Stenographisches Protokoll

23. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 22., und Donnerstag, 23. Mai 1996

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

23. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode

Mittwoch, 22., und Donnerstag, 23. Mai 1996

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 22. Mai 1996: 10.01 – 24.00 Uhr

Donnerstag, 23. Mai 1996: 0.00 – 1.50 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Sicherheitsbericht 1994

2. Punkt: 36. Grüner Bericht

3. Punkt: Österreichischer Waldbericht 1994

4. Punkt: Übereinkommen zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen samt Anlagen und Erklärung

5. Punkt: Bericht über den Antrag 26/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend land- und forstwirtschaftliche Standortsicherung

6. Punkt: Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für die Jahre 1996 und 1997 gemäß § 9 Abs. 2 LWG

7. Punkt: Bericht über den Antrag 188/A der Abgeordneten Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler, Ing. Kurt Gartlehner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz geändert wird (BHG-Novelle 1996)

8. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Norwegen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 18

Geschäftsbehandlung

Verkürztes Verfahren gemäß § 28a der Geschäftsordnung (Verzicht auf Vorberatung der Regierungsvorlagen 115, 116, 117 und 126 d. B.) 36


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23. Sitzung / Seite 2

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 37

Antrag der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der politischen Verantwortung der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz hinsichtlich etwaiger Naheverhältnisse von Beamten des Gesundheitsministeriums zu Gentech-Firmen beziehungsweise -Experten gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung

Bekanntgabe 227

Antrag auf Durchführung einer Debatte gemäß § 59 Abs. 3 der Geschäftsordnung 227

Redner:

Annemarie Reitsamer 227

Mag. Karl Schweitzer 228

Dr. Walter Schwimmer 228

Mag. Thomas Barmüller 229

Ing. Monika Langthaler 230

Ablehnung des Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses 232

Verlesung der vorgesehenen Fassung des Amtlichen Protokolls zum Tagesordnungspunkt 7 dieser Sitzung durch den Präsidenten Dr. Heinz Fischer 232

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls 232

Aktuelle Stunde (2.)

Thema: "Reform der Universitäten und Kunsthochschulen"

Redner:

Dr. Ewald Nowotny 18

Bundesminister Dr. Rudolf Scholten 20

Dr. Johann Stippel 22

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch 23

MMag. Dr. Willi Brauneder 24

Dr. Friedhelm Frischenschlager 26

Dr. Alexander Van der Bellen 27

Dr. Wolfgang Riedler 28

Dr. Gertrude Brinek 30

Dr. Michael Krüger 31

Klara Motter 32

Karl Öllinger 33

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 18

Ausschüsse

Zuweisungen 34

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dkfm. Holger Bauer und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend steigende Arbeitslosigkeit und weitere Zuwanderung von Ausländern nach Österreich (603/J) 97


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23. Sitzung / Seite 3

Begründung: Dkfm. Holger Bauer 100

Bundesminister Franz Hums 106

Debatte:

Dr. Jörg Haider 111

Annemarie Reitsamer 115

Dr. Jörg Haider (tatsächliche Berichtigung) 117, 125

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 117

Dr. Volker Kier 119


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23. Sitzung / Seite 4

Mag. Terezija Stoisits 123

Mag. Herbert Haupt 126

Robert Elmecker 129

Dr. Gottfried Feurstein 131

Dr. Hans Peter Haselsteiner 133

Karl Öllinger 135

Dr. Stefan Salzl 138

Verena Dunst 141

Johannes Zweytick 144

Peter Rosenstingl (tatsächliche Berichtigung) 147

Anna Elisabeth Aumayr 147

Sigisbert Dolinschek 149

Mares Rossmann 151

Dr. Harald Ofner 153

Elfriede Madl 157

Anton Blünegger 160

Josef Trenk 162

Edith Haller 165

Dr. Alois Pumberger 168

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Stefan Salzl und Genossen betreffend Einführung eines Saisonniermodells im Ausländerbeschäftigungsgesetz – Ablehnung 140, 172

Entschließungsantrag der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Genossen betreffend umfassende Maßnahmen gegen die steigende Arbeitslosigkeit – Ablehnung 150, 172

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Bericht der Bundesregierung (III-17 d. B.) über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 1994) (145 d. B.)

Berichterstatterin: Ludmilla Parfuss 38


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23. Sitzung / Seite 5

Redner:

Mag. Karl Schweitzer 38

Robert Elmecker 42

Hans Helmut Moser 45

Paul Kiss 49

Rudolf Anschober 52

Herbert Scheibner (tatsächliche Berichtigung) 56

Bundesminister Dr. Caspar Einem 56

Dr. Willi Fuhrmann 60

Dr. Harald Ofner 62

Günther Platter 65

Mag. Thomas Barmüller 66

Anton Gaál 69

Mag. Terezija Stoisits 71

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 74

Walter Murauer 76

Herbert Scheibner 77

Anton Leikam 80

Dr. Volker Kier 81

Dr. Andreas Khol (tatsächliche Berichtigung) 84

Karl Freund 84

Karl Öllinger 85

Matthias Achs 87

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 89

Dr. Karl Maitz 91

Franz Lafer 92

Günter Kiermaier 94

Dr. Martin Graf 96, 174

Dkfm. Dr. Günter Puttinger 96, 172

Helmut Haigermoser 176

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigung) 179

Kenntnisnahme des Sicherheitsberichtes 1994 179

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Martin Graf und Genossen betreffend hochverräterische Angriffe gegen einen fremden Staat – Ablehnung 176, 179

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Bericht betreffend die Lage der österreichischen Landwirtschaft 1994 gemäß § 9 Landwirtschaftsgesetz 1992 (36. Grüner Bericht), vorgelegt vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft (III-9/58 d. B.)

Berichterstatter: Josef Schrefel 180

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Österreichischen Waldbericht 1994 (III-10/59 d. B.)

Berichterstatterin: Katharina Horngacher 180

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (7. d. B.): Übereinkommen zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen samt Anlagen und Erklärung (60 d. B.)

Berichterstatter: Jakob Auer 181

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 26/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend land- und forstwirtschaftliche Standortsicherung (61 d. B.)

Berichterstatter: Josef Schrefel 181

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Bericht der Bundesregierung (III-21 d. B.) über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für die Jahre 1996 und 1997 gemäß § 9 Abs. 2 LWG (91 d. B.)

Berichterstatter: Karl Freund 181


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23. Sitzung / Seite 6

Redner:

Anna Elisabeth Aumayr 182

Georg Schwarzenberger 185

Mag. Reinhard Firlinger 188

Heinz Gradwohl 192

Robert Wenitsch 194

Andreas Wabl 196, 214

Mag. Thomas Barmüller 198

Rudolf Schwarzböck 200

Franz Koller 201

Rainer Wimmer 203

Ing. Monika Langthaler 204

Jakob Auer 206

Arnold Grabner 208

Katharina Horngacher 209

Matthias Achs 210

Josef Schrefel 211

Sophie Bauer 213

Otmar Brix 217

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller 217

Ing. Mathias Reichhold 218

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 220

Kenntnisnahme des Grünen Berichtes 1994 und des Waldberichtes 1994 222

Genehmigung des Staatsvertrages in 60 d. B. 223

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 61 d. B. 223

Kenntnisnahme des Berichtes der Bundesregierung III-21 d. B. 223

Entschließungsantrag der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Maßnahmen gegen Waldverwüstung durch jagdbares Wild – Ablehnung 197, 223

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Vereinbarung nach Art. 15a B-VG über die Errichtung eines Nationalparks in den Donauauen bei Wien und östlich von Wien – Ablehnung 199, 223

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend EU-Entschädigung für Österreichs Rinderbauern – Ablehnung 202, 222

Entschließungsantrag der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Moratorium für Freisetzungsanträge von gentechnisch veränderten Organismen – Ablehnung 205, 222

Entschließungsantrag der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Forschungsschwerpunkt für den biologischen Landbau – Ablehnung 205, 223

7. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 188/A der Abgeordneten Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler, Ing. Kurt Gartlehner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz geändert wird (BHG-Novelle 1996) (144 d. B.)

Berichterstatter: Josef Edler 224

Redner:

Ing. Kurt Gartlehner 224

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler 225

Mag. Gilbert Trattner 225

Dr. Alexander Van der Bellen 225

Mag. Franz Steindl 225

Johann Kurzbauer 226

Annahme des Gesetzentwurfes in 144 d. B. 226

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 144 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung von Vorschlägen für alternative Kriterien im BHG (E 11) 226

8. Punkt: Regierungsvorlage: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Norwegen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (46 d. B.)

(Gemäß § 28a GOG keine Ausschußvorberatung)

Genehmigung des Staatsvertrages in 46 d. B. 227

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 35

89: Übereinkommen (Nr. 173) über den Schutz der Forderungen der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers samt Erklärung; Empfehlung (Nr. 180) betreffend den Schutz der Forderungen der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers

99: Briefwechsel betreffend die Auflösung der Vereinbarung zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 11 des Basler Übereinkommens über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung

100: Internationales Kaffee-Übereinkommen von 1994

102: Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den Internationalen Gerichten

105: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit

106: Nahrungsmittelhilfe-Übereinkommen von 1995

107: Kündigung von Handelsabkommen mit Ecuador, El Salvador und Guatemala sowie eines Abkommens über die Gewährung begünstigter Zollsätze mit Ungarn

113: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz) geändert wird

115: Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Belarus andererseits samt Anhängen und Protokoll

116: Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Kirgisischen Republik andererseits samt Anhängen und Protokoll


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23. Sitzung / Seite 7

117: Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Kasachstan andererseits samt Anhängen und Protokoll

118: Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit

119: Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit

120: Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Republik Bosnien-Herzegowina weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit

121: Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über Soziale Sicherheit

122: Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Türkischen Republik über Soziale Sicherheit

123: Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tunesischen Republik über Soziale Sicherheit

124: Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über Soziale Sicherheit

126: Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Staat Israel andererseits samt Anhängen und Protokollen sowie Schlußakte und Erklärungen

128: Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz geändert wird

129: Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen

130: Bundesgesetz, mit dem das Finanzstrafgesetz geändert wird

131: Bundesgesetz, mit dem das Zollrechts-Durchführungsgesetz geändert wird (2. ZollR-DG-Novelle)

132: Bundesgesetz, mit dem das Mineralölsteuergesetz 1995, das Biersteuergesetz 1995, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Alkohol – Steuer und Monopolgesetz 1995 und das Tabaksteuergesetz 1995 geändert werden (Verbrauchsteueränderungsgesetz 1996)

134: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG-Novelle 1996), das Gehaltsgesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, das Nebengebührenzulagengesetz, das Karenzurlaubsgeldgesetz, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, die Bundesforste-Dienstordnung 1986, das Bezügegesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Richterdienstgesetz und das Bundes-Personalvertretungsgesetz geändert werden


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23. Sitzung / Seite 8

149: Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz geändert wird (EU-Novelle 1996 zum AWG)

Berichte 36

III-26: Bericht im Sinne des § 83 Abs. 3 des UOG 1993, BGBl. Nr. 805/1993, über seine Tätigkeit vom 20. Oktober 1994 bis 31. Dezember 1995; Universitätenkuratorium

III-28: Außenpolitischer Bericht 1995; Bundesregierung

Anträge der Abgeordneten

Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen, das Freisetzen und Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen und die Anwendung von Genanalyse und Gentherapie am Menschen geregelt werden (Gentechnikgesetz – GTG) und das Produkthaftungsgesetz, BGBl. Nr. 510/1994, geändert wird (192/A)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechtsanwaltstarifgesetz 1969 und das Gesetz vom 1. 8. 1895 über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (Zivilprozeßordnung) geändert werden (193/A)

Rudolf Anschober und Genossen betreffend Schaffung europäischer Atomausstiegspläne im Zusammenhang mit der Osterweiterung der EU (194/A) (E)

Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 1985, BGBl. Nr. 444, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 583/1995, geändert wird (195/A)

Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird (196/A)

Rudolf Anschober und Genossen betreffend Legalisierung der Benützung der Straßenfahrbahn durch Inline-Skater und Aufhebung der Radwegebenützungspflicht (197/A) (E)


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23. Sitzung / Seite 9

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend Maßnahmen zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich, Sicherung der internationalen Konkurrenzfähigkeit Österreichs und Reduktion der Arbeitslosigkeit (198/A) (E)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend Maßnahmen zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich, Sicherung der internationalen Konkurrenzfähigkeit Österreichs und Reduktion der Arbeitslosigkeit (199/A) (E)

Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend die umgehende Realisierung von ausschreibungsreifen Straßenbauprojekten im Bundesland Kärnten (200/A) (E)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend Verwirklichung eines Maßnahmenpaketes zur Stützung der krisengeschüttelten Bauwirtschaft (201/A) (E)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend die Schaffung eines Industriestandortsicherungsgesetzes (202/A) (E)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend Entlastung der österreichischen Ausbildungsbetriebe und Attraktivierung der Lehre (203/A) (E)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend Novellierung des Bundesgesetzes vom 26. März 1947 (2. Verstaatlichungsgesetz), BGBl. Nr.81/1947 (204/A) (E)

Hermann Böhacker und Genossen betreffend Entsteuerung von Überstunden (205/A) (E)

Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelgesetz geändert wird (206/A)

Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird (207/A)

Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird (208/A)

Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das UVP-Gesetz geändert wird (209/A)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz 1994 geändert wird (210/A)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller, Karlheinz Kopf und Genossen betreffend Maßnahmen zur weiteren Verringerung der Ozonvorläufersubstanzen (211/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Dr. Josef Trinkl und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Verkürzung der realen Studienzeit (587/J)

Mag. Dr. Josef Trinkl und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend geplante Schließung des Bezirksgerichts Birkfeld, Steiermark (588/J)

Mag. Dr. Alfred Brader und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schließung der St. Pöltner Wachzimmer "Bahnhof" und "Rathaus" während der Nachtstunden (589/J)

Dr. Ilse Mertel und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Kündigung der Verträge mit den Wiener Neustädter, Villacher und Klagenfurter Verkehrsbetrieben (590/J)

Peter Rosenstingl und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Geisterfahrzeuge der Post (591/J)

Peter Rosenstingl und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Geisterfahrzeuge der Post (592/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Vorerhebungen gegen Bundesminister Dr. Caspar Einem (593/J)

Ute Apfelbeck und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Ergebnis der Rechnungshofprüfung betreffend Organisationsangelegenheiten der Österreichischen Bundesforste (594/J)

Ernst Fink und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Förderung von Behinderten (595/J)


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23. Sitzung / Seite 10

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Neuausschreibung zur Herausgabe der amtlichen Telefonbücher (596/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Neuausschreibung zur Herausgabe der amtlichen Telefonbücher (597/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verkauf von BUWOG-Wohnungen (598/J)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Auswirkungen des jüngst beschlossenen Belastungspaketes auf die österreichische Wirtschaft (599/J)

Mag. Walter Guggenberger und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Sicherheitsrisiko für Motorradfahrer (600/J)

Dr. Karl Maitz und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Förderung von grün-alternativen, regierungskritischen Broschüren durch den Sozialminister (601/J)

Dr. Friedhelm Frischenschlager und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend die Situation am Institut für Sprachwissenschaft der Universität Wien (602/J)

Dkfm. Holger Bauer und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend steigende Arbeitslosigkeit und weitere Zuwanderung von Ausländern nach Österreich (603/J)

Paul Kiss und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Subventionen an die Gesellschaft für Verkehrspolitik (604/J)

Dr. Willi Fuhrmann und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend skandalöse Aussagen eines Richters im Rahmen eines Verfahrens wegen NS-Wiederbetätigung (605/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Einführung einer zentralen Führerscheinevidenz und eines Punkteführerscheines (606/J)

Peter Marizzi und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Antimißbrauchgesetz (607/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Maßnahmen der Europäischen Union zur Umsetzung der Transitvereinbarungen des Beitrittsvertrages (608/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Erlassung einer 100-km/h-Beschränkung auf der Inntal Autobahn (609/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend neues Betriebsmodell bei der Firma PTA AG (610/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend EU-Standards, BSE und neue Beitrittskandidaten (611/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend enterohämorrhagisches Escherichia Coli in Milch und Fleisch (612/J)


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23. Sitzung / Seite 11

Dr. Stefan Salzl und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend mangelnde Sterilisationssicherheit von EU-konformer TKV-Fett- und Tiermehlproduktion (613/J)

Franz Koller und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Brennholzimporte aus den MOEL (614/J)

Ing. Mathias Reichhold und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Agrarstatistik im Österreichischen Statistischen Zentralamt (615/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Vorwurf eines Polizeiübergriffes (616/J)

Rudolf Anschober und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Wasserschutz in Oberösterreich (617/J)

Ing. Monika Langthaler und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend energetische und thermische Qualität von Bundeshochbauten (618/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend hohe Selbstbehalte bei Zahnersatz (619/J)

Dr. Friedhelm Frischenschlager und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Sozialversicherungspflicht für Werkverträge (620/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend den Austausch von Verbindungsrichtern/-staatsanwälten in der EU (621/J)

Ing. Monika Langthaler und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Entwurf des Bundesministeriums für Umwelt für eine Art.-15a-B-VG-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern über die Erreichung des Toronto-Zieles (622/J)

Ing. Monika Langthaler und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend widersprüchliche Aussagen des Wirtschaftsministers zu den Folgen der Aufhebung der Preisregelung für Treibstoffe (623/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die österreichisch-türkischen Beziehungen (624/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Wasserstraße Donau (625/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Wasserschutz in Oberösterreich (626/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Finanzierung des Gesundheitswesens (627/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Versicherungsschutz für Pflegekinder (628/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Frühkarenzierung von Behindertenbetreuerinnen (629/J)

Dr. Walter Schwimmer und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Einsparungsmöglichkeiten bei Krankenversicherungen (630/J)


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23. Sitzung / Seite 12

Johann Schuster und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Alkoholmißbrauch in Österreich (631/J)

Johann Schuster und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Fachhochschulstudiengang "Communication Engineering" (632/J)

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Arbeitsweise des Österreichischen Statistischen Zentralamtes (633/J)

Günther Platter und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend "Arena"-Veranstaltungen (634/J)

Paul Kiss und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Auszüge aus dem Vereinsregister (635/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Sozialversicherungspflicht für Werkverträge (636/J)

Maria Schaffenrath und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten betreffend den Betriebskindergarten des Bundeskanzleramtes (637/J)

Ing. Monika Langthaler und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend verpflichtende Einführung von Wärmepässen für Gebäude gemäß EU-Richtlinie 1993/76/EWG (638/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Gebührenfestsetzung durch die Umweltgutachter-Zulassungsgebührenverordnung (BGBl. Nr. 191/1996) (639/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend "berufliche Zukunftsaussichten für spezialisierte Fachkräfte im Umweltbereich" (640/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend "die wirtschaftliche und fachliche Bedeutung qualifizierter Arbeitskräfte bei der Umsetzung einer zeitgemäßen nachhaltigen Abfallwirtschaft" (641/J)

Maria Schaffenrath und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten betreffend Schulung und Weiterbildung von Frauen (642/J)

Mag. Walter Posch und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend schulische Integration behinderter Kinder (643/J)

Peter Marizzi und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Dumping-Angebote von Leiharbeitsfirmen aus dem EU-Raum (644/J)

Peter Schieder und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend den Besuch in Albanien (645/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Klara Motter und Genossen (273/AB zu 281/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (274/AB zu 318/J)


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23. Sitzung / Seite 13

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen (275/AB zu 265/J)


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23. Sitzung / Seite 14

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Emmerich Schwemlein und Genossen (276/AB zu 293/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (277/AB zu 310/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen (278/AB zu 467/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (279/AB zu 339/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Anton Blünegger und Genossen (280/AB zu 354/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Susanne Preisinger und Genossen (281/AB zu 361/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen (282/AB zu 269/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (283/AB zu 271/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch und Genossen (284/AB zu 424/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (285/AB zu 264/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (286/AB zu 263/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (287/AB zu 267/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (288/AB zu 353/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Brigitte Tegischer und Genossen (289/AB zu 391/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen (290/AB zu 273/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen (291/AB zu 280/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (292/AB zu 306/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (293/AB zu 316/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen (294/AB zu 499/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Emmerich Schwemlein und Genossen (295/AB zu 292/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (296/AB zu 358/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Paul Kiss und Genossen (297/AB zu 334/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Günther Platter und Genossen (298/AB zu 335/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Jakob Auer und Genossen (299/AB zu 348/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Günther Platter und Genossen (300/AB zu 422/J)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (301/AB zu 308/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (302/AB zu 320/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Brunhilde Fuchs und Genossen (303/AB zu 296/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Marianne Hagenhofer und Genossen (304/AB zu 294/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Susanne Preisinger und Genossen (305/AB zu 291/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Inge Jäger und Genossen (306/AB zu 278/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Inge Jäger und Genossen (307/AB zu 277/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Inge Jäger und Genossen (308/AB zu 276/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Helmut Kukacka Genossen (309/AB zu 287/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Genossen (310/AB zu 274/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (311/AB zu 317/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (312/AB zu 272/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Walter Murauer und Genossen (313/AB zu 283/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (314/AB zu 313/J)


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23. Sitzung / Seite 15

des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (315/AB zu 262/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen (316/AB zu 266/J)

des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen (317/AB zu 282/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Haigermoser und Genossen (318/AB zu 286/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen (319/AB zu 290/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (320/AB zu 302/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen (321/AB zu 304/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (322/AB zu 312/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (323/AB zu 360/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (324/AB zu 288/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Heinz Gradwohl und Genossen (325/AB zu 297/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch und Genossen (326/AB zu 398/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (327/AB zu 382/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen (328/AB zu 299/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Brigitte Tegischer und Genossen (329/AB zu 279/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen (330/AB zu 300/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (331/AB zu 362/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Ridi Steibl und Genossen (332/AB zu 565/J)


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23. Sitzung / Seite 16

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (333/AB zu 325/J)


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23. Sitzung / Seite 17

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (334/AB zu 328/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (335/AB zu 329/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (336/AB zu 319/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (337/AB zu 315/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (338/AB zu 408/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (339/AB zu 462/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Anton Blünegger und Genossen (340/AB zu 355/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen (341/AB zu 303/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen (342/AB zu 305/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (343/AB zu 321/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (344/AB zu 331/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (345/AB zu 367/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Lafer und Genossen (346/AB zu 351/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Lafer und Genossen (347/AB zu 357/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (348/AB zu 332/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Jakob Auer und Genossen (349/AB zu 333/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (350/AB zu 359/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Lafer und Genossen (351/AB zu 350/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Lafer und Genossen (352/AB zu 352/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (353/AB zu 336/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (354/AB zu 337/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (355/AB zu 340/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Ute Apfelbeck und Genossen (356/AB zu 349/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Johann Schuster und Genossen (357/AB zu 347/J)

*****

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (1/ABPR zu 1/JPR)


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23. Sitzung / Seite 18

Beginn der Sitzung: 10.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer , Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser , Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder .

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen und bitte, die Plätze einzunehmen.

Ich eröffne die 23. Sitzung des Nationalrates.

Die Amtlichen Protokolle der 20., 21. und 22. Sitzung sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeeinsprucht geblieben.

Als verhindert gemeldet für den heutigen Sitzungstag sind die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé, Mag. Stadler, Ellmauer, Dkfm. Ruthofer, Dr. Mertel und Mag. Peter.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Herr Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 16. Mai mitgeteilt, daß er sich heute im Ausland befindet. Er wird gemäß Art. 69 der Bundesverfassung automatisch vom Vizekanzler vertreten.

Weiters hat das Bundeskanzleramt für diese Sitzung über Entschließungen des Bundespräsidenten betreffend Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung wie folgt Mitteilung gemacht:

Herr Sozialminister Franz Hums wird durch Frau Bundesministerin Dr. Christa Krammer vertreten.

Herr Finanzminister Klima wird durch Herrn Bundesminister Dr. Einem vertreten.

Ich bitte um Kenntnisnahme.

Aktuelle Stunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Aktuellen Stunde. Als Thema ist vorgeschlagen:

"Reform der Universitäten und Kunsthochschulen"

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die einschlägigen Bestimmungen der Geschäftsordnung sind bekannt.

Der erste Redner zur Aktuellen Stunde ist Herr Abgeordneter Dr. Nowotny. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.03

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir haben beantragt, heute eine Aktuelle Stunde zum Thema "Reform der Universitäten und Kunsthochschulen" durchzuführen. Ausgangspunkt ist die derzeitige Situation einer massiven Diskussion über Universitäten in ganz Europa. Es gibt eine Fülle von Literatur mit Themen wie "Ist die Uni noch zu retten?", "Krise der Universitäten" und ähnliches, es gibt Studentenunruhen, und es ist daher ganz offensichtlich: Wir haben international eine Krise der Universitätssysteme. – Wobei ich nicht annehme, daß diese gewaltige Unruhe hier im Saal durch diese Krise der Universitätssysteme verursacht ist, sondern hoffen würde, daß dieses Thema vielleicht doch ein bißchen mehr Aufmerksamkeit findet. (Abg. Dr. Krüger: Die Rede erweckt zuwenig Aufsehen!)


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23. Sitzung / Seite 19

Das ist ein Problem der Universitäten, und das ist leider ein Problem dieses Hohes Hauses, daß oft und gerade auch von Ihrer Seite die Rolle der Universitäten unterschätzt wird, obwohl diese eine so große Bedeutung haben und es verdienen würden, daß gerade auch von Ihrer Seite – aber ich würde auch alle anderen miteinschließen – Fragen der Wissenschaft größere Beachtung geschenkt wird, als es des öfteren geschieht. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist gerade in der Wissenschaftspolitik wichtig, diese internationalen Aspekte zu sehen, um die Entwicklung in Österreich richtig beurteilen zu können. Denn es ist tatsächlich so: Wir haben an den Universitäten in Österreich derzeit schwierige Zeiten, es ist nicht zu leugnen, zum Teil auch Krisenstimmung, aber es wäre falsch, die Ursache dafür nur bei der Regierung oder bei den Ministern zu sehen und zu glauben, das wäre ein isoliertes österreichisches Problem.

Nun ist es so, daß die Universitäten extrem unterschiedlich sind. Es gibt heute zweifellos nach wie vor gewisse idyllische Bereiche, es gibt andererseits Bereiche, die unter größtem Druck stehen, und als jemand, der glaubt, die Praxis der Universitäten doch relativ weitgehend zu kennen, kann ich sagen: Es gibt große Probleme, und es wäre falsch, sie zu ignorieren, aber es gibt auf den Universitäten auch großartige Leistungen, großartige Leistungen im Wissenschaftsbereich, großartige Leistungen im Ausbildungsbereich. Unsere Absolventen bewähren sich international ausgezeichnet, und bei aller berechtigten Kritik möchte ich davor warnen, eine Selbstentwertung der österreichischen Universitäten durch eine Diskussion vorzunehmen, die diese großartigen Leistungen ignoriert. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dkfm. Holger Bauer: Halleluja!)

Genau das ist das Argument, das man immer wieder hört. Wenn man auf diese Leistungen hinweist, wird es als Schönfärberei gesehen. Ich würde Sie einladen, wer immer diesen "intelligenten" Zwischenruf gerade gemacht hat (Abg. Dkfm. Holger Bauer zeigt auf) – das wundert mich nicht, daß er von Ihnen kommt (Beifall bei der SPÖ) –: Schauen Sie sich einmal die Universitäten wirklich an! Sehen Sie sich an, was dort gearbeitet wird, und ich glaube, Sie werden dann eine etwas andere Einschätzung bekommen, als Sie sie jetzt geäußert haben. (Abg. Hermann Böhacker: Jawohl, Herr Oberlehrer!) Auch das ist keine Beleidigung, sondern Lehrer sein ist ein ehrenwerter Beruf.

Was nun Not tut, ist zweifellos eine konkrete, pragmatische Diskussion. Diese findet auch statt, und der Zweck dieser Aktuellen Stunde ist es, über diese konkrete Diskussion einen Zwischenbericht zu geben, einen Zwischenbericht zu erhalten.

Ich möchte nur einige Problembereiche anschneiden:

Erster Problembereich ist die Frage der Personalentwicklung an den Universitäten. Ich möchte betonen, ich halte das für den wichtigsten Bereich überhaupt. Universitäten leben von der Arbeit der Wissenschafterinnen und Wissenschafter, die dort tätig sind. Diesbezüglich muß man auch sehr klare Prioritäten setzen. Wenn man etwa amerikanische Universitäten besucht, so sieht man, daß dort oft durchaus in relativ schäbigen Gebäuden gearbeitet wird, daß es aber viel Personal, daß es gute Bibliotheken gibt.

In Österreich besteht manchmal die Gefahr, daß zuerst einmal sehr schöne Gebäude errichtet werden, daß wir aber dann Probleme in bezug auf die der personelle Struktur haben. Ich muß in diesem Zusammenhang leider auf das aktuelle Problem der Veterinärmedizinischen Universität verweisen, die einen wirkliche Luxusbau bekommen hat, bei der wir aber derzeit Probleme mit der Personalseite haben. Es gibt aber auch andere Projekte in Diskussion, für die ich ebenfalls wünschen würde, daß die Prioritäten richtig gesetzt werden: Personal ist das Wichtigste – Gebäude sind auch wichtig, sie sind aber nicht das, was das Herz einer Universität ausmacht.

Zweiter wichtiger Punkt ist die Frage des Dienst- und Besoldungsrechtes. Auch hierzu ein offenes Wort. Es gibt zum einen eine gewerkschaftliche Perspektive, die wichtig und legitim ist, vor allem aber sind Fragen auch des Besoldungs- und Dienstrechtes auf Universitäten unter dem Aspekt der internationalen wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit zu diskutieren. Das muß der Maßstab für die Strukturen sein – und nicht eine möglichst enge Anpassung an ein bestehendes Beamtenrecht.


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23. Sitzung / Seite 20

Dritter Punkt: die Lage der Studierenden. Auch da gehe ich davon aus: Für die Universitäten muß das Leistungsprinzip gelten. Darin liegt ja die gesellschaftliche Verantwortung, daß die Universität gut ausgebildete Menschen für die Gesellschaft bereitstellt. Aber man muß es den Studierenden natürlich auch ermöglichen, diese Leistungen zu erbringen. Für uns Sozialdemokraten ist daher vor allem auch die Frage der sozialen Durchgängigkeit, der sozialen Offenheit der Universitäten von Bedeutung. Und da sind noch weitere Verhandlungen notwendig.

Ich möchte beispielsweise auf das Problem der Fahrtkosten hinweisen, von dem sozial schwächere Studierende gerade auch aus den Bundesländern betroffen sind. Bisher hat nur die Stadt Linz eine entsprechende Lösung angeboten, die aber leider noch immer nicht realisiert werden kann. Ich bin selbst Mitglied des Aufsichtsrates der Linzer Verkehrsbetriebe. Wir haben schon vor etwa einem Monat oder länger einen Brief an das Familienministerium geschrieben, leider aber noch keine Antwort bekommen, sodaß die entsprechenden Möglichkeiten nicht genutzt werden können.

Jedenfalls haben die Universitäten eine Verpflichtung gegenüber den Studierenden, und ich halte es für gefährlich, die Studierenden quasi als Geisel für Forderungen der Universitäten zu nehmen, etwa durch Verhängung eines Aufnahmestopps. Das ist für uns eine völlig inakzeptable Vorgangsweise. Es müssen in den Universitäten selbst deutlich andere Prioritäten gesetzt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiterer Punkt betrifft Fragen des Studienrechtes. Dabei geht es darum, eine Studienzeitverkürzung zu erreichen, die nicht zu Lasten der Qualität geht, sondern die einfach von den vorgegebenen Strukturen ausgeht, daß wir eine Trennung zwischen Magisteriumsstudium und Doktoratsstudium haben, eine Trennung, die derzeit in der Praxis oft verwischt wird.

Ich glaube, es ist notwendig und auch möglich, daß sich die Universitäten durchaus eigene Profile geben können, die allerdings nicht so weit gehen dürfen, daß eine Vergleichbarkeit und Überschaubarkeit der österreichischen Universitäten nicht mehr gegeben ist. Ich sehe daher keinen Bedarf etwa an Privatuniversitäten in Österreich. Das ist ja gerade der Vorteil unseres Systems, daß jede Universität eine Möglichkeit hat, sich zu profilieren, daß eine breite Basis für die Studierenden in Österreich gegeben ist.

Insgesamt geht es bei den Universitäten nicht um Fragen der Konfrontation, sondern es geht um eine Politik der Kooperation, wie Sie gerade von Minister Scholten getragen wird, eine Kooperation, die für die Universitäten günstig ist, die aber auch für die Gesellschaft insgesamt wichtig ist, denn die Universitäten sind ein viel zu wichtiger Teil der Gesellschaft, als daß man sie links liegenlassen könnte.

In diesem Sinne glaube ich, daß wir an einer ganz entscheidenden Marke der österreichischen Politik stehen, und ich hoffe, daß wir diese Herausforderung auch entsprechend annehmen können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Abgabe einer Stellungnahme hat sich der Herr Bundesminister gemeldet. Sie soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundesminister.

10.12

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte der vergangenen Monate war von einem Argument, das nicht unrichtig ist, beherrscht. Wir diskutieren ständig und mit großem Engagement Fragen des Dienstrechtes, Besoldungsfragen, Abgeltungssysteme, zu wenig aber diskutieren wir die eigentlichen Strukturen, die Reformschritte, die notwendig sind, um den Universitäten und der Forschungslandschaft in Österreich den wettbewerbsfähigen, modernen, autonomen Stellenwert zu geben, den diese Institutionen dringend brauchen, um in der Gesellschaft, in der sie erfolgreich tätig sein sollen, auch erfolgreich tätig sein zu können.

Dieser Vorwurf ist meines Erachtens zu Recht erhoben worden, hingegen darf man nicht übersehen, daß er von manchen natürlich nur dazu verwendet wurde – und nach wie vor wird –,


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23. Sitzung / Seite 21

um einer schwierigen Situation im Personalbereich diese x-beliebige Schwierigkeit einer nebulosen Strukturdebatte anzuhängen. Ich denke daher, daß es sehr wichtig ist, daß wir heute hier Gelegenheit haben, über die konkreten Reformschritte zu sprechen, die an den Universitäten gesetzt werden, um genau diese Strukturen zu bewegen.

Hohes Haus! Ich möchte ein paar wesentliche Punkte hervorheben, um klarzumachen, daß die Entwicklung der internen Organisation, der Qualität der Institutionen und auch der Entscheidungsabläufe und der Möglichkeiten der einzelnen durch diese notwendigen Reformen, insbesondere aber im Hinblick auf eine Kundenorientiertheit der Universitäten, nämlich im Hinblick auf Studierende auf der einen und die Gesellschaft auf der anderen Seite, verstärkt werden soll.

Der erste Punkt ist, daß wir in der Umsetzung des UOG 1993 zügig voranschreiten wollen, voranschreiten und auch vorankommen. Wir befinden uns mitten in der ersten Phase, in der die Montan-Universität Leoben und die Universität für Bodenkultur bereits innerhalb des UOG tätig sind; drei weitere Universitäten bereiten sich unmittelbar auf diesen Schritt vor. Die zweite Phase wird im Herbst beginnen, die dritte Phase wird nach dem Zeitraum 1996/1997 anschließen.

Wenn manchmal polemisiert wird, die UOG-Umsetzung erfolge nicht zeitgerecht oder nicht rasch genug, dann lade ich diejenigen, die das tun, herzlich ein, bei irgendeinem dieser Gespräche irgendwann zumindest einmal teilzunehmen, dann würden sie sehen, daß erstens der Vorwurf an sich falsch ist und daß es zweitens einen einzigen Punkt gibt, den wir im Zeitablauf mitzubeachten haben, nämlich die Bereitschaft und das Ausmaß an Vorbereitung der einzelnen Universitäten, diese Schritte zu setzen. Denn das UOG bringt mit Sicherheit in zweierlei Hinsicht nichts: zum einen, wenn wir Institutionen zwingen, gegen ihren Willen die Umsetzung vorzunehmen, und zum zweiten, wenn wir den Willen der Institutionen nicht ausreichend unterstützen, also das Ganze verlangsamen.

Wir sind daher dabei, durchaus im ursprünglichen Zeitplan zu versuchen, die entsprechenden, auch budgetär abgesicherten Schritte zu setzen. Das wird zu einer Entbürokratisierung führen, zu einer klaren Verantwortlichkeit universitätsinterner Organe, zur Einrichtung des Studiendekans, der insbesondere den Lehrbetrieb zu betreuen haben wird, zu einer Entscheidungshoheit der Universitäten, auch was Berufungen und andere Personalfragen betrifft, zu einer weitgehend unabhängigen Budgetierung und – das ist ein wesentlicher Punkt – zu einer verpflichtenden Evaluierung der Lehr- und Forschungstätigkeit.

Der zweite Punkt, über den wir die Diskussion in den nächsten Monaten abschließen wollen, ist das Studienrecht. Es gibt in der Öffentlichkeit zwei bis drei Punkte, die als sehr kontroversiell geschildert werden. Diese sind aus meiner Sicht jedoch nicht das zentrale Problem, und dafür werden wir auch sicherlich Kompromisse finden, ohne an der Qualität des Studienrechtes Veränderungen vornehmen zu müssen. Da können wir jedem Einwand entgegentreten. Aber der zentrale Punkt des Studienrechtes ist die Deregulierung, ist ein Überantworten des Studienrechtes an die einzelnen Fakultäten und Studienkommissionen, ist die Tatsache, daß die Universitäten angehalten und durch das Gesetz aufgefordert sind, sich bei der Studienplanerstellung über das Leitbild, das Verwendungsprofil der einzelnen Studienrichtungen klar bewußt zu sein. Die Kundenorientiertheit im Hinblick auf die Studenten ist dabei ein zentraler Punkt.

Das Studienrecht wird natürlich auch das entscheidende Instrument sein, um die De-facto-Studienzeiten senken zu können, und – das halte ich für einen ganz zentralen Aspekt – das Studienrecht soll auch dazu führen, daß die Studierenden auf der einen Seite kürzer studieren können, auf der anderen Seite auch Rechte haben, die in unserer Gesellschaft selbstverständlich sind.

Der dritte Punkt ist, daß die Universitäten buchstäblich gezwungen werden, die Debatte über die Studienpläne auch mit jenen zu führen, die nicht Universitätsangehörige sind. Ich halte das sich manchmal wiederholende Argument, das sei eine Auslieferung der Universitäten an die Wirtschaft für – um es vorsichtig auszudrücken – falsch. De facto gibt es auf seiten der Universitäten eine Tendenz, die in die Richtung geht, jeden von außen kommenden Einfluß sofort als Verlust der Selbständigkeit zu qualifizieren. Ich glaube, daß wir primär hier den zukünftigen Weg der


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23. Sitzung / Seite 22

Studierenden im Auge haben müssen, und dieser macht es nun unverzichtbar notwendig, daß man Studienpläne selbstverständlich im Dialog mit der Wirtschaft und mit anderen gesellschaftlich relevanten Gruppen außerhalb der Universitäten zu erstellen hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wird im unmittelbaren Verbund mit dem Studienrecht zu einer Reform des Medizinstudiums kommen. Wir werden eine entsprechende Reform des Zahnmedizinstudiums anschließen müssen, um das, was derzeit als Übergangslösung eingerichtet ist und die europäische Anerkennung garantiert, in eine endgültige und auch rechtlich taugliche Form zu bringen. Wir werden die Organisation der Kunsthochschulen zu reformieren haben – es gibt bereits weitreichende Gespräche mit den Kunsthochschulen, um sie auch in das Studienrecht aufzunehmen –, und es wird auch darum gehen – das darf man bei alledem nicht vergessen –, daß die universitätsinternen Organe diese deutlich vermehrte Autonomie und Selbständigkeit dazu nützen, sich qualitätsorientiert dieses Instrumentes zu bedienen. Es wird auch darum gehen, daß es zum großen Teil wirklich zu einem Wandel von Einstellungen kommt, die dem Rechnung tragen, daß die Universitäten – da möchte ich an das anschließen, was Herr Abgeordneter Nowotny gesagt hat – eine gesellschaftlich bedeutsame und in einer Lerngesellschaft, in der wir uns ohne Zweifel befinden, wachsende Bedeutung haben.

Ich möchte auch von dieser Stelle aus nochmals die Gelegenheit dazu benutzen, klarzustellen, daß jede Debatte, die wir mit Universitäten führen, nichts an diesem Punkt verändern darf und kann, daß die Universitäten eine zentrale Einrichtung dieser Gesellschaft sind, daß die Universitäten unverzichtbare Voraussetzung dafür sind, daß wir das schaffen, woran alle, nehme ich an, mit großem Engagement arbeiten, nämlich die Herausforderungen der Zukunft zu bestehen.

Gerade das macht es aber auch notwendig, daß wir die Universitäten reformieren – das wird getan. – Ich danke für diese Gelegenheit, das heute hier darstellen zu können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.21

Präsident Dr. Heinz Fischer : Die Redezeit aller weiteren Redner in der Aktuellen Stunde beträgt nunmehr jeweils 5 Minuten.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordnete Dr. Stippel. – Bitte.

10.21

Abgeordneter Dr. Johann Stippel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Anknüpfend an die Ausführungen meiner beiden Vorredner möchte ich an die historische Entwicklung unserer Universitäten und Kunsthochschulen erinnern, die bis zum Jahr 1970 eine Sektion im damaligen Unterrichtsministerium waren. Damals traf Bruno Kreisky die zukunftsweisende, richtige Entscheidung, ein eigenes Ministerium für Wissenschaft und Forschung in Österreich ins Leben zu rufen.

Das hat dazu geführt, daß es zu einer Aufwertung von Wissenschaft und Forschung in unserem Lande gekommen ist. Das hat dazu geführt, daß beispielsweise im universitären Bereich die Zahl der Lehrenden um zwei Drittel zugenommen hat, der Raumbedarf sogar verdoppelt werden konnte. Kollege Nowotny hat schon auf das Gleichgewicht und die Schwerpunktsetzung dieser Ressourcen hingewiesen.

Allerdings – und das muß man mit aller Deutlichkeit sehen und auch sagen – ist es in dieser Zeit in vielen Bereichen, in vielen Studienrichtungen zu einem explosionsartigen Anstieg der Zahl der Studierenden gekommen, weil wir Sozialdemokraten, meine sehr geschätzten Damen und Herren, das Grundprinzip des offenen Hochschulzuganges immer in den Vordergrund unserer Überlegungen gestellt haben. Und dabei soll es auch bleiben: Es muß weiterhin einen offenen Hochschulzugang in diesem Lande geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn es nun, meine sehr geschätzten Damen und Herren, aufgrund dieses offenen Hochschulzuganges bei manchen Studienrichtungen zu einem sehr schwierigen Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden kommt, noch dazu in Studienrichtungen, wo die Chancen für eine


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kommende Berufsausübung in Österreich sehr gering sind, dann kann – und das muß man den Studierenden dort auch mit aller Deutlichkeit sagen – die Lösung nicht darin liegen, daß man nun vermehrt Planposten und vermehrt Räumlichkeiten und Geräteressourcen zur Verfügung stellt. Es muß dann beim offenen Hochschulzugang die Eigenverantwortlichkeit der Studierenden soweit gegeben sein, daß sie sich am Beginn des Studiums überlegen, was sie studieren und welche Berufsaussichten es dann am Ende des Studiums für sie gibt.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ein Problem sei auch noch angeschnitten, bevor ich die Reformansätze kurz erläutere, nämlich das Problem der Ausnützung vorhandener Ressourcen. – Fast ein halbes Jahr lang steht der Großteil der Universitätsräumlichkeiten leer. Diese räumlichen Ressourcen werden derzeit in Österreich viel zu wenig ausgenützt; dasselbe gilt auch für viele Geräteressourcen.

Ich erinnere mich an eine Zeit, als die Informatiker an der TU streikten, weil sie zu wenig Computer zur Verfügung hätten, wie sie damals sagten. Mein Sohn studierte damals und erzählte mir, daß selbstverständlich zwischen Montag und Freitag zwischen 10 und 12 Uhr vormittags ein Engpaß herrscht. Aber wenn ein Student bereit ist, vielleicht um 4 oder 5 Uhr nachmittags auf dem Computer zu arbeiten, dann könne er sich den Computer sogar aussuchen. – Ein weiteres Beispiel dafür, daß die Ressourcen an unseren Universitäten, die durchaus vorhanden sind, nicht optimal genutzt werden.

Auch was die Zeitressourcen anlangt, möchte ich hier etwas in die Diskussion einbringen, das man vielleicht in Zukunft stärker in den Blickpunkt der Überlegungen stellen sollte: Könnte man nicht überlegen, von einer Semestereinteilung zu einer Trimestereinteilung zu kommen – ich weiß, es gibt da sehr, sehr viele Probleme, aber ich sage das einmal – und damit den Studierenden sozusagen zwei Geschwindigkeitsmöglichkeiten des Studiums anbieten? Der eine, der "normal" studieren will, muß zwei von drei Trimestern im Jahr belegen, der andere, der rasch studieren will, kann alle drei Trimester belegen und so schneller an sein Ziel kommen.

Um zu diesem Ziel zu kommen, haben wir hier im Hohen Haus in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren eine Menge an Arbeit zu bewältigen. Der Herr Bundesminister hat die gesetzlichen Voraussetzungen, die wir für eine Strukturreform der Universitäten schaffen müssen, bereits erwähnt. Ich kann mich dem nur vollinhaltlich anschließen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.26

Präsident Dr. Heinz Fischer : Nächster Redner ist der Herr Abgeordnete Dr. Lukesch. – Bitte.

10.26

Abgeordneter Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Sowohl Kollege Nowotny als auch Sie selbst, Herr Minister, haben darauf hingewiesen, daß angesichts der budgetären Konsolidierungsphase die Strukturfragen, die Strukturprobleme unserer Universität besonders deutlich zum Ausdruck gekommen sind, Ich brauche das daher nicht zu wiederholen.

Kollege Nowotny hat gesagt, das sei aber nicht auf Österreich beschränkt, es gebe so etwas wie einen internationalen Trend in Strukturfragen – bis hin zu einer Krise der Universität. Ich darf Sie auf ein Zitat aufmerksam machen, das ich der "Zürcher Zeitung" entnommen habe, wo der Präsident der ETH Zürich folgendes sagte:

"Das Nullwachstum der realen Finanzmittel in den letzten drei Jahren ist erwünscht. Wir wollen einen Beitrag zur Bewältigung einer schwierigen" – schweizerischen – "Budgetsituation leisten, dabei aber dynamisch bleiben und auf der Grundlage der Autonomie auch Verantwortung für die allgemeine Zukunftssicherung übernehmen." Also so ganz generell ist die Krise der Universität auf internationaler Ebene nicht, es gibt auch Ausnahmen. Meiner Meinung nach liegt der Grund für diese Ausnahme – und der Präsident sagte das ja – im Schlüsselwort "Autonomie". Die Österreichische Volkspartei hat diesen Weg mit dem UOG 1993 systematisch begonnen, und ich meine, Herr Bundesminister, wir müssen diesen Prozeß fortsetzen. (Beifall bei der ÖVP.)


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Die Prinzipien der Selbstbestimmung und Selbstverantwortung der Universitäten müssen durch eine Beschleunigung des gesamten Reformprozesses realisiert werden. Kurz fünf Thesen dazu, Herr Bundesminister:

Wir dürfen uns nicht abbringen lassen von der Umsetzung des UOG 1993, wie es von manchen Stimmen gefordert wird, von denen diese Organisationsreform in Geiselhaft zur Erreichung kurzfristiger, taktischer Zielsetzungen genommen wird. Da erwarte ich härtesten Widerstand und die Entschlossenheit der Durchsetzung Ihrer Zeitpläne. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, wir sollten die Autonomie, so wie sie in einer ersten Stufe 1993 geschaffen wurde, noch vertiefen. Was meine ich damit? – Wir sollten alle haushaltsrechtlichen Möglichkeiten ausnützen, um die Budgetsituation auf den Universitäten flexibler zu machen, den Entscheidungsspielraum der Reformuniversitäten auszuweiten und diesem Universitätsmanagement, dem neuen Universitätsmanagement auch tatsächlich die Möglichkeit geben, eine mehrjährige Finanzplanung in seinem Bereich einzuführen und auch verläßlich durchsetzen zu können.

Vielleicht bin ich da nicht ganz der Meinung des Kollegen Nowotny. – Ich glaube jedenfalls, daß die im Koalitionsabkommen vereinbarte Zulassung von ausländischen Universitäten nach einem Akkreditierungsvorgang, Bewertungsvorgang, auch ein wichtiger Schritt wäre, um den Wettbewerb als Entdeckungsprinzip für bessere Lösungen hier in Österreich durchzusetzen. – Herr Bundesminister, setzen wir diesen Schritt!

Über einen zweiten wichtigen Eckstein sind wir in der Umsetzung noch nicht gekommen: das ist das Universitätenkuratorium. Herr Bundesminister! Bitte schaffen Sie die Rahmenbedingungen dafür, daß dieses Universitätenkuratorium als strategische Einheit zur mittel- und langfristigen Orientierung unserer Universitäten tatsächlich wirksam wird. Stichwort Evaluierung, Stichwort Schwerpunktsetzung, ja Stichwort Masterplan für die Universitätsentwicklung. Das ist ein ganz wesentlicher Schritt.

Drittens: Das Hochschullehrer-Dienstrecht steht unmittelbar in Diskussion. Ich bin froh darüber, daß sich die Breite der Diskussion der Beteiligten auch erhöht hat und so jetzt alle Gruppen einbezogen sind.

Aber es gibt ein Prinzip, und ich bitte, auf einen Widerspruch aufmerksam machen zu dürfen, Herr Bundesminister, ein Widerspruch, der nämlich besteht, daß wir beim Dienstrecht auf die Flexibilität bei den jungen Forschern, bei den Assistenten nicht vergessen dürfen. In einer Zeit, in der die Zahl der Dienstposten nicht steigen wird, müssen wir auch für unsere jungen, für unsere neuen Forscher entsprechend Platz an den Universitäten haben.

Fünfter und letzter Punkt, Herr Bundesminister: Es muß auch neues Geld für unsere Universitäten und Forschungseinrichtungen – auch in einer Phase der Budgetkonsolidierung – geben. Stichwort dazu wäre: Kooperation der Universitäten mit der Wirtschaft, gemeinsame Einrichtungen (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) – ich bin sofort am Ende –, die Forcierung der Inanspruchnahme von EU-Mitteln, neue Wege bei der Drittmittelakquisition.

Herr Bundesminister! Meine Erfahrungen mit Strukturproblemen sind die: Man muß sie entschlossen anpacken. Abwarten und Tee trinken wird keine Antwort sein, um auf diese Fragen auch entsprechende Antworten zu finden. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Nowotny .)

10.32

Präsident Dr. Heinz Fischer : Schlußsätze haben offenbar unterschiedliche Längen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Brauneder. Er hat das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.32

Abgeordneter MMag. Dr. Willi Brauneder (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wenn ich zum Thema Universitäten das Wort ergreife, dann deshalb, um der zumindest subjektiv berechtigten Sorge um einen wesentlichen Teil unseres kulturellen Erbes –


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um es zu unterstreichen, müßte man wohl sagen: cultural heritage –, nämlich um der Sorge um die Universitäten Ausdruck zu geben.

Herr Bundesminister! Ich verkenne nicht den Umstand, daß Sie ein schweres Erbe angetreten haben. Dieses schwere Erbe liegt sicherlich einmal am Objekt, am Objekt der Universitäten, welches sich aus einer Summe von sehr eigenwilligen Subjekten zusammensetzt, was ich aber durchaus nicht als negativ, sondern als positiv im Sinne der Wissenschaft betonen möchte.

Sie haben aber auch ein Erbe von Ihren Vorgängern übernommen, das ich schlicht mit dem Wort "Fehlentwicklung" charakterisieren möchte, um nicht zu sagen: Sie haben bei der einen oder anderen Entwicklung einen Trümmerhaufen übernehmen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich will nicht viel über die Vergangenheit reden, meine Damen und Herren, aber doch bemerken: Die Mitbestimmung hat insgesamt nicht die Probe des Verfassungsgerichtshofs bestanden; die Praxis der Hausberufungen, oft an der Grenze der Gesetzwidrigkeit, hat nicht die Probe des Universitätenkuratoriums bestanden.

Zur derzeitigen Malaise hat unter vielen anderen Umständen auch einer beigetragen, den ich wie folgt benennen möchte: Schaffung von sogenannten De-facto-Professuren, dies dadurch, daß man durch eine Anhäufung von Rechtstiteln wie Assistentenstelle, Lehraufträge oder überhaupt nur Lehraufträge und zusätzlich Prüfungsbefugnisse das ersetzt hat, was eigentlich hätte geschaffen werden sollen, nämlich Planstellen für ordentliche oder außerordentliche Professoren.

Ich will noch mit einem Detail aufwarten: Ich wundere mich darüber, wie es kommen konnte, daß für einen verstorbenen Kollegen, der sechs Wochenstunden las, wie selbstverständlich ein Lehrauftragskontingent von acht bis zehn Wochenstunden zur Verfügung gestellt wurde, obwohl man überhaupt hätte daran denken können, daß die restlichen Fachkollegen die ausgefallenen Lehrveranstaltungen übernehmen.

Wenn ich dies sage, meine Damen und Herren, dann verkenne ich allerdings auch eines nicht, nämlich die Rolle der Universitäten, die ich auch kritisch sehe. Die Universitäten haben vielleicht nicht immer das getan, was sie von ihrem Ethos her hätten tun müssen. Sie haben meiner Meinung nach vor allem eines verabsäumt, nämlich kräftig herauszustreichen, daß sie auch Stätten der Forschung sind. Vielleicht beruhigen sich viele meiner Kollegen einfach damit, daß sie in den Fußnoten von anderen Kollegen zitiert werden. Aber die Publikumswirksamkeit der Forschung blieb aus, die Funktion der Universitäten als Forschungsstätten ist doch eigentlich nicht in die Öffentlichkeit gedrungen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich will in dieser Beziehung aber durchaus nicht nur den Universitäten die Schuld geben, sondern auch den Massenmedien. Die Massenmedien haben eigentlich nicht jenen Stolz im Hinblick auf unsere Hohen Schulen, den man verlangen könnte und der in der Vergangenheit durchaus vorhanden war. Die Massenmedien haben hier einfach versagt, sie haben der Bevölkerung nicht auf einfache Weise vermittelt, was die Hohen Schulen leisten, wie es beispielsweise Herr Kollege Nowotny als positiv hingestellt hat.

Ich verkenne auch nicht, daß die Universitäten es in der letzten Zeit verabsäumt haben, konkrete Sparvorschläge zu machen. Ich hätte mir als Parlamentarier erwartet, daß wesentlich mehr konkrete Sparvorschläge seitens der Universitäten gekommen wären.

Kurzum: Ich bin nicht nur dem Ministerium gegenüber kritisch, sondern auch jener Einrichtung, zu der ich mich berufsmäßig zähle.

Nach der Vergangenheit zur Gegenwart: Sie sieht so aus, daß jene die Suppe auszulöffeln haben, die andere in der Vergangenheit eingebrockt haben; jene sind in erster Linie die lern- und leistungswilligen und durchaus auch leistungsfähigen Studenten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Es ist auch bedauerlich, daß ein wesentlicher Reformanstoß im Bereich des Dienstrechts erst von einer bestimmten Art Geld kommt, nämlich von jenem Geld, das wir nicht haben. Das heißt, der Anstoß zu einer Neuorientierung des Dienstrechts wurzelt vehement in Sparmaßnahmen. Da ist es natürlich auch verständlich, daß es rasch gehen soll, weil man eben sparen muß. Und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Begutachtungsfristen zum Teil zu kurz sind, daß Begutachtungsfristen vielleicht sogar mit Füßen getreten werden, daß Stellungnahmen schubladisiert werden et cetera. Die Flut der Stellungnahmen zum Uni-StG ist ja Legion, ich bin aber sehr skeptisch, ob diese Stellungnahmen Berücksichtigung finden werden.

Ich bin auch skeptisch, ob das UOG eine Lösung bringen wird. Ich sehe vielmehr eine neue Bürokratie auf uns zukommen. Wenn ich das Beispiel der Montanuniversität Leoben heranziehe: Es hat sich für den Rektor neuen Stils lediglich ein Kandidat gefunden, noch kein Kandidat für den Vize-Rektor, aber es gibt fünf neue Dienstposten für die Verwaltung.

Hohes Haus! Was die Zukunft – nach Vergangenheit und Gegenwart – anlangt, sehe ich ihr mit einer gewissen Bangigkeit entgegen, und zwar vor allem im Hinblick darauf, daß ich meine, daß die Forschungsstätte Universität hinter der Lehrstätte Universität zurücktritt (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) , und ich bin noch im Satz, Herr Präsident –, Herr Minister, gerade Sie werden Verständnis dafür haben, wenn ich zu Ihnen sage – in Abwandlung eines klassischen Stücks –: "Sire, geben Sie den Universitäten jene Freiheiten, die die Universitäten brauchen!", ich füge sozusagen in Klammern hinzu: aber unbedingt nicht auch mehr, und weiters: "Sire, geben Sie vor allem dem Parlament jene Freiheit, die das Parlament benötigt, um Studienordnungen zu verabschieden!", und schließlich: "Sire, nehmen Sie sich bitte die Freiheit, die Universitäten zu kontrollieren, aber auch nicht sehr viel mehr!" – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Frischenschlager. Er hat das Wort.

10.38

Abgeordneter Dr. Friedhelm Frischenschlager (Liberales Forum): Herr Präsident! Hohes Haus! – Herr Bundesminister! Sie haben sich beim Wissenschaftssprecher der Sozialdemokraten, dem Kollegen Nowotny, so artig bedankt, daß Sie die Möglichkeit haben, heute hier doch ein paar Minuten zu den Problemen der Universitäten zu sprechen. Und ich sage ganz offen: Auch ich bin nicht undankbar, daß ich wenigstens diese 5 Minuten hier im Plenum habe, in einer Zeit, in der es auf der Straße, was Hochschulthemen betrifft, erstmals seit vielen Jahren besonders heiß zugeht.

Aber daß Sie so selten hier die Möglichkeit haben und wir, das hat eine Ursache, Herr Bundesminister: Wir sind jetzt fast ein halbes Jahr nach der Neuwahl, der Wissenschaftsausschuß hat aber in dieser ganzen Zeit nicht ein einziges Mal getagt, und die Ursache dafür ist, daß Sie, daß Ihr Ressort in dieser Zeit keine einzige verhandlungsfähige Unterlage in dieses Haus gebracht haben. Das ist der beklagenswerte Zustand, daß wir dazu nicht in der Lage sind, während auf der Straße, im wahrsten Sinne des Wortes, die Debatten stattfinden. Hier im Hohen Haus – Kollege Brauneder hat das ja in seinem Schlußsatz auch angedeutet –, in dem wir die Wissenschaftspolitik, die Universitätspolitik machen sollten, können wir es nicht, weil Ihr Ressort in bezug auf diese Unterlagen einfach säumig ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Bundesminister! Ihre Rede war voll von Absichtserklärungen, Sie sprachen immer von "wir werden" und "wir müssen". Ich habe eine dringende Bitte an Sie, Herr Bundesminister: Tun Sie etwas! Bringen Sie zum Beispiel das Studiengesetz ins Hohe Haus, auch wenn es noch nicht bis zum letzten Punkt und Beistrich mit Ihrem Koalitionspartner ausverhandelt ist! Vielleicht hat es einen Sinn, wenn die Dinge auch kontroversiell im Ausschuß debattiert werden. Ich würde Sie darum ersuchen, damit wir etwas tun können. (Bundesminister Dr. Scholten: Wer hindert Sie daran?)

Herr Bundesminister! Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder Sie schließen sich dem Kollegen Brauneder an und sagen, das Parlament soll es selber machen und ich kümmere mich nicht


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drum – oder Sie legen Ihre Vorlagen vor. Eines von beiden muß geschehen. Sie haben einen Entwurf vorgelegt, der in Begutachtung gewesen ist und jetzt seit Anfang dieses Jahres in Ihrem Ressort liegt, aber er kommt nicht ins Parlament. (Bundesminister Dr. Scholten: Er ist öffentlich!) Er ist zwar öffentlich, Herr Bundesminister, aber wir wollen im Ausschuß darüber sprechen. Es sollen ja Verhandlungen nicht irgendwo stattfinden, sondern hier im Hohen Haus. Daher ist es gerechtfertigt, daß wir Sie aufrufen, diese Vorlage, wie es den parlamentarischen Usancen entspricht, dem Parlament und dem Wissenschaftsausschuß auch tatsächlich vorzulegen. Ich ersuche Sie dringend darum.

Zweiter Punkt. Kollege Stippel hat die Ressourcenfrage angeschnitten. Es ist ja tatsächlich so, daß wir nicht damit rechnen können, daß sich in absehbarer Zeit auf einmal die Geldschleusen in diesem Bereich öffnen werden. Im Gegenteil: Wir werden alles daransetzen müssen, um besser mit den vorhandenen Mitteln auszukommen. Das ist also eine klare Sache.

Jetzt muß sich der Grundwiderspruch notwendigerweise auch hier durch diese Debatte ziehen. Kollege Stippel hat bereits darauf hingewiesen, daß der Zugang zur Universität frei sein soll. In Ordnung, Sie werden den Jubel des ganzen Hauses haben. Aber man muß auch konsequent sein: Wenn wir sehr vielen die Möglichkeit geben zu studieren und der freie Zugang zu den Universitäten gewährleistet ist, dann müssen von der Republik, von seiten der Koalitionsregierung auch die entsprechenden Ressourcen dafür zur Verfügung gestellt werden. Das ist das Problem. Da haben Sie in den vergangenen Jahren nicht sehr viel weitergebracht.

Dazu ein interessantes Detail: Seitens der Österreichischen Volkspartei, aber auch von sozialistischer Seite kam unlängst die Idee, daß auch Lehrabschlüsse einen freien Zugang zu den Universitäten ermöglichen sollten. In Ordnung, eine interessante bildungspolitische Idee. Aber ich frage mich, ob all jene, die diese Forderung erheben, auch dann hier die Konsequenzen ziehen und entsprechende Ressourcen für diesen weiteren Zufluß zu den Universitäten zur Verfügung stellen werden. Dazu lade ich die Koalition sehr herzlich ein.

Dritter Punkt: Der eigentliche Skandal in unserem ganzen universitären Bildungssystem ist das Studiengesetz. Es ist die Studienreform, die ausgeblieben ist, die aber dringend notwendig wäre. Studienzeiten von durchschnittlich sechs bis acht Jahren sind einfach unzumutbar. Deshalb besteht in diesem Falle dringender Bedarf an Reformen. Da versagt unser Universitätssystem aufgrund falscher universitärer Bildungsgrundlagen.

Mein letzter Satz: Herr Bundesminister! Wir können uns gegenüber der Jugend kein Versagen im Universitätsbereich mehr leisten, und wir können uns kein Versagen im Forschungsbereich gegenüber dem Wirschaftsstandort und der Gesellschaft Österreichs leisten. Die Regierung ist vieles schuldig geblieben.

Nochmals, Herr Bundesminister, sagen Sie nicht: Wir müssen, wir werden, wir sollen!, sondern tun Sie etwas! Das ist Ihre Aufgabe! (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.44

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nach anderthalb Jahren im Parlament staune ich hin und wieder immer noch über die Fähigkeit oder zumindest den Willen der Vertreter der Regierungsparteien, zu glauben, daß dann, wenn Sie ein bisserl Rauch aufsteigen lassen oder eine Nebelwand erzeugen, Probleme verschwinden. Herr Kollege Nowotny, den ich als ökonomischen Kollegen sehr schätze, hat das in seinen heutigen Ausführungen versucht.

Ich verstehe bis jetzt überhaupt nicht, wieso die Sozialdemokraten dieses Thema für die Aktuelle Stunde gewählt haben. International sei die Situation der Universitäten schwierig, wurde gesagt. – Na und? Zwingt uns das, das in Österreich zu kopieren oder zu wiederholen? Was soll das für ein Argument sein?


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Zweck der Aktuellen Stunde sei es, einen Zwischenbericht zu erhalten. – Welchen Zwischenbericht haben wir erhalten? Das UOG 1993 wird an den Universitäten weiter durchgeführt. Ich bin sehr dafür, aber das haben wir schon gewußt. Die Deregulierung des Studienrechtes soll kommen, hat Minister Scholten gesagt. Fein, wunderbar, aber das haben wir schon, wenn nicht gewußt, dann doch gehofft, das ist ja nicht wirklich neu.

Neu war in diesem Jahr, daß Tausende von Studenten auf der Straße gestanden sind, das ist keine sechs Wochen her, und neu war, daß die Universitäten landesweit praktisch den ganzen März im Generalstreik waren. – Das ist die Situation, vor der wir stehen, und an der hat sich relativ wenig geändert.

Wenn Sie wirklich wissen wollen, meine Kollegen von der Sozialdemokratie, wie die Situation an den Universitäten derzeit ist, brauchen Sie nur die "Salzburger Nachrichten" von heute zu lesen. Da steht viel mehr drin als das, was wir bisher in der Aktuellen Stunde erfahren haben (Beifall bei den Grünen) , nämlich daß die Zahl der Lehraufträge um 10 Prozent verringert werden wird und daß man nicht weiß, welche Auswirkungen das in den einzelnen Studienrichtungen haben wird, daß pro Lehrauftrag – oder wie immer dieses Ding dann in Zukunft heißen wird – statt einer 30prozentigen Kürzung eine 17prozentige Kürzung kommen wird, und vor allem, daß der Personalstopp an den Universitäten anhalten wird. Er wird nicht in der Form kommen, wie es ein Erlaß des Ministeriums noch vor wenigen Wochen angekündigt beziehungsweise verfügt hat. Dieser Erlaß stammte offenbar aus der Feder eines übereifrigen Beamten, der eine Richtlinie vielleicht wörtlich, jedenfalls nicht korrekt interpretiert hat.

Tatsache ist aber, daß nur ein Teil der freiwerdenden Stellen nachbesetzt werden kann. Das muß auf Dauer Auswirkungen haben. Diese Nichtnachbesetzungen gehen zu Lasten der Jüngsten an den Universitäten, was den wissenschaftlichen Nachwuchs betrifft, und sie gehen zu Lasten der Innovativen. Das wird früher oder später Auswirkungen haben. Die kurzfristigen Effekte sind kaum zu sehen, aber die langfristigen Folgen werden wir in einigen Jahren zu spüren bekommen.

Ich kann nicht feststellen, daß die österreichische Wirtschaftspolitik ernst nimmt, daß Bildungsausgaben Investitionen sind, und zwar Investitionen ins Humankapital. Wenn man sich das Budget anschaut, dann sieht man, daß sich das dort einfach nicht widerspiegelt. Insofern sind Zahlen unwiderlegbar. Sie finden zwar immer wieder Möglichkeiten, etwas mehr Geld in den Straßenbau zu pumpen. Aber wenn es darum geht, etwas mehr in die Bildungsinstitutionen, vor allem in die höhere Ausbildung zu pumpen, geht Ihnen die Phantasie aus, meine Damen und Herren.

Also ich kann nicht sehen, was uns diese Aktuelle Stunde an zusätzlicher Information gebracht hat. Die Situation an den Universitäten ist nach wie vor schlecht. Ich gebe gern zu, daß eine Übergangsregelung für das Wintersemester und das kommende Sommersemester gefunden wurde, durch die zumindest der nächste Generalstreik verhindert wird, aber an der Ausgangssituation, an der grundsätzlichen Situation hat sich fast nichts geändert. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

10.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Riedler. Er hat das Wort.

10.48

Abgeordneter Dr. Wolfgang Riedler (SPÖ): Meine Damen und Herren! Herr Minister! Ich denke, daß es sehr wohl seine Berechtigung hat, wenn wir heute dieses Thema etwas ausführlicher und außertourlich diskutieren wollen. Wir tun dies zu einem Zeitpunkt, zu dem in der Entwicklung der Wissenschafts- und Universitätspolitik einiges in Fluß geraten ist und einige Neuerungen zu erwarten sind, die die wissenschaftliche und universitäre Situation in Österreich doch erheblich verbessern werden.


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23. Sitzung / Seite 29

Meine Damen und Herren! Wenn wir auch – zugegebenermaßen unter Druck der Strukturanpassungsgesetze – zu einem neuen Dienst- und Besoldungsrecht kommen werden, dann ist das, glaube ich, ein wesentlicher Fortschritt, der schlußendlich auch ein Verdienst von Minister Scholten ist. Das ist ein Fortschritt und eine politische Tat, die immerhin seine beiden Vorgänger, die Minister Busek und Tuppy, nicht erreichen konnten. Das heißt also, wir kommen tatsächlich wesentlich weiter unter Federführung eines agilen und fortschrittswilligen, diskussionswilligen Ministers. Ich glaube, daß das als Fortschritt und als Leistung anzuerkennen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir stehen unmittelbar vor einer Novelle des Universitäts-Organisationsgesetzes – auch eine Sache, die durch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes intendiert wird.

Wesentlich dabei ist, festzuhalten, daß die Beteiligung und damit die demokratische Grundlage im Habilitationsverfahren, um ein Beispiel zu nennen, erhalten bleibt, die Beteiligung der Studierenden in einem Ausmaß, wie es unserer Auffassung nach wünschenswert und notwendig ist.

Ein weiterer Punkt, der uns wichtig und notwendig zu sein scheint, ist, daß es im Zusammenhang mit der Dienstrechtsreform möglich wird, in das Dienstrecht für den Mittelbau auch das, wofür der Mittelbau auch bezahlt wird und was in Wirklichkeit mittlerweile seine wesentliche Aufgabe ist, nämlich den Bereich der Lehre, miteinzubeziehen, sodaß dies in Zukunft nicht mehr über den Umweg von Zahlung von Überstunden oder Remunerationen extra abgegolten werden muß. Auch das ist meiner Auffassung nach ein wesentlicher struktureller Fortschritt, auf den wir stolz sein können.

Meine Damen und Herren! Die Zukunft der Wissenschaftspolitik und der Universitätspolitik ist meiner Auffassung nach von drei wesentlichen Begriffen geprägt: erstens vom Begriff der weiteren Demokratisierung, zweitens vom Begriff der Internationalisierung und drittens vom Ziel der Effizienzsteigerung, das wir in diesem Zusammenhang im Bereich der Universitäten erreichen wollen.

Zum Begriff "Demokratisierung". Zentrales Ziel ist die Aufrechterhaltung der Offenheit unserer Universitäten. Ich bin daher der Auffassung, daß Diskussionen über die Einführung von Studiengebühren und auch über die Einführung eines Numerus clausus nicht zielführend und nicht sinnvoll sind. Die Sozialdemokraten wehren sich gegen solche Vorschläge und werden ihnen daher auch keine Zustimmung erteilen.

Im Zusammenhang mit den Studiengebühren, meine Damen und Herren, möchte ich darauf hinweisen, daß meiner Auffassung nach die gesellschaftliche und soziale Verantwortung auch mit dem Generationenvertrag argumentiert werden kann. Wenn wir heute erwarten, daß die zukünftigen gut ausgebildeten Arbeitskräfte in Österreich einen Beitrag zum Generationenvertrag leisten, dann dürfen wir ihnen wohl auch nicht heute die Unterstützung und das Angebot einer adäquaten Ausbildung verwehren. Das bedeutet, wie gesagt, den freien Zugang zu den Universitäten. Frei ist meiner Überzeugung nach ein Zugang, wenn dafür nicht bezahlt werden muß. Das ist ein Grundsatz, von dem wir uns nicht abwenden sollten.

Meine Damen und Herren! Ein weiteres Ziel, das mir wesentlich zu sein scheint, ist die Möglichkeit des lebenslangen Lernens. Lebenslanges Lernen wird im Bereich der Universitäten und im Bereich des Berufslebens insgesamt von steigender Bedeutung sein. Dieser Zugang ist aufrechtzuerhalten, und ich vertrete daher auch die Auffassung, daß wir dafür zu sorgen haben, daß Menschen nicht nur unmittelbar nach Ende ihrer schulischen Ausbildung, sondern während ihres ganzen Lebens einen offenen Zugang zu den Universitäten wahrnehmen können.

Zur Erreichung dieses Ziels soll mit den in den nächsten Monaten hier zu diskutierenden Vorlagen ein Beitrag geleistet werden. (Beifall bei der SPÖ.)


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23. Sitzung / Seite 30

10.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Brinek. Ich erteile es ihr. – Bitte sehr.

10.54

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Lassen Sie mich im Rahmen dieser Debatte zu Ausführungen einiger meiner Vorredner Stellung beziehen.

Es ist das Studienrecht und die Frage, ob es so etwas wie eine Orientierung an den Abnehmern, an der Wirtschaft gäbe. Natürlich: Hier gibt es keine Berührungsängste. Allerdings hängt eine Leitbilderstellung immer davon ab, wie man das Gesamtbildungsziel formuliert. Um die Formulierung "forschungsgeleitete Lehre" und "Bildung durch Wissenschaft", so wie es im alten AHStG verankert war, kommen wir nicht herum. Einbeziehung der Wirtschaft und der "Abnehmerlandschaft" kann nicht heißen, daß man aufgrund eines spätcurricularen Denkens laufend Experten miteinbezieht, damit in ein unendliches Nachlaufspiel gerät und an den Universitäten durch diese Zirkelverbindung nur Hemmnisse entstehen. Ich denke, das ist uns allen wichtig. Es ist dies auch immer wieder zum Ausdruck gekommen. – Allerdings möchte ich Mißverständnisse nicht im Raum stehenlassen.

Das Universitätenkuratorium wird in der Frage der selbstgesetzten Schwerpunktpolitik auch eine stärkere Rolle spielen müssen als bisher. Damit haben wir auch die Möglichkeit, in der jetzigen Zusammensetzung und auch in Zukunft, die Dimensionen – Wirtschaft, Abnehmer, internationaler Qualitätsvergleich – miteinzubeziehen und Schwerpunkt- und Strategieberatung über dieses Gremium zu gestalten. Das sollten wir nicht aus den Auge verlieren.

Ein Wort noch zu den Ausführungen von Professor Brauneder. Ich weiß nicht, habe ich ihn mißverstanden oder bin nur ich diejenige, die tatsächlich erschrecken muß. Hat er allen Ernstes gesagt, das Parlament soll Studienordnungen erlassen? – Das hat ja überhaupt nichts mit Autonomie zu tun. Vielmehr: Er stellt unsere Rechtsverhältnisse auf den Kopf. Ich kann nur davon ausgehen, daß es ein Mißverständnis war, ansonsten bitte ich um Aufklärung.

Noch ein Moment zum offenen Universitätenzugang. Wir meinen, daß das Zusehen, aber Nichthandeln bei gleichbleibender Mittelausschüttung ein zutiefst inhumanes Vorgehen ist, ein zutiefst unaufgeklärtes und eines, das die Studenten samt ihren Absichten in die Irre gehen läßt. Wir sprechen daher vom gestalteten Hochschulzugang, nicht vom restriktiven im Sinne des Aufbaus von Sozialbarrieren oder sonstigen. Ich bin froh darüber, daß es in allen Parteien konstruktive Stellungnahmen gibt – wenn auch noch von einzelnen, wenn auch von ausländischen Experten dieser Parteien.

Lassen Sie mich zum Thema Kunsthochschulen etwas sagen, denn das steht ja auch zur Debatte. Wesentlich scheint mir folgendes zu sein: Die Kunsthochschulen sind auch in das UOG einzugliedern. Fragen der autonomen und flexiblen Selbstsetzung betreffen sie in einem mindestens so hohen Maße wie die Universitäten. Gerade die dort herrschenden Verhältnisse in bezug auf Verbindung Lehre – Forschung – künstlerischer Auftrag, diese Dimensionen brauchen die autonome Selbstgestaltung in einem höheren Maße, als wir es vielleicht von außen für notwendig halten.

An der Akademie für Bildende Künste in Wien wird sich in der nächsten Zeit viel verändern. Sie haben das teilweise auch in den Medien gelesen. Es werden gleich mehrere Professoren – wie man so schön sagt – in Pension gehen. Zusammenfallend mit dem Aufnahmestopp bedeutet das eine große Unsicherheit. Ich frage mich – in gewissem Sinne natürlich auch den Herrn Minister und die dafür zuständigen Beamten aus dem Ministerium –, wie ich mit den Meldungen, die ich einem Wochenmagazin entnehme, umgehen soll und was das Parlament zu einer raschen Verbesserung tun kann. Die Studienkommission schlägt dort vor, einerseits den "Professor auf Lebenszeit" abzuschaffen. Zweiter Schwerpunkt des Konzeptes ist, das Meisterklassenprinzip aufzulösen, während Prorektor Köb wiederum sagt, mit einem Gegenkonzept der "offenen Werkstätten" würden wir die Zukunft bewältigen. Das wäre eine Vorstellung, mit der die Akademie zukunftsweisend arbeiten könnte.

Die Studenten wiederum sagen, in Wirklichkeit – und ich kann mich dem anschließen – brauchen wir eine noch größere Strukturreform.


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23. Sitzung / Seite 31

Herr Bundesminister! An der Akademie für Bildende Künste und an den Kunsthochschulen herrscht große Verunsicherung. Wie geht es weiter mit der Lehre? Wie geht es weiter mit der Struktur? Ich bitte, in dieser Hinsicht Antworten zu geben beziehungsweise Signale zu setzen. Das Parlament und die wichtigsten Abgeordneten, glaube ich, gehen mit Ihnen in dieser Einschätzung konform. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

10.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Er hat das Wort.

10.58

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nach den Schönwetterreden des Herrn Bundesministers und seiner sozialdemokratischen Fraktionskollegen ist es, glaube ich, einmal an der Zeit, eine nüchterne Bestandsanalyse unserer Universitäten zu machen – und zur Bestandsanalyse der Universitäten gehört die Situation der Studenten.

Die Studenten sehen sich jetzt einem sozialen Numerus clausus ausgesetzt. Einerseits ist die Fahrtenbeihilfe völlig gestrichen worden, auf der anderen Seite ist die Familienbeihilfe für einen Großteil der Studentenschaft abgeschafft worden. Nicht nur die Studenten sehen sich einer sehr prekären Situation gegenüber, und diese haben ja dieser Situation auch Ausdruck dadurch verliehen, daß sie Streikaktionen inszeniert haben. – Aber es ist nicht nur die Situation der Studenten, die derart prekär ist und die einer umfassenden Strukturreform des Universitätsbereiches insgesamt bedarf, sondern es sind auch die Universitätsinstitute, die einer Knebelung durch den Minister und durch die Ministerialbürokratie ausgesetzt sind.

Herr Kollege Nowotny stammt aus Linz und hat die Linzer Situation angesprochen. Worauf er aber wohlweislich vergessen hat, ist die Tatsache, daß das Institut für Wirtschaftsinformatik vor der Schließung steht. Und das ist kein Einzelfall. Denken Sie etwa an andere Universitätsinstitute, oder denken Sie an ganze Fakultäten, die angekündigt haben, ab Herbst 1996 einen ordentlichen Universitätsbetrieb nicht mehr gewährleisten zu können.

Oder denken Sie daran, daß die Aufbaustudien durch die neue Gesetzessituation völlig abgeschafft werden. Das Aufbaustudium des technischen Umweltschutzes, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist von der Abschaffung bedroht. Es stellt eine Schande der Republik Österreich dar, im zehnten Jahr nach Tschernobyl dieses so wichtige Aufbaustudium des technischen Umweltschutzes abzuschaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Was machen Sie dagegen? Was unternehmen Sie dagegen? (Zwischenbemerkung des Bundesministers Dr. Scholten. ) – Herr Minister! Es genügt nicht, wenn Sie sich hierherstellen und davon sprechen – ich habe mitgeschrieben –, daß die Universitäten zentrale Einrichtungen der Gesellschaft seien. – No na! Da wird Ihnen selbstverständlich jeder zustimmen! Das ist aber nichts anderes als der Ausschnitt aus einer Schönwetter-Rede, und das ist nichts anderes als die Ankündigung der Beibehaltung einer völlig passiven Universitätspolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Neuerliche Zwischenbemerkung des Bundesministers Dr. Scholten. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist auch eines für den Herrn Bundesminister und für die Situation, in der er sich befindet, eine Situation, in der er völlig überfordert ist, bezeichnend, daß nämlich die Bezeichnung "Forschung" aus dem Gesamtbegriff seines Ministeriums eliminiert wurde.

Österreich ist, was die Forschung anlangt, ohnedies schon davon bedroht, die "rote Laterne" von Portugal zu übernehmen. Lediglich 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes werden noch für Forschung aufgewendet. Was tun Sie dagegen? Welche Maßnahmen ergreifen Sie? – Im Regierungsübereinkommen steht, daß allfällige Privatisierungserlöse verstärkt für Forschungseinrichtungen herangezogen werden.

Faktum ist, daß Herr Finanzminister Klima jetzt angekündigt hat, daß die Privatisierungserlöse herangezogen werden, um die Konvergenzkriterien zu erfüllen. – Was machen Sie dagegen?


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Faktum ist weiter, Herr Bundesminister – nehmen Sie dazu konkret Stellung! –, daß sich Österreich, was die Forschung anlangt, innerhalb der Europäischen Union auf einer schiefen Ebene befindet. Wir sind aufgrund der Passivität der Bundesregierung in einer Einbahnstraße, denn aus dem österreichischen Staatshaushalt fließt ein Betrag von sage und schreibe 1 Milliarde Schilling in die Europäischen Union, um Forschungsprojekte für Portugal und für Griechenland zu verwirklichen, und es kommt nichts zurück, weil Sie passiv sind! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Es genügt nicht, daß Sie das Kunstministerium betreuen, daß Sie mit der Gießkanne, einem Feudalherrn gleich, durch die Lande ziehen und die "Kunstförderungs-Milliarde" vergeben. Sie können nicht nur nach dem Prinzip "Der Staat bin ich!" agieren. Sie vermitteln ein Bild der Hilflosigkeit, was die Universitäten anlangt.

Der Herr "Zukunftsminister" – ich nehme dieses Wort bewußt in den Mund, auch wenn es in der Vergangenheit nicht mehr verwendet wurde, auch nicht mehr von den Medien – hat – das ist, glaube ich, die nüchterne Analyse – die Vergangenheit der verfehlten sozialdemokratischen Bildungspolitik nicht bewältigt und wird sie nach diesen Ankündigungen auch nicht bewältigen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Klara Motter. Sie hat das Wort.

11.04

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob es den hier Anwesenden auch so geht wie mir: Wenn ich auf die Seite der Sozialdemokraten blicke, die diese Aktuelle Stunde einberufen haben, und diese geringe Präsenz sehe, dann frage ich mich, Herr Minister: Haben Sie eine Fleißaufgabe verlangt – oder wie soll ich das interpretieren? (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! "Die Universitäten – nicht der Rede wert!" – So beginnt der Gastkommentar eines Autors, der zugleich Rektor der Universität für Bodenkultur in Wien ist. Und weiters: Hochschul- und Forschungspolitik gibt es hierzulande nicht. Als solche mißverstandene Aktivitäten beschränken sich auf Aussagen und Zurufe zu Tagesthemen. Perspektivische Äußerungen fehlen völlig, im Parlament gähnt diesbezüglich ein schwarzes Loch, ergänzend: ein rotes Loch. – Ende des Zitats.

Ich glaube, dem ist nichts hinzuzufügen, wenn man sich die Versäumnisse in der Hochschulpolitik ansieht. Meine Damen und Herren! Dieses Manko wird auch heute nicht ausgeräumt, denn eine Aktuelle Stunde, von einem Regierungspartner verlangt, ist bezeichnend – Lob für den eigenen Minister, Tadel vom anderen Regierungspartner.

Zu befürchten ist, daß gute Vorschläge der Opposition weiterhin unter den Tisch gekehrt werden. Die Diskussion in der Öffentlichkeit, die Streiks der Studierenden, aber auch der Assistenten sowie der Universitätsprofessoren in den letzten Wochen rund um das Sparpaket sprechen eine klare Sprache. (Beifall beim Liberalen Forum, bei den Freiheitlichen und bei den Grünen.)

Ausgerechnet in einer Zeit des Aufbruchs drohen als Mitglied der Europäischen Union Rückschritte an Quantität wie auch an Qualität für Lehre und Forschung. Personal- und Haushaltsrecht stehen aus, Herr Dr. Nowotny – er ist nicht da! Die Debatte über Einsparungen bei den Familienbeihilfen und zugleich über Studiengebühren zu führen, zeigte, wie dilettantisch man an die Lösung solcher Probleme herangeht.

Meine Damen und Herren! Ich bin der Meinung, daß man den Komplex Studiengebühren, Familienbeihilfe, Stipendien primär nur aus der Sicht der sozialen Lage der Studierenden heraus begreifen kann und soll. Stipendien und Beihilfen sind dazu da, um jungen Menschen das Studie


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ren zu ermöglichen, es nicht zu verhindern, aber auch aus der Sicht der Studierenden nicht zu verzögern.

Meine Damen und Herren! Gerade den Studierenden – das wurde heute schon des öfteren angemerkt – wurden in den letzten Jahren bereits mehrfach Einkommenseinbußen auferlegt, die weit über das hinausgehen, was man zum Beispiel anderen Bevölkerungsgruppen – außer den Familien – zugemutet hat. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen.)

Auch ich bekenne mich zu Einsparungen, sie dürfen allerdings nicht einseitig sein. Strukturänderungen im gesamten Hochschulbereich sind daher gefragt. Herr Minister Scholten! Zum wiederholten Male höre ich von Ihnen, daß es notwendig ist, doch ich bitte Sie: Tun Sie endlich etwas! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Das durch das UOG 1993 Begonnene sollte daher ernsthaft weitergeführt werden, denn nicht nur in der strategischen Entwicklung, sondern auch in der aktuellen Arbeit ist ein Vakuum unübersehbar. Ich rufe daher alle Hauptverantwortlichen auf, sich nicht nur in langen Diskussionen oder wie heute in dieser Aktuellen Stunde zu artikulieren, sondern endlich zu Taten zu schreiten! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Denn auch ich bin der Meinung von Rektor Leopold März – und ich zitiere zum Schluß –: Natürlich werden die Universitäten an alledem nicht zugrunde gehen. Sie würden es hingegen verdienen, in unserer Politik in Form eines engagierten öffentlichen Diskurses jenen Stellenwert zu erhalten, der einer Zahl von rund 200 000 in Österreich Studierenden, 9 000 Professoren, Dozenten und Nachwuchswissenschaftern und fast 7 000 technisch administrativen Mitarbeitern zukommt. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

11.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte sehr.

11.09

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich, Herr Minister, hätte ich mir erhofft, daß Sie uns im Rahmen einer Aktuellen Stunde etwas über Ihren neuen Tätigkeitsbereich erzählen, über das Zukunftsministerium, über die Zukunft des Zukunftsministeriums, über die Ziele des Zukunftsministeriums. Jetzt ist die Universität an der Reihe. – Das ist mir auch recht, habe ich mir gedacht. Sie hat es verdient, es ist notwendig.

Nur wenn ich die Debatte, Ihren Beitrag, die Beiträge der sozialdemokratischen Abgeordneten zu diesem Thema bis jetzt hernehme, dann muß ich sagen, ich habe relativ wenig über die Zukunft der Universität hören können, relativ wenig darüber, was bei Ihnen intern und extern in der Öffentlichkeit über die Zukunft diskutiert wird.

Herr Minister! Soll es Privatuniversitäten geben, wie Sie gefordert haben, oder soll es sie nicht geben? Soll es Studiengebühren geben, wie es in etlichen internen Papieren in der SPÖ diskutiert wird, oder soll es sie nicht geben, wie uns der Herr Bundeskanzler das verspricht? Soll es, wie Herr Stippel leider nicht mehr imstande war auszuführen, weil seine Zeit abgelaufen war, wodurch er uns diese Ziele nicht eröffnen konnte, eine Zweitrimester-Ausbildung parallel zu einer Dreitrimester-Ausbildung geben? Oder was steht da überhaupt dahinter?

Es wäre notwendig, diese Zukunft der Universität etwas mehr, etwas deutlicher auszudrücken. Aber unbeschadet inhaltlicher Ziele der Universität, von ihrer Zukunft, von ihrer organisatorischen Zukunft wäre es notwendig gewesen, zu sagen: Die Studenten brauchen diese Zukunft. Auch das akademische Personal braucht diese Zukunft. Der Vorredner meiner Fraktion hat schon darauf hingewiesen: Herr Minister! Sie sind uns in diesem Bereich alle Antworten schuldig geblieben. Vergessen wir doch nicht, daß noch vor wenigen Wochen Zehntausende Studenten auf der Straße waren und, wie ich glaube, mit gutem Grund auf der Straße waren – nicht um irgend etwas Bösartiges zu fordern, sondern um eine Zukunft für ihr Studium, eine Zukunft für die Universitäten einzufordern.


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Ich las in der Zeitung "Die Zeit" vom 3. November 1995: Studenten brauchen mehr Geld. – Das gilt mit gleichem Recht wie für Deutschland auch für Österreich. Selbstverständlich würden sie mehr Geld und nicht weniger brauchen, wie sie das mit all Ihren Maßnahmen im Strukturanpassungsgesetz für die Studenten und für das akademische Personal durchgesetzt haben.

Wir haben uns ausgerechnet, was das Strukturanpassungsgesetz für die Studenten bedeutet: 5 000 S pro Semester weniger, wenn der Student am Studienort wohnt, 9 000 S, wenn er von einem anderen Ort zur Universität pendeln muß. (Zwischenruf des Abg. Koppler. ) 5 000 beziehungsweise 9 000 S pro Semester weniger – woher soll das Geld kommen, Kollege Koppler? (Abg. Koppler: Was ein Lehrling kriegt, wollen wir wissen!) – Kollege Koppler, komm nicht mit den Lehrlingen! Du hättest genug Möglichkeiten gehabt, dich auch für die Lehrlinge einzusetzen, das sei dir unbenommen. (Beifall bei den Grünen.)

Diese gegenseitige Aufrechnung von Lehrlingen und Studenten ist falsch, das ist eine bösartige Sache, die du da forcierst, Kollege Koppler, mit der ist es nicht getan! Man kann nicht über die Zukunft reden, indem man Lehrlinge gegen Studierende ausspielt! Du brauchst mir nicht zu sagen, daß es den Lehrlingen schlechtgeht. Ich weiß es, und ich kann dir jederzeit Argumente dazu liefern. Nur diskutieren wir jetzt nicht darüber, also komm weg von den Lehrlingen, und reden wir lieber wieder über die Zukunft der Universitäten!

Da seid ihr, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, alle Antworten schuldig geblieben. Nichts ist gekommen über die Zukunft der Universitäten, nichts ist gekommen über die Zukunft der Studierenden oder des akademischen Personals oder über deren Perspektiven.

Es wäre notwendig gewesen, über eine Ausbildungskasse zu reden, über Studienförderung zu reden. Es wäre notwendig gewesen, nicht nur über die Förderung von Studenten zu reden, sondern auch über die Frauenförderung. Es ist nämlich bezeichnend, daß in Zeiten wie diesen nicht nur die Studentenförderung gestrichen wird, sondern auch die Frauenförderung. Herr Minister! Sie sind dafür verantwortlich, daß diese frauenspezifischen Förderungsprogramme jetzt von seiten des Ministeriums gekürzt worden sind. Ich halte das für einen Fehler, ich halte das für fatal, für ein falsches Zeichen zum falschen Zeitpunkt.

Es wäre notwendig gewesen, Herr Minister, von Ihrer Seite klare Zeichen auszusenden – für die Zukunft der Universität, für die Zukunft der universitären Bildung. Aber es ist leider nichts gekommen – außer daß Sie in den nächsten Monaten einige Gesetzesvorlagen einzubringen gedenken.

Herr Minister! Die Universität braucht eine Zukunft. Sie haben jetzt den Namen "Zukunftsminister", also werden Sie Ihrer Aufgabe bitte etwas mehr gerecht. (Beifall bei den Grünen.)

11.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Ich erkläre damit die Aktuelle Stunde für beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 587/J bis 602/J

2. Anfragebeantwortungen: 273/AB bis 357/AB


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Anfragebeantwortung (Präsident des Nationalrates):
1/ABPR

3. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den Internationalen Gerichten (102 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz) geändert wird (113 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz geändert wird (128 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (129 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Finanzstrafgesetz geändert wird (130 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Zollrechts-Durchführungsgesetz geändert wird (2. ZollR-DG Novelle) (131 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Mineralölsteuergesetz 1995, das Biersteuergesetz 1995, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Alkohol – Steuer und Monopolgesetz 1995 und das Tabaksteuergesetz 1995 geändert werden (Verbrauchsteueränderungsgesetz 1996) (132 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG-Novelle 1996), das Gehaltsgesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, das Nebengebührenzulagengesetz, das Karenzurlaubsgeldgesetz, das Vertragsbedienstetengesetz  1948, die Bundesforste-Dienstordnung 1986, das Bezügegesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Richterdienstgesetz und das Bundes-Personalvertretungsgesetz geändert werden (134 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz geändert wird (EU-Novelle 1996 zum AWG) (149 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Übereinkommen (Nr. 173) über den Schutz der Forderungen der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers samt Erklärung; Empfehlung (Nr. 180) betreffend den Schutz der Forderungen der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers (89 der Beilagen),

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit (105 der Beilagen),

Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (118 der Beilagen),

Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (119 der Beilagen),

Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Republik Bosnien-Herzegowina weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (120 der Beilagen),

Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über Soziale Sicherheit (121 der Beilagen),


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Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Türkischen Republik über Soziale Sicherheit (122 der Beilagen),

Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tunesischen Republik über Soziale Sicherheit (123 der Beilagen),

Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über Soziale Sicherheit (124 der Beilagen);

Außenpolitischer Ausschuß:

Außenpolitischer Bericht 1995 der Bundesregierung (III-28 der Beilagen);

Umweltausschuß:

Briefwechsel betreffend die Auflösung der Vereinbarung zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 11 des Basler Übereinkommens über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung (99 der Beilagen);

Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten:

Internationales Kaffee-Übereinkommen von 1994 (100 der Beilagen),

Nahrungsmittelhilfe-Übereinkommen von 1995 (106 der Beilagen),

Kündigung von Handelsabkommen mit Ecuador, El Salvador und Guatemala sowie eines Abkommens über die Gewährung begünstigter Zollsätze mit Ungarn (107 der Beilagen);

Ausschuß für Wissenschaft und Forschung:

Bericht des Universitätenkuratoriums im Sinne des § 83 Abs. 3 des UOG 1993, BGBl. Nr. 805/1993, über seine Tätigkeit vom 20. Oktober 1994 bis 31. Dezember 1995 (III-26 der Beilagen).

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Darüber hinaus sind folgende Vorlagen eingelangt:

Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Belarus andererseits samt Anhängen und Protokollen (115 der Beilagen),

Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Kirgisischen Republik andererseits samt Anhängen und Protokollen (116 der Beilagen),

Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Kasachstan andererseits samt Anhängen und Protokollen (117 der Beilagen),

Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Staat Israel andererseits (126 der Beilagen).

Ich schlage im Einvernehmen mit den Mitgliedern der Präsidialkonferenz vor, von der Zuweisung dieser Gegenstände an einen Ausschuß abzusehen und sie bei der Erstellung der Tagesordnung einer der nächsten Sitzungen im Sinne des § 28a der Geschäftsordnung zu berücksichtigen.

Wird dagegen Widerspruch erhoben? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.


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Ankündigung einer dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Abgeordneten Dkfm. Holger Bauer und Genossen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 603/J der Abgeordneten Dkfm. Holger Bauer und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend steigende Arbeitslosigkeit und weitere Zuwanderung von Ausländern nach Österreich dringlich zu behandeln.

Da dieses Verlangen darauf gerichtet ist, die dringliche Behandlung zum frühestmöglichen Zeitpunkt durchzuführen, wird im Sinne der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen der Beginn der Debatte über diese dringliche Anfrage für 16 Uhr vorgesehen.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 2 bis 6 der heutigen Tagesordnung zusammenzufassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall. Dann gehen wir so vor.

Redezeitbeschränkungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir können nunmehr in die Tagesordnung eintreten.

In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über Gestaltung und Dauer der Debatten zur heutigen Tagesordnung wie folgt erzielt:

Es soll für die Debatte zum Punkt 1 eine Redezeitbeschränkung von 10 Minuten pro Redner festgelegt werden, wobei ein Redner jeder Fraktion 20 Minuten sprechen kann.

Die gemeinsame Debatte zu den Punkten 2 bis 6 soll auf drei "Wiener Stunden" beschränkt werden, sodaß sich als Redezeiten ergeben: SPÖ 45, ÖVP 42, Freiheitliche 39, Liberales Forum und Grüne je 27 Minuten.

Weiters wurden zu Punkt 7 maximal drei Redner pro Fraktion mit einer Redezeit von je 10 Minuten vorgeschlagen.

Zu Tagesordnungspunkt 8 wird ein Redner pro Fraktion mit einer Redezeit von je 5 Minuten vorgeschlagen.

Das sind die einvernehmlichen Vorschläge, über die das Hohe Haus zu befinden hat.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Dies ist nicht der Fall. Daher ist das einvernehmlich und einstimmig so genehmigt und beschlossen.

1. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Bericht der Bundesregierung (III-17 der Beilagen) über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 1994) (145 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der 1. Punkt unserer Tagesordnung ist der Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Sicherheitsbericht 1994, III-17 der Beilagen, Ausschußbericht 145 der Beilagen.

Frau Abgeordnete Ludmilla Parfuss ist zur Berichterstatterin gewählt worden und wird die Debatte einleiten. – Bitte sehr.


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Berichterstatterin Ludmilla Parfuss:
Herr Präsident! Hohes Haus! Die Thematik dieses Berichtes bezieht sich auf die Kriminalität des Jahres 1994, worin die Vorbeugung, Aufklärung und Strafrechtspflege der in Österreich begangenen Delikte in Berichtsform behandelt werden.

Insgesamt ist der Inhalt in zehn Kapiteln gegliedert, wovon acht Kapitel vom Bundesministerium für Inneres und zwei Kapitel vom Bundesministerium von Justiz eingebracht wurden. Eine polizeiliche Kriminalstatistik wurde vom Bundesministerium für Inneres ebenfalls beigelegt. Diese statistischen Unterlagen wurden allen Abgeordneten zeitgerecht zugestellt und stehen in der nachfolgenden Debatte zur Diskussion.

Ich bitte, Herr Präsident, die Wortmeldungen der Abgeordneten zuzulassen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Berichterstatterin, für Ihre Ausführungen.

Wie bekannt, haben wir die Redezeiten soeben festgelegt: Erstredner 20 Minuten, alle weiteren Redner 10 Minuten.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.21

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister Einem hat kürzlich in einer Pressekonferenz die Zahlen des Jahres 1995 präsentiert, um den Bericht, der heute zur Debatte steht, sozusagen etwas zu konterkarieren. Er hat darauf hingewiesen, daß im Vergleich zu 1994 die Zahlen wieder im Sinken begriffen sind, weil dieser Bericht 1994 Zahlen aufweist, die durchwegs steigen.

Besonders aufhorchen ließ anläßlich dieser Pressekonferenz Innenminister Einem mit der Aussage, daß es in Österreich überhaupt keine sachliche Grundlage für die Angst vor Kriminalität gäbe. Österreich ist nach Meinung des Innenministers eines der sichersten Länder der Welt.

Meine Damen und Herren! Was ich für äußerst bemerkenswert halte, ist die Aussage, daß Minister Einem meint, nur die Politiker – also nur wir – wollen das nicht wahrhaben, und zwar, so meint er, weil man vortrefflich Geschäfte damit machen könne, wenn man sagt, wie gefährlich es in Österreich ist. – Diese Unterstellung, die Minister Einem hier allen im Hohen Haus vertretenen Politikern macht, erwähne ich einmal vorneweg: Nur wir würden es nicht wahrhaben wollen, daß Österreich sicher ist, weil wir damit Geschäfte machen wollen. – Herr Minister Einem! Für meine Fraktion weise ich diese Unterstellung rundweg zurück! (Beifall bei den Freiheitlichen. )

Der Innenminister geht dann sogar so weit, zu behaupten, daß die Angst vor der Gewaltkriminalität im Regelfall – das muß man sich einmal vorstellen! – auf die Gewalt gegen Kinder und Frauen in den eigenen vier Wänden zurückzuführen sei, und er meinte somit quasi: Gäbe es nicht die Gewalt in der Familie, würde die Exekutive bald arbeitslos sein.

Das ist einmal mehr Innenminister Einem, wie wir ihn inzwischen alle kennen: abgehoben, fern jeglicher Realität, unbeeindruckt durch die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit. Unbeeindruckt auch durch die Tatsache, daß er bei der Lösung der schwersten Fälle der österreichischen Kriminalität in der Nachkriegszeit nicht einmal den geringsten Erfolg aufzuweisen hat. Er erzählt uns: Gäbe es die Gewalt in der Familie nicht, wäre in Österreich praktisch alles in Butter. Er sagt dies auch wohl wissend, daß die Aussagekraft der von ihm vorgelegten Zahlen mit Vorsicht zu genießen ist, weiß er doch, daß zum Beispiel Serieneinbrüche, Serienbetrügereien et cetera nur als ein Delikt gewertet werden, egal, wie viele Delikte unter diesem einen Delikt tatsächlich subsumiert werden, und weiß er doch auch, daß viele kleinere Delikte mangels Aussicht auf erfolgreiche Aufklärung gar nicht mehr zur Anzeige gebracht werden. (Beifall bei den Freiheitlichen. )

Auch der leichte Anstieg der Aufklärungsquote – wiewohl der Minister ihn auch als Erfolg gewertet hat – ist, wenn man den Experten glauben darf, rasch erklärt, ist dies doch als Folge der starken Rückläufigkeit der Zahl anonymer Anzeigen bei Sachbeschädigungen zu sehen.


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23. Sitzung / Seite 39

Meine Damen und Herren! Was Minister Einem in seinen Pressekonferenzen aber nicht anspricht, das sollte uns in dieser Debatte interessieren, so zum Beispiel die Feststellung der UNO – wir berufen uns immer wieder auf Feststellungen internationaler Organisationen, wenn etwas Positives über Österreich drinnen steht –, daß Wien bereits zum Zentrum der europäischen Kriminalität, zum Zentrum internationaler Verbrecherorganisationen geworden ist.

Herr Minister! Darüber sollten wir hier diskutieren! Einmal mehr brandmarkt ein Bericht der Vereinten Nationen – nachzulesen im "Standard" – die österreichische Bundeshauptstadt Wien zum Zentrum der internationalen organisierten Kriminalität. Da steht – ich zitiere –: "Vor allem osteuropäische Gangsterkartelle geben seit dem Zusammenbruch des Kommunismus in der Walzerstadt den Ton an." – Herr Minister! Das sollte Sie interessieren: Wien – Zentrum internationaler Verbrecherorganisationen! (Beifall bei den Freiheitlichen. )

Herr Minister! Ein genaues Studium des Sicherheitsberichtes zeigt, daß die Kriminalität eine andere, eine sogar viel gefährlichere geworden ist. Bereits jede vierte Straftat ist in den Bereich des organisierten Verbrechens einzuordnen. Immer mehr russische Organisationen schlagen ihre Hauptquartiere in Wien auf. Die "Fachbereiche" Prostitution, Mädchenhandel, Waffenhandel, Geldwäsche haben es zur Hochblüte in Österreich gebracht. Pro Monat werden zirka 15 neue Gesellschaften mit russischen Geschäftsführern gegründet, mit der Absicht, auch in dieses Geschäft einzusteigen. – Aber unser Minister beschwert sich über die Gewalttätigkeit in den Familien, aber sieht diese sich in Wien wirklich dramatisch entwickelnden Dinge ganz offensichtlich nicht! Diese Entwicklung ist es aber, die uns Sorge bereiten sollte.

Besonders dramatisch ist zum Beispiel die Entwicklung im Bereich Menschenhandel: 259,1 Prozent Steigerung im Vergleich zum Vorjahr, Tendenz steigend, meine Damen und Herren! Neben dem Menschenhandel weist der Sicherheitsbericht auch im Bereich der Drogenkriminalität alarmierende Zuwachsraten auf, und zwar einen bundesweiten Zuwachs von 15,6 Prozent pro Jahr, in der Steiermark 61,4 Prozent, in Kärnten 56,9 Prozent! 250 Drogentote in Österreich, eine Steigerung um 11 Prozent! – Und unser Minister beschwert sich über die Gewalttätigkeit in der Familie und sieht sonst kein Problem in Österreich. – Meine Damen und Herren! Ein Minister, der vor all diesen Problemen die Augen verschließt, ist für diese Republik ein Sicherheitsrisiko! (Beifall bei den Freiheitlichen. ) Das sind alarmierende Zahlen, die er nicht sieht, die nur uns Sorgen bereiten.

Ich glaube, Herr Minister, es wäre höchste Zeit zum Handeln. Obwohl der Sicherheitsbericht eindeutig ausweist, daß Österreich für Autoschieber, für Menschenhändler, für die russische Mafia, für Drogenhändler, kurzum für alle, meine Damen und Herren, die mit organisierter Kriminalität zu tun haben, mehr und mehr zum Lieblingsland wird ... (Abg. Dr. Fuhrmann, der seit Beginn dieser Rede direkt neben dem Redner an der Regierungsbank steht und halblaut mit Bundesminister Hums und Bundesminister Dr. Einem spricht, wird vom Redner unterbrochen.)

Herr Präsident! Das ist unerträglich. Das ist wirklich unerträglich, Herr Kollege Fuhrmann, was Sie hier neben mir während meiner Ausführungen aufführen! (Beifall bei den Freiheitlichen. ) Bitte setzen Sie sich in Ihre Bank und folgen Sie dem Beitrag, und gehen Sie dann heraus und sagen Sie hier, was Sie zu sagen haben. Bitte, Herr Kollege Fuhrmann, seien Sie so kollegial und lassen Sie mich meine Rede weiterführen.

Für Autoschieber – ich muß das wiederholen –, für Menschenhändler, für die russische Mafia, für Drogenhändler, kurzum wirklich für alle, die mit organisierter Kriminalität zu tun haben, wird Österreich mehr und mehr zum Lieblingsland. Aber wir stehen noch immer am Anfang der Diskussion, wie wir all dem begegnen können. Wir debattieren zwar über die elektronische Beweissicherung und die Rasterfahndung, aber schon überlegt man wieder, wie man das politisch nutzen, wie man damit den Regierungsparteien ein Werkzeug in die Hand drücken könnte, anstatt daß wir diese Methoden wirklich dazu nutzen, das internationale Verbrechen zu bekämpfen! (Beifall bei den Freiheitlichen. ) Ihnen geht es nur um die Einflußnahme, nur darum, wie Sie das zu Ihrem Vorteil nutzen können. – Wir haben aber hier für die Bevölkerung Politik zu machen, vor allem die Sicherheitspolitik, Herr Minister!


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Sie halten es nicht einmal für notwendig, daß die Exekutive in die Lage versetzt wird, GSM-Geräte zu überwachen. Wenn eine Notwendigkeit dazu besteht, dann müssen wir um 44 000 S pro Woche Geräte aus Deutschland leihen, Herr Minister, und zwar Geräte, die dann nicht sofort verfügbar sind. Geräte, die wir nicht haben, geben dem organisierten Verbrechen einmal mehr die Möglichkeit, sich einen Vorsprung zu verschaffen.

Die internationale Kriminalität bedient sich der High-Tech-Möglichkeiten, nach dem Motto "crime is business" geht sie immer professioneller vor – und die österreichische Exekutive kämpft gegen bürokratische Hürden und mit einem inaktiven Innenminister, der nach eigener Aussage nur dann ein Problem sieht, wenn es Gewalttätigkeit der österreichischen Väter und Ehemänner in der Familie gibt.

Herr Bundesminister! Besonders auffallend – aber wirklich nicht überraschend – ist, daß die Fremdenkriminalität für Sie absolut kein Thema ist. Auch der Sicherheitsbericht behandelt dieses Thema eigentlich in sehr verniedlichender Form. Ich zitiere:

"Um nicht zu falschen Schlüssen über die Fremdenkriminalität zu kommen, müßte auch eine Relativierung mit den in Österreich aufhältigen Fremden erfolgen, um nicht Gefahr zu laufen, die Zahl der fremden Tatverdächtigen absolut und im Vergleich mit den inländischen Tatverdächtigen zu überschätzen."

Wir sollen also nicht glauben, daß die Fremdenkriminalität in Österreich eine Rolle spielt. – Aber der Sicherheitsbericht widerlegt dann dieses Vorwort mit Zahlen, meine Damen und Herren. Die Zahlen des Sicherheitsberichtes sprechen eine deutliche Sprache. Seit 1988 nimmt die Ausländerkriminalität konsequent zu, und zwar um insgesamt 150 Prozent bei strafbaren Handlungen und um beinahe 400 Prozent bei Verbrechen. Das ergibt einen Ausländeranteil von 20,8 Prozent an der Gesamtkriminalität und einen Ausländeranteil von 30,3 Prozent bei Verbrechen. In den Städten, und dort wiederum in Bezirken mit hohem Ausländeranteil, liegt der Prozentsatz noch wesentlich höher, zum Beispiel im 16. Wiener Gemeindebezirk bei 42 Prozent.

Herr Minister! Es ist schon bemerkenswert, wie Sie auf diese Entwicklung reagieren, so zum Beispiel mit unverständlichen Weisungen, die offensichtlich dem Aufbau einer multikulturellen Exekutive dienen sollten. So gab es zum Beispiel eine Postenausschreibung der besonderen Art über Weisung von Innenminister Caspar Einem für die Wiener Sicherheitswache. Da durften sich für einen Ausbildungslehrgang ausschließlich Personen bewerben, welche einer der Fremdsprachen Kroatisch, Serbokroatisch, Serbisch oder Türkisch kundig waren. Von den Bewerbern sollten 25 aufgenommen werden. Besonders interessant: Die erforderliche Mindestpunkteanzahl lag bei 139 von insgesamt 950 zu erreichenden Punkten. Die Latte war also nicht besonders hoch gelegt, Herr Minister, aber trotzdem, so sagt man und hört man, haben nur drei von 45 Kandidaten die Anforderungen erfüllt. Ihr Plan, dieses multikulturelle Experiment zu Lasten der österreichischen Sicherheit über die Bühne zu bringen, ist wohl als gescheitert zu betrachten. – Ihre multikulturelle Exekutive wird also wohl weiter ein Traum für Sie bleiben.

Herr Minister! Überhaupt fällt auf, daß Sie Ihrer Aufgabe in vielen Fällen nicht gewachsen sein dürften. Es zeigt auch das Beispiel der Absystemisierung von Planstellen, daß in Ihrem Ministerium offenbar die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut. Es gibt einen Erlaß an alle Sicherheitsdirektionen und an die Bundespolizeidirektion Wien betreffend die Absystemisierung von Planstellen – ich zitiere –:

Im Zuge der Erstellung der Bundesfinanzgesetze für die Jahre 1996 und 1997 wird der Auftrag erteilt, 264 Stellen für 1996 und 254 Stellen für 1997 abzusystemisieren. – Datum 15. Februar 1996, gezeichnet Mag. Sika.

Am 20. desselben Monats wird dieser Erlaß wieder außer Kraft gesetzt. – Herr Minister! Das ist nur ein Beispiel von vielen dafür, daß in Ihrem Ministerium offensichtlich das Chaos herrscht. Ein Beispiel dafür, daß die Linke nicht weiß, was die Rechte tut. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kein Wunder also, daß bei einem chaotisch agierenden Minister mit eindeutiger Schlagseite nach links bei den großen, ungelösten Verbrechen kein Fortschritt erzielt wird, meine Damen


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und Herren. Bei den Briefbomben mußten die vermeintlichen Täter laufengelassen werden. In Klagenfurt gibt es offensichtlich nicht die geringste Spur, und der Fall Oberwart, Herr Minister, wird von Woche zu Woche suspekter: Seit der letzten Debatte in diesem Haus sind weitere merkwürdige Einzelheiten dieses Falles aufgetaucht. Ich verweise auf die Fernsehsendung "Report", auf die Geschichte rund um die Lederjacke, auf die Geschichte rund um die Schleifspuren, die in dieser Sendung eindeutig zu sehen waren.

Herr Minister! Das sind Ungereimtheiten der Extraklasse, die einer Aufklärung bedürfen. Was ist dort tatsächlich passiert? – Acht Stunden liegen zwischen dem Vorfall und dem Beginn der Ermittlungen. Was ist in diesen acht Stunden passiert, Herr Minister?

Ich verweise auf einen Artikel in der "Kleinen Zeitung" vom 3. Mai 1996: Die Spuren von Oberwart führen nach Ebergassing. Interessanterweise wurde das Auto eines Ebergassing-Attentäters zwei Wochen nach dem Anschlag von Oberwart zwölf Kilometer vom Tatort entfernt entdeckt.

Herr Minister! Rund zwei Wochen nach dem Anschlag von Oberwart vom 5. Februar 1995 wurde in der Nähe von Markt Allhau, zwölf Kilometer von Oberwart, ein PKW gefunden. Am Wagen fehlte alles, was auf den Fahrzeughalter hätte hinweisen können. Es gab keine Nummerntafeln, keine Papiere, fast alles fehlte. Aber über die Motornummer konnte der Zulassungsbesitzer eruiert werden, und dieser Zulassungsbesitzer ist einer der späteren Attentäter von Ebergassing! Dieser Zulassungsbesitzer ist der Herr Koni#ek, Herr Minister. (Abg. Ing. Reichhold: Was sagen Sie dazu, Herr Minister?)

Weitere Angaben zu diesem brisanten PKW-Fund, der bereits seit Februar des Vorjahres im Innenministerium aktenkundig ist, sind nicht zu erhalten. Herr Minister! Welches Kennzeichen hatte dieser PKW? – Ist es vielleicht identisch mit einem Kennzeichen, das auf der Liste, die in der Oberwarter Roma-Siedlung aufgelegen ist, stand? Ist dieses Kennzeichen auch auf dieser Liste vorzufinden? Wo ist diese Liste? Warum ist diese Liste verschwunden, Herr Minister? – Fragen über Fragen!

Schön langsam wird diese Geschichte mehr als merkwürdig. Es gibt immer mehr Fragen und keine einzige Antwort – und dies beinahe eineinhalb Jahre nach dem Anschlag. Viele sind geneigt, jenen Glauben zu schenken, die behaupten, daß all diese Ungereimtheiten in direktem Zusammenhang mit einem Fahndungsverbot in der linken Terrorszene stehen. Auch ich glaube, daß etwas Wahres dran ist, wenn die "Kronen-Zeitung" am 22. März schreibt, daß diesbezüglich ein Fahndungsverbot in der linken Terrorszene besteht.

Was der Staatspolizist in seinem Enthüllungsbuch "Verrat an Österreich" kritisiert, dürfte offenkundig sein. Auch das Gerücht über die Verbindungen in Richtung Wiener Mitglied der anarchistischen Szene mit besten Kontakten zu radikalen Kurdenorganisationen dürfte einen wahren Hintergrund haben. Gibt es wirklich Spuren zu gemeinsamen Bekannten von hier im Parlament Befindlichen und Terrororganisationen? Gibt es wirklich Verbindungen von hier im Parlament Anwesenden und im Kirchweger-Haus Ein- und Ausgehenden? Gibt es Querverbindungen von hier nach Oberwart, Herr Minister? – Das sind die Fragen, die wir Ihnen so lange stellen werden, bis Sie Antwort geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Ich frage Sie noch einmal: Warum wurde die Gendarmerie in Oberwart so spät verständigt? Warum wurde nach einer Detonation, die im ganzen Ort zu hören war, nicht sofort die Polizei gerufen? Wer hat vor Eintreffen der Gendarmerie, der Polizei, der EBT den Tatort verändert, Herr Minister? Wo ist die Liste mit den Nummern der verdächtigen Autos? – Die Kennzeichen sollen aus St. Veit oder Spittal, die Autos angeblich Escorts und Orions gewesen sein. Wo ist die Nummer des weißen Mazda 626 mit Hartberger Kennzeichen?

Herr Minister! Warum wurde die örtliche Kripo von den Ermittlungen ausgeschlossen? Warum wird die von "NEWS"-Redakteuren initiierte Schmieraktion von Oberschützen in diesem Zusammenhang weiterhin vertuscht? Warum wurde die Sicherstellung von Beweismaterial verhindert? Und warum entzieht man den örtlichen Ermittlungsbehörden den Akt? Warum wird die Vernehmung Verdächtiger in Wien abgebrochen, und zwar auf Weisung abgebrochen?


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Herr Minister! Es hat den Anschein, daß Behörden immer wieder dann in ihren Ermittlungen behindert werden, wenn eine neue Ermittlungsrichtung eingeschlagen werden soll. Ich brauche Herrn Sika nicht mehr zu zitieren, das Zitat ist bekannt, aber all diese Dinge lassen den Eindruck entstehen, daß die Ermittler ständig unter politischem Druck stehen.

Herr Minister! Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, daß es Verbrechen gibt, deren Hauptzweck es ist, andere in Verdacht zu bringen und somit einen Vorwand für weitere oder andere Maßnahmen zu bekommen? – Eine analytische Auseinandersetzung mit den Ihnen vorliegenden Erkenntnissen müßte schon längst dazu geführt haben, daß in eine Richtung ermittelt wird, die auch Fortschritte erwarten läßt, Herr Minister.

