dass die Preise sinken. – Also die Inflation kann nur zurückgehen, wenn die Preise sinken. (Bun­desrätin Schumann: Nein, sinken sie nicht! Nein, nein, das ist der Fehler im Denken!) Das geht eigentlich nicht anders. So ist halt manche Unschärfe in diesen Ausführungen gewesen.

Eines muss man aber schon verstehen: Wir wollen die Menschen unterstützen, die arbeiten gehen. Wir haben derzeit 294 000 Arbeitslose – das ist ein niedriger


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Wert für das letzte Jahrzehnt –, aber wir haben 111 000 offene Stellen. Es muss doch jedem klar werden, dass wir Maßnahmen ergreifen müssen, damit es da einen Austausch zwischen diesen Mengen gibt und damit diese 111 000 Mög­lich­keiten ergriffen werden, um sich das Leben zu verbessern. Das muss doch jedem klar sein, auch einem sozialistischen Politiker.

Weil man hier immer wieder über die verschiedensten Koalitionsmöglichkeiten oder -arten diskutiert: Ich kann mich noch gut an die Kickl-Drozda-Koalition erinnern. (Bundesrätin Schumann: Ihr macht’s das jetzt in Niederösterreich! Ablen­kung hilft da nicht!) Wir sehen es noch im Fernsehen, wie Kickl Drozda gewunken hat: Komm mit mir hinter den Vorhang! (Bundesrätin Schumann: Niederösterreich: ÖVP-FPÖ! Bravo!), und dann habt ihr innerhalb von drei Tagen eine Fülle von Gesetzen beschlossen – ohne Begutachtung, ohne Auflage: erste, zweite, dritte Lesung an einem Tag und durchgezogen. (Bundesrätin Schumann: ÖVP-Nieder­österreich koaliert mit der FPÖ! Bravo!) Ihr könnt es - - (Bundesrätin Hahn: Lieder­buchkoalition! – Bundesrätin Schumann: Liederbuchkoalition! Bravo!) – Ja, ja, genau, und deswegen, Frau Kollegin Schumann, kann es durchaus sein, dass du in zwei Jahren in einer Regierung mit Kickl und Doskozil bist. (Bundesrätin Schumann: Na!) Das kann möglich sein. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP. – Anhaltende Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Das ist durchaus möglich.

Wenn hier immer wieder von den Freiheitlichen die Macht angesprochen wird: In der Demokratie geht es eigentlich darum, dass man versucht, eine Mehrheit der Bevölkerung darzustellen (Bundesrätin Schumann: Koalition in Nieder­öster­reich!) und, wenn man diese Mehrheit hat, zu regieren – dass man die Verantwor­tung übernimmt. (Bundesrätin Schumann: Ja! Liederbuchkoalition in Nieder­öster­reich! – Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Die Grünen haben mit uns die Verant­wor­tung übernommen, ihr (in Richtung FPÖ) habt diese Verantwortung vor drei Jahren ausgeschlagen. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Wenn ich mir jetzt ansehe: In Niederösterreich schlägt Hergovich die Verant­wortung aus. Er sagt: Da hacke ich mir lieber eine Hand ab! (Bundesrätin Schumann – erheitert –: Geh, geh, geh! Da lacht er selber ...!) – So ist es eben mit


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diesen Koalitionsvereinbarungen, die immer wieder von dem einen oder anderen kritisiert werden (Bundesrätin Schumann: Na bitte! Das glaubt er nicht einmal selber ...!), aber es gibt sie in jede Richtung und in jeder Ausformung, und da ist, glaube ich, niemand irgendwie über einen anderen zu stellen.

Was mir doch auch bei diesen Formulierungen nicht gefällt: Kollege Spanring ist neben mir gesessen und hat gesagt: Wenn man ÖVP wählt, ist man dumm! – Das hat mich an etwas erinnert. Sein Kollege Waldhäusl hat einmal gesagt: Die Wähler der ÖVP sind Stimmvieh! – Das ist eine Missachtung von Wählern, von Bürgerinnen und Bürgern, die es bei keiner Partei gibt. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Das habe ich noch nie von der SPÖ gehört, das habe ich noch nie von den Grünen gehört, das habe ich noch nie von der ÖVP gehört (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser), dass man so abschätzig über jene spricht, die eben nicht hinter einem stehen, sondern eine andere Ideologie verfolgen. Das ist wirklich einzigartig (Beifall bei der ÖVP), und das ist auch nicht in Ordnung, das muss ich ganz ehrlich sagen. Eine Demokratie lebt nun einmal von der Vielfalt.

