Stenographisches Protokoll

10. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 26. März 2003

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

10. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode                    Mittwoch, 26. März 2003


Dauer der Sitzung

Mittwoch, 26. März 2003: 9.30 – 22.25 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem eine vorläufige Vorsorge für das Finanzjahr 2003 getroffen wird (Gesetzliches Budgetprovisorium 2003)

2. Punkt: Bericht über den Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2001

3. Punkt: Bericht über den Antrag 69/A der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (Bundesministeriengesetz-Novelle 2003)

4. Punkt: Bericht über den Antrag 45/A der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Dr. Peter Wittmann, Mag. Karl Schweitzer, Mag. Terezija Stoisits, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versöhnungs­fonds-Gesetz geändert wird

5. Punkt: Bericht über den Antrag 46/A der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Dr. Peter Wittmann, Mag. Karl Schweitzer, Mag. Terezija Stoisits, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird

6. Punkt: Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der orientalisch-ortho­doxen Kirchen in Österreich (Orientalisch-orthodoxes Kirchengesetz; OrientKG)

7. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Fahrschulen (Fahrschulgesetz – FschulG) erlassen, das Bundesgesetz über den Führerschein (Führerscheingesetz 1997 – FSG 1997) (BGBl. I Nr. 120/1997 i.d.F. BGBl. I Nr. 65/2002) und das Kraftfahrwesen (Kraftfahrgesetz 1967 – KFG 1967) (BGBl. 1967/267 i.d.F. BGBl. I Nr. 65/2002) geändert werden (33/A)

8. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltver­träg­lichkeitsprüfungsgesetz 2002, das Wasserrechtsgesetz 1959 und das Bundesluft­rein­haltegesetz 2002 geändert werden (Gesetz über den Nachbarschafts- und Umweltschutz bei landwirtschaftlichen Anlagen 2003) (40/A)


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10. Sitzung / Seite 2

9. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Telekommunikation (Telekommunikationsgesetz – TKG), BGBl. I Nr. 100/1997, zuletzt geändert durch Bundesgesetz BGBl. I Nr. 134/2002, geändert wird (49/A)

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen ............................................................................................... 16

Geschäftsbehandlung

Erklärung des Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel zum Thema „Euro­päischer Rat in Brüssel vom 20. bis 21. März 2003“ im Sinne des § 19 Abs. 2 der Geschäftsordnung .................... 35

Bekanntgabe .................................................................................................. 16

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel .......................................................... 35

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Ge­schäfts­ordnung                          16

Redner:

Dr. Alfred Gusenbauer .............................................................................. 40

Mag. Wilhelm Molterer ............................................................................. 43

Dr. Alexander Van der Bellen .................................................................... 46

Herbert Scheibner ..................................................................................... 48

Vizekanzler Mag. Herbert Haupt ............................................................... 52

Dr. Josef Cap ............................................................................................ 54

Dr. Michael Spindelegger ......................................................................... 56

Dr. Peter Pilz ............................................................................................. 61

Dr. Reinhard Eugen Bösch ........................................................................ 63

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner ........................................... 64

Bundesminister Dr. Ernst Strasser ............................................................. 66

Mag. Barbara Prammer ............................................................................. 67

Dr. Reinhold Mitterlehner ......................................................................... 68

Mag. Ulrike Lunacek ................................................................................ 69

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................. 70

Peter Schieder .......................................................................................... 71

Dr. Werner Fasslabend .............................................................................. 72

MMag. Dr. Madeleine Petrovic .................................................................. 73

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................. 74

Mag. Gisela Wurm .................................................................................... 74

Klaus Wittauer .......................................................................................... 76

Petra Bayr ................................................................................................. 76

Mag. Andrea Kuntzl .................................................................................. 77

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger, Peter Schieder, Herbert Scheibner, Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Europäischer Rat in Brüssel vom 20. bis 21. März 2003“ – Annahme (E 4) .............................................................................  58, 78

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung einer außerordent­lichen Sitzung der UN-Generalversammlung aus Anlass des Krieges im Irak – Ablehnung ......................................................................  70, 78


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10. Sitzung / Seite 3

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfrage­beantwortung 13/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung ...................................................................................... 34

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Ge­schäftsordnung                     91

Redner:

Dr. Gabriela Moser .................................................................................... 91

Wolfgang Großruck .................................................................................. 94

Doris Bures ............................................................................................... 95

Detlev Neudeck ......................................................................................... 96


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10. Sitzung / Seite 4

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser .................................................. 97

Dieter Brosz ............................................................................................ 100

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung ........................................................................................... 34

Unterbrechung der Sitzung ............................................................................. 67

Aktuelle Stunde (2.)

Thema: „Keine Spekulation mit Steuergeldern, einheitliche Veran­lagungsbestimmungen im Finanzausgleichsgesetz für Gelder aus dem Verkauf von Wohnbauförderungsdarlehen“

Redner:

Dr. Peter Wittmann ................................................................................... 16

Staatssekretär Dr. Alfred Finz .............................................................. 19, 26

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll .................................................................... 21

Gabriele Heinisch-Hosek ........................................................................... 22

Barbara Rosenkranz ................................................................................. 24

MMag. Dr. Madeleine Petrovic .................................................................. 25

Dr. Michael Spindelegger ......................................................................... 27

Beate Schasching ..................................................................................... 28

Anton Wattaul .......................................................................................... 30

Mag. Werner Kogler ................................................................................. 31

Ausschüsse

Zuweisungen ............................................................................  33, 191, 197, 199

Auslieferungsbegehren

gegen den Abgeordneten Mag. Dr. Alfred Brader ............................................. 33

Unvereinbarkeitsangelegenheiten

Zweiter Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses .............................................. 34

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (10 d. B.): Bundesgesetz, mit dem eine vorläufige Vorsorge für das Finanz­jahr 2003 getroffen wird (Gesetzliches Budgetprovisorium 2003) (19 d. B.) ................................................................................................................. 78

Redner:

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................... 78

Jakob Auer ............................................................................................... 81

Mag. Werner Kogler ................................................................................. 86

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann ................................................................. 89

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser .................................................. 90

Ing. Kurt Gartlehner ................................................................................ 102

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll ................................................................... 103

Michaela Sburny ..................................................................................... 105

Mares Rossmann ..................................................................................... 106

Mag. Hans Moser .................................................................................... 107

Dr. Ferdinand Maier ................................................................................ 108

Mag. Dietmar Hoscher ............................................................................. 110

Edeltraud Lentsch ................................................................................... 112

Mag. Christine Muttonen ......................................................................... 113

Matthias Ellmauer ................................................................................... 114

Anton Heinzl ........................................................................................... 115

Helga Machne ......................................................................................... 117

Franz Riepl ............................................................................................. 118

Franz Xaver Böhm .................................................................................. 120

Karl Öllinger ........................................................................................... 121

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einkom­mensteuersenkung – Ablehnung .......................  81, 123

Entschließungsantrag der Abgeordneten Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen betreffend die sofortige Realisierung der Güterzugumfahrung St. Pölten – Ablehnung ....................  116, 123

Entschließungsantrag der Abgeordneten Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen betreffend die dringend notwendige Modernisierung des Bahnhofs der Landeshauptstadt St. Pölten – Ablehnung      116, 123

Entschließungsantrag der Abgeordneten Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung des nach wie vor unzureichenden Lärm­schutzes an der A 1 im Bereich St. Pölten – Ablehnung         117, 123

Entschließungsantrag der Abgeordneten Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen betreffend die strafrechtliche Verfolgung von Schwarz­be­schäfti­gung – Ablehnung .............  119, 123

Annahme des Gesetzentwurfes ...................................................................... 122

2. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Bundesrechnungsab­schluss (III-2 d. B.) für das Jahr 2001 (20 d. B.) ....................................................................................... 123

Redner:

Mag. Melitta Trunk ................................................................................. 124

Johann Kurzbauer .................................................................................. 125

Mag. Werner Kogler ................................................................................ 126

Josef Bucher ........................................................................................... 127

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser ................................................. 129

Heinz Gradwohl ...................................................................................... 133

Rechnungshofpräsident Dr. Franz Fiedler ............................................... 134

Jakob Auer ............................................................................................. 136

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann ................................................................ 137

Dr. Christoph Matznetter ......................................................................... 139

Annahme des Gesetzentwurfes ...................................................................... 139

3. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 69/A der Ab­geordneten Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministe-


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riengesetz 1986 geändert wird (Bundesministeriengesetz-Novelle 2003) (30 d. B.)     ........................................................................................................... 140

Redner:

Dr. Peter Wittmann .................................................................................. 140

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer ............................................................. 142

Dr. Eva Glawischnig ................................................................................ 144

Dr. Helene Partik-Pablé ........................................................................... 146

Staatssekretär Franz Morak ..................................................................... 148

Stefan Prähauser ..................................................................................... 149

Karl Donabauer ....................................................................................... 151

Karl Öllinger ........................................................................................... 153


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Josef Bucher ........................................................................................... 154

Mag. Walter Posch .................................................................................. 155

Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler .............................................................. 158

Mag. Terezija Stoisits .............................................................................. 159

Herbert Scheibner ................................................................................... 161

Peter Marizzi ........................................................................................... 162

Maria Grander ......................................................................................... 164

Dr. Gabriela Moser .................................................................................. 165

Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck ........................................................ 166

Mag. Hans Langreiter .............................................................................. 167

Otto Pendl ............................................................................................... 168

Dr. Kurt Grünewald ................................................................................. 169

Mag. Elisabeth Grossmann ..................................................................... 170

Sabine Mandak ....................................................................................... 172

Dipl.-Ing. Werner Kummerer ................................................................... 173

Dr. Johannes Jarolim .............................................................................. 174

MMag. Dr. Madeleine Petrovic ................................................................ 175

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufforderung zu einer Überprüfung der Inan­spruchnahme der Bezugsfortzahlung nach dem Bundesbezügegesetz – Ablehnung ............................................................................................................  150, 178

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen betreffend Übertragung der Zollwache ins BMI – Ablehnung .........................................................  169, 178

Annahme des Gesetzentwurfes ...................................................................... 177

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 45/A der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Dr. Peter Wittmann, Mag. Karl Schweitzer, Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versöhnungsfonds-Gesetz geändert wird (28 d. B.)        ........................................................................................................... 179

5. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 46/A der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Dr. Peter Wittmann, Mag. Karl Schweitzer, Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den National­fonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird (29 d. B.) ................ 179

Redner:

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ............................................................... 179

Mag. Walter Posch .................................................................................. 180

Josef Bucher ........................................................................................... 181

Mag. Terezija Stoisits .............................................................................. 182

Mag. Cordula Frieser .............................................................................. 183

Dr. Gertrude Brinek ................................................................................. 184

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 28 und 29 d. B. .................................... 184

6. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (8 d. B.): Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der orientalisch-ortho­doxen Kirchen in Österreich (Orientalisch-orthodoxes Kirchengesetz; OrientKG) (31 d. B.) ................................................................ 185

Redner:

Werner Amon, MBA ............................................................................... 185

Dr. Robert Rada ...................................................................................... 186

Mares Rossmann ..................................................................................... 187

Dieter Brosz ............................................................................................ 187

Mag. Dr. Alfred Brader ............................................................................ 188

Bundesministerin Elisabeth Gehrer ......................................................... 189

Annahme des Gesetzentwurfes ...................................................................... 189

7. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Fahrschulen (Fahrschulgesetz – FschulG) erlassen, das Bundesgesetz über den Führerschein (Führerscheingesetz 1997 – FSG 1997) (BGBl. I Nr. 120/1997 i.d.F. BGBl. I Nr. 65/2002) und das Kraftfahrwesen (Kraftfahr­ge­setz 1967 – KFG 1967) (BGBl. 1967/267 i.d.F. BGBl. I Nr. 65/2002) ge­ändert werden (33/A) .................................................... 189

Redner:

Kurt Eder ................................................................................................ 189

Werner Miedl .......................................................................................... 190

Anton Wattaul ......................................................................................... 190

Dr. Gabriela Moser .................................................................................. 191

Zuweisung des Antrages 33/A an den Verkehrsausschuss ................................ 191

8. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kol­le­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umwelt­ver­träglichkeitsprüfungsgesetz 2002, das Wasserrechtsgesetz 1959 und das Bundesluftreinhaltegesetz 2002 geändert werden (Gesetz über den Nachbar­schafts- und Umweltschutz bei landwirtschaftlichen Anlagen 2003) (40/A) ............................. 191

Redner:

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber ........................................................ 192, 197

Erwin Hornek .......................................................................................... 193

Mag. Ulrike Sima .................................................................................... 194

Dipl.-Ing. Elke Achleitner ........................................................................ 194

Franz Eßl ................................................................................................ 195

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ........................................................................... 196

Klaus Wittauer ........................................................................................ 196

Zuweisung des Antrages 40/A an den Umweltausschuss .................................. 197

9. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Telekommunikation (Telekommunikations­ge-


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setz – TKG), BGBl. I Nr. 100/1997, zuletzt geändert durch Bundesgesetz BGBl. I Nr. 134/2002, geändert wird (49/A) ........................................................................................................... 197

Redner:

Dr. Gabriela Moser .................................................................................. 198

Mag. Karin Hakl ...................................................................................... 198

Ing. Erwin Kaipel .................................................................................... 198

Mag. Eduard Mainoni ............................................................................. 199

Zuweisung des Antrages 49/A an den Verkehrsausschuss ................................ 199

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen ..................................................................................... 33

24: Bundesgesetz über Mediation in Zivilrechtssachen (Zivilrechts-Media­tions-Gesetz – ZivMediatG) sowie über Änderungen des Ehegesetzes, der Zivilprozessordnung, der Strafprozessordnung, des Gerichtsgebührenge­setzes und des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001

25: Strafprozessreformgesetz

26: Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988 und das Ge­richts­­organisationsgesetz 1896 geändert werden

27: Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Kartell­gesetz 1988, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Versicherungsver­trags­gesetz 1958, das Atomhaftungsgesetz 1999, das Bundesgesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer, das Finanzmarktaufsichts­be­hör­dengesetz, das Börsegesetz und das Bankwesengesetz geändert wer­den (VAG-Novelle 2003)

32: Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Glücksspielgesetz, das Kapitalmarktgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Finanz­markt­aufsichtsbehördengesetz geändert werden

33: Bundesgesetz, mit dem die Konkursordnung, die Ausgleichsordnung, das Insolvenzrechtseinführungsgesetz, das Bankwesengesetz und das Ver­sicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Bundesgesetz über das Internationale Insolvenzrecht – IIRG)

38: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über nationale Emissions­höchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe (Emissionshöchst­mengenge­setz-Luft, EG-L) erlassen sowie das Ozongesetz und das Immissions­schutz­gesetz-Luft geändert werden

39: Exekutionsordnungs-Novelle 2003 – EO-Nov. 2003

40: Urheberrechtsgesetz-Novelle 2003 – UrhG-Nov 2003

Berichte ........................................................................................................ 34

III-18: Wildschadensbericht 2001; BM f. Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

III-19: Kunstbericht 2001; Bundesregierung

III-21: Restitutionsbericht 2001/2002; BM f. Bildung, Wissenschaft und Kultur


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10. Sitzung / Seite 8

Anträge der Abgeordneten

Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und das Arbeitsverfassungsgesetz 1974 geändert werden (72/A)

Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über die Einhebung einer Abgabe für Versicherte, die in geringfügigen Beschäftigungs­verhältnissen stehen (73/A)

Sigisbert Dolinschek, Mag. Walter Tancsits, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über eine pauschalierte Abgabe von Dienstgebern geringfügig beschäftigter Personen erlassen und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (74/A)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 99 Abs. 1 GOG auf Beauftragung des Rechnungshofes mit der Durchführung eines besonderen Aktes der Gebarungsüberprüfung betreffend die auftrags- und widmungsgemäße Ver­wen­­dung sowie die Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit des Ein­satzes von Bundesmitteln für die Neugestaltung der Bergisel-Schanze (75/A)

Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über die Einhebung einer Abgabe für Versicherte, die in geringfügigen Beschäftigungsver­hältnissen stehen (76/A)

Georg Oberhaidinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energie-Regulierungsbehördengesetz geändert wird (77/A)

Georg Oberhaidinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die dringende Not­wendigkeit des Ausbaus des Hochspannungsnetzes in Österreich (78/A) (E)

Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zusatztafeln an Ortstafeln (79/A) (E)

Elmar Lichtenegger, Peter Haubner, Beate Schasching, Dieter Brosz, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Ausarbeitung und Übermittlung einer Regierungs­vorlage betreffend ein Berufssportgesetz an den Nationalrat (80/A) (E)

Jakob Auer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsi­denten­wahlgesetz 1971, die Europawahlordnung, das Wählerevidenzgesetz 1973, das Europa-Wählerevidenzgesetz, das Volksbegehrengesetz 1973, das Volksab­stimmungsgesetz 1972 und das Volksbefragungsgesetz 1989 geändert werden (81/A)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend sofortige Zurücknahme der Verordnungen BGBl. II Nr. 20 und 21/2003 (82/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Berichte nach Änderung der „Suchtgift-Grenzmengenverordnung“ und des „Suchtmittelgesetzes (SMG)“ (83/A) (E)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Ambulanzge­bühr (84/A)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Gesetz über die Höhe des existenzsichernden Mindestlohns (Mindestlohngesetz) (85/A)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Opferfürsorgegesetz, BGBl. 183/1947, geändert wird (86/A)


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10. Sitzung / Seite 9

Sabine Mandak, Kolleginnen und Kollegen betreffend gendergerechte Pensions­reform (87/A) (E)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Hebung des Frauenanteils im ORF (88/A) (E)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache (ÖGS) (89/A) (E)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Eindämmung der Bundesausgaben für Landesstraßen (90/A) (E)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Regelungen für Mehr­wertdienste (91/A) (E)

Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz geändert wird (92/A)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Meldegesetz 1991 geändert wird (93/A)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen betreffend Übertragung der Zoll­wache ins BMI (94/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­verfas­sungsgesetz, mit dem die Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes über das Wahlrecht und ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Wahl des Nationalrates (Nationalrats-Wahlordnung 1992), das Bundespräsidenten­wahl­gesetz 1971, das Volksbegehrengesetz 1973, das Volksbefragungs­gesetz 1989, das Volksabstimmungsgesetz 1972 und das Wählerevidenzgesetz 1973 geändert werden (95/A)

Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­ver­fas­sungsgesetz, mit dem die Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes über das Wahlrecht und ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Wahl des Nationalrates (Nationalrats-Wahlordnung 1992), das Bundespräsidenten­wahl­gesetz 1971, das Volksbegehrengesetz 1973, das Volksbe­fra­gungs­ge­setz 1989, das Volksabstimmungsgesetz 1972 und das Wählerevidenzge­setz 1973 ge­ändert werden (Demokratiereform-BVG) (96/A)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Be­einträchtigung der Filmwirtschaft durch einen Organwalter der Justizverwaltung (220/J)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Beeinträchtigung der Filmwirtschaft durch einen Organwalter der Justizverwaltung (221/J)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend den pauschalierten Dienstgeberbeitrag für geringfügig Beschäftigte (222/J)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend den pauschalierten Dienstgeberbeitrag für geringfügig Beschäftigte (223/J)


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10. Sitzung / Seite 10

August Wöginger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend missbräuchliche Verwendung von Zivildienern bei der Volkshilfe in Wels (224/J)

DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Mittel für Schulbauten (225/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Veröffentlichung der Studie zur sozialen Lage der Studierenden in Österreich (226/J)

Karl Dobnigg, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung betreffend Verlegung der Heeresmunitionsanstalt von Hieflau nach Graz (227/J)

Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend „Hackler-Regelung“ (228/J)

Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicher­heit und Generationen betreffend die Arbeitgeberschulden bei den Gebietskran­kenkassen (229/J)

Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend den Einnahmenausfall in der Krankenver­sicherung durch Maßnahmen der Bundesregierung (230/J)

DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend positive Effekte durch Ganztags­schulen (231/J)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Massengrab in der Flachgasse in Wien (232/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Falschinformationen durch die zentrale behinderten Servicestelle (233/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Blindenleitsysteme (234/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Diskriminierung von Menschen mit Behin­derung (235/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Verweigerung von Auskünften (236/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Verlegung des Handelsgerichts Wien, des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien und des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien (237/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Ausnahmen für Wirkstoffe in Pestizidprodukten (238/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend verstärkten Rückzug von Frauen aus dem Erwerbsleben als Effekt des Kinderbetreuungsgeldes – erste wissenschaftliche Untersuchung (239/J)


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10. Sitzung / Seite 11

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Strategie zur Minimierung des Pestizideinsatzes (240/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Berücksichtigung des Fairen Handels im öffentlichen Beschaffungswesen (241/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Berücksichtigung des Fairen Handels im öffentlichen Beschaffungswesen (242/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Berücksichtigung des Fairen Handels im öffentlichen Beschaffungswesen (243/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Berücksichtigung des Fairen Handels im öffentlichen Beschaf­fungswesen (244/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Berücksichtigung des Fairen Handels im öffentlichen Beschaf­fungswesen (245/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Berücksichtigung des Fairen Handels im öffentlichen Beschaf­fungs­wesen (246/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Berücksichtigung des Fairen Handels im öffent­lichen Beschaffungswesen (247/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Berücksichtigung des Fairen Handels im öffentlichen Beschaffungswesen (248/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an den mit der vorläufigen Leitung des Bundesministeriums für öffentliche Leistung und Sport betrauten Bundeskanzler betreffend Berücksichtigung des Fairen Handels im öffentlichen Beschaffungswesen (249/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für so­ziale Sicherheit und Generationen betreffend Berücksichtigung des Fairen Handels im öffentlichen Beschaffungswesen (250/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Berücksichtigung des Fairen Handels im öffentlichen Beschaffungswesen (251/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend Berücksichtigung des Fairen Handels im öffentlichen Beschaffungswesen (252/J)

DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend „Auswirkungen des Dienstleistungsabkommens GATS auf das österreichische Bildungssystem“ (253/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicher­heit und Generationen betreffend Sektion VI/6 seines Ministeriums (254/J)


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10. Sitzung / Seite 12

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Ausgaben des Ressorts für private Zwecke (255/J)

Gerhard Steier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Förderung des Schulsports (256/J)