Wenn das alles nicht stimmt, was ich hier gesagt habe, Herr Minister, dann entkräften Sie die Vorwürfe. Entkräften Sie die Vorwürfe, daß Sie zu Recht mit denen in Verbindung gebracht werden, die da vertuschen wollen! Entkräften Sie den Vorwurf, daß Sie nicht in alle Richtungen gleich ermitteln lassen! Entkräften Sie den Vorwurf, daß Sie auf der Seite des Unrechts stehen, wie von manchen Mitbürgern bereits behauptet wird, Herr Minister! Nur Aufklärungserfolge sind ein geeignetes Mittel, Ihre Kritiker, zu denen auch ich zähle, zum Verstummen zu bringen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Elmecker. Redezeit 20 Minuten. – Bitte.

11.40

Abgeordneter Robert Elmecker (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! In aller Kürze ein paar Bemerkungen zu den Ausführungen meines Vorredners. Er hat beklagt, daß die Aufklärungsquote in Österreich zu niedrig wäre. Da möchte ich doch darauf verweisen, daß Österreich eines jener Länder ist, in denen die Aufklärungsquote hoch ist, sie beträgt nämlich nahezu 50 Prozent. Das heißt, jedes zweite Verbrechen beziehungsweise Vergehen kann aufgeklärt werden.

Ich möchte dem aber hinzufügen – und das ist besonders wichtig –, daß bei den Schwer- und Schwerstdelikten die Aufklärungsquote Gott sei Dank über 90 Prozent liegt. (Ruf bei den Freiheitlichen: Was sagen Sie zu Oberwart?) Daß wir natürlich Probleme gerade bei den Eigentumsdelikten haben, bei den Ladendiebstählen – das ist die sogenannte Kleinkriminalität –, ist verständlich, denn da gestaltet sich die Aufklärung äußerst schwierig. Aber das haben Sie, Herr Abgeordneter Schweitzer, geflissentlich verschwiegen.

Sie, Herr Abgeordneter Schweitzer, haben außerdem gemeint, gegen die organisierte Kriminalität werde in unserem Lande nichts gemacht. Da möchte ich doch darauf verweisen, daß beide Herren Bundesminister eine diesbezügliche Regierungsvorlage bereits dem Hohen Haus vorgelegt haben. In einem Unterausschuß, der bereits eingerichtet wurde, werden neue Ermittlungsmethoden gegen die organisierte Kriminalität beraten.

Zur Ausländerkriminalität: Ich möchte in diesem Zusammenhang eine Mär aus der Welt schaffen.

Meine Damen und Herren! In einem Land, dessen Grenzen jährlich mehr als 200 Millionen Menschen passieren – allein in Wien 80 Millionen Gäste, Touristen –, ist natürlich mit einer steigenden Kriminalität zu rechnen. Das ist eine Tatsache. (Abg. Ing. Reichhold: Du redest wie der Blinde von der Farbe!) Ich möchte aber betonen, daß gerade bei den Gastarbeitern nur eine geringfügige Steigerung (Abg. Scheibner: Reden Sie von den 200 000 Illegalen!) – Kollege Scheibner, lesen Sie den Bericht genau! – bei der Kriminalität zu verzeichnen ist. Diese ist nicht exorbitant höher im Vergleich zu jener bei den Inländern. Machen Sie bitte nicht den Fehler und sagen Sie nicht, jeder Ausländer ist automatisch kriminell. Das weisen wir zurück! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Die Illegalen! – Abg. Ing. Reichhold: Von Ihnen werden die Touristen kriminalisiert!)


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Zur Planpostenreduktion, die mein Vorredner auch angeschnitten hat, möchte ich sagen: Die gesamte Bundesregierung hat sich vorgenommen, im öffentlichen Dienst zu sparen. Natürlich trifft dies auch den Bereich der Exekutive. Allerdings wurde die Exekutive in einem Punkt davon ausgenommen, und zwar wurde im letzten Ministerrat beschlossen, daß der Aufnahmestopp für die Exekutive nicht mehr gilt. – Das waren ein paar Bemerkungen zu den Ausführungen meines Vorredners. (Abg. Ing. Reichhold: Rede nicht um den heißen Brei herum!)

Meine Damen und Herren! Nun möchte ich aber zum Bericht über die innere Sicherheit selbst ein paar Bemerkungen machen. Es wurde im Ausschuß kritisiert, daß wir jetzt erst in der Lage sind, den Sicherheitsbericht 1994 zu diskutieren. Wie Sie wissen, wird dieser Sicherheitsbericht in zwei Teilen behandelt: ein Teil ist der Bericht des Innenministeriums, und ein Teil ist der Bericht des Justizministeriums. Ich glaube, wir könnten in Zukunft eigentlich auch die Diskussion getrennt durchführen: Wir könnten einerseits über den gesamten Sicherheitsbericht, so wie heute, diskutieren, andererseits sollten wir aber auch die Möglichkeit haben, über die Kriminalstatistik, wenn diese erscheint, zu reden. Wir haben die Kriminalstatistik aus dem Jahre 1995 auf Wunsch des Ausschusses vom Bundesminister für Inneres vorgelegt bekommen, und die darin angeführten Zahlen sind nicht uninteressant. Ich möchte einige davon erläutern.

Es ist im gesamten Bereich der strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben ein Rückgang von 1,7 Prozent zu verzeichnen, davon bei den Verbrechen ein solcher von 7,8 Prozent. Es gibt bei den strafbaren Handlungen gegen fremdes Vermögen einen Rückgang von 4,3 Prozent, bei den Verbrechen in diesem Bereich einen solchen von 5,5 Prozent. Es ist bei den strafbaren Handlungen gegen die Sittlichkeit ein Rückgang von 21,3 Prozent feststellbar, bei den Verbrechen in diesem Bereich ein solcher von 15,1 Prozent. Das ergibt in der Gesamtsumme einen Rückgang von 3,6 Prozent, bei den Verbrechen einen solchen von 5,9 Prozent.

Meine Damen und Herren! Das sind Zahlen aus der Kriminalstatistik des Jahres 1995: In allen Deliktsbereichen ist Gott sei Dank ein Rückgang zu vermerken!

Jetzt möchte ich einmal die Gelegenheit wahrnehmen und einem Oppositionsabgeordneten recht geben, nämlich Kollegen Anschober. Dieser hat im Ausschuß gesagt – und ich kann das nur unterstreichen; ich hoffe, er sagt es heute auch im Plenum –: Wenn man im großen und ganzen die Situation der inneren Sicherheit in Österreich betrachtet, so kann man Österreich als sicheres Land bezeichnen. (Beifall bei der SPÖ sowie Beifall des Abg. Dr. Feurstein. )

Ich habe positiv vermerkt, daß wir gerade bei den Schwerverbrechen einen Rückgang feststellen können. Ich darf auch dazu einige Zahlen nennen. Bei Mord gab es einen Rückgang von 9,2 Prozent, bei den Körperverletzungen mit tödlichem Ausgang einen Rückgang von 14,3 Prozent, bei den schweren Diebstählen einen Rückgang von 4,7 Prozent, beim Diebstahl und beim Einbruch einen Rückgang von 4,9 Prozent, beim Raub einen Rückgang von 13,9 Prozent. Diese Zahlen sprechen für sich.

Ich möchte aber auch die Aufklärungsquoten in diesen Bereichen nennen, denn diese sind besonders erwähnenswert. Wir können bei den strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben eine Aufklärungsquote von 91,6 Prozent verzeichnen. Das ist eine sehr, sehr gute Zahl. Bei den Verbrechen in diesem Bereich beträgt die Aufklärungsquote 94 Prozent. Bei den strafbaren Handlungen gegen fremdes Vermögen macht die Aufklärungsquote 35,6 Prozent aus; ich habe vorhin schon versucht, das zu erläutern. Bei den strafbaren Handlungen gegen die Sittlichkeit wurde eine Aufklärungsquote von 81,8 Prozent ausgewiesen.

Meine Damen und Herren! Wenn man diese Zahlen nüchtern und sachlich betrachtet, so kann man konstatieren – und das möchte ich hier von dieser Stelle aus tun –, daß unsere Sicherheitsbehörden, daß unsere Exekutive gute Arbeit zum Wohle der Bevölkerung in diesem Lande leistet. Dafür sei hier öffentlich Dank ausgesprochen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Für uns Sozialdemokraten, meine Damen und Herren, ist Sicherheit ein umfassender Begriff: Er umfaßt soziale Sicherheit, Sicherheit der Beschäftigung und auch Schutz vor Verbrechen. Wir wissen um die gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen Kriminalität entsteht, und wir sehen


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in der Schaffung gesellschaftlicher Verhältnisse, die dem entgegenwirken, das beste Mittel zum Schutz der Bevölkerung. (Beifall bei der SPÖ.) Daß uns dies zu einem gut Teil gelungen ist, meine Damen und Herren, wird durch die Tatsache unterstrichen, daß die Menschen in Österreich sicher und in Geborgenheit leben können.

Damit Österreich auch weiterhin zu den sichersten Staaten gehört, treten wir Sozialdemokraten in erster Linie auch für den Ausbau präventiver Maßnahmen ein. Ich möchte den Begriff "Sicherheit" mit jenem der Prävention in der Diskussion verbinden. Umfragen haben ergeben, daß die Menschen weltweit Angst vor der Kriminalität haben: vor zunehmender Gewalt, vor Drogen, vor Terrorismus und Extremismus, vor Fremden- und Wanderungsproblemen, vor der Verletzung der Menschenrechte sowie auch vor der Korruption.

Grundsätzlich ergeben sich für die Exekutive daher zwei Anforderungsprofile: Einerseits sollen Alltagsprobleme wie Hilfeleistung, Regelung des Verkehrs und Aufklärung der Kleinkriminalität gelöst werden, andererseits wird zur Bewältigung der Bekämpfung der Schwerkriminalität immer mehr Professionalität gefordert.

Meine Damen und Herren! Ich habe die letzte Sitzung des Ausschusses für innere Angelegenheiten benützt, zu einer Spezialeinheit einzuladen. Die Professionalität der Exekutive von der geredet wurde, können wir Mitglieder des Innenausschusses am Beispiel einer Spezialeinheit hier demonstrieren und beweisen, nämlich an der Wiener Alarmabteilung. Wir haben bei dieser eine Broschüre bekommen, aus der ich zitieren möchte. Darin heißt es unter anderem – Zitat –: "Die Bevölkerung verlangt zu Recht von ihrer Polizei stetige Einsatzbereitschaft, gute Ausbildung und Motivation sowie professionelles Vorgehen auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten und in Phasen neuer gesellschaftlicher Herausforderungen." – Genau diesen Anforderungen entspricht unsere Exekutive, und ich glaube, das heute hier anläßlich der Debatte über den Sicherheitsbericht einmal besonders betonen zu dürfen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Wenn wir über den Begriff "Sicherheit" diskutieren, müssen wir auch über die objektive Sicherheit reden. Ich weiß schon, daß sich das subjektive Sicherheitsgefühl manchmal anders darstellt als die objektive Sicherheit, und zwar gerade dann, wenn in Medienberichten über einen schweren Vorfall diskutiert wird. Dann werden von den Medien unter Umständen Gefühle geweckt, die den objektiven Tatbeständen nicht entsprechen.

Das Ausmaß sowie die Struktur der Kriminalität in Österreich sind durchaus mit jenen anderer europäischer Länder vergleichbar. Österreich ist längst mit Europa zu einer kriminalgeographischen Einheit zusammengewachsen und bildet nahezu einen einheitlichen Markt für kriminelle Geschäfte international agierender Verbrecherorganisationen. Die Aufklärungsquote ist in Österreich in den letzten Jahren Gott sei Dank gestiegen. Bezogen auf alle registrierten Straftaten ohne fahrlässige Körperverletzung betrug die Aufklärungsquote rund 50 Prozent.

Die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen in Europa, insbesondere in unseren östlichen und südöstlichen Nachbarländern, haben nicht nur die Quantität und die Struktur der Kriminalität verändert, sondern auch die Qualität. Neue Kriminalitätsformen gewinnen an Bedeutung, wie etwa die Wirtschafts-, die Computer-, die Scheck- und die Kreditkartenkriminalität oder auch die Umweltkriminalität. Täter und Organisationen wirken zunehmend professioneller und nutzen intellektuelle Fähigkeiten, moderne Technologien und Kommunikationsmittel.

In einzelnen Deliktsbereichen sind vorwiegend Ausländer Tatverdächtige, zum Beispiel in den Bereichen der Drogenkriminalität und der Einbruchskriminalität sowie im Bereich des Menschenhandels. Darüber hinaus gibt es eine Internationalisierung und eine Mobilisierung vor allem bei der organisierten Kriminalität. Daher glaube ich, daß wir gut beraten sind, die Regierungsvorlage über die neuen Ermittlungsmethoden rasch in Behandlung zu nehmen und diese dann auch zu verabschieden, um der Exekutive mehr Möglichkeiten in die Hand zu geben. Unter der Voraussetzung der Zusammenarbeit mit der Justiz werden Mittel gewählt werden müssen, um gerade der organisierten Kriminalität entgegenarbeiten zu können.


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Meine Damen und Herren! In der Gesellschaft haben sich trotz des Wohlstands Bruchlinien entwickelt. Die Eckpfeiler unseres Abwehrsystems sind Familie und Schule, doch diese haben großen Schaden erlitten. Es ist in den letzten Jahrzehnten, in denen wir es zu Wohlstand gebracht haben, vieles aus den Fugen geraten. Das macht uns angreifbar! – mahnte auch einmal in einem Artikel Herr Generaldirektor für öffentliche Sicherheit Mag. Sika.

Meine geschätzten Damen und Herren! Ziel der Kriminalvorbeugung müssen daher sein sowohl die primäre Verhütung der Verbrechensentstehungsgründe überhaupt als auch sekundäre Vorsorge gegen Weiterungen und Wiederholungen, wenn trotz allem ein Verbrechen geschehen ist. Der Präventionsgedanke hat sich von der kriminalpolizeilichen Vorbeugung nach dem englischen Vorbild über die Community Crime Prevention zum Community Policing weiterentwickelt. Es gibt in § 25 SPG die Möglichkeit, daß Sicherheitsbehörden zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe gegen Leben, Gesundheit und Vermögen von Menschen die Bereitschaft und Fähigkeit des einzelnen, sich über eine Bedrohung seiner Rechtsgüter Kenntnis zu verschaffen und Angriffen entsprechend vorzubeugen, fördern. Darüber hinaus obliegt es den Sicherheitsbehörden, Vorhaben zu fördern, die der Vorbeugung gefährlicher Tatbestände und Delikte dienen können.

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang möchte ich wieder einmal – ich habe dies auch beim letzten Sicherheitsbericht gemacht – auf Beispiele hinweisen, die es in Wien, aber auch in Schwechat bereits gibt, nämlich auf die sogenannten Sicherheitsforen, eine Zusammenarbeit mit der Bevölkerung, ein Schulterschluß mit der Bevölkerung. Es wird die Sicherheitssituation vor Ort gemeinsam mit der Bevölkerung diskutiert, und dann werden die entsprechenden Konzepte erarbeitet. Säulen dieser Konzepte sollten sein: erstens das gemeinsame Sicherheitskonzept mit dem Bürger, zweitens Partnerschaft ohne Anonymität, drittens Verknüpfung mit anderen Institutionen, viertens Dezentralisierung, interner Dialog und fünftens Übersicht in kleinen Einheiten.

Prävention im kriminologischen Sinn stellt die Gesamtheit aller staatlichen und privaten Bemühungen zur Verhütung von Straftaten dar. Primäre Prävention bekämpft die Kriminalität an den Wurzeln und sekundäre Prävention an der Oberfläche, und tertiäre Prävention bedeutet täterorientiertes Handeln, zum Beispiel Täter-Opfer-Ausgleich, soziale Trainingskurse, Maßnahmen der Resozialisierung und anderes mehr.

Geschätzte Damen und Herren! Ich kann hier berichten, daß Anfang 1994 bei der Bundespolizeidirektion Wien mit Community Policing begonnen wurde. Die Chancen dieser Strategie liegen in der Kriminalitätsbekämpfung von der Wurzel her. Statt der ausschließlichen Forderung nach mehr Polizei und Bürgerwehren soll der Bürger in die Beantwortung von Sicherheitsfragen miteingebunden werden. Die Übernahme von Verantwortung durch den Bürger und das Erkennbarmachen der tatsächlichen Kriminalitätsbelastung sollen das subjektive Sicherheitsgefühl verbessern.

Die neue Form gelebter Zusammenarbeit zwischen Bürger und Polizei läßt ein fundiertes Vertrauensverhältnis entstehen. Die Polizeiarbeit beschränkt sich nicht nur auf die Feuerwehrfunktion, darauf, daß sie kommt, wenn man sie braucht, sondern sie wird umfassender und professionell. Daß dies gelingt, beweist auch die objektive Diskussion des heute zur Debatte stehenden Sicherheitsberichtes.

Abschließend möchte ich im Namen der sozialdemokratischen Fraktion noch einmal dem Bundesminister und der gesamten Exekutive Respekt und Anerkennung aussprechen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser. – Bitte, Herr Abgeordneter. Redezeit 20 Minuten.

11.56

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Man kann sagen: Alle Jahre wieder diskutieren wir einen nicht aktuellen Sicherheitsbericht. Herr Bundesminister! Das darf auf die Dauer


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doch nicht so sein! Mitte des Jahres 1996 wird der Sicherheitsbericht des Jahres 1994 diskutiert, und im nächsten Jahr werden wir dann den Sicherheitsbericht des Jahres 1995 diskutieren. Ich glaube, daß es höchst an der Zeit ist, daß wir Wege finden, wie wir in diesem Hohen Hause zu einer aktuellen Diskussion über die Lage der inneren Sicherheit in Österreich kommen.

Meine Damen und Herren! Ich meine, daß es notwendig ist, den bisherigen sogenannten Sicherheitsbericht zu einem tatsächlichen Zustandsbericht weiterzuentwickeln, um zu erfahren, wie es mit der inneren Sicherheit in unserem Lande in Wirklichkeit aussieht. Denn: Das, was derzeit dem Parlament vorgelegt wird, ist – wenn man die Sicherheitsberichte der verschiedenen Jahre miteinander vergleicht, kommt man zu diesem Schluß – nicht mehr als eine Abschreibübung. Bloß die Zahlen sind neu, sind aktuell. Es handelt sich dabei um statistische Spielereien.

Darüber hinaus mangelt es diesem Sicherheitsbericht auch an Aktualität, weil sehr viele konkrete Vorhaben, die schon – beispielsweise 1994 – im Laufen waren, überhaupt nicht angeführt wurden, wie beispielsweise der Assistenzeinsatz des Bundesheeres oder eine klare Analyse des Ist-Zustandes unserer Exekutive.

Ich meine daher, daß es notwendig ist – das soll das Ziel bei zukünftigen Sicherheitsberichten sein –, daß wir zu einer umfassenden Analyse der Sicherheitslage in unserem Land kommen, daß wir auch eine kritische Würdigung des Zustandes der Exekutive aus dem Munde des Innenministers hören und daß wir vor allem Perspektiv- und Reformvorschläge des Innenministers im Sicherheitsbericht nachlesen können.

Herr Bundesminister! Es darf ja wirklich nicht als gottgegeben hingenommen werden, daß es, nachdem mit dem Justizministerium und dann noch mit dem Statistischen Zentralamt, von dessen Qualität wir ja jüngst erfahren haben, beraten wurde, dann ein halbes oder ein dreiviertel Jahr lang dauert, bis der Bericht dem Parlament vorgelegt wird. Ich glaube daher, daß wir den Vorschlag, den Kollege Elmecker gemacht hat, aufgreifen sollten, nämlich daß der Innenminister das Parlament über die Daten der Kriminalitätsstatistik des jeweiligen Jahres, wenn er sie hat – und diese hat er relativ bald verfügbar –, in Kenntnis zu setzen hat, dem Parlament darüber zu berichten hat. Dann würde auch nicht die Situation eintreten, daß die Abgeordneten beziehungsweise die Sicherheitssprecher und das Parlament durch die Medien über die aktuellen Zahlen informiert werden. Wir können dann darüber eine Diskussion führen, und ein halbes Jahr oder ein dreiviertel Jahr später soll dann ein umfassender Sicherheitsbericht dem Hohen Hause vorgelegt werden. Ich halte das für einen gangbaren Weg, und wir sollten ihn einschlagen.

Meine Damen und Herren! Die Diskussion über den heute zur Debatte stehenden Sicherheitsbericht gibt uns auch die Gelegenheit, über aktuelle Fragen der Sicherheit in diesem Lande zu diskutieren. Ich möchte mich, Herr Bundesminister, dafür, daß wir auf Wunsch des Ausschusses die neuesten statistischen Zahlen über die Entwicklung der Kriminalitätsstatistik in Österreich bekommen haben, bedanken. Dankenswerterweise hat der Kollege Elmecker diese Zahlen dem Hohen Haus bereits bekanntgegeben; damit sind sie auch im Protokoll festgehalten.

Ich möchte nur sagen, daß es laut diesen Unterlagen tatsächlich zu einem Rückgang im Bereich der Kriminalität in Österreich gekommen ist. Das ist eine absolut positive Entwicklung, die hier ganz offen erwähnt werden muß. Die konkrete Zahl der Kriminalitätsfälle liegt bereits unter jener des Jahres 1993 – ich sage: Gott sei Dank! –, und diese Entwicklung weist auf eine Stabilisierung im Bereich der Kriminalität hin. Das ist eine positive Entwicklung, diese darf aber trotzdem nicht zu einer Verharmlosung führen, schon allein aufgrund der Entwicklungen im Bereich der organisierten Kriminalität und der Drogenkriminalität. Da haben wir, meine Damen und Herren, noch Handlungsbedarf! (Beifall beim Liberalen Forum. – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Es wäre wirklich unverantwortlich, Österreich als unsicheres Land hinzustellen, es wäre unverantwortlich, jetzt einen falschen Weg einzuschlagen, nämlich so quasi den Notstand auszurufen und weiter nach polizeistaatlichen Methoden zu rufen. Ich glaube, dafür liegen die Voraussetzungen nicht vor.


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Meine Damen und Herren! Faktum ist, daß es Kriminalität immer geben wird. Kriminalität hat es in der Vergangenheit gegeben, gibt es jetzt und wird es auch in Zukunft geben. Aber Österreich kann sich mit seiner Entwicklung in der Kriminalitätsstatistik auch im internationalen Bereich sehen lassen.

Trotzdem macht mir, Herr Bundesminister, der Zustand der Exekutive Sorgen. Es gibt eine Vielzahl von wirklich engagierten Beamten, die ihren Dienst sehr ordentlich versehen und durch ihren Kontakt mit der Bevölkerung dazu beigetragen haben, daß die Bevölkerung sehr großes Vertrauen in unsere Polizei und in unsere Gendarmerie, in unsere Sicherheitskräfte hat – das sollte hier auch erwähnt werden: Immerhin rangiert die Polizei gemeinsam mit der Nationalbank in der Vertrauensskala an erster Stelle; mit immerhin 70 Prozent Zustimmung! –, aber diese engagierten Beamten müssen in zunehmendem Maße unter wirklich unzumutbaren Bedingungen – sei es im Bereich der Unterbringung, sei es im Bereich des Dienst- und Besoldungsrechtes – arbeiten.

Es gibt aber auch – das gilt es positiv anzumerken – Sondereinheiten – wir hatten im Rahmen des Innenausschusses ja die Möglichkeit, die Sondereinheiten der Gendarmerie, der Wiener Sicherheitsdirektion zu besuchen –, die einen sehr hohen Ausbildungsstandard, hohes Können aufweisen, von Teamgeist geprägt sind, deren Qualifikation und Einsatzbereitschaft sich auch international sehen lassen können. Es macht mich allerdings sehr betroffen, daß diese Herren keine wirklichen dienstrechtlichen Vorteile aufgrund ihrer Qualifikation genießen können, daß sie nicht bevorzugt verwendet werden für höhere Funktionen, daß sie nicht bevorzugt verwendet werden im Rahmen ihrer Einstellung, im Rahmen der Besoldung.

Herr Bundesminister! Es ist notwendig, diesbezüglich Maßnahmen und Schritte einzuleiten, sonst erzeugen wir Frust und Enttäuschung bei jenen Beamten, die über eine hohe Qualifikation verfügen und diese im Interesse der Sicherheit unserer Menschen einsetzen.

Ich meine, Herr Bundesminister, daß sich aufgrund der Versäumnisse, die ich soeben angeführt habe, ein gewisses Radikalisierungspotential ergibt, daß die Beamten – und das ist das Schlechteste, das passieren kann – in die innere Emigration gehen. Es wäre zweckmäßiger und zielführender – ich appelliere an Sie, dies als eine Ihrer prioritären Maßnahmen zu sehen –, diese positiven Kräfte entsprechend zu fördern.

Auf der anderen Seite muß ich auch feststellen, daß es in der Exekutive durchaus auch unzuverlässige Kräfte gibt, die dem Ansehen und dem Ruf der Exekutive schaden. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur auf einige Ereignisse der letzten Zeit hinweisen: auf die für mich unverständliche Forderung nach dem Rücktritt des Innenministers, eines vom Parlament legitimierten Regierungsmitgliedes, durch die Personalvertretung, seitens der Freiheitlichen beziehungsweise seitens der ÖVP, und auf die undichten Stellen in Ihrem Ministerium, Herr Bundesminister Einem.

Es ist unerträglich, feststellen zu müssen, daß vertrauliche Informationen aus dem Ressort in die Öffentlichkeit gelangen – seien es Informationen der Staatspolizei, seien es Informationen Sie, Herr Minister, persönlich betreffend –, sodaß man feststellen muß, daß die Loyalität zu Parteizentralen größer ist als die Loyalität gegenüber der Ressortleitung.

Es gibt auch schwarze Schafe, die Drogenparties in ihren Dienststellen veranstalten oder Blankounterschriften für die Einweisung in die Psychiatrie leisten.

Ich fordere Sie, Herr Bundesminister, auf, den Anfängen zu wehren und gegen diese schwarzen Schafe in der Exekutive mit aller Entschiedenheit vorzugehen! Ich möchte jedoch nicht sagen, daß das der Gesamtzustand der Exekutive ist. Es sind einige Fehlverhalten, aber insgesamt haben Sie, Herr Bundesminister, Handlungsbedarf, um diese Mißstände rigoros abzustellen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Für mich sind die Klagen des Wiener Polizeipräsidenten verwunderlich. Offensichtlich ist dieser Herr überfordert, da er jetzt im Zusammenhang mit den Vorfällen im Sicherheitsbüro jammert und meint, die Personalvertretung wäre zu stark. Ich glaube, diese betreffende Personalvertre


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tung gehört sogar seiner eigenen Fraktion an, nämlich den Sozialdemokraten. Er hat auch gesagt, er habe keine Personalhoheit. – Meine Damen und Herren! Wenn das stimmt, dann zeigen sich allein anhand dieser Aussagen des Polizeipräsidenten jene strukturellen Schwächen, die schon längst hätten beseitigt werden können, jene personalpolitischen Fehler, die in der Vergangenheit begangen worden sind und deren Beseitigung umgehend notwendig ist, beziehungsweise es sind umgehend tiefgreifende Reformen zu starten, Herr Bundesminister!

Aus unserer Sicht sind die Reformen im Bereich der Exekutive ein Gebot der Stunde, weil der Bürger ein Recht auf Sicherheit, auf Schutz vor Straftaten und vor Kriminalität hat. Es ist aus unserer Sicht die Pflicht des Staates, den Bürgern in unserem Lande größtmöglichen Schutz auch zu gewährleisten, aber – und das möchte ich ganz besonders hervorheben – unter geringstnotwendiger Einschränkung der persönlichen Freiheit beziehungsweise der Grund- und Freiheitsrechte. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Ich sage es noch einmal: Wir sehen daher auch keinen Handlungsbedarf und keine Notwendigkeit für zusätzliche polizeistaatliche Maßnahmen. Ich möchte damit dem Vorhaben der Koalitionsregierung, noch in dieser Legislaturperiode Lauschangriff und Rasterfahndung zu beschließen, eine klare Absage erteilen. Auch die beabsichtigte Legalisierung der "Geisteskrankenkartei" lehne ich ab. Meine Damen und Herren! Gegen derartige Maßnahmen werden wir mit aller Entschiedenheit vorgehen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Dafür verlangen wir von Ihnen, Herr Bundesminister, daß Sie eine innere Reform der Exekutive umgehend in Angriff nehmen. Hiebei geht es darum, die Führungsverantwortung auch tatsächlich zu verankern, neue Wege in der internen Konfliktbewältigung zu suchen, daß es anstelle der bisher anonymen Anzeigen zu einer offenen Aussprache kommt. Wir wollen eine Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Exekutive und Bürgern – zu dem vom Kollegen Elmecker angeschnittenen Bürgerforum sagen wir ja.

Herr Bundesminister! Führen Sie es endlich ein, nicht nur im Bereich der Sicherheitsdirektion Wien, sondern im gesamten Bundesgebiet! Stellen Sie die dafür notwendigen legistischen Grundlagen her.

Ich glaube, daß im Rahmen der inneren Reform der Exekutive auch eine entsprechende Schulung im Bereich Menschenführung notwendig ist. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, der angegangen werden muß.

Der zweite Reformblock betrifft die Ausbildung, Herr Bundesminister. Im Rahmen der Ausbildungsreform muß sichergestellt sein, daß eine Durchlässigkeit innerhalb des Systems gegeben ist, daß die Praktiker, all diejenigen, die im Dienst vor Ort, an den Dienststellen Erfahrung gewonnen haben, auch die Möglichkeit haben, eine qualifizierte Ausbildung, eine höhere Führungsausbildung zu absolvieren, um dann in höherer Führungsposition eingesetzt zu werden.

Herr Bundesminister! Ich urgiere hier noch einmal die Sicherheitsakademie. Ich verlange von den Kollegen der Sozialdemokratie, daß das Versprechen, das bei zwei Grundsteinlegungen für diese Sicherheitsakademie abgegeben worden ist, auch eingehalten wird.

Meine Damen und Herren! Wir verlangen weiters eine durchgehende Berufsweiter- und -ausbildung, aber auch eine Verstärkung der Ausbildung in der internationalen Zusammenarbeit, in der internationalen Kooperation.

Meine Damen und Herren! Es schadet nicht – das ist nicht negativ zu bewerten und nicht negativ zu sehen –, wenn auch österreichische Staatsbürger, die nicht Deutsch als Muttersprache haben, in den Polizeidienst aufgenommen werden. Ich glaube, daß das auch eine Maßnahme wäre, um ganz gezielt gegen jene Kriminalität zu agieren, die von auswärts in unser Land hereingetragen wird. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Was ich außerdem noch von Ihnen verlange, Herr Bundesminister, ist eine Strukturreform bei der Exekutive. Sie werden nicht umhinkommen – auch wenn Sie sich dagegen wehren, auch


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wenn Sie immer wieder alle möglichen Ausreden und Argumente erfinden –, ein einheitliches Exekutivcorps zu schaffen. Bislang gibt es kein Argument dagegen – ich zumindest habe noch kein Argument dagegen gehört –, es sprechen aber alle Argumente dafür, daß wir endlich klare Strukturen schaffen, daß wir die Doppelgleisigkeiten, die eben gegeben sind, beseitigen und daß wir vor allem die in den Dienststellen vorhandenen artfremden Tätigkeiten auslagern. Dadurch würde es zu einer wesentlichen Entlastung im Bereich der Kommissariate der Bundespolizeidirektionen und auch im Bereich der Gendarmeriedienststellen kommen.

Herr Bundesminister! Durch diese Reformmaßnahmen gerade im Bereich der Infrastruktur würden Kapazitäten freigesetzt werden, die Sie dann verwenden könnten, um die längst notwendigen Verstärkungen in einzelnen Bereichen tatsächlich umzusetzen, zu realisieren und die notwendigen Aufbaumaßnahmen zu tätigen und Aufstellungen durchzuführen, die für den Bereich der Grenzgendarmerie seit Jahren angekündigt werden, aber seitens Ihres Ministeriums bislang nicht wirklich wirksam und effizient umgesetzt wurden.

Durch diese Kapazitätsumschichtungen bekämen Sie die Möglichkeit, die Grenzgendarmerie personell entsprechend zu dotieren, die Gruppen zur Bekämpfung des Terrorismus, zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, zur Suchtgiftbekämpfung personell aufzustocken und qualifiziertes Personal dort einzusetzen. Sie schaffen damit die Voraussetzungen, noch mehr als bisher für die Sicherheit in diesem Lande zu unternehmen.

Meine Damen und Herren! Mit Spannung werden wir den Reformen der Staatspolizei und der Grenzgendarmerie entgegensehen. Herr Bundesminister! Wir erwarten von Ihnen diesbezüglich sehr entschlossenes Handeln – dann haben Sie auch unsere politische Unterstützung. Wir haben aber überhaupt kein Verständnis dafür, wenn Sie Ihre Ankündigungspolitik oder auch jene Ihres Vorgängers fortsetzen und nichts unternehmen, um die Versäumnisse der Vergangenheit aufzuarbeiten, und den alten Schlendrian fortsetzen.

Ich komme zum Schluß. Aus unserer Sicht ist hinsichtlich der Einschätzung der Sicherheit in Österreich zu sagen: Die Sicherheit in Österreich gibt nicht Anlaß zu Hysterie. Wir sehen keine Notwendigkeit für polizeistaatliche Maßnahmen. Die vorhandene Kriminalität darf jedoch nicht verharmlost werden. Dieser Sicherheitsbericht zeigt uns aber klar – einmal mehr –, daß es gerade in Ihrem Ressort, Herr Bundesminister, Versäumnisse der Vergangenheit und großen Reformbedarf gibt. Daher werden wir Liberale diesem Sicherheitsbericht nicht unsere Zustimmung geben. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.15

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Herren Minister! Hohes Haus! Weil wir von Vorrednern Zahlen gehört haben, zuerst eine sehr plastische Zahl, die die Gesamtproblematik veranschaulicht: Wenn es Jahr für Jahr in etwa 500 000 Delikte in Österreich gibt – Verbrechen und Vergehen (Abg. Mag. Schweitzer: Das ist mehr als genug!) –, dann ist dies eine Zahl, mit der wir alle miteinander nicht allzuviel anfangen können. Legen wir sie um auf die Minuten des Jahres 1994, so bedeutet dies, daß wir jede Minute in Österreich ein Verbrechen und ein Vergehen zu gewärtigen hatten. Statistisch gesehen geschehen in Österreich jede Minute ein Verbrechen und ein Vergehen; ich glaube, daß diese Zahl schon mehr aussagt. Damit ist klar, in welche Richtung es gehen muß, wenn wir die Sicherheit und den Sicherheitsbericht 1994 in diesem Hohen Haus diskutieren.

Die ÖVP steht aus ihrem Grundverständnis heraus für eine starke Demokratie. Wir haben stets gesagt, daß Gewalt und Kriminalität mit allen Mitteln des Rechtsstaates zu bekämpfen sind. Leib und Leben, Freiheit und Eigentum für den Staatsbürger sind als zentrale Rechtsgüter wirklich effizient zu schützen. Das wird so sein, wenn wir Verantwortung tragen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Barmüller: Herr Kollege Kiss! Sie tun es schon, Sie nehmen sie nur nicht wahr!)


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Die Gesamtkriminalität, die sich auf diesem hohen Niveau von etwa 500 000 Delikten jährlich eingependelt hat, macht uns Sorgen. Wenn es auch nicht so ist, wie Kollege Schweitzer in einer eher undifferenzierten Art und Weise festgestellt hat – es war eine Schwarzmalerei; ich habe keine Grautöne, keine Zwischentöne registriert, ich habe nur Attacken auf den Innenminister gehört (Abg. Scheibner: Na geh, das ist wirklich unglaublich!) , im übrigen auch keine Konzeption, wie die Freiheitlichen der Problematik Herr werden würden. Diese undifferenzierte Art und Weise trägt jedoch nicht zu Lösungen bei. (Abg. Scheibner: Anzeigen wolltest du den Minister!) Wir von der ÖVP haben uns immer als eine Partei verstanden, die die Probleme sieht, analysiert und dazu beiträgt, daß die Probleme gelöst werden! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Generaliter hier im Parlament zu behaupten: Österreich ist ein unsicheres Land!, spricht den Tatsachen Hohn. Der internationale Vergleich bestätigt es: Österreich ist – und Österreich soll es auch bleiben – ein sicheres Land! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Weil das schon in dieser undifferenzierten Art und Weise geschieht, von mir als Sicherheitssprecher der ÖVP hier ein klares und offenes Wort: Ich stehe nicht an, die Leistungen der Exekutive hier hervorzuheben. Die Aufklärungsquoten sind hervorragend. Das ist eine Leistung, die Tausende und Abertausende Exekutivbeamte Tag für Tag in diesem Land für die Bürger Österreichs vollbringen, und dafür ist ihnen Dank abzustatten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Scheibner: Hast du das Vertrauen des Ministers wieder? Wie ist das mit dem Amtsmißbrauch?)

Es ist für uns wichtig, in der gesamten Argumentation zu differenzieren. – Ich nehme mir halt noch heraus, da und dort im inhaltlichen Bereich eine sachliche Kritik anzufügen. (Abg. Scheibner: Anzeigen wolltest du ihn!) Ich nehme mir heraus, Vorschläge einzubringen, wie es besser ginge. (Abg. Mag. Schweitzer: ÖVP – in der Regierung nur mehr ohne Einem!) Ich nehme mir heraus – ich werde mich auch in Zukunft nicht davon abhalten lassen –, zu sagen, wie wir, die Österreichische Volkspartei, bei Umsetzung unseres ÖVP-Sicherheitspaketes diesem Land zu mehr Sicherheit verhelfen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Reichhold: Das werden dir die burgenländischen Wähler sagen!)

Ich bin auch nicht einer, Kollege Schweitzer, Kollege Scheibner, Kollege Reichhold, der sagt: Alles, was dieser Innenminister macht, alles was er tut, ist grundsätzlich schlecht, verwerflich und übel. (Abg. Scheibner: Aber anzeigen wolltest du ihn!) Das war der Tenor, der aus dieser Rede hervorgegangen ist. Ich bin jener, der differenziert und sagt: Selbstverständlich, es gibt an unserem Innenminister manches auszusetzen. Wo gibt es das übrigens nicht? Das gibt es auch bei mir, auch bei dir, Kollege Schweitzer! Wer ist frei von jeglicher Kritik?

Das heißt also: in der Sache hart, fair, konstruktiv, bei der Person aber der, der von Anlaßfall zu Anlaßfall urteilt. Eines aber ist unbestritten: Wenn es um die Sicherheit in diesem Land geht, hat uns der Innenminister auf seiner Seite, weil wir wissen, daß wir unseren Bürgern gegenüber verpflichtet sind. (Beifall bei der ÖVP .)

Das Sicherheitspaket, das die ÖVP vorgelegt hat, würde – und davon sind wir überzeugt, und darum stehen wir dazu – eine Reihe von Maßnahmen setzen, von denen wir glauben, daß sie gut für dieses Land und gut für diese Menschen sind. So sind wir zum Beispiel der Auffassung, daß der für die Bürger sichtbare Polizist und Gendarm wichtiger, bedeutsamer ist als jener im Büro. Ich weiß, daß man sagen kann, das ist zu plakativ, zu vereinfacht. In Wahrheit geht es uns aber darum, den Mann im Büro zu entlasten, den Bürokratiekram wegzunehmen, um sagen zu können: Du hast dort Aufgaben wahrzunehmen, wo dich der Bürger benötigt. Denn erst dann sind wir präventiv tätig, wenn der einzelne das Gefühl hat: Jawohl! Ich kann "meinen" Polizisten, "meinen" Gendarmen sehen, er ist in Montur, ich kann sein Amtskappel registrieren. – Damit tragen wir automatisch zum subjektiven Sicherheitsgefühl jedes einzelnen bei. (Beifall bei der ÖVP. )

Wir alle reden ununterbrochen von einer Verwaltungsreform, von einer Vereinfachung von bürokratischen Abläufen. Im Bereich der Dezentralisierung von Verantwortung kann beispielsweise Enormes erreicht werden. Wenn es uns gelingt, die örtliche Sicherheitsebene zu stärken, wenn


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es uns gelingt, den einzelnen Postenkommanden mehr an Aufgaben zuzuordnen und dadurch in den einzelnen Kommissariaten mehr Identifikation und Motivation bei den Kollegen an der Basis zu erzeugen (Abg. Scheibner: Dafür haben Sie sie alle abgeschafft?! Es gibt ja keine mehr!) , dann sind wir auf dem richtigen Weg. Und mit diesem Sicherheitspaket soll dieser Weg gegangen werden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scheibner: Warum haben Sie denn die ganzen Posten geschlossen?)

Nun zu den Ausführungen des Kollegen Moser. Er hat mit Recht eingemahnt, daß es schon Spatenstiche für die Gründung einer Sicherheitsakademie gegeben hat; zwei sogar, ich kann mich daran erinnern, daß dies in den Vortagen der Nationalratswahlen 1994 geschehen ist. Und das ist ein Punkt, wo wir, was den Inhalt betrifft, hinter dem Herrn Minister stehen, wenn er das umsetzen will, was wir alle miteinander wollen: nämlich mehr Qualifikation, bessere Ausbildung, internationale Vernetzung und damit höchsten qualitativen Standard für unsere Sicherheitsexekutive. Herr Minister! Da sind wir bei Ihnen! Nur: Umsetzen müssen wir es! Wir entlassen Sie nicht aus der Verantwortung, sondern wir fordern diese Ihre Verantwortung sogar ein! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Hans Helmut Moser .)

Nun auch eine Stellungnahme aus meiner Sicht zu neuen elektronischen Ermittlungsmethoden: Diese Vorlage liegt im Justizausschuß, ist einem Unterausschuß zugewiesen, und es ist mir wichtig, meine persönliche Stellungnahme zu dieser Vorlage hier zu deponieren. Generell gilt meiner Ansicht nach: Es kann nicht so sein, daß die Schwerverbrecher, die Kriminellen, die Mafia mit dem Porsche, mit den modernsten Mitteln der Telekommunikation in diesem Land diese Gesellschaft erpressen, auspressen, während die Exekutivbeamten mit dem Radel fahren müssen. Das wird nicht gehen!

Ich setze mich dafür ein, daß wir unserer Sicherheitsexekutive jene Möglichkeiten, jene Instrumentarien zur Verfügung stellen, die sie befähigen, massiv, konkret, konsequent gegen die organisierte Kriminalität, auch gegen Terrorismus einzutreten, damit es "Schach der organisierten Kriminalität!" heißt, "Schach dem Terrorismus!" – Das ist meine Meinung, und dazu stehe ich. – All dies muß jedoch geschehen unter Wahrung des Grundrechtsschutzes, unter Einbindung der Justiz, weil ich glaube, daß gerade die Justiz Garant dafür ist, daß es kein Ausufern von Sorgen, Ängsten und Nöten gibt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte auch ein Beispiel dafür einbringen, wie es in der Zusammenarbeit innerhalb einer Koalition, in der Zusammenarbeit zwischen dem Herrn Innenminister und der ÖVP als Koalitionspartner gehen kann. (Abg. Scheibner: Jetzt wird es interessant!) Letzten Freitag wurde das Fremdenrechtsänderungsgesetz zur Begutachtung vorgelegt. Dieser Begutachtung sind Monate konsequenter Verhandlungen vorangegangen. Es war ein Ringen um eine gemeinsame Linie, es war ein Verhandeln, es war ein Gespräch, wie es vorbildlicher nicht sein könnte. Und am Freitag wurde von beiden Koalitionspartnern – dem Innenminister und unserem Klubobmann Andreas Khol – das gemeinsame Ergebnis präsentiert. Ich stehe zu diesem Ergebnis. Ich durfte bei den Verhandlungen mit dabeisein, mitdenken, mitreden, und ich weiß, daß dieses Ergebnis ein gutes Ergebnis ist, und ich bin überzeugt davon, daß es auch gut für unser Land und gut für die Menschen ist, die wir in diesem Land – egal, ob es Inländer oder Ausländer sind – in eine gemeinsame Zukunft zu führen haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und daß es gut ist, haben die gestrigen Pressekonferenzen von Dr. Haider und Dr. Schmidt nachhaltig belegt. Praktisch zur selben Stunde fordert Haider in seiner Pressekonferenz zum Fremdenrechtsänderungsgesetz Einwanderungsstopp, ja sogar ein zweites Ausländervolksbegehren, denn "Massen" von weiteren Ausländern werden Österreich überschwappen, sie kommen über unsere durchlässigen Grenzen ins Land herein. – Das sagte Haider.

Zur selben Zeit sagt Heide Schmidt: Das ist ein Skandal sondergleichen! Mit diesem Fremdenrechtsänderungsgesetz sind die Grenzen in diesem Land so dicht, daß überhaupt kein Ausländer mehr hereinkommt. – Also was stimmt jetzt? Stimmt das, was Haider sagt – oder stimmt das, was Schmidt sagt? (Abg. Ing. Reichhold: Beides! – Abg. Moser: Das, was wir sagen!) Ich sage: Nein, es stimmt das, was wir seitens der Koalition sagen: daß dieses Gesetz ein gutes


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Gesetz wird, das allen Intentionen Rechnung trägt, von denen ich vorher gesprochen habe. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Reichhold: Flüchtlinge ja, aber Einwanderer nein! – Abg. Scheibner: Vor den Wahlen haben Sie etwas anderes gesagt!)

Werte Kolleginnen und Kollegen! In jenen zehn Minuten, in denen ich jetzt gesprochen habe – und so schließt sich eigentlich mein argumentativer Kreis ... (Abg. Wabl: Gott sei Dank!) Ich nehme es mit Bedauern zur Kenntnis, daß du "Gott sei Dank!" sagst. In diesen zehn Minuten sind, wenn wir der Statistik glauben dürfen, zehn Verbrechen und Vergehen in Österreich passiert. Arbeiten wir gemeinsam an jenem Ziel, das wir erreichen wollen: mehr Sicherheit – weniger Kriminalität! Die ÖVP ist dazu bereit. (Beifall bei der ÖVP.)

12.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Anschober. – Bitte.

12.28

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Herren Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Schweitzer! – O Gott, jetzt ist er nicht mehr da, schade drum! (Abg. Dr. Fuhrmann: Was, wirklich?) Ich wollte ihm etwas sagen, vielleicht hört er mich trotzdem, vielleicht wird es ihm ausgerichtet. (Abg. Aumayr: Wir richten es ihm aus!)

Ich habe mir immer gedacht, daß bei rechten Gruppen die Begriffe "Ehre" und "Treue" wirklich Gewicht haben. Kollege Schweitzer hat mit dem Argument der Verbrechensdaten und des Inhalts des Sicherheitsberichtes 1994 versucht, hier politisch in Richtung Innenminister Einem zu agieren. Ich muß schon sagen, daß er, wenn er im Ausschuß gewesen wäre, wenigstens wüßte, daß dieser Sicherheitsbericht das Jahr 1994 betrifft, und da war Dr. Einem nicht Minister in dieser Regierung, nicht Innenminister. Und wenn schon ein Minister dafür verantwortlich ist, dann ist es sein Vorgänger, und das war der angeblich "beste Mann der FPÖ in der Bundesregierung". Ich frage mich schon, Kollege Schweitzer: Wo bleibt die Treue von Ihrer Seite? Da stimmt in der Argumentationslinie einiges nicht.

Es stimmt aber einiges, was das Auftreten betrifft, nämlich daß nicht die Vertreter der FPÖ, die im Innenausschuß zum Sicherheitsbericht argumentiert haben, hier das Wort ergreifen, sondern, daß der Bundesgeschäftsführer hier das Wort ergreift. Daran merkt man schon ... (Abg. Scheibner: Schauen Sie sich doch die Rednerliste an!) Es waren andere Leute auch im Ausschuß, Kollege Scheibner, Sie zum Beispiel. Daran merkt man jedenfalls, daß es bei diesen Auftritten rein um parteipolitische Polemik und nicht um die Sache an sich geht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mir die Arbeit gemacht, mir die Protokolle über die Debatten der letzten sechs Jahre zu den jeweiligen Sicherheitsberichten durchzulesen. Und was Kollege Schweitzer da von sich gegeben hat, ist bis auf ein paar Satzstellungsänderungen, bis auf ein paar Namensänderungen de facto das gleiche, was wir seit sechs Jahren hören, nämlich eine sicherheitspolitische Panikmache, ein Verdrehen der Tatsachen und Zahlen. – So kann es nicht gehen!

Wenn man versucht, einen uralten Kakao – Stichwort: Verschwörungsthesen zu Oberwart und so weiter – zum vierten, fünften, sechsten und siebten Mal wieder aufzukochen in diesem Haus, dann wird er nicht origineller, dann wird er vor allem auch nicht wahrer, dann steigert das den Wahrheitsgehalt dieses alten Kakaos nicht im mindesten. (Abg. Scheibner: Weil das Ihre Freunde sind!)

Aber Sie sehen ja: Mit diesen Polemiken erzeugen Sie bei Ihren Reden – was die Verschwörungsthesen und Ablenkungsmanöver in dieser Angelegenheit betrifft – ja nicht einmal mehr Stimmung in diesem Haus! Und das müßte Sie doch zum Nachdenken bringen. (Beifall bei den Grünen.)

Wie schaut die sicherheitspolitische Realsituation aus? Ich glaube, daß es nicht darum gehen kann, Verharmlosung zu betreiben. Es ist jedes einzelne Verbrechen, das in diesem Land passiert, ein Verbrechen zuviel. Darüber herrscht sicherlich Konsens in diesem Haus, aber es kann


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auch nicht angehen – und da schaue ich wieder in Richtung FPÖ –, einfach die Realitäten nicht zur Kenntnis zu nehmen, auch wenn es Ihnen nicht in Ihren parteipolitischen Kram hineinpaßt. Die Sicherheitssituation Österreichs ist kein Anlaß, kein Grund für Panik. Wenn wir diese Sicherheitssituation international vergleichen, etwa mit den Nachbarländern, wenn wir bedenken, welche geopolitische Situation Österreich hat, daß wir in Österreich etwa 200 Millionen Grenzübertritte pro Jahr haben, daß wir ein ausgeprägtes Tourismusland sind et cetera, dann muß man zu dem Schluß kommen – vor allem wenn man sich den langjährigen Vergleich ansieht –, daß die Sicherheitssituation in Österreich relativ gut ist.

Wenn Sie sich vor allem die Mühe gemacht hätten, die polizeiliche Kriminalstatistik für 1995 als Ergänzung zum Sicherheitsbericht 1994 zu studieren, dann hätten Sie gesehen, daß die Verbrechensraten – Gott sei Dank! – weiter sinken und daß die Aufklärungsquoten weiter leicht steigen. Und das ist der richtige Trend. Es geht meines Erachtens darum, hier eine Debatte darüber zu führen, wie wir diesen richtigen Trend verstärken können, welche Reformen angesagt sind, damit noch effizienter gearbeitet wird. Und damit sich in diesem Land nicht nur die objektive Sicherheitssituation verbessert, sondern damit sich auch das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung verbessert, muß man an die Verantwortung jeder einzelnen Partei appellieren. Denn es ist nicht richtig, aus parteipolitischen Motiven hier in diesem Porzellanladen "Sicherheitsgefühl" wie ein Elefant tätig zu sein – in der Hoffnung, ein paar Stimmen zu ergattern, wenn man Panik erzeugt. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist der Punkt. Im übrigen hat sich dieser Trend im ersten Quartal 1996 fortgesetzt: weniger Delikte und mehr Aufklärung, und es geht darum, diesen Trend zu verstärken.

Es geht zweitens darum, entschiedene Zeichen im Bereich der Prävention zu setzen. Wenn wir mittlerweile so weit sind, daß in einem Innenausschuß Präventionsmaßnahmen als Aktionsmaßnahmen irgendwelcher gealterter "68er" müde belächelt werden, die glauben, daß man mit den Mitteln von gestern die Probleme von morgen lösen kann, dann bin ich der Überzeugung, daß wir da auf dem falschen Dampfer sind.

Schauen wir uns nur die Deliktgruppe der Verbrechen gegen Leib und Leben an: eine fast 100prozentige Aufklärungsrate, das ist sensationell, und da muß man auch einmal – auch von Seite der Grünen – sagen: Hut ab vor dieser Aufklärungsrate! Aber wo passiert der Großteil dieser Delikte gegen Leib und Leben? – Er passiert derzeit – auch das ist statistisch nachweisbar – in erster Linie größtenteils im familiären Bereich. Und da können Sie nicht mit mehr Waffen, mit einer besseren Ausrüstung, mit noch mehr Exekutive alleine tätig werden, sondern da geht es – um ein Beispiel zu nennen – um Präventionsmaßnahmen, um Maßnahmen, die diese strukturelle Gewalt, diese alltägliche Gewalt schrittweise entschärfen und abbauen helfen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Positive Trends darf aber nicht heißen, daß man keinen Mut zu couragierten Maßnahmen hat. Schauen wir uns doch an, was eine der häufigsten Deliktgruppen ist, was der größte Risikobereich derzeit in Österreich ist: Das ist nach wie vor der Straßenverkehr. Und genau wenn es um derartige Fragen geht, wo man in bezug auf den Straßenverkehr konkrete Maßnahmen setzen könnte – erwiesenermaßen brächte etwa die Reduktion der Promillegrenze von 0,8 auf 0,5 einen Sicherheitsfortschritt, einen Abbau dieses traurigen "Schlachtfelds Straße" –, sind diejenigen, die zu Recht immer mehr Sicherheit fordern, jene, die sich diesen Maßnahmen gegenüber verschweigen und gegen 0,5 Promille stimmen, und zwar aus reinem Populismus.

Wenn man aber den eigenen Grundsätzen nicht mehr treu bleibt, dann frage ich mich, wie seriös das sicherheitspolitische Vorgehen und die sicherheitspolitischen Diskussionen von dieser Seite sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es herrscht ein grundsätzlich richtiger Trend vom Ansatz her, was den Rückgang der Verbrechenszahlen betrifft, ein grundsätzlich richtiger Trend, was die Verbesserung der Aufklärung betrifft, aber nach wie vor gibt es drei große Problembereiche in der österreichischen Sicherheitspolitik, und über diese drei großen Problembereiche muß man reden.


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Erster Problembereich – und das erleben wir in den letzten Tagen wieder einmal zur Genüge – ist der Umgang der Exekutive mit Affären. Immer dann, wenn etwas passiert – und in welcher Betriebsgruppe, Berufsgruppe et cetera passiert nichts; wo passieren nicht Affären, wo gibt es keine Mißstände? –, ist die erste Reaktion: Schwamm drüber, wird schon nichts gewesen sein! Tut´s unsere Exekutive nicht verleumden! Und sofort gibt es Verleumdungsanzeigen gegen diejenigen, die die Affären ans Tageslicht gebracht haben. – Das ist der falsche Weg für eine Exekutive, die zeigen muß, daß sie reformbereit ist.

Beim Drogenskandal im Wiener Sicherheitsbüro erleben wir genau diesen falschen Weg jetzt wieder, und zwar seit Tagen: Schwamm drüber, wird schon nichts gewesen sein, nur keine Verleumdungen. Sofort gibt es Anzeigen und damit Bedrohungen gegen Leute, die Affären ins Rollen und an die Öffentlichkeit bringen. (Beifall bei den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist der Inbegriff der Reformunfähigkeit. Und mich erschüttert, daß sich etwa der Chef des Sicherheitsbüros, Herr Edelbacher – zu Recht, das weiß ich aus vielen, vielen Interna –, an die Öffentlichkeit wendet und sagt: Bitte sehr, nehmen wir doch diese Krise – und das ist auch meine These – als Chance, damit wir jene Reformen endlich realisieren, die notwendig und überfällig sind. Er sagte wortwörtlich: "Ich habe das seit meinem Amtsantritt 1990 versucht und bin seither gescheitert". – Das sagt der Chef des Wiener Sicherheitsbüros. Er ist gescheitert an einer Bürokratie, an einem Apparat, er ist gescheitert an der Personalvertretung, er ist gescheitert am Disziplinarrecht, an der notwendigen Reform et cetera.

Ich glaube, daß es darum geht, daß gemeinsam an einem Strang gezogen und nicht nur geredet wird, sondern daß diese Reformschritte, wo ja durchaus in manchen Bereichen Konsens zwischen den Parteien herrscht, auch umgesetzt werden.

Eine Ausbildungsreform etwa ist längst überfällig, Weiterbildungsmaßnahmen ebenso. Schauen wir uns die Situation von Drogenfahndern an: Daß es dort größtenteils ohne psychologische Betreuung abgeht, ist unmöglich, ist unmenschlich, und zwar allen Betroffenen gegenüber. Diese Streßsituation, diese Konfliktsituation, dauernd in einem Milieu zu arbeiten, in dem man offensichtlich manchmal von diesem selbst gefangen wird, und da keine Stütze, keine Betreuung, keine Supervision zu haben, ist untragbar! Es gibt zwar das Angebot, freiwillig eine Supervision in diesem Bereich durchzuführen, dafür gibt es einen Menschen, der für diese Supervision zur Verfügung steht. Das heißt, es ist wichtig, die Krise als Chance zu nutzen, um Reformen durchzusetzen und die erforderlichen Maßnahmen zu realisieren: Gehaltsreform, Überstundenreduktion und so weiter.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diesbezüglich gibt es Stoff genug. Wir haben eine ganze Palette von insgesamt zehn parlamentarischen Anträgen in dieser Legislaturperiode wieder eingebracht, die schon in der letzten Gesetzgebungsperiode eingebracht wurden, die genau diese Reformmaßnahmen skizzieren und versuchen, sie rasch durchzusetzen. Es wird in Österreich seit einem Jahrzehnt von der überfälligen Reform der Exekutive in Teilbereichen gesprochen. Geschehen ist bisher nichts. Ich hoffe, daß es diesmal nicht wieder bei der Ankündigung bleibt, sondern daß Innenminister Einem – über ein Jahr nach seinem Amtsantritt – doch die ersten "Reförmchen" jetzt verwirklichen kann, denn sonst bleibt er beziehungsweise wird er zum "Ankündigungsminister". (Beifall bei den Grünen.)

Zweiter Bereich: neben der Frage der Affärenbewältigung der Zustand der österreichischen Geheimdienste. Dieser ist besorgniserregend, ein Unsicherheitsfaktor höchsten Grades in dieser Republik, und zwar der österreichischen Staatspolizei und auch des militärischen Geheimdienstes. Wenn man vor einem Jahr gesagt hat, die österreichische Staatspolizei sei löchrig wie ein "Nudelsieb", "löchrig wie ein Schweizer Emmentaler" und von "Maulwürfen" unterwandert wie ein seit Jahren und Jahrzehnten ungepflegter Schrebergarten, dann ist man als Verleumder bezeichnet worden. – Mittlerweile regt sich keiner mehr darüber auf, jeder sagt, so ist es.


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Wir stehen hier vor einem massiven Problem. Gott sei Dank ist es in diesem Zusammenhang mittlerweile so weit, daß Gerichte gegen Amtsmißbräuche tätig sind. Ich wünsche mir, daß man dabei effizient vorgeht, daß es zu tatsächlichen Erfolgen kommt. Aber das Bestrafen und Realisieren von Amtsmißbräuchen allein ist zuwenig. Wir brauchen im Bereich der österreichischen Geheimdienste eine umfangreiche Gesamtreform, eine Totalreform, nicht ein Reförmchen, so wie ich es befürchte nach all dem, was sich da abzeichnet, das aus einer Innenministerium-Stapo eine Koalitions-Stapo macht, aus einer Staatspolizei mit blauem Inhalt und rotem Dachl eine Staatspolizei mit rot-schwarzem Dachl und wieder blauem Inhalt. Das kann nicht Sinn und Zielrichtung einer Gesamtreform sein!

Wir brauchen eine Gesamtreform der Dienste, dort, wo es Synergieeffekte zwischen den Diensten zu realisieren gibt, wo die Bürgerrechte gestärkt werden müssen und wo die Kontrollmöglichkeiten des Parlaments ganz wesentlich gestärkt werden müssen. Was derzeit in den parlamentarischen Kontrollausschüssen geschieht, ist Kontroll-Placebo, ist das Vortäuschen falscher Tatsachen. Hier gibt es keine Möglichkeit und keine Chance, tatsächlich die Geheimdienste zu kontrollieren – was Aufgabe dieses Hauses in einer aufgeklärten Demokratie wäre.

Wenn man die Situation der österreichischen parlamentarischen Kontrolle etwa mit der PKK – keine Angst meine Herren von der FPÖ, das ist keine gefährliche Vereinigung, sondern die Parlamentarische Kontrollkommission des Deutschen Bundestages – vergleicht, dann merkt man enorme Qualitätsunterschiede. Dort kann jedes einzelne Ausschußmitglied Akteneinsicht realisieren. Dort wird laufend, zumindest einmal im Monat, eine Sitzung über diesen Bereich abgehalten.

Wir haben eine sechsmonatige Sitzungsperiode, wir haben kein Akteneinsichtsrecht für das einzelne Mitglied, sogar meine Anträge auf Lokalaugenschein in diesen Ausschüssen – Kollege Ofner weiß das, er ist in diesem Ausschuß vertreten – wurden abgelehnt, und zwar mit dem "Argument": Wozu brauchen wir das? Nachdem dieser Antrag betreffend Lokalaugenschein bei der Staatspolizei abgelehnt wurde, hat sogar der Innenminister von sich aus erklärt: Bitte schaut sie euch doch an, ihr seid herzlich eingeladen, werte Ausschußmitglieder! So viel haben wir gar nicht zu verbergen, wie ihr glaubt. – Also da wird eher die Mauer gemacht als kontrolliert. So kann es nicht weitergehen!

Dritter Bereich – und das ist ein riesengroßes Gefährdungsszenario, was die Sicherheit Österreichs betrifft – ist dieser latente, laufende Abstrich und Abbau bei den Bürgerrechten. Das ist eine Situation, die dramatisch ist. Es gibt Einzelfälle und konkrete Beispiele dafür, wie etwa bei der Telefonüberwachung, was jetzt schon mit Material aufgrund der Undichtheit des staatspolizeilichen Apparates passiert. Das ist erschreckend. Da werden Existenzen vernichtet, da werden Personen laufend verleumdet, die es nicht verdient haben. – Soweit der Status quo.

Dazu will man jetzt diesem Apparat – unreformiert und ohne massive Veränderung – noch das gefährlichste Grundrechtsabbauinstrument, den "großen Lauschangriff", in die Hand geben. Das ist verantwortungslos! Ich glaube, daß eigentlich jeder Experte, der den Zustand der militärischen Dienste und der Staatspolizei kennt, zumindest aufgrund dieses Realzustandes sagen muß, daß in dieser Situation die Einführung des großen Lauschangriffes ganz einfach verantwortungslos ist, weil man absehen kann, was laufend mit den Materialien passiert – so wie es jetzt schon ist –, nur gibt es dann viel sensiblere Materialien über völlig unschuldige Staatsbürger. (Beifall bei den Grünen. )

Wenn ich dann einen Antrag der FPÖ in die Hände kriege und darin lese, daß die Ermittler in Zukunft die Wanzen nicht nur in der betroffenen Wohnung, sondern Lauschgeräte sogar in den Nachbarwohnungen anbringen dürfen sollen, dann muß ich mich schon fragen: Welcher Geist steckt da eigentlich dahinter? Das heißt, ich muß mir als betroffener Bürger in Zukunft aussuchen, neben wem ich wohne: Könnte das möglicherweise ein Opfer vom Lauschangriff werden: ja oder nein? Das ist der FPÖ-Antrag. So kann es – so hoffe ich zumindest – auch nicht gehen.

Letzter Punkt, den Abbau der Bürgerrechte betreffend. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden in allernächster Zeit, Ende Mai, im Hauptausschuß die Frage der Durchfüh


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rungsbestimmungen zu EUROPOL behandeln. Hier liegen Vorschläge auf dem Tisch, die auch auf europäischer Ebene besorgniserregend sind. Ganz massiv wird in die Privatsphäre der Bürger eingegriffen. In Zukunft sollen auf europäischer Ebene – über EUROPOL und das Europäische Informationssystem – auch Daten von "potentiell Tatverdächtigen" eingeholt werden können. Da gibt es Kategorien, die mit einer herkömmlichen Personenaufzeichnung absolut nichts mehr zu tun haben: Gesundheitszustand und Krankengeschichte der Person, die Frage des religiösen Bekenntnisses, der Wohnungssituation und – wortwörtlich – der politischen Einstellung.

Das führt in das Europa des "großen Bruders", meine sehr verehrten Damen und Herren! Orwell könnte sich mit einer gewissen Befriedigung, daß seine Prognosen zugetroffen sind, diese Situation anschauen. Das ist eine Situation, wo Österreich "Stopp" sagen, wo Österreich sein Veto gegen derartige Durchführungsbestimmungen einreichen muß.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Schluß drei Fragen, die meiner Ansicht nach sicherheitspolitisch in Zukunft entscheidend sein werden: Bekommt dieser Innenminister seinen Apparat in den Griff? Können diese undichten Stellen, die es gibt, geschlossen werden, damit es eine effiziente Arbeit in Hinkunft in diesem Apparat geben wird? Gelingt es, daß man Reformen durchsetzt, ohne daß diese Reformen am Koalitionsgängelband scheitern? Kann der Innenminister jetzt, mehr als ein Jahr nach seinem Amtsantritt, endlich das umsetzen, was er angekündigt hat, nämlich die Gesamtreform der Exekutive, die Gesamtreform der Staatspolizei – oder wird er beziehungsweise bleibt er ein "Ankündigungsminister"? (Beifall bei den Grünen. )

12.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Scheibner hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter! Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Sie nur eine Behauptung berichtigen können, deren Inhalt Sie für unrichtig halten. Bitte keine wertenden Stellungnahmen. – Sie haben das Wort.

12.48

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Mein Vorredner, Abgeordneter Anschober, hat hier behauptet, daß sich an der heutigen Debatte keine im Innenausschuß vertretenen Redner der Freiheitlichen beteiligen und daß der Abgeordnete Schweitzer aus Gründen der Parteipolemik hier als Erstredner aufgetreten sei. Diese Behauptung berichtige ich. Herr Abgeordneter Anschober hätte nur auf die Rednerliste schauen müssen, dann hätte er bemerkt, daß sich von den vier Mitgliedern des Innenausschusses der Freiheitlichen – nämlich Partik-Pablé, Hofmann, Lafer und Scheibner – drei Mitglieder, nämlich Hofmann, Lafer und Scheibner, selbstverständlich auf der Rednerliste befinden.

Frau Abgeordnete Partik-Pablé war auch nicht aufgrund von "Parteipolemik" heute nicht als Erstrednerin gemeldet, sondern weil sie sich mit ihrer behinderten Tochter bei einer Spezialbehandlung befindet. – Sie sollten sich also vielleicht vorher erkundigen, bevor Sie hier solche Anschuldigungen aussprechen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Wabl: Das war Polemik!)

12.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Einem. – Bitte, Herr Minister.

12.50

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Präsentation des Sicherheitsberichtes für das Jahr 1994 ist für mich zunächst Anlaß, mich bei den vielen tausend Polizisten, Gendarmen, Kriminalbeamten und den vielen Angehörigen der Sicherheitsverwaltung zu bedanken. (Beifall bei der SPÖ sowie Beifall des Abg. Platter .) Ihre Leistung ist anzuerkennen, und ich sage Ihnen: Sie haben wieder getan, was menschenmöglich ist.

Es ist daher kein Zufall – auch das ist vorhin schon angemerkt worden –, daß auch die Bevölkerung diese Leistung anerkennt. Aus einer heuer wieder durchgeführten Studie der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft geht hervor, daß das Vertrauen der Bevölkerung in die Exeku


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tive nicht nur auf hohem Niveau geblieben ist – voriges Jahr lag die Exekutive, die Polizei diesbezüglich auch schon an erster Stelle –, sondern auch noch weiter zugenommen hat: von 68 auf 73 Prozent. Das halte ich für einen beachtlichen Wert, und den hat sich die Exekutive durch ihre Arbeit auch verdient. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Krüger: Im selben Ausmaß ist das Vertrauen in den Minister gesunken!) Daß Ihr Vertrauen in mich noch weiter gesunken ist, wundert mich; ich glaube nicht, daß es je sehr hoch war. (Beifall bei der SPÖ.)

Hohes Haus! Lassen Sie mich ein wenig zu den Schwerpunktsetzungen meines Ressorts Stellung nehmen. Die besten Erfahrungen in der Arbeit der Exekutive – sowohl in der präventiven Arbeit als auch bei der Aufklärung von Straftaten – sind dann zu erzielen, wenn es gelingt, die Kooperation zwischen den Bürgern und Bürgerinnen einerseits und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Polizei, der Gendarmerie und den Kriminalbeamten andererseits zu sichern und auszubauen. Vertrauen ist hiezu die notwendige Basis. Es gilt daher, dieses Vertrauen zu stärken.

Zu den Anmerkungen des Abgeordneten Anschober im Zusammenhang mit Vorwürfen, die natürlich gelegentlich gegen Beamte der Exekutive erhoben werden, ist zu bemerken: Wir sind dabei, ein Projekt zunächst probeweise in einer Bundespolizeidirektion, dann aber flächendeckend umzusetzen, bei dem es darum geht, daß dort, wo sich Bürger durch das Einschreiten der Exekutive belastet fühlen und mit Recht oder auch zu Unrecht dagegen Beschwerde erheben, hinkünftig nicht mehr der unwürdige Prozeß des bürokratischen Abarbeitens solcher Vorwürfe stattfindet, der weder den betroffenen Polizeibeamten noch den betroffenen Bürgern irgendeinen Nutzen bringt, allerdings einen relativ großen Aufwand erfordert. In Zukunft wird es darum gehen, die Beamten und die betroffenen Bürger einzuladen, ein gemeinsames Gespräch zu führen und dabei zu klären, welche Vorwürfe es gibt und was davon berechtigt oder unberechtigt ist. Das Ziel, das wir dabei zu verfolgen haben, ist erstens die Friedensstiftung zwischen den Beteiligten und zweitens der Ausbau des Vertrauens, der Vertrauensbasis zwischen Bürgern und Exekutive. Und ich glaube, daß wir mit diesem Projekt auf dem richtigen Weg sind. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Herren von den Freiheitlichen – Damen Ihrer Fraktion haben dazu noch keine gesprochen –, Sie sollten sich entscheiden, was Sie wollen. Mich persönlich anzugreifen, steht Ihnen völlig frei, und das werden Sie wahrscheinlich auch in Zukunft tun. Daß es dabei allerdings auch immer einige Dreckspritzer für die Exekutive abgibt, hat diese nicht verdient.

Sie wissen ganz genau, wer die Ermittlungen in der Exekutive führt. (Abg. Ing. Reichhold: Sie dürfen ja nicht ermitteln!) Falls Sie das nicht wissen, sage ich es Ihnen gerne: Es ist im allgemeinen nicht der jeweilige Innenminister, es sind Beamte der Exekutive, meine Herren von den Freiheitlichen. (Abg. Ing. Reichhold: Sie dürfen nur nach rechts ermitteln!) Ich habe für Bedingungen zu sorgen, unter denen erfolgreich gearbeitet werden kann (Abg. Ing. Reichhold: Sie wollen Ihre Freunde schützen!), und die Daten, die heute vorliegen, zeigen auch, daß tatsächlich erfolgreich gearbeitet wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte mich aber auch beim – nun nicht anwesenden – Abgeordneten Schweitzer bedanken. Ich hätte kaum deutlicher demonstrieren können, wie recht ich hatte. Der Abgeordnete Schweitzer hat das sehr deutlich gezeigt: mit all den Dingen, die er hier gesagt hat. Wien zum Zentrum der internationalen Kriminalität hochzustilisieren, um dann daraus einen entsprechenden Angriff abzuleiten, halte ich für eine nicht besonders zugkräftige Argumentation. (Abg. Ing. Reichhold: Presseberichte! Das ist im "Standard" gestanden!)

Abgeordneter Schweitzer hat auch gesagt, nur Aufklärungserfolge seien ein Mittel, Kritiker zum Verstummen zu bringen. Meine Herren von den Freiheitlichen! Ich habe den Eindruck, daß Sie durch nichts zum Verstummen zu bringen sind, aber mir ist demokratiepolitisch auch gar nicht daran gelegen, Sie zum Verstummen zu bringen. Es würde mir durchaus reichen, wenn wir seriös über die gemeinsamen Angelegenheiten und über die Sorgen, um die es dabei geht, diskutieren könnten. (Beifall bei der SPÖ.) Die Exekutive braucht sich jedenfalls für die Aufklärungserfolge, die sie erzielt hat, nicht zu genieren.


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Was die Gerüchte anlangt, die Sie zum wiederholten Male – geradezu gebetsmühlenartig – heute wieder aufgekocht haben, so bedürfen sie keiner – wozu Sie mich aufgefordert haben – Widerlegung. Aber, Hohes Haus, eines muß schon einmal deutlich gesagt werden: Derartige Vorwürfe sollten, bevor sie erhoben werden, einigermaßen belegt werden können, und zwar durch andere Unterlagen als durch jene, die man selbst zuvor durch das Ausstreuen von Gerüchten erzeugt oder hervorgebracht hat.

Letzte Bemerkung zu den Ausführungen des Abgeordneten Schweitzer – ich hoffe, Sie sind so freundlich, es ihm auszurichten (Abg. Ing. Reichhold: Er hört mit!) –: Er hat Kritik daran geübt, daß der Versuch unternommen würde, in Wien auf Weisung dieses unerhörten Innenministers eine multikulturelle Polizei aufzubauen. – Nehmen Sie zur Kenntnis, Herr Abgeordneter Schweitzer: Es geht um etwas anderes. Es geht darum, daß die Mitglieder der Exekutive in ihrer Arbeit – und zwar sowohl in jener, in der es um Aufklärung geht, als auch in jener, in der es um Prävention geht – wesentlich bessere Erfolge erzielen können, wenn sie die Sprachen der größten Minderheiten in dieser Bevölkerung verstehen und auch sprechen. Wie sollen sie denn sonst ins Gespräch kommen und Aufklärungsarbeit leisten können? – Machen Sie vielleicht dazu einmal einen vernünftigen Vorschlag. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte zumindest auf einige Daten der Kriminalitätsentwicklung und der Aufklärungsarbeit durch die Exekutive hinweisen. Ich denke, daß wir wirklich keine Scheu vor Daten zu haben brauchen. Zunächst noch einmal zur Erinnerung, auch für Sie von der freiheitlichen Seite – hören Sie zu, dann wissen Sie es nachher –: Die Gesamtsumme der gerichtlich strafbaren Handlungen ist von 1993 auf 1995 um 3,6 Prozent gesunken . Natürlich ist die Zahl der strafbaren Handlungen noch immer zu hoch, aber Tatsache ist, daß sie gesunken ist.

Dasselbe gilt für den Bereich der Aufklärungsquoten. Die Gesamtaufklärungsquote aller Kriminalität ist von 1993 auf 1995 konsequent gestiegen, und zwar jährlich; auch dafür braucht sich die Exekutive nicht zu genieren.

Um ein drittes und letztes Beispiel zu nennen, weil Sie auch darauf wieder hingewiesen haben: Der Prozentanteil ausländischer Tatverdächtiger an allen Tatverdächtigen ist im Bereich der Gesamtkriminalität von 1993 auf 1994 gesunken, er ist von 1994 auf 1995 neuerlich gesunken, und nicht nur das: Auch hinsichtlich der Verbrechen ist er von 1993 auf 1995 gesunken. – Wenn es Ihnen also um Stimmungsmache geht, dann sollten Sie mit Zahlen operieren, die echt sind, und nicht mit solchen, die ausschließlich der Stimmungsmache dienen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr verehrte Damen und Herren! Es ist mit Recht angesprochen worden – und ich bin gerne bereit, auch dazu Stellung zu nehmen –, daß es notwendig ist, zur Bekämpfung der teilweise grenzüberschreitenden Kriminalität aufs engste mit den benachbarten Polizeiverwaltungen und insgesamt international zusammenzuarbeiten, und zwar sowohl im Bereich der Praxis als auch im Bereich der Ausbildung. Es ist hiebei darauf hinzuweisen, daß Österreich bereits 1992 – also vor fünf Jahren – gemeinsam mit Ungarn die Österreichisch-ungarische Polizeiakademie eingerichtet hat, die 1993 durch den Beitritt weiterer Nachbarländer zur Mitteleuropäischen Polizeiakademie erweitert wurde. Heute gehören dieser Mitteleuropäischen Polizeiakademie von den östlichen Nachbarn Slowenien, Ungarn, die Slowakei, die Tschechische Republik und Polen an, von den westlichen Ländern Deutschland, die Schweiz und Österreich.

Mit diesem gemeinsamen Unternehmen soll sowohl eine fundierte Ausbildung für Führungskräfte der angesprochenen Polizeiverwaltungen gewährleistet werden als auch die Grundlage für eine intensive, auch informelle Zusammenarbeit der Beamten in diesem Bereich geschaffen werden. Das ist die erfolgversprechendste Grundlage für erfolgreiches Arbeiten bei grenzüberschreitender Kriminalität.

Weil das so ist, ist eine Einladung der UNO an Österreich ergangen, mit Hilfe der Mitteleuropäischen Polizeiakademie nunmehr auch eine Nachschulung und Neuausbildung für bosnische Polizisten, für die bosnische Polizei vorzunehmen und vorzubereiten. Ich bin stolz darauf, sagen


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zu können, daß wir morgen und übermorgen in Wien konkrete abschließende Gespräche mit den Vertretern der UNO für den exjugoslawischen Bereich in Wien haben werden und daß wir voraussichtlich mit Juli 1996 in Österreich diese Nachschulung der bosnischen Polizei im wesentlichen beginnen können. Es dient das sowohl der dauerhaften Sicherung ziviler und friedlicher Verhältnisse in Bosnien als auch der Sicherheit in Österreich, weil die Kooperation der benachbarten Polizeiverwaltungen die Grundlage des Erfolges ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich auch ein Stichwort zu einer Frage, die heute noch nicht so sehr angesprochen worden ist, anmerken. Wir haben voriges Jahr begonnen, einen Grenzdienst im Rahmen der Bundesgendarmerie aufzubauen. Wir haben deutliche Zeichen dafür, daß dieser Aufbau des Grenzdienstes im Rahmen der Bundesgendarmerie klare und eindeutige Erfolge zeigt. Es geht dabei darum, daß wir den weggefallenen Eisernen Vorhang nicht durch eine Mauer ersetzen, nicht eine "Festung Europa" bauen, sondern daß wir eine angemessene Kontrolle des Verkehrs über die Grenze gewinnen und sicherstellen.

Das Ergebnis dieser Arbeit ist unter anderem – wir haben das in einem Bezirk empirisch festgestellt –, daß in diesem Bezirk die Kriminalität um mehr als 30 Prozent gesunken ist (Abg. Scheibner: Da können wir uns aber beim Bundesheer bedanken!), und zwar aus mehreren Gründen: erstens, weil dort eine Präventivwirkung von den vermehrt auftretenden Gendarmen ausgeht, und zweitens, weil natürlich die neue und effizientere Grenzkontrolle auch dazu führt, daß weder Illegale hereinkommen können, noch auch irgendeine Form von grenzüberschreitender Kriminalität möglich ist. (Abg. Scheibner: Da sollten Sie aber auch das Bundesheer erwähnen, Herr Minister!)

Auch die Kollegen aus Bayern, die uns im vergangenen Jahr immer wieder – gelegentlich mehr hämisch, gelegentlich mehr kollegial – kritisiert haben dafür, daß etwa 30 000 Illegale in Bayern aufgegriffen wurden, die offenbar vorher durch Österreich durchgereist sind, stellen jetzt fest, daß sich die Zahl der Aufgriffe mehr als halbiert hat – das als bloße Konsequenz des beginnenden Aufbaus des Grenzdienstes im Rahmen der Bundesgendarmerie. Es ist also so, daß sehr wesentliche und sehr wirksame Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit in Österreich ergriffen wurden.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluß kommen: Es ist das Thema "Sicherheitsakademie" angesprochen und darauf hingewiesen worden, daß es zwar schon Spatenstiche gegeben habe, aber noch keine Häuser stehen. Das ist richtig! Wir haben uns, wie Sie wissen – ich habe mehrfach hier im Hohen Haus darüber berichtet –, entschieden, nicht erst Häuser zu bauen, sondern zunächst mit der Ausbildung zu beginnen. Ich kann Ihnen heute sagen – auch wieder im Sinne einer konkreten Ankündigung –: Wir werden mit der Führungskräfteausbildung nach dem neuen System bereits im Herbst beginnen. (Abg. Hans Helmut Moser: Wo?)

Herr Abgeordneter Anschober! Zum Thema Staatspolizei: Es ist mitnichten so, daß die Staatspolizei "Emmentaler" genannt werden muß. Ich nehme zur Kenntnis, daß Sie sie gerne so nennen. Es hat allerdings auch das nicht wirklich mit den Problemen der Praxis zu tun. Ich nehme zur Kenntnis, daß es Bereiche gibt, die bevorzugte Angriffsziele der Freiheitlichen im Haus sind, und daß es andere Bereiche gibt, die bevorzugte Angriffsziele der Grünen sind. Nur: Das ändert nichts an der Tatsache, daß im Laufe des letzten Jahres eine Reihe sehr durchgreifender Reformen im Bereich der Staatspolizei stattgefunden hat, die allesamt ihre positiven Folgen haben, und daß im übrigen auch laufend Reformen immer dann, wenn die Sache dies erfordert, weiter durchzuführen sein werden.

Folgendes allerdings muß mit aller Deutlichkeit festgestellt werden – ich weiß schon, daß Sie das aus sehr bewußten Gründen immer wieder behaupten, es ist deswegen aber auch falsch –: Es ist nicht die Absicht des Innenministers, es ist auch nicht die Absicht des Generaldirektors für öffentliche Sicherheit, den "Lauschangriff", sollte er in diesem Hohen Haus beschlossen werden, der Staatspolizei in die Hand zu geben, sondern es ist das ein Instrument, von dem wir ganz klar und zu jedem Zeitpunkt gesagt haben, daß es der Bekämpfung der organisierten Kriminalität dient. Und Sie wissen: Es gibt im Innenministerium eine Sondereinheit zur Bekämpfung dieser


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organisierten Kriminalität. Diese wird dieses Mittel anzuwenden haben, weil es nicht ein Mittel zur politischen Belauschung irgendwelcher Gegner sein kann, sondern weil es sich um ein Instrument handelt, das der Aufklärung einer bestimmten Form schwerster internationaler Kriminalität dient – und nur dieser!

Zum Schluß: Ich lege den Sicherheitsbericht 1994 mit Genugtuung und auch mit Stolz vor. Der Dank für die Erfolge, die in diesem Zeitraum erzielt worden sind, gilt neben den Beamten, die hier schon genannt worden sind, unter anderen auch meinem Amtsvorgänger Franz Löschnak, denn das ist der letzte Bericht seiner Amtszeit als Innenminister. Ich danke ihm daher dafür. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Im Innenministerium und in den örtlichen Behörden wird mit Engagement, mit Sachverstand und mit Erfolg für mehr Sicherheit und Geborgenheit der in Österreich lebenden Menschen gearbeitet. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.06

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Fuhrmann. Von nun an beträgt die Redezeit jedes Redners zehn Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.06

Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Wenn ich als erster der Runde der Justizsprecher jetzt auch die Gelegenheit wahrnehme, ein paar Worte zum Sicherheitsbericht zu sagen – Ausführungen, die natürlich nur limitiert sein können, wenn man nur zehn Minuten Zeit dafür hat –, dann erlauben Sie mir, den Gedankengang voranzustellen, daß im Zusammenhang mit der inneren Sicherheit sicherlich die Sicherheitsexekutive und die Justiz, wie man sich vorstellen kann, die beiden Ressorts, die für diese Bereiche zuständig sind, wie kommunizierende Gefäße wirken.

Wenn nun auch in guter alter Tradition dieser Sicherheitsbericht nicht nur vom Innenminister, sondern auch gemeinsam mit dem Justizminister vorgelegt wird und daher auch die Justizsprecher des Hohen Hauses Kommentare dazu abgeben, ist aus meiner Funktion heraus die Frage zu stellen: Wie setzt die Justiz die Arbeit der Sicherheitsexekutive um, wie arbeitet die Justiz das, was von der Sicherheitsexekutive im Interesse der Sicherheit der Bevölkerung getan wurde, auf? Funktioniert dieses Zusammenspiel? Funktioniert der Schutz der Menschen? Und wird dieser Effekt der Spezial- und Generalprävention dann auch in weiterer Folge bei den Gerichten erreicht?

Ich möchte für mich die Antwort darauf geben, daß das im großen und ganzen sicherlich zu bejahen ist und auch aus den Zahlen der Statistiken herausgelesen werden kann: In etwa spiegeln sich die Trends, die man in den ersten zwei Dritteln dieses Berichtes, nämlich das Innenressort betreffend, lesen kann, im wesentlichen wider auch in den Zahlen und Trends, die den Justizbereich betreffen. Ich glaube, daß eine solche Debatte aber auch dazu Anlaß bietet, sich als Mitglied der Gesetzgebung ein bißchen anzuschauen und zu reflektieren, ob man aus dem Bericht auch Indizien oder Beweise dafür erkennen kann, wie seitens der Gerichte, seitens der Justiz die Intentionen des Gesetzgebers umgesetzt werden, ob und wenn ja, wie.

Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Auch da kann man im großen und ganzen, glaube ich, sagen: Ja, das ist so, wenn man auch nicht umhinkann, festzustellen, daß in allen Bereichen das nicht so 100prozentig unterstrichen werden kann.

Erlauben Sie mir, ein paar Beispiele anzuführen: Wir haben in unserem Strafgesetzbuch eine Bestimmung eingeführt, nach der infolge "mangelnder Strafwürdigkeit der Tat", wie es in der Gesetzessprache heißt, nämlich im § 42 des Strafgesetzbuches, die Anzeige zurückgelegt und freigesprochen werden kann, wo es also dann nicht zu den Folgen kommen muß, die ansonsten bei einem nachgewiesenen Delikt eintreten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da muß man feststellen, daß sicherlich aufgrund einer sehr rigiden und restriktiven Judikatur des Obersten Gerichtshofes diese Intention des Gesetz


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gebers, daß man eben für so Kleinigkeiten, für "Peanuts" nicht die Leute immer gleich vorbestraft haben möchte, nicht so und in dem Maße umgesetzt wird, wie wir es uns vorgestellt haben.

Wir sollten uns daher aus diesem Anlaß vornehmen, daß wir im Zusammenhang zum Beispiel auch mit dem Strafrechtsänderungsgesetz das noch einmal andiskutieren und uns überlegen, wie man das vernünftigerweise verbessern könnte – das vor allem auch, liebe Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses, wenn man sich vor Augen hält, daß es dann noch dazu eine regionale Streuung gibt, daß es ein Ost-West-Gefälle im Bereich der Rechtssprechung – mit dem ich mich dann später noch ein bißchen befassen möchte – auch in diesem Bereich gibt. Ich bleibe gleich beim Ost-West-Gefälle.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es vergeht, glaube ich, keine Justizdebatte, in der es um Strafrechtsfragen geht, in der sich nicht zumindest ein Redner, meist aber mehrere, mit diesem Phänomen der österreichischen Rechtskultur befassen. Ich muß das auch heute wieder tun, weil auch anhand dieses aktuellen Sicherheitsberichtes 1994 der Nachweis zu erbringen ist, daß es dieses Ost-West-Gefälle nach wie vor gibt und daß zum Beispiel jemand, der im Bereich des Oberlandesgerichtes Wien wohnt oder tätig ist, eine viermal höhere "Chance" – in negativem Sinne – hat, in Untersuchungshaft genommen zu werden als beispielsweise jemand, der im Bereich des Oberlandesgerichtes Innsbruck wohnt. – Kollege Krüger schmunzelt hier beifällig. Sie haben ja recht. Ich muß nur eines dazusagen: Wir im Bereich des Oberlandesgerichtes Wien sind am schlechtesten, und Sie im Bereich des Oberlandesgerichtes Linz sind am zweitschlechtesten dran. Also: Wien und Linz sind wesentlich schlechter dran, was das betrifft. (Abg. Dr. Ofner: Vergiß bitte Graz nicht!) Graz ist ein spezielles Problem. Da hat Kollege Ofner auch recht, aber das ist leider in diesen zehn Minuten jetzt nicht unterzubringen. (Abg. Dr. Ofner: In Graz gibt es keine bedingte Entlassung!)

Das ist das nächste, mit dem ich mich befassen möchte, darum sei bitte so nett und lenke mich nicht ab, sonst sind meine zehn Minuten Redezeit vorbei, und ich habe nicht das untergebracht, was ich unterbringen wollte. (Abg. Dr. Krüger: Also keine Zwischenrufe mehr!) Nein! Zwischenrufe sind ja Dialoge im Sinne einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dieser Sache; das macht nichts.

Faktum ist jedenfalls, daß wir es in diesem Bereich aufgrund der gesetzlichen und vorhandenen organisatorischen Gegebenheiten bis heute nicht geschafft haben, einen einheitlichen – ich nenne es einmal so – Rechtsverwirklichungszustand in Gesamtösterreich zu erreichen. Wir sind dazu aufgerufen, daran gemeinsam mit den Verantwortlichen des Ressorts, mit den Verantwortlichen bei den Gerichten zu arbeiten, damit sich diese Unterschiede sozusagen auspendeln.

Noch ein kurzer Exkurs, weil ich beim Thema Untersuchungshaft, Freiheitsstrafen et cetera bin, vielleicht auch ein bißchen in eine bestimmte Richtung – es hat bis jetzt von der FPÖ nur der Kollege Schweitzer gesprochen –: Mir ist beim Phänomen Untersuchungshaft aufgefallen, daß zum Beispiel Ausländer in Österreich wesentlich häufiger und wegen wesentlich geringfügigeren Delikten in Untersuchungshaft genommen werden als Österreicher. (Abg. Mag. Trattner: Weil sie keinen ordentlichen Wohnsitz haben!)

Mag schon sein, Herr Kollege! – Das Licht blinkt schon. Um Gottes willen, sind wirklich schon neun Minuten um?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die Uhr ist untrüglich, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (fortsetzend): Daß Österreicher, was den Bereich der Untersuchungshaft anlangt, besser behandelt werden als Ausländer, läßt den Umkehrschluß zu, daß Behauptungen der FPÖ in die Gegenrichtung, daß Ausländer es in Österreich so gut hätten, wenn sie etwas anstellen – zumindest von der Logik her –, nicht ganz stimmen können.

Ich komme auch noch zu einem Punkt, den ich unterbringen muß, weil das etwas Positives ist und mich besonders freut. – Wenn man sich diesen Sicherheitsbericht anschaut, sieht man, daß die Verurteilungshäufigkeit bei Jugendlichen stark sinkend ist, und zwar aus zwei Gründen nach


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weisbar und belegbar: Erstens, weil die jungen Menschen weniger Delikte begehen, und zweitens, weil die vernünftigen Regelungen, die wir für Jugendstraftäter in diesem Hohen Haus beschlossen haben, offensichtlich positiv gegriffen haben. Ich nenne nur das Schlagwort: "außergerichtlicher Tatausgleich"!

Das ist also so positiv und so gut, daß man sich ja auch deshalb jetzt anschickt, den außergerichtlichen Tatausgleich auch für Erwachsene gesetzlich festzulegen und ihn nicht mehr nur in Form der Modellversuche, wie sie bestehen, durchzuführen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist sicher etwas Positives. Ich würde mir als Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates wünschen, daß wir es – bei der hohen Häftlingszahl im internationalen Vergleich – in Zukunft erreichen würden, daß wir im Bereich der Staaten des Europarates diesbezüglich nicht mehr im oberen Drittel sind, daß Österreich nicht 85 Häftlinge je 100 000 Einwohner hat. In den Niederlanden zum Beispiel kommen nur 55, in Belgien nur 65 Häftlinge auf 100 000 Einwohner.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Ich bin schon beim Schlußsatz, Herr Präsident. All jene, die keine Insider in Justizfragen sind, würden sich bei dieser Frage sicherlich vertun: Wenn man sie fragt: Wo sitzen mehr Leute auf 100 000 Menschen im Gefängnis: in Österreich oder in der Türkei? Da würden neun von zehn sagen: in der Türkei. Ich sage Ihnen – lesen Sie es nach im Sicherheitsbericht –: In Österreich 85, in der Türkei 72. Daher müssen wir daran arbeiten, daß wir das in eine vernünftigere Relation bekommen. – Danke schön, Herr Präsident. (Beifall bei der SPÖ.)

13.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Ofner. – Bitte.

13.17

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Fast bin ich versucht, die Regierung und vor allem das Justizressort, was die Häftlingszahlen anlangt, ein bißchen zu verteidigen. Es ist ein altes Thema, das sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt schleppt, aber man darf da nicht Ungleiches vergleichen, wie es sehr häufig geschieht. Willi Fuhrmann weiß ohnehin Bescheid, wovon ich reden würde, wenn ich mehr Zeit hätte.

Aber ich bin trotzdem bei meinen Vorrednern Elmecker und Fuhrmann mit meinen Ausführungen: Mir geht es nämlich darum, die Rolle, die die in Österreich befindlichen Ausländer in der Strafjustiz, beim Strafbarwerden, beim Abgeurteiltwerden, beim Sitzen spielen, näher herauszuarbeiten. Dazu genügt der Sicherheitsbericht mit seinen Tabellen nicht. Man muß sich andere statistische Unterlagen anschauen. Vor allem ist es die Häftlingsstatistik, die da einen interessanten Aufschluß gibt und die auch zeigt, wo wichtige Gründe dafür liegen, daß die Justiz überlastet ist und daß die Justiz auch nicht das Geld hat, das sie zu wirklichen Erneuerungsprojekten bräuchte, aber auch zur entsprechenden Abstützung Haftentlassener, die man ja am Rückfälligwerden hindern möchte.

Die Häftlingsstatistik – neu – 1. Februar 1996: 6 665 Häftlinge, davon 25,9 Prozent im Schnitt, also fast 26 Prozent Ausländer! – Das muß man sich schon auf der Zunge zergehen lassen! Denn insgesamt gibt es in Österreich – je nach Lesart – 10 oder 12 Prozent Ausländer. Aber unter den Häftlingen mehr als doppelt so viele. Fast 26 Prozent! Noch eklatanter macht sich diese Quote bemerkbar, wenn es um die Untersuchungshäftlinge geht. Willi Fuhrmann! Untersuchungshäftlinge, Ausländer in Österreich: 38 Prozent! Das heißt, bei einem Bevölkerungsanteil von 10, 12 oder 13 Prozent 38 Prozent Ausländer unter den Untersuchungshäftlingen im Schnitt. (Abg. Mag. Posch: Welchen Schluß ziehen Sie daraus?) Daß sie öfter straffällig werden, lieber Herr Kollege. (Abg. Mag. Posch: Wieso behaupten Sie das?) Weil ich mich auskenne bei diesem Geschäft. Aber ich erkläre es Ihnen außerhalb meiner Redezeit dann gerne auf dem Gang, damit ein Lehrer auch einmal etwas lernt von diesen Dingen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Deutlicher ist die Quote von 26 Prozent, die nicht nur die U-Häftlinge umfaßt, sondern auch die Strafhäftlinge und die immerhin zeigt, daß es doppelt so viele aus diesem Bereich gibt wie Österreicher.

Jetzt kommt noch etwas dazu: Es kommen diese ausländischen Insassen in österreichischen Anstalten ... (Zwischenrufe des Abg. Mag. Posch .) Ein bißchen erinnern Sie mich an Nietzsche, Herr Kollege, der gesagt hat: "Der Sozialdemokrat glaubt immer, hinter jedem Busch springt ein guter Mensch hervor!" – So ist das nicht. Kollege Posch! Schon Nietzsche hat erkannt, daß das nicht richtig ist. Nicht hinter jedem Busch lauert ein guter Mensch! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber diese große Zahl an ausländischen Häftlingen in österreichischen Anstalten setzt sich aus Angehörigen von nicht weniger als 69 Nationen zusammen. Ich betone noch einmal: Es geht nicht um Leute, die nicht gut Deutsch sprechen. Es geht nicht um Leute nichtdeutscher Muttersprache. Das ist alles unberücksichtigt. Es geht lediglich um die Staatsbürgerschaft, um die Ausländer: 38 Prozent bei den U-Häftlingen, fast 26 Prozent bei allen Häftlingen zusammengerechnet aus 69 Nationen. Und von diesen Häftlingen wieder können 40 Prozent kaum ein Wort Deutsch.

Das zeigt zweierlei: Zunächst einmal, wenn man es als Auswirkung betrachtet, ist das ein deutlicher Parameter dafür, in welch bedeutendem Ausmaß die Ausländer in Österreich straffällig werden. (Zwischenruf des Abg. Mag. Posch. )

Das kann man sich jetzt wünschen, Herr Kollege Posch, oder nicht, das kann man verdrängen oder nicht. Es ist aber ein Faktum! Sie können herumreden, wie Sie wollen, es ist das ein Faktum! Es sind Zahlen, Sie können sie lesen, Sie können dann am Schluß sagen, das glaube ich alles nicht! Das Ministerium lügt, können Sie sagen! (Abg. Mag. Posch: Ich frage nur um Ihre Schlußfolgerung!)

Sie können auch sagen, der Justizminister lügt! Aber das wird Ihnen niemand abnehmen! Es ist das eben ein Faktum! – Wozu führt das? – Das führt zu einem sehr großen Manko an Sicherheit in diesem Bereich der Justiz, um den es da geht. Denn wenn der Justizwachebeamte nicht versteht, was die Leute untereinander reden, so ist das eine sehr bedenkliche Entwicklung. Heute erlebt man es auch als Anwalt, als Verteidiger, der im Gesperre, im Halbgesperre mit seinen Klienten und mit anderen zu tun hat, daß sich die untereinander relativ ungeniert unterhalten, unterhalten können, denn niemand versteht, was sie sich Gefährliches oder weniger Gefährliches zu sagen haben beziehungsweise sagen.

Das wird auch kostspielig. Es gibt aus all den Gründen – unterschiedlichste Nationen, unterschiedlichste Religionen in der Haft – acht verschiedene Formen von Kost, denn die einen dürfen nur vegetarisch essen, die anderen kein Fleisch, und die dritten jenes und dieses nicht. Acht verschiedene Arten der Kost gibt es in der Haft!

Aber es kann der Häftling, zumal wenn er länger sitzt, nicht nur in die Luft schauen; das ist schädlich. Man nennt das im Fachjargon "Hirntschechern". Er darf nicht nur "hirntschechern" und sich überlegen, was wird er machen, wenn er herauskommt. Er muß auch andere Beschäftigung haben. Dazu gehört das Lesen. Mittlerweile werden die bisher einsprachigen Bibliotheken in den Justizanstalten in Österreich aus Mitteln des Bundes aufgestockt, vervielfacht in die Sprachen aller Herren Länder!

Meine Damen und Herren! Ich will gar nicht sagen, daß das nicht so sein soll. Ich möchte nur beleuchten, welche zahlenmäßige Bedeutung ausländische Häftlinge in den österreichischen Justizanstalten mittlerweile haben und was das die Republik alles kostet. Ein Viertel der Leute, die drinnen sitzen, sind Ausländer. Sie brauchen acht verschiedene Diäten. Sie brauchen Bibliotheken in den Sprachen aller Herren Länder. Sie stellen ein Sicherheitsrisiko dar. Aber bevor Sie in die Haft kommen, Kollege Posch, müssen Sie alle entsprechende Verfahren haben. (Abg. Mag. Posch: Vielleicht sollte man die Bibel anschaffen!)

Von der Bibel wird ein Sozialdemokrat nicht als erstes reden und an sie auch nicht denken, außer er hat es mit einem Freiheitlichen zu tun. Sonst wird ihnen die Bibel nicht einfallen. Viel


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leicht "Das Kapital" von Karl Marx. Aber auch das wird in zahlreichen Ausgaben möglicherweise bald drinnen sein. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fuhrmann: Also bitte, Kollege Ofner! Wir dürfen schon auch die Bibel zitieren! – Ihr habt kein Monopol auf die Bibel!) Willi! Du hast keine Zeit gehabt, ich habe auch keine. Aber ihr habt auch kein Monopol auf die Bibel, das muß ich schon dazusagen.

Aber jeder, der sich in Haft befindet, der in Haft kommt, hat auch ein Gerichtsverfahren laufen, beziehungsweise er hat es hinter sich. Und bei diesem Verfahren stellen mitunter mittlerweile die Mehrzahl der Anwesenden die Dolmetscher dar. Nicht der Richter mit seiner Schriftführerin, nicht der Sitzungsvertreter der Anklagebehörde, nicht der Verteidiger, sondern man erlebt Verhandlungen mit fünf, sechs und mehr Beschuldigten, mit fünf, sechs und mehr Dolmetschern in allen Sprachen, die in der entsprechenden Subkultur gang und gäbe sind.

Mich würden diese Dolmetscherkosten interessieren, die sicherlich eine Summe in dreistelliger Millionenhöhe in Österreich im Jahr ausmachen. Die tauchen bisher in der Statistik nirgends auf, und ich darf an den Herrn Bundesminister die Bitte richten, diesbezügliche Erhebungen in seinem Ressort zu pflegen. Wir wollen wissen, was das kostet. Ich will das wissen, wenn bei einem Eigentumsverfahren eine Gruppe von Beschuldigten dort sitzt und ich dann einen türkischen, einen serbokroatischen, einen rumänischen, einen russischen und ähnliche Dolmetscher mehr brauche, die alle, wie es ihnen zusteht, ihre Beträge verlangen und bekommen – aber nicht von denen, die verurteilt sind, von denen ist in der Regel nichts herauszubekommen, sondern aus dem Staatssäckel. Das kostet viel Geld!

Die Ausländer werden in hohem Maße, viel mehr als die Österreicher straffällig. Das liest man nicht aus dem Sicherheitsbericht, das liest man daraus (der Redner zeigt eine Statistik), und deshalb ist die Justiz unter anderem überlastet und deshalb kostet uns das alles soviel Geld, und die Justiz sagt dann, wir haben keines für die wirklich echten Reformen. – Man muß das nur aufzeigen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber auch von der Ausländerproblematik in der Justiz abgesehen, wiederhole ich hier und bei dieser Gelegenheit, daß nach meinem Dafürhalten gegen die falschen Leute zum Teil gerichtliche Strafverfahren eingeleitet und abgeführt werden und daß auch die falschen Leute dann sitzen. Denn man ist in Österreich, historisch bedingt, noch immer viel zu rigide beim Einleiten gerichtlicher Strafverfahren und vor allem auch beim Verhängen von Haftstrafen.

Ein gerichtliches Verfahren, das in einer Freiheitsstrafe und in ihrem Vollzug münden kann, kann nach meinem Dafürhalten – und da bin ich nicht allein auf der Welt mit dieser Ansicht, das spricht sich mittlerweile überall, vor allem im Ausland, herum – nur bei jemandem, der gefährlich ist, jemandem, der professionell im strafbaren Bereich tätig ist, und bei jemandem, der deshalb eingesperrt werden muß, weil der soziale Friede es eben verlangt, weil es etwa ein schwer Bestohlener oder ein schwer Mißhandelter nicht verträgt, daß der Betreffende, wenn er ihn angezeigt hat, weiter auf freiem Fuß bleibt, eingeleitet werden.

Alle anderen jedoch, die etwa wirtschaftlich Schiffbruch erlitten haben, die Fahrlässigkeitsdelikte begangen haben oder ähnliches mehr, gehören entweder in den Zivilbereich, sie gehören in den Verwaltungs- oder in den Verwaltungsstrafverfahrensbereich, und wenn schon vor das Strafgericht, dann ist dort der Geldstrafe und der Geldstrafe allein der entsprechende Raum einzuräumen!

Wir wollen nicht die Leute auf unsere Kosten einsperren, bei denen niemand etwas davon hat, weil sie nicht gefährlich sind, weil es sich nicht um echte Kriminelle handelt, die, wenn sie herauskommen, gleich wieder etwas anstellen, und weil die Delikte nicht so schwer sind, daß man es nicht aushält, wenn sie auf freiem Fuß bleiben.

Wir wollen also nur jene in Haft, die wirklich dort hingehören! Wir wollen aber gleichzeitig, daß die echten Kriminellen mit aller Strenge und aller Härte des Gesetzes bestraft werden und daß man da nicht Schüchternheit, falsch verstanden, an den Tag legt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.28


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Platter. – Bitte.

13.28

Abgeordneter Günther Platter (ÖVP): Sehr verehrter Herr Präsident! Geschätzte Herren Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir heute, am 22. Mai 1996, über den Sicherheitsbericht 1994 debattieren, so kann man, wenn man den Sicherheitsbericht auf den ersten Blick beurteilt, grundsätzlich Zufriedenheit feststellen.

Meine Damen und Herren! Besonders erfreulich ist die Aufklärungsquote. Es ist festzustellen, daß wir gegenüber dem Vorjahr eine höhere Aufklärungsquote von 3 Prozent zu verzeichnen haben. Waren es im Jahr 1993 46,8 Prozent, so sind es im Jahr 1994 49,6 Prozent. Und das ist zweifellos eine besonders erfreuliche Entwicklung. Es wurde hier hervorragend gearbeitet. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich darf daher auch namens der Österreichischen Volkspartei allen Exekutivbeamten für diese hervorragende Verbrechensbekämpfung recht herzlich danken. Die Exekutivorgane sind großteils Idealisten, die engagiert ihren Dienst verrichten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich habe zuerst gesagt, daß man auf den ersten Blick meint, der Sicherheitsbericht 1994 sei zufriedenstellend, aber man darf sich nicht darüber hinwegtäuschen lassen, daß es in den letzten 20 Jahren, was die Gesamtkriminalität anlangt, eine gewaltige Steigerung gegeben hat. In diesen 20 Jahren ist eine Steigerung von 73 Prozent im Bereich der Gesamtkriminalität zu verzeichnen.

Wenn man das Jahr 1994 mit dem Jahr 1993 vergleicht, sieht man, daß es stimmt, daß selbstverständlich Rückgänge bei verschiedenen strafbaren Handlungen zu verzeichnen waren – es gibt jedoch auch entsprechende Steigerungen. Bei der strafbaren Handlung des Betruges war eine Steigerung von 43,4 Prozent zu verzeichnen, im Bereich der schweren Sachbeschädigung eine Steigerung von 21 Prozent. Man merkt also, daß es vermehrte Radikalität gibt. Beim Suchtgiftmißbrauch war eine Steigerung von beinahe 30 Prozent zu verzeichnen. Eine dramatische Steigerung – das wurde heute schon genannt – ist im Bereich des Menschenhandels feststellbar, und zwar eine Steigerung von 259 Prozent.

Ich mahne daher, meine Damen und Herren, zur Vorsicht. Sicherheit muß in unserem Land weiterhin die höchste Priorität haben! Wir dürfen bei der Bekämpfung gegen das organisierte Verbrechen, gegen den Terrorismus nicht stehenbleiben, und schon gar nicht dürfen wir zukünftig eine liberale Sicherheitspolitik betreiben. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Sicherheitspolitik muß sich meiner Meinung nach dem Wandel der Zeit stellen. Die Aus- und Weiterbildung muß forciert werden, selbstverständlich im Rahmen der gewünschten Sicherheitsakademie. Eine Anpassung im Bereich der Ausrüstung ist erforderlich.

Und, meine Damen und Herren, ich sage es ganz bewußt: Es muß eine annähernde Chancengleichheit geben zwischen Exekutivbeamten und Verbrecherbanden des Terrorismus sowie im Bereich der organisierten Kriminalität, eben durch moderne Ermittlungsmethoden. Ich bin froh darüber, daß ich vom Herrn Minister hörte, daß er ebenfalls diese Linie vertritt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Kukacka: Welcher Minister?) Der Minister von der linken Seite hier in diesem Hause.

Bei der Exekutive ist totale Verärgerung feststellbar, wenn manche Politiker immer wieder den Ausspruch tätigen, im Bereich der Sicherheit gäbe es keine Einsparungen. – Ich glaube, diesen Ausspruch sollte man sich ersparen, wenn es einerseits Überstundeneinsparungen gibt und andererseits Personalstopp vorgesehen ist und Exekutivbeamte teilweise zur Putzfrau degradiert werden, weil eben infolge des Aufnahmestopps keine Aufräumerin zur Verfügung steht. Wenn eine gekündigt wird, wird niemand mehr aufgenommen. – (Zwischenruf.) Gut: Putzmänner.


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Das sind, meine Damen und Herren, vielleicht kleine Themen, aber ganz sensible im Bereich der Exekutive. Herr Minister! Wir sollten versuchen, diesbezüglich eine Verbesserung zu erreichen, zumindest bei jenen Dienststellen, in denen es diese Probleme gibt. Die Beamten beschweren sich im ganzen Land über die momentane Situation. (Abg. Dr. Khol: Das sind aber Machos! – Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren! Ganz kurz zur Suchtgiftkriminalität. Zum Thema Drogenbekämpfung hat es ja bis jetzt noch keinen Debattenbeitrag gegeben.

Es ist ein gewaltiges Ansteigen im Bereich der Drogenkriminalität in den letzten Jahren festzustellen, und erschreckend war, daß es im Jahre 1994 in Österreich 250 Drogentote gab.

Ich bin in dieser Frage sehr beunruhigt: einerseits wegen der Steigerung der Zahl von Drogentoten und andererseits deshalb – das ist sehr interessant –, weil es bei Sicherstellungen und Beschlagnahmung von Heroin einen Rückgang von 23,4 Prozent gab, im Falle von Kokain war es genauso. Da paßt doch etwas nicht zusammen! Auf der einen Seite gibt es eine Steigerung, und auf der anderen Seite ist ein Rückgang zu verzeichnen.

Ich bin der Überzeugung, daß im Bereich der Suchtgiftbekämpfung und bei der organisierten Kriminalität zuwenig qualifiziertes Personal zur Verfügung steht.

Wenn man diese Tendenzen in bezug auf die Suchtgiftkriminalität sieht, muß man sagen, daß wir mehr Aufklärung der Eltern und Schüler brauchen.

Ich bringe ein Beispiel. Mein Sohn ist 14 Jahre alt, und er hat noch in keiner Schule irgendeine Aufklärung zum Thema Suchtgift bekommen. Wir müssen das wirklich offensiv angehen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scheibner: Nicht liberalisieren!) Es bedarf darüber hinaus zusätzlicher Maßnahmen, um den Suchtgiftkranken eine Therapie zukommen zu lassen und so zu versuchen, sie wieder in die Gesellschaft einzugliedern, wobei ich schon sagen muß, daß das natürlich ungemein schwierig ist. Und der Prozentsatz, wo das gelungen ist, ist derzeit sehr gering.

Insbesondere bedarf es aber einer verstärkten europäischen Zusammenarbeit im Rahmen der EUROPOL. Was wir aber nicht brauchen, meine Damen und Herren, wäre eine Liberalisierung des Suchtgiftgesetzes. Und ich hoffe, meine Herren Minister, daß wir diesbezüglich alle im gleichen Boot sitzen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

13.35

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.35

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Platter sagte, er hoffe, mit den Ministern im Bereich der Drogenpolitik und Drogenbekämpfung in einem Boot zu sitzen. – Das tun Sie, Sie übersehen allerdings nur, daß Ihnen das Wasser schon bis zum Hals steht, und zwar deshalb, weil Sie mit genau jenen Methoden, die bisher festgeschrieben wurden, die Drogenpolitik weiterbetrieben haben, Herr Abgeordneter Platter, und weil Sie in diesem Bereich mit genau jenen Instrumenten eben nicht weiterkommen.

Sie meinten auch, die Anforderungen verändern sich. – Ja, da haben Sie recht, aber dann muß man auch mit den entsprechenden Mitteln darauf reagieren, und wir müssen uns endlich dazu bekennen, daß Drogenbekämpfung primär die Leute von der Droge wegbringen muß. Sie werden das nicht durch Einsperren erreichen, sondern es bedarf in diesem Zusammenhang auch einer Therapie. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Scheibner: Aber liberalisieren ist auch nicht das Richtige!) – Augenblick! Abgeordneter Platter hat gesagt, wir brauchen mehr Informationen. Er hat recht: Wir brauchen mehr Informationen in diesem Zusammenhang.

Wir Liberalen sagen, tun wir doch etwas, um die Leute aus diesem Milieu herauszuholen beziehungsweise um sie erst gar nicht in jenes Milieu abrutschen zu lassen – und das ist genau der


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Weg. Glauben Sie doch bitte nicht, daß Schülerinnen und Schülern an bestimmten Schulen, nur weil Sie davon nichts wissen, bisher nicht mit Drogen konfrontiert wurden, Herr Abgeordneter! Das geht doch an der Realität vorbei! Übrigens so wie bei vielen anderen Dingen, wo Sie auch an der Realität vorbeigehen. (Abg. Dr. Fekter: Er hat ja von der Aufklärung gesprochen!) Ja, warum tun Sie es denn nicht? Sie sind doch von einer Regierungsfraktion, Frau Abgeordnete! Sie könnten das ja umsetzen! Sie reden ja davon, daß Sie nicht zur Kenntnis nehmen wollen, wann bestimmte Entwicklungen beginnen! (Abg. Dr. Fekter: Darum hat es Kollege Platter ja angeregt!) Sie sehen ja nicht, daß zum Beispiel 14jährige längst in einem Bereich – um nur auf die §§ 209, 220 und 221 StGB zu sprechen zu kommen – eine aufgeklärte Haltung haben, die vielleicht nicht die Ihre ist. Aber das ist Ihr Problem, das ist nicht das Problem der Jugendlichen. Nur: Sie machen das mit der Politik, die Sie hier betreiben, zu einem Problem. (Abg. Dr. Krüger: Was ist mit den weichen Drogen?)

Jetzt möchte ich gleich auf die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Schweitzer eingehen, der als Erstredner der freiheitlichen Fraktion zu diesem Problembereich gesprochen hat – und das, das hat uns Herr Abgeordneter Scheibner ja klar vor Augen geführt, obwohl er gar nicht Mitglied in diesem Ausschuß ist. Es ist schon aufgefallen bei den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Schweitzer: Er war zwar mit der Materie nicht vertraut, aber er war dafür laut. Und daß du, Herbert (in Richtung des Abg. Scheibner ) , obwohl du im Ausschuß warst, eben nicht als erster Redner der Freiheitlichen über diese Sache sachlich reden durftest, sondern daß das dem lieben Herrn Abgeordneten Schweitzer überlassen war, spricht ja Bände. Das weißt du selbst!

Ich bringe nur ein Beispiel aus der Schweitzer-Rede. Er hat gesagt: Falschgeld. Er hat sich irrsinnig aufgeregt und gesagt: Wie Falschgeld in Österreich jetzt zunimmt, das ist ein Skandal, aber es wird nichts dagegen getan!

Kollege Schweitzer hat das offenbar nicht genau gelesen. Du, Kollege Scheibner, hättest ihm sicher helfen können, denn du warst im Ausschuß, er hingegen nicht. Die Falschgeldkriminalität, die bei uns in den Jahren bis 1993 zugenommen hat, lag ja nicht daran, daß die Leute auf einmal alle schlecht oder viel schlechter geworden sind, als das früher der Fall war, vielleicht ein ganz schlimmer Werteverfall eingetreten ist, sondern der Grund dafür lag darin, daß einfach eine neue Technologie auf dem Markt war, nämlich Laser-Farbkopien, und damit ist es leichter gewesen, auf diesem Gebiete kriminell zu werden. Und dann haben das natürlich einige gemacht.

1993 hat man das seitens des Herrn Bundesministers für Inneres erkannt, und es wurden Maßnahmen gesetzt. Und siehe da, im Jahr 1994 – das entnehme ich dem Sicherheitsbericht – gab es einen sehr starken Rückgang, und zwar auf weniger als die Hälfte. Dies aber nicht, meine Damen und Herren, durch Rasterfahndung und Lauschangriff, sondern einfach durch Aufklärung, durch eine bessere Information der Bevölkerung und durch eine bessere Schulung der Polizei. Da brauchen Sie nicht in Grundrechte einzugreifen, da brauchen Sie nicht zu glauben, die ganze Welt stürzt zusammen, sondern offenbar hängt das damit zusammen, daß sich auch Kriminelle jener Methoden und Maßnahmen bedienen, die eben auf technologischem Gebiete verfügbar sind. Wenn das der Fall ist, dann muß man darauf reagieren.

Wie Sie sehen, kann man mit sehr einfachen, mit sehr kostengünstigen Mitteln darauf reagieren. Das ist jedoch am Beispiel Falschgeldkriminalität, vorgebracht vom Abgeordneten Schweitzer, nur bis zur halben Wahrheit angezogen worden.

Ich sage das jetzt deshalb, weil Herr Bundesminister Einem – zu Recht – eingefordert hat, man möge diese Thematik seriös diskutieren. Das tun die Liberalen gerne. Allerdings, meine Damen und Herren: Seriös diskutieren kann man nur, wenn man auch die Fakten kennt. Und da so oft von Rednern hier beim Pult davon gesprochen wurde, daß die organisierte Kriminalität ein Ausmaß erreicht hätte, das Österreich in einer Intensität gefährde, die unerträglich sei, frage ich mich schon, warum in der polizeilichen Kriminalstatistik der Ausdruck "organisierte Kriminalität" nicht einmal vorkommt.