Da hier immer wieder auch die Immigration angesprochen wurde: Ihr (in Richtung FPÖ) bietet sicherlich immer wieder Lösungsvorschläge an, wie man illegale Migration eindämmen könnte. Nur – wir haben das beim letzten Mal schon besprochen – sind sie halt alle gesetzwidrig. Ich denke, das macht ihr durchaus bewusst. Ihr wollt ja nicht, dass die Migration weniger wird, ihr wollt ja ein Angstszenario aufbauen, damit ihr Angst schüren könnt. Das ist ja das, was ihr in den letzten drei Jahren gemacht habt. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Wir bringen aber Lösungen, die gesetzeskonform sind. Wir achten die Men­schen­rechte (Bundesrat Steiner – erheitert –: Ja!), wir wollen auch die Menschenrechte achten. Wir wollen nur nicht, dass sich ganz Europa an ein paar Ländern abputzt, und deshalb setzen wir diese neuen Regelungen, die der Kanzler vorgeschlagen hat. Immerhin hat er in Serbien die Visafreiheit zu Fall gebracht und damit einen großen Zustrom verhindert. Immerhin hat


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er mit Bulgarien ein Pilotprojekt vereinbart, durch das jetzt an der Grenze Asyl­verfahren abgehandelt werden. (Bundesrat Ofner: Funktioniert ja gut!) Immerhin wollen wir auf Sachleistungen umstellen, und dann kommt eben die Verpflichtung, fünf Jahre in Österreich zu sein, bevor man Sozialleistungen bezieht. Das sind Möglichkeiten, die dem Recht entsprechen und durch die wir ganz einfach die Ströme wieder mehr in ganz Europa verteilen und trotz­dem die Menschenrechte achten können.

Im Bereich der Ökoenergie ist eben in den Medien vor allem diese Aussage zu den Verbrennermotoren hochgespielt worden, damit man da vielleicht einen Streit in der Regierung konstruieren kann. Man muss aber schon verstehen: Wir sollten uns doch alle Technologien für die Zukunft offenhalten. Wir wollen ja keine CO2-Verbrenner, aber derzeit passiert so viel in der Forschung, da kann es noch so viele Lösungen geben, dass auch der Verbrennermotor eine zukünftige Lösung sein kann. Gerade gestern habe ich von einem Pilotprojekt erfahren, bei dem in der Zementindustrie das CO2 aus den Abgasen geholt wird und zu Borealis gebracht wird. Dort wird wieder Plastik daraus gemacht, das am Ende möglicherweise wieder in der Verbrennung in der Zementfabrik landet.

Es gibt sehr viele Möglichkeiten. Die Menschen sind sehr intelligent, deshalb sollten wir uns diese Möglichkeiten nicht verbauen, und dafür werden wir uns einsetzen. Natürlich sind das sehr viele Maßnahmen, die der Kanzler da vorgetragen hat: Visionen, die jetzt diskutiert werden, zu Maßnahmen gebracht werden. Natürlich müssen wir auch unserem Koalitionspartner die Möglichkeit geben, sich einzubringen, letzten Endes auch seine Wünsche einzubringen (Heiterkeit des Redners sowie des Bundesrates Schreuder), und dann werden es Maßnahmen werden, die umgesetzt werden und die für Österreich und für die Bevölkerung von Österreich eine gute Sache sein werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Meine Damen und Herren! Auch für mich ist es heute die letzte Rede. Ich habe mich entschieden, nach zehn Jahren im Bundesrat nicht mehr zu kandidieren, weil ich daneben auch noch Bürgermeister bin, einige andere Funktionen habe