Mag. Barbara Prammer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für aus­wärtige Angelegenheiten betreffend „Nichtwahrnehmung des Vorschlags­rech­tes für die Wahlen der RichterInnen zum Internationalen Strafgerichtshof durch Öster­reich“ (257/J)

Mag. Barbara Prammer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für so­ziale Sicherheit und Generationen betreffend Abhaltung von Kursen für arbeitslose Frauen durch Frau Dr. Eva Walderdorff (258/J)

Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend die Broschüre „SOFT SKILLS“ des Bundes­ministeriums (259/J)

Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend die behindertengerechte Aus­stattung von Zügen und Bahnhöfen der ÖBB in Niederösterreich (260/J)


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10. Sitzung / Seite 13

Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die behindertengerechte Aus­stattung von Zügen und Bahnhöfen der ÖBB in Niederösterreich (261/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Absetzungen von Beamten im Zuge der Umstrukturierungen bei den LGKs (262/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Anstieg der Personalkosten im Zuge der Umstrukturierungsmaßnahmen bei der BPD Wien (263/J)

Heidrun Walther, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Koralmbahn (264/J)

Gerhard Steier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend För­derung des Schulsports (265/J)

Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Nitratbelastung des Grundwassers in Österreich (266/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Sicherheit in der Zivilluftfahrt – Sicherheit auf kleinen Flugplätzen“ (267/J)

Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Sport-Forderungskatalog des ÖSV, ÖFB und ÖVV vom 22. November 2002 (268/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Fleischetikettierung-Umsetzung der Richt­linie 2001/101/EG der Kommission (269/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend „Sanktionen wegen bzw. nach HIV-Gefährdung“ (270/J)

Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend den Umbau der Ybbstalbahn (271/J)

Dr. Christian Puswald, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend eine fragwürdige Verfahrenseinstellung durch die StA Klagenfurt (272/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend die nunmehr durch eine wissenschaftliche Untersuchung festgestellte Verschlechterung der Situation jugendlicher Häftlinge durch die Übersiedlung von der Justizanstalt Erdberg in die Justizanstalt Josefstadt (273/J)

Hermann Krist, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend „Straftatbestand Sozialbetrug“ (274/J)

Erika Scharer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie bezüglich Bau der jeweils zweiten Tauern- und Katsch­bergtunnelröhre (275/J)

Erika Scharer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit bezüglich Reform des Arbeitsmarktservices (AMS) (276/J)

Walter Schopf, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kontrolle der illegalen Ausländerbeschäftigung durch die Zollbehörde (277/J)

Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Auflassung der Bahnhöfe Amstetten und St. Valentin als IC-Bahnhöfe (278/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (42/AB zu 56/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen (43/AB zu 24/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (44/AB zu 36/J)


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10. Sitzung / Seite 14

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (45/AB zu 87/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen (46/AB zu 40/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (47/AB zu 58/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Ab­geordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen (48/AB zu 54/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Ab­geordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen (49/AB zu 50/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen (50/AB zu 27/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen (51/AB zu 61/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (52/AB zu 82/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen (53/AB zu 42/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Heidemarie Rest-Hinterseer, Kolleginnen und Kollegen (54/AB zu 51/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen (55/AB zu 52/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen (56/AB zu 44/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen (57/AB zu 22/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (58/AB zu 28/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (59/AB zu 33/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen (60/AB zu 38/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen (61/AB zu 43/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Helmut Kukacka, Kolleginnen und Kollegen (62/AB zu 55/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen (63/AB zu 26/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen (64/AB zu 37/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen (65/AB zu 45/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen (66/AB zu 48/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen (67/AB zu 49/J)


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10. Sitzung / Seite 15

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (68/AB zu 35/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen (69/AB zu 41/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen (70/AB zu 29/J)


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Beginn der Sitzung: 9.30 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweiter Präsident Dr. Heinz Fischer, Dritter Präsi­dent Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.

*****


Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 10. Sitzung des Natio­nalrates. Ich begrüße Sie herzlich und bitte Sie, Platz zu nehmen.

Ich weise darauf hin, dass wir in der Präsidialkonferenz die Frage des Telefonierens im Plenum mit Handtelefonen erörtert haben und übereingekommen sind, diese Regel der Hausordnung künftig strikt anzuwenden; das heißt, ich werde in Zukunft, wenn ich jemanden mit dem Handy telefonieren sehe, unterbrechen und darauf hinweisen, dass die Hausordnung derartige Dinge nicht vorsieht. Wie meine Kollegen das weiter handhaben werden, weiß ich nicht, aber ich werde beim zweiten Mal einen Ordnungsruf erteilen.

Das Amtliche Protokoll der 9. Sitzung vom 19. März 2003 ist in der Parlamentsdirektion aufge­legen und unbeeinsprucht geblieben; es gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dr. Lichtenberger, Franz, Dr. Einem, Krainer und Csörgits.

Ankündigung einer Erklärung des Bundeskanzlers zum Thema „Europäischer Rat in Brüssel vom 20. bis 21. März 2003“


Präsident Dr. Andreas Khol: Der Herr Bundeskanzler hat seine Absicht bekundet, zum Thema „Europäischer Rat in Brüssel vom 20. bis 21. März 2003“ eine Erklärung abzugeben.

Ferner gebe ich bekannt, dass ein Verlangen von fünf Abgeordneten vorliegt, über diese Erklä­rung gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung sogleich eine Debatte durchzuführen.

Die Erklärung sowie die anschließende Debatte werden nach der Aktuellen Stunde stattfinden.

Aktuelle Stunde


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Keine Spekulation mit Steuergeldern, einheitliche Veranlagungsbestimmungen im Finanzausgleichsgesetz für Gelder aus dem Verkauf von Wohnbauförderungsdarlehen“

Als Erstredner gelangt Herr Abgeordneter Dr. Wittmann zu Wort. – Bitte. (Abg. Dr. Wittmann trägt, so wie zahlreiche andere Abgeordnete der SPÖ, einen regenbogenfarbigen Sticker mit der Aufschrift „Friede“.)

9.32


Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht heute um ein Thema, das leider an Aktualität gewonnen hat, da die Verluste, die in Niederösterreich über eine höchst zweifelhafte Veranlagungsform herbeigeführt wurden, immer größer werden und praktisch stündlich ins Unermessliche steigen.

Der Landtag von Niederösterreich hat auf Grund eines Beschlusses der Landesregierung vom 29. Mai 2001 am 28. Juni 2001 beschlossen, die Wohnbauförderungsdarlehen zu verwerten und den aus dieser Verwertung dem Land zukommenden Erlös durch eine zu gründende Ver­anlagungsgesellschaft zu veranlagen. Dieser Beschluss wurde im Landtag gefasst (Abg. Dona-


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bauer: Mit Ihrer Zustimmung!) – mit Zustimmung der SPÖ (demonstrativer Beifall bei der ÖVP) –, das sagt aber nichts darüber aus, in welcher Form diese Gelder veranlagt werden sollen. (Abg. Mag. Tancsits: Bank Burgenland!)

Es ist natürlich möglich, eine Verwertung der Wohnbauförderungsdarlehen vorzunehmen, und es ist auch nichts Verwerfliches daran, einen derartigen Beschluss zu fassen. Aber es ist höchst verwerflich, so vorzugehen, wie das in Niederösterreich der Fall war. Demjenigen, dem man das Pouvoir zur Veranlagung einräumt, stehen nämlich zwei Wege offen: der Weg der seriösen Ver­anlagung, der sicheren Veranlagung, der risikoarmen Veranlagung, der für Steuergelder zu wählen ist, und der Weg ins Casino.

Die einschlägigen Verfassungsbestimmungen – sowohl in der österreichischen Bundesverfas­sung als auch in der niederösterreichischen Landesverfassung – haben den Grundsatz nor­miert, bei der Veranlagung und Verwertung von Mitteln Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit anzuwenden. Das heißt, jede handelnde Person muss diesen verfassungs­rechtlich normierten Grundsätzen bei der Veranlagung von Mitteln entsprechen, das heißt, Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit beachten.

Das gilt auch für den Fall der privatwirtschaftlichen Verwaltung. Auch dann, wenn ich diese Mittel über eine Veranlagungsgesellschaft veranlage, trifft dieser Grundsatz zu. Das heißt, es steht dem Handelnden nicht frei, zu sagen: Ich veranlage, wie ich will!, wie das eine Einzel­person, eine Privatperson machen kann, die mit dem Geld ins Casino oder auf den Aktienmarkt gehen oder eben risikoarme Veranlagungen vornehmen kann.

Das heißt, der Staat ist da wesentlich stärker gebunden. Der Staat ist diesbezüglich verfas­sungsrechtlich in ein Korsett gebunden und hat eben die Grundsätze Sparsamkeit, Wirtschaft­lichkeit und Zweckmäßigkeit einzuhalten. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Was ist in Niederösterreich passiert? – In Niederösterreich hat man den Beschluss, den ich ein­gangs erwähnt habe, gefasst, und dann hat man es dem Finanzlandesrat anheim gestellt, welche Form der Veranlagung durchgeführt wird. Es gibt dabei, wie schon erwähnt, zwei Möglichkeiten.

Man muss auch den Betrag nennen, um den es dabei ging. Es waren rund 34 Milliarden Schil­ling – ich wiederhole: 34 Milliarden Schilling, die aus dem Verkauf der Wohnbauförderungs­darlehen eingenommen wurden. 34 Milliarden Schilling wurden dabei an Landesmitteln einge­nommen! Und man hat es dem Landesrat freigestellt, wie er diese Mittel veranlagt. (Abg. Parnigoni: Ein Wahnsinn!)

Dieser Landesrat hat dabei – ohne Rücksprache mit dem Landtag oder der Landesregierung zu halten – zwei Möglichkeiten: Entweder er gibt das Geld verantwortungsbewusst in risikoarme Veranlagungen, er trägt es sozusagen zur Bank, oder er geht mit dem Geld ins Casino. Und er hat den Weg ins Casino gewählt! Das Casino ist in diesem Fall das internationale Börsege­schehen. Im internationalen Börsegeschehen ist natürlich die Wahrscheinlichkeit, einen Gewinn zu erzielen, noch geringer als im Casino, das weiß jeder mit einer halbdurchschnitt­lichen Ausbildung. (Abg. Scheibner: „Halbdurchschnittlich“? Was ist das?)

Dass der Landesrat von Niederösterreich nicht weiß oder nicht gewusst hat, dass das Börse­geschehen ein höchst spekulatives Geschehen ist, das traue ich nicht einmal ihm zu, obwohl man wirklich meinen konnte, dass er da an großer Naivität gelitten hat. (Zwischenrufe der Abgeordneten Großruck und Dipl.-Ing. Prinzhorn.)

Dem haben wir nicht zugestimmt! Bei der Veranlagungsform wurde niemals von der SPÖ zuge­stimmt! Sie wissen genau, dass die Veranlagungsform die ausschließliche und alleinige Ent­scheidung des Landesrates Sobotka war. (Beifall bei der SPÖ.)

Er ist damit ins Casino des internationalen Börsegeschehens gegangen, er hat 40 Prozent von 34 Milliarden Schilling in Aktien veranlagt. Ich wiederhole: 40 Prozent von 34 Milliarden Schilling wurden in Aktien veranlagt! (Abg. Scheibner: Wie viel ist das in Euro?) Und im Jahr 2002


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wurden 3,7 Milliarden Schilling an Verlusten eingefahren. 3,7 Milliarden Schilling hat er auf dem Aktienmarkt verspekuliert. 272 Millionen € oder 3,7 Milliarden Schilling hat er verspekuliert!

Bleiben wir beim Beispiel Casino. Wäre er ins echte Casino gegangen, dann hätte er täglich 10 Millionen Schilling verspielen können. Und wenn er ins Casino gegangen wäre, dann hätten wir wenigstens vom Casino 50 Prozent an Steuern zurückbekommen, aber so ist das gesamte Geld weg! (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist ja wirklich beschämend, wenn man das Casino schon als bessere „Veranlagungsform“ anführen muss – immerhin noch besser als das, was Herr Sobotka in Niederösterreich gemacht hat! Es ist unglaublich, was er mit den Steuergeldern dort angerichtet hat, und das ohne jede Verantwortung! Ohne jede Scham hat er sich dort an Steuermitteln und öffentlichen Mitteln bedient.

In Wahrheit hat er 10 Millionen Schilling täglich verspielt. Ich wiederhole: 10 Millionen Schilling täglich! Die Steuerzahler werden es schon zu „schätzen“ wissen, wem sie da das Geld anver­traut haben.

Ich muss Ihnen auch ganz ehrlich sagen: Ich frage mich, warum der Landeshauptmann von Niederösterreich nicht tätig wird, wenn jemand im Land Niederösterreich in einem Jahr 3,7 Mil­liarden Schilling in den Sand setzt. Warum hält er an dieser Person fest? – Es müsste doch Konsequenzen geben! Etwa wegen Unfähigkeit, weil Herr Sobotka eben nicht in der Lage war, das Geld richtig anzulegen, weil er eben in die falschen Dinge investiert hat. Dafür muss man doch die Verantwortung übernehmen. Da muss man doch gehen!

Das ist für mich eine eindeutige Führungsschwäche. Oder man will, wie immer in Niederöster­reich, alles unter den Teppich kehren, all das nicht publik machen. (Abg. Dr. Stummvoll: Da hätte der Häupl schon längst gehen müssen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was man mit dem Geld, das hier verspielt wurde, alles hätte machen können, das muss man sich einmal durch den Kopf gehen lassen. Es hätten damit in Niederösterreich etwa 15 000 Sozialwohnungen gebaut werden können – ich wieder­hole: 15 000 Sozialwohnungen, nur mit dem Geld, das verspekuliert wurde! Oder: Es hätte eine 100-prozentige Entschädigung der Hochwasseropfer stattfinden können. Dafür hätte es eine moralische Rechtfertigung gegeben, das wäre der moralisch richtige Weg gewesen, das Geld einzusetzen! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber das Geld quasi im Casino zu verspielen und 10 Millionen Schilling täglich in den Sand zu setzen, das ist ein starkes Stück. 3,7 Milliarden waren es allein im Jahr 2002. Der heutige Stand ist bereits wesentlich höher, nämlich 4,2 Milliarden, weil die Kurse auf den Aktienmärkten noch weiter gesunken sind. Das heißt, er verspielt nach wie vor täglich Millionenbeträge am Casino­tisch des internationalen Börsegeschehens – und das mit Steuergeldern!

Da frage ich mich, wie es mit der Steuermoral der Bürger ausschauen soll, wenn man weiß, dass das Geld sozusagen im Casino oder an der Börse verloren wird.

Diese Form der Veranlagung ist verfassungsrechtlich nicht adäquat, sie steht im Widerspruch zu den verfassungsrechtlichen Bestimmungen, und gleichzeitig fordert sie geradezu heraus, dass man einheitliche Bestimmungen einführt, um die Veranlagung von Wohnbauförderungs­mitteln im Finanzausgleich zu vereinheitlichen, um solchen Machenschaften einen Riegel vor­zuschieben.

Erklären Sie von der ÖVP dem Steuerzahler, warum Finanzlandesrat Sobotka in Niederöster­reich täglich am internationalen Börsetisch 10 Millionen Schilling verspielt! Das müssen Sie dem Steuerzahler erklären! Das müssen Sie jemandem erklären, der ein Einkommen von 14 000 S brutto hat, dass Finanzlandesrat Sobotka täglich 10 Millionen Schilling sozusagen in den Sand setzen kann – ohne irgendeine Konsequenz! (Abg. Schöls: Neue Rede! Bessere Rede!)


Präsident Dr. Andreas Khol: Den Schlusssatz bitte, Herr Abgeordneter.



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Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (fortsetzend): Das ist eine Frage, die der Landeshaupt­mann von Niederösterreich mitzuverantworten hat. (Beifall bei der SPÖ.)

9.43


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer einleitenden Stellungnahme hat sich Herr Staatssekre­tär Dr. Alfred Finz zu Wort gemeldet. Herr Staatssekretär, Ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

9.43


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Aktuelle Stunde beschäftigt sich mit dem Thema „Keine Spekulation mit Steuergeldern, einheitliche Veran­lagungsbestimmungen im Finanzausgleichsgesetz für Gelder aus dem Verkauf von Wohnbau­förderungsdarlehen“. Daraus leite ich konkret zwei Forderungen der Antragsteller ab:

Erstens: dass ein Verbot, mit Steuergeldern zu spekulieren, ausgesprochen werden soll. – Ich weiß zwar nicht, was der Unterschied zwischen einer Veranlagung und Spekulieren ist, aber ich werde noch darauf eingehen. (Lebhafte ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Schieder: Überraschend ehrlich!)

Zweitens: dass dieses Verbot durch den Bund im Rahmen einer Novelle zum Finanzausgleichs­gesetz 2001 ausgesprochen werden soll. – Hiezu stelle ich fest: Auch die Bundesfinanzierungs­agentur legt Gelder an und hat mitunter – so wie jetzt – internationale Kursverluste mitzutragen. Soviel dazu.

Wenn mit dem Begriff „Spekulieren“ gemeint ist, dass Mittel des Staates nicht so veranlagt werden, wie es einem rationalen wirtschaftlichen Handeln entspricht und wie es die Gebote der Gesetzmäßigkeit, Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit verlangen, dann kann ich Ihre Forderung nur voll unterstützen, Herr Abgeordneter Wittmann. (Bravorufe bei der SPÖ.)

Aber auch dann, wenn man alle Kautelen berücksichtigt und vorsichtig veranlagt, kann man Ris­ken nicht vermeiden. Man trägt bei einer Veranlagung immer ein gewisses Risiko, es gibt keine risikolose Veranlagung. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Staatsanleihe! Die Republik Österreich!)

Ihrer zweiten Forderung, dass durch ein Bundesgesetz den Ländern Auflagen für die Veran­lagung ihrer Mittel erteilt werden sollen, kann ich aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zustimmen. Im Paktum zum Finanzausgleich für die Jahre 2001 bis 2004 wurde unter anderem vereinbart, dass bei Rückflüssen und Erlösen aus Wohnbauförderungsdarlehen, die bis zum 31. Dezember 2000 zugesichert worden sind, jede bundesgesetzliche Zweckwidmung wegfällt.

Durch den Wegfall der Zweckwidmung handelt es sich um reines Landesvermögen. Da die Ver­waltung des Landesvermögens eine Angelegenheit der Privatwirtschaftsverwaltung des Landes ist, ist der Bundesgesetzgeber mangels Kompetenz nicht zuständig. Da somit die Verantwor­tung für eine Veranlagung dem Land obliegt, obliegt auch die politische Kontrolle dem jeweili­gen Landtag beziehungsweise die finanzrechtliche Kontrolle dem Rechnungshof beziehungs­weise dem Landesrechnungshof.

Selbst wenn der Bund die Länder hier einschränken könnte, wäre er schlecht beraten, dies zu tun. Alle politischen Parteien bekennen sich zumindest grundsätzlich zum Föderalismus und zu den Bemühungen, möglichst geschlossene Kompetenzbereiche der Länder zu schaffen und Doppelgleisigkeiten bei den Gebietskörperschaften zu vermeiden.

Es wäre geradezu absurd, würde sich der Bund angesichts der Zielsetzung ohne Not in die Ver­waltung von Landesvermögen einmischen. Im Übrigen: Welche Vorgaben sollte auf gesetzlicher Ebene der Bund den Ländern für die Veranlagung von Landesmitteln machen? Detaillierte Vorgaben über Zinssätze, Anleihenschuldner oder dergleichen scheiden wohl von vornherein aus. Gerade im Bereich der Veranlagung ist ein flexibles Reagieren unbedingt erforderlich. Es bleiben also nur allgemeine Aussagen über eine bestmögliche Veranlagung entsprechend den


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bekannten Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und so weiter übrig. Damit wäre doch wirklich niemandem geholfen.

Für eine Diskussion über Vorschriften und über die Kontrolle von Veranlagungen der Länder ist der Nationalrat daher sicher nicht das zuständige Gremium. Eine derartige Diskussion könnte nur im Landtag erfolgen. Der Nationalrat ist mangels Zuständigkeit auf jeden Fall der falsche Ort, und ich kann es mir nur mit einem Wahltermin erklären, dass wir heute hier darüber sprechen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich glaube, es steht außer Streit, dass mit Steuergeldern sorgsam umzugehen ist. Leider wurde das in den vergangenen 30 Jahren nicht so gehandhabt (Widerspruch bei der SPÖ), als wir uns Jahr für Jahr extrem verschuldet haben, sodass wir heute einen Zinsenberg von 7 Milliarden € für unsere Schulden zu tragen haben – nur für die Zinsen! Das sind Mittel, die uns in der täglichen Budgetgebarung fehlen – mehr als 10 Prozent des Budgets! Das möchte ich jenen ins Stammbuch schreiben, die von einer ordnungsgemäßen Gebarung sprechen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Da haben Sie kräftig mitgewirkt!)

Aus der Vorgangsweise einzelner Gebietskörperschaften, Erlöse aus Veräußerungen zu ver­werten beziehungsweise zu veranlagen, lässt sich nach unseren Beobachtungen im Finanz­ministerium kein einheitliches Muster erkennen. Ich verweise zum Beispiel auf die Bank Austria, wo der gesamte Verkaufserlös des Landes Wien über die AVZ gegen die Hereinnahme von Aktien einer Gesellschaft getauscht wurde. Da man Aktien nur einer Gesellschaft übernahm, ging man, wie sich nachträglich herausstellte, ein enorm hohes Risiko ein. Der Kursverlust von 76 Prozent bedeutet, dass Wien über die AVZ-Stiftung ein Kapitalvermögen – bitte, zuzu­hören! – von rund 1,29 Milliarden € verloren hat! (Oh-Rufe bei der ÖVP. – Abg. Eder: Die ÖVP hat das nie verlangt!)

Herr Abgeordneter Wittmann! Was hätte man mit diesen 1,29 Milliarden € alles für die Wiener Kindergärten, den Wohnbau und dergleichen machen können?! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Gaál und Eder.)

In Niederösterreich hingegen ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Wittmann.) – Herr Abgeordneter Wittmann, zu Wiener Neustadt zu der Zeit, als Sie noch Bürgermeister waren, sage ich jetzt nichts. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Das wäre ein eigenes Thema, dazu sage ich heute nichts, ich will hier nicht polemisieren. (Beifall bei der ÖVP.) Ich könnte über viele Gemeinden mit sozialdemokratischen Bürgermeistern einige Dinge erzählen, aber das interessiert jetzt nie­manden. (Abg. Gaál: Polemisieren Sie nicht! – Abg. Reheis: Das ist eine Frechheit, was Sie da machen!)