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In diesem Bericht gibt es überhaupt nichts an Zahlen über die organisierte Kriminalität, und zwar deshalb nicht, meine Damen und Herren, weil man da vielleicht nur nach den Paragraphen des Strafgesetzbuches vorgeht, danach, nach welchen Paragraphen es welche Verurteilungen gegeben hat, sondern es steht in der Einführung dazu:

"Die polizeiliche Kriminalstatistik enthält neben der Aufschlüsselung der strafbaren Handlungen nach den strafrechtlichen Tatbildern auch eine nach besonderen Erscheinungsformen der Kriminalität – unter Bedachtnahme auf kriminologische und kriminalistische Gesichtspunkte." – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Wenn in Österreich eine seriöse Debatte über die organisierte Kriminalität geführt werden soll, warum gibt es dann in der kriminalpolizeilichen Statistik nicht einen einzigen statistischen Wert darüber? Jetzt können Sie sagen: Okay, das ist schwer zu erfassen, und da gibt es besondere Schwierigkeiten.

Nehmen wir doch den Sicherheitsbericht her; er ist wesentlich dicker als die polizeiliche Kriminalstatistik. Wenn man unter dem Schlagwort organisierte Kriminalität nachschaut, kann man lesen: "Die organisierte Kriminalität ist Realität geworden. Die organisierten Straftäter versuchen ... in eine Scheinlegalität hinüberzuwechseln."

Da sollte man sich, wenn es zum Beispiel um Geldwäsche geht, fragen, welchen Stellenwert die Anonymität in diesem Zusammenhang hat.

Jedenfalls: Wie wurde darauf seitens des Bundesministeriums reagiert? – Es wurde eine eigene Gruppe eingesetzt, um die Geldwäsche zu bekämpfen.

Bei der Aufschlüsselung der organisierten Kriminalität in Österreich nach einzelnen Vergehen, Verbrechen, so zum Beispiel etwa Eigentumskriminalität, ist zu lesen: "Die Analyse der polizeilichen Ermittlungen im Bereich der organisierten Eigentumskriminalität im Jahre 1994 zeigt die Effizienz des Vorgehens der organisierten Straftätergruppen auf."

Aber Sie brauchen nicht zu glauben, daß dort irgendwo eine Zahl steht, wie viele Eigentumsdelikte der organisierten Kriminalität zuzurechnen sind. Meine Damen und Herren! Keine einzige statistische Zahl!

Sie alle gehen hier herunter – ich spreche gerade Sie von der ÖVP und Sie von der "F" an und meine das auch in bezug auf die sozialdemokratische Fraktion – und fordern viel zu leichtfertig Maßnahmen, die tief in die Grundrechte der österreichischen Bürgerinnen und Bürger eingreifen. Und Sie reden über ein Problem, das Sie nicht einmal in Zahlen zu fassen in der Lage sind!

Sie sind aber sonst sehr wohl in der Lage, alles in Zahlen zu fassen. Und wir brauchen diese Zahlen auch, um eine seriöse Debatte, die Herr Bundesminister Einem zu Recht gefordert hat, zu führen. Aber über die organisierte Kriminalität, die angeblich ein so großes Ausmaß erreicht hat, können Sie solche Zahlen nicht vorlegen: weder im Bereich der Eigentumsdelikte noch im Bereich der Straftaten im Zusammenhang mit der Rotlichtszene oder mit Gewaltkriminalität, mit Schutzgelderpressung. Über all das können Sie keine einzige Zahl anführen.

Zur Wirtschaftskriminalität: Im ganzen Sicherheitsbericht findet man keine Zahl über die Wirtschaftskriminalität und wie das eigentlich wirklich aussieht. – Aber alle reden davon, und alle fordern tiefe Eingriffe, sogar in Grund- und Freiheitsrechte. Alle fordern – und das bei einem Sparpaket – Maßnahmen für die Polizei, Maßnahmen, die wesentlich kostenintensiver sind als das, was es bisher gab. Obwohl Sie am Beispiel, das Abgeordneter Schweitzer angezogen hat, nämlich an der Falschgeldkriminalität, sehen, daß man mit einfacher Information, daß man mit einfacher, besserer Ausbildung viel mehr erreichen kann als mit solch neuen Instrumenten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Ich vermisse auch, daß dies in entsprechendem Ausmaß hier, wenn wir über die organisierte Kriminalität und über diese tiefen Eingriffe in Grund- und Freiheitsrechte reden, berücksichtigt wird. Unter "Gegenstrategien" wird im Sicherheitsbericht angeführt, daß


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die EDOK eine sehr gute Einrichtung sei und die Bekämpfung der organisierten Kriminalität nur noch staatsübergreifend stattfinden kann. – Das sollen sich all jene überlegen, die sich so gegen die Europäische Union aussprechen, ob nämlich nicht ein Staatenverbund verstärkt und besser gegen organisierte Kriminalität vorgehen kann als ein einzelner Staat.

Meine Damen und Herren! Es wird auch im Sicherheitsbericht eine engere Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten gefordert, wenn es darum geht, Wirtschaftskriminalität zu bekämpfen. Es wird ein besserer Zeugenschutz gefordert. Und erst unter "ferner liefen" wird im Sicherheitsbericht von besseren technischen Hilfsmitteln gesprochen.

Hohes Haus! Ich meine, mit diesen Beispielen klargelegt zu haben, daß das, was im Bereich Rasterfahndung und Lauschangriff gefordert wird, in Wirklichkeit durch keine einzige Zahl untermauert werden kann, obwohl dieses Problem als ein ständig zunehmendes beschworen wird. Ich will aber auch hinzufügen: Wir streiten nicht ab, daß es organisierte Kriminalität gibt, aber die Frage ist: In welchem Ausmaß existiert sie wirklich? Solche Zahlen liegen nicht vor! Daher ist es auch nicht gerechtfertigt, so tief in die Grund- und Freiheitsrechte der Staatsbürger einzugreifen, wenn Sie das sozusagen nur in einen Nebel hinein tun können und nicht einmal konkrete Zahlen dafür haben!

Deshalb, meine Damen und Herren, werden die Liberalen auch in Zukunft solchen Maßnahmen wie Rasterfahndung und Lauschangriff ablehnend gegenüberstehen! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaál. – Bitte.

13.45

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir haben in den letzten Jahren in Österreich einen kontinuierlichen Kriminalitätsrückgang zu verzeichnen; diese Entwicklung bestätigt der Sicherheitsbericht 1994. Für 1995 liegen zwar noch keine ausgewerteten Daten vor, aber es zeichnet sich auch da ein weiterer deutlicher Rückgang der Kriminalitätsrate ab. Die Entwicklung in den ersten Monaten des Jahres 1996 gehen auch ganz klar in diese Richtung.

Tatsache ist, meine Damen und Herren: Unsere Exekutive hat hervorragende Arbeit geleistet. Sie hat das geschafft, worum uns die Welt heute beneidet: Wir haben – das kann objektiv festgestellt werden anhand dieser Fakten, anhand dieser Zahlen – das Problem der Kriminalitätsentwicklung in den Griff bekommen.

Daß das auch die Österreicher so sehen, meine Damen und Herren, beweist die von Herrn Bundesminister Einem angesprochene aktuelle Studie der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft. Sie hat das Vertrauen in Institutionen untersucht, und zwar mit dem sehr bemerkenswerten Ergebnis, daß die Polizei in dieser Wertung an zweiter Stelle liegt und sich gegenüber dem Vorjahr sogar um 5 Prozentpunkte verbessern konnte.

Noch einmal – auch wenn manche es nicht wahrhaben wollen –: Während etwa in Deutschland die Kriminalitätsrate stark gestiegen ist – im Jahre 1994 um 8 Prozent –, kann Österreich in fast allen Verbrechensarten die niedrigsten Zahlen vorweisen. Österreich ist wirklich ein sicheres Land! Und die Maßnahmen, die hier in den letzten Jahren, nämlich von 1994 bis 1996, getroffen wurden, haben gegriffen.

Ich darf hier einige Beispiele nennen: Organisierte Kriminalität etwa: Österreich geht offensiv gegen das organisierte Verbrechen vor. Beweis ist die Schaffung der Einsatzgruppe EDOK, also der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, denn die Bekämpfung der organisierten Kriminalität kann nur zentral im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit der von grenzüberschreitenden organisierten Verbrechen bedrohten Länder erfolgen. Und die EDOK hält ständig Kontakt zu internationalen Dienststellen, die im Ausland für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität zuständig sind.


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Es konnten bereits viele gemeinsame Erfolge erzielt werden. Ich denke etwa nur an die Zerschlagung einer europaweit agierenden Tätergruppe im Bereich des Geld- und Wertpapierbetruges.

Es wurden innerhalb der EDOK Wirtschaftsgruppen eingerichtet, die effizient die internationale und nationale Wirtschaftskriminalität bekämpfen. Im Bereich der Wirtschaftskriminalität konnten 1994 bereits einige hundert Millionen Schilling sozusagen eingefroren werden.

Man ist dabei, bei den Kriminalabteilungen in den Landesgendarmeriekommanden OK-Referate einzurichten sowie Sachbearbeiter im Kompetenzbereich der Bundespolizeidirektionen zu installieren. – Ich könnte eine Aufzählung dieser Maßnahmen beliebig lang fortsetzen.

Man sieht an diesen wenigen Beispielen: Es geschieht viel, was notwendig ist, um die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit aufrechtzuerhalten.

Als Wiener Abgeordneter, meine Damen und Herren, möchte ich Herrn Abgeordneten Schweitzer entschieden widersprechen, wenn er hier eine Sicherheitssituation der Bundeshauptstadt darstellt, die es ganz einfach nicht gibt. Er ist da – wie in vielen anderen Bereichen auch – seinem alten Motto treu geblieben: immer wieder nur etwas zu behaupten und zu behaupten, ohne jedoch Beweise hiefür vorzulegen.

Die sicherheitspolitische Entwicklung in Wien ist eine sehr erfreuliche. Wien ist eine der sichersten Millionenstädte der Welt. Wir sind, was die Sicherheit anlangt, weltweit Vorbild: weniger Straftaten, dafür aber eine höhere Aufklärungsquote. Es gibt keine Stadt, die eine ähnliche Bilanz aufweist, wie wir sie in Wien haben.

Widerlegt wird durch diese Statistik auch das von den Vertretern der Freiheitlichen immer wieder strapazierte Klischee von der steigenden Ausländerkriminalität. Auch diesbezüglich gibt es einen Rückgang um einige Prozentpunkte.

Die Gründe für diese Bilanz, meine Damen und Herren – Experten der Polizei, Sozialarbeiter, Psychologen bestätigen das –, ist, daß das hohe Maß an sozialem Ausgleich und wirtschaftlicher Sicherheit für die erfolgreiche Arbeit der Exekutive und ihr gutes Verhältnis zur Bevölkerung wichtige Grundlagen darstellen.

Sehr erfreulich für Wien – das gilt aber auch für das gesamte Bundesgebiet – ist die sehr gute Zusammenarbeit von Exekutive und Bevölkerung. Ich denke in diesem Zusammenhang vor allem an die Jugendkontaktbeamten, an die Jugendwohlfahrt und Jugendgerichtsbarkeit. – Die Folge ist auch da eine sehr positive Entwicklung in bezug auf Jugendkriminalität. Die Statistik weist in bezug auf Verurteilungen eine stark fallende Tendenz bei Jugendstraftätern auf: immerhin ein Minus von 10,4 Prozent.

Es klappt die Zusammenarbeit zwischen Bevölkerung und Exekutive hervorragend, und daher sind wir auch bemüht, die Arbeitsbedingungen, wo immer es möglich ist, zu verbessern, und daher leistet auch die Stadt Wien Unterstützung, wo immer es geht. Auf Initiative des Wiener Bürgermeisters Häupl wurden im vergangenen Jahr 10 Millionen Schilling bereitgestellt, um die Ausrüstung für die Sicherheitswache und für den Kriminaldienst zu verbessern. Außerdem wird die Stadt Wien in den nächsten drei Jahren 500 Wohnungen für Absolventen der Polizeischule zur Verfügung stellen. Die alten und kleinen Wachzimmer werden durch neue, moderne ersetzt. Auch da setzen wir auf Qualität. Das Ergebnis, wie gesagt: weniger Straftaten und eine höhere Aufklärungsquote.

Meine Damen und Herren! Die Sicherheitssituation ist bei uns – objektiv und im internationalen Vergleich gesehen – hervorragend. Wir achten aber selbstverständlich auch darauf, daß sich die Bürger, subjektiv gesehen, sicher fühlen, denn Lebensqualität und Sicherheit sind nicht voneinander zu trennen.

Wir haben uns deshalb sehr vehement dafür eingesetzt, daß es zu keiner Verringerung der Zahl der Planstellen im Außendienst der Exekutive kommt. Diese freiwerdenden Planstellen werden


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immer nachbesetzt, und es wird auch in Zukunft zu keiner Verschlechterung kommen. Im Gegenteil: Die freiwerdenden Planstellen werden zum derzeitigen Stand zusystemisiert, und so wird die Außendienstpräsenz noch verstärkt.

Die tatsächlichen Personalbesetzungen in Wien werden sich in den letzten Monaten 1996 noch erhöhen, weil eben bei den Ausmusterungsterminen 1996 insgesamt 318 Sicherheitswachebeamte ausschließlich den Sicherheitswacheabteilungen in den Bezirken zugeteilt werden und sich so der Personalstand sehr beträchtlich erhöhen wird. – Das ist die eine Seite.

Aber weil uns Sozialdemokraten, meine Damen und Herren, selbst ein Verbrechen eines zuviel ist, haben wir ein weitreichendes Sicherheitspaket mit ganz konkreten Ansätzen geschnürt: Um die Sicherheit weiter zu erhöhen, wollen wir den Bewohnern Wiens – und da vor allem den Frauen, die sich nachts in unbeleuchteten Parkgaragen und Aufzügen unsicher fühlen – zeigen, daß wir ihre Ängste ernst nehmen, indem wir mit ihnen gemeinsam einen Sicherheitskatalog für städtebauliche Projekte erarbeiten. Es sind diesbezüglich schon sehr konkrete Maßnahmen ausgearbeitet worden.

Umfassende Sicherheit bedeutet für uns nicht nur Kampf gegen Kriminalität, sondern beinhaltet auch die Erhöhung der Verkehrssicherheit, der Unfallverhütung im Haushalt, Schutz vor Katastrophen, Zivilschutz, sichere Arbeitsplätze, aber auch gesicherte Pensionen.

Es kommt der von uns immer wieder angesprochene umfassende Sicherheitsbegriff zum Tragen: Wir wollen nicht nur die Symptome krimineller Taten, sondern auch die Ursachen bekämpfen. Hohe Kriminalität hat immer auch soziale Ursachen, und weil wir das wissen, setzen unsere Lösungen auch schon eine Ebene früher an. – Das klingt nicht spektakulär, ist aber das Geheimnis dieses erfolgreichen österreichischen Weges, eines Weges, der Österreich zu einem sicherheitspolitischen Musterland gemacht hat, eines Weges, der Österreich an die Spitze der Industriestaaten geführt hat.

Meine Damen und Herren! Wir wollen diesen Weg weitergehen und laden Sie ein, mit uns gemeinsam diesen Weg zu beschreiten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

13.55

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister Dr. Michalek! Sehr geehrter Herr Bundesminister Dr. Einem! Die größte Gefahr für Österreicherinnen und Österreicher ist immer noch der Straßenverkehr. Das geht zwar nicht direkt aus dem Sicherheitsbericht hervor, aber zweifelsfrei aus den durchaus nützlichen Statistiken. Im Jahr 1994 sind in Österreich 1 338 Menschen im Straßenverkehr gestorben; das ist eine bedeutende Zunahme von 4,3 Prozent.

Ich stelle das deshalb an den Beginn meiner Ausführungen, weil sich die Damen und Herren von der ÖVP, auch einige aus dem Kreis der Freiheitlichen und vielleicht so manche geheim aus dem Kreis der SPÖ immer noch gegen die Senkung der Promillegrenze von 0,8 auf 0,5 wehren. Daher möchte ich diesen sozusagen ins Stammbuch schreiben, wenn es um die Sicherheit in Österreich geht: Der größte Unsicherheitsfaktor ist die "Waffe" Auto, meine Damen und Herren (Abg. Großruck: Jaguar!) , wobei es nicht das Auto ist, sondern der Mensch, der es lenkt, und der Mensch, der es mißbraucht, und der Mensch, der es vor allem alkoholisiert lenkt.

Darum, meine sehr geehrten Damen und Herren: Die 0,5-Promillegrenze ist längst fällig! (Abg. Zweytick: Nein, nein!)

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, nun zum eigentlichen Sicherheitsbericht. Es hat mir schon gefallen, als Herr Kollege Ofner – jetzt nicht so sehr nur als Abgeordneter, sondern vor allem als einer, der so sachkundig und nach jahrzehntelanger Praxis als Rechtsanwalt wirklich wissen müßte, wovon er spricht – nicht bedauernd, sondern lautstark darauf hinge


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wiesen hat, daß der Anteil der Ausländerinnen und Ausländer an den U-Häftlingen in Österreich 38 Prozent beträgt, insgesamt bei den Häftlingen 26 Prozent.

Gerade Dr. Ofner als einer in einem rechtsvertretenden Beruf Tätiger müßte doch ganz genau wissen, warum das so ist: Weil es natürlich auch Haftgründe gibt und weil bei einem Ausländer sowohl die Richter, aber vor allem jetzt im Vorfeld natürlich die Polizei ganz schnell bei der Hand sind, wenn es darum geht, den Haftgrund Fluchtgefahr zu konstruieren, um jemanden in U-Haft zu stecken.

Das hat aber nichts zu tun mit den von Dr. Ofner so implizit in seinen Ausführungen unterstellten Gründen: Na die Ausländer, die sind halt insgesamt krimineller, und deshalb sitzen sie insgesamt mehr in U-Haft, weil sie eben insgesamt schlechtere Menschen sind, sonst würden ja nicht mehr in U-Haft und in Strafhaft sitzen. – Das hat bitte damit zu tun, daß sie nicht Österreicher, sondern Ausländer sind!

So einen Blödsinn, wie da Herr Dr. Ofner wider besseres Wissen redet! (Beifall bei den Grünen und bei der SPÖ.) Er vertritt ja genau solche Menschen in seinem Zivilberuf! Daß er dann hier solch einen Quatsch redet, kann ich mir nur so erklären, daß er hier halt einen Auftrag als Abgeordneter der "F" zu erfüllen hat! (Abg. Ing. Reichhold: Das ist aber Theorie! Wir reden von der Praxis!)

Ich kann ihm auf sein Zitat, daß nicht hinter jedem Busch ein guter Mensch lauert, nur folgendes erwidern: Auch nicht hinter jedem Busch lauert ein schlechter Mensch! Das ist es doch, was die FPÖ uns ständig predigt. Und diese schlechten Menschen sind natürlich in der Logik der Freiheitlichen Ausländer, denn ausländische gute Menschen kann es nach dieser Hetze, nach dieser rassistischen Hetze, natürlich nicht geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte an die Ausführungen von Herrn Dr. Einem folgendes anschließen: Ich habe aus einigen persönlichen Begegnungen und aus Berichten von Freunden und auch von Journalisten von österreichischen Polizistinnen und Polizisten gehört, die sich außerhalb Österreichs, wo es nicht um die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung, die uns ja heute vor allem am Herzen liegt, geht, besonders verdient gemacht haben, nämlich jene österreichischen Sicherheitsbeamten, die im Rahmen der EU-Polizei in Mostar tätig sind. Ich muß sagen, daß alles, was ich darüber gehört habe, was diese Menschen dort leisten, großes Lob auf unser Land bringt, und ich meine, daß man diesen Menschen, die in Mostar im Rahmen der EU-Polizei ihren Dienst tun, auch einmal danken sollte, und zwar vom Nationalrat aus, weil sie ihren Job dort wirklich gut ausfüllen. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Gaál vor mir hat sehr viel Richtiges hier gesagt, als er davon gesprochen hat, wie sicher Österreich ist, wie sicher unsere Heimatstadt Wien ist – ich möchte nicht wiederholen, daß auch ich mehr als froh darüber bin, daß ich in einer der sichersten oder vielleicht sogar in der absolut sichersten Großstadt dieser Welt leben darf –, als er davon gesprochen hat, daß wir alle dafür verantwortlich sind, daß das auch so bleibt. Aber das hat im wesentlichen auch mit der Verantwortung zu tun, die wir für das gesellschaftliche Klima in diesem Land tragen.

Kollege Gaál hat vollkommen recht, wenn er betont, daß dieses Sicherheitsgefühl nicht etwas ausschließlich Objektives ist, sondern sehr viele subjektive Faktoren in sich birgt. Wir wissen – das läßt sich auch aus den Berichten des Innenministeriums und aus zahlreichen Studien entnehmen –, daß sich die Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Anzahl von begangenen Delikten und dem Umstand, ob sich jemand sicher oder unsicher fühlt, schon am Beispiel unserer sicheren und geliebten Heimatstadt Wien aufzeigen läßt. Wir wissen aus Untersuchungen, daß die in den inneren Bezirken Wiens, besonders in jenen Bezirken, die innerhalb des Gürtels gelegen sind, aber vor allem im ersten Bezirk wohnenden Wiener und Wienerinnen viel weniger Angst vor Kriminalität haben als Menschen, die in den äußeren Bezirken wohnen, obwohl in den inneren Bezirken Wiens viel mehr strafbare Handlungen angezeigt werden. Die Realität und das subjektive Gefühl stimmen da nicht überein.


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Darum, meine sehr geehrten Damen und Herren, ziehe ich – nicht nur ich persönlich, sondern auch die Wissenschafter – den Schluß – das kann man auch allen Statistiken entnehmen –, daß Kriminalität auch etwas mit Armut zu tun hat – Kriminalität jetzt nicht nur im Sinne von strafbaren Handlungen, sondern auch das Gefühl der Angst vor Kriminalität – und daß gemäß den Statistiken – und auch das zeigt der Sicherheitsbericht von 1994 – der Anteil der Verurteilten in den untersten sozialen Schichten verhältnismäßig am größten ist, jedenfalls unverhältnismäßig höher ist. Darum sind diese objektiven und subjektiven Faktoren so wesentlich.

Ich habe schon, ich glaube, in jeder Sicherheitsdebatte gesagt – und sage es wieder, weil es stimmt –, daß eine absolute Befriedigung des Sicherheitsbedürfnisses nicht möglich ist, daß wir aber danach trachten sollten – da bin ich im Geiste ganz mit Toni Gaál –, Ängste dort zu bekämpfen, wo sie wirklich real sind, nämlich dort, wo die Leute durch das Sparpaket I, das Sparpaket II, durch Hetze von der F, zum Teil auch durch andere Parteien, die sich auf diesen Karren setzen, verunsichert sind. Diese Ängste sind es, die uns vor allem am Herzen liegen und die zu bekämpfen sind. Da muß angesetzt werden!

Ich bin auch von meinem subjektiven Gefühl her überzeugt davon, daß die Präsenz von Uniformierten auf der Straße etwas Wichtiges und Notwendiges ist, aber es ist allemal noch wichtiger, daß die Leute wissen, daß sie einen Job haben, daß die Leute wissen, daß ihre Pensionen gesichert sind, daß es soziale Auffangnetze gibt, denn erst das Fehlen dieser Faktoren läßt das Unsicherheitsgefühl aufkommen, das dann auch eine irreale, aber subjektive, von uns ernstzunehmende Angst auslöst. Erst das sind die wahren Ursachen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuletzt komme ich zu etwas, was mich vor zwei Tagen, als ich die "Zeit im Bild" gesehen habe, maßlos aufgeregt hat: Erstens hat mich aufgeregt, daß der ORF so etwas macht, und zweitens hat mich aufgeregt, was ich jetzt in den Zeitungen darüber lese: Diese Zeugin – Kollege Anschober hat es bereits erwähnt – in diesem Kokainskandal im Sicherheitsbüro, die aufgetaucht ist, eine V-Frau...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Frau Abgeordnete, den Schlußsatz bitte!

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Diese Zeugin wurde von einem sehr bekannten Anwalt, nämlich von Dr. Rudolf Mayer, im ORF – das hat der ORF zugelassen – mehrfach mit ihrem vollen Namen genannt. Ich halte das wirklich für eine allen Prinzipien des Zeugenschutzes widersprechende, eine vor allem... (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Bitte, den Schlußsatz, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): ... jeder anwaltlichen Verantwortung widersprechende Vorgangsweise, und ich bitte den Herrn Innenminister und den Herrn Justizminister, tätig zu werden, damit diese Frau, die so mutig auf Mißstände hingewiesen hat, jetzt nicht persönlichen Schaden erleidet. Das ist – der Herr Minister nickt – jetzt Ihre Sache, Herr Bundesminister, dafür zu sorgen, daß sie nicht abgeschoben ... (Abg. Kiss: Sie redet schon eine Minute drüber!)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Entschuldigen Sie, aber der Satz ist jetzt schon etwas sehr lange. Ich nehme an, das sind alles Beistriche, aber vielleicht haben Sie jetzt den Punkt im Auge. – Bitte!

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): ... daß diese möglicherweise eintretenden Schäden durch Sicherheitsbehörden nicht eintreten und daß vor allem am Zeugenschutz ... (Abg. Kiss: Vielleicht geht es noch ein paar Minuten! – Weitere Zwischenrufe.)

14.07

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Frau Abgeordnete, ich nehme an, daß das jetzt ein Punkt war. Ihre Redezeit ist beendet! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ für die das Rednerpult verlassende Abg. Mag. Stoisits. – Abg. Haigermoser: Haben Sie sich schon einmal in einem Video eine Rede von Ihnen angesehen?)


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Zu Wort gemeldet ist nun der Herr Bundesminister für Justiz. – Bitte, Herr Bundesminister.

14.07

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mit der Feststellung beginnen, daß wir auch aus meiner Sicht als Justizminister in einem Land leben, in dem die Bemühungen um Risikobeschränkung und Risikobegrenzung in den für die objektive Sicherheit, aber auch für das subjektive Sicherheitsgefühl relevanten Bereichen nicht ohne Erfolg geblieben sind und in dem ein im internationalen Vergleich beachtliches Maß an Lebensqualität gegeben und auch gesichert erscheint.

Was den Bereich der inneren Sicherheit anlangt, möchte ich einmal mehr betonen, daß sich die Bemühungen um Risikoverminderung nicht auf die Arbeit der Sicherheits- und Justizbehörden beschränken dürfen, sondern einer Gesamtstrategie folgen müssen, einer Gesamtstrategie, die Maßnahmen in allen gesellschaftlichen Bereichen vorsieht, denn Mängel und Versagen im Bereich sicherheitsrelevanter Vorbeugung und Vorsorge können häufig nachträglich nicht mehr kompensiert werden.

Meine Damen und Herren! Definition hin – Statistik her: Es besteht wohl kein Zweifel daran, daß eines der Phänomene, die die rechtlich geordnete Gesellschaft und ihr Sicherheitsgefühl zunehmend und ernsthaft beeinträchtigen, die organisierte Kriminalität ist – und da im Hinblick auf die weltweit gestiegene Mobilität und die Intensität aller Formen der Kommunikation im besonderen die grenzüberschreitende international organisierte Kriminalität.

Sicher ist es für die weithin auf den klar definierten, sozusagen klassischen Rechtsbruch abgestellte Strafrechtsordnung nicht einfach, sich auf diese geänderte Situation einzustellen und die damit verbundenen Herausforderungen zu bewältigen. Dennoch können wir darauf hinweisen, daß einige wichtige Schritte des Gesetzgebers auf diesem Weg bereits gegangen wurden, andere in Vorbereitung sind.

Schon seit 1993 sind die Geldwäscherei und die kriminelle Organisation eigenständige Straftatbestände, und es schließt das prozessuale Zeugenschutzprogramm die Möglichkeit des Anonymbleibens von Zeugen – und die kontradiktorischen Vernehmung in einem abgesonderten Raum – ein.

Im Mittelpunkt der dem Hohen Haus vorliegenden Regierungsvorlage eines Strafrechtsänderungsgesetzes steht die Abschöpfung krimineller Gewinne, die auf die schwere und organisierte Kriminalität abstellt, um deren Finanzierungsbasis anzugreifen.

Gleichfalls zur Beratung und rechtspolitischen Entscheidung steht die Regierungsvorlage über die besonderen Ermittlungsmaßnahmen zur Bekämpfung organisierter Kriminalität. Sie wissen, daß ich von Anfang an darauf aufmerksam gemacht habe, daß es sich bei der Regelung neuer, technischer Ermittlungsmethoden, insbesondere auch zur akustischen und optischen Überwachung nichtöffentlichen Verhaltens vom Menschen, um eine Gratwanderung des Rechtsstaates handelt. In dieser grundsätzlichen Einschätzung und in dem Bemühen um eine ausgewogene Balance zwischen einer Verbesserung des kriminalpolizeilichen Ermittlungsinstrumentariums auf der einen Seite und Eingriffen in die Privatsphäre des einzelnen und dessen Persönlichkeitsrechte auf der anderen Seite fühle ich mich durch die öffentliche Diskussion in den letzten Wochen bestätigt.

Das Justizressort hat sich bei der Ausarbeitung dieses Entwurfes auch an der Rechtsentwicklung der Nachbarstaaten, insbesondere der Europäischen Union, orientiert – dies in der Überlegung, daß alles getan werden muß, um zu verhindern, daß Österreich in unzuträglichem Maße ein Ruheraum, ein Ort der Planung illegaler Aktivitäten und ein Finanzplatz des organisierten Verbrechens wird.

Wir haben aber zugleich auch darauf geachtet, daß die Eingriffe in grundrechtlich geschützte Bereiche auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt und die Grundsätze unseres Strafverfahrens gewahrt bleiben sollen. Das ist schon deshalb wichtig, weil das Vertrauen der Bürger


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in die staatlichen Institutionen eines der wichtigsten Fundamente jeder Form der Verbrechensbekämpfung darstellt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Die Bemühungen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität dürfen uns aber nicht dazu verleiten, die Instrumentarien zur Bekämpfung der Alltagskriminalität zu vernachlässigen, die in ihren unmittelbar spürbaren Auswirkungen den einzelnen öfter und noch konkreter betreffen. Diese Instrumentarien sollen daher in einer zeitgemäßen Weise verbessert und erweitert werden. Dazu gehört der Ausbau der schon seit einem Jahrzehnt erfolgreichen und international anerkannten Einrichtung des "außergerichtlichen Tatausgleiches" ebenso wie die vor der Fertigstellung befindliche Neuregelung eines Konzepts der Diversion, also einer vereinfachten und zugleich besser auf den Einzelfall zugeschnittenen Erledigung minder schwerer Verstöße weniger gefährlicher Straftäter. Dabei wird der Schadenswiedergutmachung und den anderen Interessen der Opfer besonderes Augenmerk geschenkt werden.

Im Drogenbereich, der heute auch mehrfach angesprochen wurde, liegen dem Nationalrat nicht nur die zu ratifizierenden einschlägigen Konventionen der UNO und des Europarates, sondern auch die Regierungsvorlage eines Suchtmittelgesetzes vor. Sie erweitert zwar durch Einbeziehung der sogenannten psychotropen Substanzen und der Vorläuferstoffe das Kriminalisierungspotential, ist demgegenüber aber bestrebt, den bewährten flexiblen Umgang mit suchtmittelabhängigen Tätern in moderater und systemimmanenter Weise weiterzuentwickeln. Ich möchte wirklich eindringlich daran appellieren, daß die einzig sinnvolle und bewährte Reaktion, das Modell "Therapie statt Strafe" nicht an der Frage der Finanzierung scheitern darf.

Schließlich, meine Damen und Herren, sind wir davon überzeugt, daß dem zunehmend grenzüberschreitenden Charakter vieler Formen der Kriminalität eine entschlossene Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit der Justiz- und Sicherheitsbehörden gegenübergestellt werden muß. Deshalb bemühen wir uns um einen Ausbau der internationalen Kooperation auf allen Ebenen, vor allem im Rahmen der Dritten Säule der Europäischen Union.

Noch ein Wort zu den heute mehrfach angesprochenen Ausländern im Bereiche der Kriminalität. Wir leiden darunter, daß die vorliegenden Statistiken diesen Begriff nicht differenzieren nach jenen Ausländern, die sich dauernd in Österreich aufhalten, und solchen, die nur vorübergehend in Österreich sind, und das sind – wenn Sie daran denken, daß Österreich ein Tourismusland mit jährlich etwa 200 Millionen Grenzübertritten und 100 Millionen Ausländerübernachtungen ist – nicht wenige.

Dennoch muß man darauf hinweisen, daß sich der Ausländeranteil unter den Tatverdächtigen mit dem Ausländeranteil unter den rechtskräftig Verurteilten und dem Ausländeranteil unter den Häftlingen ungefähr die Waage hält. Tatsache ist, daß die Zahl ausländischer Häftlinge im Laufe der letzten Jahre stark zurückgegangen, ebenso ist es aber auch eine Tatsache, daß der Ausländeranteil unter den Untersuchungshäftlingen sehr hoch ist, was aber weniger auf die Struktur der ihnen zur Last gelegten Kriminalfälle zurückzuführen ist, sondern eben auf die heute schon erwähnte Situation, daß sie mangels Nachweises eines inländischen Wohnsitzes eher als fluchtgefährlich angenommen werden.

Angesprochen wurde auch die Frage des Ost-West-Gefälles. Es ist einmal ein Verdienst der hier erwähnten Studien, daß dieses Phänomen klar herausgearbeitet wurde, weil ich glaube, daß gerade die Bewußtseinsbildung, die sich aus der Auseinandersetzung mit diesem Phänomen ergibt, notwendig ist, um eine Vereinheitlichung herbeizuführen. Sicher hat auch die Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof im Untersuchungshaftbereich eine Vereinheitlichung gebracht.

Die Koordinierungsfunktion des Justizministeriums gegenüber den staatsanwaltschaftlichen Behörden findet statt, auch wenn das manchmal als Ausübung des Weisungsrechtes angesehen wird. Insgesamt kann nur eine Intensivierung im Aus- und Fortbildungsbereich größere Problemtransparenz, Bewußtseinsbildung und Praxisänderung herbeiführen.

Ich möchte, meine Damen und Herren, damit schließen, daß ich einmal mehr versichere, daß die Justiz ihren Beitrag zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit in diesem Lande so wie in


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der Vergangenheit auch in der Zukunft leisten wird – im Sinne unserer rechtsstaatlichen Traditionen und zum Schutze der Bürger dieses Landes. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.19

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Murauer. – Bitte.

14.19

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Herren Minister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Der Sicherheitsbericht 1994 kann sich meines Erachtens zu Recht "Sicherheitsbericht" nennen. Er spricht wohl von einigen nicht zu übersehenden Unsicherheiten und weist eine Reihe von besorgniserregenden Kriminalstatistiken auf, ich meine aber, daß er grundsätzlich nicht als "Unsicherheitsbericht" zu bezeichnen ist, wie dies mancher Oppositionsredner heute getan hat, sondern daß wir auch angesichts dieses Sicherheitsberichtes von einem sicheren Land Österreich, in dem eben die Menschen weitgehend in Sicherheit leben, reden können. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wenn Sie, Frau Kollegin Stoisits, meinen, daß die Abgeordneten der Österreichischen Volkspartei jene sind, die den Alkoholikern unter den Autofahrern das Wort reden, so ist das schon eine Zumutung. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß Ihr pauschaler Vorwurf an uns nicht unwidersprochen bleiben darf, daß wir die Vertreter jener seien, die in alkoholisiertem Zustand Auto fahren. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie haben wahrscheinlich mit Absicht nicht erwähnt, daß es um die Kontrolle geht, daß wir die 0,8 Promillegrenze zu kontrollieren haben, strengste Kontrollen machen müssen und daß die schweren Unfälle, die leider Gottes zu verzeichnen sind, nicht von Autofahrern verursacht werden, die einen Alkoholgehalt im Blut von 0,5 Promille oder 0,8 Promille haben, sondern zwischen 1,5 und 2,5, ja bis zu 3,2 und mehr Promille. Das ist die Realität. Eine Gefahr stellt nicht jener dar, der mit einigen Zehntel Promille im Blut, etwa zwischen 0,1 oder 0,8 Promille, ein Auto lenkt. Wir können nicht zulassen, daß Sie all jene kriminalisieren, deren Alkoholgehalt im Blut unter dieser Promillegrenze liegt. Die Österreichische Volkspartei tritt sicher nicht für den alkoholisierten Kfz-Lenker oder Autofahrer ein. (Beifall bei der ÖVP. )

Meine Damen und Herren! Kollege Barmüller hat sich in seiner Rede darauf bezogen, daß die organisierte Kriminalität im Sicherheitsbericht nicht zu entdecken ist. Herr Kollege Barmüller hat sich – es ist nur mehr ein Liberaler im Saal anwesend – sicherheitspolitisch abgemeldet. Die organisierte Kriminalität gibt es sehr wohl. In Ihren Ausführungen weisen Sie auf der einen Seite darauf hin, daß Sie im Sicherheitsbericht keinen Hinweis auf organisierte Kriminalität finden, auf der anderen Seite zitieren Sie jedoch die EDOK, die sich erfolgreich mit der organisierten Kriminalität beschäftigt.

Nun darf ich Ihnen schon sagen, daß unser Staat in zunehmendem Maße mit Verbrechen organisierter Gruppierungen konfrontiert wird und daß gerade seit der Öffnung der Ostgrenzen diese organisierte Kriminalität, begleitet von größter Brutalität, einen immer größeren Stellenwert einnimmt. Es ist die Aufgabe unserer Sicherheitspolitik, sich mit klaren gesetzlichen und technischen Maßnahmen dieser sich immer mehr entwickelnden Kriminalität entgegenzustellen.

Die geopolitische Situation Österreichs und unsere Ostnähe machen uns zu einer Drehscheibe internationaler Verbrecherorganisationen und internationaler Syndikate. Wir können unsere Augen nicht davor verschließen, wenn wir darauf hingewiesen werden, daß wir mit Schlepperkriminalität in einem Ausmaß konfrontiert sind, das uns alle zum Nachdenken bringen muß. Alle Volksgruppen, Religionen, Nationalitäten sind davon betroffen und im besonderen die Bundesländer Burgenland, Salzburg, leider Gottes auch mein Heimatbundesland Oberösterreich. Die Schlepperei ist zu einer der lukrativsten Kriminalitätsformen geworden, mit ihnen der Menschenhandel und die Prostitution.

Herr Kollege Barmüller! Ich verstehe nicht, daß Sie das alles nicht sehen wollen. Sie sehen auch jene Probleme der internationalen und organisierten Kriminalität nicht, wenn man davon spricht, daß wir uns mit rumänischen Einbrecherbanden, ungarischen Serieneinbrechern, inter


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nationalen Drogenkurieren und Waffenhandel auseinanderzusetzen haben und daß die Instabilität der GUS-Staaten uns besondere Probleme bereitet.

Es ist unsere Aufgabe, dieser organisierten Kriminalität mit größter Härte und Konsequenz und mit allen in der Demokratie möglichen Mitteln entgegenzutreten. Wir können uns nur dafür aussprechen, neue Instrumente gegen diese Schwerstverbrechen einzusetzen. Wir brauchen diese Instrumentarien und müssen daher auch hier im Nationalrat dafür Vorsorge treffen. Wir brauchen die modernen Abhörmethoden, die Kronzeugenregelung und die verdeckte Ermittlung. Das ist im Sinne unserer Sicherheit, im Sinne aller Österreicher. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einige Gedanken zur Jugendkriminalität, die mir größere Sorge bereitet, darlegen. Im Gegensatz zu allen anderen Altersgruppen ist bei der Altersgruppe der zwischen 14- und 19jährigen eine steigende Kriminalitätsrate zur Kenntnis zu nehmen; sie stieg von 13,6 auf 14,5 Prozent. In diesem Falle ist der Prozentsatz aussagekräftig und nicht die absoluten Zahlen. Wir müssen leider zur Kenntnis nehmen, daß es ein Plus von 8,8 Prozent im Bereich der Gesamtkriminalität der Jugendlichen gibt, daß ein Plus von 15,8 Prozent bei den Verbrechen und 7,5 Prozent bei den Vergehen zu verzeichnen ist, was wir mit Sorge beobachten müssen.

Ich glaube, es war auch Kollege Barmüller, der sich für eine Liberalisierung des Suchtgiftgesetzes ausgesprochen hat. Die Liberalen sind grundsätzlich dieser Auffassung, ich weiß das schon. – 1994 betrug der Anteil jener, die unter 18 Jahren mit dem Suchtgiftgesetz in Konflikt gekommen sind, 7,4 Prozent und der Anteil der Altersgruppen zwischen 18 und 20 Jahren 13,6 Prozent. (Zwischenruf des Abg. Hans Helmut Moser .) Ich wiederhole das deswegen, Kollege Moser, weil ich eine Gefahr in einer Liberalisierung sehe und betone, daß wir von der Österreichischen Volkspartei auf keinen Fall für eine Liberalisierung bei Drogen eintreten werden! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Bundesminister für Justiz! Im Jugendbereich hat sich der "außergerichtliche Tatausgleich" wirklich bewährt und als ausgezeichnet erwiesen, nämlich jener Tatausgleich, wo der Täter dem Opfer gegenübergestellt wird, in dessen Rahmen eine Wiedergutmachung vorgesehen ist, das wurde heute schon erwähnt. Ich möchte das deswegen wiederholen, weil es mir so wichtig zu sein scheint, daß dieser Tatausgleich für Jugendliche beibehalten, aber auch auf Erwachsene ausgeweitet und in allen Landesgerichtssprengeln entsprechend fixiert wird.

Meine Damen und Herren! Eine funktionierende Familie stellt auch eine Präventivmaßnahme gegen Jugendkriminalität dar. Die Österreichische Volkspartei setzt auch auf diese Prävention, nämlich auf funktionierende Familien, damit wir der Jugendkriminalität entgegenwirken können. Wir können nicht genug tun, um die Familien zu unterstützen, zu fördern und ihre gesellschaftliche Stellung zu verbessern – dies auch im Sinne der Sicherheit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.28

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.28

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst noch ein Wort zu den Ausführungen einer meiner Vorrednerinnen, nämlich der Frau Abgeordneten Stoisits. Es ist von den Grünen momentan niemand im Saal anwesend. (Abg. Hans Helmut Moser: Kein Interesse!) Das glaube ich auch. Es ist überhaupt wachsendes Desinteresse bei dieser Fraktion feststellbar. Aber trotzdem bedient sich diese Fraktion einer Sprache, die ungeheuerlich ist, meine Damen und Herren.

Frau Abgeordnete Stoisits hat heute hier von diesem Rednerpult aus unseren Kollegen Ofner beschuldigt, er betreibe rassistische Hetze, und zwar nur deshalb, weil er auf die exorbitant hohen Zahlen von ausländischen U-Häftlingen hingewiesen hat. "Rassistische Hetze", meine Damen und Herren. – Es hat keinen Ordnungsruf dafür hier gegeben, aber Gott sei Dank gibt es


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ein Gerichtsurteil über eine derartige Aussage. Frau Abgeordnete Stoisits ist immun, hier kann sie diese Beschimpfungen machen.

Aber, meine Damen und Herren, diese Ausdrücke kommen uns ja bekannt vor. Herr Innenminister! "Rassistische Hetze" – unter diesem Motto stand ein Aufruf im sattsam bekannten "TATblatt". Das "TATblatt" hat seine Leser aufgerufen, gegen die rassistische Hetze der Freiheitlichen aufzutreten, und zwar unter Nennung der Adresse, des Namens und der Telefonnummer unseres Parteiobmannes, und es wurden die Leser aufgefordert, kleine "Präsente" zu schicken, meine Damen und Herren. – Rassistische Hetze – verschickt Präsente an Mitglieder der Freiheitlichen!, hieß es dort.

Abgeordnete Stoisits bedient sich jetzt desselben Vokabulars wie das linksextreme "TATblatt", verurteilt durch das Oberlandesgericht Wien!

Das ist wohl wieder eindeutig: Die Grünen, die hier immer für Demokratie, für Menschlichkeit auftreten, sind immer wieder in einem Boot mit Linksextremen zu finden, sie bedienen sich auch desselben Vokabulars. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Mehr sollte man eigentlich zu der jetzt ohnehin abwesenden Fraktion gar nicht mehr sagen.

Viel lustiger und interessanter war wieder einmal die Vorstellung meines Kollegen Paul Kiss. Ich glaube, er hat schon darauf gewartet, daß man auch auf seine Ausführungen kurz eingeht. Es war wirklich wieder interessant, wie du, Kollege Kiss, den Innenminister gegen die angeblich so bösen Anwürfe der Freiheitlichen und deren Beschuldigungen wieder in Schutz genommen hast. Man müsse sich doch mit der Person des Innenministers ordentlich auseinandersetzen. Er habe auch positive Initiativen und Ergebnisse vorzuweisen.

Lieber Pauli Kiss! Ich weiß schon, es gibt im Burgenland das Leithagebirge und den einen oder anderen Hügel, aber es ist fraglich, wo du so gut Slalom laufen gelernt hast. Einen derartigen Polit-Slalom, wie du ihn hier immer wieder aufführst, kannst du in deinem Bundesland nicht gelernt haben!

Lieber Pauli Kiss! Du warst der, der vor wenigen Monaten – es war allerdings vor den Nationalratswahlen – diesen Minister des Amtsmißbrauches verdächtigt und gesagt hat, er gehöre abberufen, man müsse deswegen Strafanzeige erstatten. – Du aber stehst heute hier – das letztemal schon hast du händeringend um Vertrauen für diesen Minister gebeten – und machst ihm die Mauer gegenüber der Kritik der Freiheitlichen. Das ist wirklich unglaublich! Ich hoffe, daß dir morgen wieder eine entsprechende Karikatur in einer Wiener Tageszeitung gewidmet sein wird, denn als politische Karikatur bist du schon Weltmeister, auch hier im Hohen Haus. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ansonsten verlief diese Debatte über den Sicherheitsbericht ähnlich wie jene der letzten Jahre. Seitens der Regierung ist immer auf Positives hingewiesen und gesagt worden, es sei alles besser geworden, die Kriminalität sei gesunken und im Vergleich zum Ausland stehe Österreich wesentlich besser da.

Meine Damen und Herren! Gott sei Dank ist es so, daß Österreich ein sicheres Land und Wien eine relativ sichere Stadt im Vergleich zum Ausland ist. Das liegt aber nicht an der Politik der sozialistischen Innenminister, sondern wohl eher daran, daß die Österreicher nach wie vor ein rechtschaffenes Volk sind und dafür sorgen, daß solche Zustände nicht so leicht einreißen, wie es eben anderswo der Fall ist. Aber, meine Damen und Herren, wir sollten doch diesbezüglich keinen Vergleich zu anderen Staaten ziehen, sondern den Vergleich zu früheren Jahren und die Entwicklung beobachten.

Es war doch so, daß wir 1992 mit über 502 000 Delikten die höchste Kriminalitätsrate in den letzten Jahrzehnten hatten. Damals hat man von großer Zuwanderung und der schwierigen Situation gesprochen. 1993 hat es einen Rückgang gegeben, geringfügig, aber doch. Damals ist auch von Ihrer Seite das alles hochgejubelt und gesagt worden, jetzt zeigen endlich die Maßnahmen der Regierung Erfolge, es werde einen weiteren Rückgang der Kriminalität geben, meinten Sie.


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Interessanterweise hat es damals schon eine Vorausmeldung über den Sicherheitsbericht 1994 gegeben – zugegebenermaßen, Herr Minister, noch von Ihrem Vorgänger, wobei auch für 1994 eine Reduzierung der Kriminalitätsrate in Österreich angekündigt wurde. Da heißt es: Die Zahl der Verbrechen ist 1994 um 5 Prozent zurückgegangen, in Wien sei die Zahl der strafbaren Handlungen im Vergleich zu 1993 deutlich gesunken.

Meine Damen und Herren! Wenn wir uns aber den Sicherheitsbericht 1994 ansehen, merken wir, daß nichts dergleichen zu erkennen ist. Es gibt zwar in einzelnen Deliktsgruppen einen Rückgang, das ist richtig, aber insgesamt haben wir den Negativrekord aus dem Jahr 1992 noch überschritten, und es wurde die Zahl von 504 000 strafbaren Handlungen erreicht.

Kollege Elmecker hat hier einige Positivbeispiele herausgegriffen. Negativbeispiele gibt es aber auch in großem Maße: Schwere Sachbeschädigung: plus 21 Prozent, gewerbsmäßiger Diebstahl: plus 25 Prozent, Betrug: plus 43 Prozent, Suchtgift – eine besonders kritische Situation –: plus 30 Prozent. Also bei all diesen Dingen sollte man doch nicht so tun, als sei alles in Ordnung. Wir müssen einmal zur Kenntnis nehmen, daß 1994 die höchste Kriminalitätsrate, die höchste Anzahl von Delikten in der Zweiten Republik zu verzeichnen ist.

Es gibt also keinen Anlaß für Schönfärberei, sondern wir sollten eher jetzt diskutieren, wie wir in Zukunft ein weiteres Ansteigen der Kriminalität verhindern könnten. Das wäre die Aufgabe auch Ihres Ressorts, Herr Innenminister, und auch Aufgabe in den entsprechenden Debatten hier im Hohen Haus.

Meine Damen und Herren! Es gilt zum Beispiel auch, die Jugendkriminalität, die 1994 gestiegen ist, besonders zu bewerten. Gerade bei den Jugendlichen haben wir eine Steigerung von etwa 8 Prozent, bei Verbrechen sogar von 16 Prozent. Herr Innenminister! Es wäre interessant, zu erfahren, was Sie – vielleicht auch mit anderen Ressortministern – planen, um der Jugend eine Möglichkeit zu geben, aus Krisensituationen, gerade etwa im Suchtgiftmilieu, herauszukommen.

Wir haben jetzt wieder einmal eine Dokumentation gesehen – vielleicht auch für Sie interessant, Herr Justizminister –, in der gezeigt wurde, wie hoch die Rückfallsquote von inhaftierten Jugendlichen etwa in der Strafanstalt Gerasdorf ist. Warum ist denn der Strafvollzug nach wie vor für so viele junge Menschen eine Einbahnstraße? Es wäre auch einmal interessant, das zu diskutieren.

Meine Damen und Herren! Was die Ausländerkriminalität anlangt, hat Kollege Elmecker darauf hingewiesen, daß bei den Gastarbeitern die Quote nicht viel höher ist als bei den Österreichern. Aber es wurden nur 118 000 Personen als Gastarbeiter in diesem Sicherheitsbericht ausgewiesen. Das bestätigt doch die Linie der Freiheitlichen: Wir wissen, daß sich die Gastarbeiter im großen und ganzen rechtschaffen verhalten, daß es aber gerade bei den Illegalen und neu Zugewanderten Probleme und eine hohe Kriminalitätsrate gibt, die wir in erster Linie bewältigen und lösen müßten. Auch dafür fehlen Reformansätze von Ihnen. Sie beschönigen alles, und Sie kritisieren die freiheitliche Opposition, die all diese Problembereiche aufzeigen möchte.

Herr Innenminister! Ich lade Sie ein: Gehen Sie einmal in die Problembezirke Wiens! Schauen Sie sich einmal die Situation an, und reden Sie auch mit den Leuten! Es ist doch kein Zufall, daß es etwa im 15. Bezirk vor 30 Jahren eine Bevölkerungszahl von 100 000 gab und einen Ausländeranteil von 1 Prozent. Heute gibt es dort nicht einmal mehr 70 000 Einwohner, aber einen Ausländeranteil von über 40 Prozent. Was da an Bevölkerungsentwicklung passiert ist, auch an Wanderungsbewegungen innerhalb Österreichs, wo die Österreicher wegwandern, das können Sie doch nicht alles negieren! Das hat auch mit der problematischen Kriminalitätsentwicklung und mit der ungebremsten Zuwanderung der letzten Jahre zu tun.

Sie, Herr Bundesminister Einem, wollen jetzt Reformen Ihres Vorgängers Löschnak revidieren, Reformen, die in Ansätzen gegriffen haben. Aber ich sage Ihnen, Herr Innenminister, daß Sie mit unserem schärfsten Widerstand rechnen müssen. Wir machen Politik für unsere Bevölkerung, für die rechtschaffenen Leute in diesem Land – und nicht für Linksextreme und andere Verbrecherorganisationen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.39


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Leikam. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.39

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Scheibner! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) "Lieb" ist vielleicht nicht ganz angebracht, also: Kollege Scheibner! (Abg. Aumayr: Du kannst ruhig auch "lieb" sagen!) Okay, lieber Kollege Scheibner! Ich glaube, daß die Sicherheitspolitik nicht dazu geeignet ist, hier polemisch betrachtet zu werden. (Zwischenruf des Abg. Scheibner. ) Ich glaube, daß die Fakten entscheidend sein sollten, und die Fakten stehen im Sicherheitsbericht 1994. (Abg. Scheibner: Höchste Kriminalitätsrate!) Da kann man noch so viel deuten, herumblättern und verändern wollen, Tatsache ist, daß dieser Sicherheitsbericht dem Bundesminister, der Exekutive und der Justiz ein sehr gutes Zeugnis ausstellt. Darüber kann wohl niemand hinweggehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Überhaupt ist die heutige Debatte zum Sicherheitsbericht eigentlich eine sehr angenehme. Ich kann mich an andere Debatten erinnern, in denen der Sicherheitsbericht von der freiheitlichen Seite ganz anders diskutiert wurde. Es mag sein, daß deswegen, weil die Sicherheitssprecherin heute nicht da ist, vielleicht auch der Ton etwas moderater ausfällt, als das sonst der Fall ist. Aber ich glaube, daß gerade die Fakten und nicht die Polemiken in den Mittelpunkt der Sicherheitspolitik zu stellen sind. (Rufe und Gegenrufe zwischen Freiheitlichen und der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! "Das Vertrauen der Bürger in die Justiz, die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit und der Schutz vor Verbrechen sind die wichtigen Grundlagen des demokratischen Rechtsstaates!" – So steht es in der Einleitung zum Sicherheitsbericht 1994. Ich glaube, daß gerade diese Grundgedanken, diese Grundwerte in der Sicherheitspolitik durch eine Reihe von Maßnahmen, wie sie in den letzten Jahren im Bereich der Exekutive gesetzt wurden, auch dazu beitragen, daß die Kriminalitätsentwicklung in Österreich rückläufig ist – das ist nun einmal Tatsache – und daß die Aufklärungsquote in Österreich nicht erst zum Zeitpunkt des Sicherheitsberichtes 1994 gestiegen ist, sondern bereits kontinuierlich vom Jahre 1991 beginnend bis zum Jahre 1994 – auch 1995 wird es wieder so sein – ständig gestiegen ist. Dafür, so glaube ich, muß der Exekutive, muß unserer Justiz Dank und Anerkennung gezollt werden, aber auch jenen, die die Rahmenbedingungen für diese Sicherheitspolitik geschaffen haben.

Wenn das Jahr 1992 erwähnt worden ist, dann darf nicht übersehen werden, daß mit der Öffnung der Grenzen im Osten natürlich eine neue Situation in unserem Lande entstanden ist, die die Exekutive in besonderem Maße gefordert hat. Die Entwicklung durch die Grenzöffnung war auch die Ursache dafür, daß es zu einer Reihe von Reformmaßnahmen gekommen ist, wie etwa zur Zusammenlegung von Gendarmerieposten. Darüber wurde sehr viel diskutiert, es hat auch Proteste der Bürger gegeben, die gemeint haben, daß die Sicherheit gerade in diesen Orten dann nicht mehr gegeben sei. Genau das Gegenteil ist eingetreten, weil die Exekutive bei der Zusammenlegung von Kleinstposten viel besser agieren kann als bei einer Dienststelle, bei der ein, zwei oder drei Mann eingeteilt waren.

Es gibt die Sektorenstreifen. Dadurch ist gewährleistet, daß die Prävention, die immer wieder gefordert wurde, viel besser funktioniert. Wesentlich mehr Gendarmen und Polizisten sind unterwegs, sind auf der Straße, Fußpatrouillen sind zusätzlich eingesetzt worden und geben dadurch auch der Bevölkerung zumindest ein subjektives verstärktes Sicherheitsgefühl.

Die Bezirksleitzentralen wurden neu eingerichtet. Es ist heute direkt vom Bezirk aus möglich, all diese Sektorenstreifen einzuteilen, und das funktioniert besser, als das früher der Fall war, als die Posten nicht immer rund um die Uhr besetzt waren und daher der Hilfesuchende, der Ratsuchende oft große Probleme hatte, einen Gendarmeriebeamten zu erreichen.

Es war das aber auch aufgrund der zusätzlichen "Sicherheitsmilliarde", die Minister Löschnak damals gefordert und vom Finanzminister auch erhalten hat, möglich. Es ist mit dieser "Sicherheitsmilliarde" der Ausrüstungsstand unserer Exekutive gewaltig verbessert worden. Es ist der


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Personalstand ständig gestiegen, und es wurde auch eine Reihe von Sondereinheiten geschaffen, die zur Bekämpfung der Kriminalität gut zusammenarbeiten und auch Erfolge erzielen.

Die Mitglieder des Innenausschusses hatten erst vor wenigen Tagen Gelegenheit, die Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung, die WEGA, zu besuchen. Wir konnten uns über den hohen Stand ihrer Ausbildung informieren. Die Sprecher aller Fraktionen haben der Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung und ihren Beamten für ihren Einsatz, für ihre Mühe und ihre nicht ungefährliche Arbeit gedankt, und ich möchte das auch tun. Es sei noch erwähnt, daß GEK in Wiener Neustadt, unsere Sondereinsatzgruppe der Gendarmerie, ebenfalls hervorragend arbeitet und auch zur Sicherheit unserer Bevölkerung ständig zur Verfügung steht.

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch einige Bemerkungen zum Grenzdienst. Schengen verlangt von uns, von Österreich, daß wir bis Mitte 1997 die EU-Außengrenzen nach Schengener Standard ausgestattet haben. Ich hatte vor einigen Tagen die Gelegenheit, alle Kärntner Grenzdienststellen zu besuchen, und habe mich dort davon überzeugt, inwieweit die Ausrüstung, die Zahl der diensthabenden Beamten, die Unterkünfte gegeben sind und inwieweit es so, wie es eingerichtet ist, schon dem Schengener Standard entspricht.

Meine Damen und Herren! Ich muß zugeben, ich habe noch nie derart hochmotivierte Beamte vorgefunden wie an all diesen Kärntner Grenzdienststellen, und zwar in allen Bereichen. Ob es die Gendarmeriebeamten mit der Vollausbildung sind, ob es die jungen Kolleginnen und Kollegen sind, die als Vertragsbedienstete entsprechend der sechsmonatigen Ausbildung ihren Dienst versehen, oder ob es die Beamten sind, die von der Zollwache zur Gendarmerie optiert sind: Alle sind hochmotiviert und bewältigen ihre Aufgabe ganz hervorragend. Sie sind auch in guten Unterkünften untergebracht und mit modernsten Geräten ausgestattet. Es hat nicht einen einzigen Beamten gegeben, der Klage geführt hätte, daß es ihm an irgend etwas an den Grenzen fehlt.

Ich bin daher sehr zuversichtlich, daß der Schengener Standard von Österreich bis Mitte des Jahres 1997 erreicht werden kann. Ich schließe in diese Grenzdienste natürlich auch das österreichische Bundesheer mit ein. (Abg. Scheibner: Und der Minister?) – Das gilt auch für den Innenminister. Ich schließe also das Bundesheer auch mit ein, weil dieses mit der Assistenzleistung im Osten unseres Landes eine wichtige Aufgabe zu erfüllen hat, weil wir derzeit keinen ausreichenden Personalstand haben, um den Bedarf mit Grenzgendarmen abdecken zu können.

Daher hat eben auch diese Bundesregierung beschlossen, zumindest noch bis zum Ende dieser Legislaturperiode das Bundesheer zum Assistenzeinsatz an der Grenze zu lassen. Bundesheer und Grenzdienst geben unserer Bevölkerung ein gutes Sicherheitsgefühl, und ich bin sicher, daß bis Mitte nächsten Jahres der Schengener Standard erreicht werden kann. (Beifall bei der SPÖ.)

14.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.47

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist schon das eine und andere ausgeführt worden. Ich möchte mich mit den sicher nicht unwichtigen, technischen Details, die meine Vorredner schon diskutiert haben, nicht weniger auseinandersetzen und auf ein paar grundsätzliche Aspekte eingehen, aber mich zuerst Kollegen Murauer zuwenden, der hier schon mehr als eigentümliche Positionen vertreten hat. Als mehr als eigentümlich bezeichne ich sie deswegen, weil er offenbar meinem Fraktionskollegen Barmüller nicht einmal folgen konnte, ihn nicht einmal verstanden hat, der völlig zu Recht bemängelt hat, daß der Begriff der organisierten Kriminalität, des organisierten Verbrechens in den hier vorliegenden Berichten als solcher überhaupt nicht aufscheint, nicht ausgewiesen ist, statistisch nicht unterlegt ist und daher mengenmäßig und in seiner diesbezüglichen Bedeutung nicht dargestellt ist. Dies ist deswegen wichtig, weil das Anwachsen dieser organisierten Kriminalität permanent und gebetsmühlenartig


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als eines der Hauptargumente vorgebracht wird, wenn es darum geht, die sogenannten elektronischen und modernen Ermittlungsmethoden einzuführen, Methoden, die, wie wir alle wissen, nicht Grenzfälle in der Grundrechtsfrage sind, sondern ganz eindeutig unverhältnismäßige Grundrechtsüberschreitungen darstellen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Kollege Barmüller wollte daher in seinen Ausführungen in keiner Weise das Phänomen, daß es internationales Verbrechen gibt, verniedlichen, sondern ganz bewußt darauf hinweisen – ich wiederhole das daher ausdrücklich –, daß es eine unredliche Art ist, zu diskutieren, wenn man sich auf wachsende Phänomene beruft, die man als solche noch nicht einmal zu beschreiben in der Lage ist. Wenn das Kollegen Murauer derart beunruhigt hat, daß er meinte, hier polemisieren zu müssen, dann möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen – er ist nicht anwesend, weil er offenbar nach seiner eigenen Rede das Interesse an der Debatte verloren hat –: In diesem Stil wird mit den Liberalen nicht zu diskutieren sein!

Es wird auch nicht in dem Stil, in dem sich Kollege Murauer der 0,8 Promille-Grenze zugewendet hat, mit uns zu diskutieren sein. Denn das war eindeutig eine Verniedlichung eines enormen Gefahrenpotentials im Straßenverkehr.

Selbstverständlich wissen wir, daß mit wachsender Promillebelastung im Blut, also 1,1, 2,5, 3,2 – auch das konnte Kollege Murauer vorweisen, das sind offenbar die geeichten Trinker –, das Gefahrenpotential steigt. Aber jeder, der sich mit Verkehrssicherheit beschäftigt, weiß, daß das an und für sich vorhandene erhöhte Gefahrenpotential der Geschwindigkeit eines Fahrzeuges durch die verlangsamte Reaktion eines Menschen, der auch nur geringfügig durch Alkohol beeinträchtigt ist, steigt.

Daher war das eine ganz grobe Verniedlichung. Das ist deswegen so paradox, weil er gleichzeitig militant eine Verschärfung im Bereich der Suchtgifte verkündet hat. Ich frage mich, welchen Zugang Herr Kollege Murauer zu Drogen hat, wenn er sich für Alkoholismus, aber gegen Suchtgifte einsetzt. Das ist mir unverständlich. Ich sage das ganz deutlich. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Khol: Er hat sich nicht für Alkoholismus eingesetzt! Das ist ja unglaublich! Er hat sich nicht für den Alkoholismus eingesetzt!)

Wenn er meint – Herr Kollege Khol, ich bin am Wort (Abg. Dr. Khol: Einen Zwischenruf werden Sie erlauben!) –, Alkohol am Steuer so grob verniedlichen zu müssen... (Abg. Dr. Khol: Wir müssen über Ihr Demokratieverständnis reden! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Kollege Khol! Ich bin am Wort! (Abg. Dr. Khol: Ja, Sie sind am Wort, aber ich habe das Recht, einen Zwischenruf zu machen!) Wollen Sie zu Ende führen, damit ich weiterreden kann? Haben Sie schon alles gesagt, was Sie zu sagen hatten? (Abg. Dr. Khol: Steigen Sie herunter von Ihrem liberalen Moralaposteltum!) – Herr Kollege Khol! Das Wort "Moralapostel" würde ich an Ihrer Stelle nicht zur Beschreibung fremder Personen verwenden. (Abg. Dr. Khol: Das ist ja unglaublich! Nicht einmal einen Zwischenruf!) Das ist eine Art Autismus, wenn Sie das Wort "Moralapostel" verwenden. Aber vielleicht war dieses Fremdwort nicht leicht verständlich, mag sein.

Aber ich sage noch einmal: Wenn Herr Kollege Murauer eine Lanze für den Alkohol am Steuer bricht... (Abg. Dr. Khol: Das hat er nicht getan!) – Bis 0,8 Promille. (Abg. Dr. Khol: Das hat er nicht getan!) Ich sage Ihnen, ein Mensch, der 0,8 Promille hat, ist alkoholisiert am Steuer, ich sage Ihnen das in aller Deutlichkeit! Er ist es, vielleicht nur mäßig, aber er ist es. Wer sich dafür einsetzt, hat meiner Meinung nach das Recht verloren, sich für die Kriminalisierung sonstiger drogenkranker Menschen einzusetzen. (Abg. Dr. Krüger: Das ist ein Gesinnungsterror! Das ist ein Denkverbot!) – Nein, das ist kein Gesinnungsterror. Entweder wir behandeln sie gleich und erkennen, daß es kranke Menschen sind, die zum Teil unserer Fürsorge bedürfen – es gibt auch Kriminalität in der Zone –, oder wir bekennen uns zum Umgekehrten. Es ist einfach unerträglich, daß jemand für 0,8 Promille am Steuer redet und gleichzeitig eine Verschärfung bei sonstigen Drogen fordert. (Beifall beim Liberalen Forum.) Da wird mit zweierlei Maß gemessen. Angesichts der "Mächtigkeiten", angesichts dessen, daß es sich im Falle von Alkohol um Hunderttausende handelt, wird es ganz besonders tragisch.


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Ich meine, daß wir uns weniger in diesen zielgruppenorientierten Wortmeldungen bewegen sollten. Wenn Sie meinen, Herr Kollege Khol, daß es moralisierend sei, wenn man einen bestimmten Standpunkt einnimmt, ohne darauf zu achten, ob er beliebt ist oder nicht, dann tut mir das leid, aber wir werden uns davon nicht abbringen lassen. (Abg. Dr. Puttinger: Sie bezeichnen jeden, der zwei Bier trinkt, als Alkoholiker! Das ist meiner Ansicht nach...!)

Ich bezeichne jemanden, der zwei Bier trinkt, nicht als Alkoholiker (Abg. Dr. Puttinger: Das haben Sie gerade gemacht, bitte!), aber ich bin der Meinung, er sollte sich nicht ans Steuer setzen. Das ist ein ganz großer Unterschied. Wenn er meint, wir lassen nicht zu, daß jene kriminalisiert werden, die unter dieser Grenze alkoholisiert sind, dann tritt er dafür ein, daß Menschen, die unter 0,8 Promille Alkohol im Blut haben, autofahren dürfen. (Zwischenruf des Abg. Murauer .) Natürlich tritt er dafür ein. Es ist Ihnen unangenehm, daß ich das so deutlich sage, aber natürlich tritt er dafür ein. Er tritt dafür ein, daß jemand, der bis zu 0,8 Promille alkoholisiert ist, autofahren darf, und das ist so. (Abg. Dr. Khol: Das ist die derzeitige Gesetzeslage!) Aber, Herr Kollege Khol, das ist noch kein Grund, es zu propagieren, wenn es Rechtslage ist. (Abg. Murauer: Daher können Sie es nicht kriminalisieren!) Das ist eine Umkehrgrenze für die Beweislast. (Abg. Schwarzenberger: Aber die Drogenfreigabe, wofür Sie plädieren, ist nicht derzeitige Gesetzeslage!)

Herr Kollege! Wir sind gegen die Kriminalisierung! (Abg. Dr. Khol: Das ist ein unerträglicher Dogmatismus!) Genauso sind wir auch nicht der Meinung, daß jemand, der 0,8 Promille Alkohol im Blut hat, bestraft werden soll. Wir sind nur der Meinung, er soll nicht autofahren. Wenn er das trotzdem macht, dann brauche ich eine Sanktion, das ist schon richtig. Aber an und für sich kann er durchaus 0,8 Promille im Blut haben. Es stört mich nicht, solange er nicht das Lenkrad in die Hand nimmt. Das ist der Unterschied. (Beifall beim Liberalen Forum. – Zwischenruf des Abg. Murauer .)

Ich bin auch der Meinung, daß jemand, der unter schweren Medikamenten steht, vielleicht gerade eine Behandlung über sich ergehen läßt, auch nicht das Lenkrad in die Hand nehmen soll. Das steht übrigens auch in der Straßenverkehrsordnung, nur gibt es dort keine spezifische Grenze bei den Medikamenten, weil sie kein solches Massenphänomen wie der Alkoholkonsum sind. Die 0,8 Promille-Grenze ist der Versuch, ein Massenphänomen durch eine Grenze unter Kontrolle zu halten.

Daher meine ich, das Wort "kriminalisieren" zu verwenden, weil Menschen leichtsinnig und unter Drogen stehend, Fahrzeuge benützen, und das in ein Spannungsfeld zum Sicherheitsbericht zu stellen, das war es, was ich kritisieren wollte.

Nun aber zu einem anderen Aspekt – auch Kollegen Murauer indirekt berührend –: Die tatsächlichen Ursachen der Kriminalität stehen natürlich richtigerweise nicht in diesem Sicherheitsbericht, der ein technischer Bericht ist. Sie sollten aber auch in dieser Debatte nicht ganz verschwiegen werden. Es gibt möglicherweise soziale Fragen, die auch kriminalitätsfördernd sind.

Oder zum Spielen mit den Zahlen, weil ständig von steigenden Zahlen gesprochen wird: Ich sage Ihnen, die Zahlen von 1995 sprechen zum Beispiel bei den fremden Tatverdächtigen eine ganz deutliche Sprache. Wir haben abnehmende Prozentsätze von 5,1 und 7,2 Prozent bei den Fremden beziehungsweise Gastarbeitern. Wenn man sich gleichzeitig bewußt macht, daß unter den Fremden die Bürger Deutschlands enthalten sind und diese am dritten Platz liegen, dann ist man sich wohl darüber im klaren, daß es sich dabei auch um ein Tourismusphänomen handelt.

Offene Grenzen bedeuten ein gewisses Risiko. Ich glaube nicht, daß Sie an der Grenze Schubgefängnisse errichten wollen, wie Kollege Khol das gefordert hat, damit wir die Touristen festsetzen, sondern damit wir möglicherweise sein neues Asylrecht praktizieren können. Ich sage Ihnen, ein wirklich raffinierter Mensch wird eben dann nicht mehr an der Grenze Asyl begehren, sondern er wird sich in einer anderen Weise als Tourist "einschleichen". Also Sie werden über kurz oder lang die von Ihnen verlangten Schubgefängnisse im ganzen Land brauchen, wenn Sie Ihre neuen Rechtsordnungen einführen wollen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Khol: Tatsächliche Berichtigung!)

14.57


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Khol gemeldet. – Bitte. (Zwischenrufe der Abg. Murauer und Mag. Barmüller .)

14.57

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Ich berichtige Herrn Abgeordneten Kier, der gemeint hat, ich hätte die Errichtung von Schubgefängnissen an der Grenze verlangt. Richtig ist, daß ich den unhaltbaren Zustand der Ausnüchterungszellen in grenznahen und grenzfernen Räumen kritisiert habe und für die Errichtung von menschenrechtlichem Standard entsprechenden Schubgefängnissen an der Grenze im Burgenland und in Tirol eingetreten bin. (Beifall bei der ÖVP.)

14.58

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Freund. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Mag. Barmüller: Abgeordneter Kier bedankt sich für die Bestätigung!)

14.58

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Herren Bundesminister! Hohes Haus! Zu den Ausführungen des Abgeordneten Dr. Kier möchte ich feststellen, ich war auch im Saal, als Herr Kollege Murauer das Problem Alkohol am Steuer angesprochen hat. Ich habe gehört, daß er gesagt hat, daß er nicht für den Alkohol am Steuer eintritt, sondern für die Beibehaltung der 0,8 Promille-Grenze. Ich bin der Meinung, daß es nicht eine Frage des Grenzwertes, sondern eine Frage der Kontrolle ist. So und nicht anders habe ich das gehört. Wenn Sie das anders verstanden haben, dann sollten Sie in Zukunft besser aufpassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Öffentliche Ordnung und Sicherheit sind Grundbedürfnisse der Menschen in unserem Lande. Dies zu gewährleisten, ist Aufgabe der Politik, unserer Exekutive sowie der diversen Einrichtungen unseres Staates. Der umfangreiche Sicherheitsbericht gibt Aufschluß über Entwicklung und Bekämpfung der Kriminalität, und dieser weist eine positive Entwicklung im Sinne des Sicherheitsbedürfnisses unserer Bürger aus.

Laut Sicherheitsbericht 1994 ist die Gesamtrate der strafbaren Handlungen gegenüber 1993 noch immer um 2,2 Prozent angestiegen, wobei diese Zahl auf den massiven Anstieg der Vergehen sowie der Delikte im Straßenverkehr zurückzuführen, während hingegen die Verbrechensrate bereits um 6 Prozent gesunken ist.

Ich möchte heute hauptsächlich einen Bereich ansprechen, bei dem die Bilanz nicht so erfreulich ist, nämlich den der Schubhäftlinge. Gemäß einer aktuellen Statistik hat die Zahl dieser Häftlinge – entgegen der ursprünglichen Annahme – in der ersten Hälfte des heurigen Jahres gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres drastisch zugenommen. Tatsache ist, daß für diese große Menge nicht mehr ausreichende Unterbringungsmöglichkeiten vorhanden sind. Es müßten laut Innenminister in Grenznähe neue Schubgefängnisse gebaut werden, wobei ein Bedarf von mindestens 150 Plätzen vorliegt. Die zuständigen Leute rechnen für den Bau dieser Einrichtungen aber mit einem zeitlichen Aufwand von mehr als etwa zwei Jahren.

Zurzeit werden unter anderem Ausnüchterungszellen als Schubgefängnisse verwendet, was weder der Exekutive noch den Gefangenen zumutbar ist. Infolge fehlender Unterbringungsmöglichkeiten kommt es zu einem sogenannten Schub-Tourismus, wobei die Häftlinge unter enormem Zeit- und Arbeitsaufwand der Beamten quer durch Österreich transportiert werden müssen. Dies ist teuer und auf längere Sicht nicht tragbar. (Beifall bei der ÖVP.)

Allein im Bezirk Schärding, Oberösterreich, wurden 1995 über 1 000 Personen aufgegriffen und abgeschoben. 1987 waren es noch 50 Personen. Zwischen 12 000 und 13 000 Plan- und Überstunden mußten 1995 von den Gendarmeriebeamten dafür geleistet werden. Das bedeutet, daß umgerechnet sieben Beamte ein ganzes Jahr über nur damit beschäftigt sind, Schubhäftlinge quer durch das Land zu transportieren. Diese Zahlen zeigen gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres eine Zunahme von 64 Prozent. Laut Auskunft wären im Linzer Gefangenen


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haus Plätze vorhanden, um einen Teil dieser Häftlinge unterzubringen, jedoch mangelt es an Personal für deren Bewachung. Ich ersuche daher den Innenminister, diesbezüglich aktiv zu werden, um diese Problematik zu entschärfen. (Beifall bei der ÖVP.)

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie haben bei der letzten Sitzung des Innenausschusses signalisiert, daß zusätzliche Plätze geschaffen und Lösungen angestrebt werden. Ich hoffe, daß dies keine leeren Worte waren, sondern daß meine schon oft wiederholten diesbezüglichen Forderungen in die Praxis umgesetzt werden.

Im Zuge des Schengener Abkommens wurden die Kontrollen an den Außengrenzen der EU wesentlich verbessert. Es ist anzunehmen, daß dadurch der illegale Grenzübertritt zurückgehen wird. Ich begrüße die verschärften Maßnahmen, die Österreich durch Einsatz der Grenzgendarmerie und des österreichischen Bundesheeres gesetzt hat. Nicht einzusehen sind jedoch die nach wie vor strengen Grenzkontrollen an der EU-Binnengrenze, und zwar seitens der bayrischen Grenzpolizei gegenüber jenen österreichischen Staatsbürgern, die Bewohner dieser Grenzregion sind und als Grenzgänger zur Arbeit nach Bayern fahren. Staus und Wartezeiten werden dadurch verursacht. Ich empfinde das als unzumutbare Schikane unseren Staatsbürgern gegenüber. Die Bayern begründen diese Maßnahmen mit unzureichendem Grenzschutz Österreichs gegenüber Ostländern und kritisieren dabei unseren Innenminister.

Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ein besonderes Bedürfnis besteht auch nach einem speziellen Bürgerservice, und zwar nach Notrufsäulen vor jenen Gendarmerieposten, die bei Nacht nicht besetzt sind und mit dem jeweiligen Bezirksgendarmeriekommando verbunden wären. Das wäre zum Beispiel besonders wichtig bei nächtlichen Verkehrsunfällen oder sonstigen Ereignissen, die ein Einschreiten erfordern, damit ein Beamter schneller zur Stelle sein könnte. Herr Bundesminister! Sie haben bereits versprochen, dies rasch zu realisieren. Ich möchte Sie nochmals daran erinnern. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Schlepperunwesen treibt heute besondere Blüten. Daher ist es ein vordringliches Anliegen, daß diese Tätigkeiten aufs Schärfste bekämpft werden. Damit Österreich auch in Zukunft ein sicheres Land bleibt, ist es notwendig, gute Arbeitsbedingungen für unsere Exekutivbeamten und dadurch die notwendige Motivation für die Verbrechensbekämpfung zu schaffen. Im Sinne der Sicherheit der Bürger unseres Landes glaube ich, daß wir diesem Bereich noch größeres Augenmerk schenken müssen als bisher, um ein positives Klima schaffen zu können. Wir von der Volkspartei werden jedenfalls dafür eintreten, daß Österreich auch in Zukunft ein sicheres Land bleibt! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Koppler. )

15.04

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.04

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Daß der Sicherheitsbericht in Anwesenheit des Innenministers und des Justizministers verhandelt wird, ist eine löbliche Sache. Ich würde mir allerdings wünschen, daß bei einer Debatte über das Thema Sicherheit auch der Sozialminister anwesend wäre, denn der Zusammenhang zwischen innerer Sicherheit und sozialer Sicherheit ist wohl nicht zu leugnen. (Abg. Dr. Khol: Und der Außenminister nicht? Der Gesundheitsminister, der Landesverteidigungsminister nicht? Die Frauenministerin wäre auch gut!)

Es ist sehr wichtig – und das ist auch in den Debattenbeiträgen immer wieder festzustellen –, daß das, was uns von diesem amerikanischen Modell, dem Sie so sehr nacheifern, Herr Abgeordneter Khol, in der Wirtschaft und in der Sozialpolitik trennt, genau das ist, was wir hier Gott sei Dank nicht mitdiskutieren müssen: Die hohen Kriminalitätsraten in einer Gesellschaft wie der amerikanischen, die von enormen sozialen Verwerfungen geprägt ist (Abg. Rosemarie Bauer: Hier geht es um Sicherheit, nicht um Soziales!), sind darauf zurückzuführen, Frau Abgeordnete Bauer, daß es in diesen Gesellschaften einen Zusammenhalt wie in Österreich nicht gibt.


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Wenn Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, in der Wirtschaft, in der Sozialpolitik immer wieder auf das amerikanische Modell verweisen, dann sollten Sie auch das bedenken, was uns positiv von diesem amerikanischen Modell trennt, nämlich daß wir einen entwickelten Sozialstaat haben und auch stolz darauf sein können, daß wir deswegen auch relativ niedrige Kriminalitätsraten haben.

In Amerika ist es für einen nicht geringen Teil der Bevölkerung aufgrund der fehlenden sozialen Sicherheit, aufgrund der Armut, die dort herrscht, fast schon eine Notwendigkeit, so könnte man beinahe sagen, kriminell zu werden, weil man in dieser Gesellschaft unter bestimmten Umständen nicht anders überleben kann. Und das ist ein großer Unterschied. Mögen uns die nächsten Jahre eine diesbezügliche Angleichung an das amerikanische Modell ersparen!

Gerade deshalb meine ich, daß es wichtig gewesen wäre, daß heute der Sozialminister auch hier säße, denn wir haben noch vor ein paar Wochen Maßnahmen beschlossen, die zu einem nicht geringen Teil auch dazu beitragen werden, daß sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt, daß sich die Situation für Jugendliche auch im Bereich der sozialen Sicherheit einigermaßen verschärfen wird.

Wenn hier Herr Abgeordneter Gaál heute gemeint hat, die Entwicklung bei der Kriminalität der Jugendlichen sei positiv zu sehen, dann kann man ihm erstens einmal, wenn man die Zahlen dieses Berichtes nimmt und das wirklich durcharbeitet, nicht folgen. Das stimmt einfach nicht! Wir müssen feststellen, daß da ein gegenüber der "Normalbevölkerung" durchaus überdurchschnittlicher, überproportionaler Anstieg der Kriminalität zu verzeichnen ist, und es wäre interessant, auch die Ursachen dafür etwas gründlicher zu analysieren. Aber wir haben nicht nur das in Abweichung von dieser Stellungnahme des Kollegen Gaál zu beurteilen – ich weiß nicht, welchen Zahlen oder welchen Einschätzungen er offensichtlich aufgesessen ist –, sondern wir haben auch darüber zu befinden, was wir in bezug auf die Entwicklung bei den Jugendlichen zu erwarten haben.

Wir könnten wirklich möglicherweise eine verzweifelte junge Generation in wenigen Jahren haben! Und gerade darum hätte ich mir gewünscht, daß bei dieser Debatte auch ein Sozialminister anwesend wäre, weil nämlich dieser Konnex zwischen der inneren Sicherheit und der sozialen Sicherheit sehr stark und sehr deutlich zu diskutieren und es notwendig wäre, diese Zusammenhänge herzustellen. (Abg. Schwarzenberger – auf die leeren Bänke der Grünen deutend –: Aber Ihre Fraktion ist überhaupt nicht anwesend) Es ist auch der Sozialminister nicht da. (Abg. Dr. Khol: Wenn der Sozialminister da wäre, wären dann die Grünen da?!) – So ist es! (Abg. Dr. Khol: Es ist kein Grüner da! Unglaublich!)

Wenn wir uns den Bereich der Jugendlichen näher ansehen, dann fällt nicht nur auf, daß wir es da mit einer überdurchschnittlichen Entwicklung von Kriminalität zu tun haben, sondern wir sollten uns in diesem Zusammenhang auch vergegenwärtigen, daß die Jugendlichen heute mit einer Reihe von Problemen konfrontiert sind, die es wert wären, auch im Zusammenhang mit einem Sicherheitsbericht intensiver diskutiert zu werden – eine Anregung, Herr Minister!

Es fehlt mir in diesem Bericht tatsächlich auch eine etwas gründlichere Erörterung des Phänomens des Rassismus und Rechtsextremismus, die nicht enthalten ist. (Abg. Dr. Khol: Und was sagen Sie zum "TATblatt"-Extremismus? Fehlt Ihnen der auch?)

Es ist nur eine Art tabellarischer Übersicht enthalten. Was mir auch fehlt – und das ist nicht nur ein Steckenpferd von mir, sondern ich glaube, daß es notwendig wäre, das wirklich auch in einem Bericht einzuarbeiten –, ist das, was sich zum Beispiel auch auf dem Sektor der Sekten und destruktiven Kulte in Österreich tut.

Herr Minister! Ich verweise wirklich nicht deswegen darauf, weil das ein besonderes Steckenpferd von mir ist, sondern weil wir in wenigen Jahren das Jahr 2000 haben werden. Und jeder, der sich mit dieser Thematik etwas näher befaßt, weiß, daß die Anzahl der Endzeitsekten und -kulte rund um das Jahr 2000 – und wir erleben auch in einigen europäischen Ländern schon die Vorboten davon – enorm zunehmen wird!


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Es wäre also notwendig, gerade auch in diesem Bereich Maßnahmen zu setzen, wo wir noch weit davon entfernt sind, tatsächlich eine effiziente und politische Auseinandersetzung mit diesem sehr heiklen und sehr sensiblen Thema zu führen, wobei es nicht nur um Fragen der Sicherheit geht, sondern natürlich auch um Fragen der Grundrechte, etwa des Rechts auf Religionsfreiheit, aber auch des Rechts auf seelische Unversehrtheit. Auch das müßte in diesem Zusammenhang, nämlich im Zusammenhang mit den Jugendlichen, diskutiert werden, müßte auch Bestandteil einer Erörterung des Themas Sicherheit sein und müßte auch Bestandteil eines Sicherheitsberichtes werden.

Ich denke, das wäre notwendig, genauso wie es notwendig wäre und wichtig ist, das Thema Rechtsextremismus in einer anderen Art und Weise zu diskutieren, als es in diesem Bericht abgehandelt wird. Ich bin sehr froh darüber, Herr Justizminister, daß auch Sie heute hier anwesend sind, denn wenn ich die Zeitungen von heute lese, muß ich feststellen, daß die Arbeit der Sicherheitsbehörden offensichtlich wieder hintertrieben wird – und das mußten wir schon des öfteren zur Kenntnis nehmen – durch die allzu legere Art, die manche Richter – beileibe nicht alle! – im Umgang mit dem Rechtsextremismus an den Tag legen.

Herr Minister! Ich verweise darauf, daß man sich nicht nur in einem Kommentar im "Kurier" heute mit diesem Thema intensiv beschäftigt, sondern auch bei der Gerichtssaalberichterstattung in einigen anderen Zeitungen. Es kann also nicht nur die schiefe Wahrnehmung eines einzelnen Reporters gewesen sein, die zu der Vermutung geführt hat, daß da offensichtlich ein Richter stark mit dem angeklagten rechtsextremen Lehrer sympathisiert, sondern das war offensichtlich auch im Gerichtssaal wahrnehmbar.

Ich meine, es wäre notwendig, auch den Justizapparat in diesem Sinne etwas besser auf den Umgang mit Rechtsextremismus vorzubereiten. Denn was ich – und was ich auch in Anfragen an Sie, Herr Justizminister, immer wieder versucht habe, einzubringen – feststellen mußte, ist, daß einzelne Richter offensichtlich nicht dazu imstande und willens sind. Wenn man sich zudem auch Äußerungen solcher Richter nicht nur in bezug auf Rechtsextremismus hernimmt, sondern beispielsweise die Aussage des Herrn Friedrich Fischer, der nicht nur den großen Rechtsextremismus- und Neonaziprozeß geleitet hat, sondern auch diesen Fall eines ausländischen Kollegen behandelt und dabei von den "gebrochenen Ripperln" gesprochen hat, die seiner Ansicht nach kein Problem darstellen würden, dann muß man sagen, es wäre notwendig, Herr Minister, auch von Ihrer Seite klarer und deutlicher Stellung zu nehmen und Position zu beziehen, auch wenn man weiß, daß das ein sehr sensibles und heikles Thema ist.

Ein abschließender Satz noch an den Innenminister. Eine Bitte, Herr Minister: Da im Sicherheitsbericht im Zusammenhang mit der Gegenüberstellung der Kriminalitätsbelastung von Gastarbeitern und österreichischer Wohnbevölkerung im Text von der österreichischen "Wirtsbevölkerung" die Rede ist, bitte ich Sie, Herr Minister, auch jene Personen, die diesen Bericht geschrieben haben, dahin gehend zu instruieren, daß das ein Vokabular ist, das eigentlich in einem Sicherheitsbericht nichts zu suchen haben sollte! (Beifall der Abg. Ing. Langthaler sowie des Abg. Mag. Barmüller. )

15.14

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Achs. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.14

Abgeordneter Matthias Achs (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der uns vorliegende Sicherheitsbericht zeigt uns deutlich, wo in Zukunft die Schwerpunkte der Sicherheitspolitik liegen müssen. Wir müssen vom traditionellen Bild der Kriminalität wegkommen und den neuen Entwicklungen Rechnung tragen. Die Öffnung der Ostgrenzen Ende der achtziger Jahre ist als historische Großtat zu sehen, weil so viele Menschen endlich Freiheit gefunden haben. Es ist allerdings eine Tatsache, daß es dort, wo es Freiheiten gibt, auch einen Mißbrauch dieser Freiheiten gibt. Auch was den Fall des Eisernen Vorhangs betrifft, war es so, daß sich kriminelle Organisationen die offenen Grenzen zunutze gemacht haben.


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Die Sicherheitspolitik und die Exekutive waren somit vor neue große Herausforderungen gestellt. Die international organisierte Kriminalität stellt heute eine wesentliche Gefahr für die innere Sicherheit Österreichs dar, auch wenn Dank engagierter Polizeiarbeit beachtliche Erfolge zu verzeichnen sind. Für eine weiterhin erfolgreiche Arbeit sind allerdings neue Mittel erforderlich. Die neuen Formen der Kriminalität erfordern neue Methoden zur Bekämpfung dieser Kriminalität. Wir müssen personell, aber auch technisch, für diesen Kampf gerüstet sein. Das ist aber nur eine Seite.

Auf der anderen Seite müssen natürlich auch Reformmöglichkeiten im Exekutivbereich geprüft werden. Es muß jedoch klargestellt werden: Reformen dürfen nicht auf dem Rücken unserer Exekutivbeamten durchgeführt werden. Unser Innenminister ist jedoch der Garant dafür, daß dies nicht geschehen wird. Reformen müssen dahin gehen, daß bestimmte Tätigkeiten ausgegliedert oder privatisiert werden. Die Exekutive muß von artfremden Aufgaben entlastet werden. Dadurch kann sie ihrer ureigenen Aufgabe, der Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit, auch weiterhin gerecht werden.

Die Anforderungen sind groß. Auch die Umsetzung des Schengener Vertrages verlangt große Anstrengungen. Ich habe im Zusammenhang mit der Ostöffnung von neuen Freiheiten gesprochen. Da geht es um die genau gleiche Problemstellung: Wie garantiert man neue Freiheiten, und wie verhindert man den Mißbrauch von Freiheiten? – Das Schengener Abkommen gibt uns die Antwort auf diese Fragen. Mit der Reisefreiheit im Binnenraum der Vertragsstaaten muß eine gute Sicherung der Außengrenzen und eine verstärkte Kooperation der Polizeibehörden einhergehen. Den sicheren Außengrenzen wird durch das neue Grenzkontrollgesetz Rechnung getragen, aber auch bei der internationalen Zusammenarbeit der Polizei können große Fortschritte verzeichnet werden. All das sind begleitende Maßnahmen zu mehr Sicherheit in mehr Freiheit.

Meine Damen und Herren! Der Sicherheitsbericht zeigt auch die Problematik der Fremdenkriminalität auf. 1994 ist erstmals der Anstieg der Fremdenkriminalität anteilsmäßig zurückgegangen. Das bedeutet, daß wir in diesem Bereich auf dem richtigen Weg sind. Es muß in diesem Zusammenhang aber auch klargestellt werden, daß "Fremder" nicht gleich "Fremder" ist. Aus dem Sicherheitsbericht geht nämlich eindeutig hervor, daß Fremdenkriminalität nichts mit unseren Gastarbeitern zu tun hat. Die Kriminalitätsrate bei den Gastarbeitern befindet sich auf dem gleichen Niveau wie bei den Inländern. Mit aller Schärfe ist allerdings gegen international organisierte Banden und Schlepperorganisationen vorzugehen. Nicht das Schüren von Fremdenfeindlichkeit führt zu mehr Sicherheit in unserem Land, sondern das gezielte Vorgehen gegen Kriminelle. Die Briefbombenserien und die anderen rechtsextremen Anschläge haben gezeigt, wozu Fremdenfeindlichkeit führen kann. (Abg. Scheibner: Da leben Sie aber noch in der Vergangenheit!) Durch die ständige Verunsicherung der Menschen wird der Boden für Gewalt erst aufbereitet.

Wir Sozialdemokraten verfolgen daher eine Politik, die den Menschen Sicherheit gibt. (Beifall bei der SPÖ.) Zu dieser Politik gehört die breite Unterstützung der Exekutive. Österreich zählt durch die hervorragende Arbeit der Exekutive zu den sichersten Ländern. Die Aufklärungsquote steigt von Jahr zu Jahr und liegt im Jahr 1995 bereits bei 49,8 Prozent.

Im internationalen Vergleich ist das ein Spitzenwert. Nur ein Beispiel: Die Aufklärungsquote bei unseren deutschen Nachbarn ist um knapp 4 Prozent niedriger als in Österreich. Das ist ein deutlicher Beweis für die gute Arbeit im Bereich der inneren Sicherheit in Österreich.

Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten wollen diesen Weg im Interesse der Menschen unseres Landes fortsetzen. Das bedeutet mehr Sicherheit, indem wir der Exekutive unsere volle Unterstützung angedeihen lassen. Nur so kann Österreich seine Spitzenreiterrolle im Bereich der inneren Sicherheit verteidigen. (Beifall bei der SPÖ.)


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23. Sitzung / Seite 89

15.21

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.21

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Kiss hat Abgeordneten Schweitzer bezichtigt, Attacken gegen den Innenminister zu reiten, und gemeint, dieser lege eine undifferenzierte Betrachtungsweise an den Tag. Er hat außerdem bemängelt, Abgeordneter Schweitzer hätte keine Lösungsvorschläge gemacht. Dazu muß ich sagen: Die Differenziertheit der Aussagen des Abgeordneten Kiss lassen sehr zu wünschen übrig.

In der Sache selbst, meinte Kiss des weiteren, wäre die ÖVP hart und konstruktiv. Nun, möglicherweise war dies vor den letzten Wahlen so. Wie sich heute Abgeordneter Kiss präsentiert hat, läßt jedenfalls andere Schlüsse zu.

Ich muß aber den Kollegen Kiss fragen: Was hat es tatsächlich an sich mit Oberwart? Wieviel liegt ihm an der Aufklärung des Verbrechens dort? Wo bleiben die Antworten auf all die offenen Fragen, die Kollege Schweitzer an den Herrn Innenminister im Zusammenhang mit den vielen Ungereimtheiten gerichtet hat beziehungsweise die er aufgeworfen hat? Als Sicherheitssprecher der ÖVP, als Burgenländer, als Mensch müßte Paul Kiss an der Aufklärung der Ungereimtheiten und des Tatbestandes betreffend das Bombenattentat in Oberwart Interesse haben. Das gilt ebenso für Stinatz.

Ich stelle fest, es hat offensichtlich seit November 1995 keinerlei Veränderungen gegeben: weder beim Innenminister, nämlich daß dieser plötzlich anderer Meinung geworden ist, noch beim Kollegen Kiss. Beim Innenminister kann ich jedenfalls keinerlei Meinungswandel feststellen, beim Kollegen Kiss muß ich auch feststellen, daß er unverändert geblieben ist. Der Rotor eines Hubschraubers ist, verglichen mit dem Meinungswandel des Kollegen Kiss, ein statisches Objekt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Unabhängig davon, ob im Bereich des linken oder des rechten Terrors Täter ermittelt werden: Terrorismus ist – egal, ob von rechts oder von links – auf jeden Fall zu verurteilen! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.) Wesentlich ist der Ermittlungserfolg!

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Herr Innenminister hat im Innenausschuß auf die Frage nach den Tätern und nach dem möglichen Erfolg im Zusammenhang mit dem Bombenattentat in Oberwart gemeint, es deute nach wie vor alles darauf hin, daß die Täter im rechtsextremistischen Bereich zu suchen sind. Dafür würden die Bekennerschreiben, die es dazu gibt, sprechen.

Herr Minister Einem! Sie waren bei den Ermittlungen bislang erfolglos. Es wäre wünschenswert, daß Sie den Bereich, in dem Sie ermitteln, einmal öffnen. Möglicherweise würden Sie dann einen Erfolg – den ich Ihnen wünsche – erzielen. Auf der linken Seite zu suchen, auf der linken Seite Ermittlungen anzustellen, würde vielleicht das Ende Ihrer Erfolglosigkeit in diesem Bereich bedeuten.

Herr Bundesminister Einem! Sie haben auf die Frage des Herrn Abgeordneten Scheibner im Innenausschuß betreffend die "Bürogemeinschaft Schottengasse" gemeint, die "Bürogemeinschaft Schottengasse" sei eine Beratungsstelle für Zivildiener. Ihre Beamten wissen das offensichtlich besser, denn bei Ihren Beamten ist es bekannt, daß die "Bürogemeinschaft Schottengasse" eine Schaltstelle des linksextremen Terrors ist und die Steuerung des internationalen linksextremen Terrors betreibt.

Herr Minister! Sie sollten – einmal mehr müssen Sie sich diesen Vorwurf gefallen lassen – Ihre Blindheit, speziell am linken Auge, einer Heilung unterziehen. Das würde jedenfalls Ihrer Glaubwürdigkeit sehr dienlich sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Seitens SPÖ und ÖVP wurde in den Debattenbeiträgen immer wieder herausgestrichen, mit welchen Rückgängen im Bereich der Kriminalität nun aufgewartet werden könne und welche Daten im Sicherheitsbericht ausgewiesen seien.


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23. Sitzung / Seite 90

Wie sieht es denn im Bereich des Suchtgiftmißbrauches, was die Tatbestände nach dem Suchtgiftgesetz betrifft, aus? – Da ist ein Anstieg von 15,6 Prozent zu verzeichnen. Die Zahl der Verbrechenstatbestände nach dem Suchtgiftgesetz hat – so ist es im Bericht ausgewiesen – um 6,8 Prozent abgenommen. Aber es ist bei den Vergehenstatbeständen ein Anstieg um immerhin 22 Prozent festzustellen. Das ist ein eindeutiges Indiz dafür, daß der Suchtgiftmißbrauch zugenommen hat.

Lassen Sie mich auch auf die Ausführungen der Frau Abgeordneten Stoisits eingehen. Sie bezichtigt uns immer dann, wenn einer der Freiheitlichen im Zusammenhang mit Mißständen das Wort "Ausländer" verwendet, sofort des Ausländerhasses, ja rassistischer Hetze. Auch heute hat sie dies wieder getan. (Ruf bei den Freiheitlichen: Sie ist ohnehin wieder weg!) Offensichtlich interessiert die Grünen der Sicherheitsbericht nicht sehr und liegt den Grünen die Sicherheit Österreichs nicht sehr am Herzen, denn sie glänzen wieder einmal, wie des öfteren – nur Kollege Wabl ist hier, also ein einziger Interessierter – durch Abwesenheit. Abgeordnete Stoisits hat sich auf diese Weise geäußert, weil Kollege Ofner erwähnt hat, wie hoch der Ausländeranteil, der Fremdenanteil der Häftlinge in den Untersuchungshaftanstalten ist.

Nichtsdestotrotz erlaube ich mir darauf hinzuweisen, daß die Fremdenkriminalität im Bereich des Drogenmißbrauchs enorm hoch ist. Der prozentuelle Anteil von Fremden an unserer Bevölkerung im Bereich der schweren Suchtgiftkriminalität beträgt immerhin 32 Prozent, er liegt also weit über dem Durchschnitt. Auch beim Vergehenstatbestand liegt der Ausländeranteil über dem Durchschnitt. Das ist eine Tatsachenfeststellung, und es muß in diesem Hause auch noch möglich sein, dies anzuführen, ohne beschuldigt zu werden, ein Fremdenhasser zu sein oder gar "rassistische Hetze" zu betreiben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Im Bereich der Drogen ist, wie schon festgestellt wurde, ein Anstieg zu verzeichnen. 250 Drogentote sind immerhin ein Anstieg von 11 Prozent gegenüber dem Jahre 1993. Wohl gibt es aber einen Rückgang bei den Sicherstellungen von Drogen um nahezu ein Viertel des Jahres zuvor, was wirklich nicht zusammenpaßt. Tatsache ist, daß insgesamt ein Anstieg zu vermerken ist. Es gibt einen Anstieg im Bereich des Menschenhandels, der organisierten Kriminalität, der Prostitution; Russinnen kommen mit Touristenvisa nach Österreich und verdingen sich hier als Prostituierte.

Herr Bundesminister! Suchtgiftdelikte sind nicht begrenzt auf Großstädte. Um Wien als Beispiel zu nehmen: Eine Sítuation, wie sie am Karlsplatz gang und gäbe war, ist nun breit gestreut in der ganzen Stadt zu finden. Nicht nur am Karlsplatz, sondern bei diversen U-Bahnstationen kann man dies beobachten, auch hier ganz in der Nähe, nämlich beim Volkstheater.

Natürlich ist Prävention geboten, und Therapieplätze sind erforderlich. Ich frage mich nur, welche Maßnahmen wirken. Mit Therapieplätzen, die erst nach einer Verzögerungszeit von einem Jahr und mehr beansprucht werden können, werden wir dieses Problem mit Sicherheit nicht lösen können.

Sehr geehrte Damen und Herren! Häufig lautete die Feststellung, die von Exekutivbeamten gemacht wurde, wenn ich mit ihnen gesprochen habe, folgendermaßen: Wir sind froh, wenn irgendwo etwas bekannt wird, damit wir diese Szene beobachten können, einen Überblick haben und das in den Griff bekommen.

Meine Damen und Herren! Das ist keine Lösung! Über ganz Österreich verteilt haben wir im Grunde genommen einen Züricher "Platzspitz" oder den Bahnhof Letten in Kleinform, nur mit dem Unterschied, daß man in der Schweiz nun diese Örtlichkeiten Veränderungen unterzogen hat beziehungsweise die Drogenkriminalität auf diesen Plätzen bekämpft wurde.

Herr Bundesminister! In Ihrer Antwort im Ausschuß auf die Frage, was Sie zum Anstieg der Drogenproblematik meinen, haben Sie die Begründung gewählt, daß schließlich ein Problem die Depotplätze im Ausland wären, wie zum Beispiel in Bratislava; Sie haben zumindest darauf hingewiesen. Tatsache ist, daß die Drogen auch früher schon aus dem Ausland gekommen sind. Das heißt, daß da eine restriktive Politik Platz greifen muß. Natürlich ist nach der Ost


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öffnung ohne Zweifel eine Verstärkung der Problematik aufgetreten. Die veränderten Bedingungen ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (fortsetzend): Mein Schlußsatz, Herr Präsident: Diesen veränderten Bedingungen haben Sie, Herr Bundesminister, bislang nicht Rechnung getragen. Ich hoffe, daß sich dies in Zukunft zum Wohle der Österreicher und speziell der Jugendlichen und Schüler, die davon betroffen sind, zum Besseren wenden wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.32

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Maitz. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.32

Abgeordneter Dr. Karl Maitz (ÖVP): Herr Präsident! Herr Justizminister! Herr Innenminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Zahl hat mich im Sicherheitsbericht 1994 besonders schockiert: Es gab in diesem Jahr 250 Drogentote, darunter waren viele Jugendliche. – Dazu zwei Bespiele aus der letzten Zeit.

Erstes Beispiel: In einer APA-Aussendung vom 22. April stand zu lesen: "20jährige Psychologiestudentin ist das siebente Drogenopfer, die siebente Drogentote in Trofaiach in der Steiermark." Und jetzt wird es interessant: "Sie war viele Jahre den Behörden als Süchtige bekannt. – Tragischer Tod einer jungen Studentin."

Zweites Beispiel: APA-Aussendung vom 26. April: "Drogenrazzia in Bayern. 21 Festnahmen von Drogensüchtigen". Jetzt kommt das Schockierende: "Der jüngste Drogensüchtige war ein zwölf Jahre altes Kind."

Meine Damen und Herren! Es ist eine Tatsache, daß auch in Österreich Kinder und Jugendliche zunehmend eine besondere Zielgruppe von Drogenverbrechern sind. Deshalb werden wir von der Volkspartei weiterhin alles tun, um Kinder und Jugendliche vor verbrecherischen Aktivitäten der Drogenszene zu schützen und den Eltern die Angst um ihre Kinder zu nehmen – oder diese zumindest zu verringern. (Beifall bei der ÖVP.)

Vor genau fünf Wochen habe ich hier von dieser Stelle aus die Pionierarbeit bei der Ausbildung von Jugendsuchtberatern darstellen können, und heute kann ich zwei Mitgliedern der Bundesregierung den Dank von Tausenden, ja Zehntausenden Eltern aussprechen.

Zuerst danke ich dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Martin Bartenstein. Er hat in den wenigen Wochen nach Regierungsantritt trotz Konsolidierungspaket, trotz Einsparungen die Sicherung der Ausbildung von Jugendsuchtberatern im Jahr 1996 zugesagt, indem er klargestellt hat, daß sie neuerlich mit einer finanziellen Unterstützung rechnen können. Er hat damit einen weiteren wichtigen Mosaikstein im Bereich der Jugendsuchtberatung gelegt, die nun weitergeführt werden kann. Das hat Signalwirkung! Suchtgiftprävention bei Jugendlichen ist ein erklärter Schwerpunkt des Jugendministers. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich danke auch der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Liesl Gehrer. Sie hat wenige Wochen nach ihrem Amtsantritt, nämlich am 9. Mai, in einer Fachtagung in Linz ein Aktionsprogramm für Suchtgiftprävention in Schulen erarbeiten lassen. Unter dem Titel "Gesundheit fördern – Sucht verhindern" – ich habe hier das Prospekt, das an alle österreichischen Schulen verschickt wird (der Redner hält es in die Höhe) – werden audivisuelle Materialien angeboten, die die Schulgemeinschaften, nämlich Eltern, Lehrer und Schüler, motivieren sollen, gemeinsam gegen das Suchtproblem anzukämpfen. Aufklärung, Beratung und das Hinführen zu mehr Sport sind die Ziele dieser Aktion. Die Unterrichtsministerin hat also diese Problematik rasch erkannt und handelt dementsprechend. Dafür ist ihr zu danken.


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Den Herrn Innenminister und die Frau Gesundheitsministerin lade ich herzlich ein, diese Aktivitäten der Jugendsuchtprävention zu unterstützen und noch zu ergänzen. In Wahrheit liegt natürlich auch bei diesen beiden Ministern ein Teil der Zuständigkeit, und es sollte in koordinierten interministeriellen Arbeitsgruppen zusätzliche Initiativen geben, um diese Signale zu verstärken.

Der Kollege Barmüller hat ja von Suchtgiftprävention und von der mangelnden Arbeit dieser Bundesregierung in dieser Richtung gesprochen. – Es ist das sicher noch zuwenig, aber es ist sehr vieles in kurzer Zeit in Angriff genommen worden, und ich glaube, daß diese Aktion in allen Schulen vielen Tausenden Eltern sehr, sehr helfen wird, ihre Angst zu überwinden.

Meine Damen und Herren! Zum Abschluß: Heute wird in Deutschland das neue Buch des amerikanischen Erfolgsautors Neil Postman vorgestellt. Er ist Ihnen wahrscheinlich durch sein weltweit bekanntes Buch "Wir amüsieren uns zu Tode" in Erinnerung. Sein neuer Buchtitel heißt "Keine Götter mehr", und auf die Jugend bezogen schreibt Neil Postman – Zitat –: "Besonders junge Menschen müssen etwas haben, woran sie glauben können." – Er ist kein Christdemokrat, aber er schreibt: Junge Menschen müssen etwas haben, woran sie glauben können.

Ich sage dazu: Wenn es wir nicht schaffen, der Jugend Werte zu vermitteln und ihr zu helfen, sich vor verbrecherischen Versuchungen zu schützen, dann werden es andere tun, und zwar anders, als wir alle es wollen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lafer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.38

Abgeordneter Franz Lafer (Freiheitliche): Herr Präsident! Werte Herren Minister! Geschätzte Damen und Herren! Wir debattieren heute den Sicherheitsbericht über das Jahr 1994. Dieser Sicherheitsbericht, dieses gedruckte Buch, enthält wirklich alle Eckdaten, viele Tabellen und auch sogenannte Zukunftsvisionen, Maßnahmen, die in den kommenden Jahren im Bereiche der Exekutive beziehungsweise im Bereiche der Sicherheit zu setzen sind.

Daß wir erst heuer, im Jahre 1996, über den Sicherheitsbericht 1994 diskutieren, ist zwar traurig, aber er konnte wegen der Nationalratswahlen 1995 wahrscheinlich nicht früher in Behandlung genommen werden. Was mich aber stört, ist der Umstand, daß die Kriminalstatistik 1994 bereits in der Ausgabe Mai/Juni einer Druckschrift der Bundesgendarmerie vollinhaltlich enthalten war, und zwar mit allen Daten der Steigerung und der Abnahme bei Kriminaldelikten, daß aber diese Zahlen dem Parlament und uns Abgeordneten hier vorenthalten wurden.

Herr Minister! Ich frage Sie, warum es nicht möglich war, daß diese Statistik, die in einem Druckwerk bereits enthalten war, schon früher dem Parlament beziehungsweise den Abgeordneten zugeleitet werden konnte.

Herr Minister! Ich habe im Zusammenhang mit Ihren Ausführungen auch noch einige Fragen an Sie. Sie haben heute davon gesprochen, daß gelegentlich "Dreckspritzer" gegen die Exekutive von seiten der Freiheitlichen Partei kommen. – Ich frage Sie: Wo sind solche Fälle bekannt?

Ich kann mich nicht daran erinnern, daß von seiten der FPÖ, von deren Abgeordneten "Dreckspritzer" gegen die Exekutive gekommen wären, denn auch wir Freiheitlichen loben die Arbeit der Exekutive. Gerade die Exekutive, die wir in Österreich haben, ist dazu da, den Bürgern zu ihrem Recht zu verhelfen, wenn sie in Bedrängnis sind.

Des weiteren ist mir heute aufgefallen, daß Kollege Elmecker von Planstelleneinsparungen im öffentlichen Dienst gesprochen hat. Planstelleneinsparungen bei der Exekutive: zirka 1 000. – Herr Minister! Sie haben in der letzten Sitzung des Innenausschusses gesagt, daß es im Bereich des Außendienstes zu keinen Einsparungen kommen soll, sondern daß vorwiegend in der


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Verwaltung und in anderen Bereichen danach getrachtet wird, Potential einzusparen; der Außendienst sollte nicht berührt werden.

Nun habe ich aber ein Papier in die Hände bekommen, wonach zum Beispiel in folgenden Bezirken Niederösterreichs folgende Anzahl an Planstellen eingespart werden soll: Gmünd: 8, Horn: 2, Krems-Land: 15, Neunkirchen: 7, St. Pölten: 5, Wiener Neustadt: 2, Waidhofen/Thaya: 4, Wien-Umgebung: 10; also insgesamt 53 Planstellen. Das sind Planstellen, die für den Außendienst und nicht für den Innendienst oder die Verwaltung bestimmt sind.

Im Bereich der Bundespolizeidirektion sollen im Jahr 1996 264 und im Jahr 1997 254 Planstellen eingespart werden. Im Bereich der Bundesgendarmerie 220 Planstellen im Jahr 1996 und 220 Planstellen im Jahr 1997. Daraus kann man schließen, daß die Sicherheit auf jeden Fall gefährdet wird.

Ausgangspunkt dieses Einsparungspotentials war die Bundesbelastungsstudie 1992 bis 1994, die dieses Potential ergab. In einem Protokoll ist enthalten, daß aufgrund dieser Belastungsstudie, die ja an und für sich nicht angewandt wird, davon ausgegangen wird, daß in den Bundesländern Burgenland und Kärnten je 60 Planstellen, Niederösterreich 50 und Steiermark 20 Planstellen einzusparen sind. Hinsichtlich der Einsparung der Planstellen ist man also sehr wohl von dieser Bundesbelastungsstudie ausgegangen, die bis jetzt noch nicht Gültigkeit hat. Ich frage mich daher, wieso man auf diese Bundesbelastungsstudie zurückgreift, wenn sie im Endeffekt nicht gültig ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Worüber ich mich auch gewundert habe, war die Aussage des Abgeordneten Achs im Innenausschuß. Er meinte, daß die Exekutive sehr gut mit Planstellen und auch den nötigen Beamten dazu ausgestattet sei. Er erwähnte, daß im Burgenland 927 systemisierte Planstellen vorhanden sind, aber 1 237 Beamte dort sind, das heißt, weit mehr als die Zahl der Planstellen und damit ausreichend.

Man müßte Herrn Kollegen Achs einmal erklären, daß es bei der österreichischen Bundesgendarmerie einen Unterschied zwischen der Gendarmerie und dem Grenzdienst der Gendarmerie gibt. Es liegen sowohl örtliche als auch sachliche Kompetenzunterschiede vor. Der Grenzdienst ist für die Grenze zuständig, und die Gendarmerie ist für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit zuständig.

Auf der einen Seite wird – Gott sei Dank! – nach dem Schengener Abkommen und auch den Richtlinien der EU die Grenze zu Nicht-EU-Ländern gestärkt, auf der anderen Seite aber wird im Bereich der Gendarmerie reduziert, man spricht sogar vom Zusperren einiger Gendarmeriedienststellen. Das ist mit Sicherheit nicht in dem Sinne, wie wir es verstehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Abgeordneter Kiss hat in seiner Rede vom subjektiven Sicherheitsgefühl gesprochen. Dieses subjektive Sicherheitsgefühl wird durch die Planstelleneinsparungen bestimmt nicht positiv beeinflußt. Ich frage mich, wie er das sieht, wenn immer weniger Beamte Außendienst versehen. Weniger Beamte im Außendienst bedeutet eine negative Entwicklung: keine Präventivmaßnahmen, weniger Aufklärung und weniger Strafdelikte werden dadurch bekannt. Abgeordneter Kiss hat für mehr Sicherheit und weniger Kriminalität plädiert, aber so kann das nicht gehen.

Abgeordneter Leikam hat davon gesprochen, daß früher die Dienststellen nicht dauernd besetzt waren, heute jedoch im Bereich der Bundesgendarmerie zumindest eine Dienststelle vorhanden ist, wo die Bevölkerung Anzeigen erstatten kann.

Im alten Dienstsystem der Bundesgendarmerie war dieser Punkt wesentlich besser erfüllt als nach dem derzeitigen Dienstsystem. Heute – das kann ich belegen und nachweisen – sind in der Nachtzeit um 50 Prozent weniger Beamte im Außendienst als nach dem alten Dienstsystem. Man kann nicht davon sprechen, daß da die Sicherheit mehr in den Vordergrund gestellt wird, daß damit dem Auftrag der Sicherheit entsprochen wird.


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Wir Freiheitlichen fordern daher: Ausrüstung der Bundesgendarmerie mit den entsprechenden technischen Mitteln, damit – wie Kollege Platter heute schon gesagt hat – die Exekutive den Tätern mit den gleichen Mitteln gegenübertreten kann;

entsprechende Ausrüstung im Bereich des EDV- und Computersystems – wir hinken da sehr nach, und wenn wir dem Schengener Abkommen entsprechen wollen, wird es erforderlich sein, ehebaldigst Geräte anzuschaffen –;

eine schlankere und effektivere Verwaltung, damit die Beamten von den artfremden Tätigkeiten wegkommen und sich wirklich sicherheitsdienstlichen Aspekten widmen können.

Es gibt von der deutschen Gewerkschaft einen sehr guten Spruch: Die Sicherheit ist ein staatspolitischer Auftrag und kann sich nicht nach dem Budget richten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Geschätzte Damen und Herren! In diesem Sinne ersuche ich Sie, der Sicherheit künftig mehr Bedeutung zu schenken sowie für Exekutive und Sicherheit dieses Landes etwas mehr zu tun. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Kiermaier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.48

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Meine verehrten Herren Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Sicherheitsbericht 1994 ist – wie die Berichte der Vorjahre – ein wichtiger Arbeitsbehelf für all jene, die mit der inneren Sicherheit beschäftigt sind. Er ist eine gute und sehr seriöse Unterlage, die einfach notwendig ist, um gute Arbeit in diesem Bereich leisten zu können. Das Zusammentragen derart umfangreichen Zahlenmaterials macht natürlich sorgfältige und zeitaufwendige Recherchen nötig. Und ich möchte bei dieser Gelegenheit auch sagen, daß wir jenen, die diesen Bericht verfaßt haben, gratulieren und uns bei ihnen für ihre Tätigkeit bedanken. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte einiges klarstellen: Zum Beispiel erweist sich das vielstrapazierte Schlagwort von der ständig steigenden Ausländerkriminalität letztlich als nicht zutreffend, denn der Vergleich der Zahlen der Jahre 1994 und 1995 zeigt, daß nur ein Fünftel aller Straftaten und Verbrechen auf das Konto von Ausländern geht und daß der Anteil der ausländischen Kriminellen von 1994 auf 1995 um 2 Prozent gesunken ist. Das sollte man auch einmal sagen. Demgegenüber ist in Deutschland jeder dritte Straftäter Ausländer.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit der Exekutive meinen Respekt bekunden für die hohen Aufklärungsquoten, die wir feststellen können: bei Mord 95,2 Prozent, schwerer Körperverletzung 86,8 Prozent, tödlicher Körperverletzung sogar 100 Prozent. Auch das zeigt, daß wir die Exekutive zu loben haben – es bedarf keiner Ermahnung, daß wir das tun sollen, wie sie mein Vorredner ausgesprochen hat. Wir wissen, was wir an unserer Exekutive haben! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Große Sorge bereitet uns die Jugendkriminalität. Darauf müssen wir unser ganzes Augenmerk richten, in diesem Bereich müssen wir verstärkt Aktivitäten setzen.