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und eben auch noch einen Betrieb habe, und es ist doch einigermaßen stressig, dass man, wenn gerade einmal Zeit ist, wieder zu Hause anpacken muss, weil schon sehr viel auf einen wartet. Ich denke, ich habe zehn Jahre meines Lebens der Bevölkerung unseres Bezirkes zur Verfügung gestellt, und es ist durchaus zu verstehen, dass das jetzt auch jemand anderer wahrnehmen kann. So habe ich mir gedacht, ich werde mich etwas zurücknehmen, um meine Batterien ein bisschen mehr füllen zu können, damit sie länger leben. (Heiterkeit des Redners sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)

Ich möchte mich dem Dank, der an die Mitarbeiter und an alle Kollegen ausgesprochen worden ist, anschließen. Ich möchte hier nicht alles wiederholen, aber was ich heute schon noch sagen möchte, ist, dass die Renovierung dieses Hauses wirklich toll gelungen ist. Ich war ja vorher schon hier, ich war im Übergangsquartier, und gerade wir haben wirklich einen sehr schönen Sitzungs­saal bekommen, in dem es vielleicht noch die eine oder andere Verbesserung geben könnte, aber insgesamt ist das Haus wirklich sehr schön renoviert worden. Ich war ja auch im Europarat aktiv und bin in sehr viele Parlamente gekommen, und ich kann sagen: Es ist nicht protzig, aber sehr elegant und sehr schön geworden, und dafür sollte man auch einmal Danke sagen. (Allgemeiner Beifall.)

Ansonsten, ich habe das einmal so salopp schon in einer anderen Gruppe gesagt: Ich hoffe, ihr schafft das ohne mich, aber da habe ich größtes Vertrauen. (Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrat Schreuder: Schwierig – aber schon, ja!) Die Demo­kratie soll hier leben, es soll natürlich viel diskutiert werden, auch kontrovers diskutiert werden, aber diese persönlichen An- und Untergriffe haben mir nie gefallen, und ich denke, die müssen auch nicht sein, weil wie gesagt: In ein, zwei Jahren findet man sich gemeinsam in einer Koalition wieder und muss dann sehr viel vergessen. (Heiterkeit des Redners. – Bundesrat Steiner: Wir nehmen die Sozis auch! – Bundesrat Kornhäusl: Kärntner Punschkrapferl!)

So gesehen wünsche ich euch allen hier viel Erfolg, dass ihr eine schöne Zeit habt. Mir hat es auch immer gefallen. Es war eine große Aufgabe für mich und ich bin sehr dankbar, dass ich diese Aufgabe auch zehn Jahre lang ausüben


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konnte. Ich bin sehr dankbar und freue mich auch auf die Zukunft. – Danke. (Allgemeiner Beifall. – Bravoruf bei der ÖVP.)

18.28


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Ing. Eduard Köck, herzlichen Dank auch für deine Arbeit, die du in den letzten zehn Jahren geleistet hast! Du hast es soeben erwähnt: Im Bundesrat warst du zehn Jahre, du warst vorher im Landtag, auch einige Jahre Bürgermeister von Thaya – also eine Politkarriere, die jener von vielen hier ähnelt. Ich möchte dir wirklich für deine Arbeit danken. Du warst ein leidenschaftlicher Bundesrat – ich habe dich in den letzten Jahren so kennengelernt. Man kann so sagen: hart in der Sache, aber ein herzlicher Mensch.

Herzlichen Dank noch einmal für deine Leistung! Danke, alles Liebe, alles Gute, und: dein Applaus. – Bitte sehr. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.


18.29.47

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Vorsitzender! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Das eine oder andere bleibt mir ja doch noch zu sagen: vor allem wenn die Frau Staatssekretärin über Perspektiven und den Blick nach vorne spricht – und das von einer ÖVP-Staatssekretärin.

Ich sage ja, diesen Blick nach vorne würde ich mir wünschen, aber wenn ihr von einem Blick nach vorne redet, dann meint ihr Schritte zurück, und das ist genau das, was wir in den letzten Jahren leidvoll miterleben mussten. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie sprechen von den Visionen des Bundeskanzlers, von einer kostenlosen Meisterprüfung. Das ist eine freiheitliche Forderung, noch gar nicht so lange her – aber wisst ihr, wer dagegen gestimmt hat? Wisst ihr, wer dagegen


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gestimmt hat? – Diese ÖVP. (In Richtung Staatssekretärin Plakolm:) Sie waren zu dieser Zeit noch nicht im Haus, aber ihr wart es trotzdem, die dagegen gestimmt haben.