In Niederösterreich hingegen wurde eine Veranlagungsform gewählt, bei der 60 Prozent in An­leihen, großteils Staatsanleihen, und 40 Prozent in Aktien angelegt wurden, sodass das Risiko relativ breit gestreut wurde. Die Wertschwankung liegt bei ungefähr 6 Prozent – im Vergleich dazu in Wien: 76 Prozent –, was zu einem derzeitigen buchmäßigen Verlust von rund 190 Mil­lionen € geführt hat.

Ich will nicht Richter darüber sein, wer besser ist, Wien oder Niederösterreich (Abg. Eder: Das machen Sie die ganze Zeit!), sondern verweise auf einen Schiedsrichter, nämlich den Landes­rechnungshof. Der Landesrechnungshof hat das schon im Dezember 2002 geprüft, und ich zitiere jetzt wörtlich aus dem Bericht des Landesrechungshofes; also nicht ich urteile, sondern es urteilt der Landesrechnungshof:

„Mit der Summe aller Maßnahmen werden aus der Sicht der Berechnung des Haushaltes nach Stabilitätspaktgrundsätzen Rückflüsse aus den Darlehen in Maastricht-relevante Einnahmen umgewandelt. Die Vorgaben des Landtages von Niederösterreich wurden somit umgesetzt.“

Ich zitiere weiter: „Bei der Auswahl des Investmentberaters wurden die Vorgaben des Land­tages von Niederösterreich umgesetzt, indem eine von den Banken unabhängige und interna­tional anerkannte Gesellschaft beauftragt wurde.“ – Nichts mit dem Casino, Herr Abgeordneter Wittmann! International anerkannte Berater! (Abg. Dr. Wittmann: Das Geld ist weg!)


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„Die von den Experten erarbeitete Veranlagungsstruktur und die Streuung der Veranlagungs­instrumente ist im Einklang mit den strengen“ – das sagt der Rechnungshof! – „gesetzlichen Veranlagungsvorschriften für die volkswirtschaftlich bedeutenden und von der Finanzmarktauf­sicht überwachten Versicherungsunternehmen, Pensionskassen und Mitarbeitervorsorgen.“ (Abg. Dr. Wittmann: Verspielt! Verspekuliert! Verspekuliert ist das Geld!)

„Hinsichtlich der steuerlichen Optimierung wurden die Vorgaben des Landtages von Nieder­österreich in Abstimmung mit den zuständigen Finanzbehörden umgesetzt.“

Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Wittmann: Verspekuliert ist das Geld!)

9.53


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist nunmehr Herr Abgeordneter Dkfm. Dr. Stummvoll gemeldet. Seine Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

9.53


Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist immer wieder erstaunlich, wie eine Partei, die in Niederösterreich im direkten Leistungsvergleich mit Landeshauptmann Erwin Pröll und seinem Team keine Chance hat, hier in Wien im Parlament versucht, vier Tage vor der Wahl eine Polit­show abzuhalten. Das ist immer wieder erstaunlich, Herr Kollege Wittmann! (Die Abgeordneten Eder und Dr. Wittmann: Wo ist das Geld?)

Letzte Woche verlangten die Grünen eine Sondersitzung mit der gleichen Zielsetzung. Inzwi­schen gibt es sogar einen Gerichtsbeschluss, um den Wettbewerb in der Demokratie zu verhin­dern, Frau Kollegin Petrovic. Immer das gleiche Politspektakel! – Aber glauben Sie mir: Sie können den Niederösterreicherinnen und Niederösterreichern keinen Sand in die Augen streuen. Der Wähler ist viel zu klug (Abg. Dr. Petrovic: Haben wir nur Männer als Wähler?), um dieses Manöver nicht zu durchschauen. Das ganze Jahr lang nichts zu arbeiten und vier Tage vor der Wahl hier ein Politspektakel zu veranstalten, das ist der falsche Weg, Herr Kollege Witt­mann! Sie werden vom Wähler bestraft werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Gerade die SPÖ – gerade die SPÖ! –, die in dieser Frage extrem unglaubwürdig ist – Herr Kollege Wittmann, das, was Sie gesagt haben, war ein Bündel von Unwahrheiten –, hat vier Mal zugestimmt. Ich habe mir die Daten sogar aufgeschrieben. Ich wollte es Ihnen wirklich genau sagen können, falls Ihr Gedächtnis nicht mehr so gut funktioniert.

Erstens: 29. Mai 2001, einstimmiger Regierungsbeschluss, das heißt: Zustimmung der SPÖ. – Da schau her!

Zweitens: 12. Juni 2001, einstimmiger Regierungsbeschluss, Zustimmung der SPÖ, Herr Kollege Wittmann. – Na da schau her!

Drittens: 28. Juni 2001, Landtagsbeschluss mit den Stimmen der SPÖ.

Viertens: 25. Jänner 2002, einstimmiger Beiratsbeschluss.

Herr Kollege Wittmann! Ich habe den Eindruck, Sie bereiten sich bereits auf die Oppositionsrolle vor, denn wer ein so schlechtes Kurzzeitgedächtnis hat, dem kann man keine Regierungsver­antwortung übertragen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Die SPÖ Niederösterreich ist kein verlässlicher Partner für die Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher, meine sehr geehrten Damen und Herren, und das wird der Wähler am Sonntag auch so entscheiden! (Beifall bei der ÖVP.)

Dazu kommt, wie der Herr Staatssekretär schon ausgeführt hat, dass diese Transaktion vom Rechnungshof geprüft wurde (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim), von unabhängigen anerkann­ten Wirtschaftsprüfern, KPMG, geprüft wurde, von internationalen Finanzexperten geprüft


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wurde. Und Sie treten hierher ans Rednerpult und werfen Herrn Landesrat Sobotka Spekulation mit Steuergeldern vor!

Herr Kollege Wittmann! Ich würde einen Ordnungsruf bekommen, daher sage ich nicht, dass das, was Sie gemacht haben, eine Schmierenkomödie war. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Das sage ich nicht, denn dafür gäbe es einen Ordnungsruf. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Gaál: Das Geld ist weg!)

Herr Kollege Wittmann! Lassen Sie mich aber Folgendes sehr deutlich sagen: Landesrat Sobotka erledigt seinen Job exzellent, er handelt nach den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit, der Sparsamkeit, der Wirtschaftlichkeit und der Zweckmäßigkeit. Wir haben größte Hoch­achtung vor dieser Leistung. Ein Politiker, der nämlich Politik als Zukunftsgestaltung und nicht, so wie Sie, Herr Kollege Wittmann, als Tageshickhack versteht, das ist ein Politiker in unserem Sinn. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn Sie ein bisschen über die Fakten Bescheid wüssten, dann wüssten Sie, dass durch diese Transaktion und durch diese Veranlagungsform sichergestellt ist, dass auch für die nächste Generation, auch für unsere Kinder die Chance besteht, günstige Wohnbaufinanzierungen zu erhalten. (Abg. Eder: Wo ist da die Chance? Das Geld ist weg!) – Das ist zukunftsorientierte Politik, Herr Kollege Wittmann, und nicht Tageshickhack vier Tage vor der Wahl!

Lassen Sie mich noch etwas ebenfalls sehr deutlich sagen, Herr Kollege Wittmann: Das, was die SPÖ Niederösterreich in dieser Causa aufgeführt hat, ist wirklich so, dass ich sagen muss, der Wähler kann dieses Manöver sehr leicht durchschauen. (Abg. Dr. Petrovic: Der männliche Wähler!) Ich bin nicht Ihr Wahlstratege, aber so durchsichtig habe ich noch selten eine Wahl­strategie angelegt gesehen. Vier Tage vor der Wahl versuchen Sie, Landesrat Sobotka anzu­schwärzen! – Sie brauchen uns nicht anzuschwärzen, schwarz sind wir selbst, Herr Kollege Wittmann! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Glauben Sie mir: Niederösterreich ist ein schönes Land, Niederösterreich ist ein gutes Land, und dieses Land ist bei Erwin Pröll und seinem Team auch für die nächsten fünf Jahre in guten Händen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Parnigoni: Zu schön, um so schwarz zu sein!)

9.58


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter, Sie haben Recht: Wenn Sie den Vorwurf der Schmierenkomödie gemacht hätten, hätten Sie einen Ordnungsruf erhalten. Die Methode, mit der Sie das umschifft haben, wandelt an der Grenze zum Ordnungsruf.

Die nächste Rednerin ist Frau Heinisch-Hosek. Ihre Ausführungen sind auch mit 5 Minuten begrenzt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

9.58


Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die Rede des Herrn Staatssekretärs hat einige Schönheitsfehler beinhaltet, auf die ich gleich eingehen werde, und die Rede des Kollegen Stummvoll ging am Thema vorbei, aber das ist ja nichts Neues beim Herrn Kollegen Stummvoll. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Das war sehr billig!)

Herr Staatssekretär! Der Unterschied zwischen Veranlagen und Spekulieren macht 272 Millio­nen € aus. – Das sollten Sie wissen, Herr Staatssekretär!

Zweitens: Sie sagen, es gebe keine risikolosen Veranlagungen. – Ihr eigenes Haus bietet diese in Form von Bundesschatzscheinen an! Wenn diese nicht risikolos sind, dann müssen Sie uns vielleicht noch einmal aufklären, Herr Staatssekretär! Das wäre angebracht. (Beifall bei der SPÖ.)

Schöne Reden werden diesen Skandal, den die ÖVP Niederösterreich verursacht hat, nicht besser machen. Kein Abgeordneter und keine Abgeordnete von der ÖVP, die nach mir noch reden werden, werden dies schaffen.


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Entgegen Ihren Aussagen, meine Damen und Herren, wollten wir niemals, dass mit Steuergel­dern spekuliert wird. Im Gegenteil! Wir brauchen – und da sind Sie gefordert, Herr Staats­sekretär, der Herr Finanzminister ist ja leider nicht hier, ich hoffe, er ist nicht schon wieder auf Urlaub –, wir brauchen einheitliche Veranlagungsbestimmungen, und wir brauchen diese im Finanzausgleichsgesetz – und das ist Bundessache! –, um zu verhindern, dass ein niederöster­reichischer ÖVP-Landesrat im Alleingang derartige Dinge, die jetzt passiert sind, anrichten kann.

Aber Schluss damit. Diese Aktuelle Stunde hat ein wirklich brisantes Thema, und Sie, Herr Abgeordneter Stummvoll, sind nicht darauf eingegangen. Es ist einfach ein Skandal, dass der niederösterreichische ÖVP-Landesfinanzrat Sobotka massive Verluste verspekuliert hat (Abg. Dr. Stummvoll: Er hat Verluste verspekuliert?!), massive Verluste in der Höhe von 272 Millio­nen € eingefahren hat. Das ist Steuergeld der Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Als Niederösterreicherin schäme ich mich dafür, dass so jemand noch im Amt ist. Das möchte ich Ihnen auch sagen! (Beifall bei der SPÖ.)

Was Herr Sobotka als Privatperson mit dem Geld macht, ist seine Sache. Er kann es sprich­wörtlich aus dem Fenster werfen, er kann es auch ins Casino tragen und verspielen. Aber der Politiker Sobotka, der ÖVP-Finanzlandesrat in Niederösterreich, der auf die Republik vereidigt ist, so wie wir alle, darf nicht einmal daran denken, mit dem Steuergeld der Niederösterreiche­rinnen und Niederösterreicher zu spielen und zu gambeln. Das ist Tatsache, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf ein kurzes Zitat aus dem Landtagsbeschluss darbringen, damit hier einmal klargestellt wird – auch für jene Leute, die jetzt fernsehen und zuhören –, dass nie von Aktienspekulationen die Rede war. (Abg. Dr. Stummvoll: Das Parlament als Fernsehshow!) Ich darf zitieren, meine Damen und Herren:

„Mit Qualität von hervorragender bis guter Finanzkraft sollen diese Gelder veranlagt werden.“ – Hier steht kein Wort von Aktienspekulationen. Keine Rede davon! Das Geld sollte sicher, also risikoarm veranlagt werden und nicht risikoreich, weil es ja schließlich wiederum der Bevölke­rung zugute kommen soll.

Aber unglaubliche 40 Prozent von diesem Geld wurden höchst unsicher und risikoreich ange­legt und – Tatsache! – verspielt. Wissen Sie, was das gewesen wäre? Das wären 15 000 Woh­nungen gewesen, das wären 1 000 Einfamilienhäuser gewesen. Wie viele – das frage ich Sie – Lehrstellen wären das für die niederösterreichischen Jugendlichen gewesen? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Stummvoll: Warum haben Sie zugestimmt? Sie haben zugestimmt!)

Zur Erinnerung, Herr Kollege Stummvoll: 800 junge Leute haben im Moment keine Lehrstelle, 8 000 junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren in Niederösterreich haben keine Arbeit. Seit 1998 steht im ÖVP-Wahlprogramm immer wieder: Jedem Jugendlichen eine Lehrstelle! Nie­mand soll auf der Straße stehen! – Wir schreiben das Jahr 2003, in vier Tagen ist Wahl, und es werden von Monat zu Monat mehr, die ohne Arbeit dastehen, und das haben Sie zu verantwor­ten! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Stummvoll: Sie reden wider besseres Wissen!)

Wieso haben Sie den Lehrlingspaketen, die die niederösterreichischen Sozialdemokraten ein­gebracht haben, nie zugestimmt? Sie hätten Möglichkeiten dazu gehabt. Die 8 000 jungen NiederösterreicherInnen werden sich bei Ihnen bedanken.

Ich sage Ihnen noch etwas zur Jugend: Wir brauchen in diesem Wahlkampf kein giftiges Spiel­zeugmaxerl, das ausschaut wie der „Lowlander“ Pröll, wir brauchen Arbeitsplätze für unsere jungen Leute! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


Präsident Dr. Andreas Khol: Schlusssatz, Frau Abgeordnete.



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Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (fortsetzend): Wir brauchen auch keinen Aktienspeku­lanten.

Ich komme jetzt zum Schlusssatz: Dieser lange, kalte, glatte Winter soll jetzt endlich vorbei sein. Wir brauchen einen warmen und sozialen ...

10.03


Präsident Dr. Andreas Khol: Ihre Redezeit ist erschöpft, Frau Abgeordnete. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Beifall bei der SPÖ für die das Rednerpult verlassende Abg. Heinisch-Hosek. – Abg. Dr. Jarolim: Das ist beschämend!)

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rosenkranz. Ihre Redezeit beträgt 5 Minuten. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist eine Schande! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Bitte sprechen Sie, Frau Abgeordnete.

10.04


Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich darf Ihnen folgenden Briefwechsel zur Kenntnis bringen. Der freiheitliche Klubobmann Franz Marchat schrieb am 5. März dieses Jahres an die SPÖ-Abgeordneten:

„Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Durch die Veranlagungsform des zuständigen Regie­rungsmitgliedes Landesrat Wolfgang Sobotka entsteht für den niederösterreichischen Steuer­zahler großer beträchtlicher Schaden. Es wäre daher nur logisch, dass der zuständige Landes­rat in einer Sondersitzung des Niederösterreichischen Landtages den Abgeordneten Rede und Antwort steht. Für die Einberufung einer Sondersitzung sind 14 Unterschriften von Abgeordne­ten notwendig. Ich ersuche Sie daher, unseren Antrag mit Ihrer Unterschrift zu unterstützen.“

Antwort am 11. März 2003, SPÖ-Klubobmann Sacher an den freiheitlichen Klubobmann:

„Sehr geehrter Herr Klubobmann! Du hast Dich schriftlich an die Abgeordneten des SPÖ-Land­tagsklubs mit dem Ersuchen um Unterstützung eines Antrages auf Abhaltung einer Sondersit­zung des Niederösterreichischen Landtages zur Behandlung der Veranlagung der Erlöse aus dem Verkauf der Wohnbauförderungsdarlehen des Landes Niederösterreich gewandt.

Ich darf Dir namens der SPÖ-Landtagsabgeordneten mitteilen, dass wir derzeit, insbesondere wenige Wochen vor Ende der Legislaturperiode, keine Veranlassung sehen, eine derartige Son­dersitzung durchzuführen.“ (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Scheibner: Aha!)

Es folgen einige Begründungen, und dann geht es weiter: „Für den Landtag als gesetzgebende Körperschaft einerseits und als Kontrollorgan der Landesregierung andererseits besteht daher aus unserer Sicht kein Handlungsbedarf.“ (Abg. Scheibner: Da schau her! Das ist ein ordent­licher Widerspruch!)

So geht es nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPÖ! So ist das nicht möglich! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich kann Ihnen sagen, es hat überhaupt keinen Sinn, nämlich keinen Sinn für das Land Niederösterreich, dass Sie hier den wilden Mann markieren, dass Sie hier die Muskeln spielen lassen, wenn Sie andererseits in Niederösterreich von einem völligen Mangel an Mut gekennzeichnet sind und sich aus Angst vor der ÖVP davor scheuen, Ihre Rechte und Ihre Verpflichtungen gegenüber dem Landesbürger wahrzunehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es sind dieser Mangel an Mut und die Unterwürfigkeit, die sich durch Ihre gesamte Politik ziehen und die es der ÖVP erst ermöglichen, das zu tun, was sie tut, nämlich zu herrschen anstatt wirklich demokratisch zu gestalten, jede Diskussion, die unliebsam ist, im Keim zu ersticken und abzuwürgen. Es ist Ihre Verantwortung, es ist Ihre Schuld, dass die ÖVP ihre eigenen Interessen mit jenen des Landes gleichsetzen kann.


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Nun zum aktuellen Thema: Tatsache ist, dass Landtag und Landesregierung dem Landes­finanzreferenten den Auftrag gegeben haben, die Wohnbauförderungsdarlehen zu verkaufen und den Erlös zu verwerten. Tatsache ist, dass in einem Beirat – und dazu komme ich noch –, in dem wir nicht vertreten waren, Sie (in Richtung SPÖ) aber sehr wohl, über die Art der Veranlagung einstimmig entschieden worden ist. (Abg. Parnigoni: Das stimmt überhaupt nicht!)

Tatsache ist, dass durch diese Veranlagungen mittlerweile ein Schaden von 270 Millionen € erwirtschaftet wurde. Das ist ein Schaden von – ich sage es in Schilling, das ist immer noch ein bisschen besser vorstellbar – 2 500 S pro niederösterreichischen Landesbürger, vom Baby bis zum Greis. Herr Sobotka – ohne jeden Zweifel – hat dafür die Verantwortung zu tragen, diese Veranlagungen waren hoch spekulativ.

Öffentliche Gelder zu 40 Prozent in Aktien zu veranlagen ist ein derart überraschendes Unter­nehmen, dass man das im Finanzministerium – als ich dort rückgefragt habe – gar nicht glauben wollte. (Abg. Parnigoni: Was sagen Sie da dazu, Herr Staatssekretär? Das ist aller­hand!) 40 Prozent in freiverzinslichen Aktien zu veranlagen ist hoch spekulativ, und Herr Sobotka hat auch die Ernte eingefahren: Er hat große Verluste produziert. (Abg. Parnigoni: Das ist allerhand!)

Herr Sobotka ist auch deshalb rücktrittsreif, weil absolut keine Einsicht besteht und Wieder­holungsgefahr gegeben ist. Als er darauf aufmerksam gemacht wurde, dass dies nicht das ist, was man sich von einem Landesfinanzreferenten erwartet, hat er gesagt: Regt’s euch net auf, i werd mein Schnitt schon machen! – Der Landesfinanzreferent von Niederösterreich bedient sich der Sprache eines Börsenhais. Schon deswegen sollte er dieses Amt nicht länger ausüben. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ.)

Dennoch: Sie von der SPÖ waren in diesem Beirat vertreten. Die Beamten Ihres Landesrates haben das gewusst und haben ihn informiert oder auch nicht informiert. (Abg. Eder: Wir haben ja keine Beamten dort! Lauter Schwarze!) Jedenfalls waren Sie mit dabei.

So ist es eben in Niederösterreich, so ist es dort in der gesamten Politik: Sie, denen die ÖVP einen Platz am Katzentisch zuteilt, wo Sie immer wieder ein paar Brosamen bekommen – jetzt in Vorwahlzeiten natürlich weniger –, tragen einfach alles mit. Sie sind und bleiben die Minist­ranten der ÖVP-Allmacht, und das werden auch keine Sondersitzung und keine Aktuelle Stunde hier im Nationalrat zu verschleiern wissen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.09


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Rede­zeit: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

10.09


Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Es ist schon eine merkwürdige Debatte, wenn Sie, Herr Staatssekretär, als Haupt­argument gegen den Vorwurf, dass hier mit öffentlichen Geldern spekuliert wurde und ein gewaltiger Verlust eingetreten ist, anführen, in Wien sei etwas Ähnliches passiert.

Von der ÖVP kommt quasi das Argument: Ätsch, die Wiener haben auch Geld auf Grund gesetzt. Und der andere Vorwurf geht in Richtung Niederösterreich.

Tatsache ist, dass Geld österreichischer Steuerzahlerinnen und Steuerzahler verwirtschaftet wurde, dass die Potentiale für den künftigen Wohnbau geschmälert wurden. Wenn Sie, Herr Staatssekretär, dazu sagen, dem sei nichts mehr hinzuzufügen, muss ich sagen: Na servus, das ist eine schöne Einstellung! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Debatte greift vor allem ein bisschen zu kurz, denn wir von den Grünen, die wir im Nieder­österreichischen Landtag damals als einzige Partei dagegen gestimmt haben und dafür von Ihnen ziemlich mitleidig ausgelacht worden sind, haben immer verlangt, einmal auf einer sehr allgemeinen Ebene die Frage zu klären: Was sind öffentliche Aufgaben? Auch in der zurzeit laufenden GATS-Debatte wird vor allem von Seiten der ÖVP wieder argumentiert, alles müsse


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privatisiert werden, alles müsse auf den Markt geworfen werden, privat sei wunderbar, der Staat könne nicht wirtschaften. – Da stelle ich in aller Form die Frage: Sagen Sie das jetzt, nachdem 272 Millionen € – 4 Milliarden Schilling – an niederösterreichischem Steuergeld verwirtschaftet worden sind, auch noch? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Alle, die diesem Beschluss damals in Niederösterreich zugestimmt haben, also die drei Fraktionen ÖVP, SPÖ und FPÖ, mussten, auch wenn damals nicht die Details der Veranlagung klar waren, wissen, dass das mit einem gewaltigen Risiko verbunden ist. 6 Prozent Rendite – das war versprochen worden – bekommen Sie nicht mit einem norma­len Sparbuch und auch nicht mit Bundesschatzanleihen. Es war von vornherein klar, dass man das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler riskiert, dass man eine Art Lotto damit spielt. Es hat sich auch zum Schlechten gewandt: Das Risiko ist voll eingetreten!