Es ist interessant und erschütternd – das ist diesem Bericht zu entnehmen –, daß gerade die Suchtgiftkriminalität eine besorgniserregende Höhe erreicht hat und bei Massentanzveranstaltungen Drogen in erhöhtem Maße gehandelt werden. Das ist sehr bedenklich.

Darüber hinaus gibt auch die Entwicklung im Verkehrsbereich sehr zu denken. Mit der Zahl der Zunahme der Verkehrstoten sind wir in der Skala leider Gottes sehr weit oben; das ist natürlich sehr schlecht. Ich glaube, da muß man der Sache auf den Grund gehen.


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Für eine große Zahl von Unfällen zeichnet Alkoholisierung am Steuer verantwortlich; Alkoholisierung, die oft nach dem Besuch der bereits erwähnten Massenveranstaltungen auftritt und nicht selten eine Kombination von erhöhtem Alkoholkonsum und Drogenkonsum darstellt.

Bei dieser Gelegenheit sollte aber auch folgendes einmal gesagt werden: Die starken Lichteffekte und der Lärm, die in diesen Diskotheken herrschen, wühlen die jungen Leute auf. Wenn sie dann ins Auto steigen, treten sie stärker auf’s Gaspedal, was auf die genannten Gründe zurückzuführen ist. – Das sage nicht ich, sondern das sind Erkenntnisse von Leuten, die sich mit dieser Sache intensiv beschäftigen.

Meine Damen und Herren! Heute wurde sehr viel über Alkoholisierung gesprochen. Ich habe während der Debatte das Landesgendarmeriekommando Niederösterreich angerufen und den diensthabenden Offizier der Verkehrsabteilung gefragt, wie denn die Daten bei den Führerscheinabnahmen sind. Dieser hat mir gesagt: Das Minimum in über 90 Prozent aller Fälle sind 1 Promille; die meisten davon haben 1,5 Promille bis 2 Promille. Nur in ganz wenigen Fällen werden Grenzwerte festgestellt, also 0,9 Promille. – Das sollte man hier auch einmal sagen und nicht immer nur Schwarzweißmalerei betreiben.

Ein großes Problem, dem wir uns allmählich auch stellen müssen, ist die Nichteinhaltung der Höchstgeschwindigkeiten durch Lenker aus unseren Nachbarländern. Beobachten Sie einmal, wie Ungarn, Slowaken, Tschechen auf der Autobahn fahren. Es ist schlecht, daß man sie nicht belangen kann, wenn sie von einem Radargerät erfaßt werden, sodaß sie die entsprechende Strafe zahlen müssen. Eine Änderung in diesem Bereich wäre wirklich dringend anzustreben, um eine gewisse Disziplin herbeizuführen.

Ich möchte zum Schluß noch ein paar Gedanken zu einem Thema bringen, das vielleicht ein Randthema sein mag – es wird noch Gelegenheit sein, darüber zu reden –: die Gemeindewachkörper.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir heute aufgrund einer sparsamen Budgetgestaltung sparen und um jeden Dienstposten kämpfen müssen, dann können wir doch froh sein über Wachekörper, die von den Gemeinden erhalten werden. Und diese Wachekörper gilt es, so rasch wie möglich in vollem Umfang in das Sicherheitspolizeigesetz zu integrieren. Wenn eine Gemeinde der Meinung ist, daß ihr die Sicherheit mindestens so viel bedeutet wie ein zusätzlicher Tennisplatz, ein Hallenbad oder sonst etwas, dann sollte man es ihr ermöglichen, diesbezüglich etwas zu tun.

Zum Beispiel Amstetten, meine Heimatstadt, beweist das sehr deutlich. Wir haben fünf Beamte, und diese arbeiten mit der Gendarmerie hervorragend zusammen. Aufgrund der derzeitigen Lage ist es unheimlich schwierig, Lösungen zu finden, daß dieses System in vollem Umfang erhalten werden kann.

Wenn zum Beispiel – wie das bei uns sehr oft der Fall ist – die Autobahn gesperrt wird und der gesamte Verkehr durch die Stadt fährt, regelt eine Kette von Exekutivorganen diesen Verkehr, und in dieser Kette stehen auch die Gemeindewachebeamten. Diese können jedoch mit der Gendarmerie nicht funken, weil es nicht gestattet ist. – Das versteht doch kein Mensch, niemand versteht das!

Das ist etwas, dem wir uns zu stellen haben. Wir haben das zu regeln. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Sind Sie in der Regierung oder was?) Wir haben diesbezüglich bereits sehr positive Signale, auch vom Herrn Bundesminister, erhalten. (Ruf bei den Freiheitlichen: Funksignale!) Ich bin sehr froh darüber, daß dies so ist. Vielleicht mag es Ihnen lustig erscheinen, aber das ist eine wichtige Sache, das kann ich Ihnen sagen. (Abg. Dr. Haider: Funksignale! Ihr seid ja in der Regierung!) Trotzdem darf es möglich sein, daß man das diskutiert. (Abg. Dr. Haider: Dann macht es, ihr seid ja in der Regierung!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte allen Exekutivbeamten von dieser Stelle aus ein herzliches Dankeschön sagen für ihre Arbeit, die sie Tag und Nacht leisten. Jeder, der schon einmal – so wie ich – mit ihnen mitgefahren ist, sich all das angesehen hat, erlebt hat,


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was sich in der Nacht abspielt, weiß, wovon ich rede, hat Achtung vor diesen Männern und schätzt ihre Tätigkeit. In diesem Sinne von diesem Platz aus ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.56

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. – Herr Abgeordneter! Ich erteile es Ihnen und weise darauf hin, daß ich Sie – wegen der dringlichen Anfrage – nach vier Minuten unterbrechen werde.

Bitte, Herr Abgeordneter.

15.56

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Es ist natürlich höchst unangenehm, hier "geteilt" zu sprechen, insbesondere, wenn man einen umfangreichen Antrag einbringen möchte. Da es ja nach der Geschäftsordnung zulässig ist, daß man, wenn man die Redezeit nicht voll ausschöpft, noch einmal zu Wort kommt, möchte ich auf den derzeitigen Redebeitrag, der unterbrochen werden soll, verzichten und mich nachher wieder auf die Rednerliste setzen lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe.)

15.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter! Ich habe Ihren letzten Satz nicht gehört. Was haben Sie gesagt? (Abg. Dr. Graf: Nach der Dringlichen werde ich meine Wortmeldung wieder auf die Rednerliste setzen lassen!) Gut, bitte.

Als nächster auf der Rednerliste steht Herr Dr. Puttinger. – Bitte, Herr Doktor. (Abg. Dr. Puttinger: Ich bitte, mir fünf Minuten zu geben, damit ich fertig werde!)

15.58

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Fast alle meine Vorredner haben sich mit dem Bereich Inneres des Sicherheitsberichtes befaßt, ich darf in einigen Punkten auf den Bereich Justiz eingehen.

Herr Minister! Im Bereich der Staatsanwaltschaften fällt auf, daß der Neuanfall gleich um ein Viertel, das heißt auf zirka 177 000 Anzeigen, zurückgegangen ist. In Zeiten der Notwendigkeit zum Sparen erwarte ich mir nun von der Justizbehörde rasche Reaktionen in Richtung Personal- und Materialeinsatz – da noch dazu der Neuanfall im Vorjahr auch um 10 Prozent zurückgegangen ist! Auf die Privatwirtschaft übertragen, könnten diese Umsatzverluste von 10 und 25 Prozent nicht ohne Konsequenzen bleiben. In den Bundesländern gibt es derzeit 198 Staatsanwälte, in der Generalprokuratur 14. Im Jahr 1995 kamen noch 5 Staatsanwälte dazu. Herr Minister! Ich würde Sie bitten, im Rahmen des Rückgangs beim Aktenanfall auch bei den Staatsanwälten entsprechend einzusparen.

Als erfreulich ist auch der Rückgang der Zahl der Verfahren aus den Vorjahren zu bewerten. Die Reduktion erfolgte von 9 400 auf zirka 8 700 alte Fälle. So positiv dieser Rückgang ist, so negativ empfinde ich es, daß sich die Verfahren zum Teil über Jahre hinausziehen und Jahre dauern. Es ist ja fast skandalös, daß 218 Fälle aus dem Jahr 1991 und von früher stammen und 570 aus dem Jahr 1992. Man kann in diesem Zusammenhang also wirklich nicht von Verbesserungen sprechen.

Halten wir uns das Zitat von Pestalozzi vor Augen, der sagte: Die Sicherheit des Rechts gebiert das Vertrauen. Ich appelliere daher an Sie, gebieren und schaffen Sie dieses Vertrauen! Wirken Sie auf die Beteiligten ein, Herr Minister, die Verfahren – sei es im strafrechtlichen oder im zivilrechtlichen Bereich – zügiger durchzuführen!

Ich wiederhole hier auch meine grundsätzliche Feststellung, die ich das letzte Mal beim Sicherheitsbericht abgegeben habe, als ich gefragt habe, wie ausgeprägt das Unrechtsbewußtsein eines Täters ist, der erst nach vielen Jahren verurteilt wird. Ich wage zu behaupten: relativ


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gering. Denn wenn die Strafe nicht auf den Fuß folgt, dann hat das Recht sein Recht, glaube ich, verloren.

Was mich besonders freut, ist, daß der Sicherheitsbericht wieder die Wichtigkeit der Bezirksgerichte betont, indem er 72,2 Prozent aller Strafverfahren als in die Zuständigkeit der Bezirksgerichte fallend ausweist.

Da es 16 Uhr ist, ich dieses Thema aber doch ein bißchen mehr ausführen möchte, werde ich an dieser Stelle meine Rede unterbrechen müssen. (Beifall bei der ÖVP.- Abg. Dr. Khol: Ausgezeichnet!)

16.01

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Danke, Herr Abgeordneter.

Herr Abgeordneter! Sie haben noch eine Restredezeit von 7,3 Minuten.

Ich unterbreche nun die Verhandlungen zum Punkt 1 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung der dringlichen Anfrage gemäß der Geschäftsordnung und wie anberaumt um 16 Uhr stattfinden kann.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dkfm. Holger Bauer und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend steigende Arbeitslosigkeit und weitere Zuwanderung von Ausländern nach Österreich (603/J)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 603/J. Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

In der Regierungserklärung vom 13. März 1996 hat der Bundeskanzler zutreffend ausgeführt, daß die Arbeitslosigkeit wieder zu einem der drängenden Probleme der Gesellschaft werde. Eines der ganz großen Ziele der Bundesregierung sei es, den Standort Österreich auszubauen und die Beschäftigung zu sichern. Österreich habe hochqualifizierte Arbeitskräfte und verfüge über viel Kreativität, Einsatz und Fleiß. Deshalb habe die Bundesregierung eine neue Offensive für Wachstum und Beschäftigung ins Leben gerufen.

Von diesen angekündigten Bestrebungen ist bisher nichts zu merken. Vielmehr zeigen die weiter steigenden Arbeitslosenzahlen, daß die Bundesregierung bei ihrem Versprechen, die Vollbeschäftigung in Österreich wiederherzustellen, kläglich versagt hat:

Die Arbeitslosigkeit hat im Februar 1996 mit rund 294 000 betroffenen Personen und einer Arbeitslosenquote von 9 Prozent einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Steigerung der Arbeitslosigkeit beträgt auch m Monat März 1996 gegenüber dem Vorjahr bei den inländischen Arbeitslosen 13,8 Prozent, bei den ausländischen Arbeitslosen 28,1 Prozent. Dem steht eine Zahl von rund 274 000 beschäftigten Ausländern in Österreich gegenüber.

Die Arbeitslosenzahlen werden nicht nur von der Wirtschaftsentwicklung, sondern auch von Steuerungseffekten staatlicher Regelungen beeinflußt. Gerade wenn die Situation auf dem Arbeitsmarkt schwieriger wird, müssen deshalb die staatlich geschaffenen Rahmenbedingungen darauf überprüft werden, ob sie die Arbeitslosigkeit begünstigende Fehlsteuerungen enthalten. In den Bereichen des Fremdenrechtes und der Ausländerbeschäftigung ist eine Änderung der derzeitigen Rahmenbedingungen dringend notwendig.

Auf dem Arbeitsmarkt bedeutet eine hohe Arbeitslosenrate einen deutlichen Überhang an Arbeitssuchenden. Jede Maßnahme, die geeignet ist, Mitbewerber von diesem Markt fernzuhalten, ist daher grundsätzlich geeignet, die Arbeitslosigkeit zu senken. Aus diesem Grunde


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ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales nach § 12 a Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz verpflichtet, jährlich die zulässige Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer festzusetzen. Für 1996 wurde die Bundeshöchstzahl mit 263 000 festgelegt. Laut der vom Arbeitsmarktservice Österreich herausgegebenen Statistik wird diese Bundeshöchstzahl aber laufend überschritten, so etwa im März 1996 um rund 11 000, das sind 4 Prozent. Die mit Verordnung festgelegten Landeshöchstzahlen für das Jahr 1996 in der Höhe von insgesamt 205 500 wurden Ende März 1996 um rund 55 Prozent überschritten. Es waren zu diesem Stichtag 317 875 Bewilligungen erteilt.

Erschwerend kommt hinzu, daß aufgrund des jüngst bekanntgewordenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Mai 1996 etwa 40 000 türkische Staatsangehörige nach vier Jahren Aufenthalt EU-Bürgern gleichgestellt sind und daher keine Aufenthalts- und Beschäftigungsbewilligung mehr benötigen. Es erscheint im Sinne des Schutzes inländischer Arbeitskräfte daher eine Reduktion der Höchstzahlen der Ausländerbeschäftigung dringend erforderlich. Auch hinsichtlich der 85 000 Kriegsflüchtlinge aus Bosnien werden Maßnahmen der Bundesregierung erforderlich sein, um ihnen eine Rückkehr in ihre Heimat zu erleichtern und damit eine erhebliche Entlastung des Arbeitsmarktes zu erzielen.

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Herrn Bundesminister für Arbeit und Soziales nachstehende

dringliche Anfrage:

1. Wie hat sich der österreichische Arbeitsmarkt in den letzten fünf Jahren hinsichtlich

a) der Beschäftigung von In- und Ausländern,

b) der vorgemerkten arbeitslosen In- und Ausländer und

c) der gemeldeten offenen Stellen

entwickelt?

2. Wie viele ausländische Arbeitskräfte wurden in Österreich im März 1996 beschäftigt, die keine Arbeitsbewilligung benötigen (zum Beispiel EWR-Staatsangehörige)?

3. Wie viele ausländische Arbeitskräfte, die keine Arbeitsbewilligung benötigen, waren im März 1996 arbeitslos?

4. Warum wird die Bundeshöchstzahl laufend überschritten, etwa Ende März 1996 um 11 000?

5. Warum wurden die Landeshöchstzahlen mit 205 500 festgelegt, wenn sie in der Folge laufend, zum Beispiel im März 1996 um 55 Prozent, überschritten werden?

6. Wie beurteilen Sie aus der Sicht des österreichischen Arbeitsmarktes den jüngsten Vorschlag von Innenminister Dr. Einem, wonach bei Angehörigen von Ausländern die Bewilligungspflicht entfallen solle?

7. Welches Arbeitskräftepotential würde nach diesen Vorstellungen den österreichischen Arbeitsmarkt zusätzlich belasten?

8. Wie beurteilen Sie aus der Sicht des österreichischen Arbeitsmarktes die Auswirkungen des Erkenntnisses des VwGH bezüglich der Gleichstellung türkischer Staatsangehöriger mit EU-Bürgern? Bedeutet dies insbesondere, daß jener Personenkreis nicht mehr im Rahmen der Bundeshöchstzahl Berücksichtigung findet?

9. Wie hoch ist die Anzahl von türkischen Staatsangehörigen, auf welche jenes Erkenntnis des VwGH Anwendung findet?


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10. Welche weiteren Belastungen sind für den österreichischen Arbeitsmarkt durch dieses Erkenntnis in der nächsten Zeit aufgrund der Zuwanderungszahlen der letzten Jahre zu erwarten? Bedeutet dies insbesondere, daß nun ein "Lohn-Dumping" bei weiterer Zuwanderung zu erwarten ist?

11. Werden Sie aufgrund dieses Erkenntnisses Maßnahmen setzen, um zusätzliche Belastungen des österreichischen Arbeitsmarktes zu verhindern?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

Werden Sie eine Senkung der Bundeshöchstzahl vorschlagen?

12. Wie beurteilen Sie die Belastungen für den österreichischen Arbeitsmarkt, die durch die Kriegsflüchtlinge aus Bosnien entstanden sind?

13. Ist derzeit, unter Anlegung der vorherrschenden politischen Lage in Bosnien, eine Tendenz zur Rückkehr in die Heimat bei den in Österreich aufhältigen Bosniern erkennbar?

14. Um wie viele Personen handelt es sich hiebei und welchen Status genießen sie aufgrund welcher, bis wann geltenden Rechtsgrundlage?

15. Werden Sie Maßnahmen setzen, um die Rückführung dieser Kriegsflüchtlinge im Zuge des Friedensabkommens von Dayton zu begünstigen beziehungsweise zu beschleunigen?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

16. Werden Sie dafür auch Mittel der Arbeitsmarktverwaltung oder andere Mittel Ihres Ressorts einsetzen?

17. Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um den Zuzug von weiteren ausländischen Arbeitskräften zu stoppen, solange die österreichische Arbeitslosenquote ihr gegenwärtiges, besorgniserregendes Niveau behält?

18. Werden Sie dafür eintreten, auch jene ausländischen Arbeitskräfte, die keine Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz benötigen, in die Bundes- bzw. Landeshöchstzahl einzubeziehen?

19. Liegen Ihnen Berechnungen beziehungsweise Schätzungen vor, wie sich der zu erwartende Familiennachzug prozentuell auf Kinder, Ehegatten beziehungsweise sonstige allfällige Anspruchsberechtigte voraussichtlich aufteilen wird?

Wenn ja, welche diesbezüglichen Zahlen liegen Ihnen vor?

Wenn nein, warum nicht?

20. Liegen Ihnen Berechnungen beziehungsweise Schätzungen vor, welche voraussichtlichen Zusatzkosten aufgrund des zu erwartenden Familiennachzuges in den folgenden Bereichen jeweils anfallen werden: Kindergartenplätze, Pflichtschulplätze, Berufsschulplätze, Mitversicherung für Ehegatten beziehungsweise Kinder.

21. In zirka 20 Jahren wird der Ausländeranteil von derzeit 4 Prozent auf 18 Prozent unter den Pensionisten ansteigen. In welchem Ausmaß wird dadurch das Pensionssystem belastet?


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In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinn des § 93 Abs. 4 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt dringlich zu behandeln.

*****

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Dkfm. Holger Bauer als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. Seine Redezeit beträgt 40 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

16.02

Abgeordneter Dkfm. Holger Bauer (Freiheitliche): Hohes Haus! Herr Bundesminister! Österreich ist seit dem vergangenen Jahr – bis heute – mit der größten Pleitewelle und den höchsten Arbeitslosenzahlen seit den Nachkriegsjahren konfrontiert.

Die Arbeitslosigkeit hat im Februar dieses Jahres mit einer Quote von rund 9 Prozent einen neuen Höhepunkt erreicht. Die rund 265 000 Arbeitslosen des Monats März teilen sich auf rund 227 000 Inländer und rund 37 000 Ausländer auf. Zu beachten und interessant in diesem Zusammenhang ist, wie die Steigerungsraten ausschauen, nämlich einerseits bei den Inländern und andererseits bei den Ausländern. Die Steigerungsrate bei arbeitslosen Inländern betrug im gegenständlichen Zeitraum 13,8 Prozent – schlimm genug –, bei ausländischen Arbeitslosen hingegen 28,1 Prozent. Also 13,8 Prozent gegenüber 28,1 Prozent.

Das entspricht im übrigen einer seit längerem zu beobachtenden Tendenz und Tatsache, nämlich der, daß der Anteil der ausländischen Arbeitslosen, prozentuell gerechnet, höher ist als jener der Inländer.

Ich habe gesagt, daß dies zu beachten und von Interesse ist, weil ich mich schon frage, welches Gastarbeitersystem denn das ist, das zum Nutzen beider – nämlich der Gastarbeiter auf der einen und der österreichischen Wirtschaft auf der anderen Seite – beitragen soll. Ist es sinnvoll und richtig, wenn ein Gastarbeitersystem unterm Strich mehr Arbeitslosigkeit, höhere Arbeitslosenraten bei gastarbeitenden Ausländern produziert als bei den Einheimischen? Da kann doch etwas nicht richtig sein. Das allein zeigt schon, daß an Ihrem System der Gastarbeiterquoten etwas faul sein muß. (Beifall bei den Freiheitlichen. )

Das sind übrigens Fakten und Zahlen, die jeder nachlesen kann. Sie stammen aus Publikationen des österreichischen Arbeitsmarktservice. Es wird mir niemand unterstellen können, ich hätte mir da irgend etwas zusammengebastelt oder zusammengereimt. Die Zahlen zusammen- und gegenübergestellt habe sehr wohl ich selbst, das werden Sie mir wohl zugestehen, aber sie stammen alle aus besagten Publikationen.

Ich sage Ihnen der Vollständigkeit halber jetzt noch ein Faktum, nämlich daß den rund 230 000 beschäftigungslosen Inländern rund 275 000 beschäftigte Ausländer gegenüberstehen. Wenn ich eben gesagt habe, ich füge das der Vollständigkeit halber hinzu, dann will ich damit zum Ausdruck bringen, daß mir bewußt ist, daß man diese beiden Zahlen – 230 000 beschäftigungslose Inländer auf der einen Seite und 275 000 beschäftigte Ausländer auf der anderen Seite – nicht so ohne weiteres gegenrechnen kann. Das ist mir klar und bewußt. (Ruf bei der SPÖ: Warum sagen Sie es dann?)

Herr Kollege! Das unterscheidet uns. Wenn Ihnen ein Faktum nicht gefällt, dann wird es beiseite geschoben, verdrängt, dann darf man gar nicht mehr darauf hinweisen, denn daraus könnten Konsequenzen und Schlußfolgerungen entstehen, die Sie nicht wollen – aus welchen Gründen auch immer. In diesem Punkt unterscheiden wir uns: Wir Freiheitlichen zerbrechen uns den Kopf auch über an sich nicht so leicht von vornherein zu analysierende und zuzuordnende Tatsachen und Ursachen, um eine Lösung des Problems herbeizuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen. )

Ich sage Ihnen: Man müßte diese Debatte über das Problem, daß es auf der einen Seite 230 000 beschäftigungslose Inländer gibt und auf der anderen Seite 275 000 beschäftigte Aus


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länder, man müßte diese Debatte – und könnte sie wohl auch, wenn man nur wollte – einmal in aller Ernsthaftigkeit führen. Man müßte erstens in Richtung Effizienz und Konsequenz der österreichischen Arbeitsplatzvermittlung untersuchen. (Abg. Öllinger: Aber ohne Sie, damit die Ernsthaftigkeit gewährt ist!) Lieber Freund, paß ein bißchen auf, vielleicht wirst du es dann nachvollziehen können, was ich meine und will!

Zweitens: Man könnte und müßte diese Debatte in die Richtung führen, inwieweit es an – lassen Sie es mich einmal so formulieren – Anreizen mangelt, in ein legales Beschäftigungsverhältnis zurückzukehren, wenn man einmal – aus welchen Gründen auch immer – aus diesem ausgeschieden ist. – Weil ganz einfach unser erfreulich dichtes und sicheres Sozialnetz, kombiniert mit einem konsequent durchgeführten Pfusch, unterm Strich oft mehr einbringt, als wenn man einer vergleichsweise mühevollen offiziellen – um nicht zu sagen: legalen – Beschäftigung nachgeht. Auch von dieser Seite muß dieses Problem ohne irgendwelche Vorurteile und Präjudizierungen einmal untersucht werden. Darauf werden Sie kommen, wenn Sie sich damit ernsthaft auseinandersetzen.

Man müßte diese Diskussion sicher auch einmal in die Richtung führen, daß Unternehmer bei entsprechendem Angebot – ich unterstreiche: "bei entsprechendem Angebot" –, aus Überlegungen des Gewinnstrebens, der Gewinnmaximierung eher billigere, ausländische Arbeitskräfte beschäftigen als die teureren inländischen – sofern sie, wie bereits gesagt, das entsprechende Angebot vorfinden.

Die österreichischen Unternehmer kann ich daher noch bis zu einem gewissen, sehr eingeschränkten Grad verstehen – auch wenn das, was sie teilweise tun, wie ich nachher noch darlegen werde, sehr kurzsichtig ist.

Aber überhaupt nicht verstehen kann ich, Herr Kollege Verzetnitsch, Frau Kollegin Hostasch, die offiziellen Vertreter der österreichischen Arbeitnehmerschaft, die einer Politik die Hand leihen, sie unterstützen – was heißt unterstützen, sie tragen sie! –, daß es ein derart großes Angebot an billigen, ausländischen Arbeitnehmern gibt, wodurch – ich werde Ihnen gleich eine OECD-Studie zur Kenntnis bringen – österreichische Arbeitnehmer vom österreichischen Arbeitsmarkt verdrängt werden. Das verstehe ich absolut nicht! Das muß ich Ihnen in aller Deutlichkeit und Ehrlichkeit sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin Hostasch! Ich habe Ihnen schon gesagt: Das ist keine Behauptung der FPÖ. Sie müßten nur die Güte haben und Ihre Mitarbeiter bitten, daß sie Ihnen solche Berichte vorlegen. Sie müßten nur den OECD-Bericht aus dem Jahr 1992 lesen, da wurde das schon geschrieben – also rechtzeitig! Sie hätten daher längst, wenn Sie es schon selbst nicht durchschaut haben, Ihre Politik ändern können.

In dieser Österreich-Studie wird festgestellt, daß der große Zustrom an ausländischen Arbeitnehmern zu einer Verdrängung inländischer Arbeitnehmer auf dem österreichischen Arbeitsmarkt geführt hat. – Ende des Zitats aus der OECD-Studie 1992. Also keine Erfindung des Herrn Bauer.

In dieser Studie der OECD wird aber noch etwas festgestellt: Da es sich bei diesem Zustrom an ausländischen Arbeitnehmern überwiegend um "minderqualifizierte" – nicht meine Wortwahl – "Arbeitnehmer" handelt, führt dies zu einem Absinken der Produktivitätskennzahlen der österreichischen Wirtschaft. Auch dies stammt aus dem OECD-Bericht, nicht von Holger Bauer oder den Freiheitlichen. Und ich denke, die Damen und Herren, die in der OECD werken, werden doch auch ein bißchen etwas davon verstehen – nicht nur Sie von der Arbeiterkammer, vom Gewerkschaftsbund und vom Österreichischen Wirtschaftsbund. Also so einfach, wie Sie es sich machen, liegen die Dinge offensichtlich nicht.

Sie haben jedenfalls – das ist das Resümee aus dieser Studie – mit der Zuwanderungspolitik, die Sie betrieben haben und weiter betreiben, nicht nur den heimischen Arbeitnehmern, Frau Hostasch und Herr Verzetnitsch, sondern, Herr Kollege Stummvoll, auch der österreichischen Wirtschaft insgesamt – Stichwort: sinkende Produktivität durch zu viele unqualifizierte Arbeitnehmer – Schaden zugefügt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Ich frage mich immer wieder und immer öfter, warum Sie denn nicht endlich auf das von uns Freiheitlichen seit langem vorgeschlagene Schweizer Saisonnier-Modell umschwenken und von Ihrem offensichtlich untauglichen Gastarbeiter-Quotenmodell abgehen. (Abg. Dr. Stummvoll: Das tun wir doch eh!) Sie tun es nicht. Sagen Sie nicht, wir tun es ohnehin. Wo denn? Wann denn? Wer denn? – Niemand! (Abg. Dr. Stummvoll: 50 000 Saisonniers!)

Schauen Sie sich doch das von Herrn Khol ausverhandelte Integrationspaket an. Wo ist denn da irgendwo zumindest auch der Saisonnier verankert? – Nirgends, gar nirgends! (Abg. Dr. Stummvoll: 50 000 Saisonniers!) Ich weiß, daß Sie das draußen erzählen, aber es ist nicht wahr. Sie sagen die Unwahrheit – oder Sie verdrängen die Wahrheit, Herr Kollege Stummvoll! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich frage mich wirklich, warum Sie das nicht tun. Ich sage Ihnen, warum Sie es in Wirklichkeit nicht tun, denn ich kann doch nicht annehmen, daß Sie es nicht verstehen, worum es dabei geht, und Sie die Vorteile, die dieses Modell gegenüber dem von Ihnen praktizierten aufweist, nicht sehen: Ich habe den Verdacht, Sie stellen deswegen nicht um, weil der Vorschlag von uns Freiheitlichen gekommen ist und weiter kommen wird.

Wie auch immer: Wenn es ein Modell gibt, Herr Kollege Stummvoll, das einerseits einen tatsächlichen oder vermeintlichen Bedarf der österreichischen Wirtschaft an gewissen zusätzlichen Arbeitnehmern deckt, ohne daß andererseits ein nennenswerter Verdrängungsprozeß auf dem Arbeitsmarkt stattfinden muß, ohne daß ins Gewicht fallende Folgekosten durch den Zustrom ausländischer Arbeitskräfte entstehen, wenn es also ein solches Modell gibt, dann ist es das Schweizer Saisonnier-Modell. Nicht umsonst wenden es die Schweizer, die ja bekanntlich rechnen können, an, Herr Kollege Feurstein. – Ob Sie rechnen können, entzieht sich meiner Kenntnis, aber da Sie den Kopf schütteln, können Sie es offensichtlich nicht. – Die Schweizer wenden diese Modell seit Jahrzehnten an, und man kann ihnen auch nicht von vornherein unterstellen, daß sie generell von besonderer Fremdenfeindlichkeit geprägt seien.

Bevor ich jetzt auf das – Ihre Antwort auf Probleme auf dem Arbeitsmarkt in der heimischen Wirtschaft – geplante Integrationspaket, wie Sie es nennen, zu sprechen komme, möchte ich Ihnen noch ein Zitat zur Kenntnis bringen, das zu dem, was ich Ihnen dazu sagen möchte, sehr gut überleitet.

Es ist ein Zitat aus der Schriftenreihe des ORAC-Verlages "Wirtschaft und Gesellschaft" – diese Schriftenreihe dürfte vor allem den Arbeiterkämmerern nicht ganz unbekannt sein. Daß sie den Artikel gelesen haben, bezweifle ich aber.

In diesem Artikel heißt es – wörtliches Zitat –: "Es ist heute müßig, die Frage zu stellen, ob es sinnvoll war, so viele zusätzliche Arbeitskräfte in so kurzer Zeit im Ausland anzuwerben ... Jetzt muß jedenfalls die Zuwanderung so reduziert werden, daß die ausreichende Versorgung mit Schulen, Wohnungen und anderen Infrastruktureinrichtungen sichergestellt werden kann und die gesellschaftliche Akzeptanz der Ausländer nicht weiter in Gefahr gerät." – Ende des Zitats aus der Reihe "Wirtschaft und Gesellschaft" – ORAC-Verlag, arbeiterkammernahe, sagen wir einmal so.

Das ist exakt die Sicht der Dinge, die wir Freiheitlichen haben. Genau das ist der Punkt: So lange wir nicht die entsprechenden Infrastruktureinrichtungen, wie Kindergärten, Schulen – ich zähle das jetzt ein bißchen unsystematisch auf –, Lehrstellen, Sozialeinrichtungen, Wohnungen et cetera zur Verfügung stellen können und gleichzeitig über eine exorbitant hohe Arbeitslosenrate verfügen, fordern wir Freiheitlichen: Stopp der Zuwanderung, bis die Arbeitslosenrate auf ein vertretbares Maß reduziert werden konnte und wir uns diese Dinge leisten können! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist genau unser Standpunkt.

Wenn ich mir hingegen nun als Antwort auf alle diese Probleme Ihr geplantes Integrationspaket ansehe, kann ich nur sagen: Sie haben wenig dazugelernt – oder Sie ziehen aus all den Dingen, die zum Teil in Ihren eigenen Bereichen publiziert werden, keine Konsequenzen. Sie ziehen sie nicht, und ich frage mich: warum? Ich finde keine wirkliche Antwort darauf – außer Ideologie, die Sie blind und taub für all diese Dinge macht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Wenn ich mir Ihr Integrationspaket ansehe, frage ich mich auch, ob Ihnen überhaupt als Voraussetzung dafür, richtige Antworten zu geben, die Dimension und die tiefergehenden Ursachen dieser Probleme bewußt sind. – Ich glaube nicht! Vielleicht lesen Sie all diese Studien, vielleicht auch nicht, ich weiß es nicht. Sie handeln jedenfalls nicht danach.

Wir haben zurzeit in Österreich gut 1 Million Ausländer; 275 000 davon leben illegal hier. Das ist eine beachtliche Sache, wenn es sich ein Staat bieten läßt, daß sich von 1 Million Ausländern ein Viertel illegal hier aufhält, aber so ist es nun einmal. – Professor Nowotny schüttelt den Kopf; da kann man nichts machen, meint er wohl. (Abg. Dr. Nowotny: Das ist Ihre Schätzung!)

Darauf habe ich gewartet, daher habe ich mir aufgeschrieben, von wo diese Schätzung kommt, lieber Herr Kollege Nowotny. Sie haben sich ins Knie geschossen, Herr Professor. Diese Schätzung stammt vom Wiener Alt-Bürgermeister Zilk, sie stammt vom neuen Bürgermeister Häupl, sie stammt vom SPÖ-Stadtrat Hatzl und vom Innenministerium, als es noch kein "Ausländerministerium" war, also vom Kollegen Löschnak. Und das, glaube ich, sollte Ihnen genügen, Herr Kollege Nowotny! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny. )

Ich verzettle doch nicht meine Redezeit mit Ihren Zwischenrufen, die ja jeder Substanz entbehren und offensichtlich nur stören sollen, Herr Professor. Das kennen Sie offensichtlich von Ihren Studenten, die werden Sie wohl auch auf diese Art reizen, nehme ich an. (Abg. Dr. Nowotny: Verzetteln Sie sich nur nicht!)

Wenn Sie 1 Million in Relation zur österreichischen Gesamtbevölkerung setzen, dann werden Sie sehr rasch draufkommen – wenn Sie der Grundrechnungsarten fähig sind, und das nehme ich wohl an –, daß wir in Österreich 12 Prozent Ausländer haben. Wir liegen damit im europäischen Spitzenfeld. Ich erwähne das nur, um klarzustellen, daß niemand ein schlechtes Gewissen zu haben braucht, daß wir Österreicher keine europäische beziehungsweise internationale Solidarität auf diesem Sektor gezeigt hätten. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wir liegen mit unserer Solidaritätsleistung im europäischen Spitzenfeld, aber ich glaube, jetzt sollte es damit genug sein, Vorzugsschüler zu spielen.

Es kommt noch etwas hinzu: Diese 12 Prozent verteilen sich ja nicht gleichmäßig auf ganz Österreich, sondern sind konzentriert auf ganz bestimmte Ballungszentren. Ich bin Wiener Abgeordneter, ich weiß, wovon ich spreche. Mein Wahlkreis ist Wien Süd, ein Wahlkreis, in dem die Sozialdemokratie ehemals eine Dreiviertelmehrheit hatte. Sie können froh sein, wenn Sie bei der nächsten Wahl die absolute Mehrheit dort halten, und ich werde alles dazu beitragen, daß Sie sie verlieren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Widerspruch bei der SPÖ.)

Ich habe nicht gesagt, es wird so sein, sondern daß ich mich darum bemühen werde! Sie müssen der deutschen Sprache ein bißchen Feingefühl entgegenbringen und mehr Facetten heraushören. (Abg. Dr. Nowotny: Sie sprechen "teutsch"!) Ja, ich spreche deutsch, so ist es. (Abg. Dr. Nowotny: Sie bemühen sich!) Ja, ich bemühe mich. Aber ich weiß auch, wovon ich spreche.

Wir haben in Wien 470 000 Ausländer. Das entspricht einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von Wien von etwas weniger als 30 Prozent. Und diese 30 Prozent konzentrieren sich auf ganz gewisse Stadtbereiche. (Abg. Mag. Firlinger: 80!) Es gibt bei uns in Wien Bezirke mit einem Ausländeranteil hart an der 50-Prozent-Marke: Fünfhaus und Ottakring. Es gibt Bezirksteile, in denen die Ausländer die Mehrheit stellen. Es gibt in Wien Pflichtschulklassen – Kollege Eder wird es mir bestätigen können – mit einem Ausländeranteil von 70 Prozent.

Sie täten mir unrecht, mir in irgendeiner Form eine grundsätzliche Ausländerfeindlichkeit oder Xenophobie zu unterstellen. (Widerspruch bei der SPÖ.) Wirklich nicht! Aber das muß ich ohnehin mit mir selber ausmachen, ich weiß das für mich, und ich sage es Ihnen auch. (Abg. Öllinger: Schauen Sie sich in den Spiegel!)

Können Sie es Menschen, Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die in solchen Bezirken oder Bezirksteilen wohnen (Abg. Öllinger: Ich wohne! – Abg. Dr. Ofner: Ich auch!), die ihre Kinder in


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Schulklassen mit einem Ausländeranteil von 70 Prozent schicken, verdenken, daß diese das Gefühl, nein die Sicherheit haben, daß sie Fremde in der eigenen Heimat geworden sind, daß sie Sorgen und Ängste, Probleme mit diesem Umstand haben? Das können und sollten Sie doch nicht einfach wegwischen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte daher gewissen Herrschaften vorschlagen, ihre Penthäuser in der City, ihre Villen und Eigentumswohnungen in den Nobelvierteln von Wien zu verlassen und sich etwa in meinen Wahlkreis zu begeben – oder noch besser nach Ottakring oder nach Wien-Fünfhaus. Vielleicht würden die Herrschaften aus den Nobelvierteln und Penthäusern dann die Dimension und alle Facetten dieses Problems begreifen. Dann würden sie sehen und vielleicht begreifen, daß sie mit ihrer bisherigen Zuwanderungs- und Ausländerpolitik, mit ihrer Arbeitsmarktpolitik auf dem Ausländersektor nicht nur dem heimischen Arbeitsmarkt, den österreichischen Arbeitnehmern geschadet haben, sondern der österreichischen Wirtschaft insgesamt. Dann würden sie vielleicht begreifen, daß dieses Problem auch noch andere Facetten hat, nämlich die Facette Wohnungsmarkt, die Facette Kindergärten, die Facette Schulen, die Facette soziale Akzeptanz, die Facette soziale Absicherung für all diese Zuwanderer.

Sie wissen, worum es geht, Frau Kollegin Fuchs. (Abg. Fuchs: Ich wohne in Favoriten!) Ja, ich weiß! Sie ziehen nur nicht die Konsequenzen aus diesen Dingen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Fuchs .) Nein, Sie begreifen das nicht! Nicht Sie persönlich vielleicht, Ihre Partei, Ihre Fraktion, gemeinsam mit der ÖVP, hat es jedenfalls nicht begriffen! Denn Sie setzen diese Ihre Politik – mit dem Integrationspaket zwar unter ein bißchen geänderten Vorzeichen – in der Sache selbst unverändert und konsequent fort. Ich werde das noch nachweisen. (Abg. Mag. Stoisits: Nur weil Sie laut sind, ist das noch nicht richtig! – Abg. Gaál: Wir haben kein Ausländerproblem!)

Bitte das festzuhalten: Mein Kollege aus Wien – das ist ja das Interessante, er ist aus Wien-Favoriten und wird dafür in Kürze, nämlich im bevorstehenden Wahlkampf, geradezustehen haben – sagt glatt: Wir haben kein Ausländerproblem in Wien! (Abg. Gaál: In dem politischen Wahlkreis, wo Sie zu Hause sind, gibt es das nicht!) Kommen Sie doch gemeinsam mit mir, Sie sind ja auch manchmal dort ... (Abg. Gaál: Sie kennt man ja nicht im Wahlkreis!)

Herr Kollege, weißt du, was ich dir darauf sage, ohne daß ich mir darauf etwas einbilde: So viele Vorzugsstimmen wie du habe ich allemal! Nachweisbar! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben nicht begriffen beziehungsweise Sie wollen nicht begreifen, worum es geht, denn Sie setzen mit dem Integrationspaket diese Ihre Politik fort, und das Integrationspaket bedeutet, daß auch in Zukunft bis zu 24 000 neue Zuwanderer pro Jahr nach Österreich kommen können. Sie können sich das selber ausrechnen: Indem Sie alle Quoten zusammenzählen, plus diejenigen Personen, die aus dem Quotennetz herausfallen sollen, kommen Sie auf diese Zahl.

Das heißt, es wird neuerliche zusätzliche Belastungen und neue und zusätzliche Anspannungen vor allem – ich habe es schon erwähnt – im Bereich der Kindergärten, der Schulen, der Lehrstellen, der Wohnungen, der medizinischen Versorgung, der sonstigen Sozialleistungen und vor allem auch der gesellschaftlichen Akzeptanz geben – wenn es noch mehr werden. Wir haben ja jetzt schon Probleme damit, und zu sagen, wir haben sie nicht, das ist Vogel-Strauß-Politik! Und ich verstehe nicht, wie das ein Abgeordneter aus Wien-Favoriten sagen kann. Er soll sich einmal auf den Victor-Adler-Markt hinstellen! Er braucht von der Ausländerpolitik keinen Mauz zu sagen, wenn er dort eine Diskussion führt, aber nach fünf Minuten wird das Thema Ausländer vom Publikum angesprochen, nicht von den Politikern angezündet. So schaut es aus! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber Sie gehen dort offensichtlich nicht hin. Ich sehe Sie auch sehr selten, nur beim Einkaufen, Frau Kollegin Fuchs, habe ich Sie einmal gesehen. (Abg. Fuchs: Einkaufen tut nur mein Mann!)

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas: Zählen Sie die Kosten, die sich in all diesen zusätzlichen Problembereichen durch eine weitere Zuwanderung ergeben, zusammen, dann werden Sie sich wohl endlich die Behauptung abschminken, ein hoher Ausländeranteil stütze durch Steuern und Abgaben unsere öffentlichen Haushalte. Ich bitte Sie! Natürlich, wenn Sie nur die Sozial


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leistungen "Arbeitslosengeld" und Beiträge der Gastarbeiter zur Arbeitslosenversicherung allein hernehmen, dann mag diese Rechnung zurzeit gerade noch aufgehen. Aber wenn Sie die Gesamtkosten und die Folgekosten des hohen Ausländeranteiles in all den Bereichen, die ich hier ziemlich vollständig aufgezählt habe, zusammenzählen, dann werden Sie sehen, daß Sie sich diese Ihre Behauptung abschminken müssen. Sie stimmt ganz einfach nicht! Unsere Ausländer kosten uns mehr, als sie Ertrag bringen, wenn ich das als Ökonom einmal so kalt sagen darf.

Genau aus diesem Grund sagen wir, so wie die Studie des ORAC-Verlages: Stopp der Einwanderung, stopp der Zuwanderung, bis wir diese Probleme lösen und finanzieren können, bis wir eine Arbeitslosenrate haben, die weitere Gastarbeiter verträgt.

Gleichfalls sollten Sie Abschied nehmen von Ihrer trügerischen Hoffnung, daß ein weiter erhöhter Ausländeranteil unsere Pensionen sichert. Das ist ein sehr kurzfristiger Schluß. Mittel- bis langfristig ist es ein Trugschluß, das zu glauben. Sie brauchen sich nur – nicht den Holger Bauer, aber ich habe mich damit beschäftigt, weil es mich interessiert und weil es zur Problematik in meinem Wahlkreis paßt – die Studie des Europäischen Zentrums für Wohlfahrtspolitik anzusehen. Darin wird zuerst einmal vor den sozial- und kulturpolitischen Folgen einer ungebremsten Zuwanderung gewarnt. Es heißt dort dann weiter – ich zitiere –:

Da wird ein Subproletariat geschaffen, das die Drecksarbeit machen soll. Auch bei der inländischen Bevölkerung wird eine massive Zuwanderung nicht auf Zustimmung treffen. – Und weiters: Derzeit gibt es 4 Prozent Ausländeranteil unter den Pensionisten. Im Jahre 2020 werden es aber bereits 18 Prozent sein. Auch sie werden dann das heimische Pensionssystem belasten. Die Überalterung kann durch eine Zuwanderung nicht gelöst werden. Denn es werden wohl kaum nur lauter Null- bis Zehnjährige einreisen, damit unsere Bevölkerungspyramide wieder in Ordnung kommt. – Soweit Zitate aus dieser Studie.

Also schminken Sie sich auch das ab! Gehen Sie nicht hausieren mit dieser Behauptung, die nicht stimmt: Ja, das müssen wir leider machen bei unserer überalterten Bevölkerung, wir brauchen jemanden, der unsere Pensionen zahlt! Das stimmt vielleicht fünf Jahre, vielleicht sechs, sieben Jahre lang. Aber dann dreht es sich um, aus dem in der Studie genannten Grund.

Letzter Punkt: Ebenso sollten Sie aufhören zu behaupten, mit Ihrem beabsichtigten Integrationspaket und seinem darin enthaltenen Anspruch auf Familiennachzug für im Inland befindliche Gastarbeiter oder Ausländer kämen Sie einem international verankerten und daher quasi verpflichtenden Menschenrecht nach. Sie behaupten: Wir erfüllen damit ein Menschenrecht, das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert ist. – Diese Behauptung habe ich gehört, diese Behauptung habe ich gelesen. Sie sagen dort, wo Sie diskutieren müssen und man das vielleicht nicht so gern hört: Das müssen wir sozusagen machen. So argumentieren Sie.

Es hat der Europäische Gerichtshof im Februar dieses Jahres in diesem Punkt eine sehr klare und eindeutige Entscheidung gefällt, an der es überhaupt nichts zu deuteln und zu diskutieren gibt. Sie lautet auf den Punkt gebracht: Die Verweigerung oder die Nichtzulassung eines Familiennachzuges seitens des Gastlandes ist menschenrechtkonform. Es wird auch begründet, warum: weil das Recht des einzelnen auf Familiennachzug dem Recht des Gastgeberlandes, Zuwanderung zu kontrollieren und zu steuern, gegenübergestellt wird.

Ja, der Herr Innenminister lacht, weil er nicht glauben will, daß es so ist. Aber ich kann Ihnen dieses Erkenntnis übermitteln. (Zwischenruf des Bundesministers Dr. Einem. ) Wieso wissen Sie, daß Sie es besser kennen als ich? Sie scheinen von einer gewissen Hybris befallen zu sein, Herr Minister. Aber das habe ich Ihnen immer unterstellt. (Abg. Dr. Khol: Herr Dkfm. Bauer, das betrifft einen Sozialhilfeempfänger!)

Herr Kollege Khol, ich weiß, warum Sie jetzt zwischenrufen: Weil Sie offensichtlich ein schlechtes Gewissen haben, welchen Unsinn Sie da ausverhandelt haben! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Das Urteil ist nicht anzuwenden!)


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Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum – zwar unter geänderten Vorzeichen, aber im Grunde und der Sache nach schon – die bisherige Zuwanderungspolitik fortgesetzt wird. Ich sehe keinen, außer dem, daß Sie Ihre ideologische Brille aufhaben. Oder – vielleicht gilt das für die ÖVP – weil der Druck gewisser, ebenso ideologisch geprägter Kreise – ich denke da etwa an Linkskatholiken – so groß ist, daß Sie durch die Brille blind und durch diesen Druck unempfindlich dafür geworden sind, daß Sie mit dieser Ihrer Politik Österreich nicht nützen, sondern schaden (Beifall bei den Freiheitlichen) , daß Sie mit Ihrer Arbeitsmarktpolitik, mit Ihrer Zuwandererpolitik, mit Ihrer Ausländerpolitik mehr Kosten als Ertrag produzieren.

Sie sind blind und unempfindlich dafür geworden, zu sehen, daß Sie mit dieser Ihrer Politik die gesellschaftliche Akzeptanz von Ausländern weiter und verstärkt gefährden und damit letztlich – ich wünsche mir das nicht, und ich werde nichts dazu beitragen – den sozialen und inneren Frieden Österreichs gefährden.

Hohes Haus! Wir Freiheitlichen wollen anläßlich dieser dringlichen Anfrage mit Ihnen all diese Dinge in Ruhe, Besonnenheit, aber in Ernsthaftigkeit erörtern und diskutieren. – Manchmal habe ich noch einen Temperamentsanfall, trotz meiner gut 50 Jahre, Herr Kollege Khol, aber: Ich habe mich bemüht, die Dinge seriös, mit Fakten unterlegt darzulegen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Khol. ) Sie dürfen nicht immer vom Ton gleich auf den Inhalt schließen, Herr Kollege Khol. (Abg. Dr. Khol: Linkskatholik hat mich noch keiner genannt!)

Wir wollen mit dieser dringlichen Anfrage erreichen, daß Sie die Karten offen auf den Tisch legen. Herr Kollege Khol und Herr Kollege Kostelka – Sie beide haben das ja im wesentlichen mit dem Innenminister und dem Herrn Minister Hums ausgehandelt (Abg. Dr. Khol: Kollege Kostelka war nicht dabei!) –, wir wollen mit dieser Diskussion, die wir heute mit Ihnen führen wollen – dringlich führen wollen!- , hintanhalten, daß Sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen die Öffentlichkeit über die wahren Fakten und Gegebenheiten hinters Licht führen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir wollen die Hoffnung nicht von vornherein aufgeben – wenn ich Ihren süffisanten Gesichtsausdruck sehe, Herr Kollege Khol, dann zweifle ich daran –, daß, wenn die Debatte ernsthaft und mit Besonnenheit geführt wird, ein nochmaliges Überdenken dessen möglich ist, was Sie jetzt in ein Gesetzesvorhaben kleiden wollen.

Wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben, weil wir überzeugt davon sind, ja weil wir wissen, daß dies gut für Österreich wäre. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Herr Bundesminister Hums. Ich erteile es ihm.

16.37

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Einleitend möchte ich – wie schon bei mehreren Sondersitzungen – noch einmal betonen, daß für die österreichische Bundesregierung und für die Koalition die Beschäftigungspolitik, die Sicherung von Arbeitsplätzen und das Bekämpfen von Arbeitslosigkeit wie in den letzten Jahren auch jetzt und in Zukunft Priorität haben wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Scheibner: Bitte nicht wie in den letzten Jahren!)

Dazu gehört eine integrierte und durchaus auch kontrollierte, der jeweiligen Situation angepaßte Politik der Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften. (Neuerlicher Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Entscheidend ist für uns aber, daß wir auch in Zeiten einer international schlechteren Wirtschaftsentwicklung, die wir nicht wegdiskutieren können, und trotz der Budgetkonsolidierung unsere Maßnahmen zur Beschäftigungspolitik fortsetzen. Ich möchte nur kurz an das erinnern, was hier bereits mehrfach erklärt wurde: Auch in der Zeit der Budgetkonsolidierung, der erforderlichen Sparmaßnahmen im Budget werden wir die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik um mehr als 1,5 Milliarden, nämlich auf mehr als 6,5 Milliarden Schilling im heurigen Jahr erhöhen.


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Wir werden für die zukünftige Sicherung der Qualität des Wirtschaftsstandortes Österreich unter anderem den Ausbau der Infrastruktur konsequent und mit zusätzlichen Mitteln fortsetzen und damit gleichzeitig für die Bauwirtschaft, in der es derzeit erhebliche Probleme gibt – das ist nicht wegzudiskutieren –, Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen, und zwar sinnvolle, die auch den Wirtschaftsstandort Österreich für die Zukunft absichern helfen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Das und eine Reihe weiterer Maßnahmen führten eben dazu, daß wir in diesen schwierigen Zeiten – ich betone nochmals: das darf uns nicht beruhigen, aber so sieht die Realität aus – nach wie vor im internationalen Vergleich mit diesen Maßnahmen besser liegen, weitaus besser liegen als die meisten anderen europäischen Staaten.

Nochmals – nicht zur Beruhigung, nur damit wir die Realität feststellen –: Die saisonbereinigte Arbeitslosenrate, liegt nach EU-Kriterien in Österreich bei rund 4 Prozent, im Durchschnitt der Europäischen Union bei zirka 11 Prozent.

Wenn Sie hier in Ihrer dringlichen Anfrage Daten aus dem Februar zitiert haben und nach Daten vom März gefragt haben, dann ist wahrscheinlich die Ursache dafür, daß Sie nicht die letzten aktuellen Daten verlangt haben, die, daß diese Daten inzwischen erheblich günstiger geworden sind. Das beweist doch den Erfolg unserer Politik, daß Sie von den Freiheitlichen zurückgreifen auf Daten vom Februar, obwohl Sie erklärt haben, es stünden Ihnen selbstverständlich auch AMS-Daten zur Verfügung.

Sie haben also Daten aus dem Februar hier in Ihrer Einleitung zitiert – ich sage Ihnen aber auch, daß das Wetter für diesen Zeitpunkt maßgeblich ist. 294 000 Arbeitslose sagten Sie. Ja, diese 294 000 Arbeitslosen sind viel zuviel, so wie auch die jetzige Zahl für uns noch zuviel ist. Aber die Zahl 294 000 Arbeitslose stammt vom Februar und bis zum jetzigen Tag ist diese auf 221 000 gesunken. Das muß auch festgestellt werden! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Auch die Zahl arbeitsloser Ausländer – das hat auch mit dem Baubereich zu tun, dort hat es eben Schwierigkeiten gegeben und gibt es sie noch – ist inzwischen auf 25 000 gesunken. – Dennoch sage ich: Das sind keine Zahlen, die uns beruhigen dürfen, sondern das macht es erforderlich, daß wir konsequent weitere Maßnahmen setzen.

Uns kann nicht beruhigen, daß Österreich diesbezüglich besser ist als andere Staaten. Uns kann auch nicht beruhigen, daß wir die niedrigste Jugendarbeitslosenrate in ganz Europa haben. Wir müssen alles tun – und das geschieht auch –, damit wir diese Arbeitslosenrate noch weiter reduzieren und Beschäftigung sichern – trotz der Schwierigkeiten, die es in vielen Bereichen gibt.

Es ist auch die Frage zu stellen: Wie gehen wir mit den hier beschäftigten Ausländern um? Wie gehen wir mit der Arbeitsmarktpolitik im Bereich der Ausländerbeschäftigung um? – Sicher ist: Auch heute, da es notwendig ist, restriktiv vorzugehen, muß jeder, der die Wirtschaft objektiv betrachtet, feststellen, daß wir auch in der jetzigen Situation ausländische Arbeitnehmer im Interesse der Wirtschaft und der gesamten Volkswirtschaft brauchen. Es wäre unmöglich, jetzt zu sagen: Schicken wir alle Ausländer heim, und dann haben wir keine Arbeitslosigkeit mehr! Wer das behauptet, versteht wirklich nichts von der Wirtschaft. Ich glaube auch nicht, daß diese Behauptungen von Ihnen, sehr geehrte Herren von den Freiheitlichen, wirklich ernst gemeint sind. Dazu versteht Abgeordneter Holger Bauer viel zuviel von der Wirtschaft, als daß er das wirklich ernst meinen könnte. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Das heißt, wir treten jetzt dafür ein, die Beschäftigung zu sichern. Wir treten dafür ein, daß wir in Zeiten einer schwierigeren Beschäftigungssituation natürlich primär für jene, die in Österreich sind – für die Inländer, für die bereits in Österreich beschäftigten Ausländer, für jene, die legal in Österreich sind –, Beschäftigung sichern und die Integration suchen sollen.

Es ist das Anliegen sowohl des Innenministers als auch des Sozialministers, daß wir in dieser Situation eine äußerst restriktive, praktisch auf Null gehende Zuzugspolitik für ausländische Arbeitskräfte betreiben. Das ist auch das Ziel einer neuen Novelle, die der Herr Innenminister dann natürlich selbst hier vertreten wird.


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Es geht also nicht darum, mehr Arbeitskräfte nach Österreich hereinzuholen, sondern diesen Zuzug kontrolliert für die nächste Zeit zu sichern, um den österreichischen Beschäftigten und jenen, die hier als ausländische Beschäftigte legal da sind, den Arbeitsplatz zu sichern und sie vor Lohndumping zu schützen.

Herr Abgeordneter Holger Bauer hat sich hier gegen Lohndumping ausgesprochen und hat gleichzeitig, wenn ich ihn richtig verstanden habe, gesagt, er trete für ein Modell ein, wonach ausländische Arbeitnehmer für kurze Zeit ohne Sozialversicherung in Österreich sein und arbeiten sollen. Das wäre eine wirklich entscheidende Lohndumpingmaßnahme, denn, wenn man für einen Teil der Arbeitnehmer keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen soll und ihn dann wieder abschiebt ohne jeden Schutz, wäre das nicht richtig! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Ofner: Da ist er mißverstanden worden! Ich kann dich beruhigen!)

Genauso wäre es nicht zu verstehen, wenn wir bei jenen sagen – was immer so durchklingt: es gibt arbeitslose Ausländer bei uns –: Sollten wir sie nicht gleich abschieben? Es wäre nicht richtig, daß wir jene Arbeitskräfte, die wir in der Wirtschaft gebraucht, die ihre Arbeitslosenversicherungsbeiträge, die ihre Steuern gezahlt haben, am ersten Tag, nachdem sie ihren Arbeitsplatz verloren haben, gleich wegschicken, und zwar ohne jegliche Sozialleistungen. Das kann doch nicht unser Ziel sein!

Sehr wohl ist es aber unser Ziel, daß wir mit einer sehr, sehr restriktiven Zuzugspolitik die Arbeitsmarktsituation in Österreich berücksichtigen. Die Arbeitsmarktsituation in Österreich ist sicherlich als ernst zu bezeichnen. Daher sind alle Maßnahmen notwendig – wir werden diese auch ergreifen –, um Beschäftigung zu sichern. Dazu gehört auch die kontrollierte und derzeit restriktivste Zuzugspolitik bei ausländischen Arbeitskräften.

Nach dieser Einleitung möchte ich zur Beantwortung Ihrer Fragen kommen.

Zur Frage 1 betreffend die Entwicklung der Beschäftigung in den Jahren 1991 bis 1995:

1991 gab es 2,731 Millionen beschäftigte Inländer. Diese Zahl ist auf 2,768 Millionen im Jahr 1995 gestiegen. Die Zahl der in Österreich beschäftigten Ausländer ist im gleichen Zeitraum von 243 000 auf 269 000 gestiegen. Die Zahl der vorgemerkten Arbeitslosen ist in diesem Zeitraum von 164 600 auf 190 800 gestiegen, die der beschäftigungslosen Ausländerinnen und Ausländer in diesem Zeitraum von 20 500 auf 24 900. Die Zahl der gemeldeten offenen Stellen ist von 49 500 auf 25 000 gesunken.

Zur Frage 2, wie viele ausländische Arbeitskräfte in Österreich im März 1996 beschäftigt waren, die keine Arbeitsbewilligung benötigen.

Dazu ist zunächst festzustellen, daß das ist im wesentlichen der Bereich der Arbeitskräfte aus dem Europäischen Wirtschaftsraum ist. Im März waren in Österreich 23 986 EWR-Staatsangehörige beschäftigt. Über die sonstigen, nicht bewilligungspflichtigen Arbeitskräfte nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz liegen keine Zahlen vor. Diese Zahl ist aber äußerst gering, denn es handelt sich hiebei um die Angehörigen internationaler Organisationen – Diplomaten, Universitätsangehörige und so weiter.

Zur Frage 3, wie viele ausländische Arbeitskräfte, die keine Arbeitsbewilligung benötigen, im März 1996 arbeitslos waren. – Es waren 3 597 EWR-Staatsbürger als arbeitslos gemeldet.

Zur Frage 4: Warum wird die Bundeshöchstzahl laufend überschritten, Ende März 1996 etwa um 11 000?

Zu dieser Frage muß ich korrigierend sagen: Wir haben die Bundeshöchstzahl, die uns gesetzlich vorgegeben ist, nie überschritten – auch jetzt nicht. Da wird etwas vermischt, und zwar: Die Bundeshöchstzahl liegt bei 8 Prozent für den Normalbereich, zusätzlich einen Prozentpunkt für besondere Arbeitnehmergruppen, beispielsweise für Jugendliche zweiter Gastarbeitergenerationen, die hier aufgewachsen sind. Insgesamt beträgt die Bundeshöchstzahl daher einschließlich dieser besonderen Bevölkerungsgruppen 9 Prozent. Das wurde wir nie überschritten.


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Die 9prozentige Bundeshöchstzahl, die insgesamt im Gesetz vorgesehen ist, wurde auch nicht erreicht. Ende März standen zur Ausschöpfung dieser Zahl noch 20 000 Arbeitsplätze zur Verfügung, die aber nicht ausgeschöpft werden, sondern die in diesem Fall eben unter der tatsächlich möglichen Grenze liegen, die wir auch brauchen, denn wir wollen auch heuer wieder ganz besonders jene Jugendlichen, die in zweiter Generation in Österreich leben, jene Jugendlichen, die hier aufgewachsen, hier in die Schule gegangen sind – das ist uns ein besonderes Anliegen –, am Arbeitsmarkt teilnehmen lassen. Alles andere wäre menschlich und gesellschaftspolitisch unverständlich!

Daher wird dieser eine Prozentpunkt, der im Gesetz vorgesehen ist, dazu verwendet – nach einer Verordnung –, damit Jugendliche in zweiter Generation, die hier aufgewachsen sind, als Arbeitskräfte mit besonderer Qualifikation, die in besonderen Fällen gebraucht werden, auch tatsächlich arbeiten können.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die bosnischen Flüchtlinge verweisen. Das ist der wesentliche Bereich, der in dieser Zahl enthalten ist. – Generell wird diese Zahl, die im Gesetz vorgegeben ist, keinesfalls überschritten, sondern nicht einmal ausgeschöpft.

Zur Frage 5: Warum wurden die Landeshöchstzahlen mit 205 500 festgelegt, wenn sie in der Folge überschritten werden?

Dazu ist zu sagen: Diese Landeshöchstzahlen liegen weit unter der Bundeshöchstzahl. Sie sind nur eine Größe, die für die einzelnen Länder als Richtgröße verfügt wird, die aber im Maße der Bundeshöchstzahl überschritten werden kann. Das war von vornherein so vorgesehen. Diese niedrigere Ansetzung soll dazu führen, daß eben die Gesamtzahlen in Summe nicht überschritten werden.

Zur Frage 6: Wie beurteilen Sie aus der Sicht des österreichischen Arbeitsmarktes den jüngsten Vorschlag von Innenminister Dr. Einem, wonach bei Angehörigen von Ausländern die Bewilligungspflicht entfallen soll?

Dazu ist zu sagen: Einen derartigen Vorschlag des Herrn Bundesministers Einem gibt es nicht. Es bleibt nach wie vor in allen Fällen das Ausländerbeschäftigungsgesetz und die damit verbundene Notwendigkeit aufrecht, die entsprechende Bewilligung zu bekommen.

Zur Frage 7: Welches Arbeitskräftepotential würde nach diesen Vorstellungen den Arbeitsmarkt zusätzlich belasten?

Eine Beantwortung dieser Frage erübrigt sich, weil es solche Vorstellungen überhaupt nicht gibt!

Zur Frage 8: Wie beurteilen Sie aus der Sicht des österreichischen Arbeitsmarktes die Auswirkungen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes bezüglich der Gleichstellung türkischer Staatsangehöriger mit EU-Bürgern? Bedeutet dies insbesondere, daß jener Personenkreis nicht mehr im Rahmen der Bundeshöchstzahl Berücksichtigung findet?

Zu dieser Frage muß ich zunächst feststellen, daß es kein echt einschlägiges Erkenntnis gibt. Sie gehen aber offenbar von einem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit dem Aufenthaltsgesetz aus.

Selbst wenn dieses Erkenntnis Belange des Ausländerbeschäftigungsgesetzes berühren würde, wären damit keine Auswirkungen aus Sicht des österreichischen Arbeitsmarktes unmittelbar verbunden, da das dem Erkenntnis zugrundeliegende EU-Recht die Gleichstellung türkischer Staatsbürger mit EU-Bürgern nicht vorsieht. Es ist keine Gleichstellung darin vorgesehen.

Keinesfalls würde die Anwendbarkeit des Beschlusses 1/1980 des Assoziationsrates bedeuten, daß türkische Staatsbürger vom Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgenommen werden könnten. Türkische Staatsbürger würden auf jeden Fall weiter auf die Bundeshöchstzahl angerechnet werden müssen.


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Zur Frage 9, wie hoch die Zahl von türkischen Staatsangehörigen wäre, auf welche dieses Erkenntnis Anwendung fände. – Dazu gilt die gleiche Beantwortung wie zu Frage 8, weil ja nach wie vor die Gültigkeit des Ausländerbeschäftigungsgesetzes mit der dort vorgesehenen Anrechenbarkeit auf die Bundeshöchstzahl aufrecht bliebe.

Das gleiche gilt für die Fragen 10 und 11.

Zur Frage 12: Wie beurteilen Sie die Belastungen für den österreichischen Arbeitsmarkt, die durch Kriegsflüchtlinge aus Bosnien entstanden sind?

Dazu: Kriegsflüchtlinge aus Bosnien wurden nicht nur aus humanitären Gründen zur Arbeitstätigkeit in Österreich zugelassen, sondern vor allem auch deshalb, weil sie im Falle einer eigenen Arbeitstätigkeit nicht mehr auf die aus öffentlichen Mitteln finanzierte Bundesbetreuung angewiesen sind. Nur durch Zulassung zur Arbeit können sie selbst für ihren Unterhalt sorgen.

Eine zusätzliche Belastung des Arbeitsmarktes konnte deshalb nicht eintreten, weil auch diese Bewilligungen auf die Bundeshöchstzahl anzurechnen sind.

Zu den Fragen 13 bis 15 möchte ich grundsätzlich feststellen, daß die Beantwortung dieser Fragen in die Kompetenz des Innenministers fällt. Aufgrund der Kontakte, die es aber selbstverständlich zwischen uns gibt, kann ich dazu sagen: Im heurigen Jahr haben sich wöchentlich jeweils mehr als 100 bosnische Kriegsvertriebene aus der Unterstützungsaktion des Bundes und der Länder abgemeldet. Sie sind zum größten Teil in ihr Heimatland zurückgewandert. Diese Tendenz setzt sich weiterhin fort. Es handelt sich hiebei zumeist um Kriegsvertriebene mit einem Aufenthaltsrecht nach § 12 des Aufenthaltsgesetzes. Die Gesamtzahl der Heimkehrer des Jahres 1996 liegt derzeit bei etwa 3 000.

Unabhängig davon, daß unmittelbare Rückkehrförderungen nicht in meinen Wirkungsbereich fallen, hat das Sozialressort indirekt auch zur Reintegration beigetragen, und zwar dadurch, daß eine Reihe von Sprach- und Qualifikationskursen für bosnische Kriegsvertriebene in den letzten Jahren aus Mitteln des Sozialressorts unterstützt wurden und auch mit einigen Qualifikationskursen erreicht werden konnte, daß gleichzeitig auch Rückkehraktionen gefördert wurden. – Das war eine damit verbundene Maßnahme der Aufklärung und der Information.

Zur Frage 16: Werden Sie dafür auch weitere Mittel der Arbeitsmarktverwaltung oder andere Mittel Ihres Ressorts einsetzen? – Antwort: Daran ist derzeit nicht gedacht.

Zur Frage 17: Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um den Zuzug von weiteren ausländischen Arbeitskräften zu stoppen, solange die österreichische Arbeitslosenquote ihr gegenwärtiges, besorgniserregendes Niveau behält? – Antwort: Dazu habe ich bereits einleitend Erklärungen abgegeben. Das Beschäftigungsrecht sieht ja die Limitierung mit dieser Quote von 8 beziehungsweise 9 Prozent vor. Es ist nicht daran gedacht, diese Quote anzuheben, sie wird derzeit auch nicht voll ausgeschöpft.

Im übrigen besteht im Einvernehmen mit dem Innenminister die Tendenz, daß wir den Zuzug neuer ausländischer Arbeitskräfte rigoros eindämmen.

Zur Frage 18: Werden Sie dafür eintreten, auch jene ausländischen Arbeitskräfte, die keine Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz benötigen, in die Bundes- beziehungsweise Landeshöchstzahl einzubeziehen? – Antwort: Nein, das ist praktisch nicht möglich, denn es handelt sich um Bürger aus dem Bereich des Europäischen Wirtschaftsraumes. Da gibt es die verbindliche Regelung, daß wir diese nicht miteinbeziehen können.

Ich habe aber bereits erklärt, daß die anderen Gruppen – Diplomaten und so weiter – praktisch keinerlei Bedeutung, was ihre Zahl betrifft, haben.

Zur Frage 19: Liegen Ihnen Berechnungen beziehungsweise Schätzungen vor, wie sich der zu erwartende Familiennachzug prozentuell auf Kinder, Ehegatten beziehungsweise sonstige


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allfällige Anspruchsberechtigte voraussichtlich aufteilen wird? Wenn ja, welche diesbezüglichen Zahlen liegen Ihnen vor?

Antwort: Soweit ich informiert bin, wird die Neuregelung bei jenen, die nachziehen sollen, zu keiner Änderung der bisherigen Praxis führen. Im Gegenteil: Auch da wird limitiert, und beim Neuzuzug von Arbeitskräften wird es eben ganz rigorose Eindämmungen geben.

Zur Frage 20: Liegen Ihnen Berechnungen und Schätzungen vor, welche voraussichtliche Zusatzkosten für Kindergartenplätze, Pflichtschulplätze, Berufsschulplätze und für die Mitversicherung für Ehegatten beziehungsweise Kinder entstehen? – Antwort: Darüber liegen mir keine Zahlen vor; das fällt ja weitgehend nicht in meinen Bereich.

In meinen Bereich fällt allerdings die Frage der Mitversicherung für Ehegatten. Dazu ist festzustellen, daß natürlich auch die ausländischen Beschäftigten Steuern und Sozialversicherungsbeiträge leisten wie die Inländer und ihnen daher für die Mitversicherung die gleichen Rechte zustehen.

Zur Frage 21, eine Frage nach dem Pensionssystem.

In zirka 20 Jahren, so heißt es in Ihrer Anfrage, wird der Ausländeranteil bei den Pensionisten von derzeit 4 auf 18 Prozent steigen. – Antwort: Es gibt keine Zahlen, die das belegen würden. Im übrigen gilt auch dafür, daß natürlich auch die ausländischen Beschäftigten Steuern und Sozialversicherungsbeiträge leisten und damit auch gleichartige Ansprüche erreichen. Allerdings ist dazu zu sagen: Wenn diese Ausländer Österreich wieder verlassen, wenn sie in Pension gehen – und das wird vielfach der Fall sein –, dann erhalten sie die Pension im Verhältnis zu dem, wie ihre Versicherungszeiten in Österreich gewesen sind.

Anzumerken ist, daß in diesen Fällen, wo sie die Pension nicht in Österreich erhalten, sondern wieder in ihr Heimatland zurückziehen, kein Anspruch auf Ausgleichszulage besteht.

Ich glaube, mit dieser Beantwortung Ihre Sorgen, daß wir eine unkontrollierte Ausländerpolitik betreiben, beseitigt zu haben. Ich kann nur nochmals sagen: Wir brauchen auch heute noch ausländische Beschäftigte in der Wirtschaft, sind aber dafür – und das haben wir auch in der letzten Zeit bewiesen –, gerade in der jetzigen Arbeitsmarktsituation die Ausländerbeschäftigung äußerst restriktiv zu handhaben. Mit dem Innenminister bin ich einer Meinung, daß die Zuzugspolitik ausländischer Arbeitskräfte restriktivst gehandhabt, daß der Zuzug eingedämmt werden muß, damit wir für Inländer und für Ausländer, die sich derzeit legal in Österreich aufhalten, eine Beschäftigung sichern können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister! Danke für die Beantwortung.

In der nunmehr folgenden Debatte betragen die Redezeiten jeweils 15 Minuten.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Haider. – Bitte sehr. (Abg. Dr. Khol: Das ist aber wenig! – Abg. Dr. Haider: Was zu sagen ist, ist zu sagen!)

17.01

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wer Herrn Bundesminister Hums kennt und seine Körpersprache richtig interpretieren kann, der weiß, daß er bei der Anfragebeantwortung ein ziemlich großes Unbehagen empfunden hat. Herr Bundesminister, Sie haben nämlich versucht, mit Zahlen, die wir noch zu hinterfragen haben, ein Bild darzustellen, das nicht der Realität entspricht.

Wir leben in einem Lande, in dem die Arbeitslosigkeit die höchsten Werte seit Jahrzehnten erreicht hat, und es wurde uns heute auch von der Europäischen Union aufgrund neuester statistischer Ermittlungen mitgeteilt, daß wir Europameister sind, was die Anwesenheit von Ausländern betrifft. Wir nehmen den zweiten Platz nach Luxemburg ein – Sie können das heute nachlesen. Es ist nicht sehr glaubwürdig, wenn Sie hier sagen, die Arbeitslosigkeit sei ja nicht so


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schlimm, denn gegenüber dem Februar, für den die Freiheitlichen in der dringlichen Anfrage angefragt haben, sei ja die Arbeitslosigkeit im März gesunken.

Herr Bundesminister! Ich darf Sie darauf aufmerksam machen – Sie kennen die Zahlen wahrscheinlich wesentlich genauer als ich, weil Sie damit zu tun haben –: Gegenüber dem April 1995 – also gegenüber dem vorigen Jahr, damit wir die aktuellsten Zahlen nehmen – ist die Zahl der Arbeitslosen in Österreich immerhin um 25 145 gestiegen. Das ist aber wirklich kein Ruhmesblatt einer Beschäftigungspolitik, das Sie hier versucht haben, dem Parlament vorzulegen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Gegenüber dem Vorjahr ist die Jugendarbeitslosigkeit dramatisch gestiegen. Wir haben heute fast 50 000 junge Menschen unter 25 Jahren, die arbeitslos sind. Wenn ich nur die Auswertung der Stadt Klagenfurt vom AMS hernehme: In der Stadt Klagenfurt – um eine österreichische Landeshauptstadt zu zitieren – ist die Arbeitslosigkeit gegenüber dem April des Vorjahres um 23,3 Prozent gestiegen, und es ist die Arbeitslosigkeit der jungen Menschen unter 25 Jahren in Klagenfurt gegenüber dem April des Vorjahres um 36,3 Prozent gestiegen. Die Ausländerarbeitslosigkeit – und das ist das Interessante! – ist gegenüber dem Vorjahr um 63,5 Prozent gestiegen.

Herr Bundesminister! Ein Sozialminister kann sich hier nicht herstellen und sagen, es sei ohnehin nicht so schlimm, gleichzeitig aber verschweigen – auch in Ihren Daten, die Sie uns angegeben haben –, daß die Arbeitslosigkeit auch der Ausländer in Österreich gegenüber dem vergangenen Jahr um 28 Prozent angestiegen ist. Wir haben derzeit rund 36 000 arbeitslose Ausländer, und es stellt sich daher wirklich die Frage: Was ist das für ein Gastarbeiterprinzip, wenn jemand, der als Gast kommt, solange wir Arbeit haben, dann nicht als Gast geht, wenn wir keine Arbeit mehr haben? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es muß überlegt werden, ob nicht die Österreicher das Recht haben, daß zuerst über ihre Arbeitsplätze nachgedacht wird. Sie gehen her und sagen, wir haben da Höchstzahlen und bereinigte Höchstzahlen, Bundeshöchstzahlen, und Sie geben die Zahl 248 000 an. Es seien nicht so viele, wie wir in der Anfrage angegeben hätten, es seien nur 248 000 Ausländer in Österreich bewilligungspflichtig beschäftigt. – Das ist falsch, was Sie sagen! Der Information des Arbeitsmarktservice 3/96 entnehme ich: Bereinige Ausländerzahl – Herr Bundesminister, hören Sie zu! – 273 985. Da steht dabei, daß Sie die Höchstzahl um 4 Prozent überschritten haben. Sie haben gesagt, Sie haben sie nicht überschritten.

In Ihrem eigenen Bericht steht drinnen, daß Sie die Bundeshöchstzahl um 4 Prozent überschritten haben. Das ist das, was wir Ihnen zum Vorwurf machen: Daß Sie von einem Gesetz Gebrauch machen, indem Sie eine Verordnung erlassen haben, um sogar über die Bundeshöchstzahl hinaus Ausländer beschäftigen zu können, und das in einer Zeit, in der die Arbeitslosigkeit der in Österreich berufstätigen Österreicher und Gastarbeiter ohnedies schon dramatisch genug ist. Das ist eine verfehlte Beschäftigungspolitik, die wir Ihnen vorwerfen müssen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Kommen Sie als Weinbauer mir nicht mit Ihren Gurkerlpflückern! Hier geht es darum, daß den Österreichern Dauerarbeitsplätze zustehen, die wir nicht durch einen ungehemmten Zuzug in Frage stellen dürfen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Jetzt sage ich Ihnen noch etwas: Gemäß § 12a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes haben Sie nur dann die Möglichkeit, die Höchstzahl zu überschreiten, wenn öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interessen oder die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes dies erforderlich machen. Und jetzt frage ich Sie: Was sind für öffentliche Interessen gegeben, daß Sie mehr Ausländer beschäftigen lassen, als dies die Höchstzahl zulassen würde? Was sind für öffentliche Interessen gegeben? Was ist mit der Entwicklung des Arbeitsmarktes? – Der Arbeitsmarkt zeigt ja eher nach unten.

Ich weiß schon, warum sich der Kollege Verzetnitsch heute nicht zu Wort meldet. – Weil er ganz genau weiß, daß bei einer wesentlich weniger dramatischen Situation die eigene Gewerkschaft – der auch Sie angehören, Herr Bundesminister! – vor zwei Jahren bereits eine Senkung der


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Gastarbeiterquote gefordert hat. Deshalb traut er sich nicht, sich zu Wort zu melden. Er müßte nämlich, wenn wir bereits vor zwei Jahren eine Senkung der Gastarbeiterquote gefordert haben, eine solche Senkung heute erst recht fordern, weil wir zu viele Ausländer in Österreich beschäftigt haben und das auf Kosten der Beschäftigungssituation der österreichischen Bevölkerung geht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist es, warum wir uns mit Ihnen auseinandersetzen wollen. Wir haben 750 000 legal in Österreich lebende Ausländer, wir haben 200 000 bis 250 000 Illegale. Das wird nicht einmal mehr von der Regierung bestritten. Wir haben 254 000 bosnische Kriegsflüchtlinge, die nicht mehr nach Hause zurückkehren wollen. Nur 16 900 sollen reintegriert werden. Die anderen bleiben da, obwohl Sie es immer anders gesagt haben. Wir haben 40 000 Türken, die schon länger als vier Jahre bei uns beschäftigt sind, daher eine Dauerarbeitsbewilligung haben, eine Art Befreiungsschein also, und die den EU-Bürgern gleichgestellt sind. Wir haben über 1 Million Ausländer in diesem Österreich mit knapp 7 Millionen Einwohnern! Das ist natürlich ein hohes Niveau.

In einer Zeit, in der die Arbeitsplätze knapp sind, muß ich Sie als Sozialminister wirklich fragen, ob Sie nichts Besseres zu tun haben, als die Ausländerhöchstquote noch einmal durch eine Verordnung zu überschreiten und so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Bitte senken Sie endlich diese Quote auf 6 Prozent ab, damit der Arbeitsmarkt entlastet wird, damit unsere jungen Leute Arbeitsplätze haben und damit Nachziehende und in Österreich einen Arbeitsplatz suchende Österreicher eine Beschäftigung finden können! Das muß der Weg sein, der vorgegeben ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie sehen es ja: Ihre eigenen Leute fordern das! Der Herr Arbeiterkammerpräsident Quantschnig von Kärnten sagt: Solange ältere Arbeitnehmer, Frauen und langjährige Österreicher, ansässige Gastarbeiter, vom Arbeitsmarkt verdrängt werden und durch Billigstkräfte ersetzt werden, ist eine Aufrechterhaltung des Ausländerkontingents in der jetzigen Höhe nicht vorstellbar. – "Nicht vorstellbar", sagt der eigene sozialistische Arbeiterkammerpräsident!

Und Bernhard Schwarz von der Arbeiterkammer sagt im "Wirtschaftsblatt" vor wenigen Tagen auf die Frage, ob durch die Situation mit den türkischen Gastarbeitern nun mehr ausländische Arbeitskräfte gegeben sein werden: Es besteht kein Bedarf danach.

Und Sie handeln nicht danach, Herr Bundesminister. Ich kann Sie nur dringend auffordern: Ändern Sie die Verordnung, senken Sie die Gastarbeiterquote und schaffen Sie eine entspannte Arbeitsmarktsituation, wie sie der jetzigen Entwicklung gemäß ist. Denn es ist auch mit dem Integrationspaket selbstverständlich ein weiterer Zuzug von Arbeitskräften verbunden. Es werden in Summe jedes Jahr 24 000 Leute hereinkommen können, in den nächsten vier bis fünf Jahren also 24 000 Leute dazu – ob Familien, ob Kinder, ob Arbeitskräfte: Wir haben zu sorgen für die, die zuziehen.

Und jetzt frage ich mich: Mit welcher Berechtigung verlangen Sie von den Österreichern, daß sie ein Belastungs- und Sparpaket akzeptieren sollen, wo Sozialleistungen gestrichen werden, wo neue Belastungen enthalten sind, aufgrund dessen man mehr Steuern bezahlen muß, wenn Sie gleichzeitig dann die Türen für weitere 24 000 Ausländer, die jedes Jahr in den nächsten vier, fünf Jahren zuziehen dürfen, aufmachen? Sie sagen: Das verträgt die Republik! Dann brauchen wir aber auch kein Sparpaket, wenn wir so reich sind, daß wir uns das ohnedies alles leisten können, was Sie hier gemacht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich habe wirklich den Verdacht, daß in der Ausländerpolitik auch von dieser Regierung mit gezinkten Karten gespielt wird, daß uns ein falsches Bild vorgezeichnet wird. Dieser Bericht des Arbeitsmarktservices enthält auch die Landeshöchstzahlen, die ebenfalls gemäß der Lage auf dem Arbeitsmarkt zu entscheiden sind. Nach den Landeshöchstzahlen gibt es 205 000 Ausländerbeschäftigte, tatsächlich aber gibt es 317 000 Landesbewilligungen für Ausländer. Die Quote ist also allein in diesem Bereich um über 55 Prozent überschritten worden, und das in einer Zeit, in der wir so viele Arbeitslose haben, in der wir ein Sparpaket machen müssen, in der wir den Leuten zumuten, daß sie Abstriche von ihren Einkommen hinnehmen müssen.


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Der Herr Kollege Haselsteiner wird sich heute noch zu Wort melden. Ich bin neugierig, ob er uns erzählt, warum er bei einer Baufirma in Wiener Neustadt – ich nenne jetzt einmal keinen Namen – bereits Kürzungen der Löhne vornimmt, die Trennungszulage, die große, gestrichen hat, die Regie- und Akkordprämie von 5 000 S gestrichen hat, sodaß jeder durchschnittliche Arbeiter in seinem Betrieb, weil die Billigkonkurrenz aus dem Ausland da ist, um 7 000 S im Monat weniger verdient.

Da schweigen Sie alle, meine Damen und Herren! Da stellt sich ein Minister her und sagt: Wir können noch um ein Prozent mehr Ausländer nach Österreich hereinlassen, um entsprechend Beschäftigungsbewilligungen zu erteilen. Das ist die Bankrotterklärung einer österreichbewußten Beschäftigungspolitik, die wir nicht zulassen werden und die wir mit ganzer Macht bekämpfen werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was im übrigen den sogenannten Familiennachzug angeht, Herr Bundesminister, der jetzt in diesem Integrationspaket in Rede steht: Wie soll denn der organisiert werden? Frau Schmidtleithner von der Gewerkschaft ließ uns vor einigen Tagen ausrichten, daß bereits 220 000 Kinderbetreuungsplätze fehlen.

Frau Kollegin Hostasch! Wie ist Ihre Meinung dazu, daß 220 000 Kinderbetreuungsplätze fehlen, wir aber neue Kinder aus dem Ausland hereinholen? Diese Kinder werden ja auch einen Kindergarten brauchen, wenn die Mütter vielleicht einmal beschäftigt sein sollten. 220 000 fehlen aber bereits jetzt!

Wir haben in Wien auf dem Lehrplatzsektor in den letzten fünf Jahren um 41 Prozent weniger Lehrstellen, aber wir holen junge Ausländer herein, die dann wieder Lehrplätze brauchen werden. Die werden ja nach der Schule auch wo sein müssen.

Wir geben bereits jetzt für das Pflichtschulwesen in Österreich für zusätzliche Maßnahmen für ausländische Schüler 4,2 Milliarden Schilling pro Jahr aus, aber wir holen uns jetzt, in Zeiten des Sparpaketes, aus dem Ausland wieder neue Schüler herein, die uns noch einmal Kosten verursachen werden. – Und so geht es weiter und so geht es fort.

Wir können bei den Krankenkassen nicht mehr alles finanzieren. Die Österreicher müssen Selbstbehalte akzeptieren. Der Herr Minister erwägt, die Beiträge zu erhöhen. Der Herr Minister erwägt, die Rezeptgebühr hinaufzusetzen. – Aber wir holen uns durch den Familiennachzug in den nächsten vier Jahren rund 100 000 zusätzliche Familienmitglieder nach Österreich, die auch mitversichert sein werden. – Meine Damen und Herren, erklären Sie das einmal den Österreichern! Sie müssen jetzt Selbstbehalte zahlen, weil die Krankenkasse pleite ist und weil 400 Millionen Schilling nicht aufzutreiben sind, aber allein der Zuzug der Familienmitglieder wird für die Mitversicherten mindestens 400 Millionen Schilling kosten.

Das ist es, was wir Ihnen vorwerfen, weil das nämlich die abenteuerliche Bankrotterklärung einer Beschäftigungspolitik ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir wollen mit dieser dringlichen Anfrage einen Appell an Sie richten: Beseitigen Sie diese Verordnung! Senken Sie die Gastarbeiterquote! Sorgen Sie dafür, daß dieses Integrationspaket nicht 100 000 Leute nachziehen läßt!

Tun Sie das, was der Kollege Cap in seinem Wahlprospekt für Hernals versprochen hat, indem er gesagt hat: Hernals verträgt keinen weiteren Zuzug mehr! Dafür garantiert Ihnen Josef Cap! – Und dieser Mann wird heute und in den nächsten Wochen hier im Parlament mitstimmen, daß weitere 100 000 in den nächsten Jahren nach Österreich einwandern dürfen.

Das ist Ihre Doppelzüngigkeit! Das ist die Unmoral der Politik, mit der die Österreicher bedauerlicherweise konfrontiert sind! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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17.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt die Frau Abgeordnete Annemarie Reitsamer. Ich erteile es ihr. – Gleiche Redezeit.

17.16

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir geben es zu, daß wir Probleme mit der Wirtschaftsentwicklung und der Beschäftigungssicherung haben und auch in den nächsten Jahren haben werden, aber, wie Herr Bundesminister Hums schon gesagt hat, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen stehen für uns absolut im Vordergrund. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren von der "F": Tun Sie doch nicht immer so, als ob Österreich unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung in der Welt wäre! (Abg. Ing. Reichhold: 36 000 arbeitslose Ausländer!) Ja, das hilft nichts. (Abg. Ing. Reichhold: Warum sagen Sie die Quote nicht?) Aber tun Sie nicht so, als ob das eine spezielle österreichische Situation wäre.

Wenn sich der Herr Abgeordnete Haider hier herausstellt und die Körpersprache von Herrn Bundesminister Hums klassifizieren möchte, dann möchte ich mir die Freiheit erlauben, seinen Gesichtsausdruck zu klassifizieren. Mit einem Grinsen ist er hier herausgegangen und hat gesagt: Hauptsache, aufg’mischt is’!

Und dann hat er etwas gesagt, was sehr bemerkenswert ist: Luxemburg und Österreich ... (Abg. Ing. Reichhold: Das haben Sie sich zurechtgelegt!) Ich habe mir gar nichts zurechtgelegt, Herr Kollege Reichhold! Ich habe mir die Freiheit genommen, mir ein paar Schlagworte aufzuschreiben, während der Herr Kollege Haider gesprochen hat. (Abg. Ing. Reichhold: Das haben Sie schon vorher vorbereitet!) Da habe ich noch gar nicht gewußt ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte das Mikrophon zu benützen!

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (fortsetzend): Der Herr Kollege Haider hat gesagt, Luxemburg und Österreich sind Weltmeister beim Ausländerzuzug. (Abg. Dr. Ofner: Das hat er gar nicht gesagt!) Bemerkenswert ist aber auch, daß wir Spitzenreiter sind bei den niedrigen Arbeitslosenziffern und daß Österreich eine vergleichsweise sehr hohe Beschäftigung hat. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte aber nun auf die Präambel Ihrer dringlichen Anfrage hinweisen. Schon im ersten Absatz gehen Sie auf die Regierungserklärung vom 13. März ein und sagen dann im zweiten Absatz:

"Von diesen angekündigten Bestrebungen ist bisher nichts zu merken. Vielmehr zeigen die weiter steigenden Arbeitslosenzahlen, daß die Bundesregierung bei ihrem Versprechen, die Vollbeschäftigung in Österreich wiederherzustellen, kläglich versagt hat."

Meine Damen und Herren! Am 13. März wurde hier die Regierungserklärung abgegeben. Da hat man gesagt, welche Maßnahmen man zu setzen beabsichtigt. Daß diese Maßnahmen nicht sofort greifen können, das dürfte Ihnen auch klar sein. Aber Sie haben ja keine Zeit, Sie setzen auf Beschäftigungstherapie für die Abgeordneten dieses Hauses. (Abg. Dr. Graf: Wo ist der Applaus?)

Ich möchte nur kurz aufzählen, was alles in Angriff genommen worden ist: Mehr Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik – es kam zu einer Erhöhung von 5 Milliarden Schilling auf 6,5 Milliarden Schilling durch Mittel aus dem europäischen Sozialfonds –, davon 200 Millionen Schilling für Maßnahmen im Bereich der Jugendbeschäftigung, Beratungs- und Qualifikationsmaßnahmen, weiters Maßnahmen für Frauen, die Lehrverhältnisse in atypischen Berufen beginnen, Schaffung neuer Arbeitsplätze, Qualifikation, Ausbau und Weiterbildung, Ausbau der Infrastruktur im Bereich Verkehr, Telekommunikation und Umwelt.

Ich weise auch hin auf die Maßnahmen beim Straßenausbau, beim Ausbau der Schienen. Mehrstellige Milliardenbeträge werden hier investiert.

Ich habe schon gesagt, ein Schwerpunkt liegt auf Jugend und Frauen, aber auch auf Langzeitarbeitslosen und Behinderten. Ich verweise auf die Förderung von Firmen, die Langzeitarbeitslose beschäftigen, über eine Reduktion der Sozialversicherungsabgaben für die


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Dienstgeber sowie auf die Beschäftigung dieser Langzeitarbeitslosen im gemeinwirtschaftlichen Bereich.

Ich erwähne hier auch die Mißbrauchsbekämpfung, die erfolgen muß, damit das System nicht in Frage gestellt wird. Gerade heute ist den Printmedien zu entnehmen, daß diese Maßnahmen bereits greifen. Ich meine das Bonus-Malus-System zugunsten der älteren Arbeitnehmer, wo der legalen Beschäftigung wirklich massiv Vorrang gegeben wird.

Weiters möchte ich erwähnen die Exportoffensive, die Erhöhung des Exportvolumens um 100 Milliarden Schilling bis zum Jahr 2000. Das kann doch nicht innerhalb von zwei Monaten erledigt sein.

Damit verbunden ist die Schaffung von 50 000 neuen Arbeitsplätzen. Die Exportquote würde sich damit von 22 auf 25 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erhöhen.

Ein weiterer Punkt ist die Ansiedlung von export- und technologieintensiven Unternehmen, die Förderung von Betriebsgründungen im Bereich der Klein- und Mittelbetriebe.

Investitionen in Milliardenhöhe gibt es 1996 und 1997 bei den Firmen Philips, BMW, Opel, Hoffmann-La Roche, Siemens und so weiter. Das sind Firmen von Weltruf, und wenn die in Österreich investieren – und in einem solchen Ausmaß investieren –, dann, muß ich sagen, kann es so schlecht nicht bestellt sein. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Prognosen sind eines, aber sie müssen nicht eintreffen, und daher gilt es, arbeitsmarktpolitische und beschäftigungspolitische Maßnahmen zu setzen.

Der Europäische Strukturfonds, Regional-, Sozial- und Landwirtschaftsfonds: bis 1999 1,6 Milliarden ECU! Das sei den Kritikern der Europäischen Union besonders ins Stammbuch geschrieben.

Sie sagen, daß wir im Feber 294 000 arbeitslose Personen hatten und 274 000 beschäftigte Ausländer. Nach Ihrer Milchmädchenrechnung könnte man nur sagen: Die Ausländer hinaus, und dann haben wir die Vollbeschäftigung. Dazu muß ich allerdings sagen: Es gibt so etwas Ähnliches wie einen Berufsschutz, das dürften auch Sie wissen. Daß die Sache so leicht nicht ist und daß das auch branchenspezifisch zu behandeln ist, das dürfte an Ihnen spurlos vorübergegangen sein.

Wir akzeptieren Arbeitslosigkeit sicher nicht, bekämpfen sie daher auch mit allen Mitteln. Aber 3 Millionen Beschäftigte sind auch nicht "ohne", und das ist der Arbeit dieser Bundesregierung zuzuschreiben. Sie haben wahrscheinlich nicht einen einzigen Arbeitsplatz geschaffen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ein besonderes Gustostückerl ist natürlich Ihre Frage 21, was die Pensionen dieser ausländischen Arbeitskräfte hier in unserem Land in weiterer, in fernerer Zukunft betreffen würde: Pensionen kann man nur erwerben, wenn man einen bestimmten Versicherungsverlauf nachweisen kann. Hier gibt es keine Begünstigungen von ausländischen Staatsbürgern, abgesehen davon, daß sehr viele ausländische Bürger in ihre Ursprungsländer zurückgehen, wenn sie ihre Lebensarbeitszeit abgeschlossen haben, und daß dann dafür keine Ausgleichszulagen zu bezahlen sind.

Man sollte nicht verlorengegangene Arbeitsplätze beklagen, man sollte sie durch neue ersetzen, indem man Innovation und Modernisierung das Wort redet. Ich habe die verschiedenen Maßnahmen schon angesprochen. Ich wiederhole: Ausbau der Infrastruktur, Forschungsförderung, Exportoffensive, Unternehmensansiedlung, lebensbegleitendes Lernen, aktive Arbeitsmarktpolitik.

Und jetzt noch einmal zu Ihnen: Am 30. 1. eine dringliche Anfrage betreffend die Arbeitsmarktpolitik, am 7. 5. eine Sondertagung "Arbeit für Österreich", wo es solche Zuckerln wie die Entsteuerung von Überstunden gegeben hat. Heute eine Dringliche, dann die Diskussionen zur


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Strukturanpassung und zum Budget. (Abg. Dr. Haider: Wir haben Sorgen um die Arbeitsplätze!) Das war eine Beschäftigungsoffensive für Parlamentarier, denn Sie haben verhindert, daß hier schon sinnvoll gearbeitet werden kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie können nicht warten, bis die Maßnahmen greifen. Und daß manches schon greift, das verschweigen Sie schamhaft.

Wir werden es nicht zulassen, daß Ausländer und Inländer auseinanderdividiert werden. Wir werden überhaupt das Gegeneinanderausspielen von Personengruppen nicht zulassen. (Abg. Ing. Reichhold: Mit Ihrer Politik erreichen Sie das!) Es ist billig, aber es schafft keinen einzigen Arbeitsplatz. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Das "F"-Konzept, Herr Kollege Reichhold, ist Miesmachen statt Mutmachen! Wir sprechen uns für die umgekehrte Vorgangsweise aus. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Haider gemeldet. Bitte § 58 GOG beachten.

17.25

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frau Abgeordnete Reitsamer hat mir den Vorwurf gemacht, ich hätte behauptet, die Österreicher oder die Bundesregierung seien Weltmeister beim Zuzug von Ausländern.

Ich habe das nicht gesagt. Ich habe gesagt: Österreich ist Europameister am Anteil von Ausländern aus dem Nicht-EU-Bereich, und ich habe auf die jüngste Statistik, die das Europäische Statistische Amt, EUROSTAT, vorgelegt hat, vom heutigen Tag, 22. Mai 1996, verwiesen, wo es heißt:

"Österreich hat unter den EU-Staaten nach Angaben des Statistischen Amtes der Europäischen Union, EUROSTAT, mit Sitz in Luxemburg, den zweithöchsten Bevölkerungsanteil an Nicht-EU-Staatsbürgern. Von den insgesamt 64 400 Bürgern osteuropäischer Staaten, Jugoslawien nicht inkludiert, kommen 18 500 Menschen aus Rumänien, 18 300 aus Polen, 11 300 aus der ehemaligen Tschechoslowakei und 10 600 aus Ungarn. Weiters wurden von EUROSTAT 197 900 Bürger des ehemaligen Jugoslawien und 118 600 Türken registriert. Aus Afrika kommen 8 500, aus Amerika 9 500. Schließlich wurden 25 700 Bürger aus asiatischen Ländern oder 7 000 ohne Staatszugehörigkeit und unbekannter Herkunft registriert, was in Summe 437 800 nicht aus der EU kommende Bürger ausmacht." (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Er hat das Wort.

17.26

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei aller Emotionsgeladenheit dieses Themas möchte ich jetzt versuchen, möglichst nüchtern und sachlich vor allem den arbeitsmarktpolitischen Aspekt der Ausländer zu diskutieren.

Ich möchte mich aber vorweg doch nicht verschweigen, meine Damen und Herren: Die Stoßrichtung dieser Anfrage ist eine Angstpropaganda, die Stoßrichtung dieser Anfrage mißfällt mir sehr. (Abg. Ing. Reichhold: Was machen Sie mit 36 000 arbeitslosen Ausländern?) Die Stoßrichtung lautet: Fürchtet euch! Die Ausländer nehmen euch die Arbeitsplätze weg! – Das ist jene Art von Politik, die wir nicht haben wollen, das ist jene Politik, die Angst macht! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Wir wollen eine Politik, die Mut macht, die Optimismus verkündet. Das aber ist die Angstpropaganda, die ich persönlich strikt ablehne. (Neuerlicher Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Auf den ersten Blick, auf den ersten oberflächlichen Blick schaut es natürlich wirklich so aus. Weil zufällig die Globalzahlen so aussehen, daß, je nach Saison,


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zwischen 260 000 bis 300 000 Ausländer sind und es, je nach Saison, zwischen 260 000 und fast 300 000 Arbeitslose gibt, scheint der Eindruck zu entstehen: Wenn wir die 300 000 Ausländer nicht hätten, hätten wir die 300 000 Arbeitslosen nicht. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Das hat niemand behauptet!)

Meine Damen und Herren! Wer bei allem demagogischen Talent noch ein bißchen Realitätssinn hat (Abg. Ing. Reichhold: Mein Gott, Stummvoll, hast du nicht zugehört?) , wird zugeben müssen, Herr Kollege, daß es wirklich nicht so einfach ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Wir haben einen überaus differenzierten Arbeitsmarkt. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Wer hat das behauptet?) – Das ist die Stoßrichtung Ihrer Anfrage! – Wir haben einen überaus differenzierten Arbeitsmarkt (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Zuhören!) , einen regional, branchenmäßig, berufsmäßig, qualifikationsmäßig überaus zergliederten Arbeitsmarkt. Arbeitskraft ist nicht Arbeitskraft, meine Damen und Herren!

Nimmt die philippinische Krankenschwester der Stadt Wien der arbeitslosen Textilarbeiterin den Arbeitsplatz weg, meine Damen und Herren? Das ist die Fragestellung! (Abg. Dr. Haider: Das ist Demagogie!) Die Argumentation der Freiheitlichen geht genau in diese Richtung!

Noch einmal: Das gilt, egal ob Inländer oder Ausländer. (Abg. Dr. Haider: 36 000 arbeitslose Ausländer! Das ist die Realität!) Der arbeitslose Bauarbeiter im Burgenland hat nichts davon, wenn eine Firma in Vorarlberg einen Werkzeugmechaniker sucht, sonst würde auch – das sage ich in Richtung der Gewerkschaften – das Konzept der 35-Stunden-Woche funktionieren, wenn die Arbeitskräfte beliebig austauschbar wären. Das ist Demagogie, meine Damen und Herren, das ist Angstpropaganda, und das lehnen wir ab! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir haben heute noch – und ich sage es hier, obwohl mich vielleicht manche kritisieren werden, weil ich das als einer, der aus der Wirtschaft kommt, sage – Betriebe – und ich kenne sie; und ich lehne es ab, aber ich verstehe es, daß die Menschen so reagieren –, ich kenne heute im nördlichen Niederösterreich viele Betriebe, die sagen: Was soll ich tun? Ich habe eine Menge vorgemerkte arbeitslose Inländer, die wollen alle am Samstag und Sonntag nicht arbeiten. Ich habe zwei Möglichkeiten: Entweder sperre ich den Betrieb zu, oder ich beschäftige Tschechen schwarz. (Abg. Dr. Haider: Warum geht es bei denen nicht, und warum geht es bei denen?)

Meine Damen und Herren! Das ist die Realität! (Abg. Dr. Haider: Ein Drittel der österreichischen Arbeitnehmer arbeitet außerhalb des Gesetzes, und Sie schauen zu!) Mir ist lieber, wir haben eine Ausländerbeschäftigungspolitik, die geplant ist, die gezont ist, wo aber die illegale Schwarzarbeit vermieden wird, denn die wird heute zum Teil tatsächlich in der Praxis so vollzogen; und das möchte ich nicht. Aber ich möchte nicht haben, daß Betriebe sagen: Bitte, wir bekommen keine inländischen Arbeitskräfte (Abg. Dr. Haider: Wenn die Arbeitszeitgesetze nicht eingehalten werden!) , wir bekommen auch keine ausländischen mit Beschäftigungsbewilligung, daher beschäftigen wir sie illegal. Das möchten wir nicht haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Eines dürfen wir nicht übersehen: Die Fragestellung Inländer – Ausländer – und das hat noch keiner der Vorredner gesagt – trifft ins Zentrum der Frage der Zumutbarkeit der Beschäftigung. Denn, meine Damen und Herren, wenn man sich die letzten 25 Jahre Ausländerbeschäftigung anschaut: Die Ausländer sind nicht von sich aus gekommen, wir haben sie geholt. Und ich gebe zu: Die Wirtschaftskammer hat viele Jahre hindurch Anwerbestellen gehabt, in Belgrad, in Istanbul, weil wir dringend Arbeitskräfte gebraucht haben. Wir haben sie geholt.

Sicherlich ist heute eines zu bedenken: Der berühmte Ausspruch: Arbeitskräfte haben wir geholt und Menschen sind gekommen, dieser Ausspruch ist richtig, und dem muß man Rechnung tragen, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich gebe gerne zu, es ist ein sehr schwieriger Trapezakt, die Balance zwischen Menschlichkeit und Humanität auf der einen Seite und Wirtschaftlichkeit auf der anderen Seite zu finden. Wir haben Menschen bekommen, die wir als Arbeitskräfte geholt haben (Abg. Dr. Haider: Die Österreicher sind auch Menschen! Auch die arbeitslosen Österreicher sind Menschen!) , und hier


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müssen wir jetzt so konsequent sein, auch familienpolitische Konsequenzen zu ziehen, Herr Kollege Haider. (Abg. Dr. Haider: Die jungen Österreicher sind auch Menschen!)

Ich gebe zu, es ist ein Thema, wo man sehr leicht bei gewissen Kreisen, bei gewissen Zielgruppen politisches Kleingeld zu bekommen glaubt, das ist gar keine Frage. Und die Stoßrichtung der Anfrage geht ja genau in diese Richtung, ist genau auf eine bestimmte Klientel, zielgruppenorientiert, würde ich sagen, ausgerichtet.

Meine Damen und Herren! Ich gebe gerne zu, daß die Wirtschaft immer die Auffassung vertreten hat, ausländische Arbeitskräfte dann hereinzulassen, wenn wir sie brauchen, wenn wir Arbeitsplätze haben, wenn wir Wohnungen haben, wenn wir entsprechende Schulen haben. (Abg. Dr. Haider: Jetzt haben wir keine Arbeitsplätze mehr, keine Wohnungen mehr!) Aber noch einmal: Der Mensch kann nicht allein auf die Arbeitskraft reduziert werden, wir müssen auch die menschliche Komponente sehen.

Ich bin überzeugt davon, meine Damen und Herren, daß dieser Weg, der jetzt eingeschlagen werden soll, gangbar sein wird, nämlich die Balance zu finden zwischen Humanität einerseits und der Notwendigkeit, jene Arbeitsplätze mit Ausländern zu besetzen, für die Inländer nicht gefunden werden können, weil sie nicht bereit sind, diese Arbeit zu verrichten. Das dürfen wir ja nie übersehen!

Ich bin gerne bereit, darüber zu diskutieren, ob bei den 30 000 ausländischen Arbeitslosen die Frage der Zumutbarkeit in der Praxis entsprechend angewendet wird. Herr Sozialminister, das ist sicherlich eine Herausforderung an die Arbeitsmarktverwaltung, eine Herausforderung für den Sozialminister, denn ich könnte mir schon vorstellen – ohne hier Pauschalurteile abzugeben –, daß auch Ausländer draufkommen, in Österreich ist es oft gar nicht so schwierig, nichts zu arbeiten – und doch etwas zu bekommen. (Abg. Ing. Reichhold: Jetzt tust du miesmachen!)

Also dieses Themas müssen wir uns annehmen, das ist gar keine Frage. Aber diese Aufgabenstellung haben wir unabhängig davon, ob Inländer oder Ausländer. Die Frage der Zumutbarkeit der Beschäftigung ist in jedem Fall nach den Bestimmungen des Gesetzes zu prüfen. Dazu bekennen wir uns, hier dulden wir keinen Mißbrauch! Wir haben das auch bereits frühzeitig aufgezeigt, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Den Minister interessiert das nicht!)

Der Minister hört genau zu! Außerdem hat der Minister schon oft Ausführungen von mir in ähnlicher Art und Weise gehört. Er weiß daher, wohin meine Ausführungen zielen, nämlich auf eine effizientere Arbeitsmarktverwaltung.

Wir haben wichtige Schritte bereits gesetzt, wir haben wichtige Schritte mit dem neuen Arbeitsmarktservice gesetzt. Wir sind natürlich noch nicht überall dort, wo wir sein wollen. So ist es halt im Leben: Der Ist-Zustand und der Soll-Zustand weichen oft voneinander ab. Aber ich möchte hier ausdrücklich festhalten, meine Damen und Herren, daß wir diesen Weg ganz bewußt gehen – ich betone: bewußt! –, diesen Weg, der sicherstellen soll, daß wir auch die Ausländer als Menschen sehen und nicht nur als reine Arbeitskräfte. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist der Herr Abgeordneter Dr. Kier. Er hat das Wort.

17.35

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Meine Herren Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Kollege Bauer hat sich heute bereits mehrfach von diesem Rednerpult aus anhören müssen, daß er eine sehr spitzfindige Art der neuen Aufrechnung vorgenommen hat. Ich muß es einfach zitieren: Er hat 275 000 beschäftigte Ausländer genannt und 230 000 beschäftigungslose Inländer und hat dann den bemerkenswerten Satz gesprochen – ich glaube, er wird im Protokoll nachzulesen sein –, daß er natürlich weiß, daß sich diese Zahlen nicht so ohne weiteres gegeneinander aufrechnen lassen.


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Das ist genau richtig dosiert, daß man es in diesem Saal gerade noch sagen kann, ohne sich fachlich vollkommen ins Freie zu begeben. Es war aber auch so formuliert, daß man natürlich dann draußen bei den Stammtischen sagen kann: Naja, es ist nicht ganz so einfach, aber aufrechnen kann man es schon. Denn "nicht so ohne weiteres aufrechnen" heißt eben, daß man es aufrechnen kann. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Das kann man auch!)

Und genau dieser Denkfehler ist bemerkenswert und beweist – das, was einer meiner Vorredner schon gesagt hat, unter anderem auch der Kollege Stummvoll –, daß das eben auch eine Frage der Kenntnis der Strukturen ist. Allein wenn man sich die differenzierte Struktur des österreichischen Arbeitsmarktes bewußt macht, weiß man, daß dieser Satz – "nicht so ohne weiteres aufrechnen" – grundsätzlich falsch ist, weil es überhaupt nicht möglich ist, das aufzurechnen, weil es hier einerseits um regionale Fragen geht, um Qualifikationsfragen, um strukturelle Fragen und letztlich auch um die Frage: Ist es sinnvoll, höherqualifizierte Menschen herunterzuqualifizieren, um genau diesen Aufrechnungsmechanismus leisten zu können, oder nicht? Ist es tatsächlich das, was gemeint ist mit "nicht so ohne weiteres aufrechnen", daß wir eben in Kauf nehmen, daß hochqualifiziert ausgebildete Menschen, für die wir schließlich über unser Schulsystem ja auch nicht unwesentlich investiert haben, statt daß sie durch eine offensive Wirtschaftspolitik einen Arbeitsmarkt vorfinden, in dem sie qualifikationsgemäß beschäftigt werden können, zum Zwecke des "nicht so ohne weiteres möglichen Aufrechnens" des Herrn Holger Bauer gleich in Hilfsdienste abgedrängt werden? – Das kann es ja nicht sein!

Man muß das einfach dazusagen. Man müßte – und zwar durchaus auch dort, wo sich dann vielleicht Vorurteile kultivieren lassen; auch ein Zitat vom Kollegen Bauer: "Das ist ein Thema beim Publikum"; genau da spürt man dann, was er meint – den Leuten sagen: Wir sind der Meinung, ihr sollt eure Qualifikation nicht verbessern, sondern sie vergessen und irgend etwas arbeiten, damit wir nur ja möglichst rasch die hier in Beschäftigung stehenden Ausländer aus dem Inland woandershin verbringen können. Denn nur dann würde das ja funktionieren.

Ich nehme ja nicht an, daß der Kollege Bauer meint, daß, wenn wir diese 275 000 Ausländer nicht mehr beschäftigt halten, sie dann kein Problem wären, wenn sie noch hier wären. Er sagt nicht dazu, die müssen natürlich dann weg, und selbstverständlich – so seine Philosophie – gleich mit ihren Familien. Daher verstehe ich, daß es für ihn besonders aufreizend ist, wenn jetzt ansatzweise versucht wird, das Menschenrecht auf Familienzusammenführung zu verwirklichen.

Damit ich da nicht in den falschen Verdacht gerate, mir gefällt das Integrationspaket des Bundesministers Einem wirklich, muß ich dazu sagen: Immerhin versucht man es jetzt wenigstens, und zwar durchaus in einer Symmetrie, die da heißt, das muß sich im Rahmen der Gesamtzuwanderung abbilden. Das ist ja eine richtige Philosophie, weil niemand in diesem Hohes Haus, der bei Sinnen ist und dem Sozialpolitik und der demokratiepolitische Frieden ein Anliegen ist, will, daß schrankenlos eingewandert werden kann. Wenn wir ein Einwanderungsland sind – und das sind wir –, dann müssen wir eben genau dieses Phänomen regeln. Das ist nur eine Frage des Wie, und da liegen wir mit der Regierung in einem heftigen Streit.

Aber eines ist sicher für uns: Ein Einwanderungsland kann sich eine Nullquote nicht leisten, und zwar auch aus sozialpolitischen Gründen nicht. Und wenn der Kollege Bauer hier vorgerechnet hat, daß wir spätestens im Jahr 2020 ein Problem bei den Pensionen haben werden, wenn wir jetzt Ausländer holen (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Das habe nicht ich gerechnet, sondern das Humboldt-Institut in Berlin! Horchen Sie zu!) – es war im Pressedienst der Partei, es steht in der dringlichen Anfrage so geschrieben –, dann sage ich Ihnen: Natürlich ist es richtig, daß, wenn heute Menschen Beiträge zahlen, und das 25 Jahre lang, sie dann auch irgendwann einmal in einem Alter sind, wo sie selbst darauf angewiesen sind, daß andere für sie die Pensionen zahlen werden. Aber das heißt ja nicht, daß sie nicht jetzt und auf lange Sicht in unserem System Bruttozahler sind, mehr zahlen, als sie aus dem System herausbekommen. Da hilft auch kein Hin- und Hergeschiebe mit Argumenten wie Kindergärten und so weiter, denn das ist ein allgemeines Strukturproblem, das wir haben, das ist nur eine Abbildung von Kinderzahlen. Aber da verstehe ich den Kollegen Bauer wahrscheinlich auch richtig: Es ist ihm halt unangenehm, daß diese Kinder vielleicht "fremdstämmig" sind. Das mag er nicht so gerne.


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Sozialpolitisch und humanitär spielt das keine Rolle. Wenn wir eine gesunde demographische Struktur haben und eben mehr Kinder aus dem Familienzuzug hierherkommen – die sich übrigens meistens viel, viel rascher integrieren, als es dargestellt wird, viel, viel schneller die hier im Inland gebräuchliche Sprache so gut beherrschen, daß sie sich in der Schule kaum von anderen Kindern unterscheiden und daher auch kein wirkliches pädagogisches Problem darstellen, höchstens im Übergang –, dann heißt das nur, daß wir im Bereich von Schule, von Kindergarten und von Kinderbetreuung ganz generell offenbar strukturelle Defizite haben. Der Zuzug – von Familien in diesem Fall – zeigt Defizite auf, die wir auch dann hätten, wenn wir zum Beispiel im Inland höhere Geburtenraten hätten. Das ist das, was sich Kollege Bauer im Zweifelsfall wünscht, aber er hätte dann genau dasselbe Problem, und ich glaube nicht, daß er dann zur Vermeidung von Investitionen in Kindergärten eine besondere Geburtenkontrolle fordern würde. Das glaube ich nicht, aber nichts anderes macht er jetzt. (Heiterkeit beim Liberalen Forum.)

Das ist meiner Meinung nach viel zu vordergründig. Dabei gibt es genug zu kritisieren. Es ist ja nicht so, daß man, wenn man den Herrn Bundesminister für Arbeit und Soziales zu diesem Thema befrägt, nicht auch sehr kritische Aspekte sehen kann. Ich glaube beispielsweise, daß das Hin- und Herschieben der Quoten beziehungsweise dieser Verantwortlichkeit – einerseits Aufenthaltsbewilligung, andererseits Beschäftigung – unbefriedigend ist. Heute haben wir ja gehört, wie mit den Beschäftigungsquoten operiert wird. Ich meine – so gut, so schlecht –, sie passen überhaupt nicht zum Bestand der – aus welchem Titel auch immer – im Inland lebenden Ausländer.

Daher bleibt unsere Forderung in vollem Umfang aufrecht, daß jemand, der legal hier sein darf, dann auch arbeiten dürfen muß. Das würde zwar das Problem, das dem Kollegen Bauer nicht gefällt, noch mehr verschärfen, aber nur auf der sichtbaren Ebene, denn auf der unsichtbaren Ebene haben wir es immer. Denn ob jemand, der berechtigterweise hier ist und nicht arbeiten darf, sozusagen zwangsweise arbeitslos ist, oder ob jemand hier sein darf und nicht arbeitet, weil er keine Arbeit findet, das ist für den Betroffenen persönlich ziemlich gleichgültig. Nur: Einmal ist er in der Statistik, das andere Mal ist er nicht in der Statistik. Das ist der einzige Unterschied.

Wenn es nur um diese Statistik geht, dann, meine ich, ist man gut beraten, wenn man bei solchen Quotenregelungen für die Beschäftigung bleibt. Wenn man den Menschen im Mittelpunkt sieht, dann sagt man: Legaler Aufenthalt bedeutet, hier arbeiten zu dürfen. Den Rest überlassen wir dem Arbeitsmarkt und selbstverständlich unseren Sozialsystemen. (Beifall beim Liberalen Forum und der Abg. Mag. Stoisits .)

Das ist vielleicht – um in der Formulierung des Kollegen Bauer zu bleiben – "kein Thema beim Publikum", aber es sollte ein Thema in diesem Haus sein, denn wenn wir uns hier ausschließlich danach richten, was beim Publikum ein Thema ist, das sofort gefällt, dann werden wir zu einer Gefälligkeitsdemokratie gelangen, und die wird nicht sehr erfolgreich sein, denn die wird keine innovative Reformen machen, die wird sich zum Beispiel nicht dazu entschließen, endlich die Diskussion darüber zu beginnen: Was heißt eigentlich "arbeitslos"?