Sie sprechen von einer Berufspflicht für Medizinabsolventen. Wisst ihr, wer den Antrag gestellt hat? – Wir Freiheitliche. Ihr wart diejenigen, die dagegen gestimmt haben, ihr wart es. Sie sagen, wir Freiheitliche sind froh und teilen viele Forderungen dieser ÖVP. – Also da kommt mir jetzt wirklich ein Schmunzeln aus. Diese Sonntagsrede des Bundeskanzlers in seinem Elfenbeinturm im 35. Stock: Das ist es – so schaut es aus –, wo er sich noch hintraut. Das sind ja unsere freiheitlichen Forderungen, die er da großteils wiedergegeben hat.

Frau Staatssekretärin, vermischen wir das nicht, vermischen wir das bitte nicht! Das sind keine ÖVP-Förderungen – ganz im Gegenteil, ihr wart dagegen. Bei jedem einzelnen Antrag wart ihr dagegen. (Zwischenruf des Bundesrates Buchmann.) Jetzt auf einmal, im 35. Stock mit lauter ÖVP-Parteisoldaten, traut er sich, es zu verkünden, aber wenn es darum geht, heute hierherzukommen, ist er anschei­nend verschwunden. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann dieser ÖVP nur sagen: Irgendetwas haben Sie bei dieser Vision des Bundeskanzlers falsch verstanden. Das sind nicht die ÖVP-Visionen – das haben Ihnen Kollege Steiner, Kollege Ofner, jeder schon gesagt –, sondern das sind unsere Anträge. Ihr könnt ja nachschauen, jeder hat seinen Laptop offen, das sind unsere Anträge der letzten paar Jahre.

Um mich während meiner Redezeit aber nicht nur mit Ihnen zu beschäftigen: Kollege Kornhäusl hat von der ruhigen Hand des Kanzlers gesprochen. Also ich sehe vieles, aber diese ruhige Hand sehe ich bei Kanzler Nehammer nicht. Ich sehe, dass er sich vor dem Haus versteckt. Ich sehe, dass er sich vor der Öffentlichkeit versteckt. Ich sehe, dass er sich von den Grünen am Nasenring durchs Kanzleramt ziehen lässt. Ich sehe alles, aber diese ruhige Hand kann ich bei unserem Bundeskanzler nicht erkennen. (Beifall bei der FPÖ.) Ganz im Gegen­teil – ganz im Gegenteil! –, dieser Bundeskanzler macht alles, um Neuwahlen zu


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verhindern, weil er sich vor ihnen fürchtet. Deswegen geht er auch nicht unter die Leute und spricht im 35. Stock. Vor diesen Neuwahlen fürchtet er sich.

Seit drei Jahren gibt es keine Krisenlösungen. Diese Bundesregierung führt nicht das Land durch die Krise, sie führt jede einzelne Krise durch dieses Land. Krisen haben wir ja genug gehabt (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann): die Corona­krise, die Teuerungskrise, eine Sanktionspolitik, die die eigenen Österreicher sanktioniert, aber sonst niemanden, wie wir es ja auch heute schon gehört haben. (Beifall bei der FPÖ.) Genau das ist die Politik dieser ÖVP. Es ist diese Politik des Versagens, die jeder in diesem Land bereits satt hat. Da hilft auch die schönste Sonntagsrede nichts mehr, die Leute da draußen glauben Ihnen das nicht mehr.

Zu Kollegin Schumann möchte ich gar nicht viel sagen. (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann.) Es wundert mich nicht, dass sie die Rede des Bundeskanzlers nicht gehört hat und sich auch nicht damit beschäftigen will. Da sind die Probleme ganz woanders, in den eigenen Reihen, und damit bin ich mit der SPÖ auch schon ziemlich fertig. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: ... Koalition mit der ÖVP!)