Wenn ich heute, meine Damen und Herren, aus Redebeiträgen der damaligen Landtagsde­batte zitiere, dann hoffe ich, dass in Zukunft dieses Haus mit öffentlichen Geldern nicht mehr so leichtfertig umgeht, sondern dass diese Debatte vielleicht in Erinnerung bleibt. (Beifall bei den Grünen.)

Der freiheitliche Abgeordnete Rambossek sagte am 28. Juni 2001 im Niederösterreichischen Landtag: eine „zukunftsorientierte und nachhaltige ... Bewirtschaftung“, es käme zu Zusatzein­nahmen von 1,7 bis 2,3 Milliarden. – Bravo, das Gegenteil ist eingetreten!

Abgeordnete Schittenhelm, ÖVP: „ein historischer Finanzschritt“, es werde ein „riesiges Plus von zwei Milliarden Schilling zurückfließen“. – Das Minus war noch riesiger, es war nämlich doppelt so hoch! (Zwischenruf des Abg. Öllinger.)

Ich muss auch an die Adresse der SPÖ sagen: Sie haben dieser Maßnahme zugestimmt, und, wie gesagt, 6 Prozent bekommt man nicht auf dem Sparbuch, und es war sehr wohl so, dass über die rechtliche Struktur auch der Sekretär von Landesrat Knotzer in die Veranlagung dieser Mittel eingebunden war.

Der Einzige, der damals warnende und mahnende Worte angemeldet hat, war der grüne Abge­ordnete Martin Fasan, der gesagt hat, er befürchte, dass es nicht zu einem großen Plus käme. Er hat darauf hingewiesen, dass auch die Gefahr bestünde, dass ein gewaltiges Minus heraus­kommt. – Das hat sich leider aktualisiert. (Beifall bei den Grünen.)

Fasan hoffe, „dass bei diesem Verwertungsmodell nicht das Risiko größer ist als die Hoffnung auf die immer wieder genannten zwei Milliarden Schilling“. „Denn das wäre natürlich schon eine sehr, sehr unangenehme Situation.“ (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren! Öffentliche Mittel können nicht in Casino-Manier, in Lotto-Manier veranlagt werden. Vielleicht lachen Sie in Zukunft nicht mehr über die Argumente der Grünen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.15


Präsident Dr. Andreas Khol: Neuerlich zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Finz. Er hat, so wie alle Debattenredner, 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Staatssekretär.

10.15


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mich absichtlich noch nicht zur Veranlagungsstrategie geäußert, weil ich sie jetzt im Einzelnen darlegen möchte.

Die Landesregierung war von Haus aus in alle Beschlüsse eingebunden. Der Landtag war von Haus aus mit beteiligt. Die Veranlagungsstrategie wurde im Beirat nach Vorlage von Experten­gutachten gebilligt. (Abg. Eder: Das hat der Pröll auch gewusst? – Abg. Öllinger: Wer trägt die Verantwortung?)


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Die Veranlagungsstrategie – und das ist jetzt das Wesentliche – ist auf eine Mindestveran­lagungsdauer von zehn Jahren ausgelegt. Es ist eine längerfristige Veranlagungsstrategie, weil man genau weiß, dass es in dieser Zeit Kursschwankungen gibt, und auf diese Kursschwan­kungen beziehungsweise Wertschwankungen des Gesamtfonds in der Anfangsphase bei der damals schon absehbaren Entwicklung der Aktienkurse wurde hingewiesen. Es wurde extra an­geführt, dass eine Schwankungsbreite von 10 Prozent möglich ist. Und das ist jetzt eingetreten.

Aber bitte, es wird erst am Ende abgerechnet, und ich bin überzeugt davon, dass dieser lang­fristige Ertrag von 6 Prozent mit diesen verbreiterten Absicherungen sicherlich erreicht wird. (Abg. Öllinger: Keine Märchenstunde bitte!)

Es waren Asset Manager eingebunden, unter anderem auch von der Bank Austria, es gab Empfehlungen von unabhängigen Anlageberatern, und abgerechnet wird erst am Schluss! Eine derartige Kursschwankung bei den Aktienkursen in der Anfangsphase hat in dieser Form nie­mand erwartet. Es hat zum damaligen Zeitpunkt auch niemand voraussehen können, dass ein Irak-Krieg einsetzen wird. Es handelt sich aber nur um buchmäßige Verluste. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

10.17


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Spindel­egger. Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit beträgt 5 Minuten.

10.17


Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich in fünf kurzen Punkten darlegen, wie die Situation ist.

Erster Punkt: Zur Verwirrung, die hier von der SPÖ ausgestreut wird – Geld wäre ins Casino getragen worden, verwirtschaftet worden: Tatsache ist, meine Damen und Herren, das Geld ist langfristig angelegt. Es gibt auch keinen Verlust, weil die Wertpapiere gar nicht verkauft werden. Bleiben Sie bei den Tatsachen, meine Damen und Herren, nichts ist diesbezüglich passiert! (Beifall bei der ÖVP.)

Zweiter Punkt: Die Verunsicherung der Bürger, die Sie jetzt betreiben, ist völlig unnötig. (Abg. Dr. Wittmann: Das Geld ist weg!) Kein Niederösterreicher, der ein Wohnbaudarlehen in An­spruch nimmt, wird durch diese Transaktionen beeinträchtigt. Ganz im Gegenteil! Erst vor weni­gen Wochen hat die Niederösterreichische Landesregierung 9 936 Wohneinheiten mit einem Wohnbauförderungsdarlehen bedacht. – Meine Damen und Herren! Das ist Politik in Nieder­österreich, das ist ein Konjunkturmotor in Niederösterreich. (Beifall bei der ÖVP.) Hören Sie auf, die Leute zu verunsichern! Kein Wohnbauförderungsnehmer wird in irgendeiner Weise beein­trächtigt.

Zu Ihren rechtlichen Bedenken – der dritte Punkt –: Sie streuen hier aus, das wäre alles verfas­sungswidrig, das wäre wirtschaftlich nicht in Ordnung. Geschätzte Damen und Herren! Alles wurde durchleuchtet, alles wurde beurteilt. Der Landesrechnungshof hat sich die ganze Thema­tik detailliert angesehen. Ergebnis: Es liegt kein rechtliches Bedenken vor!

Auch der Bundesrechnungshof hat die ganze Angelegenheit geprüft: keine rechtlichen Beden­ken! Meine Damen und Herren! Eine Wirtschaftstreuhänderkanzlei, KPMG, ein guter Name in Österreich, hat alles von A bis Z durchgesehen und durchleuchtet. Ergebnis: Es gibt keine Beanstandung!

Meine Damen und Herren! Wovon sprechen Sie? Sie reden von verfassungsrechtlichen Beden­ken. Aber es gibt sogar ein Gutachten von Herrn Professor Mayer – von Ihnen allen sehr ge­schätzt, oft zitiert; ich schätze ihn auch –, und auch er hat festgestellt: Es gibt keine verfas­sungsrecht­lichen Bedenken!


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10. Sitzung / Seite 28

Hören Sie daher damit auf, Gerüchte und Behauptungen in die Welt zu setzen, die in keiner Weise den Tatsachen entsprechen. Es ist rechtlich in Ordnung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Vierter Punkt: die Frage der Verantwortung. – Jawohl, wir stehen dazu, dass wir diese Veran­lagungsform langfristig gewählt haben, und sie wird auch Erfolg haben!

Sie stehen nicht zu Ihrer Verantwortung: Drei Landesregierungsmitglieder stellt die SPÖ in Niederösterreich. Sie haben alles gewusst, sie haben allem zugestimmt, meine Damen und Herren, und heute wollen Sie den Eindruck erwecken, dass sie gar nichts gewusst hätten! Meine Damen und Herren, wenn Ihre Landesregierungsmitglieder nicht in der Lage sind, Regie­rungsbeschlüsse vorher zu lesen und nach ihrer Zustimmung auch mitzuverantworten, dann haben sie in der Landesregierung auch nichts verloren – ich darf das in dieser Schärfe sagen. (Abg. Dr. Wittmann: Das bestimmt der Wähler!) Stehen Sie daher auch zu Ihrer Verantwortung! (Beifall bei der ÖVP.)

Damit komme ich zum fünften Punkt, der für mich politisch gesehen der wichtigste ist: Sie haben in diesem Landtagswahlkampf mit keinen Argumenten aufwarten können. Landauf, land­ab gab es von Ihnen keine Vorschläge, und es gab von Ihnen in diesem Land auch keine Prä­senz. – Jetzt, vier Tage vor der Wahl, kommen Sie hierher ins Hohe Haus und versuchen, den Nationalrat als Bühne zu verwenden, indem Sie Landesrat Sobotka (Abg. Dr. Wittmann: 3,7 Milliarden Schilling sind weg!) und Landeshauptmann Pröll persönlich anzugreifen und zu diffamieren versuchen. Meine Damen und Herren, das ist eine wirklich schlechte Methode! (Beifall bei der ÖVP.)

Diffamierung und persönliche Angriffe – vielleicht sind Sie auf diesem Gebiet gut, ich weiß es nicht – sind etwas, was wir grundsätzlich ablehnen. (Abg. Dr. Wittmann: 3,7 Milliarden Schilling sind weg!) Was Sie Landesrat Sobotka hier vorwerfen, meine Damen und Herren, ist in keiner Weise gerechtfertigt! Wolfgang Sobotka hat ein zukunftsorientiertes, langfristiges Veranlagungs­modell gewählt, und er will gewährleisten, dass in Niederösterreich auch zukünftig jedes Jahr 2 Milliarden Schilling an Wohnbauförderungsmitteln für die niederösterreichischen Häusl­bauer zur Verfügung stehen. – Da sagen Sie, das sei schlecht? – Ich sage Ihnen: Das ist gut, denn das wollen die Niederösterreicher so! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Landesrat Sobotka hat durch diese Veranlagungsform, die langfristig einen guten Ertrag bringen wird, gewährleistet, dass jeder Häuslbauer in Niederösterreich, der ein Wohnbauför­derungsdarlehen bekommt, ein Prozent Zinsen pro Jahr bezahlen muss – ein Prozent, meine Damen und Herren! Schauen Sie einmal auf dem Kapitalmarkt, was Sie heute bei einer Bank an Zinsen bezahlen: Wesentlich mehr! – Das ist gute niederösterreichische Politik, meine Damen und Herren, und ich stehe dazu, dass wir einen Landesrat in Niederösterreich haben, der hervorragende Strategien für die Zukunft gewählt hat! (Beifall bei der ÖVP.)

Auf das, was Sie heute geboten haben, meine Damen und Herren, werden sich die Niederöster­reicher für den Sonntag einen Reim machen. Keine Argumente, sondern persönliche Diffamie­rungen – das ist kein Wahlprogramm, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

10.22


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Schasching. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

10.23


Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Kollege Spindelegger, auch wenn Sie diese Angelegenheit noch so sehr schönreden, die Fakten bleiben so, wie sie sind: 300 Millionen € wurden verspielt, und das sind Gelder (Abg. Dr. Spindelegger: Das entbehrt jeder Grundlage!), die in diesem wunderschönen Land Niederösterreich (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist die Unwahrheit!) und auch in der nieder­österreichischen Wohnbauförderung sehr wohl abgehen (Abg. Dr. Spindelegger: Das ist die Unwahrheit!), Herr Kollege Spindelegger, auch wenn Sie diese Angelegenheit noch so sehr schönreden!


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Das fehlt den Niederösterreicherinnen und Niederösterreichern, und das gilt es hier heute auf­zuzeigen, und deshalb ist das heute unser Thema: die Veranlagungsformen und die künftige Einschränkung dieser Spekulationen. Es geht dabei nämlich um die Wohnbauförderung, die je­der Häuslbauer kennt: Jeder weiß, dass er diese Gelder zur Wohnraumschaffung braucht und dass diejenigen, die diese Gelder zu verwalten haben, damit genauso sorgsam umgehen sollen, wie das jeder Häuslbauer auch tun muss. Auch dieser kann sein Geld nicht ins Casino tragen, um dort zu versuchen, noch mehr zu lukrieren. Das ist keine Methode!

Geschätzte Damen und Herren! Im Niederösterreichischen Landtag gab es zwar den Be­schluss, diese Gelder zu veranlagen, aber sicher zu veranlagen, und zwar in bester bis guter Bo­nität. Das wurde – Kollege Stummvoll hat das hier offensichtlich bewusst falsch dargestellt – genau so beschlossen: In guter bis bester Bonität sollte veranlagt werden.

Wenn Sie uns hier glauben machen wollen, Kollegin Rosenkranz, das sei nicht debattiert wor­den oder von der SPÖ Niederösterreich nicht zur Diskussion gestellt worden, dann muss ich Sie darüber informieren, dass sehr wohl in drei Landtagssitzungen darüber diskutiert wurde und dass die SPÖ Niederösterreich das in drei Landtagssitzungen aufgezeigt hat. (Abg. Scheibner: Warum waren Sie gegen eine Sondersitzung? Warum waren Sie gegen die Sondersitzung? War es Ihnen zu wenig wichtig?)

Was ist geschehen? – Sobotka hat in einem Alleingang (Abg. Scheibner: Aber eine Sondersit­zung hätten Sie doch machen können!), in einer abgehobenen, selbstherrlichen Art – wie sie die ÖVP Niederösterreich leider pflegt – ein ganz besonders gefährliches Spiel mit diesen Geldern getrieben: Eine Vorgangsweise, bei der 40 Prozent in Aktien veranlagt wurden – wir haben es heute bereits mehrmals gehört –, hat zu diesen Verlusten geführt! – Das ist eine haarsträubende, leider wahre Geschichte (Abg. Wittauer: Die Sie mitzuverantworten haben!), und sie zeigt das Sittenbild der selbstherrlich agierenden ÖVP Niederösterreich und deren Verantwortung! (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Was alles könnte mit dem nun verspielten Geld im schönen Niederösterreich geschaffen werden! Ich denke etwa nur an meine Heimatgemeinde Neuleng­bach, eine wunderschöne Stadt im Wienerwald. (Abg. Jakob Auer: ... des Bürgermeisters!) Auch sie ist leider durch das Wirtschaften einer ÖVP-Mehrheit verschuldet. Herr Staatssekretär Finz, auch das ist eine ÖVP-Gemeinde, die leider schwer verschuldet ist. Was hätten wir dort alles an Positivem schaffen können! Wir hätten die Errichtung einer Park-and-Ride-Anlage (Abg. Mag. Mainoni: ... nicht im Parlament!), auf die wir schon lange warten, endlich umsetzen können. Aber auch ein Pensionistenheim, das dort fehlt, und neue Sportanlagen, die wir drin­gend brauchen – all das hätte um diese vielen Millionen durchaus schon geschaffen werden können! (Abg. Wittauer: Das müssen Sie im Niederösterreichischen Landtag ..., aber nicht im Parlament!)

Genau dort im schönen Neulengbach werde ich morgen mit Landeshauptmann-Stellvertreterin Onodi den Spatenstich zu einer neuen Wohnhausanlage durchführen – einer Wohnhausanlage, die mit diesen Geldern, die jetzt fehlen, die jetzt nicht mehr da sind, die verspekuliert wurden, 40 Mal errichtet werden hätte können! – Dafür, geschätzte Damen und Herren, sollten diese Gelder eingesetzt werden, und nicht dafür, sie am freien Markt zu verjuxen! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Verantwortung liegt klar auf der Hand (Abg. Wittauer: Da wäre eine Sondersitzung im Nie­derösterreichischen Landtag besser gewesen, aber nicht im Parlament hier ...!): Der ÖVP-Mann Sobotka hat eindeutig gegen die Prinzipien der Finanzpolitik verstoßen. Und da fehlt es auch an Entschlusskraft auf Seiten des Herrn Landeshauptmannes Pröll, der hier sagen müsste: Stopp! Hier nicht weitermachen! Hier zurücktreten, denn das schadet dem Land!

Aber auch hier spielt man uns ein Theater vor, auch hier lässt man uns glauben, der Landes­hauptmann hätte alles in der Hand. Auch hier spielt er uns das gleiche Theater vor wie bei der Regierungsbildung vor wenigen Wochen, als er sich hinstellte und sagte: Ich bin ja gegen Schwarz-Blau!, aber seine 17 niederösterreichischen ÖVP-Mandatare stimmten sehr wohl zu.


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Er lässt uns glauben, er wäre für eine andere Art von Politik, aber in Wahrheit steht er dafür! – So agiert nur jemand, der damit rechnet, dass die Menschen kein Gedächtnis haben. (Beifall bei der SPÖ.)

So agiert nur jemand, der glaubt, sich alles erlauben zu können, wie zum Beispiel – das ist heute in den „Salzburger Nachrichten“ zu lesen – einen Wohnungskauf und später dann einen Rückkauf um ein Vielfaches über seine Versicherung.

Geschätzte Damen und Herren! Schauen Sie sich das an, auch das ist ein Skandal! (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Zu dieser Großmannssucht und Spekulationspolitik in Niederösterreich werden wir ein starkes Gegengewicht brauchen. Daher machen wir den Menschen in Niederösterreich das Angebot, ...


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Abgeordnete, ist das Ihr Schlusssatz?


Abgeordnete Beate Schasching (fortsetzend): Ich komme damit zum Schlusssatz: Daher machen wir den Menschen in Niederösterreich das Angebot, mit unserer Heidemarie Onodi da­für zu sorgen, dass dieses Land bunt bleibt – denn Niederösterreich ist zu bunt, um schwarz zu sein! (Beifall bei der SPÖ.)

10.28


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist nunmehr Herr Abgeordneter Wattaul gemeldet. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Öllinger: Zur Sache, Kollege Wattaul!)

10.28


Abgeordneter Anton Wattaul (Freiheitliche): Heute seid nicht ihr dran, Kollege Öllinger, ihr wart schon am vergangenen Mittwoch dran! Mittlerweile weiß jeder Niederösterreicher, dass Frau Petrovic nach Niederösterreich abgeschoben werden soll. Das wissen wir jetzt schon alle, und das wissen auch alle Niederösterreicher!

Nun komme ich auf die Roten zu sprechen. Die haben es heute auch geschafft (Abg. Mag. Kogler: Zur Sache!), das Parlament zu missbrauchen und den Landtagswahlkampf ins Parlament zu tragen. Offensichtlich habt ihr nach der am Sonntag stattgefundenen Fernsehdis­kussion kein Vertrauen mehr zur SPÖ Niederösterreich! (Abg. Parnigoni: Bist du auch ein „blauer Hecht“?) Ich kann euch das nicht verdenken. Aber jetzt das Parlament für Wahlwerbung zu missbrauchen, finde ich nicht in Ordnung. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Außerdem müsstet ihr doch auch gesehen haben, dass sich die Grünen mit der Sondersitzung vorige Woche selbst ins Knie geschossen haben. (Abg. Öllinger: Zur Sache!) – Jawohl!

Damit komme ich nun auf die Veranlagung des Herrn Landesrates Sobotka zu sprechen. (Abg. Scheibner – auf Abg. Öllinger weisend –: Er braucht gar nicht „Zur Sache!“ zu sagen!)

Ich habe mir Folgendes überlegt: Was wäre, wenn ich als Unternehmer, als Anton Wattaul, so handeln würde? (Oje-Rufe bei den Grünen.) Soll ich Ihnen sagen, was dann wäre? – Ich wäre wahrscheinlich in Konkurs und stünde vor dem Konkursrichter. (Abg. Parnigoni: Richtig! Richtig!)

Was aber passiert mit Herrn Sobotka, der immerhin 10 000 Wohnungen verspekuliert hat? – Die Konsequenz davon ist: Herr Sobotka ist noch im Amt, wird wahrscheinlich am Sonntag Wahlsieger sein, und als kleines Dankeschön wird er noch eine Pension von 83 000 S netto zu erwarten haben. – So viel zur Politikerverantwortung in Niederösterreich unter Herrn Dr. Erwin Pröll. Das muss hier einmal gesagt werden! (Beifall bei den Freiheitlichen, demonstrativer Bei­fall bei der SPÖ und den Grünen sowie ironische Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

Da Rot und Grün in Niederösterreich keine Opposition sind, gibt es nur mehr eine Fraktion, und das ist die freiheitliche Fraktion, die wirklich Opposition machen kann. (Beifall bei den Freiheit-


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lichen. – Abg. Parnigoni: Jetzt kommt der „Hecht“!) Und ich sage Ihnen: Demokratie lebt da­von! Missstände wie in Niederösterreich wären sonst nicht möglich!

Schauen Sie sich einmal die Straßenverwaltung an: Wenn nicht Ihr Großvater schon ein Schwarzer war, werden Sie nie und nimmer einen Job in Niederösterreich bekommen! (De­monst­rativer Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Lebhafte Heiterkeit des Abg. Mag. Kogler.)

Oder schauen Sie sich die Schulen an: Die sind zwischen Rot und Schwarz aufgeteilt! Nieder­österreich ist ein Parteienstaat! Ich sage ja gar nicht, dass da auch ein Freiheitlicher hineinkom­men soll, sondern es sollen ganz einfach alle normalen, anständigen, ordentlichen Bürger dieselben Chancen haben, einen Job zu bekommen. (Beifall der Abgeordneten Mag. Mainoni und Wittauer.)

Die Niederösterreicher haben am Sonntag die Wahl (Abg. Brosz: Herr Präsident, aber keinen Ordnungsruf erteilen für diese Rede!): Sie können sich für einen Parteienstaat entscheiden oder aber für Freiheit – Freiheit für Niederösterreich! (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.) Wir als Freiheitliche garantie­ren eine ordentliche Oppositionsarbeit!