Ich wiederhole das bewußt wie eine Gebetsmühle. Unser System sagt: Arbeitslos ist jemand in unserer Welt, wenn er vorher irgendwann einmal eine unselbständige Erwerbsarbeit ausgeübt hat. Ich sage Ihnen, arbeitslos ist jemand, der gerne arbeiten möchte, aber keine Arbeit findet.

In dieser Gabel müssen wir eine neue Regelung finden, denn sonst werden wir immer mehr Leute aus der Statistik hinausschieben. Sie werden zwar arbeitslos sein, aber nicht aufscheinen. Das wird den sozialen Frieden nachhaltig beeinträchtigen, das wird à la longue auch demokratiepolitisch gefährlich sein, und das ist vielleicht auch der Grund, warum wir heute diese dringliche Anfrage erörtern: Man spürt die Absicht, hier für Unruhe zu sorgen, die Unruhe am Leben zu erhalten, jedoch nicht die konstruktive Unruhe, sondern die Unruhe, die da heißt Angst, die da heißt Sorge und die da heißt Phobie. Ich sage bewußt Phobie. Damit rede ich nicht zum Publikum, sondern zu diesem Haus, aber möglicherweise auch nicht zur Fraktion auf der rechten Seite.


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Die Strukturprobleme sind es, die letztlich aufgezeigt werden, wenn wir so etwas erleben wie die relativ hohe Arbeitslosigkeit. Und wenn man sich bewußt macht, daß wir – ich rede jetzt nicht für die Regierung, sondern ich nenne einfach Zahlen – zwischen 1993 und 1994 die Anzahl der Beschäftigten in Österreich von 3 054 000 auf 3 070 000 angehoben haben, also in der Wirtschaft ein Nettozuwachs von ungefähr 16 000 Arbeitsplätzen erzielt wurde, dann muß man sich dazu vergegenwärtigen, daß gleichzeitig die Quote der beschäftigten Ausländer von 277 000 auf 291 000 gestiegen ist, also um rund 14 000. Das bedeutet: Das, was wir an neuen Arbeitsplätzen hinzugewonnen haben, war strukturell offenbar etwas, was hauptsächlich von Ausländern nachgefragt wird.

Wir sollten darüber diskutieren, ob wir nicht dieses Strukturproblem einmal angehen müßten. Aber das ist nicht den Menschen vorzuwerfen, die diese Arbeit aufgreifen. Denn wenn wir hauptsächlich Arbeitsplätze zustande gebracht haben, die überwiegend von Ausländern nachgefragt werden, dann ist das kein Grund, Ausländer nicht hereinzulassen, sondern es ist darüber nachzudenken, wie wir erreichen können, daß es auch dort zu einer dynamischen Entwicklung kommt, wo hochwertigere Arbeitsplätze nachgefragt werden. Die werden – nehmt alles nur in allem – sicher nicht in diesem Ausmaß von den Ausländern nachgefragt werden, denn die haben sehr viele Hindernisse zu überwinden, wenn sie in den österreichischen Arbeitsmarkt wollen. Und das gehört einmal auf den Tisch! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Daher noch einmal zur Frage der Familienzusammenführung – ohne daß ich mich im einzelnen mit dem beschäftige, was erst auf uns zukommt, denn das Integrationspaket ist erst eine Ankündigung, die Details sind aus unserer Sicht noch nicht wirklich durchgearbeitet. Sie kommen auf uns zu, die Gespräche laufen erst. Es zeigen sich erst die Konturen. Ich sage noch einmal: Wir stehen dem sehr kritisch gegenüber, insbesondere was die Asylflanke anlangt – ich erwähne das nur –, aber dort wird man solche Aspekt mit einbringen müssen. Man wird weiterhin nachhaltig verlangen müssen, daß die Ausländerrechte voll harmonisiert werden, weil wir es uns nicht leisten können, den Aufenthalt so zu regeln und die Beschäftigung so und hier eine Schere aufzumachen.

In diesem Sinne ist es mir wirklich wichtig, Sie daran zu erinnern – auch beide Herren Bundesminister; wenn sie heute schon beide zu dieser Anfrage hier sitzen, gibt mir das eine gewisse Hoffnung; vielleicht sehen sie, daß es sinnlos ist, dieses Thema zwischen ihren beiden Häusern hin- und herzuschieben –: Es muß zu einer vereinheitlichten Regelung kommen – so oder so! Denn wenn sie wenigstens vereinheitlicht wäre, wäre schon ein ganz, ganz großer Schritt nach vorne gemacht. Das heißt immer noch nicht, daß wir so eine Regelung dann loben würden – vielleicht gefällt sie uns nicht –, aber wenn sie einmal einheitlich wäre, wäre man um einen Schritt weiter.

Dann wäre vielleicht auch das Angstpotential nicht so groß, denn hier lebende Menschen, die hier sein dürfen, aber hier nicht arbeiten dürfen, sind tatsächlich eine Provokation – in mehrfacher Hinsicht. Sie sind eine Provokation, weil wir sie unmenschlich behandeln, und sie sind, weil sie zwangsweise arbeitslos sind, Menschen, die eben nicht arbeiten und als solche erlebt werden und sich daher gut eignen, die Suppe der Vorurteils darauf zu kochen.

In diesem Sinne richte ich mein dringendes Ersuchen an die beiden Bundesminister: Wenn Sie heute schon sehr symbolisch gleichzeitig anwesend sind, lösen Sie das Problem auch gemeinsam! Eine Bundesregierung ist ein Kollegialorgan. Sie faßt ihre Beschlüsse einstimmig. Niemand hindert Sie daran, eine gemeinsame Regierungsvorlage zu diesem Thema vorzulegen. Verlassen Sie die engen Felder der reinen Zuordnungen nach dem Bundesministeriengesetz! Machen Sie eine gesamthafte Ausländerpolitik! Wir werden Sie kritisch begleiten, wir werden Sie kritisieren, aber wir würden eine gemeinsame Lösung sehr begrüßen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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23. Sitzung / Seite 123

17.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Sie hat das Wort.

17.49

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Abgesehen von dem, was Herr Dr. Stummvoll hier über Sinn und Zweck der dringlichen Anfrage gesagt hat – ich möchte das nicht mehr wiederholen –, was er zur Methode der Freiheitlichen Partei gesagt hat, die ja System hat – wir haben sie in dieser Legislaturperiode schon vielfach erlebt, diese Methode, zunächst einmal leise zu hetzen zu beginnen und, je näher die Wiener Wahl und die Europawahl kommen, immer lauter zu werden, das aufzubauen; das ist nichts Neues, das kennen wir –, habe ich in dieser Debatte nach den Worten von Herrn Dr. Haider, inklusive der Worte von Herrn Bundesminister Hums ein wenig den Eindruck gewonnen, daß sich auch die Redner und Rednerinnen der Regierungsparteien dieser Tatsache bewußt sind und daß sie diese Töne, die hier kommen, auch wahrnehmen.

Das ist vielleicht der Unterschied zu den Zeiten vor 1992 beziehungsweise 1993, zu den Zeiten vor dem ersten Ausländervolksbegehren der Freiheitlichen Partei, und es stimmt mich, trotz aller Kritik und meiner persönlichen Vorbehalte, ein wenig positiv, wenn ich an die Worte des Herrn Dr. Stummvoll, aber auch der Frau Kollegin Reitsamer und des Herrn Bundesminister Hums denke. (Abg. Scheibner: Haben Sie sich schon entschuldigt für die unflätigen Worte dem Herrn Abgeordneten Ofner gegenüber?) Herrn Dr. Haider, der ja Großmeister in vielen Kategorien des politischen Tuns (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Der Wahrheit!) , vor allem der politischen Unkultur ist, ist vor allem in einem der einzige und wahre Meister, den es in Österreich gibt, nämlich in der Methode, Wasser zu predigen und Wein zu trinken – das ist nämlich die Methode, die ihm im Zusammenhang mit der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen einfällt –, Herrn Dr. Haider möchte ich hier fragen: Wie bewirtschaften Sie eigentlich Ihr Millioneneigentum im Bärental? (Abg. Trenk: Das geht Sie gar nichts an!) Mit ausländischen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen oder ohne? Ich unterstelle Ihnen nicht, daß Sie dort Schwarzarbeiter und -arbeiterinnen beschäftigen. (Abg. Dr. Haider: Ich beschäftige nur österreichische Arbeitnehmer!) Das hat einigen Rumor in Österreich ausgelöst, als Ihnen das einmal unterstellt wurde. Es ist nämlich dann herausgekommen: Dem ist nicht so, das ist alles legal. Es ist auch Tatsache, daß es Ausländer und Ausländerinnen sind, die Sie in Ihrem Millioneneigentum beschäftigen. Was ist mit denen? Gilt für sie auch die Devise: Raus mit ihnen!? Gilt für die auch die Milchmädchenrechnung, daß sich das Problem lösen würde, wenn man auf der einen Seite die ausländischen Beschäftigten, die es in Österreich gibt, austauschen würde gegen jene 240 000 Österreicher, die auf der anderen Seite Arbeit suchen und als arbeitslos gemeldet sind, weil diese beiden Zahlen einander ungefähr entsprechen?

Dieses Wasser predigen und Wein trinken, das kennen die Österreicher und Österreicherinnen zur Genüge. Diese Masche, Herr Dr. Haider, diese Hetze (Abg. Scheibner: Sie hetzen ja schon wieder!) , diese Angstmacherei, diese Art von Angstpropaganda – das wird nicht aufgehen! Die Menschen sind viel vernünftiger, als Sie glauben. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Warum regen Sie sich dann so auf?) Da gibt es natürlich Ihre Zielgruppen, und bis jetzt hat sich das im wesentlichen auf außerhalb des Parlaments beschränkt, aber Sie haben offensichtlich dort nicht mehr so viel Erfolg, sodaß Sie jetzt auch diese Bühne hier nutzen müssen.

Der entlarvendste Satz, den Sie heute in Ihrer Rede gebracht haben, war der Satz von den Gastarbeitern; die hierherkamen, die nach Österreich gerufen wurden, die hier arbeiten, Steuern zahlen, hier leben, hier ihren Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt leisten und dann ihren Gaststatus verletzen, wenn es dem Herrn Dr. Haider nicht mehr ganz ins Konzept paßt. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Wenn er keine Arbeit mehr hat!) Was ist das für ein Gast, der sich nicht schleicht, wenn der Herr Dr. Haider meint, daß er hier keinen Platz mehr hat? (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Nein, wenn er keine Arbeit mehr hat! Das ist ja das Wesen des Gastarbeiters!) Was ist denn das für ein Verständnis von Zusammenleben in Österreich, wo doch das Prinzip: Was gut für Ausländer ist, ist auch gut für Inländer! die Politik leiten sollte und jene, die eine vernunftbegabte Politik hier in diesem Hohen Haus machen, in Zukunft auch leiten wird? (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Ich verstehe nicht, wie Sie auf die Idee kommen und an den Herrn Bundesminister Hums die Aufforderung richten, er solle die Ausländerbeschäftigungsquote von 8 auf 6 Prozent senken. Ihre Devise ist doch: Raus mit allen! (Abg. Trenk: Das ist Ihre Methode!) Konsequenterweise


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müßten Sie hier stehen und sagen, die Ausländerbeschäftigungsquote ist auf null zu senken. Aber ich gebe schon zu, dann wären Ihre ausländischen Holzarbeiter im Bärental auch betroffen, und das Hemd ist einem immer noch näher als der Rock. Also für die gilt das nicht.

Jetzt möchte ich nicht wiederholen, was schon einige gesagt haben, denn es ist natürlich jedem Menschen einsichtig, daß, wenn ein türkischer oder jugoslawischer Bauarbeiter in Österreich arbeitslos wird, das einer arbeitslosen Friseurin im Südburgenland oder in Kärnten nichts nützt. Um das zu erkennen, braucht man nicht einmal vernunftbegabt zu sein. Aber diese Methode, die mich inzwischen ja langweilt – das tut sie (Abg. Scheibner: Entschuldigen Sie sich einmal beim Dr. Ofner!) –, weil sie nämlich überhaupt keine Konsistenz mehr hat, Herr Dr. Haider, diese Methode hat sich heute als das gezeigt, was sie wirklich ist: Es ist eine Methode ohne Hand und Fuß, nur die eine Absicht verfolgend: Angst zu machen, zu hetzen und diese Propaganda auch in dieses Hohe Haus zu tragen. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: So ein Blödsinn!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich die Auswirkungen des Systems kenne, die sich vor allem in den letzten Jahren aus der Art, mit ausländischen Beschäftigten in Österreich Politik zu machen, ergeben haben, dann fällt es mir schwer, zu verstehen, warum man nicht auch – jetzt wende ich mich wieder an die Vernunftbegabten – vernunftbegabt in diesem Sinne handelt. Kollege Kier hat vorher davon gesprochen. Heute hat – außer der Opposition natürlich – noch niemand das Wort von der Harmonisierung der Ausländergesetze gebracht. Herr Bundesminister Hums und Herr Bundesminister Einem, es geht nicht nur darum, in einer Situation, da wir auf dem Arbeitsmarkt insgesamt unter Druck sind, Schritte zu setzen, die große Auswirkungen hätten und schwerwiegend wären, es geht auch darum, daß man von Ihnen eine Art von symbolischer Politik einfordern muß, die ich so sehr vermisse.

Ist es für Sie nicht bedenklich, daß wir das einzige EWR-Land sind, in dem ausländische Arbeitnehmer durch systematische Verweigerung von Mitbestimmungsrechten etwa davon ausgeschlossen sind, Betriebsräte werden zu können? Ist Ihnen das nicht vielleicht sogar irgendwie ein bißchen peinlich, wenn Sie zu Ministerkonferenzen bei der EU fahren und dort als einziger sitzen und ein Land vertreten, in dem ein Türke, ein Jugoslawe, ein Pole, ein Tscheche nicht einmal Betriebsrat werden kann? Sie wissen, daß wir aufgrund dieser Tatsache in ganz Europa belächelt werden. (Abg. Scheibner: Wo werden wir da belächelt, sagen Sie einmal?) Das ist etwas, Herr Bundesminister und Herr Präsident des Gewerkschaftsbundes, das nichts kostet. Das kostet gar nichts, das schafft weder Arbeitsplätze, noch nimmt es jemandem einen Arbeitsplatz weg, das ist etwas, was dem Zusammenleben und auch den Intentionen, dem Geist der Gewerkschaftsbewegung entsprechen würde, etwas, was längst fällig ist.

Ich frage mich: Warum erfolgt nicht zumindest dieser symbolische Akt? Genau in Zeiten wie jetzt, wo von der rechten Seite dieses Hauses wieder diese Hetze von neuem begonnen wird, genau in diesem Moment fordere ich von Ihnen – oder bitte ich Sie, wenn Ihnen das lieber ist –, genau diese symbolischen Akte zu setzen, denn das wäre ein Zeichen, daß Sie es wirklich ernst und ehrlich meinen! Das wäre dann nicht, wie bei der Frau Präsidentin Hostasch, die jedesmal, wenn sie hier gesprochen hat, beteuert hat, daß sie es ja will, aber daß es angeblich andere sind, die das nicht wollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Schluß komme ich noch kurz zu dem sogenannten Integrationspaket, das Dr. Einem und Dr. Khol präsentiert haben und das dem Nationalrat demnächst, wenn daraus nach der schmählich kurzen Begutachtungsfrist von zehn Tagen eine Regierungsvorlage wird, zur Verfügung stehen wird. Ich sage deshalb "sogenanntes Integrationspaket", denn das ist nicht das, was Herr Bundesminister Einem letztes Jahr noch gemeint hat, wenn er von Integration gesprochen hat, denn davon sind ausschließlich jene Gesetze betroffen, die aufenthaltsrechtliche Auswirkungen haben. Auch das Asylgesetz gehört in diesem Fall dazu, denn auch dieses hat Auswirkungen auf den aufenthaltsrechtlichen Status von Ausländerinnen und Ausländern. Darin ist nichts vom erleichterten, verbesserten, europakonformen Zugang zur Staatsbürgerschaft enthalten, dort ist auch nichts drinnen von der Harmonisierung der Gesetze und vor allem vom Ausländerbeschäftigungsgesetz, geschweige denn vom gleichberechtigten Zugang zum sozialen Wohnbau, für den auch gleichberechtigte Beiträge enthalten sein müßten.


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Deshalb ist der Name falsch, die Intention dieses Gesetzes aber richtig. Richtig jedenfalls, wenn man in Form einer Zeitmaschine die Zeit um fünf Jahre zurückdrehen könnte – und ich würde das gerne tun, das sage ich Ihnen –, wenn heute 1991 wäre und wir die Intention diskutieren könnten. Eine große Zahl von Menschen – ich war in den letzten Jahren mit Tausenden Fällen konfrontiert – zählte zu den Betroffenen jener Zeit, in der in Österreich auch von den Regierungsparteien nur eine Devise bei den gesetzlichen Bestimmungen gegolten hat, nämlich alles so restriktiv, so ausschließend und so schwierig wie nur möglich für Ausländerinnen und Ausländer zu gestalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird zwar jetzt von meiner Seite jederzeit und überall lobend erwähnt, daß man sich darüber Gedanken macht, aber es fehlt halt so viel. Wir werden noch oft Gelegenheit haben, darüber zu reden, so hoffe ich, was für ein friedliches, gleichberechtigtes und menschenwürdiges Zusammenleben der österreichischen Bevölkerung insgesamt, egal, ob Inländer oder Ausländer, noch notwendig ist.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Zuletzt noch eines an Sie und dann ein Letztes an Herrn Dr. Haider. Wie kommen Sie auf die Idee, zu meinen – ich war ganz erstaunt, als ich das hörte –, daß das Assoziierungsabkommen keine Auswirkungen auf unsere gesetzlichen Bestimmungen, was türkische Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen betrifft, die in Österreich schon länger als vier Jahre arbeiten, hat? Ja was verstehen Sie denn unter freiem Zugang, wenn nicht frei von Quoten, von Höchstzahlen und frei von Reglementierungen?

Ich verstehe Sie nicht! Ich verstehe Sie deshalb nicht, weil ich den Eindruck habe, daß Sie den Nationalrat wider besseres Wissen informieren. Auch wenn es eine Anfrage der Freiheitlichen ist und auch wenn natürlich bestimmte Gefahren drinstecken, muß ich doch sagen: Sie irren, Herr Bundesminister! Sie werden es irgendwann einmal hier eingestehen müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Haider mit seinem Bärental und mit seinen Ausländern weiß ja alles gut. Er weiß auch, wie Herr Dkfm. Bauer, daß es in Österreich eine Million Ausländer gibt. Ich frage mich immer: Woher weiß er das? Sind ihm diese – einmal sind es 250 000, einmal sind es 275 000 – Illegalen bekannt? Wenn er sie kennt, dann wäre es ja im Sinne von vernunftbegabtem Handeln sinnvoll, wenn er der Bundesregierung unterstützend zur Seite stünde, damit sie sich diesen Problemen widmet.

Ich bin immer wieder verwundert, wie phantasievoll die Freiheitlichen – denn das sind sie ja, zweifelsfrei – beim Erfinden von Zahlen sind. Phantasiebegabtheit kann man ihnen nicht absprechen, Vernunftbegabtheit aber sehr wohl, denn mit Hetze, Demagogie und Auseinanderdividieren von Menschen ist in Österreich ganz sicher kein Staat zu machen, Herr Dr. Haider! Die Österreicher und Österreicherinnen haben das erkannt. Und das werden noch viel mehr Menschen erkennen. Diese Bühne werden Ihnen die Österreicherinnen und Österreicher nicht geben. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Dann werden Sie nicht mehr gewählt, wenn die Leute das erkannt haben!)

18.04


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Herr Abgeordneter Dr. Haider hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter, beginnen Sie mit der Darstellung des Sachverhaltes, den Sie berichtigen wollen.

18.04

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Danke, Herr Präsident. Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Stoisits hat behauptet, ich würde in meinem Forstunternehmen ausländische Arbeitskräfte beschäftigen. Das ist unrichtig. Es gibt keinen einzigen Arbeitnehmer in meinem Betrieb, der Ausländer ist. Das beweisen die Anmeldungen zur Sozialversicherung. (Abg. Mag. Stoisits: Was ist mit den Unangemeldeten?) Ich bitte die Frau Kollegin, zur Kenntnis zu nehmen, daß es so ist, auch wenn es sie nicht freut, es sei denn, sie rechnet den steirischen Vorarbeiter, der bei mir tätig ist, zu den Ausländern. Dann würde ich ihrer Kritik Rechnung tragen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Redner ist Abgeordneter Mag. Haupt. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. (Abg. Dr. Haselsteiner – in Richtung des Abg. Dr. Haider –: Ich habe Portugiesen und du Bosnier! Ich habe 27 und du drei!)

18.05

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist eigentlich gut, daß sich die vier Vorredner in einem einig waren, nämlich daß sie offensichtlich psychoanalytische Experten sind. Sie haben daher von der Mimik bis zur Körpersprache alles analysiert, um sich der Peinlichkeit zu entbinden, hier in entsprechender Form das zu analysieren, was tatsächlich als schriftliches Elaborat auf dem Tisch liegt, nämlich die Anfrage der freiheitlichen Fraktion an den Herrn Sozialminister und die darin enthaltenen Zahlen.

Kollegin Stoisits hat hier wieder ihren Part übernommen und wieder Dinge in die Diskussion eingebracht, die bereits gerichtsanhängig waren und vor den ordentlichen Gerichten geklärt worden sind. Angereichert hat sie die Debatte noch mit dem Hinweis auf den Millionenbesitz und mit klassenkämpferischen Elementen der Grünen, wonach Besitz in diesem Lande selbstverständlich strafbar und schädlich ist.

Ich glaube, Frau Kollegin Stoisits, solche und ähnliche Wortmeldungen werden sich selbst richten, und daher werde ich auf Ihre weiteren Ausführungen in meinem Debattenbeitrag nicht weiter eingehen.

Es ist für mich immerhin eines beruhigend – das kam auch in der Antwort des Herrn Bundesministers auf die Ausführungen des Anfragestellers Holger Bauer zum Ausdruck –, daß zumindest die Zahlen, die in unserer Anfrage erwähnt worden sind und von denen auch Holger Bauer gesprochen hat, in der Debatte bis jetzt unbestritten waren. Diese waren deswegen unbestritten, weil sie aus den offiziellen Statistiken der Arbeitsmarktverwaltungen Österreichs, des Arbeitsmarktservices beziehungsweise aus der ÖSTAT der europäischen Ebene stammen.

Wenn hier behauptet worden ist, daß die Intention der Freiheitlichen wie immer bei der Einbringung einer dringlichen Anfrage nur ist, die Bevölkerung aufzuhetzen und ein ausländerfeindliches Klima zu schaffen, um dann schlußendlich vor den Wiener Wahlen noch eine draufzugeben – ich kann mich an den genauen Wortlaut der Ausführungen der Kollegin Stoisits in diesem Punkt nicht erinnern –, so möchte ich dem eines entgegenhalten: In Österreich geht, wenn man nach dem Market-Institut und seiner Definition geht, schon lange die nackte Angst um.

Zunächst herrscht Angst um den Arbeitsplatz. 82 Prozent halten es für schwierig, einen Arbeitsplatz zu finden, 9 Prozent stufen ihren Arbeitsplatz als eher unsicher ein, und es befürchtet die Mehrheit von 69 Prozent, daß die Arbeitslosigkeit 1997 gegenüber 1996 steigen wird. Eine verschwindende Minderheit – praktisch niemand, nämlich nur 4 Prozent – erwartet sich einen Rückgang, und 71 Prozent aller Österreicherinnen und Österreicher befinden, daß für sie die Sicherung der bestehenden Arbeitsplätze die wichtigste Regierungsaufgabe ist. Für 67 Prozent ist die Schaffung neuer Arbeitsplätze vorrangig.

Das ist für mich der Grund, warum wir heute bereits zum dritten Mal in diesem Jahr dieses Thema aktualisiert haben.

Sie haben richtigerweise gesagt, daß schon am 30. Jänner hier in entsprechender Form von den Freiheitlichen eine Initiative gesetzt worden ist und in einer Sondersitzung des Nationalrates das Thema "Arbeit in Österreich" auf der Tagesordnung gestanden ist. Ich möchte das Rad der Zeit des österreichischen Parlamentarismus nur um vier Monate zurückdrehen. 50 000 Nettoarbeitsplätze mehr wurden uns von dieser Bundesregierung versprochen. Tatsache ist, daß bis jetzt etwa 37 000 Arbeitsplätze in Österreich verlorengegangen sind und daß, um dieses Ziel von 50 000 zusätzlichen Arbeitsplätzen zu erreichen, noch 87 000 Arbeitsplätze im heurigen Jahr zu schaffen sein werden, um das zu verwirklichen, was die Bundesregierung versprochen hat.


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Die traurige Zahl von mehr als 5 000 Insolvenzen im vorigen Jahr ist für mich Anlaß genug, mich zu fragen, warum Herr Stummvoll als Wirtschaftsfachmann hier heute bei seiner Rede zur Dringlichen darauf vergessen hat, das wirtschaftsfeindliche Klima für Betriebsansiedelungen zu erwähnen. In seinen Standardreden erwähnt er ja immer, daß nur die Wirtschaft und die Unternehmer Arbeitsplätze schaffen, aber nicht die Bundesregierung. Ich möchte es daher mit in die Diskussion bringen, denn die entsprechenden Studien der OECD lassen einen auch nachdenklich werden. 143 000 Arbeitgeber, neue Firmengründungen, bräuchte Österreich, um beim jetzigen Stand auf den OECD-Schnitt zu kommen. Da ist die Bundesregierung deutlich gefordert. Die Rahmenbedingungen für Firmenneugründungen und damit für neue Arbeitsplätze zu schaffen, das wäre eine Aufgabe der Bundesregierung im klassischen Sinn. Die Bundesregierung kann vielleicht wenig Arbeitsplätze schaffen – außer im staatlichen Bereich –, aber sie kann mit Sicherheit eines tun: Sie kann in Österreich Rahmenbedingungen für ein wirtschaftsfreundliches Klima schaffen und somit die Voraussetzungen für mehr Unternehmer und damit langfristig auch mehr Arbeitsplätze für Arbeitnehmer. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich halte es daher schlichtweg für töricht, wenn man in dieser Diskussion auch versucht, alte Gemeinplätze ins Treffen zu führen, wie etwa von seiten der Freiheitlichen eine Gegenüberstellung von in Österreich beschäftigten Ausländern, von Arbeitslosen und Nichtarbeitslosen und Österreichern im Ausland.

Die statistischen Zahlen sind ja allen aus der heutigen Diskussion bekannt: 368 000 Österreicher haben Arbeit im Ausland gefunden, und mehr als eine dreiviertel Million Ausländer haben mit ihren Familienmitgliedern in Österreich eine Arbeitsheimat gefunden. Wenn man sich die Unterschiede in den wichtigsten Branchen, in denen Ausländer in Österreich beschäftigt sind, anschaut – Bauarbeiter, Baunebengewerbe, Fremdenverkehr –, so ist durchaus feststellbar, daß Kollege Kier in seinen Ausführungen irrte. Die Arbeitslosenzahlen sprechen in diesen Bereichen, vor allem bei den Minderqualifizierten, eine deutliche Sprache. Wir haben in vielen Bereichen zu viele hereingeholt und sind nicht mehr in der Lage, den nach Österreich hereingeholten ausländischen und inländischen Arbeitskräften adäquate Arbeit zu geben. Die Krise der Baubranche in Österreich wird vermutlich mein Nachredner, ein profunderer Kenner der entsprechenden Szenarien, erörtern und auch, woran es liegt, daß bis heute keine Beschäftigungseffekte, die von unserer Bundesregierung angekündigt worden sind, bei den Firmen, bei den Anbietern und bei jenen, die Arbeitsplätze suchen, bemerkbar sind.

Daß darüber hinaus auch die Unterbringung jener Gastarbeiter, die wir nach Österreich geholt haben, teilweise noch katastrophal ist, soll hier keineswegs verschwiegen werden. Ein Problem, das im Sozialausschuß schon x-mal apostrophiert worden ist, ist die unhaltbare Situation der Zeitungskolporteure. Daß dieses Problem aufgrund einer Ausnahmeregelung, die offensichtlich einen Kniefall der Bundesregierung vor den Medienzaren in diesem Lande darstellt, wieder keiner sozial verträglichen Regelung zugeführt wird, kann ich schlicht und einfach nur als soziales Schandblatt der österreichischen Innenpolitik bezeichnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Denn Arbeitnehmervertreter, Arbeitgebervertreter, Parlamentarier aller Fraktionen haben in den letzten Jahren soziale Beschäftigung für alle, nämlich für In- und Ausländer, gefordert. In vielen Sitzungen des Sozialausschusses wurde dieses Thema behandelt. Warum dann Ausnahmebestimmungen in diesem Bereich? Wem dient das? Will man sich damit neue Medienmehrheiten einkaufen, oder ist es einfach ein Kniefall vor jenen, die die gemachte Meinung in diesem Staate repräsentieren und sich dabei das eine oder andere Zuckerl auf Kosten der sozialen Gerechtigkeit ausländischer Arbeitskräfte beziehungsweise ausländischer Unternehmer, die sie ja de facto nunmehr darstellen, die sich in Österreich auf dem niedrigsten sozialen Level befinden, holen?

Ich glaube nicht, daß diese Ausnahmebestimmungen ein Ruhmesblatt der Sozialgeschichte Österreichs sind und daß die Bundesregierung auf diese Ausnahmebestimmungen stolz sein kann. Es ist vielmehr das Gegenteil der Fall. Ich glaube, es ist wirklich der tagespolitische Kniefall vor jenen, die die Meinung in diesem Lande bilden, und nichts anderes.


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Die Unterbringung mancher Arbeiter in Österreich ist teilweise noch immer katastrophal. Manchmal leben in Quartieren – das wurde auch schon des öfteren im Fernsehen gezeigt –, die normalerweise Platz für zwei oder drei Personen bieten würden, 14, 15 Personen. In diese Massenquartiere werden dann noch die Familienangehörigen, die Ehegatten hineingepfercht. Dies läuft der freiheitlichen Sicht von sozial zuwider. Daher auch unsere freiheitliche Forderung, zuerst Wohnraum zu schaffen und dann erst die Leute hereinzuholen, aber nicht den umgekehrten Weg zu gehen, nämlich beschränkte, unsoziale Wohnverhältnisse noch durch einen nunmehr ermöglichten Zuzug in diese Massenquartiere zu verschärfen und zu dramatisieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube nicht, daß man die Argumente der Freiheitlichen als unsozial bezeichnen kann. Ich glaube einfach, daß man in der Öffentlichkeit über diese unsozialen Elemente der eigenen Politik hinwegtäuschen will und auf der anderen Seite auch bei den Zahlen ein Vabanquespiel zwischen Vorhang, Bühne und Realität machen will. Oftmals erscheinen mir die Statistiken tatsächlich als Zahlenspielereien, die – Kollege Stummvoll hat es ähnlich ausgedrückt – mit den Köpfen von betroffenen Menschen gemacht werden.

Jeder, der arbeitslos ist und als arbeitslos registriert ist, ob In- oder Ausländer, ist ein Mensch. Jeder hat das Recht, als Mensch behandelt zu werden, auch in seinen Ängsten und Nöten. Da gehe ich mit Kollegen Stummvoll durchaus konform. Dann frage ich mich aber, welche menschenverachtende Realität dahintersteht, wenn man einfach aus statistischen Gründen, um politisch besser dazustehen, Tausende wegrationalisiert, bereinigt, wie das so schön heißt, vergißt, unter den Strich kehrt, aus der Diskussion nimmt und damit das Problem nicht mehr anzugreifen wagt oder nicht mehr angreifen will oder vertuschen will.

Dahinter steckt für mich eine zutiefst unsoziale, eine zutiefst menschenverachtende Gesinnung. Da brauchen wir Freiheitlichen uns nicht zu genieren, denn diese Gesinnung haben meine vier Vorredner unisono, von der Frau Reitsamer bis zur Frau Stoisits, in klarer, deutlicher Weise zum Ausdruck gebracht, indem sie von Manipulation und von Wegrationalisierung von betroffenen Menschen gesprochen haben.

Geben wir doch in der Diskussion zu, wie die Lage tatsächlich ist! Verschweigen wir doch den Österreicherinnen und Österreichern nicht, wie ihre Situation ist! Schauen wir uns auch die Arbeitslosenzahlen bei den weiblichen Arbeitskräften in Österreich an, schauen wir uns an, welches Schicksal sie erleiden und wie sie als Reservearmee abgebaut werden, auch von diesem System, das die Bundesregierung repräsentiert und das die Bundesregierung nunmehr den Österreichern zu verkaufen versucht.

Ich halte nichts davon, ich halte nichts von einem statistischen Schwindel. Ich halte mich an die konkreten Zahlen, die auf dem Tisch liegen. Sie sind sozial bedrückend und erschreckend genug.

Noch erschreckender ist allerdings für mich, daß die Bundesregierung in nunmehr fünf Monaten nicht in der Lage war, eine einzige ihrer Parolen, die sie seit Jahren verkündet und den politisch Interessierten zur Kenntnis bringt, auch nur annähernd zu verwirklichen. Die 50 000 neuen Arbeitsplätze sind in weiter Ferne, die Wirtschaftsforscher sagen einen Aufschwung frühestens für 1998 voraus. Manche befürchten, daß er auch dann noch nicht kommt. Die entsprechenden bürokratischen Abbaumethoden sind in weiter Ferne. Die entsprechende Identifizierungsmöglichkeit, um die Schwarzarbeit in Österreich tatsächlich effizient und auch in klarer Form verfolgen zu können, ist in weite Ferne gerückt. Die Bauwirtschaft hat ja den Ausweis aus eigener Initiative mit relativ gutem Erfolg eingeführt, die anderen Branchen sind dem nicht gefolgt, die Bundesregierung auch nicht. Es gibt – dies war gestern den Medien zu entnehmen – ein Gesetz, wonach sich jeder in Österreich befindende Ausländer, ob Tourist oder Arbeitnehmer, seinen Paß ständig mit sich führen müßte.

Angesichts der geltenden Rechtslage frage ich mich, warum die Forderung, daß jeder einen Lichtbildausweis bei sich haben soll, um die legal und die illegal Beschäftigten tatsächlich identifizieren zu können, auch aus den Kreisen der Arbeitnehmervertreter so heftig angegriffen


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wird. Ich zitiere nur die Arbeiterkammer: Das ist Menschen- und Kopfzählung, das ist Verfolgung, Identitätskrise. Derartige Aussendungen hat es mehrere gegeben.

Ich glaube, jeder, der daran interessiert ist, die Illegalität auf Österreichs Arbeitsmarkt in entsprechender Form einzudämmen, und zwar sowohl bei den Arbeitgebern als auch bei den Arbeitnehmern, und die Schwarzarbeit in den Griff zu bekommen, wird gut beraten sein, diese unsere freiheitlichen Vorschläge aufzugreifen und in die Praxis umzusetzen. Sie sind weder inhuman, sie sind nicht einmal mit den derzeit geltenden Gesetzen nicht korrespondierend, sondern sie stellen sogar eine Verbesserung der derzeit geltenden Gesetzeslage dar.

Wenn ein Ausländer seinen Reisepaß, den er bei sich führen müßte, im Inland verliert, hätte er erheblich mehr Schwierigkeiten, sein Dasein auch bei vorhandenem Arbeitsplatz in entsprechender Form den Behörden gegenüber zu reklamieren und nicht eingesperrt oder abgeschoben zu werden, bis seine Identität feststeht, als wenn er einen Lichtbildausweis bei sich hat, der ihn als legalen Arbeiter in Österreich ausweist.

Ich glaube, wir haben aus freiheitlicher Sicht durchaus einiges an Beispielen für Reformen hier eingebracht. Wir sind auch durchaus bereit, in diesem Bereich mitzumachen. Aber eines sage ich grundsätzlich und klar – da unterscheiden wir uns von den vier anderen Fraktionen –: Für uns Freiheitliche ist Österreich kein Einwanderungsland. Wir sind gerne bereit, für all jene, die um Asyl ansuchen, Plätze zu schaffen, aber Österreich kann für uns kein Einwanderungsland sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher glauben wir auch, daß das der gravierende Unterschied zwischen den anderen vier Fraktionen hier im Hohen Hause und uns ist. Wir wollen daher, solange die Beschäftigungssituation in Österreich wie heute ist, jene, die im Inland sind, einer Beschäftigung zuführen, und erst dann, im nächsten Jahrtausend, werden wir uns den Kopf zerbrechen, was mit jenen geschieht, die vor unseren Grenzen auf Arbeitsplätze warten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Elmecker. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

18.21

Abgeordneter Robert Elmecker (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich kurz mit jenem Teil der dringlichen Anfrage beschäftigen, der in Richtung Integrationspaket geht, und versuchen, doch einiges aus der bisherigen Diskussion ins richtige Licht zu rücken.

Kollege Haupt! Wenn wir – ich habe das auch schon einmal öffentlich gemacht und bin damals von der Kollegin Partik-Pablé kritisiert worden – sagen, Österreich ist ein Einwanderungsland, so meine ich das natürlich historisch gewertet und will das auch historisch gewertet sehen.

Meine Damen und Herren! Wir haben in den letzten Jahren Zuzüge aus dem Ausland gehabt. Die Leute haben sich niedergelassen, und ich erinnere mich noch sehr gut an die Diskussion 1991, als wir darangegangen sind, das Aufenthaltsgesetz zu schaffen, daß es damals sogar Vorschläge gegeben hat, eine Art Niederlassungsgesetz zu schaffen, um das auch auszudrücken. Das heißt also, diese Diskussion gibt es schon länger. Wir nehmen einfach zur Kenntnis, daß, wie Dr. Stummvoll meinte, Menschen gekommen sind, daß wir Gastarbeiter gerufen haben und Menschen gekommen sind.

Ich möchte mich aber jetzt mit einigen Zahlen beschäftigen. Dr. Haider hat von 24 000 Neuzuzügen nach dem Integrationspaket pro Jahr gesprochen. Ich habe versucht, auf diese Zahl zu kommen, und meine, daß er das folgendermaßen errechnet hat: 19 000, die zurzeit im Aufenthaltsgesetz vorgesehen sind, plus in etwa 5 000 Studenten und Pensionisten – Abgeordneter Kiss hat das heute vormittag schon beim Sicherheitsbericht gesagt – sind 24 000. Ich kann es mir nur so erklären: Das mit vier Jahren multipliziert, wie es im Entwurf steht, ergibt in etwa diese 100 000, die er meint. Nur glaube ich, man sollte das Integrationspaket so verstehen, wie es auch darin steht, nämlich daß wir bei den Neuzuzügen in Hinkunft pro Jahr maximal


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1 500 Schlüsselkräfte vorgesehen haben mit der statistischen Quote vier, das ist gleich die Gesamtfamilie – statistisch; der eine hat mehr Kinder, der andere hat weniger Kinder. Das heißt, es ist in Zukunft der sogenannte Rucksack nicht mehr zu erwarten.

Was meinen wir mit "Rucksack"? – Das sind Familienangehörige von Gastarbeitern, die zum Teil hier leben – ich gebe vielleicht auch zu bedenken: die nicht legal hier sind – und jene Familienangehörigen, die noch im Ausland leben. Diesen "Rucksack" in den nächsten Jahren in Form der Familienzusammenführung abzuarbeiten, ist das Ziel des Integrationspaketes.

Wenn wir vorgesehen haben: 10 500 pro Jahr Familienzusammenführung plus die Neuzuzüge 1 500 mal vier, so haben wir in etwa in Hinkunft zwischen 16 000 und 17 000 Zuzügen beziehungsweise Familienzusammenführung zu erwarten. Das ist eine deutliche Senkung von dem, was wir bisher haben. (Zwischenruf des Abg. Dkfm. Holger Bauer. ) Herr Kollege Bauer! Es ist so. Es ist eine deutliche Senkung von dem, was bisher ist. Ich habe mir die Statistik kommen lassen. (Zwischenruf des Abg. Dkfm. Holger Bauer. )

Ich habe mir die Zahlen aus dem Jahr 1996 kommen lassen, meine Damen und Herren! Das ist sehr interessant, sogar pro Bundesland ist es aufgelistet: Im Burgenland wurden für 1996 für die Schlüsselkräfte beantragt 50, bisher vergeben 3, in Prozenten sind das 6; Familiennachzug im Jahr 1996 550, bisher vergeben 60. In Kärnten: Schlüsselkräfte beantragt 50, bisher vergeben einer, 2 Prozent, Familiennachzug heuer 800, bisher vergeben 333. Niederösterreich: Schlüsselkräfte beantragt 100, bisher vergeben 4, Familiennachzug beantragt 900, bisher vergeben 132. Oberösterreich: Schlüsselkräfte beantragt 100, vergeben 7, Familiennachzug beantragt 950, bisher vergeben 251. Salzburg: Schlüsselkräfte beantragt 100, bisher vergeben Null, Familiennachzug 950, bisher vergeben 191. Steiermark: Schlüsselkräfte beantragt 100, vergeben 9, Familiennachzug beantragt 2 500, vergeben 603. Tirol: beantragte Schlüsselkräfte 100, bisher vergeben Null, Familiennachzug beantragt 950, bisher vergeben 340. Schlüsselkräfte in Vorarlberg beantragt 60, bisher vergeben eine, Familiennachzug 320, vergeben 126 und schließlich Wien: Schlüsselkräfte beantragt 500, vergeben 59, 2 600 für Familiennachzug, vergeben 1 613.

Meine Damen und Herren! Ich habe das deswegen so ausführlich hier dargestellt, weil das diese Angstmache beweist, die Sie versuchen, auch in den Wiener Wahlkampf hineinzubringen – ich habe das am Sonntag auch bei Kollegen Dr. Pawkowicz erlebt –, und das sind einfach Dinge, die man auf der emotionalen Ebene versucht, indem man die klaren Tatsachen verschweigt. Nennen Sie diese Zahlen auch bei Ihren Versammlungen, dann werden Sie nicht mehr geziehen werden können, entsprechende Ängste und Emotionen zu schüren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich mache noch etwas: Wenn ich mir jetzt die aufrechte Bewilligung gemäß Aufenthaltsgesetz bisher im Detail anschaue, so stelle ich fest, wir haben beim Aufenthaltszweck nach dem Aufenthaltsgesetz – das sind sehr wichtige Zahlen – für die unselbständig Erwerbstätigen 202 000 – das sind jene, die eine unselbständige Erwerbstätigkeit als Aufenthaltszweck angeben –, selbständige Erwerbstätigkeit 5 990, Studium 7 438, privater Aufenthalt 5 555, Pension niedergelassen 5 450 und Familiengemeinschaft mit Fremden 143 120.

Jetzt gehen wir davon aus, daß die Hälfte davon Kinder sind, die in Schulen untergebracht sind, dann sind das in etwa netto, wenn wir das aus dem gesamten Familienpaket, wenn ich das jetzt einmal so bezeichnen darf, berechnen, 70 000 Ausländer.

Meine Damen und Herren! Wenn wir diese Zahlen sachlich betrachten und diskutieren, dann kommen wir sicherlich nicht in Versuchung – aber die Freiheitlichen tun das natürlich aus politischen Gründen –, die Angst schüren, die Ausländer nähmen uns die Arbeitsplätze weg.

Da Kollege Haupt vorhin von der Unterbringung gesprochen hat, darf ich darauf verweisen, daß in Hinkunft im Integrationspaket enthalten ist: Wenn die Wirtschaft Arbeitskräfte beantragt, so haben diese auch nachzuweisen, daß sie ihnen Wohnungen zur Verfügung stellt. – Das ist schon im Antragsverfahren bekanntzugeben. Das heißt also, die Stoßrichtung, die man in der dringlichen Anfrage versucht hat, nämlich daß man im Hinblick auf das zukünftige Integrationspaket mit einer Riesenflut von Ausländern zu rechnen hätte, ist schlicht und einfach falsch.


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Außerdem muß ich ergänzend noch einmal das wiederholen, was Bundesminister Hums gesagt hat, nämlich daß natürlich auch in Zukunft neben dem Integrationspaket – also das Aufenthaltsgesetz und das Asylgesetz – das Ausländerbeschäftigungsgesetz mit der Bewilligungspflicht bestehenbleibt. Das heißt also, die Bundeshöchstzahl von 8 Prozent ist nach wie vor gültig.

Noch eine Bemerkung schließlich zu dem von den Freiheitlichen auch hier in der dringlichen Anfrage angezogenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes bezüglich der türkischen Staatsangehörigen. Meine Damen und Herren! Mir liegen die Statistiken nach dem Aufenthaltsgesetz vor. Danach verfügen insgesamt 78 719 Türken über eine Aufenthaltsbewilligung und kommen demnach für die Verlängerung ihrer Aufenthaltsberechtigung in Frage. Von der Gesamtzahl türkischer Staatsangehöriger in Österreich verfügt allerdings nur rund die Hälfte bereits über einen Zugang zum Arbeitsmarkt und ist rund ein Viertel im nicht-arbeitsfähigen Alter. Das Potential, das sich somit selbst bei weitester Auslegung des Erkenntnisses für den Neuzugang auf den Arbeitsmarkt ergeben könnte, beträgt daher nur einen Bruchteil der Gesamtzahl aufenthaltsberechtigter türkischer Staatsangehöriger in Österreich.

Geschätzte Damen und Herren! Ich wollte diesen Diskussionsbeitrag auch in Richtung Integrationspaket deswegen hier abgeben, damit nicht jetzt schon im Vorfeld der Gesamtdiskussion diese aus unserer Sicht sehr wichtige Vorlage, die wir am 20. Juni ausführlich im Innenausschuß diskutieren werden, sozusagen schon von vornherein miesgemacht werden sollte. Wir müssen nämlich in dieser Sache etwas tun, auch was die Aufarbeitung des von uns so bezeichneten Rucksacks bedeutet. Die Menschen lösen sich nicht in Luft auf, das Paket löst sich nicht in Luft auf, daher müssen wir etwas tun, und wir wollen es in Richtung Integration tun. Und, wie gesagt, der Neuzuzug von 1 500 pro Jahr ist ohnehin sehr, sehr restriktiv. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Das stimmt ja gar nicht!)

18.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.31

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich ist die Sorge um die Arbeitsplätze in Österreich generell sehr groß. Diejenigen, die darauf hingewiesen haben – das haben eigentlich alle Redner getan –, haben in diesem Punkt zweifellos recht. Allerdings – da bin ich, Herr Abgeordneter Haupt, von Ihnen eigentlich enttäuscht – den Eindruck zu vermitteln, man könne dieses Problem lösen, indem man einfach die Grenzen zusperrt, ist so falsch, daß es geradezu bedrohlich ist, eine solche Meinung zu äußern, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das wird von uns auch ganz massiv kritisiert, und das hat auch Abgeordneter Haider versucht – mein Kollege Dr. Stummvoll hat das bereits gesagt –: Mit Neidkomplex, mit Abkapselung in die Öffentlichkeit zu treten und den vermeintlichen Widerstand und die Distanz zwischen Inländern und Ausländern weiterzuforcieren, ist eine Methode, die von uns nur abgelehnt werden kann. Dr. Ofner! Ich verstehe nicht, daß von den Freiheitlichen immer auf diese einfache Art, und zwar billige Art, Politik gemacht wird. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Ofner: Auch wenn es wahr ist, wird man es sagen dürfen! Auch wenn es euch peinlich ist!)

Ich möchte ganz klar sagen: Am Ausländerbeschäftigungsgesetz, an der Zulassung von Ausländern auf dem österreichischen Arbeitsmarkt wird sich nichts ändern.

Zweiter Punkt: Natürlich sind zunächst die Wohnungsprobleme zu lösen, bevor es zu einer Zuwanderung, auch zu einer Familienzusammenführung kommt. Natürlich sind zunächst die Lebensgrundlagen zu klären, ob der Betreffende überhaupt hier in Österreich leben kann, ob er einen ausreichenden Lebensunterhalt hat. Es ist nicht so, daß man einfach blind zuwandern läßt, sondern diese Vorraussetzungen müssen geklärt werden und werden geklärt, bevor es zu einer weiteren Zuwanderung kommt. Das besagt auch unser heutiges Gesetz, diese Dinge sind klar zu regeln.


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Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Haupt! Sie haben hier den Eindruck vermittelt, daß die Illegalität in den letzten Jahren zugenommen hätte. Ich stelle das Gegenteil fest. Ich stelle fest, daß es sehr wohl zu einer Verminderung der Illegalität unter den Ausländern in Österreich gekommen ist, und zwar zu einer sehr deutlichen Verminderung der Illegalität, denn immer noch ist kontrollieren besser als strafen. Allerdings: Mit dem Weg, den die Freiheitlichen im vergangenen November gegangen sind, daß sie einfach die Strafen erhöht und die Ausländerbeschäftigung weiter skandalisiert haben, werden wir das Problem der Ausländerbeschäftigung und der Ausländer in Österreich nicht lösen, meine Damen und Herren! Das muß ganz klar gesagt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Abgeordneter Bauer hat weiterhin kritisiert und die Meinung vertreten – auch in Wortmeldungen von anderen Freiheitlichen ist das deutlich geworden –, weil wir Kriegsflüchtlinge aufgenommen hätten, sei unser Arbeitsmarkt belastet worden. Meine Damen und Herren, Gott sei Dank ... (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Ich habe das nicht gesagt! – Abg. Trenk: Das stimmt überhaupt nicht!) Gott sei Dank ist das nicht so gewesen, sondern es waren private Institutionen, die massiv eingegriffen haben. Ich nenne hier die Caritas, die mitgewirkt hat, die Probleme zu lösen, die Probleme der Kriegsflüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Es ist Großartiges geleistet worden. Ich sage Ihnen noch etwas: Weil wir in diesem Bereich immer eine großzügige Politik betrieben haben, auch gegenüber den Ungarn-Flüchtlingen, haben wir eine Vorbildfunktion ausgeübt, nicht nur in Europa, sondern weltweit. (Zwischenruf des Abg. Dkfm. Holger Bauer. ) Wir sind für unsere Politik, die wir betrieben haben, gelobt worden, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Ofner: Das ist das Wichtigste: Wir sind gelobt worden! Wir sind Musterschüler!) Ja, ich glaube, daß es wichtig ist, daß wir Anerkennung finden und eine vorbildhafte Wirkung für die gesamte Politik in Österreich haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Dann wird hier großartig verkündet, wir sollten den Weg gehen, den die Schweiz mit dem Saisonnier-Modell gegangen ist. Meine Damen und Herren! Ich möchte diesen Weg mit dem Saisonnier-Modell der Schweiz nicht gehen, das ist nämlich Sozialdumping in Reinkultur, meine Damen und Herren! (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Dann haben Sie es nicht verstanden! – Abg. Rossmann: Lesen Sie es sich durch!)

Ich kenne es, und ich sage Ihnen jetzt gleich, was passiert ist in den Jahren, als es in der Schweiz schlechtgegangen ist, als es Arbeitsmarktprobleme gegeben hat: Da sind Tausende von Vorarlbergern nach Vorarlberg zurückgekehrt, weil sie ihren Arbeitsplatz verloren haben. Gott sei Dank hatten sie eine österreichische Arbeitslosenversicherung, die sie in Anspruch nehmen konnten, meine Damen und Herren! Noch schlimmer ist es jenen Menschen, jenen Vorarlbergern ergangen, die zurückgekehrt sind – zurückkehren mußten – und sich noch keine Pension in der Schweiz erworben hatten, weil sie noch nicht 65 Jahre alt waren. Sie mußten dann die österreichische Ausgleichszulage in Anspruch nehmen, meine Damen und Herren! Diese Ausländerpolitik und Beschäftigungspolitik möchte ich nicht mitmachen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP, bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Mit diesem Modell, das Sie uns hier angepriesen haben, können Sie bei uns keine Zustimmung finden. Im Gegenteil – dieses Modell schafft immer mehr Probleme. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. ) Auch Sie Herr Dr. Ofner, müßten das wissen. (Abg. Dr. Ofner: Aber ja, Herr Feurstein!)

Ich fasse zusammen. Man kann nicht einfach Inländer gegen Ausländer auf dem Arbeitsmarkt austauschen. Wer glaubt, daß man das einfach kann, der irrt. Wir brauchen gute Rahmenbedingungen für den Arbeitsmarkt und generell für die Ausländerbeschäftigung. Wir haben diese guten Rahmenbedingungen. Das ist einerseits ein Ausländerbeschäftigungsgesetz, das nicht großzügig ist, sondern sehr wohl auf die Situation des Arbeitsmarktes Bedacht nimmt, und das ist andererseits eine Verordnungsermächtigung, zu der ich stehe, die der Sozialminister hat, eine Verordnungsermächtigung, die ihm die Möglichkeit bietet, gerade dort, wo es soziale Härten geben würde, wenn keine Beschäftigungsgenehmigungen erteilt werden, einzugreifen – bei der zweiten Generation, die hier geboren worden ist, und bei den Flüchtlingen.


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Wir brauchen eine gute Arbeitsmarktpolitik, eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die Probleme auf dem Arbeitsmarkt löst. Staaten, die – ich sage es noch einmal – den anderen Weg gegangen sind, haben mit ihrer Arbeitsmarktpolitik und ihrer Gesamtpolitik Schiffbruch erlitten. Ich möchte nicht, daß Österreich zu diesen Staaten gehört.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten diesen Weg der aktiven Arbeitsmarktpolitik, den wir begonnen haben, fortsetzen und damit die Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, die nicht leicht sind, bewältigen und lösen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

18.39

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Dr. Bauer! Sie machen es mir wieder einmal schwer bei dieser dringlichen Anfrage. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Es ist meine Absicht, es Ihnen nicht leichtzumachen!)

Für diesen Standpunkt habe ich durchaus Verständnis, und zwar aus folgendem Grund: Ich glaube, eine dringliche Anfrage zur Arbeitsmarktsituation und zu der steigenden Arbeitslosenzahl hätte eine gewisse Berechtigung. Ob sie die Dringlichkeit auch hätte, ist eine zweite Frage.

Ich glaube, eine Anfrage an den Innenminister betreffend Einwanderungspolitik oder Problematik der Zuwanderung hätte eine Berechtigung, das wäre ein anderes Thema. Wir mögen da vielleicht nicht einer Meinung sein, aber es wären in jedem Fall zwei Themen, die insgesamt – jedes, das eine wie das andere – interessant und vielleicht auch dringlich wären. Aber mit der Verknüpfung dieser beiden Themen, meine Herren, entlarven Sie sich selbst! Damit legen Sie sich ja ganz klar fest. Wenn Sie das lesen, und zwar aufmerksam genug lesen, dann ist die Stoßrichtung, die Sie so bestreiten, indem Sie sagen: Nein, das ist nicht unsere Absicht, sondern wir sind in Sorge um den Arbeitsmarkt!, klar erkennbar. Da entlarven Sie sich wirklich selbst!

Meine Damen und Herren! Als Arbeitgeber von vielen Tausenden Österreichern und von vielen Tausenden Ausländern in den vergangenen Jahren habe ich es mir schon lange abgewöhnt, ihre Arbeitnehmerqualität danach zu differenzieren, ob sie Inländer oder Ausländer sind, so wie ich ja auch nicht differenziere, ob Sie Kärntner oder Burgenländer sind! In einer Unternehmung kommt es ja nur darauf an, ob der Betreffende leistungswillig und loyal ist beziehungsweise alle anderen Voraussetzungen und Eigenschaften mitbringt (Abg. Dr. Ofner: Folgsam!), die der Arbeitgeber ihm mit Recht abverlangt, weil sie die Gegenleistung für den ausbezahlten Arbeitslohn sind. Meine Damen und Herren! Das ist die Grundlage, aber nicht, ob einer Ausländer, Inländer, Kärntner oder Burgenländer ist. Wo kämen wir denn da hin?! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Und ich gebe Ihnen natürlich recht, Herr Dr. Haupt: Die Angst geht um. (Abg. Mag. Haupt: Ich habe nicht promoviert!) Da haben Sie ja recht, Herr Mag. Haupt! Die Angst geht tatsächlich um. Aber die Angst ist ja nicht ein spezifisches Inländerproblem. Auch die Ausländer haben Angst! Eine Beschäftigungspolitik, wie wir sie zu Recht von der Regierung fordern, muß ja das Problem adressieren und nicht differenzieren, indem man sagt: Wichtig sind nur die Arbeitsplätze für die Inländer; die Ausländer können wir über die Grenze abschieben, und damit haben wir das Problem auf eine gewisse Art und Weise gelöst. – Das wäre eine Politik oder eine Denkungsart, die ich wirklich für menschenverachtend halten würde! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Ich gebe schon zu, Herr Haupt, daß es natürlich auch noch Mißstände gibt, zum Beispiel im Wohnungsbereich, bei den Kindergartenplätzen, bei den Ausbildungsplätzen. Ich gebe auch zu, daß die konzentrierte Überfremdung einzelner Bezirke ein drückendes Problem für die dort lebende einheimische Wohnbevölkerung ist. Das gebe ich alles zu (Abg. Dr. Ofner: Endlich! Aber –?) ,und ich meine auch, daß wir es diskutieren sollten. Nur: Die Verknüpfung dieser beiden


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Themen ist verwerflich und schäbig. Merken Sie sich das, meine Damen und Herren von der FPÖ! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Noch etwas, meine Damen und Herren von der FPÖ: Sie wissen das sicher noch genau und erinnern sich ja noch an die Quote und diese Ermächtigungsverordnung, die hier so kritisiert wird, bezüglich derer Sie heute fordern, daß sie möglichst rasch auf 6 Prozent zurückgenommen werden soll – mit allen Auswirkungen, die ich gar nicht beschreiben könnte; ich muß auch sagen, es fehlt mir fast ein bisserl die Phantasie, mir auszumalen, was das in der Praxis bedeuten würde. Ich glaube, es gäbe auf jeden Fall gigantische Probleme für die Wirtschaft. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. ) Ich weiß schon, Herr Dr. Ofner, das interessiert Sie wenig, aber mich interessiert das etwas mehr. (Abg. Dr. Ofner: Ich durchschaue Sie nur ein bißchen, habe ich den Eindruck!)

Ich glaube, Sie sollten sich daran erinnern, wie lange – und ich glaube, mich richtig zu erinnern – die Wirtschaft mit Ihrer Unterstützung für diese 8 plus 1 Prozent gekämpft hat. Das war uns ja – und zwar, bitte schön, Herr Stummvoll, nicht nur Ihnen, sondern auch den Unternehmervertretern innerhalb der FPÖ – viel zuwenig! Wir haben ja gesagt, daß wir mehr brauchen, daß wir eine stärkere Entlastung am Arbeitsmarkt brauchen. Ich will mich jetzt nicht technisch darüber verbreiten. Es wurde heute schon angeschnitten, daß man Arbeitnehmer nicht einfach austauschen kann. Die Komplexität des Arbeitsmarktes sei zu groß, so funktioniere es nicht, und die zufällige annähernde Übereinstimmung von 264 000 Arbeitslosen und 290 000 offenen Stellen besagt gar nichts – all das wurde bereits erwähnt.

Meine Damen und Herren! Aber erinnern Sie sich nur daran, daß wir diese 8 plus 1 Prozent in der Meinung gefordert haben, daß wir mit 8 plus 1 Prozent eine vernünftige Grenze beschlossen hätten. Und wenn wir heute feststellen sollten, daß wir mit dieser Schätzung oder mit dieser Annahme, 8 plus 1 Prozent seien angemessen und notwendig, daneben liegen, dann berechtigt uns das noch lange nicht, ohne Berücksichtigung des berechtigten Interesses der Betroffenen zu sagen: Und jetzt fahren wir ab mit 3 Prozent, und welche Auswirkungen das für jenen Personenkreis hat, den wir gerufen haben, das ist uns Wurscht. – Das ist keine Beschäftigungspolitik, die ich als ordentlich bezeichnen würde – um ein Lieblingswort meines Kollegen Haider zu zitieren. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Herr Feurstein! Wenn Sie mit einem gewissen Stolz sagen, das Ausländerbeschäftigungsgesetz werde sich nicht ändern, dann muß ich entgegnen: Darauf sollten Sie nicht stolz sein! (Zwischenruf der Abg. Aumayr. ) Es gibt viele Bestimmungen im Ausländerbeschäftigungsgesetz, es gibt viele Bestimmungen in diesem Zuwanderungspaket, die wir ändern sollten. Ich möchte noch einmal an den Appell meines Kollegen Kier erinnern. Es ist ein Unding, Einwanderung und Beschäftigungsgenehmigung zu trennen. Das sollte – im Sinne von uns allen – in einem abgehandelt werden.

Und dazu kommen noch viele, viele berechtigte Ansprüche, wie sie auch in dieser dringlichen Anfrage drinnen stehen, etwa die Frage der Unterkünfte, die Frage der Ausbildungsplätze, die Frage der Überfremdung und viele andere Dinge mehr. All das, meine Damen und Herren, sollten wir besprechen und sollten wir diskutieren. Und wenn Sie, Herr Feurstein, sagen, das Saisonnier-Modell sei Lohndumping in Reinkultur, und das Vorarlberger Schicksal beklagen, das sozusagen aufgrund des Saisonnier-Modells einen Rückstrom von plötzlich arbeitslos gewordenen (Abg. Dr. Feurstein: Grenzgängern!) Grenzgängern hervorgerufen hat, dann muß ich Sie schon auf etwas hinweisen, Herr Feurstein: Diese Menschen haben Jahre und Jahrzehnte hindurch einen gutbezahlten Arbeitsplatz gefunden. Was wäre denn die Alternative gewesen? Daß sie von vornherein in Vorarlberg arbeitslos gewesen wären? – Das ist ja keine Alternative! So einfach geht das nicht.

Ich gebe zu, daß das Saisonnier-Modell auch ausdiskutiert gehört und daß wir darüber beraten sollten, welches Modell – und auch, mit welchen Verbesserungen gegenüber dem Schweizer Modell – wir einführen sollten. Aber von vornherein jeden neuen Ansatz, auch wenn er von der FPÖ kommt, a priori abzukanzeln und zu sagen: Das ist Lohndumping, darüber reden wir nicht!,


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das ist zu einfach, das ist zu sehr schwarz-weiß, und das sollten wir uns auch nicht erlauben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Zum Schluß komme ich wieder zu Ihnen, Herr Dr. Bauer: Sie machen es uns nicht leicht. (Rufe: Diplomkaufmann!) Ja, Herr Diplomkaufmann. Das ist ein schrecklicher Titel, ich habe ihn auch, deswegen erlaube ich mir diese Bemerkung. – Herr Bauer! Sie machen es mir eben nicht leicht. Würden Sie bei Ihren dringlichen Anfragen etwas mehr Glaubwürdigkeit an den Tag legen, wäre es auch für uns als Mit-Oppositionspartei leichter, die Versäumnisse und die Mängel dieser Regierung mit Ihnen gemeinsam anzuprangern und zu verfolgen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Aber es ist wirklich unangenehm für eine Oppositionspartei, Ihren Eiertanz mitmachen zu müssen! – Ich danke Ihnen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Ofner: Das ist ein solcher Schmäh! Ich müßte schimpfen, aber ich schimpfe nicht, weil Ihr schimpft!)

18.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.48

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Großteils kann ich mich der Meinung meines Vorredners, des Herrn Kollegen Haselsteiner, anschließen. Ich habe auch die Rede des Herrn Abgeordneten Feurstein sehr gut gefunden, obwohl ich sonst in sehr vielen Fragen nicht einer Meinung mit ihm bin.

Ich muß Ihnen, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, sagen (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Du "mußt" nicht!), ich finde es völlig legitim und stehe zu dem Recht, dringliche Anfragen zu stellen. Ich werde dieses Recht auch immer verteidigen. Ich habe auch nichts dagegen, daß Sie eine Anfrage zum Thema Beschäftigung, zum Thema Beschäftigungsperspektiven, zum Thema Migration machen. Aber ich habe sehr viel dagegen – und das ist schon von meinen Vorrednern gesagt worden –, daß Sie das Beschäftigungs- oder Arbeitslosigkeitsproblem unmittelbar mit dem Ausländerproblem verknüpfen. Daß Sie hier gegenseitig aufrechnen, daß Sie in Zahlen die Ausländerbeschäftigung der Arbeitslosigkeit gegenüberstellen, das ist unglaublich!

Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Ich möchte Ihnen sagen: Der letzte, der das geschickt und demagogisch gemacht hat, war der Reichspropagandaminister Goebbels. Der hat das mit den Juden vorexerziert, was er mit der gegenseitigen Aufrechnung von Beschäftigung und mißliebigen Bevölkerungsgruppen gemeint hat, und wie man dann, wenn man sie eliminiert oder wegschickt oder sonst irgendwie aus dem Land bringt, die Beschäftigungslage lösen kann. (Abg. Rossmann: Sie sind ja nicht ernst zu nehmen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie machen das jetzt mit den Ausländern in gleicher Weise. Diese "Gleichung" ist nicht nur falsch, sie ist auch bösartig und demagogisch. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie ist absolut demagogisch! (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte mich mit diesen Forderungen von Ihnen auch inhaltlich beschäftigen. Was machen Sie? – Sie fordern einen Stopp der Zuwanderung. Das ist die erste Forderung von Ihnen. (Zwischenruf des Abg. Dkfm. Holger Bauer. ) Nehmen Sie das ernst. Nehmen Sie das wirklich ernst, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei: Stopp der Zuwanderung. – Was ist aber dann, Herr Kollege, wenn nicht nur wir einen Stopp der Zuwanderung machen, sondern wenn auch die Bundesrepublik Deutschland und die Schweiz und alle anderen "Aus-Länder" einen Stopp der Zuwanderung von Ausländern machen? Was ist dann mit unseren österreichischen Beschäftigten, die jetzt im Ausland arbeiten?

Einige hunderttausend Österreicher arbeiten im Ausland, und schon jetzt ist erkennbar, daß sich in bestimmten Regionen – wie beispielsweise Vorarlberg – durch die leichte Rückwanderung dieser Österreicher aus Deutschland und der Schweiz die Beschäftigungsprobleme verstärken. Wenn Ihre Forderung also ernstgenommen werden soll, wenn Sie sie wirklich für alle Länder ernst nehmen, wenn Sie wirklich wollen, daß das "Raus aus dem Ausland" für alle gilt, so sage


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ich Ihnen eines: Die Konsequenz wird sein, daß sich die Probleme auf dem österreichischen Arbeitsmarkt – unabhängig davon, ob unsere ausländischen Beschäftigten in die Türkei oder nach Jugoslawien zurückgeschickt werden oder nicht – gravierend verändern werden, weil wir selbstverständlich 200 000, 300 000 oder 400 000 Österreicher dann wieder in Österreich retour hätten, weil sie aus dem Ausland zurückkommen. Oder soll das für diese nicht gelten? Soll das nur für unsere ausländischen Beschäftigten in Österreich gelten? Gilt das nicht für die Österreicher, die als ausländische Beschäftigte in anderen Ländern arbeiten? Haben Sie da andere Vorstellungen? (Abg. Rossmann: Bekommen Sie derzeit eine Arbeitsbewilligung in Amerika, in der Schweiz oder in Australien?) – Es ist also nicht richtig und es ist dumm, wenn Sie das gegeneinander aufrechnen. Es ist im übrigen auch bösartig und demagogisch.

Ich möchte Ihnen noch eines sagen: Die Gleichung geht auch nicht auf, wenn man sich die reale Situation in bestimmten Bezirken anschaut. Ich war vorgestern im Bezirk Oberwart, habe dabei auch einen Betrieb besichtigt und gefragt: Wie viele Ausländer sind in diesem Betrieb beschäftigt? – Es ist der größte Betrieb im Burgenland, 1 200 Beschäftigte arbeiten dort. Bei dieser Frage hat man mich angeschaut, als ob ich von einem anderen Planeten kommen würde. Es gibt nämlich keinen Ausländer in diesem Betrieb. Und der Bezirk Oberwart ist derjenige mit dem größten Zuwachs an Arbeitslosigkeit im Burgenland.

Es sind also nicht die Ausländer verantwortlich für die Situation zum Beispiel im Bezirk Oberwart. Das kann man einfach nicht sagen! Da gehört schon sehr viel Ignoranz dazu, zu dem Resultat zu kommen, die Ausländer seien schuld. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Im Bezirk Oberwart hat es im April 1996 1 844 Arbeitslose gegeben. Das ist ein Zuwachs von 35 Prozent gegenüber dem Vormonat. Insgesamt Ausländer – nicht nur arbeitslose Ausländer – mit Beschäftigungsbewilligung oder Befreiungsschein hat es im April 1996 im Bezirk Oberwart 736 gegeben. Sind diese vielleicht verantwortlich für die 1 844 Arbeitslosen? Sind sie verantwortlich? Wollen Sie die 700 Ausländer im Bezirk Oberwart dafür verantwortlich machen, daß die Arbeitslosigkeit auf 1 844 explodiert ist? Wollen Sie sie wirklich verantwortlich dafür machen? – Obwohl die Zahl der Ausländer gegenüber dem Vorjahr um 5 Prozent zurückgegangen ist, ist die Beschäftigungslosigkeit im Bezirk Oberwart um 35 Prozent gestiegen. Aber das spielt keine Rolle für Sie, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei. Das können Sie ruhig ignorieren.

Zweite freiheitliche Forderung – sie ist auch eine Regierungsforderung und bereits verwirklicht; können Sie abhaken –: die Streichung der Familienbeihilfen für im Ausland befindliche Kinder. Was wird damit bezweckt? Was kann man damit erreichen? – Ich möchte Ihnen nur sagen: Es gibt eine Studie von Gudrun Biffl, die das sehr gut analysiert (der Redner hält eine Wifo-Studie in die Höhe): "Zur Niederlassung von Ausländern in Österreich", erschienen im November 1995. Noch vor unserem Strukturanpassungsgesetz stellte Frau Biffl fest, eine Änderung der finanziellen Leistungen für Kinder im Ausland – etwa eine Verringerung der Kinderbeihilfe – hätte einen verstärkten Zuzug der Kinder nach Österreich zur Folge.

Das ist Ihre Forderung, und das ist die Konsequenz daraus. Bedenken Sie eigentlich die Konsequenzen, wenn Sie etwas fordern? – Nein, Sie bedenken sie nicht. Es ist Ihnen egal. Sie rechnen sogar damit, daß sich dadurch die Situation zuspitzen kann. Sie leben gewissermaßen von dieser Zuspitzung der Situation. Sie werfen das aber der Regierung dann vor, wenn sie diese Situation tatsächlich herbeiführt, wenn sie also zum Beispiel die Familienbeihilfe streicht, so wie sie es jetzt gemacht hat. Wenn also der Zuzug notwendig wird, weil die Kinder im Ausland unversorgt sind, dann werfen Sie das dieser Regierung vor. Wenn die Regierung jetzt auf das Konzept des Zuzugs setzt, dann machen Sie es ihr zum Vorwurf, obwohl die Regierung damit nur Ihre Forderung erfüllt hat! Das ist das Problem der Regierung, aber gleichzeitig auch Ihre bösartige und demagogische Politik.

Dritte freiheitliche Forderung: Sie fordern das Saisonnier-Modell. Ich glaube Ihnen gern, Herr Kollege Haselsteiner, daß Sie Probleme haben, das Saisonnier-Modell abzulehnen. Das glaube ich schon. Es waren ja auch Kollegen von der liberalen Fraktion damals noch bei den


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Freiheitlichen und haben gemeinsam mit ihnen dieses Saisonnier-Modell ausgearbeitet. Herr Kollege Haselsteiner! So sehr Sie auch in den anderen Punkten recht haben, in bezug auf das Saisonnier-Modell haben Sie meiner Meinung nach völlig unrecht!

Das Saisonnier-Modell ist nichts anderes als die absolut brutale und verschärfte Variante unseres Ausländerbeschäftigungsgesetzes. Das Ausländerbeschäftigungsgesetz macht die Ausländer in unserem Land zu rechtlosen Personen. Es teilt sie in verschiedene Klassen ein. Aber durch das Saisonnier-Modell würden wir eine neue Klasse noch rechtloserer Personen schaffen. Das ist kein Modell für die Zukunft. Mit dieser Art von Beschäftigung kann man nicht gewinnen. Mit dieser Art von Beschäftigung kann man nicht das erreichen, was unmittelbarer und integraler Bestandteil jeder Ausländerbeschäftigungspolitik und jeder Integrationspolitik sein müßte und sein sollte – was diese Regierung allerdings nicht durchführt –, nämlich die Ausländer in die gleichen Rechte zu setzen wie die Inländer; in die gleichen Rechte, wenn sie hierher kommen und hier ihre Tätigkeit aufnehmen; in die gleichen Rechte nicht nur in bezug auf ihre materielle Situation, sondern selbstverständlich auch auf ihre politische Situation. Wenn sie hier arbeiten, dann haben sie auch das Recht, hier mitzubestimmen. Selbstverständlich muß ihnen das gewährt werden. Und das ist das, was die Regierung mit diesen Herren und Damen von der "F" vereint: daß sie ihnen nämlich beide diese Rechte bislang in wesentlichen Punkten noch immer verweigern.

Das Saisonnier-Modell ist die Zuspitzung des Ausländerbeschäftigungskonzeptes mit drei, vier, fünf, sechs verschiedenen Stufen von Ausländern. Ich brauche Ihnen das ja nicht zu erzählen, Herr Kollege Haselsteiner. Sie wissen ja, welche Gruppen es gibt, jene mit Beschäftigungsbewilligung, jene mit Befreiungsschein und so weiter. Aber dann haben wir ja noch innerhalb dieser Gruppen die Differenzierungen. Dann haben wir das Problem, daß die Aufenthaltsgenehmigung sozusagen noch als zusätzliche Hürde dazukommt, damit man überhaupt in Beschäftigung genommen werden kann. – Das sind die Probleme der ausländischen Beschäftigten auf unserem Arbeitsmarkt.

Und wenn die Freiheitlichen daher das Saisonnier-Modell (der Redner hält eine Unterlage in die Höhe), dieses alte Saisonnier-Modell hier im Rahmen einer Debatte vertreten, bei der sie auf eine Beschränkung der Ausländerbeschäftigung hinarbeiten, dann ist das Demagogie pur! Denn in diesem Saisonnier-Modell hier, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, wollen Sie ja nichts anderes, als den unbeschränkten Zuzug von ausländischen Beschäftigten außerhalb jeder Quote erlauben, vorausgesetzt, daß sie Saisonniers sind. Dann können so viele hereinkommen, wie nur wollen! – Das ist Ihr Konzept gewesen. Schütteln Sie nicht den Kopf, lesen Sie lieber Ihre eigenen Anträge, wenn Sie dazu imstande sind. (Zwischenruf des Abg. Scheibner. ) Selbstverständlich ist das Ihr Konzept. Sie müssen Ihre eigenen Anträge und Forderungen zumindest ein bißchen ernster nehmen. Ich tue das mit Ihren Forderungen. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Aber Sie verstehen sie nicht! – Abg. Aumayr: Sie können sie lesen, aber Sie verstehen sie nicht!)

Die vierte Forderung: Zuzug verbieten. Das ist ja eine beliebte Forderung der Freiheitlichen, auch jetzt im beginnenden Wiener Wahlkampf. Die Realität – und das ist schon gesagt worden – ist die: Es gibt de facto keinen Zuzug, und zwar aus Beschäftigungsgründen. Das ist das Thema Ihrer Anfrage! Es gibt keinen Zuzug aus Beschäftigungsgründen.

Zwischen Juli 1993 und Juni 1994 hatten wir einen Zuzug aus dem Grund der Beschäftigung von 7 800 Personen. Ich wiederhole: 7 800 Personen zwischen 1993 und 1994. Zwischen 1994 und 1995 sind im gleichen Zeitraum aus dem Grund der Beschäftigung nur 500 Personen nach Österreich gekommen. Alle anderen sind aus dem Grund der Familienzusammenführung nach Österreich gekommen. 1994 hatten wir noch 3 000 Grenzgänger. 1995 hat sich diese Zahl halbiert. – Das kümmert Sie nicht, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei. Die Realität ignorieren Sie in diesem Zusammenhang.

Sie müssen sich erklären: Akzeptieren Sie den Familienzuzug – das behaupten Sie zwar manchmal, aber in der Regel ignorieren Sie es beziehungsweise verweigern eine Antwort darauf –, oder wollen Sie den klaren Weg gehen, daß Sie es in Österreich schon lange Jahre beschäf


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tigten Personen verweigern, ihre Familie nachkommen zu lassen. Erklären Sie sich dazu, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei!

Ich glaube auch, daß es im Unterschied zu dem, was jetzt die Sektion Gastgewerbe, Hotel in der Bundeswirtschaftskammer gefordert hat, nicht notwendig ist, neue Arbeitskräfte aus Beschäftigungsgründen nach Österreich hereinzuholen, und zwar in unbeschränktem Maße, so wie das die Sektion Gastgewerbe am liebsten haben möchte. Aufgrund von Berechnungen, sagt die Frau Biffl in ihrem Report, bestehe kein Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften aus dem Ausland, mit Ausnahme solcher mit Schlüsselqualifikation.

Aber Frau Biffl sagt noch etwas – und das ist wichtig, und das sollten Sie sich zu Gemüte führen, meine Damen und Herren von der freiheitlichen Fraktion –, nämlich: "Die Notwendigkeit der eigenständigen Abdeckung des finanziellen Unterhalts seitens der Ausländer (durch das Aufenthaltsrecht) zwingt sie, auch sehr gering entlohnte Tätigkeiten anzunehmen, nur um eine Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten."

Damit sind wir beim Schlüsselproblem der Beschäftigung von Ausländern angelangt, nämlich daß die Ausländer durch die Knute des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, durch die Knute des Aufenthaltsgesetzes gezwungen sind, faktisch jede Beschäftigung anzunehmen, sei sie noch so billig und sei sie noch so schlecht. (Abg. Rossmann: Wir haben einen Kollektivvertrag!) Da können Sie lachen, Herr Abgeordneter Bauer? Sie betrifft es ja nicht, Sie müssen nicht um 7 000 S oder um 5 000 S arbeiten. Aber sehr viele von jenen Personen, die um ihr Aufenthaltsrecht in Österreich kämpfen, müssen das – weil sie ihren Selbstunterhalt geltend machen müssen. Ich brauche Ihnen, Herr Abgeordneter Bauer, hoffentlich nicht zu sagen, daß die ausländischen Arbeiter noch immer wesentlich weniger verdienen als die inländischen Arbeiter. Die Gründe dafür liegen im Ausländerbeschäftigungsgesetz und im Aufenthaltsgesetz – und in Ihrer Politik, die Sie gemeinsam mit der Regierung vertreten haben.

Wenn Herr Abgeordneter Haider hier herausgeht und sagt, wir können uns bestimmte Dinge, wie etwa die Familienzusammenführung, nicht mehr leisten, denn dann würden etliche Familienmitglieder nachkommen, die über Gebühr Leistungen beanspruchen würden, dann muß ich ihm entgegenhalten, daß die Leistungen, die Ausländer in die Sozialversicherung einzahlen, noch immer größer sind als das, was sie aus diesen Versicherungstöpfen erhalten.

Beispiel Arbeitslosenversicherung: Von 1974 bis 1990 wurde beim Beitragsaufkommen in der Arbeitslosenversicherung aus dem Titel ausländische Beschäftigte ein Überschuß von 7 Milliarden Schilling erzielt. Was notwendig ist, ist also folgendes – auch das wurde hier schon gesagt –: ein gleiches Aufenthalts- und Beschäftigungsrecht für alle ausländischen Beschäftigten. Den ausländischen Beschäftigten sind die gleichen politischen Rechte wie den inländischen Beschäftigten zuzuerkennen. Sie sollen zu den Kammern und zum Betriebsrat wahlberechtigt sein und sollen auch das passive Wahlrecht erhalten. Das wäre die Mindestanforderung, unter der wir dann mit Ihnen auch über alle weiteren Konsequenzen zu diskutieren bereit sein würden. (Beifall bei den Grünen.)

19.04

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Salzl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.04

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, die Aufforderung zur Diskussion durch den Kollegen Öllinger erübrigt sich, denn wir Freiheitlichen werden uns mit Sicherheit dagegen wehren, daß die Ausländer vielleicht sogar noch einen Sonderstatus in Österreich bekommen und womöglich bessergestellt sind als die Inländer. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Debatte und schon die Sicherheitsdebatte haben gezeigt, daß alleine mit Gesundbeten und Schönfärberei die Kriminalität und auch die Arbeitslosigkeit in Österreich nicht in den Griff zu bekommen sind. Es ist unglaublich, wie heute hier der Herr Innenminister einfach den Bericht der UNO negiert hat, wonach Wien mittlerweile


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zum Zentrum der Ostkriminalität geworden ist. Dieser Minister negiert einfach, daß die organisierte Kriminalität – vor allem jene im Bereich des Drogenhandels, des Mädchenhandels und der Prostitution, aber auch jene bei der Autoschieberei – enorm zugenommen hat. Aber statt etwas dagegen zu tun, wirft er uns Freiheitlichen Panikmache vor und versucht, das Problem insofern zu verharmlosen, als er nur jene Bereiche hier zitiert und auf jene Bereiche verweist, in welchen es zu einem Rückgang in der Kriminalstatistik gekommen ist.

Genau nach demselben Strickmuster läuft derzeit auch diese Debatte ab: Da wird uns Ausländerfeindlichkeit, Stimmenfang in bezug auf die Wiener Wahlen und Populismus vorgeworfen, da wird einfach negiert, daß Österreich mittlerweile über die Hintertür zu einem Einwanderungsland geworden ist. Doch dagegen haben wir Freiheitliche uns immer entschieden gewehrt, und wir werden uns auch weiterhin dagegen zur Wehr setzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man will einfach nicht zugeben, daß die Ausländerpolitik der letzten Jahre gescheitert ist und daß es in Österreich mittlerweile zirka eine Million Ausländer – Illegale und Legale – gibt. Man will nicht wahrhaben, daß die Angst der Österreicher vor noch mehr Ausländern ständig steigt und sich die Menschen Sorgen machen – Sorgen machen um ihren Arbeitsplatz, um ihre Lebensqualität und um ihre Sicherheit.

Herr Kollege Öllinger! Sie sind einer der Betreiber gewesen, die schuld daran sind, daß wir heute eine solche Situation haben, daß nämlich in diesem Land in manchen Bezirken die Menschen nicht mehr sicher leben können. (Abg. Öllinger: Ich wohne auch in einem dieser Bezirke!) Man kann doch die Sorgen und Ängste dieser Menschen nicht einfach damit abtun, daß man sich hierherstellt und, wie es heute der Herr Innenminister getan hat, sagt, es sei nicht richtig, daß nach dem Wegfall des Eisernen Vorhangs eine neue Mauer errichtet und eine Festung Europa gebaut wird. Ich sage Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, und zwar an die Adresse beider Regierungsparteien: Es ist nicht richtig, daß Sie die Sorgen und Nöte der Österreicherinnen und Österreicher negieren und eine zusätzliche Zuwanderung ermöglichen. Denn: All diese Leute brauchen Wohnungen und Arbeitsplätze, sie brauchen Schul- und Kindergartenplätze, und diese sind derzeit nicht in ausreichendem Maße vorhanden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele Menschen verstehen nicht, warum diese Regierung bei zirka 230 000 arbeitslosen Österreichern und bei zirka 36 000 ausländischen Arbeitslosen eine Neuwanderung zuläßt. Dieses Überangebot an ausländischen Arbeitskräften führt zu Lohn- und Sozialdumping. Dies ist vor allem in der Baubranche der Fall, wie wir heute hier bereits gehört haben. Nicht nur in Wiener Neustadt, sondern auch bei Firmen in Wien wurde vielen Bauarbeitern die Trennungszulage, die große Trennung, oder wurden Prämien für Akkord, Mehrarbeit und Mehrleistung gestrichen, sodaß Einkommensverluste von 5 000 bis 6 000 S pro Monat und pro Familie oder pro Arbeiter zu verzeichnen sind.

Kollege Haselsteiner! Nicht unsere dringliche Anfrage ist menschenverachtend, sondern menschenverachtend ist es vielmehr, daß diesen Leuten diese Entgelte weggenommen werden. (Abg. Dr. Haselsteiner: Sie haben doch keine Ahnung! Sonst würden Sie zum Entgeltsicherungsfonds gehen!) Herr Abgeordneter Haselsteiner! Ich habe sehr wohl eine Ahnung. Bei mir sind betroffene Bauarbeiter gewesen, die in Ihrer Firma beschäftigt sind ... (Abg. Dr. Haselsteiner: Immer noch besser bei mir als bei Maculan, Sie Hirsch!) Das mag schon sein. Aber Sie haben ihnen Tausende Schilling monatlich weggenommen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Haselsteiner: Sie haben doch keine Ahnung von Wettbewerb!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was wir brauchen, um den sozialen Frieden und auch den Wirtschaftsstandort Österreich zu sichern, sind mehr Arbeitsplätze für die derzeit arbeitslosen Mitbürger und nicht eine ungehemmte Zuwanderung, die diese Situation noch zusätzlich verschärft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich gibt es Branchen, in denen saisonbedingt zusätzliche Arbeitskräfte benötigt werden, wie etwa im Bereich der Landwirtschaft oder im Bereich des Tourismus. Da fordern wir Freiheitliche – wie ich meine, zu Recht – die Einführung


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eines Saisonnier-Modells nach dem Schweizer Vorbild. Es soll auf einfachem Weg, unbürokratisch ein befristetes Dienstverhältnis ermöglicht werden.

Auch in Bayern gibt es, meine sehr geehrten Damen und Herren, mittlerweile die Möglichkeit, Mitarbeiter in der Landwirtschaft bis zu 50 Tagen rasch und unbürokratisch einzustellen, wobei lediglich die Unfallversicherungsbeiträge bezahlt werden müssen. Die Beiträge zur Kranken- und Pensionsversicherung entfallen dort komplett.

Dadurch erhalten die bayerischen Obst- und Gemüsebauern, die Gurkerlproduzenten oder wer immer – die Landwirtschaft mit den Erntehelfern – einen enormen wirtschaftlichen Vorteil unseren Bauern gegenüber, und sie sind dadurch international konkurrenzfähig.

Das derzeitige System in Österreich hingegen kriminalisiert geradezu unsere arbeits- und beschäftigungsintensiven Branchen. Im Tourismus, in der Gastronomie steht der betroffene Betrieb, wenn er keine legalen Arbeitskräfte bekommt, manchmal vor der Situation, entweder Arbeitskräfte illegal zu beschäftigen oder zuzusperren.

Ähnlich gestaltet sich die Situation in der Landwirtschaft. Wenn das Gemüse oder die Weintrauben geerntet werden müssen, wären wirkungsvolle Regelungen höchst notwendig. Es soll der ausländische Arbeitnehmer, und zwar dann, wenn kein Inländer vorhanden ist, die Möglichkeit haben, mit seiner Arbeit Geld zu verdienen, um sich damit eine Existenz im eigenen Land aufzubauen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Freiheitliche sind mit dieser Forderung nach dem Saisonnier-Modell mittlerweile nicht mehr allein. Auch der Präsident der burgenländischen Landwirtschaftskammer spricht sich für eine flexible und kostengünstige Beschäftigung von Ausländern in der Landwirtschaft aus. Er sagte folgendes dazu: Die kurzfristige Beschäftigung von Ausländern sollte für die Landwirtschaft finanzierbar gemacht werden. In diesem Zusammenhang trat Hautzinger für eine Minimierung der Kosten ein. Die Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pensionsversicherung sollten entfallen. Durch einen Pauschalbetrag pro Tag für Administration, Unfallversicherung und Lohnsteuer sollte es möglich sein, ein Kontingent bis zu 50 Tagen einzukaufen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind Forderungen, die weit über die Forderungen der Freiheitlichen, weit über das Saisonnier-Modell der Freiheitlichen hinausgehen. Aber auch Abgeordnete dieses Hauses sprechen sich teilweise offen oder teilweise hinter vorgehaltener Hand für die Einführung eines Saisonnier-Modells, ähnlich dem Schweizer Modell, aus.

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Salzl, Rossmann und Kollegen betreffend Einführung eines Saisonniermodells im Ausländerbeschäftigungsgesetz

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Arbeit und Soziales wird ersucht, dem Nationalrat binnen dreier Monate einen Gesetzentwurf zur Novellierung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zuzuleiten, der die Verankerung eines Saisonnier-Modells mit folgenden Grundsätzen vorsieht:

1) Wahlmöglichkeit zwischen Saisonnier-Modell und Beschäftigung nach den geltenden Regelungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes,

2) maximale Beschäftigungsdauer in einem Jahr von neun Monaten,

3) eine Person darf nur bis zu dreimal in Österreich als Saisonnier arbeiten,


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4) Saisonniers sind nur kranken- und unfallversichert; es müssen daher keine Beiträge zur Arbeitslosen- und Pensionsversicherung sowie zum Familienlastenausgleichsfonds bezahlt werden. Der dadurch entstehende Kostenvorteil für den Dienstgeber muß zur Gänze an den Saisonnier weitergegeben werden,

5) Nominierungsmöglichkeit der einzelnen beschäftigten Personen mit Beginn ihrer Tätigkeit (auch Austausch während der Saison) für den Bereich der Erntehelfer in der Landwirtschaft."

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Zusammenhang wird vor allem das Stimmverhalten der ÖVP interessant sein, die draußen bei den Bauern, vor allem bei den Gemüsebauern und bei den Weinbauern, ganz anders redet, als sie hier in diesem Hohes Haus dann schlußendlich handelt.

Ich fordere Sie daher auf, meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP: Stehen Sie zu Ihren Versprechungen, und stimmen Sie diesem Antrag zu! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Für mehr Gastarbeiter! – Abg. Dr. Khol: Wird von uns abgelehnt!)

19.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt. Er wird in die Verhandlung mit einbezogen.

Zu Wort gemeldet ist nun die Frau Abgeordnete Verena Dunst. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.16

Abgeordnete Verena Dunst (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Im Gefolge der Öffnung Osteuropas und der Wiedervereinigung Deutschlands stieg der Anteil der Zuwanderer in Österreich, und man braucht es nicht zu leugnen, daß sich aufgrund dieser Entwicklung natürlich Probleme ergeben haben, die es jetzt zu lösen gilt. Eines dieser Probleme ist beispielsweise das organisierte Verbrechen; dieses Problem wurde am heutigen Tag schon des öfteren andiskutiert. Aber der Sicherheitsbericht vom Vormittag gibt mir die Hoffnung – ja ich bin mir dessen sicher –, daß wir auch mit diesen Problemen fertigwerden, daß wir dieser Probleme Herr werden.

Einige Leute in diesem Haus nutzen aber die oben erwähnte Entwicklung als Gelegenheit, sich politisch in Szene zu setzen, was wir ja ohnehin schon kennen. Sie brauchen so etwas wie eine Daseinsberechtigung. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Nur weil ich mich verspreche, müssen Sie mich nicht ärgern. Das war nur ein Abklatsch. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Unlängst haben wir die Drohung aus dem Munde des Obmannes der Freiheitlichen Partei vernommen, ein Volksbegehren Nummer zwei unter dem Titel "Österreich zuerst" zu veranstalten. Unter anderem soll die Zuwanderung nach Österreich an die Arbeitslosenquote gebunden werden. Daraus schließe ich, daß Sie annehmen, daß ein direkter Zusammenhang zwischen der Zahl der Ausländer in Österreich und der Höhe der Arbeitslosenquote besteht. Zumindest scheint das nach Ihrer heutigen dringlichen Anfrage so zu sein. Daß das nicht richtig ist, hat Ihnen Kollege Öllinger, haben Ihnen mehrere Redner bewiesen. Auch ich möchte da noch ein bißchen nachstoßen.

Aber die Ehrlichkeit in der Politik, die ich und viele andere auch manchmal bei Ihnen vermissen, fehlt wieder einmal. Das ist so typisch: Sie wollen wieder auf Ihre Rechnung kommen. Daß das aber nur eine pure Hetze ist, darüber brauchen wir überhaupt nicht zu reden.

Ich frage mich aber auch, wer Ihnen garantiert, daß Ihr Denkanstoß – wir wissen ja, was Sie sagen –: Verschwinden die Ausländer, dann haben wir plötzlich viele Arbeitsplätze! nicht eine Eigendynamik in diesem Land bekommt und daß manche Leute vielleicht denken, alle ausländischen Menschen, die in unserem Lande sind, die sich im Inland befinden, sind lauter


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potentielle Einwanderer. Ich hoffe, daß Sie sich dieser Verantwortung bewußt sind. Es ist heute schon oft über diese Schlüsselkräfte gesprochen worden.

Allgemein läßt sich absolut kein direkter Zusammenhang zwischen der Beschäftigung von Ausländern und der Arbeitslosenquote feststellen. – Herr Kollege Öllinger, zu Ihren diesbezüglichen Ausführungen gratuliere ich Ihnen. – Sie wissen das genau, aber Sie brauchen eben eine Daseinsberechtigung.

Was sich aber feststellen läßt, ist das unterschiedliche Lohnniveau zwischen beiden Gruppen – das wurde vorhin auch schon angesprochen –: In den meisten Branchen liegt das Lohnniveau bei Ausländern deutlich niedriger als bei Inländern. Nun kann ich mir schon vorstellen, was Sie dazu sagen werden: Sie werden sagen: Deswegen finden ja Inländer keine Arbeit, weil Ausländer billiger sind – was aber überhaupt nicht stimmt. Ich werde Ihnen das dann gerne erklären.

Mir fällt in diesem Zusammenhang ein, daß Sie des öfteren schon die Forderung erhoben haben, daß Ausländer an den Sozialleistungen in Österreich nicht teilhaben sollen. Daß das aber wieder den Nebeneffekt hätte, daß die Lohnnebenkosten noch niedriger werden und damit die ausländische Kraft noch attraktiver wird, scheinen Sie nicht zu bedenken. Das kann sicher keine Lösung sein.

Das niedrigere Lohnniveau hat sicher auch noch andere Gründe. Es ist sicher bedingt durch die Tätigkeiten, die ausgeführt werden. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Das ist frei erfunden, was Sie da behaupten!) Ich höre Ihnen auch zu. Glauben Sie mir, Sie verzapfen öfters noch mehr. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: 1 : 0 für Dunst!) Höflich, wie ich bin, habe ich Ihnen nicht gesagt, was Sie verzapfen. Vielleicht kommen wir so zu einer besseren Gesprächskultur.

Ich habe zuletzt von der Tätigkeit gesprochen, die ausländische Kräfte bei uns verrichten. Es sind vor allem Hilfs- und Anlerntätigkeiten, Reinigungsarbeiten – Dkfm. Stummvoll hat heute schon darauf hingewiesen –, also meistens Dienste, die schwerlich von Inländern gemacht werden. Daher brauchen wir natürlich die Ausländer.

Sie fordern überhaupt die Senkung der Quote auf Null. Dazu gratuliere ich Ihnen, denn ich freue mich, wenn das Ihre freiheitlichen Unternehmer hören, die werden Freude mit Ihrer Vorgangsweise haben. (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Öllinger. – Abg. Dkfm. Holger Bauer: Ist Ihre Welt wirklich so klein, oder tun Sie nur so?) Jetzt spreche ich, wenn Sie wollen, können Sie dann gerne eine Erwiderung machen. Ich lade Sie herzlich dazu ein, aber jetzt möchte ich reden. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Ist sie wirklich so klein? – Zwischenruf des Abg. Schwemlein. ) Ich komme noch auf den Kollegen Bauer zu sprechen, das hebe ich mir für den Schluß auf. Ich freue mich jetzt schon darauf. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Dann bleibe ich da!) Das freut mich wirklich.

Zurück zum Thema. Wir brauchen die Schlüsselkräfte – das wissen Sie ganz genau –, und deswegen kann man auch nicht sagen: Jetzt senken wir die Quote! Denn gerade die Senkung dieser Quote, der Quote, die von Unternehmern gefordert wird, die die Wirtschaft braucht, die auch Sie in anderen Anträgen fordern, würde eine Neuansiedelung von Betrieben in hohem Ausmaß gefährden. – Also das kann auch nicht die Lösung sein.

Ich möchte kurz auf Ihren Vorschlag betreffend Saisonniers eingehen. Es gibt Vorschläge von Ihnen, in denen Sie meinen, das sei das Nonplusultra. Ich habe mich heute gewundert über folgende Situation: Kollege Achs steht oben, Kollege Haider – "Kollege", ich nehme das sofort zurück –, der Dr. Haider spricht hier über sein "tolles" Saisonnier-Modell (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Sie wollten auf eine Gesprächskultur kommen!), sieht den Kollegen Achs und schreit: Na ja, Kollege Achs, nicht mit dir im Seewinkel, was willst du mit deinen Gurkerlklaubern? – Ich empfinde das als Frechheit. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Wer ist ein Hasser, der, der einen Parlamentskollegen nicht "Kollegen" nennt? – Wer ist der Hasser, der Hetzer? Wer?)

Nächste Woche wird Ihr Herr Dr. Haider im Burgenland beim Landtagswahlkampf unterstützend unterwegs sein. Dabei ist er in Gols, habe ich auf einem Plakat gelesen, und in Oggau. Und ich


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wünsche mir, daß Ihr Herr Dr. Haider dann dort das sagt, was er heute hier gesagt hat, nämlich daß die Seewinkler keine Gurkerlklauber brauchen und niemanden, der ihnen hilft, die Weinreben runterzunehmen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Das hat er nicht gesagt! Sie reden wider besseres Wissen! Sie hören nicht zu!)

Die immer wieder aufgewärmten Geschichten kennt man. Ich muß Ihnen aber ehrlich sagen: All das macht mich gar nicht so sehr besorgt. Wissen Sie, was für mich das Problem ist? – Ihre Anfrage in dem Punkt, wo Sie sich mit bosnischen Kriegsflüchtlingen beschäftigen. Es ist für mich absolut nicht zu verstehen, daß Menschen, die wirklich nicht – das wissen wir doch alle hier – durch eigene Schuld in eine prekäre Lebenslage geraten sind, dafür herhalten müssen, daß Sie politisches Kapital daraus schlagen können. Das ist für mich absolut unverständlich! (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Öllinger. – Abg. Dkfm. Holger Bauer: Wodurch? Was wird gefordert? Was wird behauptet?) Was Sie fordern? – Sie fordern – das haben wir schon gehört –: Raus mit allen, und dann wird alles besser! Daß diese Menschen aber nicht zurückkönnen, wissen auch Sie. (Abg. Böhacker: Wer hat das gefordert?)

Es ist absolut nicht zu verstehen, daß diese Leute und ihre Angehörigen für diese Art von Politik mißbraucht werden, nämlich dazu, zu versuchen, die Menschen in diesem Land zu verunsichern und zu verängstigen. Das ist wieder typisch für Sie. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Sie sollten ein Mindestmaß an Seriosität an den Tag legen! So gut Sie können! Das wird nicht viel sein, aber ein bißchen etwas!)

Die bosnischen Flüchtlinge betreffend haben wir zurzeit 16 000 Menschen in Österreich. Unter diesen 16 000 sind sehr viel alte und sehr viele junge Menschen. Das heißt, von diesen 16 000 werden nur wenige in den Arbeitsprozeß eingegliedert werden. Also die nehmen sicher niemandem den Arbeitsplatz weg. Und wenn es möglich ist – das wissen Sie ganz genau –, gehen diese Bosnier wieder zurück.

Ich habe heute im Ministerium gefragt, und man hat mir gesagt, daß pro Woche 100 Bosnier zurückgehen. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Haben Sie gehört, wie viele zurückgehen wollen? – 25 Prozent von denen, die gekommen sind!) Sie haben wieder Angst. Vorher haben Sie gesagt, Sie wollen nichts machen, jetzt sagen Sie: Nur 25 Prozent gehen zurück. Also ich verstehe Sie jetzt wirklich nicht! (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Sie haben gerade gesagt, sie wollen ja alle wieder zurückgehen! Jetzt haben wir gerade gehört, das ist nicht wahr! Es geht nur darum, das zu korrigieren!) Danke, daß Sie mich korrigieren. Ich korrigiere Sie auch: Sie haben vorhin gesagt: Wir tun nichts, wir wollen die Bosnier in Ruhe lassen! Jetzt beklagen Sie, daß nur 25 Prozent zurückgehen. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Ich habe es nicht beklagt, ich habe es festgestellt! Ich stelle es fest!) – Warten Sie ein bißchen. Sie können doch nicht so unmenschlich sein und diese Menschen zurückschicken, obwohl ihre Existenz dort nicht gesichert ist – soviel Mensch werden Sie doch auch noch sein! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es ist typisch: Mit dieser Anfrage zeigt sich wieder die billige Polemik. Man sollte jedoch besser effiziente Schritte unternehmen, um der in unserem Land bestehenden Probleme, die es gibt und die niemand wegleugnet, endlich Herr zu werden. Ein Beispiel ... (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Wer hindert Sie? – Zwischenruf des Abg. Schwemlein. ) Danke, Emmerich.

Ein Beispiel dafür ist die Lage in der Bauindustrie. Diese hat sich durch Initiativen der Regierung bereits verbessert – das wissen auch Sie.

Hinsichtlich der Ausländerbeschäftigung haben ja die Freiheitlichen selbst einige Erfahrungen vorzuweisen. Ich möchte jetzt nicht wieder zurückfallen, indem ich Ihnen Herrn Mentil vorhalte et cetera, aber ich habe mich heute auch über folgendes gewundert: Es stellt sich Herr Abgeordneter Haider heraus und sagt – ich habe es mitgeschrieben –: Den Gastarbeiter soll man wieder zurückschicken, wie er gekommen ist, nämlich als Gast. Zwei Sätze später sagte er: Junge Menschen müssen die Chance haben, Arbeit zu finden. – Ich hoffe, daß Herr Dr. Haider auch seine Hilfe, die er beschäftigt hat, zurückgeschickt hat.


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Ich habe mir dazu ein paar Artikel herausgesucht – es gibt ja jede Menge – und zitiere zum Beispiel den "Standard" vom 17. 12. 1992: Jörg und Claudia Haider. Der FPÖ-Obmann wollte mit seinem Herz für Flüchtlinge sich renommieren, jetzt bekommt er aber leider mit seinen bosnischen Gastarbeitern politische Schwierigkeiten.

Oder zum Beispiel "NEWS" vom 17. 12. 1992 liefert den Beweis: Einer jener Bosnier, die beim FPÖ-Chef lebten, hatte weder Meldezettel noch Arbeitsgenehmigung. – Hoffentlich sagt Dr. Haider das auch den jungen Menschen, die Arbeit suchen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herrn Dkfm. Bauer, der jetzt fürchterlich böse ist, möchte ich noch etwas erzählen, da ich vorhin gesagt habe, ich möchte mir für den Schluß etwas für Sie aufheben; anhand dieses Beispiels möchte ich Ihnen die Doppelmoral zeigen.

Es gibt einen großen Bauern, den ich persönlich kenne und der in der Gegend als großer Freiheitlicher bekannt ist – kein Problem. Das Problem liegt woanders. Ich weiß selbst von ihm, daß er Probleme hat mit einem bosnischen Flüchtling, der für ihn arbeiten soll, und auch mit einem rumänischen Gastarbeiter. Er bekommt keine Bewilligung. Einige Zeit später treffe ich den Herrn wieder – und wissen Sie, was er mir erzählt? – Er stellt mir den Herrn, von dem ich weiß, daß er Rumäne ist und bei ihm arbeitet, aber ohne Bewilligung, vor und sagt: Frau Abgeordnete, darf ich Ihnen vorstellen, das ist der neue Jagdpächter. Ich habe nicht gewußt, leide ich an Gedächtnisschwund oder hat er sich geirrt. Ich habe dann ein bißchen darüber nachgedacht und bin zu folgendem Ergebnis gekommen: Es gibt nur eine Erklärung dafür, nämlich daß er den Jagdgast jetzt braucht: Am Tag arbeitet der Jagdgast im Stall, und am Abend geht er auf die Pirsch. (Abg. Aumayr: Zwischen Jagdgast und Jagdpächter ist ein großer Unterschied!) Ich habe mich aber gefragt. Warum muß er dann am Tag eigentlich arbeiten? – Wissen Sie, warum? Er arbeitet am Tag, weil er das Feld abernten muß, damit er am Abend als Jagdpächter besser jagen kann. – So schaut Ihre Moral aus! In Wirklichkeit ist er überhaupt kein Jagdpächter, sondern der arbeitet illegal bei ihm und ist nicht angemeldet. Aber das ist bei den Freiheitlichen, wie gesagt, ohnehin normal.

Ich glaube, zu diesem Thema gibt es nicht mehr zu sagen, und ich glaube auch, daß Sie Ihre Vorgangsweise entsprechend zu werten wissen. Ich bin überzeugt davon. (Abg. Rosenstingl: Ich würde aufpassen, Unterstellungen zu machen, die nicht stimmen!) Wie sensibel Sie auf Angriffe reagieren, das weiß ich, aber Sie sind auch nicht zimperlich, wenn es um Attacken gegen uns geht. – Ich danke Ihnen fürs Zuhören. (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Dr. Khol. )

19.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Zweytick. – Herr Abgeordneter, bitte.

19.28

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich möchte meine Rede gleich zum Anlaß nehmen, hier eine Korrektur vorzunehmen. Kollege Salzl hat den Antrag eingebracht betreffend die Einführung eines Saisonniers. Unser Klubobmann Khol hat mit Minister Einem bereits bei der Fremdenrechtsgesetzgebung diesen Antrag gestellt, dieser Antrag befindet sich in Begutachtung und wird noch vor dem Sommer beschlossen werden. Er beinhaltet eindeutig für 5 400 Saisonniers für die Dauer von sechs Monaten die Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung, bei voller Versicherung.

Also: Ihr Antrag ist ein Antrag, aber wenn Sie ihn ernst meinen, dann sollten Sie wenigstens einen Initiativantrag einbringen, und wenn Sie das nicht machen wollen, dann könnten Sie dem Fremdenrechtsgesetz zustimmen. Es sollte auch in Ihrer Intention sein, wenn ich Sie richtig verstehe. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich hoffe, ich habe Sie richtig verstanden und Sie meinen es ernst damit, aber dann verstehe ich nicht, daß Sie zum Beispiel in Ihrem Antrag – eingebracht in der Sondersitzung vom 14. 5. – schriftlich eine Senkung der Höchstzahlen betreffend Beschäftigungserlaubnis für ausländische


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Arbeiter, speziell für Grenzgänger fordern. (Zwischenruf der Abg. Aumayr. ) Sie fordern eine Senkung!

Liebe Frau Kollegin Aumayr! Ich kann auch sagen, daß Sie mir sympathisch sind, ich habe nichts gegen Sie, aber Sie müssen einmal aufhören mir Ihrer Katz- und Maus-Politik. Sie mißbrauchen hier unsere Zeit. Außerdem sieht man, wie dringend Ihre Dringliche wirklich ist, wenn man die Leute bei Ihnen abzählt! (Beifall bei der ÖVP.)

Arbeit schaffen, Wirtschaft stärken, Zukunft sichern (Abg. Böhacker: Das sind nur Schlagworte! Tun Sie es!): Diesbezüglich gibt es eine gute Gesprächsbasis mit dem Minister, aber wir können nicht einfach so ho ruck irgend etwas machen. Das würde der Regierung letztendlich auf den Kopf fallen, Sie von der Opposition aber würden lachen. Wir werden uns dafür nicht mißbrauchen lassen! (Beifall bei der ÖVP.) Das ist nachzulesen, aber ich lese Ihnen das nicht vor, so viel Zeit haben wir nicht. Herr Salzl, ich gebe es Ihnen dann zum Lesen.

Meine Herrschaften! Wir wissen ganz genau, und man muß das ganz ehrlich anerkennen – Herr Minister, das geht auch an Ihre Adresse –: Bauernarbeit ist Handarbeit, immer mehr Ökologie und Biologie, immer mehr Aufwand, aber immer weniger Arbeit – Arbeitslose dort und Arbeitsnot da. Es ist absolut notwendig und wichtig, daß wir, wenn Menschen in diesem Land Arbeit schaffen (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Ärztekampagne!) , jedoch keine Möglichkeit haben, Arbeiter zu bekommen, es so richten, daß diese Menschen Arbeiter aus den benachbarten Grenzregionen heranziehen können, vereinfacht, unbürokratisch – sogenannte Grenzgänger, wie es im Gesetz festgehalten ist.

Leider Gottes – das muß man auch sagen – gibt es diesbezüglich keine wirklich umfassende Verordnung. Viele Landwirte brauchen dringend Arbeitskräfte. Warum dringend? – Es gibt in der Landwirtschaft immer wieder Benachteiligungen, bedingt durch das Klima, durch die Witterung, es können unvorhergesehene Schäden auftreten, wie zum Beispiel Schneebruch. Nach dem langen Winter gibt es für die wenigen Bauern, die entweder noch Vollerwerbler oder Nebenerwerbler sind, sehr viel aufzuarbeiten. Sie müssen und wollen dies auch tun, können aber nicht, weil einfach die Natur das Tempo vorgibt und diese Menschen gezwungen sind, Hilfskräfte anzufordern, Hilfskräfte, die wir in Österreich zur Genüge hätten, die aber für diesen Bereich aus vielen Gründen nicht brauchbar, nicht einsetzbar sind. Sie sind nicht brauchbar in einer Wirtschaft, die schlagfertig ist (Abg. Aumayr: Schlagfertig?!) , in der gekämpft wird, die gut ist, in der gearbeitet wird mit diesen Leuten, wo aber die Arbeitszeiten abhängig sind von den Einflüssen der Natur und dem Wetter und man einfach nicht so flexibel agieren kann. (Abg. Böhacker: Die Ausländer könnt ihr brauchen!)

Ja, warum? – Wir diskutieren gegenwärtig die Flexibilisierung der Arbeitszeit, nicht nur in der Landwirtschaft, aber gerade in den Bereichen der Ostgrenze. In dieser eher kleinstrukturierten Landwirtschaft ist es ein Anliegen aller österreichischen Bäuerinnen und Bauern, daß sie, sobald sie Arbeit schaffen, auch Menschen bekommen können, die diese Arbeit verrichten. Diese Menschen werden bezahlt und versichert, ob das jetzt ein Slowene, ein Ungar oder meinetwegen auch ein Grazer ist, aber letzterer ist nicht vermittelbar. (Abg. Böhacker: Warum nicht?) Fragen Sie nicht mich, ich bin kein Arbeitsloser, aber vielleicht hätten Sie einmal Lust, sich diese Situation genauer anzusehen. Dann werden Sie wissen, warum. Es geht da um Stunden, es geht um einzelne Tage – und wenn es regnet, dann müssen sie wieder heimfahren. Glauben Sie, das läßt sich ein Österreicher bieten? Der hat das nicht notwendig. (Abg. Böhacker: Jetzt sind wir am Punkt!)

Sehr richtig, aber trotzdem müssen wir das Gesamte sehen. Diese Ihre radikalen Vorschläge und Maßnahmen dort und da sind auch nicht unbedingt zielführend, denn wo führen die hin? – Sie führen zu einer Radikalisierung. Ihr Populismus, die Ausländer wieder einmal als Sündenbock herzunehmen, führt wieder in die falsche Richtung. Und dafür kann sich die Regierung nicht hergeben, das kann die Regierung nicht verantworten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es geht hier um mehr als nur um Arbeit, es geht auch um Soziales und es geht vor allem um Sicherheit. Ich möchte sagen, gerade in diesen Grenzregionen kann es nichts Besseres geben


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als eine pulsierende, aktive Landwirtschaft. Das dient auch dem inneren Rückhalt unserer Staatsgrenzen und natürlich auch deren Sicherung. Diese Landwirtschaft, wie zum Beispiel eben der Obstbau, der sehr zeitintensiv ist, bei dem es sich nur um Stundenarbeitszeit handelt, ist lebensfähig, und zwar heute, morgen und auch in der Zukunft.

Es ist das kein Vorteil für uns, aber ein Nachteil für die Ostländer, daß die Menschen dort nicht sozial abgesichert sind und es ihnen nicht so gut geht; daher kommen sie sehr gerne zu uns Erdbeeren pflücken. Ebenso die Gurkerlklauber. All diese vielspartigen Bereiche der österreichischen Landwirtschaft darf man nicht einfach so pauschalisieren und mit "Gurkerlklauber" abtun, wie das Herr Kollege Haider getan hat. Ich erlaube mir stellvertretend für Tausende österreichische Bäuerinnen und Bauern, in ihrem Namen den Herrn Haider mit dieser Aussage als Abqualifizierer zu bezeichnen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es handelt sich dabei um fleißige Menschen, die in diesem Land die Wirtschaft zusammenhalten, weil sie auch andere Ideale haben und im Rahmen des Rechts ihre Möglichkeiten suchen. Wir Politiker sind verantwortlich und gefragt, diesen Menschen, die Arbeit schaffen, auch die Möglichkeit zu geben, ihre Existenz zu sichern und damit auch für die wenigen Arbeitsplätze, die wirklich gebraucht werden, mit Nachdruck und Verständnis die Türen zu öffnen. Aber es sind dies keine Türen, die man öffnet, und dann strömen die Scharen herein. Es handelt sich um sogenannte Grenzgänger, die kommen und gehen.

Glauben Sie mir, alle diese Menschen, die in der Landwirtschaft tätig sind, haben es nicht so dick und können es sich nicht leisten, daß der Slowene oder wer auch immer den ganzen Tag oder gar mehrere Tage herumsteht und nichts leistet, sondern hier ist Leistung gefragt. Durch diese Grenzgänger wird Leistung erbracht, und dann kann der Arbeiter wieder nach Hause gehen, weil es sich kein Bauer leisten kann, Menschen zu bezahlen, für die es keine Arbeit mehr gibt.

Das ist kein Mißbrauch, sondern es ist einfach notwendig, um Arbeitsplätze zu sichern, um Existenzen zu sichern, weil wir ansonsten Betriebe gefährden und diese Betriebe uns letztlich wieder belasten. Das kann nicht Sinn unserer Politik sein. Ich bin zuversichtlich, daß mit diesem Antrag in der Begutachtung auch Veränderungen einhergehen. (Zwischenruf des Abg. Wenitsch. ) Lieber Robert, du kannst dann in deinem Debattenbeitrag etwas dazu sagen. (Abg. Wenitsch: Hannes! Horch einmal zu! Wenn ein Bauer bei uns einen Arbeiter sucht, bekommt er keinen, weil das Arbeitsamt ihm keinen vermittelt! Er braucht aber jemanden, der ihm hilft!) Das Arbeitsamt vermittelt schon, aber die Leute wollen und können aus verschiedenen Gründen nicht.

Deswegen können wir diese Arbeitgeber und Menschen, die das schaffen, nicht als "Gurkerlklauber" abqualifizieren. Ist das eine Art? Ist das Ihre Art von Verantwortung? Das ist eine Katz- und Maus-Politik, muß ich sagen. So kann man doch nicht agieren, das ist nur Populismus, das ist unverantwortlich! (Beifall bei der ÖVP.)

Es geht in der Landwirtschaft aufgrund der Ostgrenzen auch um eine Grenzlandpolitik, die berücksichtigt, intakt gehalten und verantwortet werden muß. Trotz der Abkommen von Schengen und trotz der Außengrenzen gibt es natürlich Menschen jenseits der Grenze. Mit diesen Menschen zusammenarbeiten heißt auch kooperieren. Diese Grenzlandpolitik sichert aber auch unsere Wirtschaft in vielen Bereichen, weil Exporthandelswaren in erster Linie durch hier verdientes Geld – das mehr wert ist als zum Beispiel der Dollar – von den Menschen, die bei uns arbeiten, mindestens zu 50 Prozent in unseren Geschäften erworben und nach Slowenien mitgenommen werden. Es gibt Nachteile in den Grenzregionen, aber auch Vorteile durch gewisse Flexibilisierungen und Notwendigkeiten im Arbeitsbereich.

Ich bin froh, daß wir eine Grenzregion haben, wo etwas weitergeht. Es ist Intention und Verantwortung genug, wenn ich heute hier für diese Tausende von Menschen sprechen kann. Ich werde mich dafür einsetzen, und wir werden auch etwas weiterbringen, das ist keine Frage. Aber das geht nicht von heute auf morgen, denn diese Dinge müssen mit Weitblick betrachtet


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werden und sollen vor allem auch langfristig wirken. (Zwischenruf des Abg. Wenitsch. ) Nein, das würde ich nicht sagen, so nicht. Bitte, ich lasse es dich dann lesen.

Aber macht es bitte nicht so wie am 14. Mai, daß ihr einen Antrag stellt und fordert, daß wir die Quoten reduzieren. Macht nicht solche Knieschüsse! (Abg. Dr. Graf: Aber dann müßt ihr das endlich umsetzen!)