Zu Kollegen Schreuder, der von der Abschaffung der kalten Progression und der Entlastung unserer Bürger spricht: Ganz ehrlich, wenn ein Grüner oder ein Schwarzer in diesem Haus von der Entlastung der Bürger spricht, dann kommt mir der Kakao von der Erstkommunion wieder herauf. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Diese Bundesregierung ist ein einziges Belastungspaket für unser Land und für unsere Österreicher. Sie verteilen Almosen und ziehen den Leuten das Geld auf der anderen Seite mit zwei Händen wieder aus der Tasche heraus. Das ist Ihre Politik, die Sie die letzten Jahre hier betrieben haben. – Kollege Schreuder, wenn du vom Wettbewerb der besten Ideen sprichst: Ich muss sagen, in den letzten paar Jahren waren da nicht einmal die zweitbesten Ideen dabei. Ich würde mir


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wünschen, dass ihr euer Brainstorming auf zu Hause oder in die außer­par­lamentarische Opposition verlegt, aber in der Regierung haben wir wirklich genug von euch gesehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Kollegin Miesenberger spricht auch von der Zukunftsrede des Bundeskanzlers, von seinen Ideen, von seinen Visionen und seinen Lösungsvorschlägen. Ja, da frage ich mich schon: Hörst du hier herinnen überhaupt zu, wenn wir einen Antrag einbringen? Hörst du da überhaupt zu? Das waren ja unsere Anträge, die wir eingebracht haben und die ihr, du auch, hier in diesem Haus abgelehnt habt. Und das sind jetzt die großen Ideen und die großen Visionen eures Bundeskanzlers. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist einmal die wirkliche Wirklich­keit, und so schaut es in diesem Land aus. Die Ideen des Bundeskanzlers wurden genau von dieser Kanzlerpartei in den letzten Jahren, in der Vergangenheit abgelehnt, und das ist das Problem. Ich habe es schon so oft gesagt: Nicht die Worte, sondern die Taten zählen, aber von den Taten sehe ich nichts bei der ÖVP. Ich höre nur Worte, aber sehe keine Taten. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Eines möchte ich zur SPÖ aber schon auch noch sagen: Kollegin Hahn hat es als positiv herausgestrichen, dass die Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr ausgebaut wird. Also ich frage mich schon: Gibt es bei der SPÖ eigentlich noch die Möglichkeit, dass auch Frauen die Betreuung gerne übernehmen würden, vor allem im ersten Lebensjahr? – Also bei mir in meiner Welt gibt es das, dass die Mutter die Betreuung machen möchte. – Ihr freut euch über eine Betreuung ab dem ersten Lebensjahr. (Bundesrätin Schumann: Wahlfreiheit!) – Ja, die echte Wahlfreiheit brauchen wir, und von der echten Wahlfreiheit wollt ihr nichts hören. Das Berndorfer Modell: Das große Aufschreien kommt in der SPÖ jedes Mal. Von dieser Wahlfreiheit wollt ihr nichts hören, aber als positiv streicht ihr heraus, dass die Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr kommen soll. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Billige Arbeitskraft Frau! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn sich Kollege Köck hier heraus­stellt und von einer gut gemachten Regierungsarbeit spricht und davon, dass die FPÖ diese Migration ja haben möchte, dann sage ich wirklich gar nichts dazu. Liebe ÖVP, erzählt den Menschen nicht das Blaue vom Himmel, setzt die Worte einmal in Taten um! Von den Taten dieser Bundesregierung haben wir und auch unsere Österreicher aber genug gesehen. – Genug ist genug! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

18.38


Präsident Günter Kovacs: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. – Bitte, Herr Bundesrat.


18.38.18

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Werte Kollegen, vor allem werte Zuschauer vor den Bildschirmen! Wir haben jetzt über die Zukunft der Nation debattiert. Da sind wir nicht wirklich weitergekommen, weil viele noch nicht ganz einsehen wollen, dass diese Zukunftsvisionen keine sind, aber wir haben viele persönliche Zukunftswege. Wir haben heute gehört, dass viele Kolle­gen aus dem Bundesrat ausscheiden, und so wird auch mich meine neue Aufgabe nach Kärnten, in den Kärntner Landtag führen. Wahlen bedeuten auch immer Veränderung und natürlich auch andere Aufgabengebiete.