Ich weiß, das waren jetzt Wahlkampfsprüche. Aber Sie haben den Wahlkampf ins Parlament getragen, und ich hoffe, es ist für Sie eine Lehre (Abg. Öllinger: Das ist aber nicht gut für das Koalitionsklima!): Im Hohen Haus hat Wahlkampf nichts verloren! Das möchte ich hier ganz klar und deutlich sagen. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich beende meine Rede mit dem Appell: Liebe Niederösterreicher! Lösen Sie sich von der Parteienumklammerung! Freiheit für Niederösterreich! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiter­keit bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

10.32


Präsident Dr. Andreas Khol: Als letzter Redner in der Aktuellen Stunde zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Auch Sie haben 5 Minuten Redezeit, Herr Abgeordneter. – Bitte. (Abg. Wittauer – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Kogler –: „Freiheit für Niederösterreich!“ – Abg. Mag. Mainoni: Bitte gleich anknüpfen!)

10.32


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Ja, Freiheit für Niederösterreich! (Bravo-Rufe und demonstrativer Beifall des Abg. Wattaul.)

Ich möchte, bevor wir wieder auf Niederösterreich zu sprechen kommen, kurz auf die Ausfüh­rungen des Herrn Staatssekretärs eingehen und vielleicht zur Verwunderung meiner Freundin­nen und Freunde doch Folgendes feststellen: Er hat ja grundsätzlich nicht Unrecht damit, dass die Grenze zwischen Risikoveranlagung und sicherer Veranlagung eine fließende ist. Ein Risiko definiert sich eben dadurch, dass vorher nicht klar ist, wie hoch es ist, dass es mit einer ge­wissen Wahrscheinlichkeit dann aber allenfalls schlagend werden kann. Das ist ein natürlicher Widerspruch in jedem Veranlagungsszenario.

Es leitet sich daraus in Wahrheit aber eine ganz andere Frage ab. Mit diesem Argument – einer Binsenweisheit noch dazu – können Sie sich nämlich nicht hinwegschwindeln angesichts der Dimensionen, die hier zur Diskussion stehen, weil hier mit Geld von BundessteuerzahlerInnen – von BundessteuerzahlerInnen, wohlgemerkt, und deshalb ist die Debatte hier im Nationalrat angebracht – nicht nur auf Sand gebaut wurde, sondern dieses vermutlich letztlich in den Sand gesetzt wurde, und zwar in einer Dimension von 278 Millionen €. Das ist für mich deshalb erwähnenswert, weil die jährlichen Bundeszuschüsse allein zur Wohnbauförderung für Nieder­österreich „bloß“ 300 Millionen € ausmachen. Es ist Ihnen beziehungsweise zumindest Ihrem Landesrat, den Sie hier so eifrig verteidigen, gelungen, diese Summe der in einem Jahr von allen österreichischen SteuerzahlerInnen gewährten Zuwendungen jedenfalls einmal sehr, sehr, wie Sie sagen, risikoreich – andere sagen: hoch spekulativ – auf Sand zu setzen; zunächst auf


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10. Sitzung / Seite 32

Sand zu setzen. Um diese Sache können Sie nicht herumschwafeln. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Kollege Spindelegger! Sie haben erwähnt, dass in Niederösterreich alles so super sei, weil man ja nur 1 Prozent Darlehenszinsen für Wohnbauförderung bezahlen würde. – Ich bitte Sie: Verwirren Sie doch die Leute nicht noch zusätzlich – oder ich weiß nicht, was Ihre Absicht war. Das ist doch das Wesen der Wohnbauförderung, dass solche Konstruktionen gemacht werden! Sie nehmen den Sinn der Sache, stellen ihn hierher und sagen: Das ist eine wunderbare Erfindung der ÖVP, und das funktioniert jetzt! – Gar nichts funktioniert, weil nämlich Zehn­tausende durch Ihr Verhalten in Niederösterreich jetzt nicht in den Genuss dieser Förderung kommen! Das ist doch das Problem! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Spindelegger: Das ist ja völlig falsch!)

Ich kann Ihnen gar nicht unterstellen, dass Sie selbst die Sache nicht durchschauen, daher kann ich nur mutmaßen, dass Sie hier mit voller Absicht Ursache und Wirkung zum Zwecke der Vernebelung verwechselt haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es hätte auch anders gehen können. Nehmen wir das Beispiel Oberösterreich: Dort ist in einem Vier-Parteien-Konsens, muss man fast sagen, jedenfalls auch auf Anraten und unter Beteili­gung der Grünen, ein anderer Weg gewählt worden. Dort sind auch Wohnbaudarlehen verkauft worden. Dort hat man aber gesagt – ich zitiere wortwörtlich –: Da die Entwicklung am Kapital­markt vorerst nicht abzusehen ist, gehen wir in Niederösterreich sicher nicht in diese Veran­lagungsform! (Rufe bei den Grünen: In Oberösterreich!) – Entschuldigung! Danke: Oberöster­reich. – Das war zu viel „Niederösterreich“.

Deshalb wäre es – jetzt ist wieder „Niederösterreich“ richtig – Niederösterreich auch gut ange­standen, solch eine Vorgangsweise zu wählen! – Ihre Ausflüchte hier, Herr Kollege Spindel­egger und Herr Staatssekretär, sind einfach durchschaubar. (Beifall bei den Grünen.)

Das kann man deshalb nicht durchgehen lassen, weil das Argument, das Sie vorbringen, ja be­deuten würde, dass nur deswegen, weil in vier Tagen Wahlen stattfinden, jetzt die Wahrheit plötzlich nicht mehr ausgesprochen werden kann. Es gibt nämlich Argumente, die trotz eines Wahlkampfes richtig sind, und Sie können das hier nicht einfach umdrehen.

Niederösterreich – um jetzt tatsächlich auf die dortigen Verhältnisse einzugehen – ist für sich schon noch erwähnenswert, und zwar deshalb, weil dort, verglichen mit anderen Bundeslän­dern, besonders üble Zustände herrschen, was Machtpolitik betrifft. Es ist in diesem Punkt das schlimmste Bundesland von allen. Dort kann man erkennen, wie sich die Allmachtsphantasie der ÖVP zu einem gewissen Allmachtsanspruch auswächst – und das sind die Ergebnisse da­von! (Beifall bei den Grünen.)

Was die Rolle der FPÖ betrifft, so muss ich sagen: Es tut mir Leid, aber in Wahrheit haben wir dort, so kommt es mir vor, eine ähnliche Situation wie im Bund: Wir haben eine ÖVP-Allein­regierung mit ein paar hilflosen blauen Oppositions-Sprenkeln – auch wenn die Rede des Kolle­gen Wattaul sehr amüsant war, aber das ist die Situation! Erinnern wir uns an die letzte Legis­laturperiode: eine Partei der Rosenstingls, eine Partei der Gratzers. Als das alles aufgeflogen ist, waren die Damen und Herren in Südafrika und in Brasilien flüchtig. – Das ist Ihre Situation! (Abg. Scheibner: Wo sind Sie mit Ihren Leuten? Von Ihnen hört man gar nichts in Niederöster­reich! Sie sind unsichtbar!)

Mein Schlusssatz: Schauen Sie, für dieses Land, für Niederösterreich, ist alles nützlich und hilf­reich – nur keine absolute Mehrheit der ÖVP! Und was die FPÖ dort tut, wird in Zukunft nicht mehr interessieren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.37


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlos­sen.


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10. Sitzung / Seite 33

Einlauf und Zuweisungen


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungs­saal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 220/J bis 223/J.

2. Anfragebeantwortungen: 42/AB bis 70/AB.

3. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz über Mediation in Zivilrechtssachen (Zivilrechts-Mediations-Gesetz –ZivMediatG) sowie über Änderungen des Ehegesetzes, der Zivilprozessordnung, der Strafprozessordnung, des Gerichtsgebührengesetzes und des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001 (24 der Beilagen),

Strafprozessreformgesetz (25 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988 und das Gerichtsorganisationsge­setz 1896 geändert werden (26 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Kartellgesetz 1988, das Ver­sicherungssteuergesetz 1953, das Versicherungsvertragsgesetz 1958, das Atomhaftungsge­setz 1999, das Bundesgesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer, das Finanzmarkt­aufsichtsbehördengesetz, das Börsegesetz und das Bankwesengesetz geändert werden (VAG-Novelle 2003) (27 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Glücksspielgesetz, das Kapitalmarktgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Finanzmarktauf­sichtsbehördengesetz geändert wer­den (32 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem die Konkursordnung, die Ausgleichsordnung, das Insolvenzrechtsein­führungsgesetz, das Bankwesengesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert wer­den (Bundesgesetz über das Internationale Insolvenzrecht – IIRG) (33 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über nationale Emissionshöchstmengen für be­stimmte Luftschadstoffe (Emissionshöchstmengengesetz-Luft, EG-L) erlassen sowie das Ozon­ge­setz und das Immissionsschutzgesetz-Luft geändert werden (38 der Beilagen),

Exekutionsordnungs-Novelle 2003 – EO-Nov. 2003 (39 der Beilagen),

Urheberrechtsgesetz-Novelle 2003 – UrhG-Nov 2003 (40 der Beilagen).

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Immunitätsausschuss:

Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (9eE Vr 9391/01, 095 Hv 5160/01s) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Alfred Brader wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung nach § 111 Abs. 1 und 2 StGB.


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2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

Verfassungsausschuss:

Antrag 71/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend skandalöse personelle Unterausstattung des Büros der Datenschutzkommission und damit auch des Büros des Datenschutzrates;

Verkehrsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (22. KFG-Novelle) und die 4. Kraftfahrgesetz-Novelle geändert werden (23 der Beilagen);

zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Wildschadensbericht 2001 des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (III-18 der Beilagen);

Kulturausschuss:

Kunstbericht 2001 der Bundesregierung (III-19 der Beilagen),

Restitutionsbericht 2001/2002 der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur (III-21 der Beilagen).

*****


Präsident Dr. Andreas Khol: Weiters gebe ich bekannt, dass der Zweite Bericht des Unver­einbarkeitsausschusses an alle Mitglieder des Nationalrates verteilt wurde.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 13/AB


Präsident Dr. Andreas Khol: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich Ihnen mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 13/AB der Anfrage 15/J der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verkauf der bundeseigenen Wohnungen durch den Herrn Bundesminister für Finanzen abzuhalten.

Diese kurze Debatte findet gemäß § 57a Abs. 4 der Geschäftsordnung nach Erledigung der Tagesordnung, jedoch spätestens um 15 Uhr statt.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Dr. Andreas Khol: Es liegt der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 4 und 5 der Tagesordnung zusammenzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Dies ist nicht der Fall.

Wir gehen daher in die nunmehr unveränderte Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung


Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten der Tagesordnung erzielt. Tagesblockzeit: 10 „Wiener Stunden“. ÖVP und SPÖ je 175 Minuten, Freiheitliche 120 sowie Grüne 130 Minuten.


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Weiters wurde folgende Redezeitvereinbarung für die Debatten in der Zeit bis 14 Uhr, die vom ORF übertragen werden, getroffen: Zunächst erfolgt die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers mit einer Redezeit von 20 Minuten, anschließend je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 15 Minuten, dann eine Wortmeldung des Herrn Vizekanzlers mit 10 Minuten, in weiterer Folge je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 8 Minuten, danach Wortmeldungen von zwei weiteren Regierungsmitgliedern mit je 5 Minuten und weiters je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je zirka 5 Minuten.

Sollte vor der letzten Rednerrunde eine Redezeit von mehr oder weniger als 20 Minuten bis 14 Uhr übrig bleiben, wird diese Redezeit von dem den Vorsitz führenden Präsidenten gleich­mäßig auf die Fraktionen verteilt, wobei der den Vorsitz führende Präsident darauf Bedacht nehmen wird, dass auch in der letzten Rednerrunde alle Fraktionen zu Wort kommen.

Weiters besteht Einvernehmen darüber, dass während der Zeit der Fernsehübertragung pro Fraktion nicht mehr als eine Wortmeldung zur tatsächlichen Berichtigung vorgenommen wird.

Es besteht ferner die Absicht, die Sitzung von 13 Uhr bis 13.30 Uhr zu unterbrechen.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diese in der Präsidialkonferenz einvernehmlich getroffene Vereinbarung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen können, um ein diesbezüg­liches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen, und wir werden daher so vorgehen.

Erklärung des Bundeskanzlers zum Thema „Europäischer Rat in Brüssel vom 20. bis 21. März 2003“


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zur Erklärung des Herrn Bundeskanzlers gemäß § 19 Abs. 2 GOG zum Thema „Europäischer Rat in Brüssel vom 20. bis 21. März 2003“.

Im Anschluss an diese Erklärung wird entsprechend dem vorliegenden Verlangen von fünf Abgeordneten eine Debatte stattfinden.

Am Wort ist nunmehr der Herr Bundeskanzler.

10.41


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Als wir am 26. Februar die Situation im Irak hier im Hohen Haus diskutiert haben, bestand noch eine – wenngleich ge­ringe – Hoffnung auf den Frieden. Vor einer Woche hat der Krieg begonnen. Seit einer Woche fallen Bomben, sterben Menschen. Seit Tagen demonstrieren aber auch Hunderttausende in allen Teilen der Erde für den Frieden.

Nicht nur sie stellen sich viele Fragen, berechtigte Fragen – und nicht immer halten die Antwor­ten mit diesen berechtigten Fragen Schritt –:

Wurde wirklich genug für den Frieden getan – in den internationalen Institutionen, in den Staats­kanzleien, in Bagdad selbst?

Warum sind so spät sinnvolle Kompromiss- oder Vermittlungsvorschläge auf den Tisch gelegt worden – Vorschläge, die ja schon sehr lange vorher von kleineren Ländern wie Irland oder größeren wie Kanada im UNO-Sicherheitsrat diskutiert worden sind, wie etwa ganz konkrete Auflagen und Tests, die Saddam Hussein hätte erfüllen sollen, und Fristen, die nicht ins Un­endliche weisen, sondern etwa mit einer Befristung von 30 Tagen eine sinnvolle Überprüfung ergeben hätten?

Warum ist erst so spät der umfassende Bericht der Waffeninspektoren – 83 Seiten, die die offenen Fragen an Saddam Hussein und sein Regime enthalten – auf den Tisch gelegt worden?

Was bedeutet dieses Scheitern von politischen Vermittlungsversuchen für die Völkergemein­schaft, für die Vereinten Nationen? Was bedeutet dies für das Völkerrecht? – Ich verweise in


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diesem Zusammenhang auf die Aussagen des sozialdemokratischen Vorsitzenden des Auswär­tigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, der erklärt hat, dass die beiden Ausnahmegründe vom generellen Gewaltverzicht, von der Ächtung des Krieges, wie sie in der UNO-Charta fest­gelegt sind, nämlich einerseits das Recht auf Selbstverteidigung und andererseits die durch einen UNO-Sicherheitsrats-Beschluss legitimierte Gewaltanwendung, wenn der Weltfrieden bedroht ist, nicht mehr ausreichen. Er meint – und viele Völkerrechtler glauben dies mit ihm –, dass jedenfalls seit dem Kosovo-Krieg und seit Bosnien ein dritter Grund hinzugefügt wurde: Gewalt darf auch dann angewendet werden, wenn eine humanitäre Katastrophe droht oder wenn nicht mehr Staaten die Träger von Gewalt sind, sondern nichtstaatliche, terroristische oder kriminelle Organisationen. Für viele Akteure passt dieses Staaten-Völkerrecht einfach nicht mehr oder nicht zur Gänze, und es muss daher weiterentwickelt werden.

Es stellt sich aber auch die Frage: Wie ernst nehmen wir Europäer selbst das Ziel und den An­spruch einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, wenn sich beim ersten wichtigen Test, im Falle des Irak, viele Mitgliedstaaten sofort in Gruppen einteilen, ohne eigentlich eine gemeinsame Basis, den Konsens innerhalb der europäischen Familie zu suchen – was viel­leicht ein mühsamerer Weg, aber, so glaube ich, der einzig richtige und der einzig zielführende europäische Weg wäre, meine Damen und Herren?

Das und nichts anderes haben wir, die österreichische Bundesregierung und die Außenministe­rin, gemeint, als wir sagten, wir stehen da in der Mitte – natürlich nicht zwischen einem Diktator und den Demokratien, aber wir stehen in der europäischen Mitte auf dem Boden einer gemein­samen Position, die wir gemeinsam erarbeiten wollen, die wir gemeinsam entwickeln, die dem Frieden dient, die dem Primat der Politik gewidmet ist, die aber zugleich auch die Entschlossen­heit in unserem Vorgehen gegen Terror und Diktatur zum Ausdruck bringt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir dürfen nicht vergessen, dass es wohl seinen Grund hat, dass in einem Land wie dem Irak mit etwa 20 Millionen Einwohnern bereits 4 Millionen Menschen zu Flüchtlingen geworden sind, dass dort Kriege ihren Ausgang genommen haben, dass die eigene Bevölkerung, vor allem das leidgeprüfte kurdische Volk, bereits einige Male zur Ziel­scheibe des Diktators geworden ist.

Und darum, um diese Friedenssehnsucht und diese Sehnsucht nach Sicherheit, die sich in den Herzen und auch öffentlich bei vielen Menschen quer über den Kontinent manifestiert hat, geht es! Es geht um die tiefe Sehnsucht der Generationen, Frieden und Sicherheit mit anderen Mitteln als mit Gewalt zu verwirklichen. Und wir Europäer haben eben Kriege erlebt – vielleicht nicht unsere Generation, aber die Älteren, die Generation, die noch lebt, die heute ihren ver­dienten Ruhestand genießt, hat Kriege erlebt. Sie hat auch die Folgen von Kriegen erlebt, sie hatte in jeder Familie die Opfer zu beklagen. Viele andere große Nationen, die Amerikaner etwa, hatten auf ihrem Territorium niemals etwas Vergleichbares. Zugleich sollten wir Euro­päer – gerade wir Europäer – aber auch sensibel, vielleicht auch sensibler, mit Diktatoren umgehen, denn auch wir haben erlebt, was es bedeuten kann, wenn einem Diktator nicht rechtzeitig von der Staatengemeinschaft in den Arm gefallen wird.

Ich glaube daher, dass Europa in dieser Frage auch das Recht hat, sich zu äußern, und das Recht ebenso wie die Verpflichtung und die Verantwortung, hier einen gemeinsamen Weg zu gehen.

Krieg ist – so steht es in der UNO-Charta – das letzte der politischen Mittel. Letztlich ist Krieg das leidvolle Resultat einer gescheiterten Politik. Ich meine, dieser Krieg wäre zu verhindern gewesen. Er wäre vor allem von Saddam Hussein zu verhindern gewesen. Er hätte es in den letzten zwölf Jahren jederzeit in der Hand gehabt, die 17 Resolutionen der Vereinten Nationen zu erfüllen, nämlich durch Abrüstung seiner mehrfach eingesetzten Massenvernichtungswaffen. Damit wären die über den Irak verhängten Sanktionen, die ja primär die Bevölkerung getroffen haben, beendet worden, und es wäre der Krieg zu vermeiden gewesen.


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Der Weg zu diesem Krieg, meine Damen und Herren – ich will das sehr offen aussprechen –, ist letztlich auch eine Kette von vielen gravierenden politischen Fehleinschätzungen: Saddam Hussein rechnete offensichtlich damit, sein Spiel im Ausspielen der Staatengemeinschaft ge­geneinander endlos fortsetzen zu können. Die Amerikaner unterschätzten die Bereitschaft einiger Mitglieder des Sicherheitsrates, bei ihrem kompromisslosen Nein zu einer militärischen Aktion zu bleiben. Und diese wiederum unterschätzten die Entschlossenheit der USA, die in der Resolution 1441 angedrohten schwerwiegenden Konsequenzen auch ohne ausdrückliche Auto­risierung des Weltsicherheitsrates in die Tat umzusetzen.

Der Weg zu diesem Krieg ist daher auch eine Geschichte von Fehleinschätzungen und eines Scheiterns der Politik. Ich glaube, dass wir uns das auch eingestehen und der Öffentlichkeit ge­genüber vertreten müssen, dass wir zugleich aber auch den Menschen Mut machen und ihnen klarmachen müssen, dass wir eine Lehre ziehen aus dieser Bitterkeit, die viele Menschen er­fasst hat.

Noch etwas möchte ich ansprechen: Die Medien spielen in diesem Krieg eine Rolle wie noch nie zuvor in der Geschichte. Sie tragen den Krieg mit all seinen Grausamkeiten in unsere Wohnzimmer. Auch hier sind wir gefordert, dafür zu sorgen, dass nicht die Grenzen der Menschlichkeit und der Menschenwürde überschritten werden. Von der notwendigen Informa­tion zur Bedienung der Schaulust, von der objektiven Berichterstattung zur Manipulation, vom notwendigen Korrektiv zum Werkzeug der Propaganda ist es oft nur ein kleiner Schritt.

Meine Damen und Herren und liebe Zuseher an den Fernsehapparaten! Der Nationale Sicher­heitsrat hat in diesen Tagen – und das halte ich für sehr, sehr wichtig – eine gemeinsame Linie Österreichs auf der Basis der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates, der in der Vor­woche stattgefunden hat, festgelegt. Damit ist uns gemeinsam etwas sehr Wichtiges gelungen: Österreich spricht in dieser kritischen Situation mit einer Stimme! (Allgemeiner Beifall.)

Das ist richtig, das ist gut, und dafür möchte ich auch allen hier im Hohen Haus vertretenen poli­tischen Parteien ausdrücklich danken. Wenn es um derart fundamentale Fragen des Weltfrie­dens, des Völkerrechts, der Sicherheit geht, dann brauchen wir diesen rot-weiß-roten Konsens!

Und das ist kein verwaschener Kompromiss. Wir haben auf dem Beschluss vom 29. Jänner auf­gebaut und uns, so glaube ich, mit Erfolg darum bemüht, die europäische Verantwortung und unsere eigenen legitimen Sicherheitsbedürfnisse mit einzubinden. Wir halten daran fest, dass militärische Aktionen die Ermächtigung des Weltsicherheitsrates voraussetzen. Wir bekräftigen, dass das neutrale Österreich an keinerlei militärischen Operationen gegen den Irak beteiligt sein wird und auch keine Überflugsrechte einräumt.