Ich lese das nicht vor, dafür ist die Zeit hier zu kostbar und zu schade. Die Leute wollen arbeiten, und wir müssen schauen, daß wir diesen Leuten, die Arbeit haben und dafür Arbeiter brauchen, auch welche geben. Wir haben nicht überall in Österreich diese glückliche Lage, es ist fast ein Phänomen, aber das ist der Sonderstatus der Landwirtschaft, den man einmal auch in diesem Hohen Haus, hier im Plenum begreifen muß. Das ist einfach nicht zu vergleichen mit anderen Situationen, sondern die Landwirtschaft hat einen Sonderstatus und mußte schwere Lasten in der Vergangenheit tragen. Frau Rossmann, ich lade dich gerne ein, daß du das einmal beobachten kannst, wie es in der Landwirtschaft zugeht. Wir sind froh, daß wir diese Leute haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie können mir glauben, wenn Sie mir sonst schon nichts glauben: Wir bringen hier eine Regelung zustande und werden diesen Menschen helfen, denn das ist unsere Aufgabe. (Abg. Madl: Dazu sind Sie auch gewählt! – Abg. Dr. Khol: Drei Minuten wollte er reden!) Was Sie von den Freiheitlichen betreiben, das ist miese Katz- und Maus-Politik, für die die Menschen in diesem Land überhaupt kein Verständnis haben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.40

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Rosenstingl. – Bitte, Herr Abgeordneter, beginnen Sie mit der Darstellung des Sachverhaltes, den Sie berichtigen wollen.

19.40

Abgeordneter Peter Rosenstingl (Freiheitliche): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Dunst hat behauptet, daß Herr Abgeordneter Mentil Experte für nicht angemeldete Arbeitskräfte ist. (Abg. Dr. Haselsteiner: Das hat sie ja gar nicht gesagt!) Ich möchte richtigstellen: Die Firma Mentil sowie Herr Abgeordneter Mentil hat nie Arbeitskräfte beschäftigt, die nicht ordnungsgemäß angemeldet waren. Die diesbezüglichen Berichte in "NEWS" sind falsch, und "NEWS" hat letzte Woche den Prozeß verloren und ist zu 80 000 S verurteilt worden. – Seriös bleiben, bitte! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Aumayr. – Bitte, Sie haben das Wort.

19.41

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Dunst, Sie haben gesagt, daß Sie der heute zur Debatte stehende Sicherheitsbericht in bezug auf Ausländerkriminalität zuversichtlich stimmt. Ich glaube aber, Sie haben ihn gar nicht gelesen, denn dort ist aufgezeigt – und zwar ganz deutlich –, daß bei der Ausländerkriminalität eine Steigerung von bis zu 46 Prozent stattgefunden hat.

Noch etwas, Frau Kollegin Dunst: Sie haben Schwierigkeiten bei der Unterscheidung zwischen Jagdgast und Jagdpächter. Erkundigen Sie sich einmal bei einem Jäger, vielleicht wird er Sie aufklären. (Abg. Dunst: Danke!)

Nun zum Herrn Kollegen Zweytick. Herr Kollege! (Abg. Zweytick spricht mit Abg. Wenitsch. ) Er hört nicht zu, der Herr Gurkerlbauer. Bitte, leihen Sie mir zumindest ein Ohr!

Am 8. März 1995, also vor über einem Jahr, haben die Freiheitlichen in diesem Hohen Haus einen Antrag zur Regelung der Saison- und Erntehelfer in der Landwirtschaft eingebracht. (Abg. Zweytick sitzt auf dem Platz des Abg. Mag. Stadler und diskutiert mit Abg. Wenitsch. ) Herr


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Kollege Zweytick, Sie müssen ja nicht zuhören, aber Sie sitzen auf dem falschen Platz! (Abg. Mag. Kaufmann: Da sitzt der Dobermann!)

Herr Kollege Zweytick, am 8. März wurde dieser Antrag eingebracht und von Ihrer gesamten Fraktion, auch von den bäuerlichen Vertretern – auch von Ihnen –, abgelehnt. Dieser Antrag vom 8. März hätte genau den Wünschen der Gemüse- und Obstbauern entsprochen. Herr Kollege Zweytick, Sie sind über ein Jahr untätig gewesen! (Abg. Zweytick: Untätig?) Ja! Bis heute haben Sie nichts gemacht. Heute verkünden Sie, daß Sie tätig geworden sind, daß Sie mit dem Sozialminister eine Regelung suchen und einen Antrag ausarbeiten werden. Ich freue mich wirklich darüber. Und wenn er den Gurkerlbauern, den Gemüsebauern hilft – das ist wirklich auch ein Anliegen der Freiheitlichen Partei –, dann werden wir selbstverständlich diesem Antrag die Zustimmung erteilen. – Nur: Sie hätten das alles längst tun können, seit weit über einem Jahr! (Abg. Zweytick: Sie hätten ja auch einen Initiativantrag einbringen können!) Das haben wir auch gemacht. Wir haben den Antrag zweimal eingebracht, aber Sie haben ihn abgelehnt.

Nur, eines kann ich Ihnen sagen, Herr Kollege Zweytick: Die Problematik der Gemüsebauern und Obstbauern in Österreich jetzt am Fehlen von Erntehelfern aufzuhängen, das ist zu einfach. Das ist wirklich zu einfach (Beifall bei den Freiheitlichen) , denn die Probleme dieser Bauern liegen wahrscheinlich zu einem viel größeren Prozentsatz ... (Zwischenruf des Abg. Zweytick. ) Sie wissen ja noch gar nicht, was ich sagen will! (Abg. Zweytick: Doch, ich weiß, was Sie sagen wollen!) Ja, was will ich denn sagen? Lassen Sie mich doch einmal ausreden! Hören Sie mir nur ein paar Minuten zu.

Die Probleme der Gemüsebauern liegen vor allem in einem Bereich, und zwar haben sie Einkommenseinbußen von bis zu 50 Prozent durch den EU-Beitritt hinzunehmen. Bis zu 50 Prozent! Und die Kartoffelbauern und die Erdbeerbauern, von denen Sie jetzt sprechen, warten noch heute auf die von Ihnen und Ihrer Fraktion versprochenen Ausgleichszahlungen. Die sind nämlich ersatzlos gestrichen worden. Das sind die Probleme. Und jetzt bauen Sie einen Nebenschauplatz auf und lenken vom eigentlichen Problem ab. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Zweytick, beim Rednerpult stehend. – Allgemeine Heiterkeit.)

Herr Kollege Zweytick, ich rede wirklich gerne mit Ihnen. Aber jetzt habe ich mich ein bisserl gefürchtet, weil Sie gar so nahe herangekommen sind.

Noch ein Problem gibt es, Herr Kollege Zweytick: Seit 1995 gibt es Zollzugeständnisse von der EU an die sogenannten Reformstaaten: Ungarn, Polen, Jugoslawien, Slowakei, Tschechien. Wissen Sie, welche Produkte seit 1995 unbegrenzt aus diesen Reformstaaten nach Österreich eingeführt werden können? – Ich lese es Ihnen vor und kann Ihnen auch die Zollnummern sagen, wenn Sie es mir nicht glauben.

Auf dem Gemüsesektor – hören Sie mir zu! –: Gurken, Herr Kollege Zweytick, zollfrei und unbegrenzt aus Rumänien, aus Bulgarien, aus Ungarn, aus der Tschechoslowakei. Erdbeeren, Herr Kollege Zweytick, unbegrenzt und zollfrei genau aus diesen Reformstaaten. Erbsen und anderes Gemüse, Herr Kollege, zollfrei und unbegrenzt in der Menge. Das ist das Problem, das die österreichischen Gemüsebauern haben!

Ein weiteres Problem haben sie damit, wie doppelbödig die Eferdinger Konservenfabrik vorgeht (Beifall bei den Freiheitlichen), die sich ganz mediengerecht hinstellt und die Eferdinger Gurkenbauern bei der Anforderung von Saisonarbeitern oder Erntehelfern unterstützt. Und wissen Sie, wo genau diese Gurkenfabrik ihre letzte Niederlassung gebaut hat? (Abg. Zweytick: Natürlich!) Wissen Sie, wo? (Abg. Zweytick: In Eferding!) In Ungarn, Herr Kollege Zweytick! Und das ist das Problem. Die Bauern werden von ihren eigenen Genossenschaften hinters Licht geführt, und dann redet man sich auf Sozialminister Hums und auf den bösen Dr. Haider aus, daß es deshalb keine Erntehelfer gibt. Aber daß Sie den Bauern mit diesem überhasteten Beitritt zur Europäischen Union 50 Prozent Einkommenseinbuße innerhalb eines Jahres zugefügt haben, davon reden Sie nicht.


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Noch etwas: Ich habe da ein Flugblatt, das die Eferdinger Gemüsebauern verteilt haben. Darauf steht geschrieben: Wir bekommen keine Erntehelfer aus dem Inland. Arbeitslose haben kein Interesse, in der Landwirtschaft zu arbeiten.

Jetzt müssen wir uns einmal überlegen: 50 000 arbeitslose Ausländer und 250 000 arbeitslose Inländer, 300 000 Arbeitslose also. Und von diesen 300 000 Arbeitslosen ist keiner bereit, zu ganz normaler Bezahlung den Bauern bei der Ernte zu helfen. Glauben Sie nicht, daß da irgend etwas am System nicht stimmt? Ich kann Ihnen sagen, was nicht stimmt: 8 000 S Arbeitslosengeld. Wissen Sie, wie hoch der Lohn eines Landarbeiters ist? – 9 200 S! Und da ist das Problem: Wenn ich 8 000 S fürs Nichtstun bekomme, dann werde ich nicht drei Monate Gurkerl oder Beeren pflücken. Deshalb gibt es in Österreich keinen einzigen Arbeitslosen, der dazu bereit ist. Wir müssen uns vielleicht, bevor wir einen neuen Zuzug fordern, einmal überlegen, was bei den Zumutbarkeitsbestimmungen zu ändern ist. Da müssen wir ansetzen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.48

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine Ausländerpolitik, das Arbeitskräftepotential von ausländischen Arbeitskräften sowie die Zuwanderung können sich immer nur nach der jeweiligen Arbeitsmarktlage in dem jeweiligen Land richten, nur daran kann sie sich orientieren. Wenn wir in der Vergangenheit auch ein Potential von ausländischen Arbeitskräften gebraucht haben, so muß sich das jetzt eben nach den Gegebenheiten, die wir heute in Österreich vorfinden, richten.

Die Zuwanderungsquote wird von 16 500 Ausländern auf 18 000 Ausländer pro Jahr erhöht, wobei Studenten, Pensionisten, Auszubildende und jene, die sich privat in Österreich aufhalten, in dieser Quote nicht enthalten sind. Diese Gruppe macht aber zirka 6 000 Personen aus, und aufgrund der Familienzusammenführung werden weitere 12 000 Personen pro Jahr dazukommen, sehr geehrte Damen und Herren, plus den Schlüsselkräften, deren Zahl mit 1 500 angenommen wird.

Es ist also zu berücksichtigen, daß es zu einer massiven Belastung der österreichischen Steuerzahler, der österreichischen Bevölkerung kommt und daß die österreichischen Arbeitskräfte genauso wie die ausländischen Arbeitskräfte, die in Österreich beschäftigt sind, natürlich um ihren Arbeitsplatz bangen. Denn wir kennen ja die Gruppen, die dann vom Arbeitsmarkt verdrängt werden: ältere Arbeitnehmer, ausländische Arbeitnehmer und Frauen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ungelöst ist auch das Problem der bosnischen Flüchtlinge, denn von den 85 000, die in Österreich Aufenthalt gefunden haben, haben 54 000 eine Aufenthaltsbewilligung und wollen nicht, ja können auch nicht zurück in die Heimat. Diese müssen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt Fuß fassen, bevor wir neue nach Österreich hereinlassen.

Auch die 51 000 türkischen Beschäftigten sind laut Entscheid des Europäischen Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Mai 1996 aus der Quote zu nehmen, denn da gilt das Assoziationsabkommen zwischen EWG und Türkei aus dem Jahre 1963, das besagt, daß nach vier Jahren legaler Beschäftigung Türken aufenthaltsrechtlich EU-Bürgern gleichgestellt sind. Es sind 40 000 dieser 51 000 türkischen Beschäftigten bereits mehr als vier Jahre in Österreich ansässig, sie fallen aus dieser Quote ebenfalls heraus.

Was die Familienzusammenführung betrifft, sehr geehrte Damen und Herren, so gibt es ein Erkenntnis des Europäischen Verfassungsgerichtshofes, worin es heißt: Wenn es möglich ist, in die Heimat zurückzukehren, so kann die Zusammenführung der Familie auch dort erfolgen – natürlich nur dort, wo keine Kriegszustände sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Heute ist schon gesagt worden, Ausländer zahlen mehr an Sozialversicherungsbeiträgen ein, als sie herausbekommen. Diese Sozialleistungen werden


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aber auch von einem großen Teil der Zuwanderer, die keine Arbeitskräfte sind, in Anspruch genommen, nämlich von den Familienmitgliedern. Die Zahl der Mitversicherten steigt immens an. Immer mehr Gesundheitsleistungen werden lukriert, 20 Milliarden Schilling werden pro Jahr für In- und Ausländer ausgegeben. Das macht pro Kopf zirka 7 500 S, und bei 60 000 ausländischen Angehörigen mehr in Österreich würde das unsere Kassen mit 500 Millionen Schilling pro Jahr belasten.

Der Bundesregierung fällt dazu nichts anderes ein, als die Krankenversicherungsbeiträge anzuheben, höhere Arbeitslosenversicherungsbeiträge und Selbstbehaltsregelungen werden diskutiert. Es ist keine Bereitschaft da, Privilegien in den Sozialversicherungsanstalten abzubauen, die Zusammenlegung der Sozialversicherungsanstalten wird nicht angegangen.

Wenn man bedenkt, daß 4,2 Milliarden Schilling derzeit allein für die schulische Betreuung von schulpflichtigen ausländischen Kindern bezahlt werden müssen, 4,5 Milliarden Schilling für ausländische Mitversicherte aufgewendet werden und durch das Belastungspaket jeder Österreicher im Durchschnitt mit einer Mehrbelastung von 3 000 S zu rechnen hat, so wird das für die österreichische Bevölkerung nicht vertretbar sein.

Wir haben zurzeit in Österreich 200 000 Wohnungssuchende, 220 000 fehlende Kindergartenplätze und 80 000 fehlende Lehrplätze, sehr geehrte Damen und Herren. Es gibt 280 000 Arbeitslose in Österreich, 315 000 Arbeitnehmer, die weniger als 8 000 S im Monat verdienen, und 47 000 jugendliche Arbeitslose. Allein in Wien ist das Angebot auf dem Lehrstellenmarkt um 41 Prozent zurückgegangen, österreichweit um 30 Prozent.

Sehr geehrte Damen und Herren! Was die Arbeitslosenrate betrifft: Im "Kurier" von morgen übt Herr Buchinger, der Vorstand des Arbeitsmarktservice, Kritik an den Sozialpartnern, daß am Bau und im Tourismus immer noch keine Einigung zur Eindämmung der Saisonarbeitslosigkeit erzielt worden ist. Da heißt es: "Es ist schade, daß die Einigung bisher an Kleinigkeiten gescheitert ist. Wir haben bei Beginn der Verhandlungen erklärt, wir würden Förderungsmittel zur Saison-Verlängerung zur Verfügung stellen, sind aber nicht in die Verhandlungen eingebunden worden", bedauert Buchinger.

Die Sozialpartner sind hier gefordert, sie sind säumig. Herr Sozialminister, tragen Sie das Ihre dazu bei, daß es zu einer baldigen Lösung kommt.

Wenn behauptet wird – und auch heute ist das wieder gesagt worden –, Ausländer sichern die Pensionen, Österreich braucht die Zuwanderung zur Erhaltung der Pensionen, dann ist das ganz einfach falsch. Laut einem Gutachten des Bevölkerungsforschers Rainer Münz löst die Zuwanderung das Problem des Sozialstaates nicht, weil die Quote der Ausländer, die eine Pension beziehen, von heute 4 Prozent auf 18 Prozent im Jahr 2020 ansteigen wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist deshalb unverantwortlich, in solchen Zeiten mehr Ausländer nach Österreich einreisen zu lassen. Ich bringe deswegen auch folgenden Entschließungsantrag der Abgeordneten Dolinschek und Rossmann ein.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Mares Rossmann betreffend umfassende Maßnahmen gegen die steigende Arbeitslosigkeit

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Arbeit und Soziales wird zur Sicherung der Leistungsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft und zur Erhaltung österreichischer Arbeitsplätze ersucht, dem Nationalrat Gesetzentwürfe zuzuleiten, die:

in der Arbeitslosenversicherung


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1. eine Förderung von Zwischen- und Zusatzverdiensten (auch aus nicht der Qualifikation des Arbeitslosen entsprechenden Tätigkeiten) sowie der Annahme einer Beschäftigung außerhalb der Saison trotz Einstellungszusage durch die nur teilweise Anrechnung auf das Arbeitslosengeld statt seines vollständigen Entfalles beziehungsweise der jetzigen Nichtanrechnung von geringfügigen Einkünften,

2. eine Verpflichtung des Arbeitsmarktservice zur weiteren Vermittlung auf Arbeitsplätze, die der höheren Qualifikation entsprechen, auch wenn eine schlechter qualifizierte Beschäftigung angenommen wurde, sowie die Beibehaltung der ursprünglichen Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld und der ursprünglichen Zumutbarkeitsgrenze,

3. eine degressive Gestaltung des Arbeitslosengeldes (wenn Zwischenverdienst angenommen oder eine sinnvolle und erfolgreiche Weiterbildung betrieben wird, erst nach Ablauf eines Jahres) mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit bis zur reinen Bedarfsabdeckung durch die Sozialhilfe,

4. die Präzisierung und Verschärfung der vom Arbeitslosen nachzuweisenden ausreichenden eigenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung und

5. spürbare Sanktionen für die ,Vermeidung’ einer Beschäftigung (etwa durch eine verstärkte Zusammenarbeit des Arbeitsmarktservice mit den Arbeitgebern)

enthalten und

im Bereich der Ausländerbeschäftigung

1. eine Ausweispflicht für ausländische Arbeitnehmer auf dem Arbeitsplatz, wobei aus diesem Ausweis die Arbeitsgenehmigung und die Anmeldung zur Krankenversicherung hervorzugehen hat,

2. eine Absenkung der Höchstzahlen der Ausländerbeschäftigung für die Dauer der hohen Arbeitslosigkeit und

3. Anreize für die Rückkehr aller ausländischen Arbeitnehmer, die sich längere Zeit in Österreich aufgehalten haben,

vorsehen."

*****

Sehr geehrte Damen und Herren! Arbeitsplätze für Österreich müssen in Zukunft Vorrang haben. Es wäre unverantwortlich, in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation, angesichts des Belastungspaketes und einer steigenden Arbeitslosenrate mehr Ausländer nach Österreich einreisen zu lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der soeben vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt. Er wird in die Verhandlung mit einbezogen.

Als nächste ist Frau Abgeordnete Rossmann zu Wort gemeldet. – Bitte.

19.59

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Herr Minister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines ist mir in den letzten zwei Stunden wirklich klar geworden: Für Sie muß sich Österreich vor allem den guten Ruf als Einwanderungsland bewahren. Ich muß sagen, da haben wir Freiheitlichen einen anderen Zugang. Wir sind die einzige Fraktion hier, die sagt: Es muß begrenzt werden, bis endlich Ordnung im eigenen Land gemacht wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Herr Minister, erlauben Sie mir einige Worte aus der Praxis. Ein ehemaliger sozialistischer Gemeinderat von Graz kam in eine Bredouille, indem er Ausländer illegal beschäftigte und dann eine Strafe in Millionenhöhe zu bezahlen hatte. Ich war die einzige, die ihn nach den wahren Hintergründen gefragt hat.

Die Hintergründe waren nämlich, daß er für seinen Betrieb keine Arbeitskräfte bekommen konnte, obwohl genügend Personen als arbeitslos gemeldet waren. – Punkt 1.

Punkt 2 war, daß ihm das Arbeitsmarktservice mitteilte, wenn er keine Leute bekomme, dann solle er die Produktion kürzen. – Das ist ein fleischverarbeitender Industriebetrieb, muß man dazusagen, der Millionenumsätze mit dem EU-Ausland macht und auf die Arbeitskräfte angewiesen ist. Das ist Ihre Arbeitsmarktpolitik, daß er zur Antwort bekommt: Dann drosseln Sie eben die Produktion! (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Dieser Arbeitgeber hat folgendes gemacht: Er hat nach der "Konsum"-Pleite die Leute angeschrieben, und er hätte alle aufgenommen, wie sie waren, egal, in welchem Alter. – Wissen Sie, was die Folge war? (Abg. Dr. Graf: Das hat die Gewerkschaft verhindert!) Genau! Nicht einen einzigen Arbeitnehmer konnte er bekommen, weil es die Gewerkschaft verhindert hat. So schauen die Realität und die Praxis aus! Die Gewerkschaft hat den Arbeitnehmern nahegelegt, lieber in Frühpension zu gehen, bevor sie dorthin arbeiten gehen. Das ist die Realität! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Arbeitsmarktpolitik in Österreich ist keine Arbeitsmarktpolitik, sondern eine Arbeitslosenverwaltungspolitik, Herr Minister! Und Sie schauen dem Ganzen zu. Die Praxis ist nämlich die: Wenn ich zum Beispiel Arbeitskräfte brauche, dann weiß ich, beim Arbeitsmarktservice sind jetzt in dem Bereich zehn Arbeitslose gemeldet, die werden sich vorstellen kommen. – Wissen Sie, wie viele von den zehn kommen? Wenn es gut geht, kommen zwei, und die wollen nur einen Stempel, daß sie da waren. (Abg. Dr. Ofner: Und das Fahrgeld!)

Da spiele ich aber nicht mit. Sie können sich beim Arbeitsamt in Graz, mit dem ich Gott sei Dank aufs beste zusammenarbeite, erkundigen. Aber so läuft es auch in anderen Betrieben. Wenn man Glück hat, kommt man nach Wochen oder Monaten endlich zum richtigen Mann am richtigen Arbeitsplatz. Das ist eine Tatsache.

Es gibt aber auch weitere Fälle aus der Praxis, Herr Minister, speziell aus der Steiermark. Da ist zum Beispiel ein Slowene verurteilt worden, weil er zu Unrecht Arbeitslosengeld in der Höhe von 65 000 S bezogen hat. Jetzt frage ich mich: Wie kann denn das überhaupt sein? Das hat ihn der Richter auch gefragt. Darauf antwortete er, ein Vertreter des Arbeitsamtes hätte ihm erklärt, daß das angeblich ordnungsgemäß war und er keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich zu haben brauchte. Daraufhin fragte man den Vertreter des Arbeitsmarktservice, und er antwortete: Aber er kann doch kaum Deutsch! Die wenigsten Ausländer bei uns können Deutsch, antwortete der Beamte ungerührt. – Das ist die Realität! Die Leute werden in Deutsch aufgeklärt, und man bemüht sich gar nicht, die Leute richtig aufzuklären.

Ein zweiter Fall: Ein südsteirischer Postbediensteter gab einem Ausländer die Möglichkeit, sich bei ihm anzumelden, obwohl er dort überhaupt nie gewohnt hat. Und das ist ein Fall, der täglich hundert und tausendmal passiert, möchte ich fast sagen: Es wird einfach im grenznahen Bereich ein De-facto-Wohnsitz angemeldet, um noch Arbeitslose zu beziehen. Das sind die Mißstände, Herr Minister, die auch unser Budget in die Höhe treiben. Sie wissen schon nicht mehr, sollen Sie die Beiträge erhöhen oder nicht, und Sie bringen damit den ganzen Staat in die Bredouille. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber das ist bei weitem noch nicht alles. Und eines wundert mich: Die ÖVP hat großartig eine Anfrage gestellt bezüglich der Aktion 8 000 des Arbeitsmarktservice und der "TATblatt"-Spende. Heute sind Sie plötzlich ganz still, Sie wollen den Herrn Minister ja nicht beleidigen. Herr Minister, Sie haben zwar in der Beantwortung gesagt, das ist ausgegliedert, das ist nicht mehr in Ihrem Kompetenzbereich. Aber das Budget kommt sehr wohl von Ihnen, und auf alle Fälle kommt es vom österreichischen Staatsbürger. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Nicht einmal das stimmt!)


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Sie wollen auch nicht einsehen, daß es im österreichischen Tourismus heuer allein in der Hochsaison 3 000 Arbeitslose gegeben hat. Sorgen Sie dafür, daß diese Arbeitslosen auf einen Arbeitsplatz kommen. Schauen Sie darauf, daß sie vermittelt werden, dann brauchen wir weder Quoten noch Saisonniers, dann ist das alles hinfällig, weil dann sind die Leute dort, wo man sie braucht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In diesem Zusammenhang, Herr Minister, möchte ich Ihnen eines sagen – und es ist mir ein großes Anliegen, Ihnen und auch der Kollegin Hagenhofer das persönlich mitzuteilen –: Ich habe Sie immer für einen wirklich äußerst seriösen Politiker und Minister gehalten. (Abg. Mag. Posch: Das ist er ja!) Aber diese Auffassung habe ich seit Ihrer Anfragebeantwortung revidiert. (Abg. Grabner: Das zeichnet ihn aus!) Die Anfrage bezieht sich auf eine rechtzeitige Bekanntgabe der Quote für die Gastronomie. Ich habe lediglich nach der Zeit gefragt, habe betont, daß eine Bewilligung des Arbeitsmarktservices klarerweise nicht vor der rechtzeitigen Bekanntgabe möglich ist und ebensowenig vor der rechtzeitigen Beschäftigung. Es waren rein Fragen nach der Zeit, nicht nach einer Ausschöpfung der Quote und schon gar nicht nach einer Erhöhung der Quote.

Was aber haben Sie gemacht? – Sie haben die Anfrage total umgedreht. Sie interpretieren da alles mögliche hinein. Sie wundern sich, daß die Freiheitlichen eine großzügige Versorgung der Fremdenverkehrswirtschaft mit zusätzlichen ausländischen Arbeitskräften fordern und solche Dinge mehr. Und Kollegin Hagenhofer hat wahrscheinlich meine Anfrage gar nicht gelesen, sondern nur die Beantwortung des Herrn Ministers. Ich kann es ihr nicht übelnehmen, wenn sie das dann so interpretiert hat. Auch ich hätte es nicht anders getan. Und das ist das Unseriöse: In eine seriös gestellte Anfrage interpretieren Sie etwas anderes hinein! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Böhacker: Unglaublich!)

Wenn das in Zukunft die Form sein soll, wie man mit Anfragen der Freiheitlichen umgeht, dann sage ich Ihnen: Wir werden uns das sicher nicht gefallen lassen, Herr Minister! (Abg. Dr. Graf: Mares, du mußt ihm eine Kopie geben, er hat sie vielleicht noch gar nicht gelesen!)

Aber jetzt sage ich Ihnen etwas, was Sie interessieren dürfte. Sie haben heute wieder betont, daß die Beschäftigungspolitik in Österreich für Sie äußerste Priorität hat. Ich werde Ihnen sagen, wie die Priorität Ihrer Partei aussieht. Sie haben nämlich einen hohen Parteifunktionär in Ihren Reihen, der immer betont, wie wichtig die Arbeitsplatzschaffung sei, er werde Milliardenbeträge vom Herrn Bundeskanzler in die Steiermark holen. Es ist ein hoher steirischer Funktionär, es ist nämlich niemand geringerer als unser Landeshauptmannstellvertreter Schachner-Blazizek.

Wissen Sie, was er gemacht hat? Nachdem im steiermärkischen Landtag einstimmig, auch mit den Stimmen des Landeshauptmannstellvertreters Ihrer Partei, ausdrücklich beschlossen wurde, daß die Konvergenzkriterien auch bezüglich der Arbeitsplatzsituation in Österreich Geltung finden sollten und die steiermärkische Landesregierung die Bundesregierung auffordert, hier tätig zu werden, hatte er nichts Besseres zu tun, als die Prospekte – drei Kataloge – für die steirische Landesausstellung in Slowenien drucken zu lassen, diesen Auftrag nach Slowenien zu vergeben. So sieht die Realität aus, Herr Minister, da besteht für Sie großer Handlungsbedarf! Sie sollten unsere Anfragen nicht verdrehen, das sei Ihnen abschließend noch einmal gesagt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.08

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. – Bitte.

20.08

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit dem Thema, mit dem wir uns aufgrund der dringlichen Anfrage der Freiheitlichen heute hier befassen, gibt es eine Reihe von langlebigen, zählebigen Doppelzüngigkeiten und von Schmähs, die immer wieder aufbereitet werden, aber durch ihre ständige Wiederholung nicht an Wahrheitsgehalt gewinnen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Posch .) Der Posch ist schon wieder da, weil er etwas lernen will. Die ganze Zeit war er unsichtbar, aber einer von den drei oder vier Sozialdemokraten, die jetzt hier im Plenum sind, ist


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der Posch. Wenn der Ofner redet, ist der Posch da und hängt an seinen Lippen, denn das will er sich nicht entgehen lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Horch aufmerksam zu, damit du ein bißchen etwas lernst! Über die Bibel können wir auch wieder diskutieren, wenn du willst! Ich bin da nicht so kleinlich.

Herr Bundesminister Hums hat in seiner Wortmeldung in einem einzigen Satz den Hauptwiderspruch in der gesamten Materie formuliert. Er hat gesagt: Ich mache Sie aufmerksam darauf, meine Damen und Herren, wir brauchen die Ausländer! Aber im übrigen werden wir, so wie wir es schon jetzt sind, auch in Zukunft äußerst restriktiv in der Ausländerbeschäftigung sein!

Meine Damen und Herren! Das ist die Kardinaldoppelzüngigkeit in der gesamten Ausländermaterie in Österreich! Man läßt die Leute in immer weiter steigender Zahl herein. Wir sind ja so großzügig, wir sind so human! Und was ich heute auch gehört habe: Wir werden dafür gelobt von jenen, die da viel weniger großzügig sind. Das Musterschülerverhalten wird auch da wieder angestrebt, und mitunter mit Erfolg.

Wir wollen alle herinnen haben, aber sie dann auch arbeiten lassen, das wollen wir lieber nicht! Denn da ist die Gewerkschaft vor, die linken Utopisten, die wollen am liebsten die Türln weit offen haben und alle herinnen, aber wenn die dann da sind und von irgend etwas leben müssen, leben sollen, nicht von strafbaren Handlungen leben dürfen, nicht auf den Strich gehen wollen und dürfen, nicht betteln gehen wollen und dürfen, wenn die arbeiten wollen, wenn sie Arbeit bekämen, da geht der Schranken herunter, und der, den wir großzügig hereingelassen haben, der darf nicht arbeiten. Das haben wir alle erlebt, und meine unmittelbare Vorrednerin hat es entsprechend deutlich dargestellt.

Meine Damen und Herren! Das ist doppelbödig und doppelzüngig. Entweder wir lassen die Leut’ nicht herein – na schön – oder wir lassen sie herein, aber dann müssen wir dafür sorgen, daß sie ordentlich ihren Unterhalt verdienen können! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da nutzt kein Grinsen! Es ist so, daß man einfach nicht mit gespaltener Zunge reden darf! Man kann nicht sagen: Wir wollen die Leute herinnen haben, die verdienen das alle, und verschiedene andere Schmähs kommen auch noch dazu, auf die ich näher eingehen werde, aber wenn einer arbeiten will, dann darf er das nicht. Bestenfalls arbeitet er schwarz. Er ist an der Wertschöpfung dann nicht wirklich in vollem Umfang beteiligt. Könnte man ihn anmelden, könnte er offiziell beschäftigt werden, würden Steuern dafür bezahlt werden, es würden Sozialversicherungsbeiträge geleistet werden, es käme für die Allgemeinheit, für die Gemeinschaft etwas dabei heraus. Es ist aber nicht so! Er darf da sein, arbeiten darf er nichts! Das hat der Minister heute eben, wie gesagt, wieder schön zum Ausdruck gebracht. Wir brauchen die Ausländer, aber restriktiv sind wir dann, wenn es darum geht, daß sie sich tatsächlich in den Arbeitsprozeß eingliedern dürfen.

Da liegt ja der Widerspruch: Jeder zweite Redner, der da herauskommt, sagt: Wir wollen weitere Ausländer herinnen haben, weil wir sie für die Wirtschaft brauchen! Gleichzeitig schwören die jeweils dazwischen am Wort befindlichen Redner: Aber arbeiten werden wir sie ohnehin nicht lassen, und die, die da sind und arbeitslos sind, die will man erst recht nicht beschäftigen. Das heißt, man braucht Arbeitskräfte. Es gibt passende Arbeitskräfte in ausreichender Zahl, teilweise seit Jahren innerhalb der österreichischen Grenzen, die dürfen nicht arbeiten, aber unter dem Vorwand, daß man Arbeitskräfte brauche, läßt man neue herein und verspricht im gleichen Atemzug: Auch die werden wir nicht arbeiten lassen. Das muß man bei jeder Gelegenheit aufzeigen, man muß die Doppelzüngigkeit dieser Argumentation den Österreichern entsprechend nahebringen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und dann gibt es noch einige Standardschmähs, über die man eigentlich nur mehr schmunzeln kann, wenn man ihnen ein bißchen auf den Grund geht. Da ist einmal der Schmäh: Wir brauchen die Ausländer für Arbeiten, die kein Österreicher macht. – Abgesehen davon, was für eine ungeheure Überheblichkeit in dieser Formulierung liegt, eine Überheblichkeit, die Menschen aus dem Ausland wie Sklaven, die man sich für die unangenehmen Arbeiten hält, darstellt


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und betrachtet, ist das auch völlig unrichtig. Denn für jede Arbeit, und sei es die größte Drecksarbeit, finden sich Österreicher in ausreichender Zahl, wenn sie genügend honoriert werden. Wenn ich natürlich die Drecksarbeit nicht ordentlich honorieren muß, weil ich ja genug Ausländer habe, die auch zu geringerem Lohn bereit sind, das zu machen, dann erspare ich mir die Österreicher. Wenn ich die Dinge ausreichend honoriere, brauche ich auch für diese Tätigkeitsbereiche keine Ausländer. Das ist ein Schmäh, auf den man nicht hineinfallen darf, meine Damen und Herren.

Dann gibt es die Problematik: Einzelne Wirtschaftszweige wären schon längst zusammengebrochen, wenn es nicht die ausländischen Arbeitskräfte gäbe, und es wird etwa der Gesundheitsbereich angeführt, um das zu untermauern.

Meine Damen und Herren! Es mag schon stimmen, daß wir einige tausend Krankenschwestern und ähnliches Personal in den Spitälern brauchen, aber es hat mir noch niemand erläutern können, warum wir deshalb, weil wir einige tausend Mitarbeiter im medizinischen Bereich brauchen, eine Million Ausländer in unseren Grenzen haben müssen. Wo gibt es denn da den Zusammenhang in der Relation? Das ist auch ein Schmäh, und auch das muß man als solchen entlarven. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Schmäh Nummer drei ist die Problematik mit den Pensionen. Wenn ich davon absehe, daß es ja die österreichische Familienpolitik der letzten Jahre und Jahrzehnte ist, die dafür maßgeblich gewesen ist, daß wir uns in einer Situation befinden, daß sich nur verwegene oder wirklich reiche Leute Kinder leisten haben können, daß daher die Pensionspyramide zusammenzubrechen droht, wenn man davon absieht, daß eine ruinöse Familienpolitik uns dorthin gebracht hat, wo wir derzeit sind, dann ist auch das ein Schmäh! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Höchtl schickt sich an, den Saal zu verlassen.) Pepi, jetzt gehst du, jetzt habe ich dich getroffen! (Abg. Dr. Höchtl: Nein!) Geh, trink ein Seiderl auf mein Wohl, du darfst schon hinausgehen. (Abg. Dr. Höchtl: Gehörst du zu den Verwegenen oder zu den Reichen?) Ja, ich bin ein Verwegener, denn ich habe drei Kinder. Du bist ein Reicher, du hast auch zwei oder drei. Wie viele hast du? (Abg. Dr. Höchtl: Ich habe drei!) Drei! Du bist ein Reicher. Ich bin ein Verwegener.

Der nächste Schmäh ist die Geschichte mit den Pensionen. Immer wieder hört man: Die Ausländer, die wir da hereinholen, müssen unsere Pensionen zahlen. Dann machen einem die Statistiker klar, daß in wenigen Jahren zwar zirka zwölf oder 13 Prozent Ausländer da sein werden, daß aber die Ausländer unter den Pensionisten 18 Prozent ausmachen werden. Das heißt, die anwesenden Ausländer werden durch den starken Pensionistenanteil die Pensionskassen noch mehr belasten, als es derzeit der Fall ist, und werden das Altersversorgungsgefüge noch mehr durcheinanderbringen. Also auch hier ein Schmäh! Man darf ihn nicht nur nicht glauben, man muß ihn als Schmäh bezeichnen und bei jeder Gelegenheit entlarven! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Schmäh Nummer vier: Das historische Einwanderungsland. Es wird empfohlen, das Wiener Telefonbuch aufzuschlagen, wo alle möglichen, nicht gerade germanischen Zunamen auftauchen. (Abg. Dr. Graf: Hums!) Welchen meinst du gerade? (Abg. Mag. Posch: Pawkowicz!) Ich will weder Hums noch Pawkowicz sagen. Der hat "Hums" gesagt, du hast "Pawkowicz" gesagt. Ich will weder das eine noch das andere wiederholen, denn das ist natürlich ein Spiel mit gezinkten Karten. Denn wenn zur Zeit der Monarchie jemand aus Böhmen, aus Mähren, aus der Slowakei, aus Ungarn, aus Siebenbürgen, aus Kroatien, aus Slowenien, woher auch immer aus diesem Bereich, aus dem Trentino, meinetwegen aus Triest, nach Wien gegangen ist, dann war er in der eigenen Hauptstadt. Er ist im eigenen Land geblieben, er ist in die eigene Hauptstadt gegangen. Es gibt daher da keine Tradition der Zuwanderung von Ausländern nach Wien, die sich im Telefonbuch nachweisen ließe, sondern damals sind eigene Bürger in die Hauptstadt Wien gegangen, in die Haupt- und Residenzstadt; so wie wenn sich heute einer aus dem Pielachtal oder aus der Steiermark nach Wien begibt, so war das damals. Es hat das Problem der gespaltenen oder der doppelten Loyalität nicht geben können. Eigene Bürger in der eigenen Haupt- und Residenzstadt! Auch die Geschichte mit der Tradition auf diesem Sektor ist ein Schmäh, den man als solchen bezeichnen und entlarven muß. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Ernster wird es aber, wenn man sich mit der Gegenwart auseinandersetzt, die etwa so ausschaut, daß wir gleichfalls der amtlichen Statistik entnehmen können und müssen, daß in 15 der 23 Wiener Gemeindebezirke in den Pflichtschulen bereits eine deutliche Mehrheit ausländischer Schüler besteht, am deutlichsten in Wien-Margareten mit 66 Prozent. Wenn ich heute in 15 – in den volkreichsten – der 23 Bezirke ausländische Mehrheiten unter den Schulkindern habe, dann kann ich mir ausrechnen, wie es in der Struktur der Bevölkerung in ein oder zwei Generationen ausschauen wird.

Jetzt kann man sagen: Der Ofner möchte, daß auch in ein, zwei Generationen Wien noch eine typisch österreichische Stadt mit der gewachsenen österreichischen Struktur ist. Der ist ein Ausländerfeind! Dann antworte ich darauf: Ich bin kein Ausländerfeind, ich möchte aber trotzdem nicht, daß sich das so radikal ändert. Meine Damen und Herren! Wien soll eine österreichische Stadt bleiben, wie wir es gewöhnt sind, wie es unsere Väter und unsere Großväter gewöhnt waren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Denn wenn ich heute in den Schulklassen so vieler Bezirke Kinder nichtdeutscher Muttersprache, ausländische Kinder in absoluter Mehrheit habe, dann entsteht dort schon ein entsprechender Anpassungsdruck, längst nicht mehr der Österreicher gegenüber den Ausländern, sondern längst schon der Ausländer gegenüber den Österreichern. Zu einem Vorstadtanwalt, wie ich in Ottakring einer bin, kommen dann die Leute mit den unterschiedlichsten Anliegen. Es kommt eine Frau zu mir, die sagt: Was soll ich machen? Mein Bub geht dort und dort in die Volksschule, dritte oder vierte Klasse schon. Die Lehrerin hat alle Kinder dringend ermahnt – er und, glaube ich, zwei weitere sind die einzigen Österreicher unter den Schülern –, ja keinen Schilling Geld in die Schule mitzubringen, denn wenn jemand Geld hat, wird es ihm von den anderen bereits als Schutzgeld abgepreßt. Es wird gesagt: Wir beschützen dich. Gib uns das Geld, das du hast, wenn nicht, geht’s dir schlecht!

Meine Damen und Herren! Das ist der gar nicht vornehme Druck, den die ausländischen Kinder schon gegenüber den österreichischen Kindern in den öffentlichen Schulen ausüben. (Abg. Koppler: Geh, hör auf! Das stimmt doch nicht!) Erkundige dich einmal bei deinen Leuten. Ich habe einmal da im Hause eine Diskussion gehabt mit zwei Schulklassen. Es war ein Abgeordneter der Sozialdemokratischen Partei dabei, von den Liberalen war, glaube ich, der Frischenschlager, von der ÖVP war niemand da. Wer von den Grünen dabei war, weiß ich nicht mehr. Der Name des SPÖ-Abgeordneten sei diskret verschwiegen. Er ist nicht mehr in diesem Haus. Er hat mich weit rechts überholt in der Ausländerfrage. Ich habe ihn dann gefragt: Hörst’, du bist schon leinwand! Wieso bist du derart radikal in diesem Zusammenhang? Im Plenum bist du ganz anders! – Da hat er gesagt: Was glaubst’, wenn ich in meinem Bezirk nicht so rede, bin ich weg vom Fenster! – Das ist die Sozialdemokratische Partei! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Da herinnen spielen sie die humanen Burschen und draußen holt sie die Realität ein! (Abg. Koppler: Wer war das?) Du geh nach Linz! Dort schießen die Kurden und die Türken aufeinander. Du mußt ja sehen, wie das ist!

Aber wenn der sozialdemokratische Kollege von Ihnen dort drüben im Lokal VIII diskutiert, dann setzt er die Maske des Realisten auf. Da herinnen spielt er den Humanisten. Da herinnen spielt er den aparten Burschen. (Abg. Koppler: Wer war das? Namen nennen!) Nein, Denunziant bin ich keiner. Das können Sie sich nicht wünschen. (Abg. Koppler: Dann ist es nicht wahr!) Er ist einer, der nicht mehr da ist. Er ist avanciert. Er ist nicht hinunter-, er ist hinaufgefallen, Koppler. Auf so einen alten Schmäh fallt ein Verteidiger, der 35 Jahre in diesem Geschäft ist, nicht herein. Damit kannst du deine Enkelkinder schrecken, aber mich nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Liebe Freunde! Auf diese Dinge wollte ich hinweisen. Ich stelle nur fest, bei den Sozialdemokraten sind nur deshalb alle am Dösen gehindert worden, weil sie nicht da waren. Jetzt sind einige da, und sie dösen auch nicht. Das heißt, die Diskussion hat wieder etwas an Brisanz gewonnen, und zwar deshalb, weil ich zwei Dinge aufgezeigt habe: Zunächst, wie doppelbödig und doppelzüngig – am wenigsten vom Willi Fuhrmann, aber von anderen – die Diskussion in der Ausländerfrage geführt wird (Abg. Mag. Posch: Er kann sich nicht wehren, weil er nicht da ist!) , zum zweiten, wie sich die Entwicklung, vor allem in der Bundeshauptstadt, darstellt, und so


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nebenbei, wie die Sozialdemokraten sich draußen in ihren Bezirken verhalten – Klammer: verhalten müssen –, wenn sie nicht weg vom Fenster sein wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.23

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist die Frau Abgeordnete Madl. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.23

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Minister! Es ist noch keine vier Wochen her, und das Papier, auf dem das Belastungspaket und die Folgen des Belastungspaketes niedergeschrieben worden sind, ist noch nicht einmal trocken, da muten Sie der österreichischen Bevölkerung durch dieses Integrationspaket schon wieder eine neue Belastungswelle zu. Die wird sicherlich kommen – aus vielen schon erwähnten Gründen, die Sie heute gehört haben.

Aber darüber wurde heute überhaupt nicht gesprochen. Die Abgeordneten von ÖVP und SPÖ haben wahrscheinlich das Sparpaket 1996/97, wie sie es nennen, schon ad acta gelegt und sagen: Jetzt wenden wir uns neuen Ideen und neuen Belastungen zu. Es ist wirklich noch keine vier Wochen her, daß österreichische Familien immens belastet worden sind, und es stellt sich hier wirklich die Frage, ob es sich in Österreich überhaupt noch jemand leisten kann, eine Familie zu haben. Schon lassen Sie – Vorschlag – "Familien zuziehen", wo es bei uns, bei den Österreichern fast schon nicht mehr möglich ist, ein oder zwei Kinder zu haben.

Der jährliche Geburtenrückgang spricht ja Bände, er ist besorgniserregend. Herr Minister! Herr Kollege Ofner hat es ja schon angeschnitten: Wie wollen Sie dann später den Generationenvertrag erfüllen? Unsere Bevölkerungspyramide zeigt – wenn Sie sich die anschauen, und das werden Sie sicherlich schon gemacht haben, sehen Sie das – in manchen Jahrgängen einen eklatanten Einschnitt. Wir wissen ganz genau, daß zum Beispiel im Jahre 2010 die Pensionen absolut nicht gesichert sind, obwohl Sie das ja ständig dementieren.

Was den Zuzug anbelangt, so war die Schweiz in dieser Frage schon etwas schlauer. Die hat sich ihre Bevölkerungspyramide schon vor 20, 25 Jahren angeschaut, als es noch Zeit war, hier Maßnahmen einzuleiten und eine gezielte Einwanderungspolitik zu betreiben – nicht eine chaotische, unkontrollierte, wie es Österreich seit Jahren pflegt, sondern eine gezielte Einwanderungspolitik, die daraus ausgerichtet war, auf Alter, auf Beruf oder auf Ausbildungsstand der Einwanderungswilligen und Einzubürgernden Rücksicht zu nehmen. Somit hat die Schweiz heute keinerlei Probleme, zum Beispiel ihre Sozialleistungen weiter aufrechtzuerhalten, oder auch keinerlei Probleme der Art, daß ihre Pensionen nicht gesichert sind.

Es ist ja bei uns in Österreich schon so, daß heute eine Familienvater, der so viele Kinder in die Welt setzen will, wie er wünscht, im Wirtschaftsleben – und das wissen ja die Wirtschaftstreibenden unter Ihnen sehr gut – wegen fahrlässiger Krida angeklagt werden würde, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: weil der finanzielle Aufwand pro weiterem Familienmitglied für Österreicher immens hoch ist und nicht mehr leistbar ist, weil Familien auch steuerlich noch immer nicht bevorzugt und auch nicht immer begünstigt sind – solche Änderungen wird es auch in absehbarer Zeit nicht geben – und weil es auch zum Beispiel dem erziehenden Partner – zum Großteil sind das bei uns in Österreich Frauen – aus Ermangelung an Arbeitsplätzen und vor allem wegen des Fehlens von Kinderbetreuungseinrichtungen nicht möglich ist, die finanzielle Situation in den Familien zu entschärfen. Wir haben jetzt ja schon einen Mangel an 220 000 Kinderbetreuungsplätzen, und noch dazu hat man in diesem Belastungspaket, das vor einem Monat beschlossen wurde, die Kindergartenmilliarde herabgesetzt. (Zwischenruf der Abg. Silhavy .) Was sagen Sie, Frau Kollegin? (Abg. Silhavy: Wie ist Ihre Einstellung zu den Kindergärten? Da habe ich schon andere Worte von Ihnen gehört!) Sie haben mir nicht zugehört! Es fehlen in Österreich für das, was Sie geplant haben, schon jetzt 220 000 Kinderbetreuungseinrichtungen. Es gibt für Frauen, die arbeiten wollen, ja überhaupt keine Möglichkeit, ihre Kinder stundenweise unterzubringen. Da gehört auch die Tagesmutter dazu, das wissen Sie ganz genau, ebenso natürlich Kindergärten. Das gehört alles dazu zu den Kinderbetreuungseinrichtungen, wie ich mir vom Herrn Minister erklären lassen mußte – das war damals noch der


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Herr Minister Hesoun, der damals gesagt hat, Kinderbetreuungs... Ich kann mich jetzt nicht mehr so genau erinnern, aber er hat einen ganz anderen Ausdruck verwendet, den er dann heftigst bestritten hat. – Da gehört auch das dazu, Frau Kollegin! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Sie werden sagen, das ist eigentlich Sache des Familienministers, aber ich finde, daß Familienpolitik ja sehr weit in den sozialen Bereich hineinreicht. Es gibt keine Familienpolitik ohne Sozialpolitik, und auch umgekehrt ist das nicht möglich. Wie wird die Situation nach der geplanten Familienzusammenführung ausschauen? Sie wissen ja, daß Gastarbeiterfamilien bekanntlich sehr kinderreiche Familien sind, und daß nur vier Personen nachziehen, ist eher unrealistisch, weil man weiß, daß der Durchschnitt der Gastarbeiterfamilien eher bei fünf, sechs oder sieben angesiedelt ist. Also brauchen wir Kindergärten, denn es wird wahrscheinlich auch ein Teil dieser Kinder, die hereinkommen, um das soziale Umfeld kennenzulernen, Kindergärten besuchen will.

Das zweite ist, daß sie höchstwahrscheinlich dann einen Platz in der Schule brauchen, ja das ist sogar sicher. Dann brauchen wir mehr Lehrlingsplätze, dann brauchen wir auch mehr Arbeitsplätze. Wie Sie das schaffen wollen, obwohl jetzt schon überall ein Abgang diesbezüglich vorhanden ist, das ist mir schleierhaft!

Sie haben im Zusammenhang mit dem Sparpaket erwartet, daß sich durch den Entfall der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder das österreichische Budget Beträge in mehrstelligen Millionenhöhen erspart. Und jetzt, Herr Minister, stimmen Sie jenem Vorschlag zu, der es ja diesen Kindern wiederum ermöglicht, nach Österreich einzuwandern und hier die Familienbeihilfe in derselben Höhe, die Sie jetzt nicht zahlen wollen, zu erhalten. Das ist für mich unverständlich! Das wird sich wahrscheinlich ja dann auch in den nachfolgenden Budgets niederschlagen.

Einerseits versprechen Sie Entlastung, und andererseits verteidigen Sie den Familiennachzug, der finanzielle Belastungen im Sozialbereich nach sich ziehen wird, einen Familiennachzug, der ja nirgendwo festgeschrieben steht. In keinem Land der Welt gibt es das, und zwar in keinem Land der Welt, das es sich finanziell nicht leisten kann, noch mehr Leute aufzunehmen, die man dann auch im Sozialbereich versorgen muß. Das gibt es wirklich nur in Österreich!

Nach dem Erkenntnis der Europäischen Menschenrechtskommission ist eine Familienzusammenführung nur dann verpflichtend, wenn es aus politischen, religiösen oder sonstigen schwerwiegenden Gründen dem Familienerhalter unmöglich ist, seine Familie zu besuchen. Nur in diesen Fällen wird man aus humanitären Gründen der Familie die Chance geben, in das Gastland einzuwandern – aber nur aus diesen Gründen, nicht aufgrund einer Quotenregelung, die es jährlich zirka 20 000, 24 000 ausländischen Bürgern wieder erlaubt, in Österreich eine neue Heimat zu finden, was wir uns absolut nicht leisten können.

Herr Minister, Sie haben in Ihrer Anfragebeantwortung auf die Frage 20 betreffend die finanziellen Auswirkungen der Familienzusammenführung zugegeben, daß es noch keine Berechnungen diesbezüglich gibt. Ich finde, das ist wiederum typisch für die Art und Weise, wie diese Regierung arbeitet. Sie machen sich keine Gedanken, welche finanziellen Auswirkungen eine Vorlage nach sich zieht, und die Abgeordneten sitzen hier – oder teilweise auch nicht –, und wenn es dann ans Abstimmen geht, stehen sie alle auf. Das kommt mir manchmal so vor wie eine Herde, die dem Leittier folgt, ohne zu wissen, wohin der Weg geht. (Abg. Dr. Lukesch – auf den Platz des Abg. Dr. Haider deutend –: Das Leittier sitzt da vorne!) So komme ich mir manchmal hier herinnen vor. (Abg. Dr. Lukesch: Ihr Leittier sitzt da vorne!) Man hört hier Argumente, wirklich gute Argumente, und dann ist alles nicht wahr. Dann wird mit Scheuklappen abgestimmt, die Hand gehoben, das nächste Gesetz verabschiedet, und man macht sich überhaupt keine Gedanken über die Auswirkungen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Hagenhofer: Wie wird denn die FPÖ abstimmen, Frau Kollegin Madl?)

Und wenn man die Auswirkungen spürt, was macht man dann? – Dann kommt es zu Verminderungen, zu Revidierungen, zum Beispiel zur Verminderung der Familienbeihilfe (Abg. Hagenhofer: Wir haben schon einen Vorschlag!) – horchen Sie nur zu! – oder zur Kürzung der


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Karenzzeit. Sie sind doch eine Frau, da müßten Sie doch dagegen gewesen sein, nicht? Wir haben gesehen, wie das war: Zwei Jahre können wir uns nicht leisten, also kürzen wir es zurück auf eineinhalb Jahre!

Man führt einen Selbstbehalt bei der Schülerfreifahrt ein, man macht einen Selbstbehalt bei den Schulbüchern. All das revidiert man, nachdem man gesehen hat, daß uns die finanzielle Seite zu sehr belastet hat. Zuerst beschließen wir, nachher revidieren wir!

Herr Minister oder Frau Kollegin, was wollen Sie denn dann mit den Familien machen, die Sie hereingeführt haben, die Sie hereingelassen haben? Frau Kollegin, was wollen Sie mit den Familien machen, wenn wir es uns nicht mehr leisten können, diese Familien zu erhalten? Wollen Sie die dann wieder zurückschicken, Frau Kollegin? Ist das humanitär? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Hagenhofer: Wir haben einen Vorschlag! Aber wie stimmen Sie ab?) Ist das die Humanität, von der Sie immer zu sprechen pflegen? Ich finde das eher unheimlich, was Sie sich leisten. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin! Menschen kann man nicht zurückkürzen, so wie Sie es mit dem Karenzurlaub gemacht haben. – Ah, Sie nicken dazu? (Zwischenruf der Abg. Hagenhofer .) Na wozu nicken Sie dann? Wenn ich sage, Menschen kann man nicht zurückkürzen, und Sie nicken, dann muß ich annehmen, Sie nicken zu meinem Argument, Sie wollen die Menschen zurückkürzen. Nein, so geht das nicht! Menschen kann man nicht revidieren, so wie Sie das mit den Gesetzen ständig machen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Streiten Sie da nicht herum, Frau Kollegin! Halten Sie ihre Rede! Seien Sie friedlich!)

Oder wollen Sie Sozialleistungen kürzen, wie Sie es jetzt schon gemacht haben? Sie wollen also fortfahren, die österreichische Bevölkerung aufgrund Ihrer Ideen, die Sie hier einbringen, zu belasten, indem Sie weiterhin im Sozialbereich kürzen. Oder wollen Sie die Wirtschaft noch mehr belasten, indem Sie die Beiträge erhöhen? Sie lachen! Ist das so zum Lachen? Ich finde das nicht lächerlich. Aber ich habe wahrscheinlich ein anderes Verantwortungsbewußtsein (Abg. Parnigoni: Ja, das kennen wir schon!) , eines, wie Sie es wahrscheinlich nie haben werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Allein im schulischen Bereich ist schon sicher, daß die Kosten für ausländische Kinder zurzeit schon 4,2 Milliarden Schilling betragen, und zwar nur allein im Pflichtschulbereich. Was sagen Sie dazu? Wissen Sie das? (Zwischenrufe des Abg. Parnigoni und der Abg. Hagenhofer .) Wissen Sie es? Ich habe Sie jetzt etwas gefragt. (Abg. Parnigoni: Bitte, wir sind doch nicht in der Schule!) Wir sind auch nicht in der Fragestunde, aber wenn Sie bei meinen Worten schon herunterschreien, dann müssen Sie sich auf die Worte beziehen, die ich verwende und nicht auf irgend etwas, was in Ihrem Kopf herumgeht. (Abg. Parnigoni: Sind Sie verheiratet? – Heiterkeit des Abg. Koppler. – Abg. Parnigoni: Na das muß ein Leben sein!)

Allein im Pflichtschulbereich betragen die Kosten für ausländische Kinder schon 4,2 Milliarden Schilling jährlich! (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath .) Ja, glauben Sie, daß sich das jetzt noch ändern wird? Das wird sich eher noch erweitern, Frau Kollegin. Sie wissen das ja ganz genau, nur wollen Sie es leugnen, aus welchen Gründen auch immer. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich bin gespannt, welche Konsequenzen es im schulischen Bereich geben wird, wenn wir feststellen werden, daß wir uns das nicht leisten können, weil eben die budgetäre Situation so angespannt ist. Aber darüber machen wir uns noch keine Sorgen, nicht wahr? Daran denken wir dann morgen oder übermorgen oder wenn es soweit ist. Nicht wahr, Frau Kollegin, das ist ja Ihr Motto? Das ist, wie wir schon in den letzten Jahren gesehen haben, auch das Motto der Regierung. (Abg. Silhavy: Die Qualität der freiheitlichen Reden wird immer "besser"!)

Ich glaube, Herr Minister, Sie sollten sich über die Situation der österreichischen Familien Gedanken machen und darüber, wie man die Misere beseitigen kann, in der sie sich befinden, über Frauen, die sich nach der Karenzzeit wieder in den Beruf eingliedern wollen, die aber keinen Halbtagsjob bekommen und die keine Möglichkeit haben, ihre Kinder in einen Kindergarten oder zu einer Tagesmutter zu geben. (Abg. Schaffenrath: In einen Ausländerkindergarten?!) Über diese Frauen und über diese Familien sollten Sie sich Gedanken machen.


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Sie sollten sich aber auch Gedanken machen über die 42 000 österreichischen Jugendlichen, die zurzeit arbeitslos sind, Gedanken darüber, wie man sie in den Arbeitsprozeß eingliedern kann, und nicht um jene Quote, von der Sie sagen, dies seien Jugendliche, die schon in der zweiten Generation da sind, die hier geboren sind, die hier in die Schule gegangen und hier aufgewachsen sind. Das ist übrigens eine ganz falsche Definition, denn es ist nicht die zweite Generation, die hier geboren, aufgewachsen und in die Schule gegangen ist, sondern das ist einfach die erste Generation dieser Ausländer, die hier geboren, in die Schule gegangen und aufgewachsen ist. Um die brauchen Sie sich, glaube ich, so lange keine Sorgen zu machen, solange es 42 000 österreichische Jugendliche gibt, die überhaupt noch nie einen Tag in die Arbeit gegangen sind! Um die sollten Sie sich Sorgen machen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Und was machen Sie mit den anderen?) Die kann man dann integrieren, wenn es für unsere Jugendlichen Arbeit gibt, denn dann, glaube ich, wird auch die Akzeptanz in der Bevölkerung etwas besser sein, was die ausländischen Mitbürger betrifft.

Ich glaube, daß es die österreichische Regierung mit ihrer ungebremsten Einwanderungspolitik, mit der sie während der letzten 20 Jahre agiert hat, wirklich zu verantworten hat, daß man keinem Österreicher mehr erklären kann, warum immer noch Ausländer zu uns zuziehen, obwohl es erstens schon genug ausländische Arbeitslose gibt und es zweitens immer noch 300 000 oder 250 000 oder 270 000 – an und für sich ist das um jeden zuviel –, jedenfalls Tausende Arbeitssuchende gibt. Das kann man keinem mehr erklären, und daher ist natürlich auch der Zorn dementsprechend groß.

Herr Minister! Ich ersuche Sie und ich appelliere an Sie, diesen Zustand abzustellen. Sorgen Sie dafür, daß unsere österreichischen arbeitslosen Menschen wieder Arbeit haben, dann können Sie mit uns über eine neuerliche Einwanderungspolitik und über eine Familienzusammenführung reden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.37

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Blünegger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.37

Abgeordneter Anton Blünegger (Freiheitliche): Hohes Haus! Sehr geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Herr Dr. Ofner hat in seiner Rede wunderbar dokumentiert, warum wir Freiheitlichen von seiten der Regierungsparteien immer Schwierigkeiten bekommen: weil sie einfach unsere Worte umdrehen, weil sie unsere Worte nicht ernsthaft auffassen und auch nicht zu verwirklichen versuchen.

Meine erste Aufforderung an den Herrn Bundesminister ist, daß er die Argumente von uns Freiheitlichen in der heutigen dringlichen Anfrage wirklich ernst nimmt, denn diese sind nicht aus der Luft gegriffen, sondern dokumentiert und sollten unter anderem in der Gesetzgebung verwirklicht werden.

Sie wissen ganz genau, Herr Bundesminister, daß das Arbeitsmarktservice bei den Zumutbarkeitsbestimmungen sicher schon wieder reformbedürftig ist. Sie wissen genau, daß wir dies in diesem Hohen Haus bereinigen müssen, denn ein weiterer Zuzug ausländischer Arbeitnehmer führt zur Gefährdung der Arbeitsplätze, der Arbeitnehmer, der noch in Arbeit stehenden Menschen hier in Österreich. Das müssen Sie von unserer Seite aus so zur Kenntnis nehmen und auch so betrachten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eine Arbeitslosigkeit für Zuwanderer ist vorprogrammiert. Welche Folgen werden sich daraus ergeben? Das Lohndumping wurde bereits erwähnt. Der Verdrängungsprozeß der heimischen Arbeitnehmer und der integrierten Ausländer wird nachfolgen, und die Schwarzarbeit wird weiterhin blühen. Es ist eine Steigerung der Kriminalität zu erwarten, und die illegale Ausländerbeschäftigung nimmt zu.

Man verwendet zwar immer wieder Argumente, die man auch in den Zeitungen liest – wie auch in der heutigen Ausgabe des "Kurier" –, daß die illegale Ausländerbeschäftigung in verschiedenen Bundesländern keine Steigerung mehr erfährt. Es gibt aber trotzdem noch zwei Bundes


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länder mit einer weiteren Steigerung, und zwar sind das Kärnten und Tirol. Das ist nach meinem Dafürhalten wirklich eine Gefahr.

Herr Bundesminister! Sie haben heute die einzelnen Fragen der dringlichen Anfrage von uns Freiheitlichen ein bißchen – na sagen wir – locker beantwortet, und diese Antworten waren nach meinem Dafürhalten sehr mager. Ich will jetzt nicht auf die verschiedenen Punkte der Anfrage eingehen, aber ich kann Ihnen nur sagen, daß ich in dem einen oder anderen Punkt von Ihnen erwartet hätte, daß Sie kräftigere Aussagen treffen zum Wohle der Arbeitnehmer, der Menschen in Österreich und zum Wohle unseres Wirtschaftsstandortes. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir wissen ganz genau, daß unsere Arbeitslosentabelle eigentlich eine Weltmeistertabelle in puncto Fälschung ist. Ich habe dies bereits in einer meiner Reden dokumentiert und möchte deshalb nicht noch einmal ausführlich darauf eingehen, aber wir sind mit dieser Arbeitslosigkeitstabelle wirklich Weltmeister im Fälschen. Verschiedene Arbeitslosengruppen sind nicht darin enthalten und kommen daher auch nicht zum Tragen. Wenn dies der Fall wäre, dann verfügten auch wir über den EU-Wert. Das muß in diesem Haus einmal festgestellt sein.

Frau Abgeordnete Reitsamer hat in ihrer Wortmeldung gesagt, daß wir Freiheitlichen diejenigen in diesem Hause sind, die hier eine Beschäftigungspolitik betreiben. Na, Gott sei Dank sind unsere Abgeordneten in diesem Haus, und sie werden auch entsprechend zum Wohle der Österreicher und Österreicherinnen arbeiten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Abgeordnete Stummvoll hat sogar gesagt, daß die Freiheitlichen mit Angstparolen durch die Gegend argumentieren. Und da muß ich Sie wirklich fragen: Welche Angstparolen gibt es hier herinnen? Wenn wir über die Ausländerproblematik sprechen, wissen wir selbstverständlich genau, daß wir es waren – mit "wir" meine ich die Wirtschaft in Österreich –, die diese Ausländer hereingebracht haben. Und wir betrachten sie auch als Menschen, nur muß man sie entsprechend unterstützen, aber nicht noch mehr hereinholen, denn dann haben wir keine Arbeit und auch keine Wohnungen mehr für sie. Das sollte unsere Aufgabe sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Bezeichnung "Integrationspaket" ist für mich, der ich hier als Abgeordneter stehe, und sicherlich auch für den überwiegenden Teil der Österreicher ein Hohn. Was wird in Wahrheit passieren? – Die sozialen Probleme werden zunehmen, Österreich verliert weiter an Identität, es wird zu einem Schmelztiegel Europas. Und das, sehr geschätzter Herr Sozialminister, ist nicht unsere Aufgabe. So wie Sie heute mit den Kriterien des Ausländerbeschäftigungsgesetzes umgegangen sind, war das, als wären Sie – ich möchte das so sagen – mit ganz zarten Füßen durch die Gegend gegangen, statt uns, wie es eigentlich richtig gewesen wäre, standhaft gegenüberzutreten und uns eine entsprechende Antwort zu geben.

Die Überschreitung der Bundeshöchstzahlen hat laut den Angaben, die vorliegen – ich will nicht zu viele Zahlen nennen –, Ende März um 12 000 Personen zugenommen; das läßt sich nicht wegleugnen. Der Anteil der Ausländer an den Beschäftigten betrug 273 985. Da sind aber die EWR-Ausländer, die 40 000 Türken und die Flüchtlinge nicht mitgerechnet. Ich will, wie gesagt, nicht mit noch mehr Fakten aufwarten – das haben heute schon einige andere getan –, aber eines muß klargestellt sein: Nach der Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimatländer sollte Österreich den Standpunkt vertreten, daß die freiwerdenden Arbeitsplätze beziehungsweise die freiwerdenden Wohnungen nicht wieder an neue Ausländer vergeben werden, denen man den Zuzug ermöglicht. Das können wir uns zukünftig nämlich nicht mehr leisten.

Im Zusammenhang mit der Sicherung des Arbeitsmarktes möchte ich noch zwei Punkte anführen, und zwar: Die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte sollte nicht weiter erhöht werden, weitere Zuwanderungen sind nicht zu genehmigen. Das schadet dem Wirtschaftsstandort Österreich. Es geht ja nicht nur um die Arbeitsplätze der Österreicher, die uns Freiheitlichen am Herzen liegen, sondern es geht auch um die Sicherheit der Bevölkerung, meine sehr geschätzten Damen und Herren. Es vergeht ja kein Tag, an dem man nicht in den Medien über Rumänenbanden, die russische Mafia in Österreich und Rauschgifthändler liest. Und woher kommen sie? (Abg. Dr. Lukesch: Das sind keine Gastarbeiter!) Wenn man die Statistik an


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schaut, sieht man, daß diese zum größten Teil aus dem Bereich der Ausländer kommen, die hier in Österreich beschäftigt sind. (Abg. Dr. Lukesch: Sie haben von Rumänenbanden gesprochen, von der russischen Mafia! Das sind keine Gastarbeiter!)

Herr Abgeordneter Lukesch! Reden Sie einmal mit einem Tiroler Gendarmeriebeamten oder mit einem Kriminalbeamten, dann erfahren Sie genau, mit welcher Problematik diese Beamten beschäftigt sind. Sie widmen diesen Banden nämlich ihre Hauptarbeit. Das möchte ich Ihnen nur mitteilen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lukesch: Aber das sind keine Gastarbeiter!)

Aus der heutigen dringlichen Anfrage ergeben sich für mich natürlich Argumente, sodaß ich an den Herrn Innenminister Einem und an den Herrn Klubobmann Khol ein paar Fragen richten muß: Ist die Gefährdung der Arbeitsplätze der Österreicher Ihr politisches Ziel? Warum öffnen Sie die Grenzen noch weiter? Warum fördern Sie die Kriminalität, statt sie zu bekämpfen? Warum schützen Sie nicht die Österreicher und geben statt dessen ihre Sicherheit preis? Und warum machen Sie Österreich zu einem Schmelztiegel Europas? Warum lernen Sie nicht aus den Problemen, durch die in Frankreich die dortige Ausländerpolitik eigentlich erforderlich geworden ist? Warum lernen Sie nicht daraus?

All diese Fragen sind sicherlich in erster Linie an Bundesminister Einem zu richten, aber genauso auch an den Herrn Klubobmann Khol. Anhand des Integrationsvorschlages werden wir dies natürlich auch noch weiter diskutieren.

Wir Freiheitlichen wollen keinen Verrat an den Arbeitnehmern, wir wollen aber auch keinen Verrat an den in Österreich lebenden ausländischen Arbeitnehmern (Beifall bei den Freiheitlichen) , wir wollen keinen Verrat an den Arbeitslosen. Im Interesse der Sicherheit unseres Landes, meine sehr geschätzten Damen und Herren: Wachen Sie auf aus Ihren Träumen, solange es noch Zeit ist! Dienen Sie dem Interesse Österreichs, dienen Sie nur dem Interesse Österreichs, denn dazu sind Sie verpflichtet! Daher: Nehmen Sie, meine sehr geschätzten Damen und Herren, unsere Ausführungen, unsere Anregungen und die dringliche Anfrage sehr ernst. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Trenk. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.47

Abgeordneter Josef Trenk (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Versprochen hat die Bundesregierung sehr viel, allein mir fehlt der Glaube. Genau das Gegenteil ist der Fall.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte heute, weil die Debatte ohnehin schon über vier Stunden geht, nicht über Zahlen oder Prozente sprechen, sondern ich möchte einmal von der Realität sprechen, denn ich glaube, daß die Bundesregierung die Realität schon vergessen hat. Ich denke dabei an die Aussagen der Kollegen der anderen Fraktionen, von denen die Freiheitlichen Partei immer als ausländerfeindlich hingestellt wird. Ich werde Ihnen das Gegenteil beweisen, denn ich habe hier Unterlagen mit, die von der Menschlichkeit sprechen und davon, wo die Ausländerfeindlichkeit wirklich geschürt wird.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Stellen Sie sich zum Beispiel irgendeine Fabrik vor, in der Arbeitsplätze abgebaut werden. Der Österreicher wird abgebaut, der ausländische Arbeitnehmer darf weiterarbeiten. Der Österreicher nimmt seine Tasche, geht heim, geht an der Werkstatt vorbei und sieht – er hat eine Familie, zwei, drei Kinder, ein Haus –: Der ausländische Arbeiter darf in dieser Werkstatt weiterarbeiten, der Einheimische geht nach Hause.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Politik unterstützen wir Freiheitlichen sicherlich nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich glaube, daß bei diesen Zuständen genau das geschürt wird, was die Koalition und die anderen Fraktionen der Freiheitlichen Partei immer vorwerfen.


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Wir Freiheitlichen sind sicherlich für Kriegsflüchtlinge. Wir haben auch gesagt, wir sollten trachten, die Illegalen aus Österreich hinauszubekommen, damit wir für Kriegsflüchtlinge mehr Platz bekommen. Zu dieser Aussage stehen wir Freiheitlichen, und ich glaube, daß das sicherlich nicht zum Schaden der österreichischen Bevölkerung ist.

Ich möchte aber noch ein paar Dinge aufzeigen, meine sehr geehrten Damen und Herren, die sehr interessant sind in bezug auf die Arbeitsplatzsicherung. Wo bringen wir die Leute unter? Wir holen sie alle herein, wir holen noch 24 000 Ausländer im Jahr nach Österreich herein, aber keiner in der Bundesregierung weiß, wo wir sie unterbringen, wo ihr Arbeitsplatz ist, wie wir sie auch mit Wohnungen versorgen können. Ich glaube, wenn man Ausländer hereinholt, wäre es die erste Voraussetzung, daß man ihnen Wohnungen gibt. – Zu dieser Aussage jetzt steht die Freiheitliche Partei hundertprozentig.

Nehmen Sie die Klubbrille herunter, damit Sie einmal die Realität sehen! Ich möchte Ihnen nämlich etwas zeigen, was wirklich sehenswert ist. Ich denke, daß wir Freiheitlichen befugt sind, das aufzuzeigen, damit der Bundesregierung wirklich einmal ein Licht aufgeht, nicht erst zu Weihnachten am Christbaum. Ich hoffe, daß das Licht schon früher zu brennen beginnt.

Daß immer mehr Ausländer in Österreich sind, ist eine schwere Belastung auch für die Krankenkassen; diese Tatsache bedingt 400 Millionen Schilling an Mehrausgaben. (Abg. Parnigoni: Wer sagt das?) Das sagen wir, und das ist auch nachzurechnen! Hören Sie mir zu, Herr Kollege! Sie sind wahrscheinlich sehr wenig draußen an der Basis, denn sonst würden Sie diese Zahl auch kennen und würden wissen, was die Bevölkerung bewegt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte hier einen Fall aufzeigen, der wirklich interessant ist, der illustriert, wie das Sozialnetz in Österreich ausgenützt wird. Ein ausländischer Versicherter bringt eine Frau, die angeblich seine Frau ist, ins Spital legt, um dort eine Gallenoperation oder Nierenoperation durchführen zu lassen. Das Spital nimmt diese Person auf, und sie wird operiert. – Eine Krankenschwester hat mich angerufen, hat mir das erzählt und gesagt, daß ich das wirklich einmal publik machen soll; das kann ich aber noch nicht, denn ich kann den Namen dieser Person aus bestimmten Gründen nicht nennen. – Diese Krankenschwester kommt am Abend ins Krankenzimmer und findet im Bett auf einmal eine ganz andere Person vor, als dieser Ausländer angegeben hat. Das heißt: Die 17. Cousine oder die 19. Tante hat sich in Österreich kostenlos – auf Kosten der Steuerzahler! – operieren lassen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Solche Mißstände können und werden wir sicherlich nicht dulden! Wir werden dieser Sache nachgehen, und wir werden auch für solche Fälle noch dementsprechende Unterlagen bekommen. Auch wenn die Sozialdemokraten und die ÖVP solche Dinge unterstützen, wir werden diese sicherlich nicht unterstützen!

Dann ist noch die Frage: Wo bringen wir die Ausländer unter? Unsere Region, das Industrieviertel unter dem Semmering, Bezirk Neunkirchen, ist ohnehin eine Krisenregion. Das weiß jeder. – Ich gehe zu den Bürgermeistern und frage sie: Wo bringen wir die alle unter? Wie geben wir ihnen Wohnungen? Und was geschieht? – Bürgermeister von allen Fraktionen kommen zu mir und sagen mir klipp und klar: Wir wissen das selber nicht mehr!

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ und von der ÖVP! Habt ihr keinen Kontakt zu euren Bürgermeistern, die dafür zuständig sind und diese Ausländer aufnehmen müssen?

Und jetzt kommt noch etwas dazu: Es werden bei uns in der Region zum Beispiel speziell von Türken Häuser um irgendeinen Preis gekauft. Sie gründen da eine GesmbH. Für Ausländer ist in Österreich nichts leichter, als eine GesmbH oder ein Gewerbe zu gründen. Das gleiche dauert für Österreicher vier bis sechs Monate. Den eigenen Leute macht man Schwierigkeiten, aber ein Türke kauft ein Haus, in dem Kurden wohnen, ohne Problem. Das muß man sich wirklich einmal anhören! Er kauft ein Haus, in dem Kurden wohnen. Dieser Türke hat dann die Kurden aus dem Haus hinausgeworfen und die Parteien spitalsreif geschlagen.


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Die Leute wissen nicht, wohin sie sich wenden sollen. Sie kommen dann auf den Wohnungsmarkt. Ich bin Stadtrat und habe in meinem Gebiet ungefähr 476 ausländische Wohnungssuchende. Wenn ich aber die Bürgermeister frage, wo man diese Menschen unterbringen soll, dann stellt man fest: Das weiß keiner. Aber die große Koalition bringt uns noch 24 000 herein nach Österreich, obwohl wir gar nicht wissen, wo wir sie unterbringen sollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich meine, daß die Bundesregierung nicht nur den 290. Fehler, sondern auch den 317. Fehler macht. Die österreichische Bevölkerung wird das aber sicherlich nicht dulden, und bei den nächsten Wahlen wird es sicherlich eine entsprechende Quittung geben.

Wir Freiheitlichen stehen zu unserem Land. Ich glaube aber, daß sich die anderen Fraktionen hier im Hohen Haus schon längst von Österreich verabschiedet haben. Die Freiheitliche Partei liefert jedoch immer wieder den Beweis dafür, daß Österreich für sie immer noch viel zählt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ausländerfeindlichkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird von uns nicht geschürt. (Ironische Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.) Sie wird von uns nicht geschürt! Ausländerfeindlichkeit erzeugen allerdings Sie mit Ihren Sozialeinrichtungen. Diese Sozialeinrichtungen sind nämlich nicht mehr für uns Österreicher da, diese Sozialeinrichtungen werden vielmehr von den Ausländern bis aufs letzte ausgenützt. Die kommen hierher und wissen genau anhand eines entsprechenden Briefs, wo man in Österreich etwas geschenkt bekommt und wo nicht.

Ich bin nur gespannt, wie lange das im Hinblick auf das Sparpaket weitergeht. Die meisten, die zu uns kommen, wissen genau, was sie zu tun haben. Die Österreicher selbst haben hingegen sehr viele Probleme, wenn sie zum Beispiel auf ein Amt gehen, denn sie müssen dort 17 000 Papierln ausfüllen. Gewisse Ausländer bekommen hingegen das, was sie wollen, binnen Minuten. (Zwischenruf des Abg. Koppler .)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie können lachen, soviel Sie wollen! Sie werden wahrscheinlich zu wenig an der Basis draußen sein. Sie nehmen die Beschwerden der Bevölkerung nicht ernst. Es ist genau so, wie mein Vorredner, Kollege Harald Ofner, gesagt hat: Da draußen redet ihr anders als hier im Parlament. – Diese Zweischnäutzigkeit spottet jeder Beschreibung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Schluß möchte ich noch folgendes sagen: Sie von der großen Koalition reden immer über Menschlichkeit und sagen: Wir sind Menschen und müssen für die Menschen da sein. – Ich bin auch ein Mensch, und ich stehe dazu: Jeder Mensch auf der Welt hat das Recht, ein Dach über dem Kopf zu haben.

Ich glaube aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß die Bundesregierung einiges vergessen hat. Im Jahr 1976, in der Kreisky-Ära, zur Zeit der Hochkonjunktur in Österreich, als wir die Ausländer zum Arbeiten gebraucht haben, da sind sie hereingekommen, und zwei bis drei haben in 20- bis 25m2-Wohnungen gelebt. (Zwischenruf des Abg. Mag. Posch. ) Lassen Sie mich ausreden, Herr Kollege! In solchen Wohnungen haben damals zwei bis drei Personen gewohnt. Heute wohnen in diesen Wohnungen respektive "Vogelhäusln", denn als Wohnung kann man das ja nicht mehr bezeichnen –, horchen Sie mir zu! –, 15 Ausländer. Aber das ist euch Wurscht, das weiß ich eh. Diese Wohnungen sind waschelnaß und voll Schimmel. Aber ihr schaut euch das gar nicht an! Die Kinder die in solchen Wohnungen hausen müssen, erkranken schwer. Ich habe Atteste, die ich Ihnen zeigen kann, wenn Sie wollen. Aber das interessiert Sie ja nicht! Denn Ihre Menschlichkeit besteht nur darin, daß Sie sagen: Wir holen sie herein. Wenn sie dann aber hier sind, dann kümmern Sie sich nicht mehr um diese Personen! (Zwischenruf des Abg. Edler .) Ich kümmere mich sicher um sie. Ich glaube, daß ich der einzige Stadtrat in Österreich bin, der eine Veranstaltung für ausländische Wohnungssuchende gemacht hat, zu der ich überhaupt keine Österreicher eingeladen habe. Ich habe mit 270 Ausländer in einem großen Saal über Wohnungsvergabe und die Realität diskutiert, damit diese Leute auch unterkommen. ( Abg. Koppler: Bravo!)


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Was zuviel ist, ist zuviel! Das habe ich diesen Leuten klipp und klar gesagt – so etwas hat man von der SPÖ noch nie gehört! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Liebe Freunde! Da hat sogar der SPÖ-Bürgermeister Augen gemacht. Er hat geglaubt, daß vielleicht zwei Russen zu dieser Veranstaltung kommen und die Sache dann erledigt sein wird. – Es sind aber 279 Leute gekommen, und die haben Beifall geklatscht und haben gesagt: Die Freiheitlichen kümmern sich um uns. Die anderen von der Bundesregierung wollen hingegen nur, daß wir zum Arbeiten hierher kommen. Wo wir wohnen und existieren sollen, das kümmert sie jedoch wenig. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.59

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist die Frau Abgeordnete Haller. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Dr. Khol: Pradler Ritterspiele, zweiter Akt!)

20.59

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Nach den erfrischenden Ausführungen meines Kollegen Pepi Trenk neigt sich jetzt diese dringliche Anfrage an Sie, Herr Bundesminister, langsam, aber sicher ihrem Ende zu.

Sie haben in der Einleitung zu Ihrer Beantwortung folgendes gesagt: Es geht nicht darum, mehr Ausländer hereinzuholen. – Einverstanden! Sie wollen bestehende Arbeitsplätze sichern. Das wollen wir auch! Sie haben gesagt, daß sie restriktive Zuzugspolitik betreiben werden. – Einverstanden! Ihr Quasiregierungspartner, Kollege Feurstein, hat gesagt: Wir brauchen aktive Arbeitsmarktpolitik in Österreich. – Auch damit bin ich einverstanden.

Nicht einverstanden bin ich aber mit Äußerungen, die von Rednern von ÖVP und SPÖ mehrmals gekommen sind, die uns Freiheitlichen vorwerfen, daß wir nur Angst machen würden. – Das ist schon ein sehr abgedroschenes "Argument". Es sind nicht wir, die das sagen. Es weist zum Beispiel das Marketinstitut nach, daß die Österreicher nackte Angst um ihre Arbeitsplätze haben. Wortwörtlich! – 82 Prozent finden es schwierig, einen Arbeitsplatz zu finden. 69 Prozent befürchten für 1997 ein weiteres Ansteigen der Arbeitslosenrate, obwohl wir ohnedies bereits derzeit einen Höchststand haben. 71 Prozent sehen die Sicherung der bestehenden und auch die vorrangige Schaffung von neuen Arbeitsplätzen als eine der wichtigsten Regierungsaufgaben. – Ich glaube, Ihre Zusicherungen, Herr Bundesminister, und die Ihres Regierungspartners sind geradezu eine Hommage an die bereits bestehende Angst der Österreicher.

Auch die Dauer der Arbeitslosigkeit hat sich seit 1980 fast verdreifacht, bei den Männern auf 16,8 Wochen, bei den Frauen auf fast 20 Wochen. – Ich meine, es ist wirklich höchste Zeit, daß wir einmal beginnen, über die Zumutbarkeitsbestimmungen zu diskutieren. Die Arbeitslosenzahlen werden ja nicht nur von der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung beeinflußt: Sie hängen auch davon ab, ob die Rahmenbedingungen stimmen. Auch das ist zu hinterfragen. Es ist auch zu hinterfragen, ob die Steuerungseffekte in Österreich wirklich die richtigen sind.

Ich muß Herrn Kollegen Haselsteiner und Frau Dunst wirklich widersprechen, wenn sie sagen: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Arbeitsmarktpolitik und Ausländerpolitik. – Da frage ich Sie: Warum haben wir denn vor vielen Jahren begonnen, Ausländer ins Land zu holen? Doch sicherlich deshalb, weil wir sie auf dem Arbeitsmarkt gebraucht haben! Der direkte Zusammenhang ist da wohl ganz klar ersichtlich! (Beifall bei den Freiheitlichen. )

Herr Bundesminister! Ich möchte Ihnen sehr gerne glauben, daß Sie hinsichtlich der Steuerungseffekte in Zukunft alles besser machen wollen. Aber ich erinnere Sie in diesem Zusammenhang an den Jänner dieses Jahres: Da haben wir Freiheitliche eine Sondersitzung zur Beschäftigungspolitik verlangt. Damals haben Sie uns versprochen, daß Sie versuchen werden, die Lohnnebenkosten zu senken. Jetzt hört man von Ihnen allerdings nur mehr von einer "moderaten Erhöhung" der Krankenversicherungsbeiträge, um das Defizit der Krankenkassen in den Griff zu bekommen.

Überdies hat man uns von Regierungsseite versprochen, daß zur Konjunkturbelebung eine Gründungswelle kommen soll. Wo ist diese Gründungswelle? Wo sind die versprochenen An


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reize für Arbeitslose, sich selbständig zu machen? – Auch das wurde am 30. Jänner dieses Jahres versprochen.

In Österreich – darauf kann man nicht oft genug hinweisen – beträgt die Zahl der Selbständigen 6,3 Prozent, das ist die niedrigste in ganz Europa. Das hat doch Hintergründe! Da muß man sich fragen: Waren die Steuerungseffekte der österreichischen Politik in den letzten Jahren wirklich die richtigen? In den letzten Jahren ist die Zahl der Selbständigen europaweit angestiegen; in Österreich ist sie hingegen gesunken. Daher kann diese Tatsache doch nichts mit der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung zu tun haben.

Zur Frage, wie der Maßnahmenplan aussieht, wie Sie die derzeit fast 300 000 Arbeitslosen wieder in den Beschäftigungsprozeß integrieren wollen, habe ich heute nichts von Ihnen gehört. Wie wollen Sie ferner die bestehenden Arbeitsplätze sichern? – Auch davon haben wir nichts gehört.

Es muß der Opposition doch erlaubt sein, festzustellen und anzuregen, daß es einmal höchste Zeit ist, auch die Rahmenbedingungen hinsichtlich Ausländerbeschäftigungspolitik zu überprüfen. Es gibt in letzter Zeit zusehends mehr Ausländer, die keine Arbeitsgenehmigung brauchen, nämlich die EU-Bürger. Und es beeinflussen auch diese EU-Bürger den Arbeitsmarkt und indirekt natürlich auch die Arbeitslosenquote. Das haben Sie, Herr Bundesminister, heute bestätigt: Von 23 986 beschäftigten Arbeitnehmern ohne Arbeitsbewilligung sind 3 597 arbeitslos. Das haben Sie uns mitgeteilt. Das sind 15 Prozent bitte! Diese Zahl liegt eindeutig über dem österreichischen Durchschnitt, weit darüber!

Daß auch die bosnischen Flüchtlinge den Arbeitsmarkt beeinflussen, ist ebenfalls ganz klar. Wenn wir anregen, alles zu versuchen, um den bosnischen Flüchtlinge die Rückkehr zu erleichtern, diese vielleicht auch zu beschleunigen – es werden nicht mehr viele sein, die zurückkehren wollen, das zeichnet sich immer deutlicher ab –, dann müssen wir uns von Rednern der Regierungsparteien dafür beschimpfen lassen, daß wir diesen Menschen helfen wollen, wieder in ihr Heimatland zurückzukehren.

Folgendes müssen wir auch noch genau überprüfen, Herr Bundesminister: Wie werden wir in Zukunft mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Mai wirklich umgehen, welches türkischen Arbeitnehmern ermöglicht nach vier Jahren, ohne Arbeitsgenehmigung in Österreich zu bleiben? Sie haben da eine "tolle" Formulierung gefunden: Dieses Erkenntnis "ist nicht echt einschlägig". – Was soll denn das heißen?

Es würde mich auch interessieren, wie das in diesem Zusammenhang, wenn man sie wirklich als EU Bürger behandeln muß, mit der Auszahlung der Familienbeihilfe funktionieren wird, die man durch das Sparpaket reduzieren wollte. Im vergangenen Jahr wurde nach Auskunft des Familienministers für 24 965 türkische Kinder verminderte Familienbeihilfe ausbezahlt. Wird für diese in Zukunft aufgrund dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes Anspruch auf die volle Familienbeihilfe bestehen? – Das zu wissen wäre natürlich sehr interessant!

Trotz all dieser Unsicherheiten steht aber fest: Sie wollen gemeinsam mit Ihrem Regierungspartner die Quote des Zuzugs erhöhen. Auch wenn Sie heute immer wieder mit anderen Ziffern jongliert haben, rechnen Sie Studenten, Pensionisten und Lehrlinge dennoch nicht in die Quote ein – und dadurch wird sie sich erhöhen. In vier Jahren werden es zirka 100 000 Personen zusätzlich sein, die Sie nach Österreich holen wollen, obwohl derzeit bereits über 1 Million Ausländer legal oder illegal in Österreich sind, von denen aber nur ein Viertel eine Beschäftigung hat und alle anderen auf die Sozialquote angerechnet werden müssen. – Die Arbeitslosenrate ist bei den Ausländern höher, da brauchen Sie nichts zu beschönigen, das ist einfach so, und diese Zahl steigt ständig.

Es ist wirklich höchste Zeit, meine Damen und Herren, daß eine echte Sozialbilanz über importierte Arbeitskräfte gezogen wird. Aus offiziellen Kanälen verlautet immer, daß diese Bilanz unter dem Strich für Österreich nur positiv ist. Auch Kollege Öllinger hat das heute wieder gesagt, aber: Sie nehmen ganz bewußt immer nur bestimmte Fakten heraus. Sie zitieren zum Beispiel eine Aussendung des Arbeitsmarktservice, in der es heißt: "Das Arbeitsmarktservice


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bestätigt, daß die Ausländer mit 418 Millionen im Jahr 1994 den Sozialversicherungstopf finanziert haben."

Man hat in diesen Betrag Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Kranken- und Pensionsversicherungsbeiträge eingerechnet. Aber man hat die Infrastruktur überhaupt nicht mitgerechnet. Man hat nicht mitgerechnet, daß, wenn Kinder da sind oder noch mehr Kinder nachgeholt werden sollen, mehr Kindergartenplätze notwendig sind. Die Pflichtschulbildung für die ausländischen Kinder kostet derzeit bereits 4,2 Milliarden Schilling. Da soll einerseits gespart werden, aber es sollen noch zusätzliche Kinder hereinkommen! Auch die Bilanz hinsichtlich Arbeitslosenversicherung bei Ausländern ist negativ; die Bilanz hinsichtlich Familienbeihilfe ist negativ. (Abg. Öllinger: Das stimmt doch nicht! Das ist unwahr!) Sie arbeiten ja immer mit getürkten Zahlen, Herr Kollege Öllinger. (Beifall bei den Freiheitlichen. )

Dazu kommen noch die Probleme auf dem Wohnungsmarkt. Darüber reden Sie ja nicht gerne! Wenn jetzt der Familiennachzug forciert werden soll, dann hat das natürlich auch auf die Mitversicherung bei der Krankenkassa gewaltigen Einfluß.

Der Herr Bundesminister hat gesagt: Die Ausländer zahlen auch Beiträge, daher sollen sie auch Ansprüche haben. – Eines müssen wir da, wie ich meine, aber schon bedenken: Bei Ausländern profitieren einfach mehr mitversicherte Personen von den Beiträgen als bei den Österreichern, leider, das sage ich dazu.

Da Herr Kollege Maitz heute schon zwei- oder dreimal behauptet hat, daß wir Freiheitlichen Menschenhatz betrieben, sage ich ihm: Ich betrachte es menschenverachtend, wenn man den Österreichern in der heutigen Situation wieder Lügen und Beschwichtigungen auftischt, wenn man ihnen nicht die Wahrheit sagt, wenn man immer wieder nur Versprechungen macht, während die Situation wirklich von Tag zu Tag schlechter wird. Das empfinde ich als menschenverachtend! (Beifall bei den Freiheitlichen. )

Ich möchte hier mit einem Beispiel aufwarten, das wirklich aus der Praxis stammt, und zwar aus dem Bereich der Krankenkassen, wo es bei der Finanzierung derzeit große Probleme gibt. Ein Arzt in meinem Heimatland Tirol hat mir folgendes erzählt:

Er hatte Sonntagsdienst und wurde von einem Ausländer angerufen, daß er doch zu seinem Kind kommen möge, es habe 40 Grad Fieber. Der Arzt hat gesagt: Bitte kommen Sie in die Ordination, ich mache am Sonntag, wenn ich Dienst habe, keine Hausbesuche. Darauf der Ausländer: Ich kann nicht kommen, ich habe kein Auto. Darauf hat der Arzt hat gesagt, daß er versuchen wird zu kommen. Er ist in die betreffende Wohnung gekommen, die aus zwei Räumen bestand. In diesen Räumen haben sich 17 Personen aufgehalten, und von den 17 Personen waren zwei Personen versichert; es waren zwei Männer. Einer war berufstätig, der andere war arbeitslos. 17 Personen haben in diesen Räumen gewohnt, und daß sie nicht legal dort gewohnt haben, ist wohl allen klar.

Der Arzt stellte fest, daß wohl auch das genannte Kind krank war. Aber nicht das Kind hatte 40 Grad Fieber, sondern eine alte Frau, vermutlich die Großmutter. Sie hatte 40 Grad Fieber, wirklich so hohes Fieber, daß man Angst haben mußte, daß es sich um etwas Schlimmeres handelt. (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. )

Was macht dann ein Arzt, Frau Kollegin Schaffenrath, in einer solchen Situation? Er muß helfen. Die Frau war zwar nicht versichert, aber natürlich hat er geholfen. (Abg. Dr. Cap: Das muß er!) Das muß er. Aber davon spricht man nicht, wenn man von der Unfinanzierbarkeit der österreichischen Krankenkassen spricht. Das sind aber Dinge, die unser System total belasten.

Vor allem: Die Tendenz geht in die Richtung, daß man durch dieses neue Integrationspaket glaubt, die Überalterung der Bevölkerung in den Griff zu bekommen. Daß das nicht funktionieren wird, besagt nicht nur eine Studie der EU. Nach dieser Studie müßte man in der nächsten Zeit insgesamt 7 Millionen Menschen im arbeitsfähigen Alter in EU-Länder bringen. – Auch ein österreichischer Fachmann, nämlich Dr. Rainer Münz, stellte fest, daß auch durch eine massive Zuwanderung das Überalterungsproblem nicht in den Griff zu bekommen ist, sondern daß es


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dadurch sogar noch verschärft werden würde. Das Problem kann so nur kurzfristig hinausgeschoben werden.

Dr. Münz sagt noch etwas, und das sage ich jetzt wieder in Ihre Richtung, Herr Bundesminister Hums: Das Sozialversicherungssystem in Österreich krankt nicht daran, daß es zu wenig Menschen gibt, sondern daran, daß es zu viele Arbeitslose und frühzeitig pensionierte Arbeitnehmer gibt. – Schauen Sie sich doch die Titelzeile der morgigen Ausgabe der "Kronen-Zeitung" an: Die Frühpensionen werden wieder ansteigen. Dazu kann ich sagen: Die Aussage des Herrn Dr. Münz muß berechtigt sein! (Abg. Öllinger: Ist die "Kronen-Zeitung" der Maßstab für Ihre Ausländerpolitik?) Das ist nicht Ausländerpolitik, aber das ist alles ein Paket, und deswegen ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Frau Abgeordnete! Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordnete Edith Haller: (fortsetzend): Ich bin schon dabei, Herr Präsident! – Deswegen verhandeln wir das heute gemeinsam, Herr Kollege Öllinger, was Sie nicht haben wollen. Sie wollen hier einen Bereich separat behandeln und dort einen Bereich separat behandeln. Ich glaube, wir müssen endlich dazu übergehen, die Probleme der österreichischen Sozialpolitik global zu sehen. Und dazu gehören sowohl die Beschäftigtenpolitik als auch die Arbeitslosenpolitik.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Frau Abgeordnete! Bitte den Schlußsatz zu beenden!

Abgeordnete Edith Haller (fortsetzend): Und Sie wären gut beraten, wenn Sie den Vorschlägen der Freiheitlichen folgten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.15

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Danke schön.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.15

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Als vorläufig letzter Redner dazu komme ich zum Resümee des heutigen Tages. – Ich bin vorläufig der letzte Redner, aber das ist noch nicht sicher, vielleicht meldet sich noch jemand. (Zwischenrufe bei der SPÖ sowie des Abg. Wabl. ) Kollege Wabl vielleicht?

Herr Bundesminister Hums! Ich komme zu dem Resümee, daß Sie heute wirklich einen sehr schweren Tag hatten: Nach den gescheiterten Verhandlungen mit den Sozialpartnern betreffend die Sanierung der kranken Krankenkassen müssen Sie heute zur Kenntnis nehmen, daß in dieser so wichtigen dringlichen Anfrage klar wurde, daß die Ausländerproblematik wirklich ganz eng im Zusammenhang mit dem Arbeitslosenproblem steht und daß diese beiden Themen nicht voneinander zu lösen sind. – Wenn Sie heute nach Hause kommen, können Sie ein Lied bestimmt nicht singen: "So ein Tag, so wunderschön wie heute!" (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Finanzmisere der Krankenkassen. – Herr Bundesminister! Sie lächeln noch, aber ich glaube, das ist kein wirklich herzhaftes Lachen. Das sehe ich Ihnen ganz deutlich an! Es wäre auch völlig unnatürlich, wenn Sie bei den herrschenden Zuständen auch nur lächeln können.

Die Finanzmisere der Krankenkassen – das ist auch der Grund, warum ich mich heute noch zu Wort melde – wird nicht durch das LKF oder durch Strukturreformen gebessert. Die Reformen können nämlich gar nicht durchgeführt werden, weil beispielsweise das Gruppenpraxengesetz weiterhin vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger und vielleicht auch von Ihnen blockiert wird. Es können keine Strukturänderungen eintreten, weil Sie nicht dafür sorgen, daß sich die Sozialversicherungsanstalten selbst reformieren. Denn Sie haben nur eine oder eigentlich zwei Lösungen zur Verfügung: Entweder die Leistungen zu kürzen oder die Beiträge zu erhöhen. Da lehnen Sie sich als Oberverantwortlicher der Sozialversicherungen bequem im Lehnstuhl zurück und sagen: Wenn wir nicht mehr zahlen können, dann erhöhen wir eben die


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Beiträge oder kürzen die Leistungen. – So einfach ist das bei dem verstaatlichten System maroder Sozialversicherungsanstalten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wie wir heute schon gehört haben, wird durch den Familiennachzug eine zusätzliche Belastung auf die Sozialversicherungen in Höhe von 400 Millionen Schilling zukommen. (Abg. Eder: Lauter neue Patienten!) Damit ist der Konnex zur heutigen Ausländerdiskussion schon hergestellt: Diese 400 Millionen Schilling werden unsere Krankenkassen zusätzlich belasten. Denn wir haben eine ständig sinkende Zahl an Beitragszahlenden, und wir haben eine laufend steigende Zahl an Mitversicherten. Mittlerweile sind schon 34,1 Prozent der Sozialversicherten Mitversicherte, mehr als ein Drittel sind also Mitversicherte und keine Beitragszahler mehr!

Wenn wir jetzt im Rahmen des Familiennachzugs durch die geplanten Ausländergesetze mit etwa 100 000 weiteren Personen rechnen müssen, dann treten weitere 100 000 mitversicherte Nichtbeitragszahler in das bereits marode Budget der Krankenkassen ein, belasten dieses zusätzlich, und unsere Patienten, die ihr Leben lang Beiträge zahlen, müssen Streichungen hinnehmen und erhöhte Rezeptgebühren in Kauf nehmen. Beitragserhöhungen sind schon geplant, es wird Leistungskürzungen und ein Nachlassen der Qualität geben. – Das geht doch wirklich auf keine Kuhhaut!

Herr Bundesminister! Sorgen Sie lieber dafür, daß jene, die ihre Beiträge leisten, auch zu einer hochqualitativen gesundheitlichen Versorgung in Österreich kommen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt überhaupt keine Einigkeit darüber, wer denn eigentlich ein Angehöriger ist. In den Broschüren, die wir von der Sozialversicherung bekommen, gibt es einen Bericht über das Jahr 1996. Darin steht: Angehörige sind Kinder, Ehegatten "u.a.m." – das heißt: und andere mehr. Aber wer fällt noch darunter? – Onkeln, Tanten, Mütter, Väter? All jene, die keine Sozialversicherung nachweisen können, fallen drunter, wenn sie nur unter den Begriff "Angehörige" fallen. Daher haben wir immer mehr Angehörige, immer mehr Nichtbeitragszahlende. Diese Tatsache wird durch die Ausländerproblematik ganz stark verschärft.

Da gibt es beispielsweise eine Diskrepanz von Zahlen: Wir haben in Österreich plus 0,8 Prozent Versicherte – die Mitversicherten eingerechnet –, aber nur 0,5 Prozent an Bevölkerungszuwachs. Es fehlen also offensichtlich 0,3 Prozent. Ich habe überall nachgefragt beim Hauptverband, bei den Sozialversicherungen, bei der Ärztekammer: Niemand konnte mir sagen, wer diese fehlenden 0,3 Prozent Versicherten sind. Denn man bestätigte, daß der Versichertensatz mit 99 Prozent gleich geblieben ist. Vorher waren es 99 Prozent, jetzt sind es noch immer 99 Prozent. Bei den fehlenden 0,3 Prozent geht es um etwa 25 000 Unbekannte! 25 000 Menschen in Österreich sind mitversichert, und niemand kann sagen, um welche Leute es sich dabei handelt. Welche Angehörigen sind das, die keine Beiträge zahlen, aber die Sozialleistung in Anspruch nehmen? (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Vielleicht können Sie uns darüber Auskunft geben, Herr Bundesminister! Ich glaube jedoch, daß Sie einerseits dazu nicht in der Lage sind, und andererseits sind Sie heute auch schon etwas zu müde dazu.

Immer wieder höre ich vom sogenannten Operationstourismus, und dieser paßt auch genau in dieses Thema hinein. So ist beispielsweise noch vielen der Fall des Türken Junus U. vom Oktober 1995 bekannt: Es handelte sich hierbei um einen 70jährigen Türken, der vor 25 Jahren einige Jahre in Österreich gearbeitet hat, und jetzt – 25 Jahre später – im Alter von 70 Jahren einreist, wo er ohne jegliche ärztliche Untersuchung – krank gemeldet wird, und zudem, weil er arbeitsunfähig ist, 299 Schilling Krankengeld pro Tag bezieht. Damit ist er automatisch krankenversichert. Was macht nun der gute Mann? – Er legt sich ins Krankenhaus, und unterzieht sich dort einer längst fälligen Operation, von der er annimmt, daß diese in der Türkei nicht so gut durchgeführt werden kann. – Die Kosten für den Spitalsaufenthalt in Höhe von 130 000 S wird von den Steuerzahlern und den österreichischen Sozialversicherungsbeitragszahlern finanziert. Zusätzlich werden in diesem Fall noch 120 000 S an Krankengeld finanziert.


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Schließlich ist der Krankenstand zu Ende, der Türke Junus U. fährt wieder nach Hause und hat unserem maroden Krankenversicherungssystem eine Mehrbelastung von 250 000 S hinterlassen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Guggenberger. )

Meine Damen und Herren! Das ist kein Einzelfall. Ich kann Ihnen ein paar interessante Zahlen nennen: Im europäischen Durchschnitt – und das spielt genau da hinein – werden, das ist sehr interessant, Herr Kollege Guggenberger, dabei können Sie vielleicht etwas lernen, 396 Menschen pro Jahr unter Einsatz von Herz-Lungen-Maschinen operiert. (Zwischenruf des Abg. Mag. Guggenberger. )

In Österreich sind es nicht 396 Patienten, sondern 523 Menschen, also um 30 Prozent mehr. Sind die Österreicher um so viel schwerer krank, benötigen sie viel schwerere Operationen oder operieren die österreichischen Ärzte viel mehr als der europäische Durchschnitt? Das glaube ich nicht. Von irgendwoher müssen diese 30 Prozent kommen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Eine weitere Zahl: Bei der Herzklappenchirurgie werden im europäischen Durchschnitt pro 1 Million Einwohner 106 Operationen an Herzklappen durchgeführt, in Österreich sind es nicht 106, sondern 133, also auch um 30 Prozent mehr. (Abg. Leikam: Märchentante!) Auch bei den Organtransplantationen – das ist ganz interessant – liegen wir um satte 300 Prozent über dem europäischen Durchschnitt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Woher kommen denn diese Leute? Sind die Österreicher so krank? (Abg. Leikam: "Arzt im Dienst"!) Brauchen die alle fremde Organe eingepflanzt? Brauchen die alle Herzklappen? Müssen die alle unter Einsatz von Herz-Lungen-Maschinen operiert werden? In Österreich gibt es zwischen 30 und 250 Prozent mehr Operationen! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Irgendwo kommen diese Leute doch her.

Es gibt keine Statistiken, aus welchen Ländern diese Leute kommen.(Zwischenrufe des Abg. Koppler sowie weiterer Abgeordneter der SPÖ.) Herr Koppler, manche in Ihren Reihen und Sie selbst hätten eine dringende Behandlung nötig! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Fragen Sie einmal Ihren Zentralbetriebsratobmann Oberchristl, was dieser sagt. (Rufe bei der SPÖ: Welcher Oberchristl?) Wer macht denn die Arbeit bei der Gebietskrankenkassa? Da handelt man so nach dem Motto: "Das brauche ich gar nicht zu machen, denn das machen ohnehin die anderen; ich kenne mich ohnehin nicht aus." Dafür läßt aber die Gebietskrankenkasse Oberchristl 20 000 S an Parteiabgabe zukommen. – Das sind Ihre Leute, Zentralbetriebsräte von der VOEST! Und dann reißen Sie den Mund so weit auf! (Unruhe im Saal. – Zwischenrufe bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Rasinger. )

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die ÖVP verhält sich ganz ruhig, sie hat nämlich das gleiche kritisiert. (Abg. Dr. Rasinger: Das ist eine schwache Argumentation! – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Herr Gesundheitssprecher Rasinger, Herr Noch-Gesundheitssprecher Rasinger, zwischen Ihnen und Ihrem Kollegen und eventuellem Nachfolger, Gesundheitssprecher Pfeifer, wird es, glaube ich, vielleicht zu einer Rochade im Gemeinderat von Wien kommen. Der Gesundheitssprecher Pfeifer vom Gemeinderat Wien hat nämlich folgendes gesagt: ja zu humanitärer Hilfe – und in diesem Punkt pflichte ich ihm voll bei –, aber nein zum "Spitaltourismus".

Lieber Freund Rasinger, dein Kollege Pfeifer hat offensichtlich mehr Weitblick als du, denn er erkennt das Problem! (Rufe bei der SPÖ: "Arzt im Dienst"! – Abg. Dr. Fuhrmann: Wo steht Ihr Auto?)

In einer Presseaussendung am 4. März 1996 hat er bekanntgegeben, daß der Wiener Krankenanstaltenverbund jährlich Verluste in zweistelliger Millionenhöhe durch die Behandlung von Patienten, die weder versichert noch zahlungsfähig sind, produziert. (Rufe bei der SPÖ: "Arzt im Dienst!" – Abg. Dr. Fuhrmann: Wo steht Ihr Auto?)


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Weiters sagte Pfeifer in dieser Presseaussendung, daß die Abschreibung von Pflegegebühren, die uneinbringlich sind, im Jahr 1996 von 8 auf 20 Millionen Schilling und somit um 250 Prozent gestiegen ist. (Abg. Dr. Fuhrmann: Eine Schande für einen Abgeordneten!)

Der Gesundheitssprecher der ÖVP-Wien sagte weiter: Allein für lybische Patienten sind von 1989 bis 1993 die Zahlungsrückstände auf 26 Millionen Schilling hinaufgeschnellt. – Die Vorwürfe, daß "Spitalstourismus", "Operationstourismus" betrieben wird, kommen nicht ausschließlich aus den Reihen der Freiheitlichen. Wir sitzen diesbezüglich in einem Boot mit der ÖVP, mit namhaften Gesundheitspolitikern der ÖVP und vielleicht zukünftigen ÖVP-Gesundheitssprechern. (Abg. Dr. Fuhrmann: Das ist typisch! Er schämt sich! Er schämt sich zu Recht! Er ist feige!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stimme Frau Kollegin Haller vollkommen zu bei dem von ihr aufgezeigten Fall mit den 17 Ausländern, die großteils illegal hier sind, aber trotzdem von den Ärzten behandelt werden, weil die Ärzte natürlich auch nach der ärztlichen Moral und Behandlungspflicht handeln und es niemals ablehnen würden, einen Nichtversicherten zu behandeln. Aber ich kenne auch Kollegen, die sich freuen, wenn sie einen Krankenschein von einem Ausländer bekommen und in Wirklichkeit einen Illegalen behandeln, das hat ja Kollege Trenk aufgezeigt. So ist es. (Abg. Fuhrmann: So ein ungeheuerlicher Mist!)

Ein Kollege von mir, der in einer größeren Stadt wohnt, hat mir vor kurzem erzählt – in der Stadt kennt man ja alle Patienten nicht mehr persönlich –, daß Leute, die alle bei uns nicht versichert und illegal hier sind, laufend mit Krankenscheinen von sozialversicherten Landsleuten zu ihm kommen. (Abg. Schieder: Gehen Sie in den Dienst!)

Ich stelle hier einmal die Frage – 250 000 Illegale gibt es in Österreich –: Sind diese 250 000 ... (Abg. Schieder: Stellen Sie keine Fragen, stellen Sie Ihr Auto woanders hin! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Kollege Rasinger, Ihr Freund Häupl spricht von 100 000 Illegalen allein in Wien. Sind das lauter gesunde Leute? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Sind das kerngesunde Leute, die überhaupt nie krank werden? Wer behandelt diese Leute? (Abg. Schieder: Die Ärzte, die wirklich im Dienst sind!) Sind sie alle Privatpatienten? (Abg. Dr. Stippel: "Arzt im Dienst"!) Ich habe von noch keinem Kollegen gehört, daß diese Leute als Privatpatienten kommen. (Rufe bei SPÖ und ÖVP: "Arzt im Dienst"!)

Das heißt also, durch diese 250 000 Illegalen erfolgen "illegale" Arztbesuche. Und wenn man in Österreich durchschnittlich vier Arztkontakte pro Jahr annimmt, so sind das 1 Million Arztkontakte pro Jahr: auf irgendeine Weise, oft in den großen Spitalsambulanzen, wo die Anonymität vorherrscht, wo mit einem Krankenschein lauter verschiedene Leute behandelt werden. Anders kann ich mir das nicht erklären. (Abg. Dr. Fuhrmann: Der Kollege Rasinger bedauert, so einen Kollegen zu haben!)

Es muß dafür Sorge getragen werden, daß sich der Patient, wenn man ihn nicht kennt, mit dem Krankenschein ausweisen muß. Denn auf eine andere Art und Weise kann man solchen Mißbrauch nicht abstellen. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Sehr verehrter Herr Bundesminister! – Wenn Sie sich kurz und ein bißchen vom Kollegen Rasinger freispielen könnten, sage ich Ihnen folgendes: Ich halte es mit der SPÖ in dem Punkt, nicht für eine Erhöhung der Selbstbehalte einzutreten. Und ich halte es mit der ÖVP, daß wir Freiheitlichen nicht für Beitragserhöhungen zur Verfügung stehen, denn dadurch steigen wieder die Lohnnebenkosten. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Um wirklich eine Sanierung herbeizuführen, Herr Bundesminister: Schaffen Sie Ordnung bei dieser Misere! Schaffen Sie sozialen Mißbrauch ab!

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter, bitte den Schlußsatz!


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23. Sitzung / Seite 172

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger
(fortsetzend): Sorgen Sie für eine Reform der sozialen Krankenversicherung! Dann können wir weiterverhandeln! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.30

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die Rednerliste ist damit erschöpft, die Debatte geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Zuerst stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Salzl und Genossen betreffend Einführung eines Saisonniermodells im Ausländerbeschäftigungsgesetz.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit . Der Antrag ist abgelehnt .

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dolinschek und Genossen betreffend umfassende Maßnahmen gegen die steigende Arbeitslosigkeit.

Ich bitte um ein Zeichen im Falle der Zustimmung. – Das ist gleichfalls die Minderheit . Abgelehnt . (Abg. Dr. Khol: Der Haider stimmt nicht mit!)

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Meine Damen und Herren! Ich nehme die Verhandlungen über den 1. Punkt der heutigen Tagesordnung wieder auf, und zwar betreffend den Sicherheitsbericht 1994.

Am Wort ist Herr Abgeordneter Dr. Puttinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.32

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren Minister! Hohes Haus! Ich möchte mich dafür bedanken, daß ich heute Gelegenheit habe, zum selben Thema zweimal zu sprechen. Ich danke der FPÖ, daß sie diese dringliche Anfrage eingebracht hat. Sonst hat sie ja nicht sehr viele Ergebnisse gebracht. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf einen kurzen Rückblick machen und nochmals zwei Bitten an den Herrn Minister, die ich bereits vorgebracht habe, wiederholen: Die erste Bitte betrifft die Staatsanwaltschaftskausen: Bei diesen gab es einen Rückgang von über 33 Prozent in den letzten zwei Jahren! Deshalb bitte ich doch, in Zukunft auch personelle Konsequenzen daraus zu ziehen, denn ich glaube in der Zeit des Sparpakets sollte auch dies berücksichtigt werden.

Meine zweite Bitte betrifft das Zivil-, aber auch das Strafverfahren. Beide sollten entsprechend beschleunigt werden. Meiner Ansicht nach sollten wir hier Ansatzpunkte finden, um zumindest jene Fälle zu beschleunigen, die schon seit drei, vier oder noch mehr Jahren behandelt werden. Da ist eine schnellere Abhandlung erforderlich. Zuletzt erwähnte ich bereits, daß ich mich besonders darüber gefreut habe, daß wieder die Wichtigkeit der Bezirksgerichte in diesem Bericht betont wird. Schließlich fallen ja 72,2 Prozent aller Strafverfahren in die Zuständigkeit dieser Bezirksgerichte und werden dort auch abgehandelt.

Hohes Haus! Drei Viertel der Strafverfahren werden somit in kleinen Einheiten erledigt. Es wurde mit der Novelle der Strafprozeßordnung, mit der Wertgrenzen geändert wurden, dem Prinzip der Subsidiarität zum Durchbruch verholfen. Diese Strafprozeßordnungs-Novelle brachte aber ganz klar zum Ausdruck: Es ist durchaus möglich, den Bezirksgerichten mehr Aufgaben zukommen zu lassen, damit größere Einheiten zu entlasten, in Folge die Nahversorgung der rechtssuchenden Bevölkerung zu gewährleisten und das geforderte Vertrauen auch tatsächlich zu schaffen.


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23. Sitzung / Seite 173

Nahversorgung, Herr Minister, bedeutet im Bereich der Justiz mehr, als nur Sprechtage oder einen Verhandlungstag pro Woche abzuhalten. Nahversorgung im Bereich der Justiz ist meiner Meinung nach auch mehr, als Grundbuchauszüge mit dem Computer erstellen zu lassen.

Nahversorgung ist ein komplexer Begriff: Er umfaßt Dienste wie Post, Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Einkaufs- und Unterhaltungsmöglichkeiten, aber eben auch die Versorgung mit Einrichtungen der öffentlichen Sicherheit und der Justiz. Gerade in ländlichen Gebieten, in den Alpentälern, deren Entvölkerung bisher nur der Fremdenverkehr verhindert hat, bedeutet der Wegfall jeder einzelnen Nahversorgungseinrichtung einen weiteren Mangel an Infrastruktur, den wir uns sicherlich nicht leisten können. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Ich appelliere daher an Sie, Herr Minister, diese Aspekte in Ihre Überlegungen miteinfließen zu lassen. "Gut Recht bedarf der Hilfe" sagt ein altes Sprichwort – und diese Hilfe liegt auch in der gerichtlichen Nahversorgung.

Ein Thema möchte ich noch ansprechen und zwar jenes der Untersuchungshaft. Erfreulich ist es, daß sich der, wie es in der Amtssprache heißt, "Durchschnittsbelag der Untersuchungshäftlinge" von 1993 auf 1994 verringert hat. Erschreckend ist hingegen – das wäre meiner Ansicht nach auch noch genauer zu untersuchen –, daß im Sicherheitsbericht bereits eine Zahl für das erste Halbjahr 1995 angeführt ist, und diese Zahl ist fast mit der Gesamtzahl des Jahres 1994 identisch. 1994 waren es 1 688 Personen, 1995 waren es alleine im ersten Halbjahr schon 1 605 Personen, die straffällig geworden sind. Wir sollten, glaube ich, schon darauf achten, was da passiert ist, aber man sollte diese Zahl, wenn sie nicht richtig ist, aufklären.

Als genauso unerfreulich wie in den Jahren zuvor möchte ich auch die unterschiedliche Handhabung bezüglich der Verhängung der U-Haft in den vier Oberlandesgerichtssprengeln bezeichnen. Statistisch gesehen ist die Wahrscheinlichkeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, in Wien in U-Haft genommen zu werden, viermal höher als in Innsbruck.

Die Haftantrittsrate war in Wien mit 14,3 Prozent am höchsten, in Innsbruck mit 3,3 Prozent hingegen am niedrigsten. Während also in Innsbruck nur über jeden 30sten die Untersuchungshaft verhängt wurde, mußte hier in Wien die Untersuchungshaft über jeden siebenten verhängt werden. (Abg. Böhacker: Was schließt du daraus?) Das bedeutet, daß die Justiz nicht unbedingt überall gleich handelt. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Mit Bedauern müssen wir feststellen, Herr Minister, daß dieser Sicherheitsbericht in diesen Teilen wortwörtlich dem Bericht 1993 gleicht und daß sich diese Zahlen leider nicht geändert haben. Ich glaube, das sollte schon geschehen. Wir müssen wirklich hoffen, daß sich die Justiz in Zukunft die Mühe machen wird, die Zahlen aus dem entsprechenden Jahr in den Bericht einzusetzen. Auch die unterschiedlichste Dauer der Untersuchungshaft gibt zu denken: In Wien beträgt sie 63 Tage, in Graz jedoch nur 49 Tage.