Ich glaube, es waren für alle, die wir hier im Bundesrat waren, fünf sehr interes­sante Jahre. Gerade in unserem Fall waren es fünf Jahre, in denen wir sowohl in Regierungsverantwortung waren, als auch als Opposition gewirkt haben. Es waren fünf Jahre, in denen es vermeintliche Skandale gegeben hat, dann hat es tatsächliche Skandale gegeben, es war Corona mit dabei und so weiter.

Es waren also durchaus Herausforderungen, die halt auch dazu führen, dass man sehr divergente Zugänge hat und, glaube ich, auch ganz harte Diskussionen führen muss. Das sehe ich nämlich ein bisschen anders: Ich glaube, dass es schon auch hart zugehen muss, weil es um nichts weniger als die Zukunft unseres


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Landes geht, und es geht um die Bevölkerung und die Menschen in unserem Land.

Da freut es mich umso mehr, dass wir im persönlichen Miteinander und bei den persönlichen Begegnungen immer einen wertschätzenden Umgang miteinander gehabt haben. Es hat vielleicht bei dem einen oder anderen – das waren aber nicht sehr viele – ein bisschen Frequenzstörungen zwischen Sender und Empfänger gegeben – das ist normal –, aber grundlegend haben wir uns eigent­lich immer sehr gut verstanden. Ich möchte mich recht herzlich bei allen bedanken, bei denen das der Fall war.

Bei denen, bei denen es nicht der Fall war, passt es auch. Auch das ist im Leben Normalität.

Meiner Bundesratsfraktion möchte ich natürlich einen besonderen Dank aus­sprechen. Wir haben in den letzten fünf Jahren eine sehr wertschätzende Freundschaft und Kameradschaft miteinander erleben dürfen. Ich danke auch unseren Mitarbeitern, die das Team immer entsprechend verstärken. Wie gesagt: Es war eine Zeit, die ich nicht missen möchte, eine Zeit, die wunderbar und wunderschön war. Ich wünsche allen persönlich alles Gute und dem Bundesrat ein herzliches Glückauf. Viel Vergnügen auch bei den nächsten Sitzungen, Frau Schumann! (Stehend dargebrachter Beifall bei der FPÖ sowie Beifall bei Bundes­rät:innen von ÖVP und SPÖ.)

18.41


Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat Josef Ofner! Ich möchte mich auch persönlich bei dir bedanken, auch im Sinne, glaube ich, von allen Bundesrät:innen hier. Du warst ein leidenschaftlicher Kämpfer für die Sache. Du bist seit 2009 Bürgermeister in Hüttenberg. Du wirst jetzt in den Landtag wechseln. Ich möchte dir auch gratulieren, du hast ein Direktmandat geschafft. Alles Liebe, alles Gute für den weiteren politischen Weg! Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)


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Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Christoph Steiner. – Bitte, Herr Bundesrat.


18.42.17

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Ihr dürft nicht vergessen: Laut Geschäftsordnung habe ich jetzt noch 20 Minuten. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen von FPÖ und ÖVP.) 19.55 Minuten – jetzt muss ich mich beeilen. Nein, Scherz beiseite! Natürlich ist es auch mir ein Anliegen – ich habe es nicht verabsäumt, ich habe es nur absichtlich für den Schluss aufgehoben, damit es auch alle schaffen, sich zu verabschieden –: Ich wünsche all jenen, die jetzt ausscheiden und in den wohlverdienten Ruhestand gehen oder sich für einen anderen Weg außerhalb der Politik entschieden haben, alles, alles erdenklich Gute. Macht es gut außerhalb der Politik! Das ist sicher auch ganz gut für das Nervenkostüm. Und natürlich wünsche ich all jenen auch – das darf man nicht vergessen – ganz, ganz viel Gesundheit, denn ohne Gesundheit ist alles nichts.

All jenen, die in ein anderes Gremium wechseln, eine neue Aufgabe kriegen, wünsche ich jetzt nicht allzu viel Erfolg (Heiterkeit des Redners), weil es politisch so ist, dass natürlich wir die Stärksten sein wollen. Am meisten Erfolg wünsche ich natürlich meinem Kollegen Seppi Ofner in Kärnten. Damit komme ich auch schon da hin, wo ich hinwill.