Wir geben vor allem der Wiederherstellung der vollen Autorität der Vereinten Nationen beson­dere Priorität. Nur die UNO als Einzige kann letztlich in der Lage sein, glaubhaft möglichst bald nach Ende der Kampfhandlungen die volle Verantwortung für den Aufbau demokratischer Strukturen und den Schutz der ethnischen und religiösen Minderheiten – natürlich unter Wah­rung der territorialen Integrität des Irak – zu übernehmen.

Wir wollen im Rahmen der Europäischen Union und der UNO alles unternehmen, um den Minderheiten – vor allem etwa den Kurden im Nord-Irak – zumindest jenes Maß an Autonomie zu garantieren, dass sie sich zu Recht unter großen Mühen erkämpft haben. Es ist wichtig, dass wir Europäer diesem Volk, das ja so oft von wirklichen oder vermeintlichen Bündnispartnern enttäuscht wurde, hier zur Seite stehen. (Allgemeiner Beifall.) Es ist auch die türkische Regie­rung aufzufordern, jedes militärische Eindringen auf irakisches Staatsgebiet zu unterlassen.

Meine Damen und Herren! Wir beobachten mit großer Sorge die wachsenden Spannungen in der arabischen Welt, und zwar zwischen den arabischen Staaten einerseits, aber auch zwi­schen den arabischen Staaten und der westlichen Welt andererseits. Wir glauben daher, der Dialog mit der arabischen Welt muss gefördert werden. Es muss auch dem Eindruck ge­gengesteuert werden, dass die Weltgemeinschaft mit unterschiedlichen Maßstäben, was die Notwendigkeit der Einhaltung von völkerrechtlich bedeutsamen Resolutionen betrifft, misst. Ich


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halte es für ganz wesentlich, dass hier nicht mit zweierlei Maß gemessen wird. (Allgemeiner Beifall.)

Wie geht es nun mit der inneren Sicherheit Österreichs weiter? – Die Bundesregierung trifft mit größtmöglicher Umsicht alle notwendigen Vorkehrungen, um die Bürger im Inland, aber auch in den Krisenregionen selbst zu schützen. Ich sage hier ganz offen: Keine Regierung der Welt kann Terrorakte ausschließen, aber wir müssen das Denkmögliche tun, um Terror zu verhin­dern. Es besteht auch derzeit kein Anlass zur Annahme, dass Österreich besonderen zusätz­lichen Gefährdungen ausgesetzt ist. Es gibt Grund zur Wachsamkeit, nicht jedoch zu Angst.

Was tut die Bundesregierung zum Schutz der Bürger? – Das Außenministerium ist zum Schutz österreichischer Staatsbürger in ständigem Kontakt mit den Vertretungsbehörden. Rund um die Uhr wurde ein Telefonservice eingerichtet, das bereits von Tausenden Menschen in Anspruch genommen wurde. Das Verteidigungsministerium überwacht das Staatsgebiet einschließlich des Luftraums – gerade in der jetzigen Situation ein besonders wichtiger Verteidigungs- und Neutralitätsfall. Das Innenministerium hat den Schutz allenfalls gefährdeter Personen und Objekte deutlich erhöht und trifft gemeinsam mit den NGOs und mit den Ländern Vorkehrungen zur Aufnahme von möglicherweise nach Österreich kommenden irakischen Flüchtlingen. Die Vorbereitung und Koordination humanitärer Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene ist ebenfalls angelaufen.

Noch eine Frage: Hat Österreich genug zur Vermeidung dieses Konflikts, zur Konfliktverhütung getan? – Wir sollten hier den Sinn für Proportionen wahren. Österreich ist auf Grund seiner Größe und seiner geographischen Lage nur gemeinsam mit anderen europäischen Ländern dazu imstande, wirksam einen Beitrag zur Konfliktverhütung zu leisten. Friedensbewahrung und Friedensstiftung gibt es nicht im Alleingang.

Wir haben uns daher sehr intensiv – in der Person der Außenministerin beziehungsweise ich als Regierungschef – um eine gemeinsame Stimme Europas bemüht. Wir haben als UNO-Sitz-Staat aktiv an der Wiederaufnahme der Gespräche zwischen der irakischen Führung und den UNO-Chefinspektoren mitgewirkt. Wir haben der UNO österreichische Inspektoren und Experten zur Verfügung gestellt. Wir haben auf diplomatischer Ebene Anstrengungen unter­nommen, das Friedenspotential in Kontakten mit den arabischen Staaten zu erhöhen. Wir haben den Dialog der Zivilisationen – Christentum, Judentum, Islam – begonnen. Wir wollen dies gerade in diesen Zeiten fortsetzen. Es geht darum, diesen Dialog jenseits des Atlantiks, aber auch mit der arabischen Welt nicht abreißen zu lassen.

Es gibt noch etwas, worauf ich stolz bin, worauf wir alle stolz sein können: Dass wir in Öster­reich nicht erst seit dem 11. September 2001 oder erst seit jetzt ein funktionierendes Miteinan­der der verschiedenen Bevölkerungsgruppen und Religionen haben. In Österreich ist das fried­liche Zusammenleben zwischen Christen, Juden und Moslems gelebte tägliche Wirklichkeit. Dafür möchte ich allen danken, die hiezu ein konkretes Stück an Friedensbewältigung beitragen. (Allgemeiner Beifall.)

Das ist übrigens gar nicht so selbstverständlich, denn es war noch in der Monarchie, im Jahre 1912, als der Islam als offizielle Religion in unserer Heimat anerkannt worden ist. Dies war eigentlich ein beispielhafter Alleingang zur damaligen Zeit und ist auch heute noch ein Vorbild für viele andere europäische Länder.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass wir mit dieser gemeinsamen Haltung einen ganz wichtigen Schritt setzen. Aber in Wirklichkeit – ich sage das hier ganz offen – beginnt natürlich die politische Arbeit in diesem Bereich in der Zeit nach dem Krieg. Darin werden wir uns sehr aktiv und gemeinsam einzubringen haben.

Das zweite Thema beim Europäischen Rat vorige Woche in Brüssel war die so genannte Lissabon-Strategie. Nach einem Drittel des Weges bis zum Jahr 2010 sollte gefragt werden: Wo stehen wir eigentlich? Sind wir wirklich auf dem Weg, die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen – einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein


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dauerhaftes Wachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen? – Im Jahr 2001 ist dann noch die ökologische Dimension im Rat von Göteborg hinzugekommen. – Wir machen Fortschritte.

Es ist etwa gegenüber Amerika ein leichter Zuwachs im Pro-Kopf-Einkommen zu beobachten. Es gibt einen leichten Zuwachs – um 2 Prozent von 62 auf 64 Prozent – in der Beschäftigungs­quote. Aber trotzdem müssen wir sagen, in manchen Bereichen ist einfach der Fortschritt nicht so, wie wir ihn uns gewünscht hätten und wie er durchaus auch mit einer gemeinsamen euro­päischen Linie erzielbar wäre.

Österreich liegt in der Beschäftigung mit einer Gesamtquote von 68,4 Prozent und einer Frauenbeschäftigungsquote von 60,1 Prozent nahe oder schon an den Zielvorgaben. Wesent­lich zu niedrig ist die Beschäftigungsquote für ältere Arbeitnehmer. Daher gibt es auch ganz konkrete Maßnahmen im Regierungsprogramm: die Reform des AMS, kürzere Vermittlungs­zeiten, Ausbau des Frühwarnsystems, schrittweises Auslaufen der vorzeitigen Alterspension und konkrete Hilfen, um ältere Arbeitnehmer in Beschäftigung zu halten.

Was wichtig ist, ist Folgendes: Österreich hat gemeinsam mit Finnland und Portugal einen Vor­stoß für eine Task Force „Beschäftigung“ auf europäischer Ebene gemacht. Das ist auch be­schlossen worden. Diese Arbeitsgruppe, die in einem Jahr ihren Bericht vorlegen wird, wird unter der Leitung des früheren holländischen Regierungschefs Wim Kok stehen. Damit ist eine österreichische Forderung umgesetzt worden. Unsere sozialpartnerschaftliche Erfahrung wird und soll in diesen Prozess mit einfließen.

Das zweite wichtige Thema war Bildung, Forschung und Innovation. Da fällt Europa eigentlich zurück, Österreich hingegen holt auf. Wir hatten vor zehn Jahren eine Forschungsquote von nicht einmal 1,5 Prozent, vor fünf Jahren eine von 1,8 Prozent. Wir sind jetzt an eine Quote von 2 Prozent herangerückt. Wir haben in den letzten drei Jahren 4 Milliarden € eingesetzt. Das sind um 20 Prozent oder 600 Millionen € mehr als in den Jahren zuvor. Auf diesem Weg, meine Damen und Herren, wollen und müssen wir voranschreiten, um Österreich optimal behaupten zu können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Auch in der wesentlichen Frage des sozialen Zusammenhalts liegt Österreich hervorragend. Da haben wir einen Spitzenplatz, sind bereits in den Top 3, liegen auf dem dritten Platz. Wir haben neben der im europäischen Vergleich sehr günstigen Situation auf dem Arbeitsmarkt – wir weisen die drittniedrigste Arbeitslosenquote auf – vor allem unser Schulsystem, das für diesen Erfolg verantwortlich ist. In der Kategorie Schulabbrecher weist Österreich eine der niedrigsten Quoten auf, nämlich den zweiten Platz. Wir arbeiten weiter daran, dass wir uns gerade in diesen Bereichen noch wesentlich verbessern können.

Ebenso ist es in der Umwelt. Wir nehmen bezüglich Umwelt einen Spitzenplatz innerhalb der gesamten Europäischen Union ein, nicht erst seit heute. Aber auf diesen Spitzenplatz – wir sind Nummer 1 in Europa – kann Österreich zu Recht stolz sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich will hier nicht ein zu rosiges Bild malen, denn wir haben noch viele Strukturreformen aus­ständig, keine Frage – und wir werden daher auf diesem mutigen Weg von Liberalisierungen im Wirtschaftsrecht weiter voranschreiten. Und natürlich werden wir unsere Schwerpunkte auch in den Bereichen Bildung, Forschung und Beschäftigung älterer Arbeitnehmer fortsetzen.

Folgendes möchte ich schon sagen: Österreich hat eine erstklassige Ausgangslage, um in den nächsten Jahren, bis 2010, wirklich unter die besten drei europäischen Länder vorzustoßen. Das muss unsere Ambition sein, und wir können das auch erreichen, meine Damen und Herren, davon bin ich hundertprozentig überzeugt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Um Ihnen hier ein wenig Mut zu machen: Unser Land hat sich bei einigen ganz wesentlichen Indikatoren sehr gut verbessert, so etwa bei den Investitionen der privaten Unternehmer – und das ist einer der wichtigsten Vergleiche überhaupt. Diesbezüglich hat Österreich jetzt den zweit­besten Platz in der gesamten Europäischen Union.


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Was das Pro-Kopf-Einkommen betrifft, hat sich Österreich vom fünften auf den vierten Platz vorgearbeitet; bei der Arbeitsproduktivität um einen Platz verbessert (Abg. Mag. Wurm: Frauen kommen nicht vor?!); beim Wachstum einen Sprung um vier Plätze nach vorne; bei den realen Lohnstückkosten sind wir auf Platz zwei in der Europäischen Union. Und was den Budgetsaldo anlangt, haben wir – nicht ganz perfekt, aber immerhin – vier Plätze gutgemacht.

Nach den Niedrigeinkommensländern im Mittelmeerraum, die ja üblicherweise eine besonders niedrige Inflationsrate haben, ist Österreich das preisstabilste Land. Durch die Telekom-Libe­ralisierung haben wir einen deutlichen Sprung nach vorne bei den Ferngesprächen geschafft, und zwar innerhalb eines Jahres vom vorletzten Platz auf Platz sechs. Weitere Verbesserungen werden sich natürlich noch in den Rankings niederschlagen. (Zwischenruf des Abg. Öllinger.)

Daher, meine Damen und Herren: Ich glaube, mit diesem Zwischenbericht liegen wir auf Kurs; zwar noch lange nicht dort, wo wir uns sehen wollen und wo unser eigentliches Potenzial liegt, aber ich glaube, dass wir in Österreich, wenn wir auf diesem mutigen Reformkurs voranschrei­ten, das Ziel, zu den besten drei Ländern Europas zu gehören, bald erreicht haben werden. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Die Abgeordneten von den Grünen er­heben sich von ihren Plätzen und halten Fahnen in den Regenbogenfarben mit dem Schrift­zug „Pace“ in die Höhe, die sie danach an ihren Bankreihen befestigen.)

11.02


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Alfred Gusen­bauer, der die Debatte über diese Erklärung einleitet. Seine Redezeit ist bekannt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.03


Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! (Der Redner sowie die meisten Abgeordneten von der SPÖ tragen Ansteckkarten in den Regenbogenfarben mit dem Schriftzug „Friede“ am Revers.) Die Geschichte der Menschheit ist leider auch eine Geschichte von Krie­gen – und war es vor allem bis zum schrecklichsten aller Kriege, nämlich dem Zweiten Welt­krieg. Dieser Krieg hat das erste Mal in der Geschichte zum Umdenken geführt. Die Staaten haben erkannt, dass sie nicht gegeneinander Frieden und Sicherheit erhalten können, sondern nur miteinander. Daher wurden auf Initiative der Vereinigten Staaten von Amerika seinerzeit die Vereinten Nationen, sprich die UNO, gegründet. In diesen Vereinten Nationen wurde festge­halten: Es gibt ein Gewaltverbot, weil man Kriege – eben auf Grund der Erfahrung des Zweiten Weltkrieges – verhindern wollte.

Zur Anwendung militärischer Gewalt sollte es nur kommen, wenn sich ein Land verteidigen muss oder in Fällen, in denen der Weltsicherheitsrat der UNO zur Auffassung kommt, dass ein militärisches Eingreifen legitim ist.

Sie, Herr Bundeskanzler, haben nun eine dritte Möglichkeit angefügt, die sich gewohnheits­rechtlich ergeben könnte, nämlich dass, wenn eine humanitäre Katastrophe droht, auch die Anwendung militärischer Gewalt legitim ist.

Wenn wir bei diesen Prinzipien, die im Wesentlichen auf die Initiative großer amerikanischer Präsidenten zurückgehen, bleiben und diese auf die jetzige Situation anwenden, dann würde ich sagen: Ein Akt der Selbstverteidigung ist dieser Krieg gegen den Irak nicht. Ich sehe keine Gefährdung, die vom Irak in Bezug auf die Vereinigten Staaten von Amerika ausgeht. Da die USA berechtigterweise nach dem 11. September 2001 nach den Terroristen suchen, berech­tigterweise die Basen dieser Terroristen letztendlich aufzuspüren versuchen, wissen wir doch alle, dass sich diese nicht im Irak befinden, sondern in einer Reihe anderer Staaten.

Einen Beschluss des Sicherheitsrates hat es auch nicht gegeben, weil sich die Weltgemein­schaft nicht einig war, dass es da die Anwendung von militärischer Gewalt geben soll.

Zur Frage einer drohenden humanitären Katastrophe: Diese humanitären Katastrophen haben im Irak leider alle schon stattgefunden: durch die Hinrichtung von Kurden, durch den Einsatz


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von Giftgas, durch Gewaltanwendung gegen die eigene Bevölkerung. Aktuell ist dieses ira­kische Regime daher gegenüber der eigenen Bevölkerung bedeutend schwächer, als das jemals der Fall war.

Daher gibt es meiner Auffassung nach für diesen Krieg keine wirkliche Berechtigung, und daher ist dieser durch das Völkerrecht auch nicht legitimiert, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich kenne niemanden in diesem Saale, der irgendwelche Sympathien für diesen irakischen Dik­tator hegen würde, einen Diktator, der sicherlich zu den schlimmsten gehört, die es auf unserer Welt gibt. – Leider ist er jedoch nicht der einzige; es gibt noch eine Reihe anderer in seiner „Preiskategorie“.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, Krieg ist eine ganz ernste Angelegenheit. Und wenn Kriege geführt werden, dann muss ein sehr strenges Maß angelegt werden. Die Wahrheit ist: Diesen Diktator Saddam Hussein gibt es bereits seit mehreren Jahrzehnten. In der Vergan­genheit, als es den USA nützlich war, als es auch Frankreich und anderen nützlich war, wurde intensiv mit ihm zusammengearbeitet, wurden Waffen mit großer Zerstörungskraft an dieses irakische Regime geliefert. Und letztendlich ist erst mit diesen Waffen dieses Regime so stark geworden, dass es seinerzeit Kuwait überfallen konnte. Zu keinem Zeitpunkt in der Vergangen­heit waren der Irak und Saddam Hussein, mit dem kooperiert wurde, besser oder moralisch integrer als heute!

Daher stellt sich natürlich schon die Frage: Was sind die Hintergründe für diese Vorgangs­weise? Was sind die Hintergründe, dass heute zu den Mitteln militärischer Gewalt gegriffen wird – vor allem, nachdem die Waffeninspektoren der Vereinten Nationen erreichen konnten, dass die bisher massivste Abrüstung des Irak gelungen ist? Das natürlich unter Androhung von militärischer Gewalt im Hintergrund, aber: Die Arbeit dieser Waffeninspektoren war höchst erfolgreich.

Mit großem Interesse habe ich ein Interview mit dem deutschen Außenminister Joschka Fischer gelesen, der diese Woche gesagt hat, seit wann ihm schon klar sei, wie sich die Situation zuspitzen werde. Joschka Fischer verweist in diesem Interview darauf, dass ihm der stellvertre­tende amerikanische Verteidigungsminister bereits am 18. und 19. September 2001, also knapp nach dem 11. September, gesagt hat, dass die amerikanische Strategie der jetzigen Regierung darin bestehe, dass die USA eine ganze Reihe von Ländern von ihren „terroristischen Regie­rungen“ notfalls auch mit Gewalt befreien müssten, und am Ende könnte dann eine neue Welt­ordnung stehen: mit Demokratie, Frieden, Stabilität und Sicherheit für die Menschen. – Das heißt also, meine Damen und Herren, diese Strategie ist seit zwei Jahren klar.

Wenn wir uns ernsthaft an die Beantwortung von Fragen heranwagen, so stelle ich Ihnen allen folgende Frage: Mit welchen Mitteln und wo wurde der größte Fortschritt für Frieden und Demo­kratie in den letzten 50 Jahren erzielt? – Die wohl größte Veränderung in der Geschichte der Menschheit hat doch durch die Demokratisierung der mittel- und osteuropäischen Staaten statt­gefunden, die so weit gegangen ist, dass einige von ihnen bereits Mitglieder der Europäischen Union werden.

Diese politische Veränderung hat dort jedoch nicht mit Krieg, nicht mit Waffengewalt von außen oder von innen stattgefunden, sondern diese politische Veränderung hat ausgehend vom sehr wichtigen Helsinki-Prozess 1975 stattgefunden, durch den den Menschenrechten ein gewisser Rahmen eingeräumt wurde. Diese politische Veränderung ist weiters von der Entspan­nungspolitik ausgegangen und davon, dass sich die Bürger in diesen Staaten selbst organisiert und Widerstand, nämlich zivilen Widerstand, entwickelt haben. Dort ist es gelungen, aus dem Inneren heraus, mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, Demokratie und Stabilität zu erzielen.

Ich bin folgender Meinung: So wie man aus den schlechten Erfahrungen der Geschichte die Konsequenzen ziehen muss, sollte man auch aus den positiven Erfahrungen der Geschichte


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Konsequenzen ziehen. Ich sage: Der Weg der demokratischen Veränderung in Mittel- und Osteuropa ist viel eher ein Maß zum Weg für Frieden und Stabilität, als Krieg gegen einzelne Staaten zu führen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Der Herr Bundeskanzler hat darauf hingewiesen, dass es große Spannungen zwischen den arabischen Ländern sowie zwischen der arabischen und der westlichen Welt gibt. Das hängt auch ein wenig damit zusammen, dass dort viele Millionen Menschen den Eindruck haben, es werde mit doppelten Standards gemessen. Sie, Herr Bundeskanzler, haben mit Recht darauf hingewiesen, dass Saddam Hussein es schon längst in der Hand gehabt hätte, die Resolu­tionen des Weltsicherheitsrates und der UNO-Vollversammlung zu erfüllen. Und ich meine, er ist nicht der Einzige in dieser Region, der darin säumig ist.

Ich möchte nur darauf verweisen, wie viele UN-Resolutionen es betreffend das Verhältnis zwischen Israel und den Palästinensern gibt, die ebenfalls bis zum heutigen Tag nicht erfüllt sind. Dass zwar dauernd Beschlüsse gefasst werden, die dann aber nicht eingehalten werden, das ist in Wirklichkeit die offene Wunde des Verhältnisses zwischen der arabischen Welt und dem Westen. Ein Dialog zwischen dem Westen und der arabischen Welt wird nur dann glaub­würdig sein, wenn auch ein ernsthafter Beitrag dazu geleistet wird, dass das Verhältnis zwi­schen Israel und den Palästinensern auf friedliche Art und Weise zu einer Eigenständigkeit der Palästinenser führen wird, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Es wird sich in der Folge dieses Krieges eine Reihe von Fragen stellen, und zwar eine Reihe von sehr brennenden und auch sehr schwierigen Fragen für alle Beteiligten. Gerade während der letzten Tage habe ich mir gedacht: Wie werden nun einzelne der Staaten reagieren, die von den USA auf die so genannte Schurkenstaatenliste gesetzt wurden? – Diese müssen doch den Eindruck gewinnen, dass sich Nordkorea, das auch ein gespanntes Verhältnis zu den USA hat, weil es Atomwaffen besitzt, in einer sichereren Situation wähnen kann als der Irak, der ein ge­spanntes Verhältnis zu den USA hat, aber über keine Atomwaffen verfügt.

Ich habe die große Angst – und das sage ich ganz offen –, dass viele dieser Staaten ihre An­strengungen verstärken werden, um zu Atomwaffen zu kommen. Und diese Befürchtung wird auch dadurch genährt, dass der stellvertretende Außenminister Russlands gestern angekündigt hat, dass die erste Priorität die Modernisierung des russischen Atomwaffenprogramms sein wird. Ich meine, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Konsequenz eines Krieges darf doch nicht die weltweite Aufrüstung sein, nachdem wir jetzt jahrzehntelang die Welt durch Ab­rüstung sicherer gemacht haben. (Allgemeiner Beifall.)