Herr Minister, wenn ich ein Taschendieb mit Hirn wäre, würde ich – nach dem Studium dieses Sicherheitsberichtes – meine Aktivitäten von Wien nach Graz verlegen, weil ich da weniger lang – unter Anführungszeichen – "eingelocht" werde. (Heiterkeit der Abg. Dr. Feurstein und Dr. Stummvoll. ) In der Rechtsprechung gibt es krasse Unterschiede, und das können wir, glaube ich, hier im Hohen Haus nicht akzeptieren.

Hohes Haus! Im Kapitel Justiz des Sicherheitsberichtes 1994 sehe ich viel Positives, aber auch einiges Negatives. Das Positive bedarf wahrscheinlich keiner weiteren Erläuterung, denn im Normalfall dürfen wir damit rechnen, daß in der Verwaltung positiv gearbeitet wird und daß das keine besondere Leistung darstellt, sondern daß es die österreichische Bevölkerung eben verdient, daß so positiv gearbeitet wird.

Was die negativen Erscheinungen anlangt, so soll uns das ein Ansporn und ein Auftakt des Parlaments sein, diese Dinge in der Zukunft vielleicht ein bißchen besser zu machen. Ein bißchen mehr sparen und ein bißchen mehr in die richtige Richtung gehen ...


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Den Schlußsatz bitte, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (fortsetzend): ... mehr Aufmerksamkeit, denn ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit. Das hat schon Willhelm von Humboldt gesagt. Ich glaube, dem ist nichts hinzuzufügen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

21.39

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. Die zweite Wortmeldung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.39

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Minister – und auch Ex-Minister! Zurück zum Sicherheitsbericht. Man muß hier folgendes festhalten: Diese Statistiken, die uns hier zum Teil präsentiert werden, sind sicherlich nicht in dieser Art und Weise zu lesen, wie normalerweise ein objektiver Bericht zu lesen ist.

Wenn nämlich Innenminister Caspar Einem am 9. Februar dieses Jahres verkündet hat, daß gemäß Kriminalitätsstatistik 1995 die Zahl der Delikte auf exakt 490 539 zurückgegangen ist –und somit im Vergleich zum Vorjahr rund 10 000 weniger gerichtlich strafbare Handlungen begangen wurden –, man jedoch dieser Aussage das entgegenhält, was sein Vorgänger, Innenminister Löschnak, am 31. März 1995 der APA gegenüber erklärt hat – nämlich, daß er sich gefreut hat, daß man die magische Schallmauer von 500 000 unterschritten hat und nur 495 493 Delikte begangen wurden –, so muß man sich schon die Frage stellen: Welche Angaben stimmen tatsächlich: Die Angaben des Herrn Ministers Löschnak, des Herrn Ministers a. D. – oder aber die Angaben des Herrn Ministers Einem?

Nichtsdestotrotz muß festgehalten werden: Die 490 539 gerichtlich geahndeten strafbaren Handlungen sind durchaus nicht als Erfolg für Österreich zu sehen, denn wir befinden uns da sozusagen auf einem äußerst hohen Niveau.

Was ist daher aus den Statistiken herauszulesen? – Unklare Zahlen! Man jongliert mit Zahlen! Der eine Minister zeigt ein Jahr davor – nämlich für das Jahr 1994 – noch 5 000 Straftaten mehr auf als der andere Minister.

Haben sich die Kriterien wie schon 1993 geändert, wo man ganz einfach Deliktstypen, Verbrechertypen und Bandenkriminalität anders behandelt und dadurch eine niedrigere Zahl bekommen hat – oder hat sich lediglich die Anzeigenpraxis der Bevölkerung geändert, indem diese sehr viele Straftaten gar nicht mehr anzeigt, weil sie meint, das sei ohnehin sinnlos?

Insbesondere im Eigentumsbereich – und da bin ich selbst schon öfters "Betroffener" gewesen –erzielt man ganz einfach keinen Erfolg den Tätern gegenüber.

Aber daß diese Statistik und der Bericht an sich nicht so wiedergegeben werden, wie es sich tatsächlich in der Realität verhält, zeigt auch ein Kapitel betreffend extremistische Aktivitäten. Es wird im Sicherheitsbericht 1994 unter dem Punkt 3.1.1.4. internationaler und auch nationaler Linksterrorismus geschrieben: "Im Bundesgebiet kam es im Jahr 1994 zu keinen berichtenswerten Ergebnissen."

Herr Minister! Sie wissen, daß das schlicht und einfach falsch ist. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Haben Sie die Brandanschläge von Linksterroristen auf das Mercedes-Werk vergessen? Haben Sie die Anschläge auf die Westbahn vergessen? Sie haben damals im Innenausschuß gesagt, Sie wurden erst im Jahr 1995 darüber aufgeklärt. Aber der Bericht wird uns heute vorgelegt und zumindest jetzt hätte man die tatsächlichen Fakten hineinschreiben können. – Dies nur, um ein Beispiel zu nennen, wie diese Berichte letztlich "frisiert" werden.

Aber bleiben wir bei diesem Thema: Betrachten wir das Problem des türkisch-kurdischen Extremismus. (Abg. Öllinger: Seit wann ist er denn Minister?) Im Bericht steht folgerichtig, daß der türkisch-kurdische Konflikt im Bereich des Ausländerextremismus an Bedeutung gewonnen hat. Weiters ist dem Bericht zu entnehmen, daß die aktivste Gruppe die Kurdische Arbeiterpartei


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PKK ist. (Abg. Öllinger: Wissen Sie, seit wann Einem Minister ist?) Sie hat sich immer mehr zu einem europäischen Sicherheitsproblem entwickelt, heißt es dort. – Bravo, Herr Minister! Und weiters: "Ihre Aktivisten versuchen sowohl durch Aktionen in europäischen Staaten als auch durch Aktionen in der Türkei, worunter wiederum der Türkeitourismus leidet, auf die Kurdenproblematik aufmerksam zu machen."

Auch Österreich blieb im Jahr 1994 von derartigen Gewalttätigkeiten nicht verschont. – In der Deliktsstatistik finden sich allerdings keinerlei Anschläge von Kurden. Offensichtlich ist das unter "türkische Gewaltverbrechen" gefallen – das sei vollständigkeitshalber nur erwähnt.

Aber warum sage ich denn das überhaupt? (Abg. Öllinger: Das frage ich mich auch!) Es ist bereits im Jahre 1994 festgestellt worden, daß es in Österreich tatsächlichen einen Terrorismus seitens der PKK gibt. Wir möchten darauf hinweisen, daß – und auch vielen Strafrechtsexperten ist dieses Delikt gar nicht bekannt – gemäß § 316 Abs. 1 StGB – ich bitte Sie eindringlich zuzuhören, vielleicht auch Sie, Herr Minister! –, daß es also im § 316 StGB einen Deliktstypus gibt, wonach jeder, der es "im Inland unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung die Verfassung eines fremden Staates zu ändern oder zu einem fremden Staat gehörendes Gebiet abzutrennen", mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren zu bestrafen ist.

Am 16. März 1996 hat das "Newrozfest" in der Kurhalle Oberlaa stattgefunden. Dort wurden Sprechchöre intoniert, Herr Minister. Und da gibt es schon auch einen Zusammenhang mit dem Sicherheitsbericht. Dieser Bericht – will man daraus etwas lernen – soll für die Zukunft auch zielführend sein, und daher schildere ich Ihnen diese Ereignisse, die Ihnen vielleicht auch schon bekannt sind.

Bei diesem Fest also wurden Sprechchöre intoniert, so unter anderem: "Hitlers Enkelkinder werden sich noch wundern" oder: "Der Kampf geht weiter!" (Zwischenruf des Abg. Gradwohl. ) Weitere Kampfrufe waren gegen die Türkei, aber auch gegen andere europäische Staaten gerichtet.

In Redebeiträgen vor diesem Fest wurden unter anderem Gebietsabtrennungen von der Türkei zur Errichtung eines eigenen Kurdenstaats gefordert, notfalls auch unter Anwendung von Gewalt.

Ein solches Fest wurde auch in Deutschland in mehreren Städten angemeldet, wurde dort jedoch – im Gegensatz zu Österreich – verboten. In Frankfurt, in Mannheim, in Osnabrück und in Baden-Württemberg wurden diesbezüglich auch mehrere Hunderte Terroristen verhaftet und ihrer gerechten Strafe zugeführt.

In Österreich hat es im Jahr 1994 bereits mehrere Anschläge der PKK gegeben, so unter anderem auf die Turkish Airline et cetera. (Zwischenruf des Abg. Elmecker. ) Soll ich Ihnen ein paar aufzählen? – Ich habe aber jetzt leider nur beschränkte Redezeit zur Verfügung. Der Herr Minister kann Ihnen vielleicht einmal in einer Klubsitzung darüber berichten. Die AKIV-Bank in Wien beispielsweise wurde verwüstet, Messerattentate wurden in türkischen Reisebüros verübt und so weiter. Ich könnte da noch weiteres auflisten; der Minister weiß darüber schon Bescheid. Außerdem ist das auch im Sicherheitsbericht nachzulesen, Sie müßten das eigentlich wissen!

All diese Straftaten wurden von Mitgliedern der PKK vor dem Hintergrund der Forderung von Gebietsabtretungen und Verfassungsänderungen verübt, und zwar zu dem Zweck, der Gründung eines eigenen kurdischen Staates mit Gewalt und Drohung Nachdruck zu verleihen.

Die PKK und deren Unterorganisationen bekennen sich allesamt, und zwar uneingeschränkt, zu den von den bisher aufgegriffenen und verurteilten Terroristen verfolgten Zielen, die den Tatbestand des § 316 StGB erfüllen

Laut OGH-Urteil aus dem Jahre 1994 handelt es sich bei der PKK um eine Organisation, deren Tätigkeit in der Ausübung von Terrorakten besteht.


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Die vorliegenden bekannten Fakten begründen daher tatsächlich den dringenden Tatverdacht des § 316 StGB, der allerdings nur verfolgt werden kann, wenn die Bundesregierung einen diesbezüglichen Antrag zur Strafverfolgung stellt. Und in diesem Punkt ist nunmehr die Bundesregierung aufgefordert, entsprechende Aktivitäten zu setzen und es wiederum zu keinen Säumigkeiten kommen zu lassen.

Aus diesem Grunde bringe ich auch einen Entschließungsantrag ein.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Graf und Kollegen betreffend hochverräterische Angriffe gegen einen fremden Staat

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, gemäß § 318 StGB den Antrag auf Strafverfolgung gegen die führenden Mitglieder der PKK und die führenden Mitglieder deren propagandistischer Unterorganisation ENRK und der militanten Unterorganisation ARGK wegen des Verdachtes des Verstoßes gegen § 316 StGB zu stellen.

*****

Herr Abgeordneter Khol hat in einem Gespräch zu mir gesagt, er werde diesen Antrag nicht unterstützen, und zwar aus dem Grund nicht, weil die ÖVP in der Regierung sitzt und er daher keinem Antrag der Freiheitlichen zustimmen könne.

Ich sage Ihnen hier und heute: Es ist dies kein Antrag, der sich gegen die Regierung richtet, er beinhaltet lediglich die Herbeiführung eines sicheren Zustandes für die Zukunft in unserem Land Österreich.

Ich bitte die ÖVP, diese "Begründung" zu überdenken, insbesondere auch im Hinblick darauf, daß Herr Abgeordneter Kiss diesbezüglich schon ähnliche Forderungen gestellt hat, sich allerdings noch nie dazu durchringen konnte, eine derartige parlamentarische Aktivität zu setzen. – Danke schön. (Beifall der Freiheitlichen.)

21.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Haigermoser. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.48

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Kollege Martin Graf hat mit Kiss aufgehört, ich werde mit Kiss beginnen. (Abg. Dr. Keppelmüller: Kishon?) Kiss hat als einer der vehementesten Hardliner der ÖVP – in der Vergangenheit – heute die sicherheitspolitischen Probleme, die es in Österreich gibt, nahezu geleugnet. – Durch dieses Verdrängen läßt sich aber kein einziges Problem lösen!

Meine Damen und Herren! Es ist sehr interessant, wie Kiss mutiert hat. Mir ist – aufgrund seiner Rede – vorgekommen, daß ihm das politische Rückgrat gebrochen wurde. Die Frage ist nur: von wem? War es Andreas Khol oder jemand anderer, der da tätig geworden ist? Kiss ist heute politisch "gepierct" worden. Es wurden ihm viele kleine Nasenringe eingezogen, wahrscheinlich jede Körperstelle ertastet, um ihn an der kurzen Leine hängen lassen zu können. Andreas Khol hat also einmal mehr seine goldenen Nasenringe bei Kiss eingezogen. Kiss tut mir wirklich leid, denn er ist ein begnadeter Rhetoriker.

Meine Damen und Herren! Heute ist mir Kiss jedoch so vorgekommen, als ob er zu jener Gattung Politiker gehöre, die aufgrund der dicken Haut ohne Rückgrat aufrecht stehen können. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)


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23. Sitzung / Seite 177

Kiss wurde also politisch "gepierct". Hoffentlich hat er sich jetzt nicht auch noch eine Erbsünde eingeheimst, indem er den Schuh von Frau Fekter irgendwo versteckt hat! – Oder war es doch Kukacka? Ich weiß es nicht! Das Ganze ist natürlich kein Offizialdelikt, aber es stellt sich die Frage: Handelte es sich hiebei um Mundraub oder Ladendiebstahl? (Abg. Schwarzenberger: In Wirklichkeit war es Haigermoser!) Vielleicht kann das der Herr Bundesminister für Justiz beantworten, meine Damen und Herren! – Jedenfalls: In eure Reihen möchte ich mich nie und nimmer verirren, meine Damen und Herren von der ÖVP! Ich möchte mich nicht in diesen Wald verirren, wo es, ach, so finster ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich hoffe – für euch hoffe ich das –, daß Peitschenknaller Andreas Khol jetzt nicht auch noch mit hochnotpeinlichen Befragungen beginnen wird, um herauszubekommen, wer der Schuhverstecker ist!

Nun aber zum Ernst der Angelegenheit, meine Damen und Herren: Ich möchte zur Vervollständigung des Sittenbilds insbesondere bei der Volkspartei ÖVP-Abgeordneten Amon zitieren:

In der ÖVP herrscht Doppelmoral. Ich fühle mich aber nicht wohl, weil für abweichende Meinungen kein Platz ist. – Ende des Zitats. – Kollege Amon fühlt sich also in einer Partei nicht wohl, in der für abweichende Meinungen kein Platz ist. (Abg. Rosemarie Bauer: Was hat das mit Sicherheit zu tun?) Und Kiss hat schmerzvoll erfahren müssen, daß er überhaupt keinen Freiraum in der politischen Diskussion mehr hat, daß er jetzt an der kurzen Leine gehalten wird, und daß ihm das Rückgrat gebrochen wurde.

Meine Damen und Herren! Das hätte ich gerade von einem Klubobmann einer Partei, welche jetzt immer vorgibt, sich besonders liberal gebärden zu müssen, nicht erwartet! Und das Verlegenheitslächeln, Kiss, nützt dir jetzt nichts! Du wirst dich jetzt wahrscheinlich beim Krötensammeln beruhigen müssen! Es ist sehr löblich, daß du dich nach den faden Parlamentstagen, wie den Zeitungen zu entnehmen war, umweltschützerisch betätigst, indem du Kröten einsammelst und auf der anderen Seite der Straße wieder aussetzt. Es ist bei den kurzen Leinen, die dir hier angelegt wurden, offensichtlich notwendig, daß du dir beim Krötensammeln wieder einen Freiraum selbst erarbeitest.

Meine Damen und Herren! Ich darf jetzt ein weiteres Thema ansprechen: die Suchtgiftproblematik. Denn ich glaube, es ist notwendig, über dieses Thema öffentlich zu diskutieren. Es muß klargestellt werden, wie die Behandlung dieses Themas in Österreich weitergeht. Denn die Probleme werden unter den Tisch gekehrt, die Drogenkriminalität wird in weiten Bereichen verniedlicht, und die Schicki-Micki-Drogen werden überhaupt eher nonchalant behandelt.

Meine Damen und Herren! Wir wissen jedoch, daß die Drogenkriminalität einer der Nährboden für die Tätigkeit der Mafia ist, und der Drogenhandel feiert auch bei uns fröhliche Urständ! Wir Freiheitlichen wissen, daß die Drogenkriminalität natürlich nicht nur ein österreichisches Problem ist. Wir wissen, daß es sich hiebei um ein weltweites Problem handelt und in anderen Ländern die Schwierigkeiten weitaus größer sind als bei uns in Österreich. Diese Erkenntnis darf aber nicht dazu führen, daß wir die Probleme unter den Tisch kehren!

Es gibt in bezug auf Drogenkriminalität zwei Denkschulen. Und wir Freiheitlichen legen Wert darauf, den Unterschied zwischen diesen beiden Philosophien herauszuarbeiten. Einerseits gibt es Denkschule der Linken, der Grünen, der Liberalen, der Sozialdemokratie, die meinen: Machen wir den Zugang zu den Drogen so leicht wie möglich. (Zwischenruf des Abg. Mag. Guggenberger. ) Kollege Guggenberger! Das ist eure Doktrin! Damit wird die Beschaffungskriminalität geringer, das Dealen ist nicht mehr so lukrativ, das ganze Elend würde überschaubarer werden. – Das ist die linke Meinung, wie sie in weiten Bereichen auch praktiziert und vorgelebt wird. – Mit dieser linken Einstellung, meine Damen und Herren, identifizieren wir Freiheitlichen uns aber in keiner Weise! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Öllinger. )

Diese "Vorbilder" – unter Anführungszeichen – haben Schiffbruch erlitten. – Öllinger! Ich weiß, daß du dieser Doktrin auch anhängst. Daß diese jedoch Schiffbruch erlitten hat, zeigt sich am Beispiel Zürich. Denn am Platzspitz beziehungsweise am Lettengrund war im Endeffekt gerade


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das Gegenteil der Fall, Kollege Öllinger! Dort, wo deine Geistesverwandten tätig geworden sind, ist nämlich die Kriminalität angestiegen, und die Zahl von Verbrechen inklusive Mord und Totschlag hat sich mehr als verdoppelt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir meinen, daß diese liberale Drogenpolitik gescheitert ist. Das zeigt sich nicht nur am Beispiel Zürich, sondern auch am Beispiel Holland. Wir sind daher der Meinung, daß der Drogenhandel mit allen staatlichen Möglichkeiten zu bekämpfen ist, selbstverständlich bei gleichzeitiger ärztlicher Begleitung der Therapie von Abhängigen.

Auf diesem Gebiet ist noch vieles zu tun, meine Damen und Herren. Daher möchte ich noch einmal feststellen: Es darf nicht das "Vorbild" Amsterdam gelten. Denn innerhalb weniger Jahre sind, ausgehend von 20 "Coffeeshops", mehr als 350 solcher Lokale entstanden, und das Elend dort wird täglich größer. (Abg. Öllinger: Nicht ein Wort davon stimmt!) Kollege Öllinger! Wenn geleugnet wird, daß Cannabis-Produkte schädlich sind, machst du dich und machen sich alle anderen, die dieser These anhängen, schuldig, wenn immer mehr Jugendliche drogenabhängig werden. Und das ist unverantwortlich, Kollege Öllinger von der Linken! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Dazu kommen natürlich noch diese zweifelhaften "Vorbilder" wie etwa Herr Wecker, zu dessen Hochzeit sich dann Herr Scharping hinbegibt und demonstrativ bekundet, daß es sich bei Kokain sowieso nur um eine angenehme Sache handelt. – Das sind keine Vorbilder für die Jugend, auch nicht und für andere Staatsbürger, meine Damen und Herren!

Meine Herren Bundesminister für Justiz und für innere Sicherheit! Es ist daher bei der Novellierung des Suchtgiftgesetzes darauf zu achten, daß die genannten Tendenzen nicht quasi Gesetz werden. Der Zugang zur Einstiegsdroge Nummer I, zu den Cannabisharzprodukten, darf nicht per Gesetz erleichtert werden. Wir meinen, daß der Drogenkonsum mit allen Mitteln bekämpft werden muß.

Tieferer Sinn Ihrer Bestrebungen, diese Problematik quasi aus dem Strafgesetz zu entfernen, ist wahrscheinlich, daß Sie von der sozialistischen Koalition schlußendlich die Sicherheitsberichte und die Statistik nach dem Motto schönen können: Wir haben ohnedies alles getan, die Zahl der Drogendelikte ist im Sinken begriffen. Denn bei derartigen Bestrebungen würde natürlich ein großer Teil dieser kriminellen Handlungen aus der Statistik herausfallen.

Wenn man noch dazu hört, daß geplant ist, bei den Strafen für den Handel mit Heroin, also mit harten Drogen, von 1,5 Gramm auf 5 Gramm hinaufzugehen, womit erreicht werden würde, daß das Dealen überhaupt nicht mehr unter den Paragraphen des Strafgesetzbuches geahndet werden könnte, ist ein weiteres Mal feststellbar, daß sich die Linke auf diesem Gebiet vereinigt hat. Ich hoffe nur, daß die Österreichische Volkspartei diesem Anschlag auf die Volksgesundheit der Österreicher nicht auf den Leim gehen wird! Oder besser gesagt: Hoffnung habe ich eigentlich keine, aber ich meine, es muß rechtzeitig darauf hingewiesen werden. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die sogenannten Drogenliberalisierungsprogramme dort, wo sie praktiziert wurden, mehr Elend und Leid geschaffen, denn verhindert haben. Die Kriminalität wurde nicht eingeschränkt. Vielmehr haben sich die Platzkämpfe der Dealer, verbunden mit Mord und Totschlag, verschärft. Daher gilt wohl nur eines: Es muß verstärkte Aufklärung der Jugend betrieben werden, es darf keine Verharmlosung der Einstiegsdrogen und Modedrogen geben. Bestausstattung der Exekutive zur Bekämpfung des Handels und rigorose Abschiebung ausländischer Straftäter müssen zur Selbstverständlichkeit werden. Denn ein Ausländer, der gegen die Gesetze unseres Landes verstößt, hat in Österreich nichts mehr verloren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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23. Sitzung / Seite 179

21.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Öllinger gemeldet. Die Bestimmungen, die einzuhalten sind, sind bekannt. – Bitte sehr.

21.59

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Abgeordneter Haigermoser hat in seiner Stellungnahme behauptet, daß die Politik der Drogenliberalisierung in Zürich gescheitert sei beziehungsweise daß diese von der linken Züricher Mehrheit betrieben wird.

Dabei dürfte Herrn Abgeordneten Haigermoser bei seinen "peniblen" Recherchen einiges entgangen sein. Ich stelle daher richtig: Die Politik der Drogenliberalisierung hatte ihren Ursprung und wurde zuerst von einer Stadträtin der "Freisinnigen" in Zürich betrieben. Diese Politik der Drogenliberalisierung wird von den "Freisinnigen" mit anderen Parteien in Zürich betrieben! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

22.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Ich habe die Rede des Abgeordneten Haigermoser nicht gehört. Aber es hat stark den Eindruck, daß hier im Hinblick auf Wertvorstellungen diskutiert wird, ob eine Politik erfolgreich ist oder nicht.

Jetzt liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Daher ist die Debatte geschlossen.

Die Frau Berichterstatterin wünscht kein Schlußwort.

Dann können wir abstimmen .

Wir stimmen ab über den Antrag des Ausschusses, den vorliegenden Bericht III-17 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich darf jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme dieses Berichtes eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung ersuchen. – Das ist mit Mehrheit so beschlossen .

Wir gelangen daher zur Abstimmung über den Entschließungsantrag , den Herr Abgeordneter Dr. Graf betreffend hochverräterische Angriffe gegen einen fremden Staat eingebracht hat.

Auch diesfalls darf ich jene Damen und Herren, die mit diesem Antrag des Kollegen Graf einverstanden sind, um ein Zeichen bitten. – Das ist die Minderheit . Der Entschließungsantrag ist daher abgelehnt .

Damit ist Punkt 1 der Tagesordnung erledigt.

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Bericht betreffend die Lage der österreichischen Landwirtschaft 1994 gemäß § 9 Landwirtschaftsgesetz 1992 (36. Grüner Bericht), vorgelegt vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft (III-9/58 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den österreichischen Waldbericht 1994 (III-10/59 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (7 der Beilagen): Übereinkommen zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen samt Anlagen und Erklärung (60 der Beilagen)


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23. Sitzung / Seite 180

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 26/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend land- und forstwirtschaftliche Standortsicherung (61 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Bericht der Bundesregierung (III-21 der Beilagen) über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für die Jahre 1996 und 1997 gemäß § 9 Abs. 2 LWG (91 der Beilagen)


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23. Sitzung / Seite 181

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Wir kommen nun zu den Punkten 2 bis 6 der Tagesordnung. Die Debatte wird unter einem abgeführt.

Es sind dies Berichte des Landwirtschaftsausschusses betreffend die Lage der österreichischen Landwirtschaft, 36. Grüner Bericht, vorgelegt vom Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, weiters der österreichische Waldbericht 1994, die Regierungsvorlage 7 der Beilagen betreffend ein Übereinkommen zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe, 60 der Beilagen, weiters der Antrag 26/A (E) der Frau Abgeordneten Aumayr betreffend land- und forstwirtschaftliche Standortsicherung, 61 der Beilagen, sowie der Bericht der Bundesregierung III-21 der Beilagen über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für die Jahre 1996 und 1997.

Zum Punkt 2 berichtet Herr Abgeordneter Schrefel. – Er hat das Wort.

Berichterstatter Josef Schrefel: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft betreffend die Lage der österreichischen Landwirtschaft 1994 gemäß § 9 Landwirtschaftsgesetz 1992, vorgelegt vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft.

Der Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft hat den gegenständlichen Bericht in seiner Sitzung vom 5. März 1996 in Verhandlung genommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuß der Land- und Forstwirtschaft somit den Antrag, der Nationalrat wolle den Bericht über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 1994 gemäß § 9 Landwirtschaftsgesetz, vorgelegt vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, III-9 der Beilagen, zur Kenntnis nehmen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Kollege, für die Berichterstattung.

Zu Punkt 3 berichtet Frau Abgeordnete Horngacher. – Bitte sehr.

Berichterstatterin Katharina Horngacher: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den österreichischen Waldbericht 1994, III-10 der Beilagen.

Der gegenständliche Bericht wurde am 22. Jänner 1996 in den Nationalrat eingebracht.

Der Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft hat den gegenständlichen Bericht in seiner Sitzung vom 5. März 1996 in Verhandlung genommen. Die im Zuge der Debatte eingebrachten Entschließungsanträge der Abgeordneten Andreas Wabl, Matthias Reichhold und Robert Wenitsch fanden nicht die Zustimmung der Ausschußmehrheit.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Nationalrat die Kenntnisnahme des gegenständlichen Berichtes zu empfehlen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft somit den Antrag, der Nationalrat wolle den österreichischen Waldbericht 1994 zur Kenntnis nehmen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Kollegin.

Zu Punkt 4 berichtet Herr Abgeordneter Auer. – Bitte sehr.

Berichterstatter Jakob Auer: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage 7 der Beilagen betreffend das Übereinkommen zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen samt Anlagen und Erklärung.

Die gegenständliche Konvention zielt auf verstärkte Zusammenarbeit mit dem Ziel einer wirksamen Emissionsbeschränkung sowie auf Zusammenarbeit zur Erhebung des Ist-Zustandes der Gewässer innerhalb sowie zwischen den Vertragsstaaten ab, wodurch primär die grenzüberschreitenden Auswirkungen von Gewässerverschmutzungen verringert werden sollen.

Anläßlich der Behandlung am 5. März dieses Jahres wurde mehrstimmig beschlossen, dem Nationalrat einen Antrag im Sinne des Art. 49 Abs. 2 B-VG über die Kundmachung der französischen und russischen Sprachfassung des Übereinkommens außerhalb des Bundesgesetzblattes zu unterbreiten.

Weiters vertritt der Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft die Auffassung, daß dieser Staatsvertrag im Sinne des Art. 50 Abs. 2 BVG durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

1. Das Übereinkommen zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen samt Anlagen und Erklärung (7 der Beilagen) wird genehmigt.

2. Dieser Staatsvertrag ist im Sinne des Art. 50 Abs. 2 B-VG durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen.

3. Die französische und russische Sprachfassung des Übereinkommens ist gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundzumachen, daß diese im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft während der Amtsstunden zur öffentlichen Einsichtnahme aufgelegt werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Abgeordneter.

Nunmehr berichtet Herr Abgeordneter Schrefel zu Punkt 5. – Bitte sehr.

Berichterstatter Josef Schrefel: Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, und zwar über den Entschließungsantrag 26/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend land- und forstwirtschaftliche Standortsicherung.

Der Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft hat den gegenständlichen Antrag in seiner Sitzung vom 5. März 1996 in Verhandlung genommen.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag nicht die Zustimmung der Ausschußmehrheit.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Abgeordneter.

Schließlich berichtet Herr Abgeordneter Freund zu Punkt 6.

Berichterstatter Karl Freund: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für die Jahre 1996 und 1997 gemäß § 9 Abs. 2 Landwirtschaftsgesetz.


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Die Bundesregierung hat am 15. März den vorliegenden Bericht beschlossen und an den Nationalrat zur Behandlung weitergeleitet. Dieser Bericht wurde am 20. März 1996 dem Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft zugewiesen.

Die Situation der österreichischen Landwirtschaft ist durch schwierige Anpassungsprozesse an das System der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union gekennzeichnet. Die nächsten Jahre werden wichtige Weichenstellungen für den Fortbestand einer bäuerlichen und ökologischen Landwirtschaft in der EU bringen.

Der Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft hat den gegenständlichen Bericht in seiner Sitzung vom 29. März 1996 in Verhandlung genommen.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Nationalrat die Kenntnisnahme des gegenständlichen Berichtes zu empfehlen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft somit den Antrag, der Nationalrat wolle den Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für die Jahre 1996 und 1997 gemäß § 9 Abs. 2 Landwirtschaftsgesetz zur Kenntnis nehmen.

Herr Präsident! Für den Fall, daß es Wortmeldungen gibt, ersuche ich, die Debatte fortzusetzen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke herzlich.

Die Debatte ist für drei "Wiener Stunden" ausgelegt. Das heißt: SPÖ 45 Minuten, ÖVP 42 Minuten, Freiheitliche 39 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 27 Minuten.

Zum Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Aumayr. – Bitte sehr.

22.09

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der Grüne Bericht 1994 ist so "aktuell" wie die Wettervorhersage von vorgestern. Das einzige, was sicher ist, ist, daß seit 1994 wieder Zigtausende Bauern ihre Bauernhöfe verlassen mußten.

Seit 1. Jänner 1995 ist nämlich in der Agrarpolitik kein Stein mehr auf dem anderen geblieben. Die Agrarpolitik wird jetzt zu 100 Prozent in Brüssel geregelt, und es wird auch dort entschieden. Die Bauern sind mit einer Flut an Formularen wahrlich zugedeckt worden; die Kammerbeamten haben dadurch eine Daseinsberechtigung bekommen. Ich frage mich nur, was die Kammerbeamten nach dem Auslaufen der Förderungen machen werden, denn dann gibt es keine Anträge mehr zu stellen.

Aber man hat einen neuen Zwingherrn für die Bauern gefunden, und zwar die AMA. Die Bauern befinden sich in der Geiselhaft der AMA, neben den Kammern mit Zwangsmitgliedschaft hat die AMA Machtinstrumente in die Hand bekommen, und diese kann jetzt wirklich über Sein oder Nichtsein der Bauern entscheiden.

Man muß sich das einmal vorstellen: 16 Aufsichtsräte sind da installiert worden, und pro Nase bekommen diese Aufsichtsmitglieder pro Jahr 220 000 S!

Gleichzeitig hat man den Bauern zum AMA-Knecht gemacht. Darüber gibt es einen Bericht in den "Salzburger Nachrichten". Herr Kollege Schwarzböck! Sie haben nie entgegnet. Also muß das stimmen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Neben der Umsetzung der Agrar-EU-Marktordnung hat diese AMA jetzt auch die Vermarktung agrarischer Produkte übernommen. Das AMA-Gütesiegel, für welches die Bauern bezahlen, kommt jedoch auch auf Produkte, deren Inhalt nicht zu 100 Prozent aus Österreich stammen muß. Diese Gütesiegelzeichen werden etwa auch an einer Wurst angebracht, deren Inhalt nur zu 75 Prozent in Österreich erzeugt wird. Dieses AMA-Gütesiegel bekommt jetzt auch der


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italienische Milchkonzern Parmalat. Der italienische Milchkonzern Parmalat verkauft jetzt seine Trinkmilch versehen mit dem AMA-Gütesiegel!

Ein Gütesiegelwirrwarr irritiert aber auch die Konsumenten. Das "A" kann man eigentlich gleichsetzen mit "Ausland". Täglich rollen LKW, vollbeladen mit Lebendtieren, in unser Land. Diese brauchen in Österreich nur geschlachtet zu werden, und in dem Moment, in dem sie geschlachtet sind, ist es ganz egal, ob sie aus Holland, aus Deutschland oder aus Belgien – woher auch immer – kommen: In dem Moment, in dem diese Tiere in Österreich geschlachtet worden sind, bekommen die Produkte das "A"-Siegel. Das muß man sich einmal vorstellen! Ist das ein Betrug am Konsumenten: ja oder nein? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Was tun Sie dagegen? – Sie tun überhaupt nichts dagegen, Sie tun dagegen wirklich nichts! Die Folgen dieses Gütesiegelwirrwarrs sind aber jetzt aufgrund der Rinderseuche BSE so richtig an den Tag gekommen. Und wie haben die österreichischen Konsumenten darauf reagiert? – Indem sie den Rindfleischkonsum verweigern. Und daher kommen jetzt die österreichischen Rinderbauern wirklich völlig unschuldig zum Handkuß. Auf den Bauernhöfen spielen sich täglich wirklich Tragödien ab. Täglich verlassen zig Bauern ihre Höfe, weil sie durch den Preis total ruiniert werden: Sie können ihre Rinder nicht oder nur mehr mit Preissenkungen von 30 bis 40 Prozent verkaufen.

In der Europäischen Union liegen 50 Milliarden Schilling aus dem Agrarbudget bereit. Die Freiheitlichen stellen einen Antrag im Hauptausschuß, daß diese 50 Milliarden Schilling, die in Brüssel bereitliegen und die überschüssig sind, von der österreichischen Bundesregierung und vom Landwirtschaftsminister lukriert werden, damit den österreichischen Rinderbauern zumindest ein Teilausgleich bezahlt werden kann. Was aber tut die ÖVP? Und was tut die SPÖ? – Sie lehnen diesen Antrag ab! Auf der anderen Seite fordern Ihre Kollegen in den Medien aber wieder – Herr Kollege Schwarzböck, Herr Landesrat Höfinger, und wie sie alle heißen –, daß diese 50 Milliarden Schilling in Brüssel lukriert werden. So doppelbödig agieren Sie, zum Schaden der österreichischen Bauern! Das ist wirklich ein Skandal! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir werden heute wieder den Antrag stellen, genau den gleichen, daß diese 50 Milliarden Schilling oder zumindest ein Teil davon für die österreichischen Rinderbauern lukriert und hereingeholt werden. Ich bin neugierig, wie sich die Österreichische Volkspartei bei der Abstimmung über diesen Antrag verhalten wird. Seit August 1995 liegen die Gelder für den Währungsausgleich in Brüssel! Abholbereit, Herr Kollege Schwarzenberger! Herr Minister! Sie fahren doch oft nach Brüssel. Wieso nehmen Sie denn diese Gelder nicht mit? Bis heute haben Sie nicht einen Schilling mitgebracht! Wo liegt denn da der Hund begraben? Warum liegt denn das Geld in Brüssel, während die österreichischen Rinderbauern und die österreichischen Getreidebauern auf den Währungsausgleich warten? – Sie tun nichts. 10 000 Bauern haben im letzten Jahr ihre Höfe verlassen. Die Jungbauern verlassen überhaupt in Scharen die Bauernhöfe. Es fehlt wirklich jegliche Zukunftsperspektive, und nach dem Auslaufen der degressiven Ausgleichszahlungen wird die Hälfte der jetzt bestehenden österreichischen Höfe aufgegeben werden müssen. Herr Bundesminister Molterer! Sie betreiben die teuerste Zusperrpolitik, die jemals ein Minister betrieben hat! Sie betreiben keine Agrarpolitik, sondern eine Zusperrpolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen!)

Für Beträge in Milliardenhöhe werden Felder stillgelegt, und mit dem Stillegen der Felder legen Sie die Bauern still. Man muß sich vorstellen: Im Jahr 1995 hat die EU 104 Milliarden Schilling für Stillegung, für Obstvernichtung, für Extensivierung ausgegeben! Das muß man sich einmal vorstellen; Für Nichtlandwirtschaft wurden 104 Milliarden Schilling ausgegeben! Die kleineren Betriebe halten diese Stillegungsquoten überhaupt nicht aus, denn: diese müssen jetzt Futter zukaufen, wenn sie die Quote mit 25 Prozent einhalten wollen. 104 Milliarden Schilling werden ausgegeben, damit keine Landwirtschaft betrieben wird! Das ist keine Landwirtschaftspolitik! Diese Stillegungspolitik ist wirklich schlechtestes Krisenmanagement! Sie fördert nur die Abschaffung der Bauern! Diese Maßnahme dient nur der Agro-Industrie! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Herr Kollege Schwarzböck! Auch volkswirtschaftlich gesehen ist diese Agrarpolitik ein Wahnsinn. In einer Zeit, in der dramatisch steigende Arbeitslosenraten zu verzeichnen sind, ruinieren Sie den sicheren Arbeitsplatz Bauernhof; sie rationalisieren ihn einfach weg. – Sie kündigen zwar eine Arbeitsplatzoffensive nach der anderen an, sind aber nicht einmal in der Lage, bestehende Arbeitsplätze zu sichern. Stützen Sie und schützen Sie zuerst einmal die bestehenden Arbeitsplätze! Der Arbeitsplatz Bauernhof sichert drei weitere Arbeitsplätze in der Wirtschaft. Was aber tun Sie, Herr Minister? Sie müßten das alles wissen! – Sie tun nichts! Sie glänzen wirklich durch Abwesenheit bei diesem Problem!

Wir Freiheitlichen haben einen Antrag im Ausschuß gestellt: Standortsicherung Bauernhof. Wie immer ist er von der ÖVP abgelehnt worden. Hätten Sie doch zugestimmt, dann hätten wir dieses Problem zumindest für die nächste Zeit aus der Welt geschafft!

ÖPUL-Programm: Herr Minister! Nicht nur, daß Sie in ganz entscheidenden Bereichen wirklich untätig sind, Sie brechen auch Versprechen, die Sie gegeben haben! Sie haben den Bauern versprochen, daß man in das ÖPUL-Programm, in dieses Umweltprogramm, jederzeit einsteigen kann. Sie haben gesagt: Das gilt für fünf Jahre, und man kann jederzeit einsteigen. – Was tun Sie aber jetzt? Jetzt verkünden Sie einen Einstiegsstopp. Wie sollen sich die Bauern noch auskennen bei einem Minister, der bereits gegebene Versprechen bricht? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Agrarpolitik der EU ist gescheitert. Sie wird unfinanzierbar, und sie vernichtet Millionen von Arbeitsplätzen. Wirkliche Gewinner bei diesem System können nur Großbetriebe sein. Daimler-Benz hat zum Beispiel nie etwas mit Landwirtschaft zu tun gehabt. Nun züchtet dieser Betrieb aber im großen Stil Schweine in Spanien, und zwar mit EU-Förderungsgeldern.

Zukunftsperspektiven in der EU: Es wird alles bereits ausverhandelt, etwa daß Fleischhauereibetriebe nur mehr 20 Rinder pro Monat schlachten dürfen, daß die Produktion der Nutztiere und deren Schlachtung – die Schlachtung! – nur mehr in Großbetrieben und nicht mehr in Kleinbetrieben stattfinden darf. Die Fleischhygieneverordnung und die Milchhygieneverordnung, Herr Kollege Schwarzböck, lassen ja grüßen. Wenn die Fleischhygieneverordnung in der geplanten Form kommt, dann hat es sich für die Selbstvermarkter aufgehört. Das wissen Sie ganz genau!

In Brüssel arbeitet man jetzt bereits an einer Standardisierung des Geschmacks. Das Ganze nennt sich "Flair". Dieses Programm "Flair", Herr Kollege Schwarzböck, wird die regionalen Reinheitsgebote untersagen und den Geschmack für alle Lebensmittel vereinheitlichen. Die Großkonzerne brauchen nämlich gleichbleibende Produkte und möglichst billige Rohstoffe für die Erzeugung ihrer Magenfüller. – Lebensmittel kann man das nicht mehr nennen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was wird übrigbleiben von Ihrem "Feinkostladen"? – Arbeitslose Bauern, entleerte Dörfer, standardisierte Lebensmittel, gentechnisch veränderte Lebensmittel, bestrahlte Lebensmittel und Agro-Industrie. Und wenn Sie, Herr Minister, sich selbst und ihre Tausende von Kammerbeamten und Beamten im Ministerium nicht selbst wegrationalisieren wollen, dann wird es höchste Zeit, daß Sie eine Agrarpolitik betreiben, die wirklich den Bauern dient und nicht irgendwelchen Großkonzernen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Zustimmung zu unserem Antrag betreffend die österreichischen Rinderbauern wäre wirklich ein Akt der Solidarität mit den Bauern. Die Herrschaften von der ÖVP könnten damit ein Versprechen einlösen. Die Freiheitlichen werden auch in Zukunft im Sinne der Subsidiarität fordern, daß die Agrarpolitik wieder dort hinkommt und dort entschieden wird, wo sie hingehört: in Österreich.

Zum Thema Bäuerinnen möchte ich noch kurz Stellung nehmen. Herr Kollege Donabauer! Was ist übriggeblieben von der Forderung bezüglich Installierung einer Bäuerinnenpension? Was haben Sie jetzt gemacht? – Sie haben die Zahl der Beitragsmonate erhöht, Tausende von Bäuerinnen, die damals, 1992, über 50 Jahre alt waren, bleiben jetzt auf der Strecke. (Abg. Donabauer: Lesen lernen! Üben!)


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Das hat nichts mit Lesenlernen zu tun, Herr Kollege Donabauer! Sie haben selbst zugegeben, daß das ein Problem ist! (Zwischenruf des Abg. Donabauer .) Sie wissen: Die derzeitige Übergangsregelung ist so, daß Bäuerinnen über 50 Jahre, die sich entschieden haben, eine eigene Pension zu beanspruchen, aufgrund der Beitragserhöhung um drei bis vier Jahre länger arbeiten und einzahlen müssen. Das ist letztlich das Ergebnis, das dabei herausgekommen ist. (Abg. Schwarzenberger: Die Rückgangsregelung! – Abg. Donabauer: Lesen lernen!)

Noch kurz zur Pferdezuchtanstalt: Herr Minister Molterer, ich appelliere an Sie, künftig alles zu tun, damit es bei der Pferdezuchtanstalt Stadl-Paura eine geordnete Übergabe gibt, und zwar in Hände, durch die sichergestellt ist, daß es Pferdezucht in Österreich auch in Zukunft geben wird. Die Anstalt Stadl-Paura ist durch Untätigkeit der zuständigen Minister ruiniert worden. Man hat dieses Thema einfach schleifen lassen, und jetzt steht diese Zuchtanstalt vor dem Ruin.

Ich ersuche sie eindringlich, Herr Minister, dafür zu sorgen, daß die Pferdezuchtanstalt in Österreich bleibt und daß diejenigen, an die sie übergeben wird, es sich auch leisten können, diese Pferdezucht weiterzubetreiben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwarzenberger. Er hat das Wort.

22.23

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wie wertvoll den Freiheitlichen die Agrardebatte und der Agrarblock ist, zeigt sich durch ihre Aktionen, womit Sie versucht haben, daß erst zu mitternächtlicher Stunde abgestimmt werden kann. Die Rednerin vor mir hat diese späte Stunde mit einer Märchenstunde verwechselt, denn das, was sie hier zum besten gegeben hat, ist wirklich aus dem Märchenreich. Ich müßte meine gesamte Redezeit verwenden, um alle ihre Vorbringen hier zu widerlegen. Ich möchte jedoch nur einzelne Punkte herausgreifen:

Der erste Punkt, der zu widerlegen wäre, ist, daß in Brüssel 50 Milliarden Schilling an Überschuß liegen und dieses Geld nur abgeholt zu werden bräuchte. Nach dem Dilemma, das durch BSE verursacht wird, werden wir froh sein müssen, mit den vorhandenen Mitteln in der Argrarleitlinie überhaupt das Auslangen zu finden. (Zwischenruf der Abg. Aumayr .) Wenn Sie behaupten, daß der Währungsausgleich seit August in Brüssel sozusagen abholbar wäre und der Minister nur einen Koffer mitzunehmen bräuchte, um die Gelder für Österreich mitzunehmen, muß ich Ihnen widersprechen.

Frau Abgeordnete Aumayr! Ich muß Sie daran erinnern, daß dieser Währungsausgleich im Bundesbudget 1996 – sowohl die Mittel aus der EU als auch die nationalen Bundesmittel – zu beschließen war. Diese Auszahlung hat die FPÖ in zweiter und dritter Lesung abgelehnt. Das ist also eine enorme Doppelzüngigkeit! (Beifall bei der ÖVP. )

Bei der Abstimmung habe ich sogar den Abgeordneten Reichhold darauf aufmerksam gemacht, daß bei diesem Punkt über den Währungsausgleich abgestimmt wird. In einigen Bereichen der Wirtschaftsförderung hat die "F"-Bewegung für das Budget 1996 und 1997 mitgestimmt. Aber der angesprochene Bereich wurde auch in zweiter Lesung von der "F"-Fraktion abgelehnt. (Abg. Auer: Abgelehnt! – Abg. Dr. Khol: Das ist ja skandalös! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Der vorliegende Grüne Bericht über die wirtschaftliche Lage der Land- und Forstwirtschaft 1994 analysiert die Situation der Land- und Forstwirtschaft im letzten Jahr vor dem EU Beitritt. Wenn meine Vorrednerin hier die Aktualität beklagt hat, so muß ich schon darauf hinweisen, daß die Schuld, daß wir diesen Bericht erst jetzt im Plenum diskutieren, nicht beim Landwirtschaftsminister liegt. Er hat diesen Bericht letzten September zeitgerecht dem Nationalrat übermittelt. Aufgrund der Beendigung der XIX. Legislaturperiode jedoch mußte dieser Bericht allerdings im Jänner erneut eingebracht werden. Anfang März wurde er bereits im Landwirtschaftsausschuß behandelt. (Zwischenruf des Abg. Wabl .)


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Die vielen Ausschuß- und Budgettermine für die Budgets 1996 und 1997 sowie für das Strukturanpassungsgesetz haben es jedoch nicht ermöglicht, in der Präsidiale diesen Antrag früher auf die Tagesordnung zu setzen, denn hier waren eben Entscheidungen, die termingebunden waren, wichtiger als ein Bericht, der nun zitiert wird.

Ich möchte aber bei dieser Gelegenheit den mehr als 2 300 Bauern danken, die bereit sind, die Arbeit auf sich zu nehmen, genaue Buchführung zu machen, alle Aufzeichnungen darzulegen und aufzubewahren, um ein Bild über die österreichische Landwirtschaft geben zu können. Ich möchte all diesen Bauern für die zusätzliche Arbeit den Dank meiner Fraktion aussprechen. (Beifall bei der ÖVP. )

Es gibt keinen Berufstand, der so gründlich über die Einkommenssituation, die Produktionsentwicklung, die Marktverhältnisse, die internationalen Rahmenbedingungen und die Verwendung der öffentlichen Gelder Bilanz legt, wie dies eben die Land- und Forstwirtschaft mit dem Grünen Bericht macht. (Zwischenruf des Abg. Ing. Reichhold .)

Die Endproduktion der Land- und Forstwirtschaft nahm 1994 real um 3,4 Prozent auf 77,3 Milliarden Schilling zu, und es konnten so die Verluste der Vorjahre wettgemacht werden. Von der Endproduktion in der Landwirtschaft entfielen 67 Prozent auf tierische Erzeugnisse und 33 Prozent auf pflanzliche Produkte.

Große Veränderungen brachte für die Landwirtschaft natürlich der 1. Jänner 1995: der EU-Beitritt Österreichs: Einerseits waren wir gezwungen, die weltweiten GATT-Regelungen, andererseits die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union zu übernehmen. (Abg. Scheibner: Glauben Sie das alles, was Sie da sagen?) Mit diesem Übertritt sanken unsere Getreidepreise um etwa 50 Prozent, der Milchpreis um ein Drittel, der Rinderpreis um etwa 25 Prozent.

Zur Einkommensabsicherung wurde im Frühjahr 1994 der sogenannte Europavertrag in Österreich ausverhandelt. Dieser Europavertrag sichert die nationalen Zahlungen an die Bauern. Diese Zahlungen werden zu 60 Prozent aus Bundesmitteln und zu 40 Prozent aus Landesmitteln in den jeweiligen Bundesländern finanziert. Auch im aktuellen Regierungsprogramm sind diese Zahlungen für die gesamte Legislaturperiode abgesichert.

Frau Abgeordnete Aumayr! Wenn Sie vorhin in Ihrem Debattenbeitrag gesagt haben, die Kammerbeamten werden nach dem Auslaufen der degressiven Zahlungen arbeitslos sein, dann muß ich Sie eines Besseren belehren: Die degressiven Zahlungen in der Milchwirtschaft zum Beispiel werden über die Molkereibetriebe und nicht über die Kammern ausbezahlt, bei den Schweinen wird dies über die Schlachthöfe abgewickelt. Die gesamte Palette der übrigen Förderungen wird allerdings gemeinsam mit INVECOS von den Kammern und von der AMA bearbeitet. Das sind jedoch keine degressiven Zahlungen, die nach vier Jahren auslaufen, sondern das sind Dauerförderungen, die uns auch in Zukunft zur Verfügung stehen. (Zwischenruf der Abg. Aumayr .)

Ich halte es für schlecht, die Bauern immer wieder über die Zukunft zu verunsichern. Ich habe den Eindruck, es wäre Ihr größter Wunsch, daß möglichst viele Bauern aufhören und die Jungbauern die Landwirtschaft verlassen würden. Das wollen Sie unbedingt herbeireden.

Im Bundesbudget 1996 sind für das Kapitel Land- und Forstwirtschaft 29,9 Milliarden Schilling vorgesehen; davon sind 13,4 Milliarden Schilling aus EU Mitteln.

Zu den Schwerpunkten: Für die Umweltförderung gibt es 7,5 Milliarden Schilling, die EU Marktordnungszahlungen machen in etwa 7,8 Milliarden Schilling aus – das hängt natürlich davon ab, wieviel Rinderprämien, Mutterkuhprämien, Schafprämien gemeldet werden –, weiters gibt es die degressiven Ausgleichszahlungen, die im heurigen Jahr noch nahezu 4,6 Milliarden Schilling betragen, und ein weiterer Schwerpunkt sind die Ausgleichszahlungen – bisher als Bergbauernzuschuß bekannt – mit rund 2,9 Milliarden Schilling.

Im Jahre 1995 gab es aber für die Landwirtschaft noch zusätzliche Schwierigkeiten. Obgleich für uns in Binnenmarkt vor allem die Abwertung verschiedener Währungen ein großes Problem dar


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stellt, traf uns die Abwertung der Lira besonders stark. Immerhin haben wir im vergangenen Jahr die agrarischen Exporte nach Italien, Agrarprodukte und Lebensmittel, um 83 Prozent steigern können. Der niedrige Lirakurs zog unbefriedigende Preise nach sich. Deshalb wurde vereinbart, daß wir dafür 255 Millionen Schilling an Währungsausgleich aus Brüssel erhalten. Ich muß nochmals betonen, daß das natürlich über unser Bundesbudget laufen muß und natürlich nicht ausbezahlt werden kann, bevor unser Budget nicht beschlossen ist.

Dieses Budget bedarf auch der Zustimmung dafür. Ferner werden 153 Millionen Schilling aus dem Bundesbudget für diesen Bereich benötigt. Es ist vorgesehen, daß diese Währungsausgleichszahlungen schwerpunktmäßig für den Rinderbereich geleistet werden, weil gerade in diesem Bereich die größten Schwierigkeiten im vergangenen Jahr auftraten.

Der Rinderabsatz und Preis waren im heurigen Jahr nochmals schwer betroffen, und zwar durch den Rinderwahn in England: Obwohl Österreich keinen einzigen Verdachtsfall an BSE hatte, mußten wir trotzdem, zumindest kurzfristig, einen starken Markteinbruch und auch Preisverlust hinnehmen. Der Markteinbruch konnte noch immer nicht zur Gänze wettgemacht werden, und die Preisverluste belaufen sich im heurigen Frühjahr bereits auf etwa 10 Prozent.

Deshalb hoffen wir, daß im nächsten Agrarministerrat, Anfang Juni, eine entsprechende Absicherung für jene europäischen Bauern gewährleistet wird, die darunter gelitten hatten, daß die Konsumenten verunsichert sind und so dadurch natürlich sofort einen Überhang an Schlachtvieh da war. Im vergangenen Agrarministerrat, der gestern und vorgestern stattgefunden hat, wurden bereits Vorschläge eingebracht.

Es gibt aber auch weitere Bereiche, die wir gemeinsam durch die Agrarpolitik, weiterentwickeln müssen. Eine entsprechende Weiterentwicklung ist in Diskussion. Auch Österreich ist dabei, ein Memorandum zur Förderung der Berggebiete zu erstellen. Österreich verlangt zum Beispiel, daß bei der Ausgleichszulage ein einheitlicher Sockelbetrag für alle Betriebe, also kleine und größere Betriebe, sowie Flächenzuschläge berücksichtigt werden, so wie dies bisher schon beim Bergbauernzuschuß üblich war. Die Aufrechterhaltung der Besiedelung in den Berggebieten ist nur dann möglich, wenn wir dort auch die Nebenerwerbsbetriebe, auch die kleinen Nebenerwerbsbetriebe, halten können. Deshalb wäre ein solcher Sockelbetrag eine unbedingte Notwendigkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

Eine weitere wichtige Maßnahme für das Berggebiet und die benachteiligten Regionen in Österreich besteht darin, daß wir weiterhin Produktionsquoten haben, damit die Produktion nicht zur Gänze in die Gunstlagen verlagert wird. Andernfalls können die Betriebe in Ungunstlagen und die kleineren Betriebe mit diesen Kosten nicht mehr mithalten.

Unsere Vorstellung wäre, daß wir – so wie das arktische Zielgebiet – auch ein Zielgebiet für die Bergbauernbetriebe des Alpenraumes schaffen. Eine intensive Diskussion findet derzeit auch über eine Osterweiterung der Europäischen Union statt. Einerseits müssen wir Interesse daran haben, daß sich die osteuropäischen Länder weiterentwickeln können, damit dort nicht der Sozialismus wieder Einzug hält (Beifall bei der ÖVP); andererseits müssen wir aber mit entsprechender Vorsicht vorgehen, denn nicht nur der Agrarmarkt könnte in Unordnung geraten, sondern auch der Arbeitsmarkt. Man muß sich vor Augen halten – solange der Einkommensunterschied so groß ist –, wie viele Menschen aus Ungarn, aus der Slowakei, aus Polen nach Deutschland oder nach Österreich wochenpendeln würden, um hier Arbeitsplätze zu suchen. Welche Probleme auf unserem Arbeitsmarkt dadurch entstehen würden, kann sich wohl jeder vorstellen.

Ein weiterer Bereich, den ich ansprechen möchte, ist der Binnenmarkt. Er erfordert gleiche Wettbewerbsbedingungen. Wir stehen zu diesen Wettbewerbsbedingungen, aber – dies sei nochmals erwähnt – zu gleichen Konditionen. Bei uns ist natürlich die Tendenz vorhanden, immer um 10, 20 und mehr Prozent besser zu sein als andere, strengere Bestimmungen auf uns zu nehmen, andererseits allerdings bei den Preisen teilweise niedriger zu sein, als das in unseren Nachbarländern der Fall ist.


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Ich spreche hier das Problem der Tierquälerei an. Die österreichischen Bauern sind keine Tierquäler. Wir treten dafür ein, strenge Tierschutzbestimmungen durchzusetzen, wir müssen aber auch dafür eintreten, daß es europaweit strenge Tierschutzbestimmungen gibt. Es hilft uns sonst nichts, wenn wir viele der Produktionsbereiche in Österreich ruinieren und diese dann zu wesentlich schlechteren Bedingungen jenseits unserer Grenzen produzieren. Unsere Aufgabe ist es deshalb, europaweit diese Standards zu verbessern.

Den vorliegenden Berichten wird meine Fraktion, die Fraktion der Österreichischen Volkspartei, ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

22.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Da Kollege Wabl sein Verlangen auf tatsächliche Berichtigung wieder zurückgezogen hat, gelangt Herr Kollege Firlinger zum Wort. – Bitte sehr. Maximale Redezeit 27 Minuten.

22.38

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nichts ist langweiliger als die Nachrichten von gestern, heißt ein schönes Sprichwort! (Abg. Wabl: Bitte aufhören!) So könnte man den Umstand kommentieren, daß wir mit halbjähriger Verspätung diesen Bericht erst heute diskutieren. Auf die Gründe möchte ich nicht ausführlich eingehen. Es ist nun einmal Tatsache, Kollege Schwarzenberger, auch wenn Sie gleich in eine Verteidigungsrede gefallen sind.

Gleiches gilt für den Waldbericht. Ich möchte mich hier nicht mit der Vergangenheit aufhalten, sondern geradewegs in die Gegenwart oder, noch besser, in die Zukunft schreiten. Hier harren doch einige Probleme durchdachter und überlegter Lösungsansätze, so nach dem Motto: Welche Zukunftsaussichten bestehen für die Landwirtschaft insgesamt, welche Reformmaßnahmen sind auf EU-Ebene und welche auf nationalstaatlicher Ebene zu treffen et cetera? Es ist also ein Vielzahl von Fragen zu klären.

Mir liegt mit dem aktuellen Bezugspunkt Gegenwart beziehungsweise unmittelbare Zukunft 1996 und 1997 der Grüne Plan des Bundesministers vor, mit dem offiziellen Titel "Maßnahmen der Bundesregierung für die Land- und Forstwirtschaftspolitik für die Jahre 1996 und 1997". Ich betone das bitte.

Herr Bundesminister! Ich würde Sie bitten, mir da schon etwas Gehör zu schenken. Ich habe versucht, diesen 13 Seiten langen Bericht kritisch zu analysieren, was dahintersteckt. Ich habe darin leider wenig Konkretes, wenige echte Maßnahmen vorgefunden. Das ist bedauerlich, weil die Thematik Einkommenssicherung wohl das zentrale Anliegen einer kurz- und mittelfristigen Agrarpolitik sein muß. Bezüglich Einkommenssicherung habe ich aber darin wenig gefunden. Ich werde Ihnen dann ein paar Beispiele zitieren.

Wenn ich sage wenig, wenig bis nichts Konkretes, dann meine ich damit, daß Sie, Herr Bundesminister, sich gerne auch auf das EU-Instrumentarium beziehen. Sie spielen gerne auf dem EU-Klavier, obwohl hier eigentlich ein Bericht der Bundesregierung zur Debatte steht. Offensichtlich ist hier das Thema leicht bis schwer verfehlt. Es handelt sich um Maßnahmen der Bundesregierung; das wird jedoch immer gerne in Richtung EU delegiert.

Ich könnte zitieren, was Sie alles in Zusammenhang mit der EU bringen, und das wäre schon eine ganze Latte. Sie sprechen da von Förderungsmaßnahmen auch im Hinblick auf die optimale Inanspruchnahme der EU-Kofinanzierung, und Sie sprechen viel von der Gemeinsamen Agrarpolitik. – Das ist alles wichtig und notwendig, und wir wissen, das viel an Kompetenzen übertragen wurde, dennoch bleibt ein Spielraum für die Gestaltungsmaßnahmen auf nationaler Ebene.

Ich finde im Bericht zwar betriebswirtschaftliche Optimierungen enthalten, qualitätssteigernde Produktion; das ist übrigens auch in den alten Berichten, in alten Grünen Plänen gestanden. Weiters heißt es hier: Verbesserung der Marktposition der Betriebe, wettbewerbsfähige Verarbeitungs- und Vermarktungsstruktur, ein schlagkräftiges Agrarmarketing. Ist damit die AMA


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gemeint? – Vielleicht wird es dort wieder einmal zu einer Personalaufstockung kommen, ich weiß es nicht.

Ich finde allerdings kein Wort in diesem Bericht, Herr Bundesminister, über die längst fällige Liberalisierung der Gewerbeordnung, über eine Förderung der Direktvermarktung oder eine Entflechtung des Lebensmittelkodexes. Darüber finde ich nichts!

Es ist das aber Ausdruck Ihrer Politik. (Abg. Wabl: Echt wahr?) Sie wollen etwas anderes als wir, das ist vollkommen klar. Sie wollen, daß eine Abhängigkeit von diesen halbstaatlichen Organisationen weiterhin bestehen bleibt. Sie wollen die Zementierung in der Landwirtschaft und die Abhängigkeit der Bauern von Landwirtschaftskammern, von Raiffeisen, von AMA und ähnlichen Institutionen. Wir Liberalen hingegen wollen den unabhängigen Landwirt, der eigenverantwortlich handeln kann, der gut ausgebildet ist, der eigene Maßnahmen setzen und tatsächlich als Unternehmer agieren kann. (Abg. Wabl: Wirklich wahr?) Das sind zwei grundsätzlich verschiedene ideologische Ansätze. – Mit diesem Unterschied werden wir leben müssen, das wird uns aber noch viele Möglichkeiten zu inhaltichen Diskussionen bieten. (Zwischenruf des Abg. Platter .)

Herr Bundesminister! Sie behalten als Kernpunkt des Grünen Planes mehr oder weniger die Politik der Ausgleichszahlungen im Visier im Hinblick auf weitere Überlegungen auf kurz- und mittelfristiger Ebene. Wenn inhaltlich nicht viel mehr enthalten ist als dieser Punkt, dann bleiben wir auch dabei und gehen wir das einmal der Reihe nach durch.

Meine Damen und Herren! Sie wissen, es gibt vier Hauptklassen von Ausgleichszahlungen: erstens die Ausgleichszahlungen der EU im eigenen Sinne, im Zusammenhang mit den Prämiensystemen, zweitens die zeitlich degressiven Ausgleichszahlungen – das wurde heute bereits vom Kollegen Schwarzenberger angeschnitten –, die dann 1999 auslaufen sollen. Beides sind Maßnahmen, die das GATT als "blaue Maßnahmen" einstuft, also Maßnahmen mit teilweise handelsverzerrender Wirkung, die daher auch nur Übergangscharakter haben.

Dann gibt es einen dritten Bereich: die Direktzahlungen an Berg- und sonstige benachteiligte Gebiete. Diese fallen in der GATT-Terminologie unter den Begriff "Grünmaßnahmen", also – im Gegensatz zu den "blauen Maßnahmen" – Maßnahmen mit entsprechend geringer handelsverzerrender Wirkung.

Schließlich gibt es noch den vierten Bereich, nämlich jenen der umweltgerechten Produktionsverfahren. Man muß das auch, glaube ich, einmal klar sagen, denn das nicht im Detail informierte Publikum weiß nicht – oder nimmt kaum wahr –, daß es diese vier Kategorien gibt. Ich möchte das schon auch einmal klar aussprechen an dieser Stelle, weil natürlich vier unterschiedliche Dinge dahinterstehen.

Diese vier Kategorien von Direktzahlungen werden hinsichtlich ihrer Verteilungswirksamkeit und auch hinsichtlich ihrer Verteilungsgerechtigkeit immer wieder untersucht, und im Dezember 1995, Herr Bundesminister, hat es diese berühmte Geheimstudie gegeben, die bis heute unter Verschluß gehalten wurde. (Abg. Wabl: Nein! Es war in "täglich Alles"! – Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger .) Nicht bis heute, aber bis vor kurzem.

Herr Bundesminister, Sie lächeln?! – Ich würde nicht lächeln an Ihrer Stelle, denn das ist ein sehr ernstes Problem. Das Resultat, das Herr Gerhard Hovorka beschreibt, ist alles andere als zum Lachen. Es ist das meiner Meinung nach äußerst ernüchternd. Mir ist jedenfalls nicht zum Lachen zumute, denn ich nehme den Inhalt dieser Studie ernst.

Herr Bundesminister! Da Ihnen dieses Resultat nicht sonderlich gelegen kam, haben sie es erstens so lange unter Verschluß gehalten, zweitens haben Sie, Herr Bundesminister, im Anschluß an das erste Ergebnis sofort zwei Gegengutachten in Auftrag gegeben. Eines wurde von Professor Schneider vom Wifo erstellt, der hat das ursprüngliche Gutachten zerpflückt, regelrecht auseinandergenommen, wie man so schön sagt, und ein zweites Gegengutachten wurde von der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft eingeholt. Diese hat die erste Studie ebenfalls


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zerpflückt und letztendlich gesagt, daß der Inhalt, der von Hovorka ausgearbeiteten Studie ein ziemlicher Blödsinn ist. Das war interessant für mich.

Herr Bundesminister! Ich darf Sie aus gegebenen Anlaß schon fragen: Was hat Sie bewogen, diese Studie bei Hovorka in Auftrag zu geben, wenn alles ohnehin nur Topfen sein soll, was die beiden Gegengutachter dann attestiert haben? Das frage ich mich wirklich. Was hat Sie bewogen, zuerst diesen Weg zu gehen? Weil es letztlich inhaltlich nicht gepaßt hat, hat man gesagt, jetzt muß korrigierend eingegriffen werden: Schweigepflicht nach außen, der große Vorhang des Schweigens. Schwarzböck hat es gewußt, glaube ich, weil einer seiner Sekretäre ein bißchen herumgewachelt hat mit dieser Studie.

Was steht da drinnen? – Ganz knallhart einige Sachen, die ich hier zusammenfassen möchte: Bei der großen Differenzierung nach Hauptproduktionsregionen ist die Aussage enthalten, daß die Förderhöhen – verglichen zwischen Betrieben mit jeweils durchschnittlicher Betriebsgröße – sehr stark divergieren, konkret: das Fünffache an absoluter Förderhöhe für den durchschnittlich vergleichbaren Betrieb in der Nordostregion, also Marchfeld, gegenüber einem alpenländischen Betrieb. Es ist das also ein Vergleich zwischen Betrieben in Gunstlage und jenen in Ungunstlage. Es wurden alle möglichen Förderarten addiert. Man kann darüber streiten, ob das seriös ist oder nicht – aber diese Grundaussage steht einmal.

Die zweite Sache, die ich nur kurz herausgreifen möchte: degressive Ausgleichszahlungen, Gemeinsame Agrarpolitik, Flächenzahlung. Insgesamt werden beide Förderarten zusammen für den Durchschnitt der Betriebe mit mehr als 100 Hektar Ackerfläche, das sind 325 an der Zahl, eine Summe von durchschnittlich 1,7 Millionen Schilling bringen. Die Betriebe in der Größenklasse fünf bis zehn Hektar, wo also eine gewisse Massierung auftritt, die einen Anteil von 60 bis 70 Prozent darstellen, erhalten dagegen 42 000 S. Also 1,7 Millionen Schilling gegenüber 42 000 S! (Abg. Dipl.-Ing. Kaiser: Sie wissen schon, daß das demagogisch ist!) Das ist nicht demagogisch, Herr Kollege. Nein!

Ich möchte auf etwas Bestimmtes hinweisen. Pudeln Sie sich nicht jetzt schon auf! Sie werden noch einiges darüber hören.

Als Konsequenz hat der Autor, dieser Hovorka, gefordert... (Abg. Schwarzenberger: Sie wissen schon, daß 100 Hektar mehr sind als fünf Hektar?!) Natürlich weiß ich das alles, Kollege! Aber setzen Sie einmal die Relationen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger .) Ich will etwas Bestimmtes damit zum Ausdruck bringen. Hören Sie mir jetzt nur zu – und dann können Sie noch einmal zum Rednerpult gehen, das alles entkräften und sagen, daß alles Blödsinn ist, was ich hier gesagt habe. Jetzt lassen Sie mich aber einmal ausreden!

Der Autor dieser Studie fordert also eine Degression der Direktzahlungen, gestaffelt nach der Betriebsgröße, Herr Bundesminister, also keine starren Obergrenzen, wie das einmal von der SPÖ gefordert wurde, sondern Einschleifregelungen, die meiner Meinung nach richtig sind und die auch von anderen wissenschaftlichen Gutachtern als richtiger und vernünftiger Weg für die Zukunft bezeichnet wurden. Jetzt gebe ich offen zu, Herr Bundesminister, daß diese Studie grob vereinfacht. Aber Sie haben sie ja in Auftrag gegeben, sie wurde ja auch aus der Sicht bergbäuerlicher Betriebe erstellt. Es kann daher auch nicht alles eins zu eins übertragen werden.

Man darf das System der Direktzahlungen sicherlich auch nicht mit Sozialbeihilfen vergleichen. Man kann es aber sehr wohl mit der Wirtschaftsförderung vergleichen. Denn auch in einem gewerblichen Betrieb gibt es variable Einschleifregelungen, und zwar bei fast allen Förderarten. Wir sagen ja immer, daß der Bauer ein Unternehmer ist und auch als solcher betrachtet werden sollte. Daher ist, glaube ich, der Vergleich mit der Wirtschaftsförderung durchaus zulässig. (Abg. Schwarzböck: Aber wirklich nicht, Herr Kollege!) Und in diesem Zusammenhang gibt es auch diese Einschleifregelungen, gegen die Sie sich wehren, Herr Kollege Schwarzböck! Wir haben schon etliche Debatten gehabt. Da haben Sie gesagt: Das kommt nicht in Frage, das ist kommunistisch, die Liberalen lassen sich in diesem Fall von den Sozialisten vereinnahmen. All das haben wir gehört.


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Ich behaupte allerdings auch, daß diese Studie, die damals als Gegengutachten von Matthias Schneider eingeholt wurde, in machen Bereichen in der Kritik ganz stark auf den Putz haut und recht kräftig übertreibt. Ich habe sie hier vor mir, und ich möchte nur auszugsweise das eine oder andere zitieren. Unter "Kritik und Anregungen" heißt es im Kapitel 2: "Die Studie zeigt gravierende theoretische und methodische Mängel auf, die nachfolgend an einigen Beispielen aufgezeigt werden."

Schneider hat mit einigem recht, was er sagt, das gebe ich zu. Aber mir scheint manches reichlich dick aufgetragen zu sein, und das ist für mich der Beweis dafür, daß diese Gegenstudie geordert wurde, weil der Inhalt der ersten Studie politisch ausgesprochen brisant ist. So würde ich das beschreiben.

Meine Damen und Herren! Wir werden im Rahmen der Europäischen Union schrittweise die Förderarten eins und zwei reduzieren müssen. Das hat auch Monsieur le Comissaire in Brüssel am 13. Mai vor der ELDR-Fraktion gesagt. Förderart eins und zwei werden also schrittweise reduziert. Für die degressiven Ausgleichszahlungen gibt es einen Abbauplan, der in Österreich konkret fixiert wurde. Übrig bleiben die Förderarten drei und vier. Das heißt, es bleiben das ÖPUL-Programm, was immer daraus wird, und selbstverständlich die direkte Ausgleichszahlung an Landwirte in benachteiligten Gebieten. Ich nehme an, daß im Zuge der nächsten Agrarreform diese beiden verbleibenden Förderarten reformiert werden.

Fischler sagte auch, daß man mit der Reform 1992 noch lange nicht fertig ist. Auch diese muß entsprechend verfolgt werden. Ich kann das nur unterstützen; ich stehe dazu. Ich glaube, daß die Agrarreform 1992 einiges ins Rollen gebracht hat. Die berühmten Butterberge, Getreideberge und so weiter sind verschwunden.

Frau Kollegin Aumayr! Sie haben heute all das angeprangert. Dazu muß ich sagen: Natürlich haben auf der einen Seite viele Bauern aufgeben müssen. Aber wäre es eine Alternative gewesen, weiterhin auf den Butterbergen zu sitzen und weiterhin eine ungehemmte Subventionierungsstrategie zu fahren? (Zwischenruf des Abg. Schöggl .) Sie müssen beide Seiten sehen!

Würde man weiterhin die Agrarbudgets auf nationaler und auch auf EU-Ebene anfüllen, so wäre das sozusagen die Methode: Ende nie! Man muß natürlich abwägen. – Ich glaube, daß der Weg der Agrarreform, der Weg der Gemeinsamen Agrarpolitik der grundsätzlich richtige war. Ich meine aber, daß wir diese Diskussion viel tiefgründiger führen müßten, als das bisher der Fall war, am besten in einem Unterausschuß.

Ich werde das auch im Zusammenhang mit bestehenden Reformerfordernissen und auch im Zusammenhang mit der Erweiterung im Hinblick auf die Ostländer verlangen. Für mich, Frau Kollegin Aumayr, ist es keine Lösung, zu sagen: Osterweiterung kommt nicht in Frage! (Abg. Aumayr: Das habe ich nicht gesagt!) Nein, Sie haben es nicht direkt gesagt, aber es war ein bisserl so angetönt. (Abg. Aumayr: Nein!)

Man muß genau über die Bedingungen sprechen, man muß Hürden überwinden. Aber Ihre Vorschläge weisen sicher nicht den richtigen Weg. Und man muß sich mit der Zeit auch abgewöhnen zu meinen, daß das EU-Geld wie Manna vom Himmel fällt, daß man nur die Hand aufzuhalten braucht, und das EU-Geld ist schon da. Es stimmt, daß Überschüsse vorhanden sind, aber diese werden für Maßnahmen zur Bekämpfung der Rinderseuche und ähnliches verbraucht werden.

Herr Bundesminister! Ich meine, daß wir darüber hinaus noch einiges brauchen: eine entsprechende Gewerbeordnung, den Aufbau von Direktvermarktung, ein funktionierendes landwirtschaftliches Schulwesen, eine große innere Reform, die Ökologisierung des Steuer- und Abgabewesens, die Streichung von Exportsubventionen für Lebendtiere. Das sind die Antworten von uns Liberalen auf die Herausforderungen.

Herr Bundesminister! Wir werden nicht müde werden, das zu fordern.


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Ich fordere Sie auf: Greifen Sie die eine oder andere Anregung auf, dann können wir diese Probleme vielleicht gemeinsam bewältigen und brauchen nicht dauernd herumzurätseln, was als nächstes passieren wird. – Ich danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

22.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gradwohl. Er hat das Wort. (Abg. Mag. Barmüller: Du bist in der Koalition, vergiß das nicht! – Abg. Gradwohl: Selbstverständlich! Ich bin mir dessen bewußt!)

22.57

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Wabl! In der heutigen Debatte wird unter anderem auch über den Grünen Bericht 1994 gesprochen. Ich möchte nur kurz darauf eingehen, daß dieser Grüne Bericht – wie schon festgestellt wurde – nicht mehr auf den aktuellsten Daten gründet, sondern daß es aufgrund gewisser bereits genannter Umstände schon einige Zeit her ist, daß der Grüne Bericht im Haus erstmals eingelangt ist. Daher hat die Betrachtungsweise heute bereits eine andere Dimension.

Ich möchte aber nicht verabsäumen zu betonen, daß mit diesem Grünen Bericht für das Jahr 1994 für all diejenigen, die sich mit der Entwicklung in der Landwirtschaft befassen, ein durchaus hervorragendes Zahlenwerk und Informationswerk vorliegt. Daher möchte ich in diesem Zusammenhang den Damen und Herren des Ministeriums und den angeschlossenen Stellen und Abteilungen herzlich Dank sagen, daß sie einen lesbaren und guten Bericht für das Jahr 1994, wenn wir ihn auch erst 1996 behandeln, vorgelegt haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Der Grund, warum keine Aktualität mehr gegeben ist, ist vor allem auch im EU-Beitritt Österreichs per 1. Jänner 1995 und in der dadurch völlig geänderten Situation zu sehen. (Abg. Wabl: Unglaublich!) Richtig! Unglaublich! Wir befinden uns in einer völlig geänderten Situation im Hinblick auf den vorliegenden Bericht! Das ermöglicht aber, im Zuge der heutigen Debatte auch auf einige Dinge einzugehen, die in zukünftigen Berichten Beachtung finden sollten und müßten, Herr Bundesminister.

Die Maßnahmen zur Gemeinsamen Agrarpolitik beispielsweise finden im Bericht über das Jahr 1994 nicht einmal ansatzweise Erwähnung, nicht einmal in Form einer Betrachtung der auf die Landwirtschaft zukommenden Angelegenheiten. Daher möchte ich Sie ersuchen, dafür Sorge zu tragen, daß im Grünen Bericht für das Jahr 1995 und für die folgenden Jahre dementsprechend darauf eingegangen und Bezug darauf genommen wird.

Ein weiterer Schwerpunkt sollten meiner Meinung nach – ich hatte Gelegenheit, in den Ausschußberatungen dazu bereits Stellung zu nehmen – die in der derzeitigen Situation plötzlich thematisierte Wasserrechtsfrage und die Fragen bilden, die mit dem Wasser als Grundnahrungsmittel in Zusammenhang stehen. (Abg. Wabl: Für die Steiermark?) Natürlich auch für die Steiermark, aber nicht nur! Denn Wasser wird vielleicht in Zukunft auch als wichtige Ware gehandelt werden, und daher sollten Wasser und das Wasserrecht insgesamt einen größeren Umfang in der Berichterstattung erhalten. (Abg. Wabl: Im Wiener Wahlkampf wollen wir es wissen!)

Ein weiterer Themenkreis, der im Zusammenhang mit dem Grünen Bericht, aber auch mit der jetzigen Situation steht und heute auch schon einige Male angesprochen wurde, betrifft die Förderungspolitik. Sie, Herr Bundesminister, und all diejenigen, die bei der Budgetdebatte zum Agrarbereich anwesend waren und die Debatte verfolgt haben, wissen, daß ich im Nahmen meiner Fraktion mit meinen Fraktionskolleginnen und -kollegen für eine Weiterführung der Maßnahmen im Förderungsbereich im Hinblick auf eine sozial gerechtere Staffelung und für eine Umverteilung innerhalb der Landwirtschaft bereits damals eingetreten bin und auch weiterhin eintreten werde.

Ich habe das letze Mal von einer "inneragrarischen Solidarität" gesprochen, die gefragt ist, da die Toleranzgrenze der gesellschaftlichen Solidarität schön langsam erreicht wird. Bestätigt gefunden habe ich diese Aussage – und daher ist es mir wert, dies auch zu zitieren – in einem


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OECD-Bericht über die Agrarpolitik, über den in der APA vom 21. Mai 1996 zu lesen ist: "Agrarsubventionen Österreichs weiterhin über EU-Schnitt. Aufgrund der degressiven Ausgleichszahlungen..." In dieser Tonart geht es weiter. Daher möchte ich sagen: Wenn Frau Kollegin Aumayr hier von der schwierigen Situation in der Landwirtschaft seit dem EU-Beitritt spricht, dann wäre es vielleicht ganz gut für sie, sich den OECD-Bericht einmal anzuschauen und nachzulesen, wie es tatsächlich mit der Landwirtschaft und mit der finanziellen Gestaltung innerhalb der Landwirtschaft ausschaut.

Daher kann man feststellen: Die österreichische Landwirtschaftspolitik war, trotz einiger Kritikpunkte, durchaus erfolgreich. Das, was Sie, Frau Kollegin Aumayr, und Ihre Kolleginnen und Kollegen regelmäßig prophezeit haben, ist offensichtlich nicht eingetreten: Unsere Landwirtschaft ist nicht vor die Hunde gegangen, sie ist nicht kaputt. (Zwischenruf der Abg. Aumayr. )

Wir haben eines erreicht, was Sie und Ihre Fraktionskollegen sehr, sehr oft und sehr, sehr lange gefordert haben: nämlich die Zulassung des Marktes in diesem Bereich. (Abg. Aumayr: Wer hat das gefordert?) In einigen Ausschußberatungen hat zum Beispiel Kollege Reichhold, der ein nicht unbedeutender Agrarpolitiker in Ihrem Bereich ist ... (Abg. Dr. Keppelmüller: Er war es!) Wieso sagen Sie: "war"? Nur deswegen, weil Kollegin Aumayr als Erstrednerin aufgetreten ist? Ich glaube nicht, daß das ein Signal dafür ist, daß Kollege Reichhold jetzt in die zweite Reihe zurückgetreten ist. (Abg. Aumayr: Machen Sie sich keine Sorgen um uns!) Aber ich bin davon überzeugt, daß die Zukunft beweisen wird, daß die österreichische Agrarpolitik weiterhin für die Land- und Forstwirtschaft gute Dinge bringt.

Ich möchte jetzt aber auch die Gelegenheit wahrnehmen, im Zuge der heutigen Debatte zu einem weiteren aktuellen Punkt Stellung zu nehmen. (Abg. Aumayr: Nehmen Sie einmal zu der Bergbauernstudie Stellung!) Die Bergbauernstudie wurde von meinem Vorredner bereits besprochen. (Abg. Aumayr: Und Sie haben nichts zu sagen?) Ich bin aber gerne bereit, auch heute wieder zu sagen, daß ich es gerne sehen würde, wenn diese Studie einer breiten Öffentlichkeit und nicht nur den Fraktionen in diesem Hause zugeführt wird, weil es außer den Abgeordneten in diesem Hause noch weitere an der Agrarpolitik Interessierte gibt und diese Studie dementsprechende wissenschaftlich untermauerte Grundlagendaten liefern kann.

Ich möchte aber jetzt zu noch einem Punkt Stellung nehmen, der mit der Agrarpolitik in engem Zusammenhang steht, und zwar zur Gentechnologie. Aus meiner Sicht ist die Gentechnologie zweigliedrig zu sehen. – Für mich steht außer Frage, daß man im Bereich der medizinischen Forschung mit der Entwicklung der Gentechnologie sehr, sehr viel Positives für die Menschheit erreicht hat. Anders verhält es sich allerdings mit der Genforschung im Hinblick auf genmanipulierte Nahrungsmittel beziehungsweise landwirtschaftliche Produktion. In diesem Bereich ist meiner Meinung nach noch größte Vorsicht geboten. (Abg. Wabl: Was heißt das?) Denn solange nicht ganz genau erforscht ist, welche Auswirkungen mit genmanipulierten Lebensmitteln im Zusammenhang stehen, ist für mich eine Freipflanzung und Auspflanzung von genmanipulierten Feldfrüchten, Gemüsen und sonstigem absolut nicht denkbar. (Beifall bei der SPÖ, dem Liberalen Forum und den Grünen.)

Daher nimmt es mich auch ein wenig wunder, wenn Frau Kollegin Aumayr vorher von "Doppelbödigkeit" gesprochen hat. Ich habe hier den "Eurokonsument" vor mir, in dem zum Beispiel aus Brüssel Neues zur Novel Food Verordnung berichtet wird. Den Protokollen des Europaparlaments ist dann allerdings zu entnehmen, daß diejenigen, die in Österreich ganz besonders laut schreien, bei der Abstimmung gar nicht aufscheinen, weil sie nicht da waren. Ich lese da Namen wie Dr. Klaus Lukas, Ing. Wolfgang Nußbaumer, Dr. Susanne Riess-Passer, Mag. Erich Schreiner, Mag. Karl Schweitzer – alle Angehörige der "F".

Und diese ... (Zwischenruf der Abg. Aumayr. ) – Moment, dazu komme ich! Diese Abgeordneten, die in Österreich immer so tun, als wären sie die einzigen Kämpfer für die Konsumenten, für die Bauern, für die Arbeiter und so weiter, waren dort nicht einmal bei dieser Abstimmung anwesend.


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Es wundert mich allerdings auch, daß die ÖVP-Abgeordneten zum Europaparlament mit Nein gestimmt haben, obwohl im österreichischen Gentechnikgesetz Bestimmungen enthalten sind, die eigentlich eine Zustimmung herausfordern würden. Daß die ÖVP-Abgeordneten mit Nein gestimmt haben, ist mir völlig unverständlich. Vielleicht könnte man innerhalb des ÖVP-Klubs einmal hinterfragen, warum dort in diesem Bereich mit Nein gestimmt wurde.

Eines möchte ich zum Stichwort "Doppelbödigkeit" auch noch sagen: Frau Abgeordnete Aumayr! Sie haben davon gesprochen, daß durch die Agrarpolitik, insbesondere durch die Gemeinsame Agrarpolitik seit 1995, alles so schrecklich wäre. "Noch viel ärger" haben Sie gesagt. (Abg. Aumayr: Wo denn?) Mir liegt da allerdings eine Unterlage vor, daß im Jahre 1990, also lange vor einem EU-Beitritt, lange vor dieser "fürchterlichen" Agrarpolitik ... (Abg. Aumayr: Damals hat es keine EU, sondern nur die EG gegeben!) Laut dieser Unterlage hat in der Gemeinde Alkoven in Oberösterreich ein gewisser Ing. Gerald Aumayr beantragt, daß von seinen Grundstücken eine Betriebsfläche entlang der B 129 im Ausmaß von 60 000 Quadratmeter von Grünland in Betriebsbaugebiet umgewidmet wird. Wenn bereits im Jahre 1990 Ing. Aumayr – ich nehme an, Sie kennen diesen Herrn Ing. Gerald Aumayr – versucht hat, aus der Landwirtschaft auszusteigen, ohne daß es damals diese "fürchterliche" Agrarpolitik gab, wenn er versucht hat, Betriebsland aus seinem Grünland zu machen, dann sind für mich Ihre heutigen Reden auch ein Beispiel von Doppelbödigkeit, Frau Kollegin Aumayr! (Beifall bei der SPÖ.)

23.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wenitsch. Er hat das Wort.

23.08

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Gradwohl! Ich verstehe schon, daß es Ihrer Fraktion unter Umständen ein Dorn im Auge ist, wenn heutzutage ein Privater sein Grundstück nach seinem Gutdünken verwenden will. Aber es entspricht noch immer dem Geist einer Demokratie, wie wir sie hier in Österreich haben, daß man fast in allen Belangen – ich betone: fast in allen Belangen – mit seinem Grundstück machen kann, was man will. Gott sei Dank! Das möchte ich festhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Wabl. )

Herr Kollege Wabl wundert sich. – Wenn ich mir heute das Berggesetz vornehme, dann kann ich daraus ableiten, daß man nicht in jedem Belang mit seinem Grundstück machen darf, was man will. Denn über das Bergrecht verfügt Herr Bundesminister Ditz, der ja der oberste Berghauptmann in Österreich ist, sehr wohl über die Grundstücke anderer Leute. Und das ist wirklich eine Sauerei!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Bitte um eine andere Ausdrucksweise!

Abgeordneter Robert Wenitsch (fortsetzend): Herr Präsident! Ich entschuldige mich!

Jetzt komme ich zum aktuellen Thema, diesem Grünen Bericht. Kollege Schwarzenberger! Es geht nicht darum, daß dieser Grüne Bericht um drei Monate zu spät hier in diesem Hohen Haus verhandelt wird. Dadurch ist die Aktualität nicht gemindert worden. Die Aktualität ist schlicht und einfach dadurch gemindert worden, daß sich mit dem EU-Beitritt für die österreichische Landwirtschaft und für die österreichischen Bauern grundlegend etwas zum Schlechteren geändert hat. Dieser Grüne Bericht ist für die Zukunft der Bauern faktisch belanglos. Darum hat Kollegin Aumayr die Aktualität dieses Grünen Berichts etwas in Frage gestellt.

Zu Ihrer Aussage, daß man keine Angst um die Zukunft der Kammerbeamten haben muß: Kollege Schwarzenberger! Wenn die ÖVP am Ruder ist, mache ich mir keine Sorgen um die Kammerbeamten. Aber deren Existenz gereicht nicht immer zum Vorteil der Bauern. Das möchte ich hier festhalten. Die Bürokratie, die den Bauern aufgehalst wird, ist für einige Kammerbeamten vielleicht von Vorteil, weil sie in Zukunft Arbeit haben. Aber für die Bauern ist das eher eine Belastung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Kollege Schwarzenberger! Noch eine Aussage von Ihnen hat mich heute sehr verwundert. Sie wollen den Bauern und den Abgeordneten erklären, daß im Prinzip die Osterweiterung durchgeführt werden muß, damit wir nämlich den Sozialismus in diesen Staaten abschaffen. Kollege Schwarzenberger! Ich frage Sie und Ihre ÖVP-Fraktion: Wie ist die diesbezügliche Haltung hier in Österreich? – Hier in Österreich brauchen wir keine Osterweiterung, um den Sozialismus in Österreich abzuschaffen. Die Wähler und auch die Bauern werden sich durch diese Ausflüchte von Ihnen nicht beeindrucken lassen. Das hoffe ich beziehungsweise bin ich mir dessen sicher. (Abg. Schwarzenberger: Haider verlangt auch immer die Osterweiterung!) Es geht nicht um die prinzipielle Frage der Osterweiterung! Sie wollen diese immer mit der Abschaffung des Sozialismus begründen: Ich muß mich jetzt in meiner Ausdrucksweise mäßigen. Herr Präsident! Ich werde mich etwas zurückhalten. Aber eines muß ich trotzdem sagen: Ich habe wirklich schon sehr viel von Ihnen gehört, aber das ist der Gipfelpunkt Ihrer Aussagen!

Während meiner erst relativ kurzen Tätigkeit als Abgeordneter hier im Hohen Haus mußte ich feststellen, meine Damen und Herren, daß viele Abgeordnete immer wieder von ihrer großen Verantwortung sprechen. – In Wirklichkeit zählt jedoch Verantwortung in diesem Staat offensichtlich leider nicht viel. Ich erinnere nur an die Aussage unseres Bundeskanzlers Dr. Vranitzky, der die politische Verantwortung für das Debakel "Mozart"-Donauschiff übernommen hat. Von dieser politischen Verantwortung, die Sie übernehmen, hat der Steuerzahler nichts. Denn die Haftung trägt in diesem Land der Steuerzahler. Das ist die wahre Verantwortung, nicht Ihr Gefasel, wenn Sie sagen: Wir übernehmen für etwas die politische Verantwortung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte kurz auf das Gewässerabkommen eingehen, das heute zur Abstimmung steht. Dieses könnte für den österreichischen Steuerzahler zu erheblichen Kosten führen, da die Unterliegerstaaten, sprich die Anrainer aus den Oststaaten, mit Sicherheit Schadenersatzforderungen stellen werden. (Zwischenruf des Abg. Wabl. ) Ein besonderer Skandal, Kollege Wabl – da wirst du mir sicher recht geben –, ist in diesem Zusammenhang die Gewässerverschmutzung durch die Ostblockschiffe, die aufgrund der Jugoslawienblockade schon jahrelang auf der Donau herumdümpeln; faktisch wurde dadurch eine schwarze Sondermülldeponie auf der Donau eröffnet. (Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller. ) Diese Behauptung stammt nicht von mir. Man braucht sich nur die Zeitungsberichte anzuschauen, was von diesen Schiffen aus alles hier in Österreich entsorgt wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung weiß seit Jahren von diesem Skandal. Es wurde von ihr jedoch überhaupt nichts dazu beigetragen, daß dieser Skandal nur annähernd unter die Lupe genommen oder abgestellt wird. (Zwischenruf des Abg. Dr. Khol. ) Herr Kollege Khol! Ihre witzigen Einlagen kennen wir ja schon. Ich habe es Ihnen ohnedies schon einmal empfohlen: Am 1. April kommt so etwas unter Umständen recht gut an. (Abg. Dr. Khol: Ich gratuliere Ihnen dazu, Herr Kollege, daß Sie meine Witze verstehen!) Ich weiß schon, Sie sind ein Oberlehrer. Aber diese Bemerkung versteht man trotzdem. Wir kennen diese Doppelzüngigkeit, die hier im Hohen Haus praktiziert wird.

Wir Freiheitlichen stellten hier im Hohen Haus den Entschließungsantrag, daß die Bundesregierung dafür Sorge tragen soll, daß die Wettbewerbsnachteile österreichischer Bauern gegenüber jenen der EU-Mitgliedstaaten verringert werden. In diesem Zusammenhang forderten wir unter anderem auch die Anpassung der Vorsteuer bei pauschalierten Landwirten. Die Koalition lehnte dies ab. In dem Heft, Herr Minister – das möchte ich ausdrücklich festhalten –, das Sie herausgegeben haben, nämlich im Bericht der Land- und Forstwirtschaft, verlangen Sie allerdings auf Seite 3, daß die Optimierung der Marktposition der österreichischen Land- und Forstwirtschaft und die Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen gegenüber den anderen EU-Mitgliedstaaten Priorität haben sollen. (Zwischenruf der Abg. Aumayr. ) Im Hinblick darauf verstehe ich nicht, warum die ÖVP-Abgeordneten unseren Antrag ablehnen, wenn sie doch im gleichen Atemzug in ihrem Regierungsheft oder in ihrem Schrieb vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft diese Maßnahmen fordern.

Ich möchte jetzt noch kurz auf die Gentechnik eingehen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Auch in diesem Zusammenhang ist eine Doppelzüngigkeit der ÖVP festzustellen: Denn ich


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bin mir jetzt schon sicher, daß die Gentechnik ... (Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. ) Kollege Schwarzenberger! Da geht es um etwas ganz anderes. Denn in der Landwirtschaftskammerzeitung stößt Herr Präsident Schwarzböck heute schon faktisch – wenn auch noch in einem sanften Ton – die Tür zur Gentechnik auf. In der letzten Ausgabe ist das von Ihnen, Herr Präsident, bereits angeklungen. Darum wundert mich das Verhalten der ÖVP-Fraktion bei dieser Abstimmung in Brüssel nicht. Die ÖVP will diese Gentechnikverordnung hier in Österreich freigeben. – Leider Gottes wird das aber nicht den Feinkostladen Österreich schaffen, den wir uns vorstellen und den wir in Zukunft brauchen werden, meine sehr geehrten Damen und Herren!

23.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wabl. Er hat das Wort für maximal 27 Minuten. (Abg. Dr. Stummvoll: Jessas na!)

23.15

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Ich habe hier die falschen Unterlagen. Auf den Papieren, die hier liegen, ist zum Beispiel zu lesen: "Nachts auf der Donau: Schmuggler, Gangster und Gestrandete wegen des Krieges auf dem Balkan." (Abg. Dr. Stummvoll: Wenitsch hat sein Manuskript liegenlassen!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Sie vergeuden Ihre Redezeit, Kollege Wabl.

Abgeordneter Andreas Wabl (fortsetzend): Danke schön. – Noch ist nicht eingeschaltet. Ich habe mich eben von Klubobmann Khol aufklären lassen. Ich hatte irgendwie in Erinnerung, daß es Parlamente gibt, in denen die Einrichtung besteht, daß man sein Manuskript abgeben kann und die Rede dann als gehalten gilt. Hier ist das nicht möglich, denn unsere Geschäftsordnung erlaubt das noch nicht. (Abg. Dr. Schmidt: Wir stehen vor einer Geschäftsordnungsreform!) Außerdem würden Sie dann wichtige Dinge nicht zu hören bekommen, und das möchte ich nicht.

Meine Damen und Herren! Es ist wirklich sehr spät. Ich habe heute das erste Mal an diese Art der Geschäftsordnungsreform gedacht. Ich habe mir heute gedacht, daß das gar nicht so schlecht wäre.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Na dann geben Sie mir die Rede, Herr Kollege! (Allgemeine Heiterkeit.)

Abgeordneter Andreas Wabl (fortsetzend): Herr Präsident! Wenn Sie mir versprechen, daß die Rede im Protokoll aufscheint, daß Sie sie auch lesen, und zwar bei hellem Verstand und mit wachem Geist, dann würde ich sie Ihnen überantworten.

Meine Damen und Herren! Ich habe hier einen Antrag, den ich Ihnen jetzt vortragen möchte. Er betrifft Maßnahmen gegen Waldverwüstung durch jagdbares Wild. Diesen Antrag bringe ich schon seit 1988 immer wieder ein. Immer wieder gebe ich ihn dann beim Protokoll ab. Damals habe ich noch einen Mitstreiter gehabt, Herrn Helmut Wolf. Er hat damals noch mit Zornesröte im Gesicht gemeint, daß da etwas geschehen muß. Und es ist etwas geschehen: Wolf ist nicht mehr da, er jagt mittlerweile in Vorarlberg anderen Beschäftigungen nach. (Abg. Gradwohl: Paß auf, sonst bist du auch bald nicht mehr da!) Kollege, die Gegenwart ist immer ungewiß, die Zukunft ... (Abg. Gradwohl: Insbesondere bei den Grünen!)

Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit diesem Antrag lese ich Ihnen jetzt etwas vor. Selbst im offiziellen Bericht heißt es: "Als prekär ist auch die Situation im Schutzwald anzusehen. Schäden durch Wild und Weidevieh sowie zunehmende touristische Aktivitäten lassen die Bemühungen zur Sanierung dieser Wälder in sensiblen Regionen trotz hohen finanziellen Einsatzes hinfällig erscheinen." – Das ist kein Grüner Bericht, sondern das ist der offizielle Parlamentsbericht, 59 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen.

Meine Damen und Herren! Zu dieser Uhrzeit sollte man eigentlich gute Witze machen können, aber ich bin nicht wirklich dazu aufgelegt. Dieser Entschließungsantrag wird sicher wieder von


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den sozialdemokratischen Genossen und Genossinnen unterstützt werden, wie das schon unter der Fraktionsführerschaft des Kollegen Wolf in den letzten Jahren der Fall war. Und jetzt ist wirklich ein richtiger Waldbauernbub da: nämlich Gradwohl, der das sicher auch vollinhaltlich unterstützen wird.

Meine Damen und Herren! Ich trage daher folgenden Entschließungsantrag vor:

"Der Nationalrat wolle beschließen (Abg. Dr. Khol: Du mußt "Wabler" heißen!):

Der Landwirtschaftsminister wird ersucht ..." – Das war anfangs Riegler, dann war es Fischler, und jetzt ist es Molterer.

Meine Damen und Herren! Ich bin immer wieder höflich und ersuche, aber irgendwann einmal schreite ich zur Tat, denn selbst Riegler war schon ein Wilderer und stand deshalb einmal vor Gericht. In der Steiermark hat das gute Tradition. Das war immer eine sehr vornehme Gilde. (Abg. Dr. Khol – zu den Abgeordneten Brix und Gradwohl –: Ist das jetzt die Entschließung?)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege! Das steht aber nicht im Antrag, den Sie vorlesen sollen.

Abgeordneter Andreas Wabl (fortsetzend): Herr Präsident! Ich wünsche nicht unterbrochen zu werden. (Lebhafte allgemeine Heiterkeit.)

Ich trinke einen Schluck steirisches Wasser. (Rufe: Steuerfrei!) Noch steuerfrei. Gradwohl, es wäre schön gewesen, wenn du hier ein klärendes Wort zur Wassersteuer gesagt hättest. Das hätte den Wiener Freunden im Wahlkampf sehr geholfen. – Ich bin überzeugt davon, er hätte dich auf Händen hinausgetragen. Die Frage wäre nur gewesen, was er sonst noch in den Händen gehabt hätte.

Meine Damen und Herren! Zum Entschließungsantrag:

"Der Landwirtschaftsminister wird ersucht, Sofortmaßnahmen im Sinne von § 16 Forstgesetz zu veranlassen. Sofern das zuständige Organ" – bitte keine Unterbrechungen! – "des Forstaufsichtsdienstes über Ursachen, Art und Ausmaß der Gefährdung Bericht erstattet und Vorschläge zur Abstellung der Gefährdung an die Jagdbehörde und an den Leiter des Forstaufsichtsdienstes eingebracht hat, sind die notwendigen Maßnahmen ..." (Lebhafte Heiterkeit bei Abg. Wabl und im Saal.)

Ich melde mich später noch einmal zu Wort. (Beifall bei den Grünen und langanhaltende Heiterkeit im Saal. – Abg. Ing. Langthaler: Das wird in der "Kronen-Zeitung" stehen! – Abg. Dr. Khol: Wenn er so weitermacht, endet er als Erzherzog Johann!)

23.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Unterschrift ist unleserlich. – Bitte um Entschuldigung.

Der vollständige Entschließungsantrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Wabl, Freundinnen und Freunde betreffend Maßnahmen gegen Waldverwüstung durch jagdbares Wild

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Landwirtschaftsminister wird ersucht, Sofortmaßnahmen im Sinne von § 16 Forstgesetz zu veranlassen. Sofern das zuständige Organ des Forstaufsichtsdienstes über Ursachen, Art und Ausmaß der Gefährdung Bericht erstattet und Vorschläge zur Abstellung der Gefährdung an die Jagdbehörde und an den Leiter des Forstaufsichtsdienstes eingebracht hat, sind die notwendi


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gen Maßnahmen sogleich durchzuführen, insbesondere ist auf die Einhaltung der vorgeschlagenen Abschußpläne abzustellen.

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft wird ersucht, innerhalb eines halben Jahres über die erfolgten Maßnahmen Bericht zu erstatten.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. (Abg. Dr. Schmidt: Thomas, bring etwas mehr Ernst in die Sache!)

23.23

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nicht nur ob der vorgerückten Stunde, sondern auch weil eine Landwirtschaftsdebatte in diesem Hause nicht geführt werden kann, ohne auf die Gentechnik näher einzugehen, möchte ich mich zu Wort melden und einen Teil dessen wiedergeben, von dem ich sicher bin, daß es auch Andreas Wabl unterstützen wird. (Abg. Aumayr: Der weiß nicht, was er will!) Doch, ich weiß es schon, ich habe nämlich sein Redekonzept von hinten gesehen; ich sitze knapp hinter ihm.

Es ist mir in diesem Zusammenhang wirklich wichtig, einiges aufzuzeigen, weil es auch von Abgeordneten Gradwohl angeschnitten worden ist und weil der Herr Präsident Schwarzböck zum Abgeordneten Firlinger gekommen ist und ihm erklärt hat, daß doch die ÖVP-Abgeordneten im Europäischen Parlament für eine Kennzeichnung gentechnischer Produkte gestimmt hätten. Die Liberalen haben heute anläßlich der Vorkommnisse, die es um die Freisetzung in Tulln gegeben hat, einen Antrag eingebracht. Er beinhaltet, daß es im Gentechnikgesetz eine Kennzeichnungsverpflichtung geben soll, wobei diese klar ersichtlich und verständlich sein muß, so wie es von allen Fraktionen im Bericht "Technikfolgenabschätzung im Zusammenhang mit der Gentechnik" schon beschlossen worden ist. Es werden die ÖVP-Abgeordneten sicherlich mit Freude zustimmen, weil sie damit nicht nur auf europäischer Ebene etwas tun, sondern auch in Österreich für eine solch klare Produktdeklaration eintreten werden.

Ich bin froh, daß ich – aus den Worten des Abgeordneten Gradwohl zu schließen und auch nach Ihrer Ankündigung, die Sie gegenüber dem Abgeordneten Firlinger gemacht haben – wohl davon ausgehen kann, daß dieser Antrag eine gute Basis ist, um einen gemeinsamen Antrag in diese Richtung zu formulieren, der eine klare und verständliche Kennzeichnung gentechnischer Produkte beinhalten wird. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Wir sagen das vor allem deshalb, weil gerade in der Landwirtschaft – das ist das eigentlich Wesentliche, wenn es um die Landwirtschaftspolitik in Österreich im Zusammenhang mit dem Grünen Bericht geht – die Gentechnik völlig neue Möglichkeiten eröffnet, die tendenziell im Widerspruch zu einer ökologischen und biologischen Landwirtschaft stehen. Es handelt sich hiebei um einen Bereich, der in Österreich eine politische Grundsatzentscheidung sein muß.

Herr Bundesminister! Unserer Auffassung nach geht es darum, ob wir wollen, daß Gentechnologie in Österreich eingesetzt und damit tendenziell einer Industrialisierung der Landwirtschaft Vorschub geleistet wird. Wir von seiten der Liberalen meinen, daß es nicht sinnvoll ist, Gentechnologie dort einzusetzen, wo dadurch Marktmonopole geschaffen und abgesichert werden, denn wir sind davon überzeugt, daß der Wettbewerb auch im Bereich der Landwirtschaft stärker Platz greifen soll.

Gentechnologie ist ein Bereich, der eher der Industrialisierung dient und daher unserer Auffassung nach entgegen jenen politischen Linien verläuft, die wir in diesem Land auf dem Gebiet der Landwirtschaft verfolgen. Wir meinen aber auch, daß Maßnahmen, die letztlich zu einem höheren Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und damit tendenziell zu einer höheren Belastung von Böden oder Wasser führen, nicht ergriffen werden sollen, denn auch das ist etwas, was von der politischen Zielrichtung her nicht dem entspricht, was wir eigentlich anstreben.


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Ich sage das deshalb, meine Damen und Herren, weil im Gentechnikgesetz – auch das ist in unserem Antrag enthalten – überhaupt keine Haftungsregelungen für Schäden beinhaltet sind, die bei einem Versuch, so gut er auch gemeint sein mag, letztlich auftreten können. Wir sind davon überzeugt – und die Freisetzungen in Tulln beweisen das auch –, daß bürokratische Hürden verbotene Handlungen nicht aufhalten können.

Die einzige Maßnahme, die zu einem fairen Interessenausgleich führen kann, ist, daß man sehr rigorose Haftungsregelungen im Gentechnikgesetz festschreibt. Jemand, der sich einen wirtschaftlichen Nutzen von einer Maßnahme verspricht, soll auch für eventuell auftretende Schäden haften. Das ist eine faire Verteilung, und wir meinen auch, daß es für den Geschädigten beim Nachweis des Schadens Erleichterungen geben soll, und zwar nicht in einer Form, die nur auf die Gentechnik zugeschnitten ist. Wir haben uns hier einer Rechtsfigur bedient – auch das ist in unserem Gentechnik-Antrag enthalten –, die Sie bereits im Forstgesetz, konkret im § 54 des Forstgesetzes, finden, wo es nur darum geht, daß Wahrscheinlichkeiten nachgewiesen werden müssen und man sich durch den Beweis einer Gegenwahrscheinlichkeit wieder befreien kann. Das ist ein Rechtsinstitut, das sich im Forstgesetz bereits bewährt hat, und es sollte unserer Auffassung nach auch im Bereich der Gentechnik Platz greifen.

Ich will gar nicht ausführlicher auf unseren Antrag eingehen, meine Damen und Herren, und zwar deshalb, weil es ein Selbständiger Antrag ist, der noch im Ausschuß zu verhandeln sein wird. Obwohl wir diesen Antrag als einen Antrag der Liberalen eingebracht haben, sage ich jetzt schon, daß wir sehr daran interessiert sind, diesbezüglich eine Diskussion in Gang zu bringen, um zu einer gemeinsamen Novelle des Gentechnikgesetzes zu kommen.

Ich möchte noch kurz zu einem anderen Bereich Stellung nehmen, und zwar im Zusammenhang mit der Forstwirtschaft. Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß mittlerweile die Verhandlungen um den Nationalpark Donauauen ins Stocken geraten sind. Hier fehlt es an einigen grundsätzlichen Entscheidungen. In diesem Punkt wird man sich offenbar politisch nicht einig, und daher darf ich einen Antrag einbringen, der ein unselbständiger, sprich auch zu diesen Tagesordnungspunkten noch abzuhandelnder sein wird. Dieser Antrag zielt darauf ab, daß die Bundesregierung ob dieses Ins-Stocken-Kommens der Verhandlungen doch alles unternehmen möge, damit noch in diesem Jahr der Nationalpark Donauauen verwirklicht werden kann. Ich meine, daß auch hier, da es um die Österreichischen Bundesforste geht, Herr Bundesminister Molterer ein gewichtiges faktisches Wort mitzureden haben wird.

Meine Damen und Herren! Der Antrag lautet folgendermaßen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller, Dr. Heide Schmidt, Mag. Reinhard Firlinger und weiterer Abgeordneter betreffend Vereinbarung nach Artikel 15a B-VG über die Errichtung eines Nationalparks in den Donauauen bei Wien und östlich von Wien

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, dafür Sorge zu tragen, daß die Verhandlungen betreffend die Errichtung eines Nationalparks in den Donauauen bei Wien und östlich von Wien so rechtzeitig abgeschlossen werden, daß ein entsprechender Abschluß der Vereinbarung nach Art. 15a B-VG noch vor der Sommerpause 1996 möglich ist."

*****

Meine Damen und Herren! Wir sind der Ansicht, daß mit einem solchen Antrag die Gelegenheit gegeben wäre, zu beweisen, daß auch in Österreich Naturschutz und Errichtung von Nationalparks ein wichtiges Anliegen in der Politik sind und daß es nicht nur bei solchen Grundsatzerklärungen bleibt, wie wir sie in den letzten Monaten erlebt haben, sondern daß man sich auf politischer Ebene auch dann, wenn die Verhandlungen ins Stocken geraten, bemüht, das


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Geplante zu Ende zu führen. Ich darf Sie recht herzlich einladen, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

23.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag des Abgeordneten Wabl betreffend Maßnahmen gegen Waldverwüstung durch jagdbares Wild und jener des Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller betreffend Vereinbarung nach Artikel 15a B-VG über die Errichtung eines Nationalparks in den Donauauen bei Wien und östlich von Wien sind ausreichend unterstützt und stehen in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schwarzböck. – Bitte sehr.

23.30

Abgeordneter Rudolf Schwarzböck (ÖVP): Verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abgeordneter Gradwohl hat gemeint, die Österreichische Volkspartei hätte in der nationalen Politik und durch unsere Europaabgeordneten in der Frage Gentechnologie und Kennzeichnung gentechnologisch beeinflußter Lebensmittel eine widersprüchliche Haltung. Ich darf hier klarstellen, daß es durch den Einsatz der ÖVP-Europaabgeordneten möglich geworden ist, daß das Europaparlament, im Gegensatz zu einem Beschluß des Rates und einem Kommissionsvorschlag, die gentechnologische Kennzeichnung von Lebensmitteln gefordert und durchgesetzt hat. Damit ist, glaube ich, eindeutig klar, daß unsere Linie stimmig ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Angesichts der Wichtigkeit und der Widersprüchlichkeit, die auch in der heutigen Debatte in mehreren Reden zum Ausdruck gekommen ist, möchte ich aber doch auf die Frage Verteilungsgerechtigkeit und Aussagekraft von Studien, die sich mit dem neuen Agrarsystem der EU, mit der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU und den nationalen Zielsetzungen auseinandergesetzt haben, eingehen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Wem es wirklich um die österreichische Land- und Forstwirtschaft und um die österreichische Bauernschaft ernst ist, der wird einer derartigen Diskussion nicht ausweichen. Ich würde Sie aber wirklich ersuchen, diese Diskussion um Verteilungsgerechtigkeit im Bereich der Landwirtschaft nicht völlig isoliert vom sonstigen politischen Geschehen und von Meinungsäußerungen zu generellen Fragen der Politik und der Verteilungsgerechtigkeit zu führen.

Kollege Firlinger! Ich muß ganz einfach auf Ihre Aussage Bezug nehmen. Ich kann Ihnen nicht folgen, wenn Sie Agrarförderungen mit einem sehr modernen Ansatz in Richtung Abgeltung von modernen Umweltleistungen, die von der Bauernschaft im neuen Programm, im ÖPUL 1995, über alle Erwartungen hinaus positiv angenommen worden sind, mit Investitionsförderungen im Bereich der Wirtschaftsförderung vergleichen. (Abg. Mag. Firlinger: Wirtschaftsförderungen!)

Sie haben dazwischen gesagt, daß Sie meinen, auch in Investitionsförderungsprojekten der allgemeinen Wirtschaftsförderung wären Startförderungen, entsprechende vergleichbare Zielsetzungen, nachvollziehbar. (Abg. Mag. Firlinger: Beispielsweise Zinsstützung!) Auch das kann mich nicht befriedigen, weil die Ansätze, die diesen Studien zugrunde liegen und mit denen Sie sich auseinandersetzen, im Grunde genommen Grenzen einziehen, die wir sonst in keinem Bereich der Politik diskutieren. (Abg. Mag. Firlinger: Reden muß man doch einmal!)

Sie wissen, daß die SPÖ im vergangenen Herbst von einem Vergleichseinkommen von 270 000 S bei unselbständig Erwerbstätigen gesprochen hat. Sie haben mehrmals eine Studie zitiert, die bei 10 Hektar mit der Degression beginnt. Das heißt, Sie setzen bei der Landwirtschaft Grenzen ein, die sonst in keinem Berufsbereich eingezogen werden sollen. (Abg. Mag. Firlinger: Stimmt nicht!) Im Grunde genommen entzweit uns das völlig.

Im Prinzip kann man selbstverständlich über solche Zielsetzungen diskutieren, aber es ist regelrecht entlarvend, was in bestimmten Bereichen mit diesen Zielsetzungen erreicht werden soll. Es wird das Wort "Grundsicherung" in den Mund genommen, und ich kann durchaus auch diskutieren, wenn wir über Grundsicherung reden. (Abg. Mag. Firlinger: Die Frage ist, wie hoch


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ich den Tarif ansetze!) Es wird aber langsam abenteuerlich, angesichts der strukturellen Ausgangslage der österreichischen Landwirtschaft im harten Wettbewerb des Binnenmarktes, bei Degressionen, die bereits bei Kleinbetrieben mit 10 Hektar beginnen, von Grundsicherung zu reden. Gleichzeitig – Sie hätten sich eben die Studie durchlesen sollen – vertritt man die Meinung, daß neben dieser Grundsicherung auf Quotensicherung, auf Mengensteuerung in der Produktion, auf Außenhandelsschutz in der WTO verzichtet werden könnte.

Ich sage daher ganz offen: Wenn man diese Vorschläge durchdenkt und sich einigermaßen mit der Sache beschäftigt, kommen wir im Grunde genommen zu einer Politik, die sich ausschließlich in sozialpolitischen Grundsicherungsmaßnahmen für die Landwirtschaft erschöpft, und sonst begeben wir uns in den liberalen Wettbewerb einer WTO, der letztendlich auch von Landwirtschaftssystemen mit geprägt ist, die für unsere Gesellschaftsordnung, für unsere kulturelle Tradition und multifunktionale Verantwortung, die wir in der österreichischen Landwirtschaft wahrzunehmen haben, nicht nur im Interesse der Bauern, sondern im Gesamtinteresse der breiten Bevölkerung, dann verlorengehen würden.

Wer derartige Konzepte vertritt, der muß sich in einer sachlichen Diskussion den Vorwurf gefallen lassen, daß es ihm im Grunde genommen um politische Alibi-Bauern in einer Reservatfunktion – vergleichbar mit den Indianerreservaten in Amerika –, also um eine gesellschaftspolitische Veränderung geht und nicht um eine Zukunftssicherung für die Bauern. (Zwischenruf des Abg. Dr. Graf. ) Kollege Firlinger! Ich glaube, daß eine derartige Zielsetzung mit den von Ihnen vorgegebenen Grundwerten in der Politik in keiner Weise vereinbar wäre.

Meine geschätzten Damen und Herren! Ich lade Sie ein – und ich glaube, daß die Wortmeldung des Kollegen Gradwohl durchaus ein Signal in diese Richtung war –, diese Diskussion sachlich, auch unter verschiedenen Aspekten zu führen, aber gestehen Sie uns als Vertreter der Landwirtschaft – ich bin praktizierender Bauer – bitte eines zu: Es kann einfach nicht funktionieren, daß man bei einer sehr starken Veränderung der politischen Situation, die wir mit dem EU-Beitritt herbeigeführt haben, einen wichtigen und in der Sicherung der Lebensgrundlagen unverzichtbaren Berufsstand völlig von der allgemeinen politischen Diskussion isoliert und von ihm Bedingungen verlangt, die niemand erfüllen kann und die bislang auch noch nirgends zufriedenstellend erfüllt worden sind. (Zwischenruf des Abg. Gradwohl. )

Herr Kollege Gradwohl! Es ist vom Minister mehrmals darauf hingewiesen worden; ich bin überzeugt, der Herr Bundesminister wird das auch heute tun. Weil diese Studie geradezu himmelschreiende Sachmängel aufweist, ist sie in einen Vergleich mit wissenschaftlich substantiell erarbeiteten Studien zu stellen. Ich muß Ihnen dazu sagen: So erreichen wir nur eines, nämlich die Öffentlichkeit zu irritieren und unter Umständen neben dem Horrorszenario der Frau Kollegin Aumayr auch noch ein zweites Horrorszenario unter dem wissenschaftlichen Mäntelchen zu produzieren. (Zwischenruf des Abg. Mag. Firlinger. )

Ich bin sicher, aufgrund des Grundtenors Ihrer heutigen Wortmeldung, daß das nicht in unser beider Interesse liegt. Daher lade ich dazu ein, diese Diskussion so zu führen, daß wir sie gemäß den sonstigen politischen Gepflogenheiten auch für die Landwirtschaft auf einem entsprechenden Sachniveau weiterverfolgen können. (Beifall bei der ÖVP.)