Nein, eines will ich noch sagen, auch wenn sie, die Mama-Bundesrat, nicht da ist: Ich bedaure ein bisschen, dass Sonja dahin ist, weil sie oft die Wogen geglättet hat, wenn wir geglaubt haben, so schnell sind sie nicht mehr zu glätten. Sonja hat das aber geschafft. Richtet ihr das bitte aus (Zwischenruf bei der ÖVP) – nicht dazwischenreden! –, das ist mein Anliegen: Ich wünsche ihr wirklich persönlich alles, alles Gute. Hoffentlich muss sie nicht so viel in der Firma bei ihrer Tochter buckeln, wie sie heute vermutet hat. Also vielleicht richtet ihr das auch ihrer Tochter aus: Schone Sonja ein wenig! Sie hat es sich verdient.

Ja, lieber Seppi, ich komme zu dir. Wir haben vor drei Jahren ein neues Team aufgestellt, und da warst du maßgeblich mit dabei. Du warst jetzt die ganze Zeit


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mein Stellvertreter. Ich darf dir wirklich danken. Ohne dich hätten wir das nicht so gut hingekriegt. Wir sind eine wirklich schlagkräftige Truppe geworden, das muss man sagen. Wir haben den Klub umgekrempelt. Die ganze Einheit, die wir da bilden: Wir haben Freundschaften entwickelt. Das ist nämlich in der Politik nicht selbstverständlich, und – ihr wisst das – das ist auch innerparteilich nicht selbstverständlich. Wir sind aber wirklich eine Gruppe geworden, die mittler­weile in persönlicher Freundschaft verbunden ist. Deswegen, Seppi, tut es mir natürlich im Herzen schon weh, dass du nach Kärnten gehst, aber ich gönne dir das. Es ist ein neuer Weg, ein neuer Lebensabschnitt. Du wirst uns in der Fraktion aber natürlich massivst fehlen, das muss ich ganz offen und ehrlich sagen.

Ich wünsche dir alles, alles Gute! Wir bleiben, wenn wir jetzt nicht mehr physisch im Bundesrat verbunden sind, natürlich alle gemeinsam freundschaftlich ver­bunden. Das haben wir einander schon versprochen. Alles, alles Gute in Kärnten, lieber Seppi! Wir werden dich im Bundesrat vermissen. – Danke. (Stehend dargebrachter Beifall bei der FPÖ, Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)

18.45 18.45.33


Präsident Günter Kovacs: Weitere Wortmeldungen liegen jetzt nicht mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Mieterhöhungen in Zeiten der extremen Teuerung aussetzen – Es braucht langfristige Konzepte für die Regu­lierung von Mietkosten!“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die


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Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Rücktritt der Bundesregierung“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist eindeutig die Stimmen­minderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

18.46.38Einlauf und Zuweisungen


Präsident Günter Kovacs: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt neun Anfragen, 4083/J-BR/2023 bis 4091/J-BR/2023, eingebracht wurden.

Eingelangt sind

der Entschließungsantrag 366/A(E)-BR/2023 der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Pilotversuch 4-Tage-Woche auch in Österreich durchführen“, der dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zugewiesen wird,

und der Entschließungsantrag 367A(E)-BR/2023 der Bundesräte Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt des ORF Radio-Symphonie­orchesters Wien“, der dem Ausschuss für Tourismus, Kunst und Kultur zugewiesen wird,

und der Entschließungsantrag 368 A(E)-BR/2023 der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Shrinkflation – die Abzocke mit den Mogelpackungen geht weiter“, der dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zugewiesen wird,


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sowie der Entschließungsantrag 369 A(E)-BR/2023 der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Skimpflation – eine weitere Mogelpackung zulasten der Konsument*innen“, der dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zugewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Freitag, der 14. April 2023, um 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Mittwoch, den 12. April 2023, um 14 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen. – Einen schönen Abend! Danke sehr.

18.48.30Schluss der Sitzung: 18.48 Uhr

 

 

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