Etwas Zweites müssen wir auch behandeln, nämlich die Frage: Ist die Welt sicherer, wenn auf Grund der innenpolitischen Lage – wohlgemerkt! – des größten und mächtigsten Landes der Welt letztendlich die gesamte internationale Politik im Alleingang bestimmt wird, oder ist nicht die Sicherheit auf der Welt eine größere, wenn es Kooperation der Staatengemeinschaft, wenn es das Zusammenwirken in gefestigten Institutionen gibt? – Mein Eindruck, wieso so viele Men­schen in Europa heute auf die Straße gehen, nicht nur in Europa, sondern auch in New York, in Washington und in der arabischen Welt, der wirkliche Grund dafür, der neben der Ablehnung des Krieges dahinter steckt, ist ein Bauchgrimmen, das durch unsere Gesellschaften geht. Viele fühlen sich bei dem Gedanken unwohl, dass ein Staat, eine Regierung in erster Linie bestimmt, was auf der Welt vorgehen soll, und alle anderen haben nur die Möglichkeit, entweder zu folgen oder zu widersprechen.

Ich würde mir, offen gesagt, eine amerikanische Regierung wünschen, die zu jener großen Tra­dition amerikanischer Präsidenten zurückkehrt, die ihre Macht und Stärke nicht dafür ver­wendet haben, allein und einseitig vorzugehen, sondern die ihre Macht dafür verwendet haben, um stabile Verhältnisse in der Welt auf Basis der Zusammenarbeit zu schaffen. Das wäre mein Wunsch in dieser Situation! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Der Herr Bundeskanzler hat mit Recht darauf hingewiesen, dass sich viele Fragen – auch für uns – nach dem Krieg stellen werden: etwa betreffend die leider nicht erfolgreiche Gemeinsame


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Außen- und Sicherheitspolitik in Europa, bei der es zwar in Europa gemeinsame Resolutionen, dann aber im Sicherheitsrat ein getrenntes Auftreten gibt. Es wird die Frage der Glaubwürdig­keit auch daran gemessen werden, ob die Erdöleinnahmen des Irak, verwaltet durch die UNO, wirklich dem irakischen Volk zugute kommen werden oder ob irgendwo anders abkassiert wird. Es wird sich die Frage stellen, ob es auch in Bezug auf andere Staaten in der Region eine Anstrengung von Seiten Europas zur Kooperation gibt oder ob diese einseitige Vorgangsweise, wie sie jetzt im Irak gepflegt wurde, auch gegenüber anderen Staaten zur Anwendung kommt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Krieg macht die Welt nicht stabiler. Dieser Krieg wird viele, viele Menschenleben kosten und wird die Welt unstabiler machen. Auch wenn in den Geschichtsbüchern immer nur die großen Feldherren festgehalten sind – sowohl auf der Siegerseite als auch auf der Verliererseite – und die unzähligen Opfer nur als Namenlose vorkommen, weil bestenfalls die Zahl der Opfer erwähnt wird, müssen wir uns alle im Klaren darüber sein, dass es nichts Gravierenderes gibt als den Krieg, weil er Menschenleben in großem Ausmaß kosten kann. Die Entscheidung darüber, ob so etwas getan wird oder nicht, soll man sich möglichst schwer machen. Im Falle des Kriegs gegen den Irak ist dieses Es-sich-selbst-schwer-Machen von Seiten derer, die diesen Krieg führen, für mich nicht nachzuvoll­ziehen gewesen. – Danke schön. (Anhaltender allgemeiner Beifall.)

11.18


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer, der 15 Minuten zu uns sprechen wird. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.19


Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsiden! Herr Bundeskanz­ler! Herr Vizekanzler! Liebe Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich ist an diesem Krieg nicht beteiligt, Österreich ist aber von diesem Krieg betroffen. Die Österreicherinnen und Österreicher sind betroffen vom Leid, vom Tod, von der Vernichtung, die vom Krieg schlechthin ausgehen. Wir sind betroffen von den Bildern, die uns tagtäglich von diesem Leid ins Haus geliefert werden – von den Bildern der Zer­störung und der Vernichtung. Gleichzeitig bin ich aber in besonderer Weise betroffen – und ich denke, nicht allein –, dass mit diesen Bildern des Krieges in einer Art und Weise umgegangen wird, die es auch noch nie gegeben hat, nämlich propagandistisch eingesetzt und manipulativ.

Ich denke, dass es eine der Zukunftsaufgaben wird, in einer Medien- und Kommunikationsge­sellschaft auch dafür klare Spielregeln zu entwickeln.

Wir sind von diesem Krieg betroffen, meine Damen und Herren, weil Österreich aus seiner Ver­pflichtung zur Verteidigung der Souveränität selbstverständlich den Luftraum schützt und Über­flüge nicht zulässt, betroffen aber auch deswegen, weil wir unseren Luftraum überwachen. Ich sage das all jenen, die die Notwendigkeit der Luftraumüberwachung in Zweifel ziehen: Es stellt sich ganz klar heraus: Ja, das ist notwendig im Interesse unseres Landes, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir sind selbstverständlich auch betroffen, weil alle unsere Einrichtungen dazu eingesetzt sind und eingesetzt werden, die maximale Sicherheit unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger zu ge­währleisten. Ich danke allen, die in der Exekutive oder bei den NGOs engagiert sind dafür, dass sie diese Arbeit für die Sicherheit unseres Landes leisten.

Es ist klar, meine Damen und Herren – und davon gehe ich aus –: Niemand will diesen Krieg! Niemand in Österreich will diesen Krieg, und die Menschen bringen das auch zum Ausdruck. Gerade weil dieser Wille zum Frieden vorhanden ist, möchte ich aber doch daran erinnern, dass es sich dabei um das Regime von Saddam Hussein handelt, um ein menschenverachtendes Regime, ein grausames Regime, ein Regime, das Kriege gegen den Iran und Kuwait zu verant­worten hat, ein Regime, das Massenvernichtungsmittel gegen die eigene Bevölkerung einsetzt, ein Regime, das mittels Diktatur die Menschenrechte mit Füßen tritt.


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Ich meine, es ist notwendig, von dieser Stelle aus dieses Regime Saddam Husseins im Irak ganz klar zu verurteilen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

Auf Grund dieser Einschätzung ist es selbstverständlich, dass Österreich das Ziel der Entwaff­nung des Irak, der Vernichtung der Massenvernichtungswaffen unterstützt und daher auch das Ziel teilt und unterstützt, den Menschen im Irak Freiheit, Frieden und Demokratie zu bringen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist mir so besonders wichtig, meine Damen und Herren, dass wir trotz der berechtigten und verständlichen Emotionalität diese Tatsache nicht aus den Augen verlieren, damit wir die Pro­portionen richtig einschätzen.

Österreich ist nie für diesen Krieg eingetreten. Österreich hat immer die Haltung vertreten, dass die Entscheidung letztendlich ausschließlich in den Händen der Vereinten Nationen, in den Händen des Sicherheitsrates liegen sollte.

Ich bin daher sehr dankbar dafür und möchte mich beim Herrn Bundeskanzler, beim Herrn Vize­kanzler und bei allen Parteien ausdrücklich dafür bedanken, dass wir es in dieser Zeit geschafft haben, im Nationalen Sicherheitsrat einen Staatskonsens zu erreichen. Das ist ein wichtiges Signal dafür, dass Österreich bei zentralen Anliegen für unser Land, bei zentralen Anliegen des Friedens mit einer, mit einer starken, mit einer rotweißroten Stimme spricht. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und der SPÖ.)

Es ist daher in dieser wirklich dramatischen Situation wohl auch allgemeiner Konsens, dass wir höchstes Interesse daran haben, dass dieser Krieg so rasch wie möglich beendet wird, und uns jetzt an dieser Stelle daher mit der Frage der Zukunft beschäftigen müssen.

Aus meiner Sicht hat gerade ein kleines Land wie Österreich höchstes Interesse daran zu ha­ben, die Vereinten Nationen zu stärken und den Vereinten Nationen wieder jene Autorität zu ge­ben, die sie für die Zeit nach diesem Krieg jedenfalls brauchen, um den politischen und wirt­schaftlichen Wiederaufbau sicherzustellen, die notwendige humanitäre Hilfe zu organisieren und die Einhal­tung demokratischer Prinzipien und der Menschenrechte zu gewährleisten. Wir brauchen starke Vereinte Nationen, meine Damen und Herren! (Allgemeiner Beifall.)

Wir begrüßen ausdrücklich die Initiative des Generalsekretärs der Vereinten Nationen Kofi Annan, der das Programm „Öl für Lebensmittel“ ins Leben gerufen hat. Ich denke, dass damit unter der starken Autorität der Vereinten Nationen konkrete Perspektiven auch für die Men­schen im Irak gegeben sind.

Aus österreichischer Sicht ist auf jeden Fall festzuhalten, dass auf Basis der internationalen Autorität der Vereinten Nationen sicherzustellen ist, dass Resolutionen der Vereinten Nationen nicht mit zweierlei Maß gemessen werden. Es kann nur ein Maß geben; jenes Maß, das letzt­endlich in der Charta der Vereinten Nationen zugrunde gelegt ist.

Die zweite Perspektive, meine Damen und Herren, liegt für mich in Europa begründet. Ich sage das im vollen Wissen, dass gerade jetzt eine kritische Diskussion über die Stärke und die Auto­rität der Europäischen Union gegeben ist. Ja! Ich erinnere aber daran, dass die Europäische Union das eigentliche Friedens- und Sicherheitsprojekt in Europa ist, das nach 1945 die richti­gen Lehren aus der Geschichte gezogen hat.

Herr Abgeordneter Gusenbauer! Auf dieser Basis der Europäischen Union halte ich das Projekt der Erweiterung für den nächsten Quantensprung einer europäischen Friedens- und Sicher­heitsdimension neuen Ausmaßes. Daher ein Ja, und zwar aus vollem Herzen und aus voller Überzeugung, zur Erweiterung der Europäischen Union! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

Eines ist auch klar: Wenn dieses Europa im Weltgeschehen mit Stärke agieren soll, dann brauchen wir eine neue Investition, nämlich politischer Natur, in die Gemeinsame Außen- und


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Sicherheitspolitik, weil Europa nicht vollendet ist und auch seine Rolle nicht übernehmen kann, wenn die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik dann nicht – mit der notwendigen Stärke ausgerüstet – tatsächlich agieren kann.

Hier ist Europa noch nicht vollendet, und da brauchen wir volles Engagement, dass Österreich diese Entwicklung der Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union mit voller Kraft verstärkt und unterstützt.

Meine Damen und Herren! Für Europa und für die Zukunft Europas ist es aber auch wichtig, dass wir eine korrekte – ich sage das sehr bewusst – positive Beziehung zu den Vereinigten Staaten haben. Auch in einer Stunde, in der es Kritik an der derzeitigen Regierung der Ver­einigten Staaten gibt, ist es mir wichtig festzuhalten, dass es im Interesse Österreichs und Europas liegt, transatlantische korrekte und positive Beziehungen aufzubauen, weil Österreich in der Geschichte davon profitiert hat, weil Europa davon profitiert hat und Europa und Öster­reich vom positiven Verhältnis zu den Vereinigten Staaten auch in Zukunft profitieren sollen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie Beifall des Abg. Dr. Van der Bellen.)

Die Verpflichtung Europas wird aber sehr konkret daran gemessen, ob wir bereit und fähig sind – und wir sind dazu bereit und fähig –, mit der zu rechnenden beträchtlichen Zahl von Flüchtlingen positiv und menschlich umzugehen. Wir müssen diesen Flüchtlingen vorüber­gehend Schutz bieten. Wir sind interessiert daran, dass Europa selbstverständlich auch die humanitäre Hilfe wahrnimmt.

Ich teile die Einschätzung, dass Europa im Bereich des Nahen Ostens stark und initiativ bleiben muss, weil ein langfristiger Frieden in dieser Region ohne friedliche Bewältigung des Konfliktes zwischen Israel und Palästinensern nicht möglich ist. Ich teile diesbezüglich die Einschätzung des Kollegen Gusenbauer dezidiert: Das wird ein Schlüssel für die friedliche Entwicklung in dieser Region sein.

Wir werden auch darauf achten müssen, dass diese Krise nicht missbraucht wird, missbraucht, um etwa Autonomien in Frage zu stellen. Daher: Ja, die Autonomie der Kurden soll erhalten bleiben und selbstverständlich auch die territoriale Integrität des Irak und seiner Nachbar­staaten.

Meine Damen und Herren! Österreich ist verpflichtet, den Schutz der Menschen, den Schutz des Landes und die Verteidigung seiner Souveränität sicherzustellen. Genauso sind wir ver­pflichtet, unseren Beitrag zur humanitären Hilfe zu leisten und auch dazu, den Menschen vorübergehend Aufenthalt und Sicherheit zu geben. Im Sinne einer gerechten Lastenverteilung appellieren wir, dass dies in ganz Europa erfolgen möge.

Unsere Strategie muss daher heißen: Stärkung der Vereinten Nationen, Stärkung Europas und der Rolle der Europäischen Union in der Staatengemeinschaft und Wahrnehmen unserer Ver­antwortung. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Bundeskanzler Dr. Schüssel hat in seiner Erklärung zum Europäi­schen Rat selbstverständlich und aus meiner Sicht völlig zu Recht auch auf die Lissabon-Strategie hingewiesen. Warum „völlig zu Recht“? – Nicht allein deshalb, weil das Thema des Europäischen Rates war, sondern weil ich felsenfest davon überzeugt bin, dass eine nach­haltige Entwicklung ein Schlüssel zum Frieden ist, weil ich felsenfest davon überzeugt bin, dass ohne wirtschaftlichen Wohlstand Frieden dauerhaft nicht möglich ist (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), weil ich felsenfest davon überzeugt bin, dass nur soziale Gerechtigkeit Frieden dauerhaft sichert und dass auch die Sicherung der Lebensgrundlagen und der Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen in Zukunft ein entscheidender Friedensbeitrag sein werden.

Ich halte es daher für positiv und gut, dass wir uns in Österreich auf Basis dieser Lissabon-Strategie offensiv mit den Fragen Arbeit und Beschäftigung, Bildungschancen für alle, Nach­haltigkeit und Gerechtigkeit in unseren Sozialsystemen, Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit des Konsolidierungsweges in den öffentlichen Haushalten und Notwendigkeit der Wirtschaftsrefor­men im Sinne der Schaffung von Arbeit beschäftigen. Ich denke, dass wir mit dem Arbeits-


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übereinkommen auch für die soziale Dimension und die Erhaltung der Lebensgrundlagen jene Perspektive geschaffen haben, auf Grund deren wir unser Ziel, nämlich Top Drei der Europäi­schen Union zu werden, verwirklichen können.

Abschließend: Meine Damen und Herren! Ich ersuche die Öffentlichkeit, weiterhin wachsam zu sein und Engagement zu zeigen, und ersuche, dabei die notwendige Objektivität in der Beur­teilung beizubehalten. Ich appelliere an dieses Hohe Haus, diesen Grundkonsens in einer so wichtigen Frage für Österreich als Basis für alle weiteren Aktivitäten zu nehmen – das braucht Österreich und das braucht eine friedliche Entwicklung in der Welt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.33


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Herr Klubobmann Dr. Van der Bellen. Redezeit: 15 Minuten. – Bitte, Herr Kollege.

11.34


Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich eingangs der Kürze halber gleich in aller Deutlich­keit festhalten, dass die Grünen diesen Krieg für falsch halten, für rechtswidrig, für völkerrechts­widrig und dass wir nicht akzeptieren können, dass ein zugegebenermaßen wichtiger und be­freundeter Staat die anerkannten Regeln des Völkerrechts in dieser Weise verletzt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Satzungen der Vereinten Nationen geben nun einmal keine Berechtigung, keine Legitima­tion für Präventivkriege. Ich bedaure, das hier feststellen zu müssen: Es handelt sich aber um einen solchen. Und die Satzungen der Vereinten Nationen schließen außerdem – zumindest völkerrechtlich – Kriege aus, die ohne Befassung beziehungsweise ohne Zustimmung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen geführt werden.

Und das ist eine nicht triviale Angelegenheit. Das Gewaltverbot in der Satzung der Vereinten Nationen ist ja ein Verbot besonderer Art. Es ist nicht zu vergleichen etwa mit dem Parkverbot in der österreichischen Straßenverkehrsordnung, das jeder von uns, Anwesende ausgenom­men, hin und wieder übertritt – da bekommt man dann eine Strafe und weiß, dass man etwas Unrechtes getan hat, aber es ist nicht weltbewegend. Das Gewaltverbot in der Satzung der Vereinten Nationen jedoch ist die Grundlage des internationalen Rechts überhaupt, wenn ich das richtig verstanden habe. Und es gibt nur ganz wenige Ausnahmen von diesem Gewaltver­bot – meine Vorredner haben das schon skizziert –, insbesondere das Recht auf Selbstverteidi­gung oder eine Intervention, auch eine militärische Intervention, bei Vorliegen von Völkermord oder ähnlichen gröbsten Verletzungen der Menschenrechte.

Damals, 1991, im anderen Golfkrieg war die Situation klar, da hat der Irak einen Angriffskrieg auf Kuwait unternommen. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat die Verteidigung Kuwaits legitimiert. Das war eine völlig andere Situation.

Man kann jetzt nicht mit Völkermord oder ähnlichen Verletzungen der Menschenrechte argu­mentieren. Damals, als Saddam Hussein, sicher einer der schlimmsten Despoten, die wir kennen, gegen seine eigene Bevölkerung, gegen die Kurden, Giftgas eingesetzt hat, damals hätte man darüber debattieren können und müssen, ob das ein Grund für eine Militärinter­vention im Irak ist. Aber eine derart akute Bedrohung liegt ja derzeit nicht vor. Ganz im Gegen­teil, die kurdische Bevölkerung mit ihrer weitgehenden De-facto-Autonomie im Nordirak ist selten so gut gefahren wie in den letzten zehn Jahren, verglichen mit anderen Perioden in ihrer ziemlich traurigen und tragischen Geschichte.

Es fällt mir nicht leicht, über dieses Thema zu sprechen, vor allem aus folgendem Grund: Wir kritisieren hier das Verhalten der Regierung Bush, und es ist nur allzu leicht, dabei in ein Fahr­wasser zu geraten, wo dann eine antiamerikanische Haltung hineininterpretiert wird. Deswegen möchte ich Folgendes besonders betonen: Kritik an der Administration Bush ist nicht Kritik an den USA schlechthin – gerade aus europäischer Sicht, denn wir wissen, wie viel wir den Ver­einigten Staaten in den vergangenen 50 Jahren zu verdanken hatten. (Allgemeiner Beifall.)


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Es scheint mir nicht so sehr eine Ironie, sondern die besondere Tragik der jetzigen Situation zu sein, dass die USA damals, rund um das Ende des Zweiten Weltkrieges, als sie maßgeblich daran beteiligt waren, die Vereinten Nationen aufzubauen, in der gleichen Situation waren wie jetzt: die unbestrittenen Poleposition-Inhaber, wenn Sie so wollen, in der Welt, militärisch, öko­nomisch, in jeder Hinsicht die Weltmacht Nummer eins. Das war, noch bevor auch in der Sowjetunion die Atombombe in die Praxis umgesetzt wurde. Und damals haben sich die USA bemüht, multilateral vorzugehen, die Interessen der anderen zu berücksichtigen, auch langfris­tig zu denken im Interesse der Vereinigten Staaten selbst.

Ganz zu schweigen vom Marshall-Plan, der speziell Westeuropa begünstigt hat, bis hin zur mehrfach und glaubhaft vertretenen Bereitschaft zur Verteidigung Westberlins – eine Fülle von Dingen, die die Westeuropäer gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika verpflichtet haben und immer noch verpflichten. Aber selbst wenn man zugesteht, dass eine derartige Dankesschuld, wenn Sie so wollen, eine gewisse Verzinsung verträgt, muss man sagen, dass man Zweifel hat, starke Zweifel, ob die jetzige Administration Bush Interesse hat, ja Wert darauf legt, diese Fundamente der besonderen Beziehungen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten weiter zu festigen. Nach unserem Eindruck werden diese leichtfertig oder systematisch, das ist von Fall zu Fall schwer zu beurteilen, aufs Spiel gesetzt – aber nicht von den Europäern.

Der Irak-Krieg, meine Damen und Herren, ist ja nur der vorläufige Höhepunkt, der vorläufige Schlusspunkt einer längeren Kette von Entscheidungen der Administration Bush, die zumindest in Westeuropa und, wie ich glaube, auch in Österreich zu erheblicher Irritation, Frustration und zu einer Brüskierung der Staaten der Europäischen Union geführt haben.

Die Nicht-Ratifizierung des Kyoto-Protokolls beispielsweise durch jenen Staat, der die größten Treibhausgas-Emissionen der Welt aufzuweisen hat, war eine Brüskierung auch der Europäi­schen Union – durchgeführt durch die Administration Bush. Weiters die Nicht-Ratifizierung, ja geradezu Blockade, Sabotage der Installierung des Internationalen Strafgerichtshofes – das war Politik der Administration Bush. Ich glaube nicht, dass es im langfristigen Interesse der Ver­einigten Staaten ist, das zu tun, aber aus kurzfristiger Sicht haben sie so gehandelt. Es geht dabei um eine Sabotage des Internationalen Strafgerichtshofes, der es zumindest auf lange Sicht vorstellbar macht, einen Despoten, einen korrupten, verbrecherischen Machthaber wie Saddam Hussein irgendwann auch einer Strafe zuzuführen, und zwar auf eine legitime Art und Weise, mit Hilfe internationaler Regeln, wenn es sein muss, vielleicht auch mit militärischer Gewalt, um das auch in aller Deutlichkeit auszusprechen, aber nach Regeln, nach international vereinbarten Verfahren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die USA haben gerade das nicht nur nicht begrüßt, sondern auf jede Art und Weise zu verhin­dern versucht. – Jetzt verfalle ich schon selbst in den Jargon: die USA. Es war die Regierung Bush, die das getan hat.