23.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Koller. Er hat das Wort.

23.37

Abgeordneter Franz Koller (Freiheitliche): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Zahlen über die Abwanderung aus der Landwirtschaft sind allen bekannt. Kollege Schwarzenberger! Die Zahlen, die Kollegin Aumayr genannt hat, sind keine Horrorzahlen. Im Durchschnitt beträgt die Abwanderung 5 Prozent, und bei den Jungbauern, den zukünftigen Hoferben, ist die Zahl doppelt so hoch, da beträgt sie sogar 10 Prozent. Genau diese Situation ist besorgniserregend.

Die steirische Kammer und auch das Arbeitsmarktservice haben eine Stiftung gegen das Bauernsterben installiert. Laut Joanneum-Research werden in der Landwirtschaft in der Steier


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mark bis zum Jahr 2000 17 400 Arbeitsplätze verlorengehen. 54 Personen haben derzeit an diesem Projekt teilgenommen, insgesamt soll das Gesamtprojekt der Stiftung 250 Personen umfassen. Ich sage: Das ist nur ein Tropfen auf einem heißen Stein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zur Reform der gemeinsamen Agrarpolitik: Auch hier muß der Arbeitsplatz Bauernhof im Mittelpunkt stehen. Förderungen an landwirtschaftliche Betriebe müssen so gestaltet sein, daß die eingesetzte menschliche Arbeitskraft angemessen entlohnt wird. Zu berücksichtigen sind dabei die Wettbewerbsnachteile von Betrieben mit geringer Flächenausstattung sowie die Bewirtschaftungserschwernisse in Berggebieten. Förderungen und Transferzahlungen müssen vorrangig von ökologischen Kriterien abhängig sein. Ferner fordern wir eine Entbürokratisierung und Vereinfachung der Abwicklung der Förderung. Es darf kein Klassenkampf entstehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Am 10. Mai war hier im Parlament eine ungarische Delegation, der ungarische Landwirtschaftsausschuß, anwesend. Ungarn will sofort und ohne Übergangsbestimmungen in die EU. Die Aussagen der Ungarn waren: Die ungarische Gesetzgebung ist bestrebt, alle Anforderungen, die die EU stellt, zu erfüllen.

Im Landwirtschaftsausschuß, in dem der Waldbericht behandelt wurde, stellte ich die Anfrage, da die phytosanitären Kontrollen abgeschafft wurden, ob es Probleme durch Brennholzimporte gibt, wo mit Klein-LKWs aus der Slowakei und aus Ungarn schädlingsbefallenes Holz nach Österreich eingeführt wird. Nach einer gleichlautenden Anfrage im EU-Parlament war die Antwort folgendermaßen: Die Kommission ist sich der Gefahr bewußt, die von der Einfuhr in die Europäische Gemeinschaft ausgeht, sofern keine pflanzengesundheitlichen Kontrollen erfolgen. Die Kommission nimmt den Sachverhalt zur Kenntnis und wird das Amt für Veterinärhygiene und pflanzengesundheitliche Überwachung ersuchen, ihm nachzugehen.

Herr Minister! Sie haben dieses Problem im Ausschuß als "Kofferraumimporte" abgetan. Die Kommission hingegen nimmt das sehr wohl ernst.

Das Sparpaket betrifft auch die Höhere Bundeslehranstalt für alpenländische Landwirtschaft in Raumberg-Trautenfels. Dort soll der Lehrforst um zirka 20 Millionen Schilling verkauft werden. Eine Sanierung des Staatshaushaltes wird man dadurch allerdings auch nicht erreichen. Das ist meiner Meinung nach der beginnende Ausverkauf der Ausbildungsgrundlagen. Schulbetrieb und Projekte sind gefährdet. Der Dienststellenausschuß von Raumberg hat eine Petition und einen Brief an EU-Kommissär Fischler verfaßt, diesen aber nicht nach Brüssel, sondern in das Landwirtschaftsministerium geschickt. Kurioserweise kam der Brief ungeöffnet zurück mit der Begründung, Fischler sei verzogen. (Abg. Dr. Graf: Wohin denn? Wohin ist er verzogen?)

Sehr geehrte Damen und Herren! In einer Presseaussendung der steirischen Landwirtschaftskammer erhoben Landwirtschaftskammerpräsident Gerhard Wlodkowski und Kammeramtsdirektor Dr. Kopetz die Forderung nach einer Verdoppelung der EU-Rinderprämie und einer Einführung einer Prämie für weibliche Rinder. Den gleichen Antrag stellten wir Freiheitlichen am 14. Mai im Hauptausschuß. Dieser wurde jedoch von der ÖVP abgelehnt. (Abg. Dr. Graf: Unglaublich!) Deshalb stelle ich heute folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Reichhold, Aumayr, Koller, Dr. Salzl und Wenitsch betreffend EU-Entschädigung für Österreichs Rinderbauern

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, zur Existenzsicherung der österreichischen Rinderbauern angesichts des Konsumrückgangs und Preissturzes in den EU-Gremien für den vollen Ausgleich des Preisverfalls im Zuge des britischen BSE-Skandals


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- für weibliche Rinder,

- für männliche Rinder (Verdoppelung der Stierprämie)

einzutreten."

*****

Ich fordere alle bäuerlichen Vertreter, insbesondere aber jene von der ÖVP auf, sich für die Anliegen der Bauernschaft einzusetzen, in der derzeit sehr schwierigen Situation die Rinderbauern zu unterstützen und nicht Erfüllungsgehilfen der Regierung und des Ministers zu sein. Das ist kein Miesmachen, wie ihr immer behauptet, sondern das ist ein Aufzeigen von Fakten, Daten und Zahlen. Sie sagen immer, man muß den Bauern Mut machen. Mit Ihrer Doppelbödigkeit wird es Ihnen jedoch nicht gelingen, den Bauern Mut zu machen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Bei den letzten Wahlen hat wieder ein Drittel den Bauernbund gewählt! – Abg. Ing. Reichhold: Weil sie gute Forderungen stellen!)

23.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag betreffend EU-Entschädigung für Österreichs Rinderbauern ist geschäftsordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Rainer Wimmer. – Bitte sehr.

23.45

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Anbetracht der vorgeschrittenen Stunde, des vorgeschrittenen Abends nur ein paar kurze Bemerkungen zum Waldbericht. Ich glaube, daß der vorliegende Waldbericht eine hervorragende Unterlage und ein sehr wichtiges Instrument zur Beurteilung des Zustands unseres Waldes ist. Österreich ist bekanntlich das waldreichste Land Mitteleuropas, und aus diesem Grund gewinnt eine fundiert ausgearbeitete Zustandsanalyse noch mehr Bedeutung bei uns.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser Wald befindet sich in einem sehr kritischen, sehr alarmierenden Zustand, obwohl – wie bereits im Vorjahr – die Waldflächen zunehmen und es Zuwächse bei den Holzvorräten gibt. Das ist eine sehr eigenartige Situation, aber Menge ist nicht mit Qualität gleichzusetzen. Diese Untersuchung belegt ganz deutlich, daß die Verbißschäden enorm steigen. Wenn rund 80 Prozent der Gesamtverjüngungen verbissen werden, so wie das bei uns der Fall ist, müssen die Alarmglocken läuten. Diese Problematik wird noch dadurch verdeutlicht, indem aufgezeigt wird, daß knapp 20 Prozent der Gesamtwaldfläche Schutzwald ist und dieser Schutzwald zu einem Viertel vom Zerfall betroffen ist.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Unsere Schutzwälder sind überaltet, die natürliche Verjüngung kann nicht stattfinden. Dieses Problem zeigt auch die österreichische Waldinventur klar und unmißverständlich auf. Durch die massiven Verbisse kann keine natürliche Verjüngung des Waldes stattfinden.

Ich sage immer wieder, auch wenn die Jäger daraufhin gegen mich auftreten: Es sind nicht nur Schafe und Kühe, die verbeißen, wie oftmals so gern behauptet wird, sondern es ist natürlich in erster Linie das Wild, das die Verbißschäden durchführt. Das bedeutet in der Folge, daß auch bei der Jagdbewirtschaftung unbedingt angesetzt werden muß, ungeachtet dessen, ob es nun den Waidmännern paßt oder nicht. Es ist nun einmal auch ein Problem der Wilddichte. Wenn hier nicht gegengesteuert wird, ist das Problem nicht lösbar; da hat Kollege Wabl schon recht.

Man muß daher in diesem Zusammenhang auch hinterfragen, wie sinnvoll es ist, wenn Jagdpächter zum Beispiel tonnenweise Rüben zufüttern. Ich kann an Hand eines Beispiels beweisen, daß das tatsächlich gemacht wird. Es ist einfach ein Unding, wenn auf 1 800 Meter Seehöhe ein mit Rüben voll beladener Lastwagen fährt, damit die Zufütterung durchgeführt werden kann.


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(Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Keine Ahnung!) Das ist der falsche Weg. Diese Vorgangsweise gehört einfach untersagt. Kollege Wabl hat – nun zitiere ich ihn bereits zum zweiten Mal – den Satz geprägt: Es findet ein Mästen auf fremdem Grund statt. Da hat Kollege Wabl recht, denn diese Vorgangsweise kann man nicht anders bezeichnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir können die besten Schutzwaldprogramme durchziehen und starten, sie werden nicht wirken, wenn die Wilddichte nicht abnimmt. Für diese These kann ich Ihnen Beispiele nennen, wo es funktioniert, Beispiele, wo in Schutzwäldern entweder der Wildstand drastisch gesenkt wurde oder wo man wirklich mit Wildzäunen gearbeitet hat. In diesen Gebieten hat der Jungwald eine Chance aufzukommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben uns zu entscheiden, wo wir die Prioritäten setzen: Wollen wir zufriedene Jagdgäste, wollen wir zufriedene Jagdpächter oder wollen wir einen halbwegs gesunden Wald, der sich aus eigener Kraft erhalten kann? Ich meine, daß eine gesunde, vernünftige Waldbewirtschaftung unbedingt Vorrang haben muß. Ich glaube, in diesem Punkt sind wir uns alle einig, besonders dann, wenn es um einen Schutzwald geht. Denn dort ist Sicherheit zu gewährleisten, Sicherheit für eine betroffene Bevölkerung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

23.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Ing. Langthaler. – Bitte sehr.

23.50

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich möchte diese Landwirtschaftsdebatte nutzen, um einige Gedanken zur aktuellen Frage der Gentechnologie einzubringen, vor allem natürlich unsere Position und unsere ablehnende Haltung zur Anwendung der Gentechnologie in der Landwirtschaft und bei den Freisetzungsversuchen.

Insgesamt geht es in der Landwirtschaft in den nächsten Jahren unserer Ansicht nach um eine Grundsatzentscheidung. Wir stehen nach wie vor vor der Situation, daß in den nächsten Jahren, wenn nicht entscheidende Maßnahmen gesetzt werden, 50 000 bis 60 000 Arbeitsplätze in der Landwirtschaft verlorengehen werden. Nach wie vor sind immer mehr Bauern gezwungen, ihre Betriebe aufzugeben. In diesem Zusammenhang wird es nicht nur ökologische, sondern selbstverständlich auch soziale und kulturelle Folgewirkungen geben. Es ist also in diesem Bereich sicherlich eine sehr umfassende Betrachtungsweise notwendig. Und wie in Fragen der Landwirtschaft insgesamt eine solche Betrachtungsweise notwendig ist, so ist sie auch bei der Frage der Gentechnik notwendig. Es geht dabei nicht nur um die Frage der Freiheit der Forschung. Es kann dabei auch nicht nur um rein naturwissenschaftliche Anliegen gehen, sondern es muß uns dabei auch um ethische und gesellschaftliche Anliegen gehen sowie um die Frage, bis zu welchem Grad man einfach gewisse Trends und gewisse Experimente zulassen darf.

Wir stellen überhaupt nicht in Frage, daß die Gentechnik im Bereich der Medizin und der Krebsforschung ihre Notwendigkeit hat, daß sie auf diesem Gebiet nicht nur zu Forschungszwecken, sondern tatsächlich auch in der Praxis sinnvoll zur Anwendung kommt.

Völlig anders verhält es sich zweifelsohne mit der Anwendung der Gentechnik in der Landwirtschaft. Dort hat diese nach unserer und nach meiner Überzeugung überhaupt nichts verloren. Und es ist für mich nach wie vor unverständlich, daß man etwa aus Vorkommnissen wie dem BSE-Skandal nichts lernt, im Zuge dessen sichtbar wurde, daß es wider die Natur ist, wenn man Wiederkäuer mit Fleisch füttert. Ebenso ist wider die Natur, wenn man eine Seidenraupe in einen Erdapfel oder in eine Zelle einpflanzen will, um sie danach nicht industriell, sondern auch als Lebensmittel zu nutzen. Es ist verrückt, das Gen einer Paranuß in die Sojabohne einzupflanzen. Es gäbe viele Beispiel, nicht nur im Pflanzen-, sondern natürlich auch im Tierbereich, mit denen man zeigen kann, daß hiebei nicht nur gewisse moralische und ethische Fragen ins Spiel kommen, sondern daß letztendlich wir alle als Versuchskaninchen herhalten müssen.

Denn zweifellos – das zeigen alle Untersuchungen – ist überhaupt nicht abschätzbar, welches Risiko auf uns zukommt. Bereits die ersten Untersuchungen aus den weltweit durchgeführten Freisetzungsversuchen zeigen, daß alle Warnungen von Kritikern völlig richtig waren.


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Es ist zu Auskreuzungen gekommen. Es ist zu einem weit größeren Pollenflug von angeblich sterilen Pflanzen gekommen, und zwar über Strecken von nicht 200 Meter, wie manche befürchteten, sondern von weit über 2 Kilometer. Es ist tatsächlich zu Beeinträchtigungen anderer Felder, die überhaupt nichts mit diesen Freisetzungsversuchen zu tun hatten, gekommen. Auf diesem Gebiet gibt es Risiken und viele offene Fragen. Es besteht jetzt die Notwendigkeit in Österreich, gerade in der Phase der Entscheidungsfindung ganz klar ein Zeichen zu setzen und konkret eine Ablehnung gegenüber Freisetzungsversuchen und der Anwendung der Gentechnik in der Landwirtschaft festzuhalten.

Ich bringe deshalb folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Andreas Wabl, Ing. Monika Langthaler, Freundinnen und Freunde betreffend Moratorium für Freisetzungsanträge von gentechnisch veränderten Organismen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz werden aufgefordert, ein Moratorium für die Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen für die Dauer von fünf Jahren zu beschließen.

*****

Dabei möchte ich noch einmal betonen, daß es uns nicht darum geht, generell die Forschung zu unterbinden, auch nicht die Forschung im Bereich der Pflanzengenetik; diese soll im Labor natürlich auch in Österreich stattfinden. Es geht uns hier ausschließlich um die Frage der Freisetzung, ausschließlich dafür wollen wir einen sofortigen Stopp und vor allem auch die Initiative Österreichs gemeinsam mit anderen europäischen Ländern, damit nicht nur in Österreich, sondern europaweit eine Diskussion entsteht.

Der zweite Entschließungsantrag, den ich in diesem Zusammenhang einbringen möchte, betrifft den biologischen Landbau. Wir sind der Überzeugung, daß es nicht möglich ist, auf der einen Seite Gentechnik in der Landwirtschaft einzusetzen und andererseits dann noch von biologischem Landbau zu sprechen. Alle Landwirte, mit denen wir in den letzten Wochen und Monaten diskutiert haben, sagen, daß, wenn der Trend so weitergeht, es in 10 bis 15 Jahren zweifellos nur mehr Saatgut aus gentechnisch veränderten Organismen geben wird. Sie sagen, daß die Zurverfügungstellung von biologischem Saatgut einer der zentralen Bestandteile für den Umstieg von der industriellen Landwirtschaft auf eine ökologisch verträgliche Biolandwirtschaft in den nächsten Jahren und Jahrzehnten sein wird.

Ich bringe daher den zweiten Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Andreas Wabl, Ing. Monika Langthaler, Freundinnen und Freunde betreffend Forschungsschwerpunkt für den biologischen Landbau

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft wird aufgefordert, einen Forschungsschwerpunkt "Biologischer Landbau" zu setzen, diesen mit ausreichenden finanziellen Mitteln zu dotieren und dafür Sorge zu tragen, daß die Infrastruktur der entsprechenden Bundesinstitutionen für Beratung, Prüfung und Entwicklung von biologischem Saatgut in Anspruch ge


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nommen werden kann. Zentraler Aspekt dieses Forschungsschwerpunktes soll vor allem die Herstellung von biologischem Saatgut sein.

*****

Ich komme zum Schluß: Es wurde heute erst eine Umfrage präsentiert, die mir sehr glaubwürdig erscheint, aus der hervorgeht, daß sich die überwiegende Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher konsequent gegen die Nutzung der Gentechnik in der Landwirtschaft ausspricht. Mehr als 80 Prozent lehnen Freisetzungsversuche ab. Mehr als 90 Prozent verlangen eine 100prozentige Kennzeichnung und weit bessere Information als bisher.

Wir sollten das auch als Auftrag und als Chance für Österreich sehen, daß wir auf europäischer Ebene wirklich eine Vorreiterrolle spielen. Ich habe heute der Rede des Abgeordneten Gradwohl entnommen, daß es zweifellos die Möglichkeit gibt, in diesem Haus eine breitere Allianz für einen wirklichen Freisetzungsstopp in Österreich zu erzielen. Ich hoffe sehr, daß auf seiten der ÖVP nicht nur dann, wenn es um ein Foto des Herrn Molterer auf der einen Seite und des Herrn Bartenstein auf der anderen Seite in der "Kronen-Zeitung" geht, plötzlich genug Mut vorhanden ist, daß man ein bisserl auf populär gegen herbizidresistenten Mais unterschreibt, aber ansonsten einen Rückzieher macht. (Abg. Kiss: Was soll das? – Abg. Dr. Khol: Sie sehen Ihr Foto auch gern in der "Kronen-Zeitung"! Und auch ich sehe Ihr Foto gerne!) Was regen Sie sich denn so auf, Herr Khol? Sie sind ja auch in der "Kronen-Zeitung" abgebildet. Auch Frau Fekters Foto war in der "Kronen-Zeitung". Ich habe auch nichts dagegen, wenn Herr Bundesminister Molterer in der "Kronen-Zeitung" abgebildet ist und gegen den Freisetzungsversuch von herbizidresistentem Mais unterschreibt. Ich fordere nur eine konsequente Haltung. Man kann nicht einerseits, wenn es gerade populär ist, gegen etwas sein, und andererseits, wenn gerade keine große Zeitung eine Kampagne startet, eine andere Position einnehmen. (Zwischenruf des Abg. Kiss. )

Wir sehen in den letzten Tagen, daß es auf seiten der Sozialdemokraten eine weit größere Bereitschaft gibt, für ein Moratorium von Freisetzungsversuchen einzutreten, daß es hingegen auf seiten der ÖVP von einflußreichen Agrarlobbyisten einen ziemlichen Druck gibt, einen generellen Stopp der Freisetzungsversuche in diesem Land zu verhindern.

Ich hoffe, der Eindruck täuscht. Ich hoffe, wir werden tatsächlich bald eine entsprechende Enquete im Parlament durchführen können, und ich hoffe, daß es Ergebnis einer solchen Gentechnikenquete im Parlament sein wird, daß wir für viele Jahre auf Freisetzungsversuche von gentechnisch veränderten Lebensmitteln in Österreich verzichten. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

23.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die beiden Entschließungsanträge, die verlesen wurden, sind ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und stehen in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Auer.

23.58

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wohl selten ist eine Chance, dieses umfangreiche Agrarpaket intensiv zu diskutieren, so wie heute durch diese durchaus nicht dringliche Anfrage der Freiheitlichen Partei verspielt worden. Ich finde das schade. Denn gerade die Punkte, die heute die Landwirtschaft betreffend auf der Tagesordnung sind, sollten umfangreich diskutiert werden.

Heute hätten wir die Möglichkeit gehabt, dies umfangreich zu diskutieren, Vergangenheit und Zukunft zu beleuchten und die Landwirtschaft umfassend zu sehen, denn Landwirtschaft ist mehr als die Bewirtschaftung des Landes.

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zwei Punkten widmen, den Bereichen Landwirtschaft und Umwelt sowie Landwirtschaft und Wasser.


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Die Bauern sollen biologisch und ökologisch wirtschaften – das wird in vielen Schlagzeilen und Sonntagsreden verkündet – und Wasser und Natur schützen. Ich bekenne mich dazu. Meine Damen und Herren! Wenn es allerdings um die Ausbringung von Klärschlamm geht, wird diese Frage nicht gestellt. Dann soll Grund und Boden des Bauern die Entsorgungsstätte der modernen Gesellschaft sein, und zwar aus Kostengründen, ohne Rücksicht darauf, was später passiert. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Wenn Sie sich den Artikel der deutschen Zeitung, die ich hier habe, zu Gemüte führen, meine Damen und Herren, dann wissen Sie, daß die Versicherungswirtschaft die Klärschlamm- und Müllkompostrisiken größer einschätzt als die Atomrisken. Wissen Sie, meine Damen und Herren, daß infolgedessen weltweit kein einziges Versicherungsunternehmen bereit ist, diese Risken auch bei Zahlung höchster Prämien abzudecken und Versicherungsschutz zu gewähren? Auch die Beleihungswerte von Grund und Boden in Deutschland sind um 40 Prozent abgewertet worden, weil die Schadstoffausbringung eklatant ist. Große Nahrungsmittelkonzerne – vor allem im Kindernahrungsmittelbereich – sind nicht bereit, Produkte von Bauern zu kaufen, die Klärschlamm auf ihre Felder ausbringen lassen.

Hier besteht ein großes Risiko, und wir sind aufgefordert, Grund und Boden nicht als Ablagerungsstätte zu verwenden, sondern die Bauern mit ihrem Grund und Boden zu schützen, damit sie dem Auftrag, Grundwasser zu schützen, auch nachkommen können, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist bequem, den bäuerlichen Boden als Ablagerungsstätte zu verwenden. Ein kleines Beispiel: In einem kleinen Verband mit rund 20 000 Einwohnergleichwerten fällt so viel Klärschlamm an, daß jene Bauern, die diesen ausbringen lassen, den betreffenden Interessenten pro Jahr 2 Millionen Schilling an Kosten ersparen. Denn das würde es kosten, den Klärschlamm von 20 000 Einwohnergleichwerten auf Deponien zu entsorgen oder zur Verbrennung zu bringen.

Meine Damen und Herren! Ich fordere daher ganz entschieden: Solange die Haftungs- und Versicherungsfrage nicht gelöst ist, darf es keine weitere Ausbringung von Klärschlamm auf bäuerlichen Boden geben!

Meine Damen und Herren! Zum Punkt Landwirtschaft und Umwelt: Die österreichischen Bauern sollen ökologisch wirtschaften. Wenn man sich die Landwirtschaft in Europa ansieht, so kann man feststellen, daß Österreich das umfassendste Umweltprogramm installiert hat und in der Europäischen Union eine Vorreiterrolle bei der Ökologisierung der Landwirtschaft innehat. 70 Prozent aller Betriebe nehmen am Ökologisierungsprogramm teil. Rund 80 Prozent der bewirtschafteten Fläche werden von diesem Programm erfaßt. Sowohl nach der Zahl der Betriebe als auch nach der Fläche liegt Österreich weit vor allen anderen EU-Staaten. Damit hat Österreich bereits im ersten Jahr seiner Mitgliedschaft Maßstäbe gesetzt, die sich sehen lassen können.

Die Zahl der biologisch wirtschaftenden Betriebe – so kann man dem Grünen Bericht entnehmen – beträgt rund 16 000. Das sind rund 8 Prozent der bewirtschafteten Fläche in Österreich. In Tirol und Salzburg liegt der Anteil bereits bei 30 Prozent. Knapp 38 000 Betriebe verzichten auf bestimmte ertragssteigernde Betriebsmittel. Auf Einzelflächen haben knapp 80 000 Bauern, die Ackerbetriebe bewirtschaften, auf ertragssteigernde Betriebsmittel verzichtet, beim Grünland sind es immerhin rund 45 000.

Das sind Zahlen, die nachweisen, daß der österreichische Bauer das Anliegen, daß die Landwirtschaft ökologisch und biologisch betrieben werden soll, ernst nimmt, daß er im Schutz von Grund und Boden und im Schutz des Grundwassers ein Ziel sieht, daß es wert ist, im Interesse der gesamten Gesellschaft tatsächlich angestrebt zu werden. – Wir sollten die Bauern auch in Zukunft dabei unterstützen. (Beifall bei der ÖVP.)


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0.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Grabner. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

0.05

Abgeordneter Arnold Grabner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte in meiner Funktion als Mitglied des Landwirtschaftsausschusses zum Waldbericht sprechen. (Abg. Dr. Khol: Zum Mountainbiking?) Herr Klubobmann! Sie brauchen nur ein bißchen Ihrem Landeshauptmann nachzugeben, dann wäre das Problem schon lange erledigt!

Grundsätzlich geht es mir darum, für Waldbesitzer, Tourismuswirtschaft, Gemeinden und Mountainbiker eine Regelung zur Zufriedenheit aller Partner zu finden.

Ich möchte eingangs gleich darauf hinweisen, daß es sich nicht so verhält, daß überhaupt nichts weitergeht. Zurzeit existiert in Österreich ein Radwegenetz von 6 000 Kilometern Länge. Viele dieser Wege bestehen aufgrund privatwirtschaftlicher Verträge. Beispielsweise herrscht im Stubaital stillschweigende Duldung unter der Voraussetzung, daß sich die Radfahrer rücksichtsvoll und verantwortungsbewußt verhalten. Meine Damen und Herren! Angezeigt wurde dort noch niemand!

Es gibt genug Beispiele für Kooperationsformen zwischen Waldbesitzern und örtlichen Tourismusverbänden oder den Ländern, über die ich schon in meiner letzten Rede im Rahmen der Debatte zum Strukturanpassungspaket berichtet habe. (Zwischenruf des Abg. Auer. ) Ich stehe auch nicht an ... (Zwischenruf des Abg. Kiss. ) Meine Herren Kollegen! Gerade ihr seid jene, die immer wieder sagen, daß für den Tourismus in Österreich etwas geschehen muß. Auf diesem Gebiet bestünde eine Möglichkeit. Ich habe schon gesagt: Fragen Sie Ihren Landeshauptmann in Tirol, fragen Sie aber auch Ihren Bundesminister Ditz, der sich mit dem Problem genauso beschäftigt, weil er weiß, daß wir nur so wir dem Tourismus in Österreich behilflich sein können. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir können es uns nicht leisten, daß heute in nahezu jeder deutschen Bikerzeitschrift vor Urlauben in Österreich geradezu gewarnt wird, während sich am Gardasee im Sommer Tausende Mountainbiker tummeln. (Abg. Böhacker: Warum?) Weil sie Schwierigkeiten haben, weil sie nicht fahren können! (Abg. Mag. Trattner: Wo?)

Sommerfrische in Österreich ... (Abg. Schwarzenberger: In Salzburg gibt es 2 600 Kilometer Radwege!) Sie brauchen unserem Antrag nur beizutreten, dann ist das Problem für die Zukunft erledigt! Unser Tourismus wird ohne die Schaffung von Möglichkeiten für Mountainbiker nicht auskommen.

Ich habe Ihnen im Rahmen meiner Rede zum Strukturanpassungspaket einige Zahlen und Daten genannt und möchte heute einige weitere Daten und Fakten zum Radtourismus nennen; ich kann mich dabei auf Ausführungen einer neuen Diplomarbeit stützen.

24 Prozent der Urlauber in Österreich radeln – wenigstens fallweise – während des Urlaubs. Die Beliebtheit des Radsports zeigen auch Gästebefragungen in Deutschland. Demnach wollen 6 Prozent der Deutschen im Urlaub radeln, während beispielsweise nur 1,2 Prozent Schi fahren wollen. – Wurden im Jahre 1995 ... (Zwischenruf des Abg. Mag. Trattner. ) Hör ein bißchen zu, das wäre gut für dich! Du redest immer von der Wirtschaft, aber leider beschäftigst du dich mit diesem Problem viel zuwenig! (Beifall bei der SPÖ. – Weiterer Zwischenruf des Abg. Mag. Trattner. ) Ich komme schon dazu.

Wurden im Jahre 1995 etwa 560 000 Fahrräder verkauft, so wurden im gleichen Zeitraum nur 330 000 Paar Schi verkauft. Der Fahrradtourismus ist kein Billigtourismus. Von den Radlern auf dem Tauernradweg verfügen 58 Prozent über Haushaltseinkommen von über 28 000 S pro Monat.

Dazu kann ich nur die Überschrift eines Artikels über Mountainbiking in den "Salzburger Nachrichten" vom 20. April dieses Jahres zitieren: "Radfahrer – erst verkannte, jetzt begehrte Gäste".

Meine Damen und Herren! Sehen wir uns die Struktur der Waldbesitzungen in Österreich an. Die Österreichischen Bundesforste besitzen zirka 15 Prozent des Waldes, ein relativ großer Teil


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davon ist Schutzwald. Die Betriebe des Hauptverbandes der Land- und Forstwirtschaftsbetriebe Österreichs, in diesem sind Betriebe mit über 200 Hektar organisiert, besitzen an die 32 Prozent der Waldfläche. Der Rest, nämlich zirka 53 Prozent, sind Klein- und Mittelbesitzungen.

Aus dieser Struktur ist unschwer zu ersehen, daß Lösungen nicht einfach zu finden sein werden und vor allem regional maßgeschneidert sein müssen. Dem Bund kommt dabei die sehr wichtige Rolle zu, klare, überschaubare und praxistaugliche Rahmenbedingungen für alle zu schaffen.

Meine Damen und Herren! Aufgrund unseres Initiativantrages hat es einige Wortmeldungen gegeben. Eine, die mich besonders positiv stimmt, war eine Aussendung des Hauptverbandes der Land- und Forstwirtschaftsbetriebe Österreichs, der – ich zitiere wörtlich –: einer gezielten und geordneten Öffnung positiv gegenübersteht, sofern eine Vertragsbasis geschaffen wird, wobei Haftung und Versicherung geklärt werden. – Ich bin völlig der gleichen Meinung. (Abg. Schwarzenberger: Dazu stehen wir!)

Abschließend möchte ich zusammenfassen. (Abg. Schwarzenberger: Wir haben in Salzburg 2 600 Kilometer Radwege!) Ist schon gut! Wenn wir das gesetzlich regeln, dann bekommen wir keine Schwierigkeiten. Sprechen Sie mit Ihrem Herrn Bundesminister Ditz, er wird Ihnen ebenfalls sagen, daß dieses Problem gelöst werden muß.

Ich kann aus eigener Erfahrung aufgrund zahlreicher Gespräche mit Fachleuten sagen, daß wir in Zukunft einiges leisten müssen, da wir in diesem Bereich Marktchancen für den Tourismus haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Super!) Ich danke für Ihre Zustimmung, Herr Klubobmann.

Um die Haftungsfragen auf Forstwegen und für das Bergradeln zu lösen, müssen sich Forstbesitzer, Gemeinden und Tourismusvertreter an einen Tisch setzen. Es geht darum, maßgeschneiderte Modelle für jede Region zu entwerfen und umzusetzen. Rechtsunsicherheit muß vermieden und Rechtsfolgen müssen klar definiert werden. Ich lade alle Fraktionen zur Zusammenarbeit ein, damit wir in nächster Zeit das Problem im Interesse der Radfahrer, der Wirtschaft und des Tourismus lösen können. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

0.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Horngacher. – Bitte, Sie haben das Wort.

0.13

Abgeordnete Katharina Horngacher (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Der Landwirtschaftsbericht 1994 ist ein interessantes und mittlerweile historisches Dokument darüber, wie es der Landwirtschaft in Österreich vor dem EU-Beitritt ergangen ist. Inzwischen ist vieles geschehen: Die GATT-Verhandlungen beginnen zu greifen, und der EU-Beitritt hat stattgefunden.

Durch die unerwartet hohen Preiseinbrüche setzen gerade jetzt bei den Bauern im Berggebiet konkrete und auch gerechtfertigte Existenzängste ein. Preisrückgänge bei Milch, Mast- und Zuchtvieh zeigen den Bauern, daß sie auch in Zukunft vom Erlös ihrer Produkte kein entsprechendes Einkommen mehr erwirtschaften können. Andere Leistungen der Bauern im Berggebiet, wie die dauerhafte Sicherung der alpinen Siedlungen, die nachhaltige Pflege der Landschaft, der Wälder, der Erholungsräume, der hochalpinen Regionen, werden finanziell kaum abgegolten.

Wichtig für die Erhaltung der bäuerlichen Familienbetriebe im Berggebiet sind daher die Einführung eines Sockelbetrages, die konsequente Umsetzung des Europaabkommens der Regierungsparteien sowie die ausreichende Dotierung der für die Land- und Forstwirtschaft vorgesehenen Förderungsmaßnahmen auch im Hinblick auf die optimale Inanspruchnahme der EU-Kofinanzierung. Die Fortsetzung der Ökologisierung der Agrarproduktion, die Schaffung wettbewerbsfähiger Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen und eine wirksame Bildungsarbeit im ländlichen Raum müssen forciert werden.


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Den Einsatz von Hormonen in der Tiermast und in der Milcherzeugung möchte ich dezidiert ablehnen. Vor dem Einsatz von gentechnischen Methoden in der Lebensmittelproduktion ist auch absolut zu warnen. Veränderungen in dieser Richtung, rein mit dem Ziel der Gewinnmaximierung, sind ein Irrweg.

Vielleicht spüren gerade wir Frauen doch manchmal eher, wo es Grenzen gibt, die nicht mehr überschritten werden dürfen. Die Natur rächt sich oft spät, aber sie rächt sich immer. Mit Engelszungen hat man uns in den sechziger Jahren die friedliche Nutzung der Kernenergie angepriesen. Wir Frauen waren damals skeptisch, auch ich. Und seit dem Unfall in Tschernobyl wissen wir, wie furchtbar es sich rächen kann, wenn der Mensch den Zauberlehrling spielt.

Es gibt heute noch keinen Wissenschafter, der über die Langzeitfolgen des Einsatzes der Gentechnologie in der Lebensmittelproduktion hundertprozentig Bescheid weiß. Daher sind Vorsicht und ein behutsamer Umgang mit unseren Lebensgrundlagen angebracht. (Beifall bei der ÖVP.)

Über ein neues System der Bergbauernförderung müssen wir offensiv diskutieren, dann aber auch zu Ergebnissen kommen und diese umsetzen. Dabei ist es jedoch wenig hilfreich und förderlich, wenn man – wie zum Beispiel Klubobmann Kostelka – hier zum Klassenkampf aufruft und Neid unter den Bauern sät.

Abgeordneter Gradwohl hat vorhin von der Toleranzgrenze der Gesellschaft im Hinblick auf die Förderung der Bauern gesprochen. Ich möchte dazu nur sagen: Auch bei den Bauern gibt es eine Toleranzgrenze. Wir können weitere Einbußen bei den Einkommen nicht hinnehmen! Die Landwirtschaftsförderungen sind keine sozialen Zuwendungen, sie sind auch keine Geschenke. Sie sind eine Abgeltung von Leistung! (Beifall bei der ÖVP.)

Die Nutznießer der derzeitigen Entwicklung sind die Konsumenten, die für ihre Grundnahrungsmittel weniger Geld ausgeben müssen als jemals zuvor.

Wenn nun, wie ich kürzlich gelesen haben, in der Steiermark täglich sechs Bauern die Rinderhaltung aufgeben, so möchte ich das nicht als "Bauernsterben" bezeichnen. Denn der Bauer stirbt nicht, er sucht sich nur einen anderen Arbeitsplatz. Letzteres bedeutet aber gerade in der Bergregion einen nicht wiedergutzumachenden Schaden für das ganze Land und für die gesamte Gesellschaft, denn die Flächen, die nicht mehr bewirtschaftet werden, verbuschen.

Nun ein Wort zum Bergradeln oder Mountainbiking: Der Antrag der Sozialdemokraten ist für uns deshalb nicht annehmbar, weil verabsäumt wurde, auf zwei wesentliche Punkte, nämlich auf die Wegerhaltung und die Haftungsfrage, genauer einzugehen. Ich bin der Meinung, daß es diesbezüglich bald zu einer Lösung kommen soll. Deswegen müssen sich die Gemeinden, der Fremdenverkehrsverband und die Waldbesitzer zusammensetzen, vertragliche Regelungen finden und im Einvernehmen ein Wegenetz erstellen, das für die Bergradler dann zur Verfügung steht. Gerade im hochalpinen Raum eignet sich ja nicht jeder Weg für diesen Sport. Eine Einigung kann meiner Meinung nach nur dann erzielt werden, wenn der Interessent für die Öffnung des Weges die Erhaltung und die damit verbundene Haftung übernimmt. – Alles andere wäre eine Art Enteignung.

Die Landwirtschaft steht in bewegten Zeiten. Wir müssen alle bereits erwähnten Maßnahmen umsetzen, um gegen den ruinösen Preisdruck und nach Auslaufen der degressiven Ausgleichszahlungen gerüstet zu sein, damit auch in Zukunft der Arbeitsplatz Bauernhof zu sichern ist. (Beifall bei der ÖVP.)

0.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Am Wort ist nunmehr Herr Abgeordneter Achs. – Bitte, Herr Abgeordneter.

0.20

Abgeordneter Matthias Achs (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Insgesamt gesehen war das Jahr 1994 ein gutes Jahr für die österreichische Land


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wirtschaft. Die Endproduktion ist genauso gestiegen wie der Anteil am Volkseinkommen. Wenngleich der Einkommenseinbruch aus dem Jahr 1993 nicht voll ausgeglichen werden konnte, sind die Einkünfte nichtsdestotrotz um 11 Prozent gestiegen.

Ein großer Anteil an dieser Entwicklung ist sicher der Situation im Weinbau zuzuschreiben. So war die Weinernte um 40 Prozent größer als 1993, wobei die Preise jedoch stabil gehalten werden konnten. Das Bekenntnis der österreichischen Winzer zur Qualität hat sich bezahlt gemacht. Unsere Weine genießen weltweit einen hervorragenden Ruf. Dadurch ergibt sich für unsere Winzer die Chance einer höheren Wertschöpfung und wirtschaftlicher Erfolge.

Infolgedessen werden auch zusätzliche Investitionen und eine Modernisierung bei der Herstellung möglich. Auch das, nämlich das Fitmachen der Betriebe für den Wettbewerb und den Außenhandel, ist unter Arbeitsplatzsicherung in der Landwirtschaft zu verstehen.

Mit dem Öffnen von neuen Märkten gewinnen Handelsbeziehungen naturgemäß an Dynamik. Bereits 1994 hat sich im Hinblick auf den EU-Beitritt einiges bewegt. So ist beispielsweise der Export gegenüber 1993 um knapp 17 Prozent gestiegen. Ich bin überzeugt davon, daß sich die österreichischen Bauern ihrer Verantwortung für einen natürlichen Lebensraum bewußt sind und auch weiterhin gesunde und hochwertige Nahrungsmittel auf die Tische der Österreicher liefern werden.

Der Grüne Bericht 1994 zeigt uns aber nicht nur positive Entwicklungen auf. Im Bereich der Einkommensverteilung etwa hat sich der negative Trend fortgesetzt. So verfügen 10 Prozent der Betriebe bereits über 30 Prozent der Einkünfte! Dies ist eine Zahl, die in anderen Branchen der Wirtschaft möglicherweise nichts Besonderes ist, durch den hohen Anteil an öffentlichen Geldern kommt der Landwirtschaft allerdings eine Sonderstellung zu. Hier ist die öffentliche Hand gefordert, ihre Mittel, nämlich die Mittel der Allgemeinheit, gerecht zu verteilen. Das bedeutet erstens eine Stärkung der Klein- und Mittelbetriebe, zweitens den Ausbau der direkten Förderungen und drittens eine verstärkte Orientierung an ökologischen Kriterien. Dadurch kann eine nachhaltige bäuerliche Landwirtschaft gesichert werden, zu der wir Sozialdemokraten uns bekennen.

Wir wollen, daß kleinere Bauern weiterhin die Möglichkeit haben, ihr Land zu bestellen und ihre Wiesen zu bewirtschaften. Wir wollen, daß es auch in Zukunft eine Pflege der vielfältigen Kulturlandschaften gibt. All das sind unsere Anliegen, weil uns der Stellenwert einer bäuerlich strukturierten Landwirtschaft für die Landschaftspflege in unserem Land bewußt ist. Daher bekennen wir Sozialdemokraten uns dazu, daß diese Leistungen auch abgegolten werden. Wir treten für eine gerechte Aufteilung der Mittel ein, weil uns die Zukunft der österreichischen Bauern ein Anliegen ist.

Der Fleiß unserer Bauern ist ein Kapital, das mich optimistisch stimmt; optimistisch, daß uns eine bäuerliche Landwirtschaft – mit all ihren Vorzügen – auch weiterhin erhalten bleibt. (Beifall bei der SPÖ.)

0.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schrefel. – Bitte, Herr Abgeordneter!

0.24

Abgeordneter Josef Schrefel (ÖVP): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Da Kollege Wabl jetzt wieder im Saal ist, ein Wort zu ihm. Lieber Kollege! Du bist zu fast mitternächtlicher Stunde zu einer Tat geschritten, um gegen Waldverwüstung durch Wild einen Schuß abzugeben. Aber dieser Schuß war ein Rohrkrepierer, denn um diese Zeit, zu mitternächtlicher Stunde, bei diesem Büchsenlicht gibt man keinen Schuß ab. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Für mich bedeutet der Wald aber mehr als ein Disney Land im Wildpark oder, Herr Kollege Grabner, eine Sportarena für die Freizeitgesellschaft. Für mich ist der Wald Lebensraum und Heimat für alle Bürger dieses Staates.


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Der Waldzustandsbericht 1994 für Österreich zeichnet ein differenziertes Bild des Zustandes des Waldes.

Einerseits belegt die Forstinventur zunehmende Waldflächen, Holzvorräte, Zuwächse der Laub- und Mischwälder, andererseits sind allerdings die Beeinträchtigungen des Waldes durch Wild, Luftverunreinigung sowie die Situation des Schutzwaldes bedenklich. (Abg. Dr. Khol: Und auch die Mountainbiker!) Die Situation des Schutzwaldes ist – die Mountainbiker werden später behandelt – prekär. Meine Damen und Herren! Überalterung, Wildschäden sowie zunehmende touristische Aktivitäten lassen eine Sanierung dieser sensiblen Waldregion hinfällig erscheinen.

Einen wesentlichen Anteil an der Verursachung neuartiger Waldschäden trägt die Luftverschmutzung, die wissenschaftlich nachweisbar ist, bei. Eine Schlüsselrolle spielen hiebei Luftverunreinigungen aus verschiedenen Quellen. Sie werden oft über weite Strecken transportiert, bevor sie auf Wald und Boden niedergehen.

Waldschutz muß daher grenzüberschreitend gesehen werden. Maßnahmen zur Verhinderung von Schäden werden durchgeführt. So ist es zum Beispiel durch die sogenannte Osthilfe gelungen, Umweltmaßnahmen in unseren Nachbarländern zu forcieren. Dabei wurde mit relativ geringen Mitteln ein beträchtlicher Synergieeffekt erzielt. Ich denke hiebei an die letzte Debatte im Umweltbereich: Durch die Schließung von vier Kohlekraftwerken in den Ostnachbarländern werden jährlich 230 000 Tonnen an Emissionen eingespart. Ein Vergleich: Österreich erzeugt nur 75 000 Tonnen an Emissionen.

1994 waren auch große Schäden, speziell in den Fichtenbeständen der Tieflagen, durch den sogenannten Schädlingsbefall festzustellen. Rund ein Zehntel der eingeschlagenen Holzmenge wurden aufgrund von Zwangsnutzung durch Borkenkäferbefall, der bereits 1992/93 große Schäden verursacht hat, bewirkt. Insgesamt fielen im Jahr 1994 1,7 Millionen Festmeter Schadholz an.

Die Zahlen für 1995 sind noch nicht bekannt, aber auch das Jahr 1995 war ein Rekordjahr betreffend Schadholz. Ferner gab es im vergangenen Winter größte Umweltschäden durch Schneedruck und Reif. Allein im Waldviertel in Niederösterreich wurden schätzungsweise 600 000 Festmeter Forstbestand beschädigt. Heute habe ich gelesen, daß es in Kärnten 700 000 Festmeter waren.

Kurz zur Ertragslage unseres Waldes: Die positive Wirtschaftsentwicklung brachte 1994 auch der Forstwirtschaft eine leichte Erholung, allerdings auf einem extrem niedrigen Niveau. Die verbesserte Ertragslage – teils durch höhere Produktion, teils durch bessere Rohholzpreise – muß jedoch eher als zwiespältig angesehen werden. Erhöhte Erlöse aus Holzverkauf und intensive Rationalisierungsmaßnahmen haben zwar das Einkommen der Forstbetriebe verbessert, die hohen Fixkosten führten aber dennoch bei einem Großteil der Forstbetriebe zu einem negativen Betriebsergebnis.

Der Wald schafft direkt und indirekt Arbeitsplätze für bis zu 340 000 Menschen in diesem Land, obwohl die Zahl der Forstfacharbeiter ständig zurückgeht; wir verzeichneten im Jahr 1994 nur noch 4 700 Forstfacharbeiter. Ein großer Teil der Waldarbeit entfällt auf die bäuerlichen Betriebe. Dort sind die Arbeitsplätze aufgrund des hohen Einsatzes familieneigener Arbeitskräfte quantitativ nur schwer erfaßbar. Die Einkommensschöpfung der waldreichen bäuerlichen Betriebe stellt jedoch eine wesentliche Stütze für die bäuerlichen Einkommen dar.

Die Waldwirtschaft ist durch ihre ausgedehnte Leistungspalette ein immens wichtiger Wirtschaftszweig, dessen volkswirtschaftliche Bedeutung nicht ausschließlich am Beitrag der Holzwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt gemessen werden kann. Die Erhaltung dieses Wirtschaftszweiges bedeutet die Erhaltung der Multifunktionalität des Berglandes beziehungsweise der Bergregionen, was andernfalls Einkommensverluste in diesen Regionen bedeuten würde und volkswirtschaftlich nicht vertretbar wäre.

Was die Vielfachnutzung des Waldes durch die Freizeit- und Erholungsgesellschaft betrifft, finden wir uns in einem neuen Spannungsfeld. Was des einen Freud ist, ist des anderen Leid.


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Was zum Beispiel eine relativ kleine Gruppe echter Mountainbiker freut, bringt Probleme für viele andere mit sich. Forstwege sind in erster Linie Betriebs- und Arbeitsstätten, Transportwege und keine Sportstätten. Die völlige Freigabe würde einen Zwangseingriff in das Eigentumsrecht darstellen.

Auch der Hinweis auf die Verwendung öffentlicher Mittel zur Erschließung von Forststraßen ist noch keine Legitimation für die freie Benützung. An dieser Stelle möchte ich ein Beispiel bringen: Wenn ich im Hotel oder im Restaurant keinen Platz bekomme, bin ich deshalb nicht berechtigt, in eine geförderte Wohnung eines Staatsbürgers einzudringen und mich dort niederzulassen. Das wäre ein ungefährer Vergleich mit dem Einsatz öffentlicher Mittel bei der Erschließung von Verkehrsstraßen.

Um den Bedürfnissen dieser Sportler und der Tourismuswirtschaft jedoch entgegenzukommen, ist meiner Meinung nach eine marktwirtschaftliche Lösung einer gesetzlichen Lösung vorzuziehen.

Die Wald- und Wildproblematik ist ein weiteres Thema, das einmal von einer anderen Seite beleuchtet werden muß. Hier ausschließlich ein Wildproblem zu konstatieren, wäre falsch. Vielmehr müßte der Faktor Mensch und der Umstand, daß der Lebensraum für das Wild immer mehr eingeengt wird, in die Betrachtung miteinbezogen werden. Durch die permanente Beunruhigung und Belästigung ist das Wild gezwungen, seine Lebens- und Ernährungsgewohnheiten zu ändern, was zu sogenannten Wildschäden führt. Der Mensch nimmt sich, wann immer er will, das Recht heraus, in Wohn- und Schlafzimmer des Wildes einzudringen. Die Erfüllung der Forderung, den Wald für Sport- und Freizeitgestaltung freizugeben und gleichzeitig den Abschuß zu erfüllen, damit der Wildbestand stimmt, ist unmöglich. (Abg. Dr. Khol: Frevel!) Meine Damen und Herren! Der Wald ein Lebensraum, der heute, mehr denn je, Multifunktionalität und Aufgaben zu erfüllen hat, dessen Überleben aber von immer mehr Negativfaktoren beeinflußt wird.

Der Waldbericht 1994 ist ein großartiges Nachschlagewerk und enthält weit mehr, als es eigentlich die gesetzliche Verpflichtung wäre. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

0.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist die Frau Abgeordnete Sophie Bauer. – Bitte.

0.32

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da wir heute über den Grünen Bericht diskutieren, möchte ich kurz auf die Situation der Bergbauern eingehen.

In Österreich haben wir 99 352 Bergbauernbetriebe. Die Steiermark steht mit 17 795 Betrieben in Österreich an der dritten Stelle. Im Jahr 1993 standen an Bergbauernzuschüssen 1 054 Millionen Schilling für ganz Österreich zur Verfügung. Im Jahr 1994 waren es 1 168 Millionen Schilling. Für das Land Steiermark waren im Jahr 1994 218,8 Millionen Schilling für Bergbauernzuschüsse vorgesehen. Auf den ersten Blick scheint das recht viel zu sein, teilt man diese Zuschüsse aber auf die einzelnen Bergbauernhöfe auf, dann entfällt auf einen Bergbauernhof im Durchschnitt ein Betrag von zirka 10 000 S.

Die Direktzahlungen an die Bergbauern sollen vor allem dazu beitragen, die Funktionsfähigkeit der Berggebiete zu erhalten, wodurch ein Beitrag zur Sicherung der Lebensinteressen der gesamten österreichischen Bevölkerung geleistet werden kann. Durch die Gewährung von Direktzuschüssen haben die Bergbauern die Chance, schwierige Zeiten zu meistern und nicht gleich absiedeln zu müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auch noch kurz auf den biologischen Landbau eingehen, da dieser meiner Meinung nach mit einer konsequenten Qualitätsorientierung verbunden ist und Österreich auf diesem Sektor innerhalb der Europäischen Union große Chancen hat. Die Zahl der geförderten Biobauernbetriebe stieg von etwa 300 Betrieben


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im Jahr 1990 auf rund 12 000 Betriebe im Jahr 1994. Das ist ein Anstieg um fast das Vierzigfache!

Um die Qualität der biologischen Produkte zu gewährleisten, müssen sich alle biologisch wirtschaftenden Betriebe einer vom Landeshauptmann anerkannten Kontrolle unterwerfen. Dadurch wird eine einwandfreie und konsequente Qualitätsorientierung garantiert.

Der Zuschuß an die Biobauern ist von 1993 auf 1994 gestiegen. Um den hohen Qualitätsstandard halten zu können, muß dieser Zuschuß jedoch noch weiter angehoben werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend möchte ich festhalten, daß für die Bergbauern noch einiges getan werden muß, um ihnen das Leben zu erleichtern. (Beifall bei der SPÖ.) Deshalb werden wir Sozialdemokraten uns auch weiterhin für ein gerechteres Verteilungssystem der Zuschüsse einsetzen. Nicht der Starke, sondern der Schwache braucht unsere Unterstützung! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

0.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste Wortmeldung kommt vom Abgeordneten Wabl. Es ist dies die zweite Wortmeldung. – Herr Abgeordneter! Ihre restliche Redezeit: 13 Minuten.

0.36

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Gleichzeitigkeit der Ereignisse, nämlich dem Zustand der Gemütslage und dem Zustand der Dinge, über die wir reden, ist es oft problematisch in diesem Haus.

Kollege Schrefel hat mich wieder in die Wirklichkeit zurückgeholt, als er den Rohrkrepierer ansprach. Herr Kollege Schrefel, ich habe nichts dagegen, Ihre Argumente sind nicht falsch, wenn Sie sagen, die Problematik mit dem Wild und dem Wildverbiß hat sich durch die Beunruhigung des Wildes, nämlich dadurch, daß Menschen in den Wald gehen oder glauben, sie müssen den Wald ununterbrochen so benützen, wie es ihnen einfällt, verschärft. Es gibt diesbezüglich eine sehr massive Auseinandersetzung mit einigen Sportarten, wie der Kollege von den Sozialdemokraten auch ausführlich dargestellt hat.

Herr Kollege Schrefel! Eines müssen Sie als Mitglied einer Regierungspartei, wenn jahrelang im Waldbericht von Wildverbißschäden die Rede ist und davon, daß es in vielen Bereichen keine Verbesserungen gibt, daß Bauern massiv darunter leiden, daß es keine Naturverjüngung gibt, daß die Schälschäden unzumutbare Ausmaße annehmen, jedoch tun: Sie müssen das eine oder das andere durchsetzen!

Ich bin damit einverstanden, wenn Sie sagen, wir müssen den Lebensraum der Rehe und der Wildtiere ausweiten, aber dann äußern Sie sich bitte auch, wie Sie das machen wollen. Für mich stellt die Ausweitung des Lebensraumes für Wild kein Problem dar. Aber um das zu erreichen, müssen entweder die Abschußpläne erfüllt werden oder die Menschen aus gewissen Bereichen des Waldes ferngehalten werden. Sie können jedoch hier nicht jeweils für jene Lobby sprechen, die Sie gerade vertreten und von der Sie annehmen, die meisten Stimmen zu bekommen.

Der Waldbericht spricht eine klare Sprache, und wir haben jahrelang darüber diskutiert, auf diesem Gebiet etwas zu tun. Sie können sich nicht weigern, hier Maßnahmen zu setzen. Deshalb ist dieser Antrag so wichtig. – Ich bin Ihnen eigentlich dankbar dafür, daß Sie mich mit Ihrer Wortmeldung in die Wirklichkeit zurückgeholt haben.

Meine Damen und Herren! Ich wollte noch kurz die Problematik des National- oder Staatswaldes oder der Bundesforste – wie immer man dazu sagt – ansprechen, weil Herr Firlinger bei der letzten Debatte einen langen Antrag im Zusammenhang mit der Ausgliederung gestellt hat. Das mag in Ihren Augen hervorragend sein. Aber es muß darüber diskutiert werden, meine Damen und Herren. Die verschiedenen Funktionen der Bundesforste sind zu bewahren, und die Nutz-, Schutz-, Wohlfahrts- und Erholungswirkung sind entscheidend. Welche Konstruktion dann gefunden wird, um diese Funktionen zu erhalten, wird sich hoffentlich aus einer konstruktiven Diskussion ergeben.


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23. Sitzung / Seite 215

Meine Damen und Herren! Es hat heute einen Redebeitrag des Kollegen Schwarzböck gegeben, der mich in einem Bereich sehr nachdenklich gemacht hat (Abg. Mag. Firlinger: Mich auch!): Kollege Schwarzböck hat Kollegen Firlinger im Zusammenhang mit dessen Interpretationen der Studie, die so streng geheimgehalten wird, kritisiert. Mittlerweile ist sie nicht mehr so streng geheim, sie liegt auch schon bei Ihnen, Kollege Firlinger, aber es gibt ein Problem dabei: Sie werden das Problem der Landwirtschaft nämlich nicht mit einer Grundsicherung lösen. 10 000 S für jeden erwachsenen Bauern oder für jede erwachsene Bäuerin werden zuwenig sein. Selbst wenn die Sozialpläne des Kollegen Moser mit den Abfangjägern dazukommen, wird sich das nicht ausgehen.

Herr Kollege Firlinger! Ich sage das etwas polemisch, aber Kollege Schwarzböck hat sehr richtig geantwortet, er hat gemeint: Wenn Sie es wirklich ernst meinen mit dem, was Sie sagen, und tatsächlich glauben, daß das, was Sie hier in Ihrer Diskussion anklingen haben lassen, Verteilungsgerechtigkeit ist, und Ihren Vorschlag ohne Außenschutz, ohne Quoten durchsetzen wollen, dann werden Sie in der Tat – da hat Kollege Schwarzböck recht – in Zukunft nur noch Reservatbauern haben.

Was mich jedoch wirklich nachdenklich stimmt an der Wortmeldung des Kollegen Schwarzböck, ist, daß es sich offensichtlich in der ÖVP noch nicht herumgesprochen hat, daß das Wirtschaften im landwirtschaftlichen Bereich zwar ein anderes ist als im sonstigen Wirtschaftsbereich, daß aber die ökonomischen Gesetze wie in allen anderen wirtschaftlichen Bereichen grundsätzlich aufrecht sind.

Wenn es verschiedene soziale Bedingungen gibt, wird es auch in allen anderen wirtschaftlichen Bereichen nicht funktionieren, ohne Außenschutz zu agieren. Das ist eine liberale Illusion, die erzeugt nur Krieg im Welthandel, Herr Firlinger, und sonst nichts. Diesen Krieg haben wir ohnedies bereits in weiten Bereichen.

Aber eines zeichnet sich bereits ab: Auf der einen Seite sind Sie gegen das Gießkannenprinzip, auf der anderen Seite plädieren Sie hingegen für die größte staatliche Versorgungsaktion, von der ich jemals gehört habe: Dabei handelt es sich nämlich um eine Versorgungsaktion in einem Ausmaß von etwa 560 Milliarden Schilling, wenn ich durchschnittlich nur 7 000 S pro Kopf und Nase Österreichs rechne.

Die von der Vision ausgehende Intention des Kollegen Kier ist ausgezeichnet. Er ist im Grund genommen empört über die Tatsache, daß viele soziale Leistungen von österreichischen Beamten und Beamtinnen sehr oft mit dem Nachdruck des Almosengebens, mit dem Nachdruck der Demütigung jener Menschen, die in Notsituationen darauf angewiesen sind, ausgezahlt werden.

Nichtsdestotrotz, Herr Kollege Firlinger, werden Sie nicht umhinkommen, darüber nachzudenken, was dieses ominöse Schlagwort "Deregulierung" in einem Wirtschaftsystem, in dem ungleiche Bedingungen vorherrschen, bedeutet. Allein schon innerhalb der EU ist das Ungleichgewicht im sozialen und ökologischen Bereich derart wettbewerbsverzerrend, daß sich die ÖVP ununterbrochen gezwungen sieht, nicht nur darüber zu diskutieren, sondern auch in Bereichen, die absolut unökologisch sind, dem internationalen Trend nachzugeben. (Zwischenruf des Abg. Mag. Firlinger. )

Wir haben oft genug über die Verbilligung von Pflanzenschutzmitteln und Düngemitteln diskutiert. Dabei kommt das Dilemma der ÖVP massiv zum Ausdruck. Die Sozialdemokratie hat auf diesem Gebiet ein relativ weites Feld, um Ihren Vordenkern, wie Gradwohl, freien Lauf zu lassen. Es gibt auch kein Problem mit der offiziellen Wirtschaftspolitik, da das Wählerpotential bei den sozialdemokratischen Bauern relativ gering ist.

Die ÖVP hat auf diesem Gebiet größere Schwierigkeiten, meine Damen und Herren. Und auch die ÖVP wird darüber nachdenken müssen, ob nicht dieselben Prinzipien, die sie für die Landwirtschaft fordert, im wesentlichen auch für alle anderen Wirtschaftsbereiche gelten. Denn selbst Kommissar Fischler hat bereits festgestellt, daß auch über die Osterweiterung gesprochen werden muß, und auch wir finden das unerläßlich, wenn der Binnenmarkt Europa nicht beim


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ehemaligen Eisernen Vorhang enden soll. Dann allerdings, Herr Kollege Schwarzböck, werden Sie darüber nachdenken müssen, was das für die österreichische Landwirtschaft – aber nicht nur für die österreichische Landwirtschaft, sondern für alle Wirtschaftsbereiche – bedeutet, und da kommen Sie in ein Dilemma, das Sie nicht lösen können.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß das, was Kollege Schwarzböck für die Bauern in Anspruch genommen hat, daß nämlich die Zukunft der Bauern nicht in Reservaten liegen kann, auch für alle anderen Berufe gilt. Ich hege allerdings ein bißchen den Verdacht, daß wir in Österreich beide Augen vor der Tatsache verschließen, daß bereits viele Berufsgruppen in Reservate abgedrängt werden, und ich befürchte ein wenig, daß wir in Österreich zum großen Sanatorium Europas werden, wo mehr oder weniger lediglich die schöne Landschaft zählt.

Ich habe hier einen Artikel, in dem Fischler meint: Landschaft produzieren – verkauft werden die schöne Gegend, die herrliche Hotellerie, der Tourismus, die Kuranstalten, die Medizin sowie die Betreuung durch Krankenschwestern und Krankenpfleger. In der Folge wird sich Österreich zum Altenheim Europas entwickeln. Man geht dann in seiner Pension nach Österreich, da ist es schön, da sind die Gewässer sauber, da pflegen die Menschen so schön die Wiesen und Almen, dafür werden sie auch bezahlt – und die Nahrungsmittel für die breite Masse der Bevölkerung werden mit Hilfe der Gentechnologie und der Biotechnologie in den großen Industrien Europas erzeugt. Über diesen Widerspruch, Herr Kollege Schwarzenberger, sollten Sie nachdenken! (Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. )

Im Zusammenhang mit den Milchbauern habe ich Sie nur einmal auf Ihren Widerspruch hingewiesen. Ich habe schon vor Jahren gesagt, daß es nur ein ganz kleiner Schritt zur Ökologisierung im Milchwirtschaftsbereich wäre. Sämtliche österreichische Bauern könnten im Milchbereich Biobauern werden. Das wäre überhaupt kein Problem. Sie haben mir zur Antwort gegeben, daß es, wenn es hier keine Quoten gäbe, zu einer Überschwemmung des Milchmarkts käme. Zu diesem Zeitpunkt wurde mir klar – das war, wie gesagt, schon vor einigen Jahren –, daß die vielen Argumente, daß die Ökologisierung der Landwirtschaft unsere Ernährung nicht sichern würde, schon immer falsch waren. (Abg. Haigermoser: Das ist richtig!)

Jetzt ist es das Argument der Gentechnologie, das derart kurzsichtig betrachtet wird. Denn die Zweiteilung, Gentechnologie ist gut, wenn Pflanzen geschaffen werden, die resistent sind gegen Schädlinge, und Gentechnologie ist schlecht, wenn Pflanzen geschaffen werden, die resistent gegen Herbizide sind, kann nur als kurzsichtig bezeichnet werden! – Herr Kollege Schwarzböck! Ich glaube, auch Sie hängen dieser Theorie an.

Die Gentechnik im Pflanzenbereich produziert Kulturpflanzen, die ausschließlich auf Erfolg und Überleben getrimmt werden und alle anderen Wildpflanzen verdrängen, so wie es die Kulturpflanzen bereits in den letzten Jahren und Jahrzehnten über große Kontinente hinweg gemacht haben.

Im Getreidebereich ist bereits ohne Gentechnologie ein ungeheurer Verdrängungsprozeß von Wildgetreidesorten gegeben. Sie wissen ganz genau, daß es in großen Teilen unserer Erde nur noch ganz bestimmte Weizensorten gibt. Wir haben nur noch sehr wenige Reservoirs, wo Wildgetreidepflanzen vorkommen. Selbst in der Heimat dieser Pflanzen, in Asien, ist man bereits dabei, mit den Multis die letzten Bereiche zu ruinieren.

Ich würde Sie bitten, darüber ernsthaft zu diskutieren, weil das ein massiver Fehler in der Einschätzung ist. Ferner glaube ich, daß der Antrag von Kollegen Barmüller diskussionswürdig ist und man diesem Antrag auch zustimmen kann.

Meine Damen und Herren! Den Antrag, den ich zuvor einbringen wollte, hat bereits meine Kollegin Langthaler eingebracht. Es tut mir leid, daß ich bei meinem ersten Redebeitrag die Ernsthaftigkeit nicht durchhalten konnte, aber die Gleichzeitigkeit der Ereignisse macht es manchmal unmöglich, hier dementsprechend vorzugehen. – Danke schön. (Beifall bei der Grünen.)

0.48


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23. Sitzung / Seite 217

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brix. – Herr Abgeordneter, bitte. (Ruf bei den Freiheitlichen: Sie haben einen einzigen Obstbaum auf dem Balkon!)

0.48

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Ja, das stimmt sogar, ja, tatsächlich, einen Pfirsichbaum.

Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Auf den Seiten 29 und 30 befaßt sich der Grüne Bericht mit der Wasserwirtschaft und dem Gewässerschutz, und ich möchte kurz darauf eingehen.

Die wasserwirtschaftlichen Verhältnisse Österreichs sind eigentlich sehr gut, und wir können grundsätzlich auf unser Wasser, das immens wichtig ist, sehr stolz sein. Die Hälfte davon ist Grundwasser, und dabei sieht es nicht mehr besonders gut aus.

Daß der Großteil des Grundwassers, und zwar die Hälfte des Grundwassers in Österreich, bereits gefährdet ist, ist in erster Linie mit der Überdüngung zu begründen. Außerdem wurden in letzter Zeit Boden und Wasser vor allem durch das Pflanzenschutzmittel Atrazin vergiftet. Nun ist dieses Pflanzenschutzmittel – Gott sei Dank – verboten, um jedoch ein Kilo Atrazin aus dem Trinkwasser zu entfernen, müssen 20 Millionen Schilling aufgewendet werden.

Herr Bundesminister! Daher habe ich folgende Bitten an Sie: Erstens: Dieses Verbot muß weiterhin aufrechterhalten werden. Zweitens: Da bekannt ist, daß seit Jänner 1996 wieder Klagen der Firma Ciba-Geigy und Kwizda laufen, die darauf abzielen, daß dieses Atrazinverbot aufgehoben werden soll, müssen wir uns besonders stark dafür machen, daß diese Aufhebung nicht vorgenommen wird. Und sollte diese doch erfolgen, dann müssen neue Bestimmungen getroffen werden.

Ich sehe noch ein zweites Gefahrenmoment: In der EU läuft zurzeit ein toxikologisches Bewertungsverfahren von 86 Pestiziden, darunter auch Atrazin. Sollte Atrazin in diese Positiverlässe aufgenommen werden, dann müßte es auch in Österreich zugelassen werden. Darin sehe ich eine große Gefahr, und wir sind im Hinblick auf unsere Verantwortung auf europäischem Boden gefordert, diese Gefahr abzuwenden. – Sie sagen: Die Toxizität ist nicht das Grundübel, denn eine Vergiftungsgefahr ist gering. Das ist richtig. Die Gefahr bei Atrazin liegt nämlich auf einem ganz anderen Gebiet: vor allem im krebserregenden Risiko.

Herr Bundesminister! Beim Ernst der Lage des österreichischen Grundwassers sind wir wirklich gefordert, das Geld, das bereitgestellt werden soll, sinnvoll zu verwenden. Der Abwasserreinigungsgrad liegt in Österreich bereits zwischen 85 und 95 Prozent. Wenn dieser weiter erhöht werden soll, wird das Geld, wie ich und wie wir glauben, nicht richtig angewandt. Wir meinen, daß es besser wäre, dieses Geld zur Sanierung und Sicherung des Grundwassers zu verwenden. (Beifall bei der SPÖ.)

0.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Keppelmüller. – Bitte.

0.52

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Daß zum Schluß dieser Debatte zwei Umweltpolitiker der SPÖ zu Wort gemeldet sind, zeigt, daß wir uns durchaus auch in Zukunft verstärkt mit dem Kapitel Umweltschutz und Land- und Forstwirtschaft auseinandersetzen wollen. Ich glaube, daß man dies auch in einer fairen Weise betreiben kann, wenn man weder positiv noch negativ übertreibt, wenn man auch nicht beschönigt, sondern sich an Fakten hält.

Ich muß zu den Ausführungen des Kollegen Schrefel anmerken, daß er sich nicht an Fakten gehalten hat. Da gebe ich Kollegen Wabl recht. Denn das Ausmaß der Schäden des Waldes,


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23. Sitzung / Seite 218

die durch das Wild verursacht werden, ist tatsächlich beachtlich, und man muß darüber reden und versuchen, auch gegen dieses Problem Abhilfe zu schaffen.

Kollege Brix hat sich in seiner Wortmeldung mit dem Wasser, insbesondere mit der Grundwasserproblematik beschäftigt. Dieser Problemkreis wird uns auch sehr beschäftigen, etwa die Nitratproblematik im Bereich der Landwirtschaft. Ich möchte hier ganz deutlich sagen, daß ich die Meinung meiner Frau Gesundheitsministerin zur kommenden Nitratverordnung nicht teile, diesbezüglich eine andere Auffassung habe und versuchen werde, sie von meiner Auffassung, die auch die Auffassung vieler Kollegen in der Umweltfraktion ist, zu überzeugen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren jetzt den Waldbericht 1994. Tatsächlich gibt es bereits auch sehr konkrete Daten zum Jahr 1995. In Ergänzung ist jedem die Lektüre der "Ökobilanz Wald 1995" vom Statistischen Zentralamt zu empfehlen. In den "Salzburger Nachrichten" vom 21. März 1996 befindet sich ein sehr grundlegender Artikel zum Zustand des Waldes nach 1995, der zeigt, daß es Tendenzen zu positiven Veränderungen gibt.

Tatsache ist – das muß man sich auch vor Augen halten –, daß Österreich bei den Baumschäden, etwa mit 8 Prozent bei den Kronenverlichtungen, europaweit zu den besseren Ländern zählt. Das bedeutet aber nicht, daß unser Wald pumperlgesund ist. Es ist selbstverständlich etwas zu tun.

Ein Problemkreis betrifft die Belastung im Zusammenhang mit bodennahem Ozon. Wir konnten heute gemeinsam mit dem Herrn Bundesminister für Umwelt ein Maßnahmenpaket von 25 Punkten vorstellen, deren Umsetzung sich sicher positiv auf den Wald auswirken wird.

Abschließend möchte ich noch eine Bemerkung machen, die mir sehr am Herzen liegt: Wieder muß ich feststellen, daß wir eine solch wichtige Debatte zu sehr später Stunde führen. Ausschlaggebend dafür ist eine Taktik der Freiheitlichen Partei. Und was mich dabei besonders wurmt, ist die Tatsache – und das ist mir jetzt auch schon zu wiederholten Malen aufgefallen –, daß bei der Diskussion der Dringlichen und auch jetzt der Führer der Freiheitlichen Partei schon lange nicht mehr anwesend ist. Das zeigt, daß er durchaus nur taktisches und nicht sachliches Interesse daran hat. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Wo ist denn euer Führer?)

Positiv möchte ich vermerken, daß sich die Abwesenheit des Kollegen Stadler heute sehr positiv auf das Klima hier ausgewirkt hat. (Beifall bei der SPÖ.)

0.56

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Reichhold. – Bitte, Sie haben das Wort.

0.56

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe nur noch ein paar Minuten Redezeit zur Verfügung. Das hängt aber nicht damit zusammen, Herr Abgeordneter Keppelmüller, daß wir diese Debatte hier zu mitternächtlicher Stunde führen, sondern damit, daß der Agrarpolitik insgesamt im Hohen Haus keine zu große Bedeutung zugemessen wird; die Oppositionspolitiker können sich daher zuwenig artikulieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die heutige Agrardebatte wurde teilweise sehr humorvoll geführt, mit einer Art von Komik, die es in diesem Haus noch nie gegeben hat und die ungewohnt ist. Auf der anderen Seite war diese Debatte – wenn ich etwa an die Wortmeldung des Kollegen Schwarzböck denke – auch geprägt von der Sorge um die Zukunft der Landwirtschaft in Österreich insgesamt.

Wir sind jetzt gut ein Jahr in der Europäischen Union. Wir Freiheitlichen haben nie ein Hehl daraus gemacht, daß dieser Beitritt zu rasch gekommen ist, vor allem für die Landwirtschaft. In einigen Bereichen war die Vorbereitung zu gering, in anderen ist sie überhaupt nicht erfolgt. Aufgrund dessen haben wir heute natürlich große Sorgen und Probleme.


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Wir sitzen jetzt aber nun einmal in gemeinsamen Boot Europa, und wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß jetzt Fehler, die andere machen – wie etwa die Engländer – auch von den Österreichern mitzutragen sind, daß die Österreicher, auch wenn sie gar nichts dafür können, Schaden erleiden durch einen Fehler, den ein anderer Mitgliedstaat macht.

Es geht jetzt darum, sich in dieser Europäischen Union durchzusetzen. Ich glaube, daß es in Zukunft notwendig sein wird, in wichtigen Fragen nationalen Konsens herzustellen, um gemeinsam in Brüssel auftreten zu können und wichtige Anliegen für unser Land insbesondere auch in der Gemeinsamen Agrarpolitik durchzusetzen.

Ich empfinde es als empörend und unverständlich, daß ein Österreicher an der Spitze der Kommission, nämlich Kommissär Fischler, diesen Grundsatz völlig mißachtet und durchbricht. Ich weiß schon, daß er für alle Mitgliedstaaten da ist. Es ist für mich aber trotzdem empörend, daß Fischler jetzt eine Lockerung des Importverbotes für britisches Rindfleisch fordert. (Abg. Haigermoser: Das ist ein Skandal!)

In diesem Zusammenhang muß ich Ihnen, Herr Minister – obwohl es mir gar nicht zusteht und auch nicht meine Aufgabe ist –, und auch Frau Minister Krammer wirklich einmal ein Lob aussprechen dafür, daß sie die österreichische Position in Brüssel hart vertreten haben.

Herr Bundesminister! Kritisieren muß ich Sie aber dafür, daß Sie bis heute nicht in der Lage waren, die massiven Einkommenseinbrüche, die die österreichischen Bauern durch die Rinderseuche BSE erlitten haben, auszugleichen. Sie wissen, daß in der Europäischen Union – das hat unsere Kollegin Aumayr heute bereits erwähnt – viel überschüssiges Geld vorhanden ist. Wir können doch nicht tatenlos zuschauen, wie fast ausschließlich die englischen Verursacher alles einstreifen, für die österreichischen Bauern bis dato aber fast nichts getan wurde!

Die einzige Aktion war eine Interventionsmaßnahme, und Sie werden mir recht geben müssen, daß diese Interventionsmaßnahme bei der Europäischen Union bei weitem nicht ausreicht, um die massiven Preis- und Einkommensverluste der österreichischen Bauern wettzumachen.

Daher ist es auch kein Wunder, wenn 10 Prozent der potentiellen Hofübernehmer heute sagen: Ich hänge den Hut an den Nagel, ich will den Hof meiner Eltern nicht mehr weiter bewirtschaften. Diese Tatsache muß uns allen Anlaß zum Nachdenken sein. 10 Prozent der Jugend in der Landwirtschaft sind innerhalb eines einzigen Jahres, nämlich im ersten Jahr nach unserem EU-Beitritt, von der Landwirtschaft abgewandert. Da müssen doch die Alarmglocken läuten!

Ein Grund dafür ist auch, daß die Jugend wirklich keine Perspektiven mehr sieht. Zum Beispiel ist heute in einer Zeitschrift zu lesen, daß eine deutsche Handelskette Haltbarmilch zum Preis von 3,50 S – 3,50 S! – für den Konsumenten anbietet. Dieser Preis liegt unter den Gestehungskosten für Rohmilch in Österreich. Von diesen Riesenhandelsketten in der Europäischen Union wird jetzt versucht, mit einer Marketingoffensive auch den österreichischen Markt zu erobern. Sie wissen ganz genau, Herr Schwarzenberger, was uns erwartet: ein enormer Konkurrenzkampf und ein enormer Wettbewerbsdruck, was vielen österreichischen Milchbauern wahrscheinlich das wirtschaftliche Leben kosten wird. Und wieder werden Tausende Arbeitsplätze verlorengehen. Wo bleiben die Perspektiven, wenn der Rinderpreis innerhalb kürzester Zeit von 56 S auf 36 S fällt? – In Anbetracht dessen ist es verständlich, daß die Jugend sagt: Es hat keinen Sinn mehr, mit unseren Strukturen, unseren Produktionsvoraussetzungen und den Rahmenbedingungen, die diese Bundesregierung stellt, können wir nicht mehr mithalten.

Herr Kollege Gradwohl! Zu Ihnen möchte ich auch ein Wort sagen: Ich muß Kollegen Schwarzböck recht geben, der kryptisch angedeutet hat, daß man, wenn man eine Verteilungsdiskussion führt, auch das Gesamte sehen muß. Das Durchschnittseinkommen aller Bauern betrug laut Grünem Bericht über das Jahr 1994 – und darüber diskutieren wir heute – 144 000 S. Das Durchschnittseinkommen der – unter Anführungszeichen – "Spitzenverdiener" in der Landwirtschaft im nordöstlichen Flach- und Hügelland betrug im Jahre 1994 226 000 S. Das sind, wenn man das durch 14 dividiert, in etwa 16 000 S monatlich.


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Sie wissen genau, daß diese 16 000 S, wenn man schon vor einer Verteilungsdiskussion ... (Zwischenruf des Abg. Gradwohl. ) Das mag schon sein. Aber wir sprechen heute über den Grünen Bericht. Das monatliche Durchschnittseinkommen im nordöstlichen Flach- und Hügelland betrug monatlich 16 000 S. Und Sie werden zugeben, daß dieses Einkommen weit unter dem Durchschnittseinkommen etwa der Industriearbeiter liegt. (Abg. Koppler: Weil die Bauern nicht bei der Gewerkschaft sind!) Freilich, weil wir eine schlechte Vertretung haben! Ich würde mir eine bessere Vertretung wünschen, da stimme ich mit Ihnen überein. Aber wenn man über eine Verteilungsdiskussion spricht, dann sollte man auch diesen Aspekt einmal ansprechen.

Wir Landwirte sind mit unseren Durchschnittseinkommen weit hinter der Wohlstandsentwicklung Österreichs zurückgeblieben. Wenn heute der Caritas-Direktor sagt, daß 30 Prozent der bäuerlichen Familien in Österreich an der Armutsgrenze leben, so ist das eine Aussagen, die nicht von einem Freiheitlichen oder von einem Bauern kommt, sondern wirklich von jemandem, der sich in diesem Bereich auskennen muß.

Aber ich gebe Ihnen recht, Herr Kollege Gradwohl, daß es notwendig ist, über eine grundsätzliche Änderung der Förderungspolitik zu diskutieren. Wir glauben, daß die EU-Förderungspolitik in dieser Form nicht verteidigbar und nicht aufrechterhaltbar ist. Denn 70 Prozent der gesamten Subventionen für die Landwirtschaft bekommen nicht die Bauern direkt. Diese 70 Prozent fließen vielmehr in die Agrarindustrie und in den Handel, und die restlichen 30 Prozent dieser Agrarsubventionen kassieren in erster Linie jene großflächigen Betriebe, die gar nicht in Österreich angesiedelt sind, sondern die in Wirklichkeit im Osten Deutschlands oder in Frankreich oder in anderen Regionen Europas großflächig agro-industrielle Landwirtschaft betreiben. Diese Betriebe sind heute die tatsächlichen Nutznießer dieses EU-Förderungssystems.

Ich glaube daher, daß es keinen Sinn hat, ausschließlich über nationale Förderungsmaßnahmen zu reden, die wir vielleicht innerhalb der EU verändern können. Viel wichtiger scheint mir zu sein, daß in Österreich eine einheitliche Position entsteht und daß der Unsinn und die Verrücktheit dieses EU-Agrarförderungssystems grundsätzlich in Frage gestellt wird. Denn die großen Summen werden nun einmal in Brüssel verteilt. Und ich meine, daß gerade das Argument des Arbeitsplatzes in der Landwirtschaft an erster Stelle stehen sollte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich gehe davon aus, daß es ein gleichermaßen großes gesellschaftspolitisches Anliegen jeder einzelnen Fraktion dieses Hauses ist, daß die Besiedelung des ländlichen Raumes aufrechterhalten bleibt, und daß die Arbeitsplätze auch in den ländlichen Regionen im bestehenden Umfang erhalten bleiben.

Herr Bundesminister! Leihen Sie mir bitte noch kurz Ihr Ohr! Ich möchte zum Schluß mit einem Satz auf den Waldbericht zu sprechen kommen. Es ist heute vieles über die Schutzwaldsanierung gesagt worden. Ich möchte Sie heute fragen, da Sie sich ja noch zu Wort melden werden, ob es stimmt, daß in Ihrem Ressort 90 Anträge oder 90 Projekte für Schutzwaldsanierungen aufliegen, daß aber – aus welchen Gründen immer – 90 Projekte auf Eis gelegt sind und im heurigen Jahr nicht verwirklicht werden. Das ist eine Auskunft, die ich von einem relativ hochrangigen Beamten erhalten habe. Es sind viele Waldbauern in Sorge über die Verwirklichung dieser Schutzwaldsanierungsprojekte. Denn entgegen Ihren Aussagen in der Öffentlichkeit greifen nun Verzögerungen Platz, und wenn jetzt nicht schnell Maßnahmen ergriffen werden, um den Sanierungsrückstand aufzuholen, dann werden in Zukunft Lawinen- und Murenabgänge auf der Tagesordnung stehen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

1.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Bundesminister Mag. Molterer. – Bitte, Herr Minister.

1.07

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte in aller Kürze, angesichts der vorgeschrittenen Morgenstunde, einige


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Punkte erwähnen. Diese Debatte zum Grünen Bericht und zu anderen agrarischen Fragen veranlaßt mich zu einer persönlichen Feststellung: Ich halte es für bedenklich und absolut falsch, wenn sich Agrarpolitik und agrarpolitische Diskussionen zunehmend – ich sage das sehr offen, ich habe da und dort diesen Eindruck – zu sozialpolitischen Debatten ändern.

Landwirtschaft ist ein Teil der Wirtschaft, und es ist daher mein Ziel und muß Sinn der Agrarpolitik sein, daß Bauern auch in Zukunft durch wirtschaftliche Tätigkeit, durch den Verkauf ihrer vielfältigsten Produkte ihr Einkommen zu einem wesentlichen Teil erwirtschaften können müssen . Es handelt sich also um Wirtschaftspolitik, die im Zusammenhang mit der Agrarpolitik zu diskutieren ist – und nicht um Sozialpolitik. (Abg. Ing. Reichhold: Können Sie ein bißchen konkreter werden?)

Zweitens: Ich habe auch den Eindruck, daß Klarstellungen hinsichtlich der Frage der Ausgleichszahlungen notwendig sind. Aus meiner Sicht ist es zu kurz gegriffen, wenn immer von einer Ausgleichszahlung oder von den Förderungen geredet wird, meine Damen und Herren! Ich möchte, daß auch Klarheit darüber besteht, daß wir es mit verschiedenen Instrumenten und mit verschiedenen Zielsetzungen zu tun haben. Mit dem degressiven Ausgleich werden beispielsweise andere Zielsetzungen verfolgt als mit dem Umweltprogramm, und mit der Ausgleichszulage für benachteiligte Gebieten verfolgt man andere Zielsetzungen als mit den Marktordnungsprämien der Europäischen Union.

Daher müssen wir diese Fragen so diskutieren, wie sie zu diskutieren sind: Wie erreichen wir mit welchen Förderungsmaßnahmen die Zielsetzungen? Und wir dürfen dabei nicht vergessen, daß wir dies unter dem Aspekt der Wettbewerbsposition des Sektors, der ökonomischen Effekte und der ökologischen, sozialen und regionalen Wirkungen für den Sektor sehen müssen. Es ist zu kurz gegriffen, wenn Förderung mit Sozialdiskussion und Sozialpolitik verwechselt wird, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich würde es für notwendig halten, daß bei dieser Diskussion auch zusätzliche Fragestellungen, die offensichtlich öfters verwechselt werden, berücksichtigt werden: Denn eine Investitionsunterstützung ist beispielsweise etwas völlig anderes als eine Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete.

Erlauben Sie mir, noch ganz kurz zu der Frage der Unterlage beziehungsweise des Gutachtens Stellung zu nehmen. Ich finde es ein bißchen eigenartig, wenn immer von einem "Geheimpapier" gesprochen wird. Denn alle haben diese Dokumentation bekommen. Und es ist auch klarzustellen, daß die wesentlichen Grundzüge ... (Zwischenruf des Abg. Gradwohl. ) Herr Kollege Gradwohl! Hören Sie zu! Die wesentlichen Grundzüge dieses Arbeitsdokuments wurden in der letzten Nummer im "Förderungsdienst" veröffentlicht.

Herr Kollege Firlinger! Ich halte es im Sinne der wissenschaftlichen Redlichkeit für durchaus normal, daß eine Arbeit auch der Kritik anderer Wissenschafter unterzogen werden muß. Ich sehe darin keine unlautere Absicht noch sonst etwas; ich halte das für etwas in der Wissenschaft an sich ganz Übliches. (Beifall bei der ÖVP.)

Nun noch einige Sätze zum Thema BSE. Die Maßnahmen, die im BSE-Bereich getroffen worden sind, sind zwar bekannt, wurden aber offensichtlich bereits vergessen. Ich rufe sie daher wieder in Erinnerung.

Alleine im Monat Mai gab es für 65 000 Tonnen Intervention Erhöhung der Exporterstattungen, was dazu führt, daß derzeit für 80 000 Tonnen Exportlizenzen beantragt sind. Es ist beispielsweise klargestellt, daß es Entschädigungszahlungen für die Rinderproduzenten geben wird. Es wird Anfang Juni im Ministerrat ein konkreter schriftlicher Vorschlag der Kommission auf der Tagesordnung stehen. Derzeit wird auf der Basis von 650 Millionen Ecu diskutiert. Der Währungsausgleich steht zur endgültigen formalen Entscheidung in Brüssel an.

Die Frage der Gesamtorientierung, wie etwa Kennzeichnung, wird von uns weiter massiv betrieben. Wir haben in dieser Frage in der Zwischenzeit mit vielen Ländern einen Accord erzielt,


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ebenso wie etwa in der Frage weiterer Fütterungsregulative und strengerer Auflagen, die im letzten Rat entschieden wurden.

Wenige Sätze noch zu einzelnen Fragestellungen. Frau Kollegin Aumayr! Ich bitte Sie, mir zumindest ansatzweise soviel zu glauben, wie in Zeitungen steht. Sie können die "Salzburger Nachrichten" noch x-mal zitieren: Faktum ist, daß ein Verwaltungsratsmitglied der Agrarmarkt Austria 7 500 S je Monat erhält. – Ich bitte Sie, auch einmal zur Kenntnis zu nehmen, daß nicht alles stimmt, was – etwa aufgrund früherer Berichte – in Zeitungen steht. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Sie haben gesagt, ein Verwaltungsmitglied erhält 220 000 S jährlich. – Wenn man 7 500 S mal 12 nimmt, kommt man allerdings zu einem anderen Resultat, und zwar ganz deutlich. Ich bitte Sie daher, zu respektieren, daß dieser Betrag schon vor längerer Zeit reduziert wurde. (Zwischenruf des Abg. Ing. Reichhold. )

Achten Sie doch auch ein bißchen darauf, was bei Anfragebeantwortungen geschrieben wird. Denn ich habe den Eindruck, daß auch Beantwortungen von Anfragen der eigenen Fraktion nicht immer gelesen werden, Herr Kollege Reichhold.

Herr Kollege Barmüller! Die Nationalparkverhandlungen wurden nicht gestoppt. Ganz im Gegenteil: Die Verhandlungen mit den Gebietskörperschaften sind intensiv im Gange, und ich bin optimistisch, daß wir zeitgerecht diesbezüglich nicht nur für die Donauauen, sondern auch für Oberösterreich eine Grundlage haben werden.

Herr Kollege Koller! Ich bin in eine landwirtschaftliche Mittelschule gegangen und habe Forstwirtschaft in einer Schule gelernt, die keinen Lehrforst hatte. Ich glaube, daß ich aber trotzdem von Forstwirtschaft etwas verstehe. Sie sprechen erst von "Lehrforst", wenn er 170 Hektar umfaßt. Andere Schulen müssen allerdings mit 20 oder 25 Hektar auskommen. Ich bitte Sie also, auch da die Relationen zu sehen.

Frau Kollegin Langthaler! Wir versuchen derzeit, Bioforschung im EU-Forschungsprojekt zusätzlich unterzubringen. Ich bin dankbar für die Anregung, diese Forschungsprojekte auch auf Biosaatgut auszuweiten. Wir werden dieser Anregung gerne nachkommen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

1.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht einer der Herren Berichterstatter ein Schlußwort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung , die ich über jeden Ausschußantrag getrennt vornehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, den vorliegenden Bericht III-9 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diese Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Bericht ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Reichhold und Genossen betreffend EU-Entschädigung für Österreichs Rinderbauern.

Diejenigen Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit . Der Antrag ist abgelehnt .


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23. Sitzung / Seite 223

Ich lasse nunmehr abstimmen über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Wabl und Genossen betreffend Moratorium für Freisetzungsanträge von genetisch veränderten Organismen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag des Abgeordneten Wabl sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit . Dieser Antrag ist abgelehnt .

Ich lasse nunmehr abstimmen über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Wabl und Genossen betreffend Forschungsschwerpunkt für den biologischen Landbau.

Wer dafür ist, möge dies mit einen Zeichen der Zustimmung kundtun. – Das ist die Minderheit . Der Antrag ist abgelehnt .

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, den vorliegenden Bericht III-10 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit . Der Antrag ist angenommen .

Ich lasse nunmehr abstimmen über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Wabl und Genossen betreffend Maßnahmen gegen Waldverwüstung durch jagdbares Wild.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, möge bitte ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit . Der Antrag ist nicht angenommen .

Ich lasse nunmehr abstimmen über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Barmüller und Genossen betreffend Vereinbarung nach Artikel 15a B-VG über die Errichtung eines Nationalparks in den Donauauen bei Wien und östlich von Wien.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, möge dies durch ein Zeichen der Zustimmung kundtun. – Das ist die Minderheit . Der Antrag ist abgelehnt .

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, dem Abschluß des gegenständlichen Übereinkommens samt Anlagen und Erklärung in 7 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Wer dafür ist, möge bitte ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung geben. – Dieser Antrag ist mit Mehrheit angenommen.

Ich lasse jetzt über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, wonach das vorliegende Vertragswerk im Sinne Art. 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, abstimmen.

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Antrag ist mit Mehrheit angenommen.

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, im Sinne des Art. 49 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz zu beschließen, daß die Kundmachung dieses Vertragswerkes in französischer und russischer Sprache durch Auflage zur öffentlichen Einsichtnahme während der Amtsstunden im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft zu erfolgen hat.

Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dieser Antrag ist angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 61 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit . Der Antrag ist angenommen .

Schließlich lasse ich über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft abstimmen, den vorliegenden Bericht III-21 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit . Der Antrag ist angenommen .


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23. Sitzung / Seite 224

7. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 188/A der Abgeordneten Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler, Ing. Kurt Gartlehner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz geändert wird (BHG-Novelle 1996) (144 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nunmehr zum 7. Punkt der Tagesordnung: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 188/A der Abgeordneten Mag. Mühlbachler, Ing. Gartlehner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltgesetz geändert wird, 144 der Beilagen.

Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Edler. Ich bitte ihn, die Debatte zu eröffnen.

Berichterstatter Josef Edler: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich erstatte den Bericht zum Tagesordnungspunkt 7.

Die Abgeordneten Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler, Ing. Kurt Gartlehner und Genossen haben am 7. Mai 1996 den gegenständlichen Antrag im Nationalrat eingebracht. Der Budgetausschuß hat diesen Initiativantrag in seiner Sitzung am 15. Mai 1996 in Verhandlung genommen.

Die Abgeordneten Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler, Ing. Kurt Gartlehner, Mag. Gilbert Trattner und Dr. Hans Peter Haselsteiner brachten einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffern 1 bis 6 des Gesetzentwurfes ein.

Dieselben brachten einen Entschließungsantrag betreffend Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung von Vorschlägen für alternative Kriterien im BHG ein.

Bei der Abstimmung wurde der in Antrag 188/A enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages einstimmig angenommen.

Weiters wurde der erwähnte Entschließungsantrag einstimmig angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Budgetausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle erstens dem dem schriftlichen Bericht angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen und zweitens die dem schriftlichen Bericht beigedruckte Entschließung annehmen.

Ich ersuche Sie, Herr Präsident, die Debatte fortzusetzen.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen.

Für diese Debatte wurde festgelegt, daß maximal drei Redner pro Fraktion mit einer Redezeit von je 10 Minuten zu Wort gelangen.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

1.21

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der derzeit niedrige Zinssatz bei Eskontierungen der Oesterreichischen Nationalbank erfordert eine gesetzliche Regelung, eine gesetzliche Änderung, eine Anpassung unseres Bundeshaushaltsgesetzes, um ein kostenbewußtes Schuldenmanagement realisieren zu können.

Diese gesetzliche Regelung ist eine österreichische Novität, international nicht üblich und in dieser bisher restriktiv gehandhabten Form an sich unbekannt.

Im Budgetausschuß haben wir uns daher darauf geeinigt – auch im Hinblick auf die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion –, eine neue Form des Staatsschuldenmanagements auf gesetzlicher Basis zu diskutieren. Da wir hier neue Realisierungsziele brauchen, hat der Budgetausschuß in seiner letzten Sitzung einstimmig beschlossen, den Herrn Bundesminister


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zu ersuchen, eine Arbeitsgruppe einzurichten, die sich mit diesem Thema intensiv beschäftigen soll.

Bis zur Durchsetzung dieser neuen Regeln hoffen wir, daß mit der heutigen Novelle Auslangen gefunden wird, und wir hoffen auch, daß unsere Kolleginnen und Kollegen im Finanzministerium ein kostenoptimales Schuldenmanagement betreiben können. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

1.23


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23. Sitzung / Seite 226

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dkfm. Mag. Mühlbachler. – Bitte.

1.24

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abgesehen davon, daß wir den Multiplikator an veränderte Verhältnisse, also an eine steigende Zinskurve anpassen mußten, war es auch notwendig, die Möglichkeit für Emmissionsbegebungen von derzeit 15 Milliarden Schilling Gesamtereignis auf 18 Prozent der im Bundeshaushaltsgesetz festgelegten etwa 200 Milliarden Schilling auszudehnen, um die Begebung von Emmissionen auch unter wirtschaftlichen Voraussetzungen erfüllen zu können. Das scheint sinnvoll zu sein.

Die Maßnahmen, die seitens des Budgetausschusses beschlossen wurden und heute zur Beschlußfassung vorgeschlagen werden, wurden im Budgetausschuß einstimmig beschlossen. Ich denke, daß dieser hohe Konsens ein Zeichen dafür ist, daß es sich hiebei um sehr vernünftige Regelungen handelt. – Ich danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

1.25

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Trattner. – Bitte.

1.25

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich werde die Redezeit nicht ausnützen. Wir Freiheitlichen haben im Budgetausschuß diesem Antrag zugestimmt, weil er vernünftig ist und sinnvoll ist, und weil er dem Schuldenmanagement die Möglichkeit einräumt, günstigere Zinsen für langfristige Finanzierungen auszuhandeln. Dies ist insofern wichtig, als sich unser Zinsanteil derzeit in einer Größenordnung von 90 Milliarden Schilling bewegt.

Ein besseres Management wird hoffentlich zu einer Reduktion des durchschnittlichen Zinssatzes führen, der derzeit in einer Tiefzinsphase bei 7 Prozent liegt, was unseres Erachtens zu hoch ist. Wir hoffen, daß es mit diesem Antrag zu einer vernünftigeren Zinspolitik kommt, und deswegen haben wir unsere Zustimmung dazu gegeben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

1.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte.

1.26

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die Grünen stimmen dieser Novellierung des Bundeshaushaltsrechtes zu. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

1.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Mag. Steindl ist der nächste Redner. – Bitte.

1.27

Abgeordneter Mag. Franz Steindl (ÖVP): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich dem Inhalt der Ausführungen meines Vorredners voll anschließen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

1.27

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der vorläufig letzte Redner hiezu ist Herr Abgeordneter Kurzbauer. – Oder verzichten Sie auf das Wort? (Abg. Kurzbauer macht eine verneinende Geste.)

Bitte, Sie haben das Wort.

1.27

Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da ich der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt bin, werde ich mich selbstverständlich kurz fassen. Die Vorredner haben bereits auf jenen Punkt, den ich anschneiden möchte, hingewiesen.

Ein Punkt nur: Durch die Schaffung der Wirtschafts- und Währungsunion wird es in Zukunft auf den Kapitalmärkten zu Veränderungen kommen. Ich finde es begrüßenswert, daß in Hinkunft eine Arbeitsgruppe – unter Einbindung des Budgetausschusses – eingesetzt wird, um diese Herausforderung Wirtschafts- und Währungsunion vorzubereiten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

1.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Herr Berichterstatter, wünschen Sie ein Schlußwort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung. (Rufe bei der ÖVP: Der Haider ist gar nicht da!)

Ich lasse nunmehr abstimmen über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 144 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Entwurf ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zugleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren – auch jene, die bei der zweiten Lesung nicht dabei waren, uns aber die Güte bei der dritten geben –, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 144 der Beilagen beigedruckten Entschließung.

Diejenigen Damen und Herren, die für diese Entschließung sind, bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch diese Entschließung ist einstimmig angenommen . (E 11.)

8. Punkt

Regierungsvorlage: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Norwegen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (46 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung: Regierungsvorlage: Abkommen mit dem Königreich Norwegen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, 46 der Beilagen.

Von der Vorberatung in einem Ausschuß wurde gemäß § 28a der Geschäftsordnung Abstand genommen.

Für diese Debatte wurde festgelegt, daß ein Redner pro Fraktion mit einer Redezeit von je 5 Minuten zu Wort kommt.


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Es liegt keine Wortmeldung vor. Ich schließe daher die Debatte. Herr Kollege Schwemlein? (Abg. Schwemlein: Ich wollte nur einmal ins Protokoll kommen!) Sie können auf andere Weise auch ins Protokoll kommen.

Gemäß § 65 der Geschäftsordnung gelangen wir nunmehr zur Abstimmung .

Gegenstand ist die Genehmigung des Staatsvertrages in 46 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Da sich auch der Abgeordnete Wabl nunmehr erhoben hat, kann ich die einstimmige Annahme feststellen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Monika Langthaler auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Untersuchung der politischen Verantwortung der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz hinsichtlich etwaiger Naheverhältnisse von Beamten zu Gentech-Firmen beziehungsweise -Experten.

Dieser Antrag ist in der Zwischenzeit an alle Abgeordneten verteilt worden.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler, Freundinnen und Freunde auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG

Der Nationalrat wolle beschließen:

Zur Untersuchung folgenden Gegenstandes wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt:

"Politischen Verantwortung der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz hinsichtlich etwaiger Naheverhältnisse von Beamten des Gesundheitsministeriums zu Gentech-Firmen beziehungsweise -Experten, speziell im Zusammenhang mit den drei Freisetzungsanträgen von gentechnisch veränderten Kartoffeln (Seibersdorf und Tulln) sowie gentechnisch verändertem Mais (Fa. T.B. Agrartechnik)."

Mit folgender Zusammensetzung:

5 SPÖ, 4 ÖVP, 3 F, 1 LIF, 1 Grüne

Die Antragsteller verlangen die Durchführung einer Debatte über diesen Antrag.

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gehen in die Debatte ein.

Ich beschränke im Sinne des § 59 Abs. 3 der Geschäftsordnung die Redezeit in dieser Debatte auf 5 Minuten.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Reitsamer. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort. (Abg. Dr. Khol: Die Frau Reitsamer ist eine resolute und vernünftige Frau!)

1.31

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte es auch ganz kurz machen. – Gentechnik wird kontroversiell diskutiert und sicher wird es auch im Gesundheitsministerium Gegner und Befürworter geben. Daraus kann


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meiner Meinung nach jedoch nicht unbedingt ein Nahverhältnis zu Gentech-Firmen abgeleitet werden.

Die Grünen haben bei der letzten Sitzung einen Entschließungsantrag eingebracht, der dann zurückgezogen wurde, nämlich betreffend Moratorium, Aussetzen von Freisetzungsversuchen für fünf Jahre. Heute wurde er wieder eingebracht.

Wir haben damals Kontakt mit den Grünen aufgenommen, weil uns die Sache vernünftig erschien, wollten aber noch prüfen lassen, inwieweit sich dieser Vorschlag mit dem Gentechnikgesetz vereinbaren läßt. Da gibt es Unvereinbarkeiten. – Nichtsdestotrotz habe ich massive Bedenken – auch Kollege Gradwohl hat das heute schon gesagt –, denn meiner Ansicht nach sind biologische Landwirtschaft, Gentechnologie und Landbau miteinander nicht vereinbar.

Die verbotenen Freisetzungen hatten zunächst ein Versagen aller beantragten Freisetzungsversuche zur Folge. – 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung halten das Vorgehen des Gesundheitsministeriums in dieser Frage für äußerst positiv.

Die Landwirtschaftsdebatte hat aber auch gezeigt, daß sich eine Mehrheit in diesem Haus gegen die Anwendung der Gentechnik in der Landwirtschaft und in der Lebensmittelproduktion ausspricht – trotzdem können wir diesem Antrag auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses nicht zustimmen, weil er überholt ist. Offensichtlich war ein gemeinsames Vorgehen in dieser Sache nicht erwünscht, obwohl es durchaus zu einem gemeinsamen Entschließungsantrag für die Ökologisierung der Landwirtschaft und somit auch für gentechnikfreie Lebensmittel hätte kommen können. Das war nicht der Fall, ich möchte aber, um Mißverständnisse auszuschließen, betonen, daß wir im Bereich der Forschung und Medizin, wie beispielsweise im Falle von AIDS, Krebs, Diabetes und anderem mehr, für die Anwendung der Gentechnik eintreten. Das wird von unserer Fraktion befürwortet, dem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses können wir Sozialdemokraten aber, wie gesagt, nicht zustimmen.

Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

1.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte.

1.34

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da ich nicht will, daß uns Brüssel irgendwann dafür bezahlt, daß wir das essen, was in Genlabors produziert wird, und weil ich auch nicht will, daß wir weiter in diese Modernisierungsfalle hineinfallen, wollen wir dem Versuch einer Aufklärung der ersten Schritte in diese Richtung, die sicherlich nicht richtig waren, in Form eines Untersuchungsausschusses zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

1.35

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste Wortmeldung kommt vom Herrn Abgeordneten Dr. Schwimmer. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. )

1.35

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (ÖVP): Wer war da so gescheit, der Herr Pumberger? – Was ich von Ihren Wortmeldungen zu halten habe, weiß ich nach Ihrer heutigen Rede. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Protokoll davon werde ich mir aufheben, Herr Dr. Pumberger, das werden Sie noch oft vorgehalten bekommen. Wer hier als Arzt – als Arzt und Akademiker – wider besseres Wissen so etwas vorbringt, wie Sie das heute getan haben, der sollte sich bei Zwischenrufen um diese Zeit zurückhalten. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. )

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Aber jetzt zum Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Politik ist dazu da, durch die entsprechenden Maßnahmen dafür zu sorgen, daß Menschen keine Angst zu haben brauchen, sie ist aber nicht dazu da, Angst zu


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machen. – Dieser Antrag der Grünen soll bewirken, irgend etwas in den Raum zu stellen, zu sagen, da gibt es verdächtige Dinge, da gibt es eine Art Politverschwörung im Gesundheitsministerium, man muß also Angst haben. (Abg. Wabl: Das ist kein Unterstellungsausschuß, sondern ein Untersuchungsausschuß!)

Wir haben mit Hilfe eines modernen und sehr rigiden Gentechnikgesetzes vor zwei Jahren dafür gesorgt, daß niemand in Österreich vor Risken der Gentechnik Angst zu haben braucht. Wir haben auch dafür gesorgt, daß die Chancen der Gentechnik genützt werden können.

Ohne Gentechnik könnte heute kein Humaninsulin für Millionen von Diabetikern produziert werden, ohne Gentechnik, ohne Gentechnologie könnte der "Faktor VIII", der für Bluter unbedingt notwendig ist, nicht auf künstlichem Wege hergestellt werden. Welche Risken mit dauernden Plasmapräparaten verbunden sind, hat man ja vor einigen Jahren gesehen, als der AIDS-Virus noch nicht bekannt war und Hunderte Bluter damit angesteckt wurden. Mit dem gentechnologisch hergestellten "Faktor VIII" sind solche Risken wie das einer Ansteckung ausgeschlossen.

In Österreich wird ein Präparat auf gentechnologischem Wege hergestellt, ohne das – auf der ganzen Welt nicht! – Organtransplantationen nicht möglich wären. Das zu unterbinden, wäre natürlich völlig unsinnig, und niemand könnte dafür sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Auf der anderen Seite haben wir dafür gesorgt, daß dort, wo es Bedenken gibt, wo Menschen Sorgen haben und noch skeptisch sind, alles genehmigungspflichtig ist. In Österreich kann nach dem Gentechnikgesetz kein gentechnisch hergestelltes Produkt – also nicht bloß Lebensmittel, sondern auch andere Dinge, wie etwa Leim, der gentechnisch veränderte Stärke enthielte – ohne Genehmigung auf den Markt gebracht werden. Jedes Produkt muß gekennzeichnet werden; der Konsument kann also nicht an der Nase herumgeführt werden.

Was diese Freisetzungen anlangt, gibt es ein Stufenverfahren, ein sehr strenges Stufenverfahren. Jene Firma, die sich nicht an das Gesetz gehalten hat, muß die Konsequenzen dafür tragen und wird einen wirtschaftlichen Schaden erleiden, der wahrscheinlich wesentlich über die Verwaltungsstrafe hinausgeht, weil wir eben ein strenges Gentechnikgesetz haben. Das haben wir beschlossen, dazu stehen wir, das soll angewendet werden.

Für Verdächtigungen jedoch, die nur dazu dienen, Menschen unnötig Angst zu machen, haben wir nichts übrig. Daher lehnen wir einen solchen Untersuchungsausschuß ab! (Beifall bei der ÖVP.)

1.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Der Barmüller ist sicher dafür!)

1.39

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn von dieser Stelle aus behauptet wird, niemand müsse sich vor den Risken der Gentechnik fürchten, dann, Herr Abgeordneter Schwimmer, muß man dem widersprechen, und zwar deshalb, weil auch Sie wissen, daß, wenn es auch ein noch so kleines Risiko im Bereich der Gentechnik ist, Herr Abgeordneter Schwimmer – und Risken existieren, daran kann kein Zweifel bestehen –, wenn diese Risken schlagend werden, dann gibt es nach dem Gentechnikgesetz keine Haftung. (Abg. Dr. Schmidt: Er weiß es nicht und wird es nicht erfahren!)

Es gibt normale Haftungsregelungen, die eine Verschuldenshaftung darstellen, im Grunde genommen wird jedoch in dem von Ihnen als so streng dargestellten Gentechnikgesetz überhaupt keine Vorsorge dafür getroffen, daß eine illegale Vorgangsweise unterbunden wird. (Abg. Dr. Schwimmer: Herr Barmüller, als Jurist müßten Sie wissen: Auch das Strafgesetz schützt nicht davor, daß illegale Maßnahmen gesetzt werden!)

Genau! Deswegen muß man sich überlegen, wie dort, Herr Abgeordneter Schwimmer, wo starke wirtschaftliche Interessen da sind, mit anderen Maßnahmen als bürokratischen Hürden


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23. Sitzung / Seite 230

sinnvoll geschützt werden kann, zum Beispiel indem Sie eine sehr strenge Haftung etablieren. Das ist etwas, was in diesem Zusammenhang sinnvoller Schutz sein kann. Darüber aber hinwegzutäuschen, ist falsch, das wissen Sie auch! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Da es um diesen Antrag der Grünen geht, meine Damen und Herren, den ich unter Hinweis auf alle drei Genehmigungsanträge für überschießend halte: Es ist ganz wesentlich und sollte gerade auch die ÖVP interessieren, daß es da personelle Verquickungen gibt.

Ich habe dieses Problem am Montag in einer Pressekonferenz angesprochen – Herr Universitätsprofessor Dr. Peter Ruckenbauer hat es auch bestätigt –: Es besteht eine zu große Nähe von einzelnen Universitätsprofessoren zu Genehmigungsinstrumenten des Gesundheitsministeriums, wo nicht klar ist, warum etwa ein interuniversitäres Forschungszentrum für Agrarbiologie Flächen pachtet, um sie dann der Zuckerforschung Tulln GesmbH für die Aussetzung zur Verfügung zu stellen, warum Herr Universitätsprofessor Peter Ruckenbauer persönlich beim Ein- und Ausgraben von genmanipulierten Kartoffeln anwesend war, warum Personal aus dem Nahebereich des Bundes – gemeinsam mit Personal einer privaten Firma – bei einem eindeutig rechtswidrigen Akt zugegen ist und daran mitwirkt.

All das sind Fragen, die in diesem Zusammenhang selbstverständlich noch näher beleuchtet werden müssen. Wenngleich wir von seiten der Liberalen meinen, daß es auch Erwartungen und Hoffnungen im Zusammenhang mit der Gentechnologie gibt, die verfolgenswert sind.

Es gibt natürlich auch Risken, die vorsichtiges Vorgehen notwendig machen. Es muß auch klargelegt werden, wie innerhalb der einzelnen Genehmigungskomitees, der einzelnen Expertenkomitees, Expertenausschüsse, wie im Bereich der Gentechnik-Kommission die Querverbindungen personeller Art und wirtschaftlicher Interessen laufen.

Das aufzuzeigen, meine Damen und Herren, wird Gegenstand schriftlicher Anfragen sein. Und unserer Auffassung nach kann es auch Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses sein – und darum werden wir diesem Antrag unsere Zustimmung geben. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

1.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort ist nunmehr die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Ing. Langthaler, gemeldet. – Bitte.

1.43

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man sollte sich bei der Geschäftsordnungsreform, glaube ich, auch einmal überlegen, daß, wenn ein Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gestellt wird, der Antragsteller oder die Antragstellerin am Beginn der Debatte die Möglichkeit hat, den Antrag zu erläutern (Beifall bei den Grünen) , denn dann wäre es möglicherweise nicht zu diesem Mißverständnis mit Ihnen, Frau Abgeordnete Reitsamer, gekommen. Bei diesem Antrag geht es eben nicht um dieses Moratorium von fünf Jahren. Wir sind nach wie vor natürlich gerne bereit zu Verhandlungen, und wir hoffen sehr, hier auch mit Ihnen verhandeln zu können.

Hier geht es um die Aufklärung von möglichen Verwicklungen zwischen Beamten des Gesundheitsressorts und Firmenvertretern, vor allem natürlich rund um diese Tullner Zuckerforschung GesmbH. Gerade Sie, Herr Abgeordneter Schwimmer – wobei Ihre Rolle ja auch höchst aufklärungsbedürftig wäre in einem solchen Untersuchungsausschuß, aber Sie sind natürlich kein Beamter, sondern Abgeordneter –, reden von Politikverschwörung!

Ich kann mich noch gut an unsere Diskussionen bei der Beschlußfassung des Gentechnikgesetzes erinnern. (Abg. Dr. Schwimmer: Was soll diese Unterstellung?! – Abg. Dr. Rasinger: Das ist ja skandalös, diese Unterstellung!) Sie müssen ein schlechtes Gewissen haben, wenn Sie gleich so aufbrausend reagieren.

Herr Abgeordneter Schwimmer! Ich kann mich noch gut an diese Beschlußfassung erinnern, denn die ganze Geschichte begann bei der Diskussion rund um das Gentechnikgesetz. In den


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Verhandlungen und Ausschüssen wurde offensichtlich, daß prominente Firmenvertreter diejenigen waren, die dieses Gesetz formuliert haben. Nicht Sie und nicht Herr Sektionschef Bobek hatten all die Paragraphen im Kopf und wußten genau, worum es ging, sondern es waren diese Firmenvertreter, allen voran Herr Dr. Zacherl, der genau wußte, worum es sich handelte. Offensichtlich deshalb, weil er dieses Gesetz vorrangig geschrieben hatte, wußte er auch, worum es in welchen Paragraphen ging.

Diese unglaublichen Verwicklungen, die es da gibt, diese personellen Verflechtungen finden weiterhin statt. In allen drei Fällen beim Anhörungsverfahren im Ministerium hat man eindeutig gemerkt, daß es keineswegs zu einem fairen Verfahren gekommen ist, sondern daß es von seiten der Behörde von vornherein unglaubliche persönliche Kontakte mit den Firmenvertretern gab, sodaß eine objektive Beurteilung nicht mehr möglich gegeben war.

Es war von vornherein unmöglich, daß einerseits das Gesundheitsressort mit 15 Millionen Schilling den Seibersdorfer Antrag gesponsert hat, gleichzeitig aber verlangt wurde, daß objektiv beurteilt hätte werden sollen, ob dieser Antrag überhaupt den vorgegebenen Kriterien entspricht.

Am 11. April 1996, Herr Abgeordneter Schwimmer, hat die Sitzung des wissenschaftlichen Beirates bezüglich Freisetzungsversuch zur Genkartoffel in Tulln stattgefunden. In allen anderen Ländern, in denen es ein Gentechnikgesetz gibt, wird der Antragsteller gehört, und auch bei unserem Gentechnikgesetz ist vorgesehen, daß der Projektbewerber, der Antragsteller in einer solchen Sitzung gehört wird.

In diesem Fall aber war das anders: Es war der Antragsteller, der Projektwerber ununterbrochen bei dieser Sitzung anwesend. Wir wissen das von verschiedenen anderen Teilnehmern. Es wurde ununterbrochen und vorwiegend seitens der Firmenvertreter in dieser Sitzung Stimmung gemacht, und es wurde bereits offensichtlich in der Sitzung signalisiert, daß es ohnehin einen positiven Bescheid geben wird.

Letztendlich folgte dann die illegale Aussetzung. – Es ist absolut glaubwürdig, was jetzt mehrere suspendierte beziehungsweise gekündigte Firmenvertreter sagen, nämlich daß sie von seiten des Ministeriums entsprechende Zusagen hatten und überhaupt nicht daran gezweifelt haben, daß es in dieser Sache einen negativen Bescheid hätte geben können, obwohl das Umweltministerium immer wieder Unterlagen nachgefordert hat, weil diese Firma bis zum Schluß nicht allen Anforderungen bezüglich Unterlagen nachgekommen ist.

Trotzdem wurde von der Firma aufgrund dieser persönlichen Zusagen und auch aufgrund der langjährigen guten Kontakte, die es da gibt, gehandelt. Es wurde ein Freisetzungsversuch illegal unternommen. Es gibt auch den Verdacht persönlicher Verwicklungen einzelner Beamter in diese sehr reichen Firmen.

Es ist hier notwendig, in einem Untersuchungsausschuß ein für alle Male klarzustellen, daß es nicht angehen kann, daß sich reiche Gentechnikindustrien die Bewilligungen – wie auch immer – erhandeln, erkaufen oder was immer können, sondern es muß es ein faires Verfahren bei einer so sensiblen Materie wie bei Freisetzungsversuchen geben.

Wir kennen sensible Bereiche in Ministerien, wo es immer wieder zur Problemen gekommen ist: Das war immer in der Pharmakologie, wenn es um die Zulassung von Medikamenten ging, es um sehr viel Geld ging, wenn es darum ging, daß Beamte dafür zuständig waren, Medikamente zu bewilligen, die dann natürlich enorme finanzielle Gewinne eingebracht haben.

Im Bereich des Umweltressorts ist uns das immer dort bekannt, wo es um Abfallexporte und sehr hohe finanzielle Risken und natürlich auch um ein großes Risiko für die Firmen geht.

Wir wollen das aufgeklärt wissen, und wir wollen, daß in einem Rechtstaat untersucht wird, wie so eine Firma illegal aussetzt und sich dabei auf die Beamten beruft. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

1.48


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Stenographisches Protokoll
23. Sitzung / Seite 232

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Ing. Langthaler auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit . Der Antrag ist abgelehnt .

Verlesung von Teilen des Amtlichen Protokolls

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von 20 Abgeordneten vor, das Amtliche Protokoll dieser Sitzung hinsichtlich des Punktes 7 zu verlesen, damit dieser Teil mit Schluß der Sitzung als genehmigt gilt. Dadurch soll die umgehende Ausfertigung des vom Nationalrat gefaßten Beschlusses ermöglicht werden.

Dieses Protokoll betrifft den Punkt 7: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 188/A der Abgeordneten Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler, Ing. Kurt Gartlehner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Bundeshaushaltsgesetz geändert wird 144 der Beilagen.

Das Amtliche Protokoll lautet wie folgt:

"Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschußantrag in 144 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung einstimmig angenommen.

Die dem Ausschußbericht 144 der Beilagen beigedruckte Entschließung wird einstimmig angenommen."

Soweit die Fassung des Amtlichen Protokolles.

Erheben sich dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall.

Dieser Teil des Amtlichen Protokolles gilt daher gemäß § 51 Abs. 6 der Geschäftsordnung mit Schluß der Sitzung als genehmigt.

Einlauf

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich gebe bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 192/A bis 211/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 603/J bis 645/J eingelangt.

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betrifft, berufe ich für 1.51 Uhr – das ist gleich im Anschluß an diese Sitzung – ein.

Die Sitzung ist geschlossen .

Schluß der Sitzung: 1.50 Uhr