Der dritte Punkt nach dem Kyoto-Protokoll und dem Internationalen Strafgerichtshof ist nicht so sehr der Irak-Krieg als akuter Anlass, sondern die Tatsache, dass der Irak-Krieg auf dem Hinter­grund einer Doktrin erfolgt, einer – nennen wir sie so – „Bush-Doktrin“ vom September letzten Jahres, in der die USA – jetzt ist dieser Ausdruck richtig – für sich in Anspruch nehmen, jeder­zeit einseitig, auch mit militärischen Mitteln, ihre selbst definierten Interessen in der Welt nicht nur zu fördern, sondern auch umzusetzen und durchzusetzen, wenn es sein muss, ohne Einhal­tung der internationalen Regeln, ohne Befassung der UNO, ohne Mandatierung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.

Da muss man sich oder darf man sich als einfacher Bürger schon die simple Frage stellen: Was ist, wenn das alle machen, wenn das nicht nur die USA für sich in Anspruch nehmen, sondern alle anderen auch? – Wenn man das ernst nimmt, so ist das die Rückkehr zum Faust­recht. Das ist nicht die Entwicklung und Beförderung des Völkerrechts, die wir uns wünschen. Ein eigent­lich wohlmeinender Beobachter wie die liberale „Süddeutsche Zeitung“ sagt in einem Kommen­tar: Selbst wenn wir den USA das Beste unterstellen, ist diese Art der Vorgehensweise nichts anderes als eine jakobinische Wohlfahrtsdiktatur-Erinnerung an die spätere Phase der Franzö­si­schen Revolution.


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Meine Damen und Herren! Das können wir nicht gutheißen, es kann insbesondere nicht im Interesse eines kleinen Staates wie Österreich liegen, dem zuzustimmen. Wir brauchen Regeln, an die sich alle halten. Ich frage mich schon, Frau Außenministerin, Herr Bundeskanzler, weil Sie heute auch diesen Ausdruck verwendet haben: Was heißt in diesem Zusammenhang: Österreich ist in der Mitte? – Österreich ist sicher nicht in der Mitte zwischen Ratifizierung und Nicht-Ratifizierung des Kyoto-Protokolls, nehme ich an. Österreich ist nicht in der Mitte, hoffe ich, zwischen Ratifizierung und Nicht-Ratifizierung des Internationalen Strafgerichtshofs. Und Österreich kann nicht in der Mitte sein zwischen der Beachtung der Regeln des internationalen Völkerrechtes und ihrer Nicht-Beachtung! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Insofern hat mich dann wieder die Resolution, die Beschlussfassung des österreichischen Nationalen Sicherheitsrats vom Montag dieser Woche beruhigt. Ich halte diesen Beschluss des österreichischen Nationalen Sicherheitsrats für eine sehr gute Arbeitsgrundlage für die künftige österreichische Außen- und Sicherheitspolitik, damit lässt sich arbeiten. Ich möchte nur, bevor das verloren geht, ausdrücklich darauf hinweisen, dass in dieser Resolution vom Montag, die von allen Vertretern aller vier Parteien einstimmig beschlossen wurde, auch ausdrücklich da­von die Rede ist, die türkische Regierung in aller Deutlichkeit daran zu erinnern, dass sie einen Einmarsch auf das irakische Staatsgebiet unterlassen möge – in ihrem eigenen Interesse, würde ich hinzufügen, falls der türkischen Regierung an einem Beitritt zur Europäischen Union noch gelegen sein sollte.

Das Zweite: Im Beschluss des Nationalen Sicherheitsrats heißt es gegen Schluss: „Hinsichtlich der auf nationaler Ebene“ – also österreichischer Ebene – „zu treffenden Maßnahmen empfiehlt der Rat der Bundesregierung“ unter anderem, „irakischen Flüchtlingen, die im Gefolge der Kampfhandlungen nach Österreich kommen, ,vorübergehenden Schutz im Sinne der Richtlinie der Europäischen Union zu gewähren ...“, und so weiter.

Also: „irakischen Flüchtlingen, die im Gefolge der Kampfhandlungen nach Österreich kom­men“. – Vorläufig werden es nicht viele sein, denn wie sollen sie denn kommen? Derzeit ist es so, aber es könnte sein, dass es noch zu einem größeren Flüchtlingsstrom kommt.

Ich muss schon sagen, Herr Innenminister Strasser, ich verstehe das nicht: Am 20. März schreiben verschiedene Flüchtlingsorganisationen, darunter der Evangelische Flüchtlingsdienst und „SOS-Mitmensch“, an Sie einen Brief, in dem Sie gebeten werden, dass sich Österreich nach § 9 des Asylgesetzes dazu bereit erklärt, Flüchtlingen unbürokratisch Asyl zu gewähren – vorübergehend, nehme ich an, ist gemeint, nach dem Muster der seinerzeitigen Aufnahme von bosnischen Flüchtlingen –, mit der Notwendigkeit, ihnen Unterkunft, medizinische, psycholo­gische und vor allem auch altersgerechte Betreuung zukommen zu lassen. Am selben Tag gibt es eine APA-Aussendung dahin gehend, dass Innenminister Strasser die Asylverfahren von Irakern aussetzt – viel mehr ist dieser Meldung nicht zu entnehmen.

Ich hoffe doch, dass es in diesem Hause nicht nur einen Vier-Parteien-Konsens gibt, was das Papier des Nationalen Sicherheitsrats angeht, sondern auch, was die konkrete Flüchtlingspolitik in Österreich betrifft, falls es, was wir noch nicht wissen, aber befürchten müssen, im Rahmen des Krieges zu größeren Flüchtlingsströmen kommen sollte. Dann muss sich Österreich doch seiner humanitären Aufgaben, ich würde sagen: Pflichten bewusst sein und entsprechend han­deln und darf sich nicht hinter irgendwelchen Paragraphen zurückziehen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.49


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Klubobmann Herbert Scheibner. 15 Minu­ten. – Bitte.

11.49


Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Ich möchte in dieser sehr ernsten Situation, aber auch ernsten Debatte mit etwas Positivem beginnen, näm­lich dem Konsens – das sollte man herausstreichen –, den wir alle in Österreich, vor allem auch alle politischen Gruppierungen, in der Beurteilung dieser Frage haben. Wir alle wissen, dass


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dieser Konsens in der Sicherheitspolitik und in der Außenpolitik nicht selbstverständlich ist und dass wir selbstverständlich auch über Begriffe, über Mechanismen, über Maßnahmen hätten streiten können. Wir haben es nicht getan. Wir alle haben im Nationalen Sicherheitsrat den Konsens hergestellt, und wir werden ihn heute hier mit einem gemeinsamen Entschließungsan­trag zum Ausdruck bringen.

Ich glaube, bei all den wenigen Möglichkeiten, die ein kleines Land wie Österreich hat, in so einer Krisensituation Signale zu setzen, ist dieser nationale Konsens, das Sprechen mit einer Sprache, auch nach außen, einer der wenigen, aber wichtigen Mechanismen, die wir hier ein­setzen können. Schade, dass nicht andere Länder diesem Beispiel gefolgt sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

Es ist gut und wichtig, diesen Konsens zu haben, einen Konsens gegen den Krieg, einen Kon­sens für den Frieden, aber auch einen Konsens für die Einhaltung und Durchsetzung von Men­schenrechten. Wir alle wissen – das haben Redner auch schon gesagt –, dass man militärische Mittel zur Durchsetzung von Menschenrechten, zur Durchsetzung auch internationalen Rechts nicht von vornherein ausschließen kann. Aber sie müssen das allerletzte Mittel sein, wenn alle anderen Möglichkeiten, alle anderen Mittel der Diplomatie, der Politik, wirtschaftliche Möglich­keiten nicht mehr fruchten und nicht ausgereicht haben. In diesem Fall, im Fall Irak, sind wir wohl alle hier der Meinung, zumindest aus unserem Wissensstand heraus, dass diese Mittel noch nicht ausgeschöpft worden sind.

Dass es notwendig ist, Regime wie jenes von Saddam Hussein in die Schranken zu weisen, das ist wohl auch allgemeiner Konsens. Wir wissen, dass es dort Menschenrechtsverletzungen gegeben hat, Tausende Menschen allein durch Giftgas umgebracht worden sind, Angriffskriege gegen Nachbarländer geführt worden sind und dass man im Irak zumindest daran gearbeitet hat, vorhandene Massenvernichtungswaffen so weiterzuentwickeln, dass sie in Zukunft eine Gefahr für den Weltfrieden darstellen könnten.

Die Frage ist nur: Wo ist der internationale Druck in den letzten zehn Jahren geblieben? Warum hat man damals, auch völkerrechtlich legitimiert, als es im Kuwait-Krieg den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten gelungen ist, das Regime Saddam Hussein in die Schranken zu weisen, nicht wirklich bis zum Schluss diese Maßnahmen durchgesetzt und dieses Regime sprichwört­lich in die Wüste geschickt?

Ist es nicht auch ein Paradoxon dieser Situation, dass zwar die militärische Kapazität der Ver­einigten Staaten die Waffeninspektoren wieder in die Lage versetzt hat, ihre Untersuchungen weiterzuführen, aber gleichzeitig dieses Militärpotential und vor allem die Kosten für dieses Militärpotential es verhindert haben, dass die Waffeninspektoren auch ausreichend Zeit für ihre Arbeit bekamen? Ist es nicht auch ein Paradoxon, dass man jetzt über 70 Milliarden $ für diese Militäraktion aufwendet und höchstens ein Zehntel davon für den Wiederaufbau, für die Zukunft dieses Landes reserviert?

Wir haben in Österreich, wie schon gesagt, wenig Möglichkeiten, aber wir haben das Recht und auch die Pflicht, unsere Meinung zu sagen. Man könnte jetzt auch viel über das Völkerrecht diskutieren. Auch darüber gab es eine Debatte: Ist diese Militäraktion völkerrechtswidrig: ja oder nein? Wir alle, die wir uns mit dem Völkerrecht beschäftigen, wissen, dass es so gestaltet ist, dass, wenn man das will, so ziemlich alles erklärt werden kann. Für uns ist wohl eher die Frage zu stellen: Ist es richtig oder falsch, diese Militäraktion durchzuführen? Aus meiner Sicht ist es falsch, und das auszudrücken ist auch wichtig für uns.

Wenn es diesen Interpretationsspielraum im Völkerrecht gibt, dann muss man trotzdem ver­suchen, für diese Interpretationen Grenzen einzuziehen. Eine dieser Grenzen, die Klarheit schaffen würde, wäre ein Mandat des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Das ist aber nicht gegeben. Aber auch dieses Mandat kann nicht die einzige Rechtfertigung sein. Auch eine Aktion mit einem Mandat kann falsch sein. Es kann auch eine Aktion ohne Mandat richtig sein, wie es etwa am Balkan der Fall gewesen ist, weil es dort aus politischen Gründen nicht möglich gewesen ist, ein derartiges Mandat zustande zu bringen. Das zeigt auch ein bisschen den


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Reformbedarf in den Vereinten Nationen. Aber trotzdem muss man, soweit es geht, auf diese Sanktionierung durch den UNO-Sicherheitsrat Wert legen, weil es sonst keinen Parameter für derartige Militäraktionen gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP und der SPÖ.)

Wenn wir schon über die Begründungen von derartigen Aktionen diskutieren, dann, glaube ich, sollten wir auch alle zur Kenntnis nehmen, dass es nicht die Verletzung von Menschenrechten ist, die ein derartiges Droh- und dann auch Einsatzpotential ins Laufen bringt, sondern dass es leider – man kann das oder sollte das auch kritisieren und bedauern, aber es ist so, das ist die Realität – wohl in der Regel Wirtschaftsinteressen oder politische Interessen sind.

Dann ist es auch nicht verwunderlich, warum man nicht ein gleiches Maß gegenüber allen Nationen und Staaten und Regimen anlegt, die Menschenrechte verletzen, die den Weltfrieden gefährden, die sich nicht an UNO-Resolutionen halten. Das führt dann zur mangelnden Glaub­würdigkeit auch von jetzt diskutierten Aktionen, wenn man auf der einen Seite mit einer großen Armada die Einhaltung von UNO-Resolutionen unterstützt, auf der anderen Seite aber wie etwa bei Nordkorea, wo nicht der Verdacht besteht, dass es in diesem Land Massenvernichtungs­waffen gibt, die den Weltfrieden gefährden, sondern wo wir uns dessen sicher sind, wo sich dieses Regime sogar damit brüstet, dass es jederzeit auch einen atomaren Schlag gegen die demokratische Welt und gegen andere Staaten richten kann, anders reagiert, nämlich mit Wirt­schaftslieferungen und mit Unterstützungen.

Das Problem der Glaubwürdigkeit besteht auch, wenn es darum geht, auch im Nahen Osten klare Konsequenzen anzudrohen oder durchzusetzen – es müssen ja nicht militärische sein –, wenn Länder dort UNO-Resolutionen missachten, wenn Menschenrechtsverletzungen gesche­hen, wenn das Recht auf Selbstbestimmung dort nicht eingehalten wird. Davon hört man wenig.

Ich hoffe nur, dass man für den Nahen Osten, wenn man schon militärische Aktionen durch­führt, auch ein Konzept für die Zukunft hat, für den Irak, aber auch für alle anderen Länder in dieser Umgebung, und dass die Idee für die Zukunft nicht die Durchsetzung des Kampfes gegen die so genannte Achse des Bösen darstellt, wo ein Land allein entscheidet, wer zu dieser Achse des Bösen gehört, und bei diesem Gut/Böse-Schema vergisst, dass vielleicht auch unter den eigenen Verbündeten, gerade auch in dieser Region, Länder mit dabei sind, die die Men­schenrechte wesentlich stärker missachten und missbrauchen als Länder, die zu dieser Achse des Bösen gehören. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP und der SPÖ.) Auch hier, glaube ich, sollten wir Konzepte für die Zukunft verlangen.

Wenn wir über die sicherheitspolitischen Konsequenzen diskutieren, dann ist auch notwendig festzustellen, dass wir nicht zurückkehren können zu einer isolierten Betrachtung von Sicher­heitspolitik, sondern ganz im Gegenteil, dass wir alles in unserer Kraft und Macht Stehende tun müssen, um ein Signal für eine kooperative Sicherheitspolitik zu setzen, damit es wirklich aus­geschlossen ist, dass ein Land alleine, wie stark es auch sein mag, darüber entscheidet, ob, wann und wie mit militärischen Mitteln eigene politische Interessen durchgesetzt werden. Das ist keine Frage eines Antiamerikanismus, dagegen würde ich mich wirklich zur Wehr setzen, und das muss man auch all jenen sagen, die versuchen, diese Gefühle in Europa oder vielleicht auch in Österreich zu wecken. Aber es muss eine klare Konsequenz aus dieser Situation für die Zukunft geben, in einer Kooperation auch mit den Vereinigten Staaten.

Wir müssen auch Ländern wie etwa der Türkei klar sagen, dass es nicht zulässig sein kann, zuerst zu spielen mit Überflugsrechten und mit der Möglichkeit, vom eigenen Territorium aus Aktionen zu setzen, was anscheinend als Druckmittel eingesetzt wurde, um dann eigene Interessen etwa im Nordirak durchzusetzen. Auch das ist kein Verhalten, das wir von einem demokratischen Land, das auch Mitglied in der europäischen Staatengemeinschaft werden will, erwarten, sondern ganz das Gegenteil von dem. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Es wird hier großen Diskussions- und Reformbedarf geben. Es wird notwendig sein, über die Strukturen der UNO zu diskutieren, wenn wir wollen, dass sie wieder handlungsfähig wird, und


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zwar nicht nur im Krisenmanagement und im Wiederaufbau, sondern auch dann, wenn es darum geht, die Sanktionierung für Militärmaßnahmen durchzusetzen.

Es wird notwendig sein, auch über die Konfliktprävention stärker zu reden. Es ist zu spät, dann darüber zu diskutieren, wenn bereits der Krieg ausgebrochen ist! Wir wissen, dass es eine ganze Reihe von Ländern etwa in Afrika, aber auch in Asien gibt, in denen es diktatorische Regime gibt, in denen es, wenn Rohstoffe vorhanden sind, auch die notwendigen Geldmittel für die Aufrüstung dieser Regime gibt. Da reicht es nicht, wenn man sich etwas darüber mokiert, dass es wie in Asien Regime gibt, wo sich der Diktator in Gold gießen lässt und sich mit einem Kult umgibt, sondern hier muss man rechtzeitig politische Maßnahmen setzen, um eine Aufrüs­tung dieser Regime und eine Gefährdung für den Weltfrieden zu verhindern.

Wir werden auch in der Europäischen Union darüber diskutieren müssen: Wie sieht es denn wirklich aus mit den schönen Zielen der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die wir uns alle so wünschen, wo wir aber sehen, dass dieser gemeinsame Wille, auch ge­meinsa­me Sicherheitspolitik zu betreiben, anscheinend leider auf das Gebiet Europas be­schränkt ist?

Wir haben in Mazedonien einen Erfolg gefeiert, wo einige hundert EU-Soldaten Krisenmanage­ment betreiben werden. Auch das ist aber nur dann möglich, wenn man auf größere Institutio­nen wie die Nato zurückgreifen kann. Aber dann, wenn es wirklich darum geht, Weltpolitik zu machen, zu zeigen, dass Europa auch ein Faktor in der Weltpolitik ist, scheitert dieses Europa kläg­lich, dann gibt es in den europäischen Ländern keinen Konsens, dann gibt es in der Europäi­schen Union keinen Konsens. Doch solange es nicht den politischen Willen dazu gibt, so lange brauchen wir über alle anderen Schritte in der europäischen Sicherheits- und Verteidi­gungs­politik gar nicht zu diskutieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das werden die Fragen der Zukunft sein, wann wir uns wirklich endgültig von der Nachkriegs­ordnung in Europa und auf der Welt verabschieden und ob wir auch wirklich bereit sind, die erforderlichen Kapazitäten einzubringen, sodass es eben nicht notwendig ist, immer auf die Strukturen der Vereinigten Staaten zurückzugreifen. Da sind wir auch in Österreich gefordert, dass auch wir in Zukunft unseren Beitrag in diesen europäischen Konnex politisch und, wenn es notwendig ist, auch militärisch einbringen.

Meine Damen und Herren! Wenn es darum geht, auch die österreichischen Maßnahmen zu be­urteilen, dann möchte ich hier hervorstreichen, dass die österreichische Bundesregierung ruhig, gelassen, aber effizient auf diesen Konflikt reagiert und auch entsprechende Sicherheitsmaß­nahmen in Österreich gesetzt hat. Es ist das ein Akt der Souveränität, ein Akt, den wir den Sicherheitsinteressen unserer Bevölkerung schuldig sind.

Wir werden unsere außenpolitischen Kapazitäten, gerade auch in diesem Krisenraum des Nahen Ostens, unseren guten Namen, den wir dort haben, die guten Kontakte, die wir dort haben, nützen und vielleicht noch stärker nützen müssen als in der Vergangenheit, um hier ein klares, objektives Bild herzustellen, und dürfen in Zukunft eben nicht darauf Rücksicht nehmen, dass irgendwelche Großmächte, egal, wer das ist, darüber entscheiden, wer gut und wer böse ist. Hier hat Österreich eine Nische in der Außenpolitik, eine Chance, eben weil wir diese Kontak­te haben, weil wir einen guten Namen haben, ein kleines Mosaiksteinchen für die Bewälti­gung dieses Krisenherdes miteinzubringen.

Ich glaube, dass dieser Konsens, den wir heute angesichts des Krieges im Irak hier haben, ein Beispiel sein kann und hoffentlich auch für die Zukunft ist, dass wir dieses Krisenmanagement, diese Außenpolitik und auch die Nischen in der Außenpolitik für Österreich gemeinsam nutzen, um als Österreicher einen kleinen Beitrag für den Weltfrieden leisten zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.04


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt der Herr Vizekanzler. Der Nationalrat hat beschlossen, die Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Vizekanzler.


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12.05


Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Vizekanzler Mag. Herbert Haupt: Danke, Herr Präsident! – Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Wie viele Österreicherinnen und Österreicher habe auch ich vorige Woche in der Früh die erschütternden Bilder vom offiziel­len Kriegsbeginn im Irak im Fernsehen verfolgt. Aber allein schon diese Meldungen waren falsch. Im Vorfeld hat es bereits tage- und wochenlang kriegerische Übergriffe über die Flug­zonen des Irak gegeben, um die Infrastruktur für diesen Krieg vorzubereiten. So wie viele andere Österreicherinnen und Österreicher, wie Millionen Menschen auf der ganzen Welt, wie wir es auch über die Bildschirme gerade in den letzten Tagen gesehen haben, lehne auch ich diesen Krieg, die Gewalt und das Leid, das dieser Krieg hervorruft, entschieden ab. Ich fühle mich hier mit all diesen Millionen auf der ganzen Welt, von Amerika über Großbritannien, über Spanien, über Italien bis Österreich, solidarisch und eins. Krieg ist kein Mittel der Politik und darf kein Mittel der Politik sein! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der ÖVP und der SPÖ.)

Für mich, liebe Österreicherinnen und Österreicher, steht es fest, dass dieser Krieg völkerrecht­lich problematisch ist. Volkstümlich würde man sagen, dass das Völkerrecht mit Füßen getreten wird, denn die Satzungen der Vereinten Nationen übertragen dem Sicherheitsrat die Hauptver­antwortung für die Wahrung des Friedens und der internationalen Sicherheit. Eine Gewaltan­wendung, wie sie derzeit stattfindet, ist nicht autorisiert! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ und des Abg. Mag. Molterer.)

Die Folgen des Krieges sind uns bewusst. Es gibt keinen sauberen Krieg. Gerade jetzt, während ich hier auf der Regierungsbank zu Ihnen spreche, hat mich eine APA-Meldung von Reuters erreicht, wonach heute Vormittag englische und amerikanische Bomben einen Markt in Bagdad zerstört haben. Laut BBC-Meldungen sind mindestens 15 Zivilisten dabei verbrannt, zahlreiche Autos stehen in Flammen. – Ein beredtes Beispiel dafür, dass es den sauberen Krieg nicht gibt und auch nicht geben wird.

Wir und vor allem die ältere Bevölkerung in unserem Lande wissen es: Frauen, Männer, Kinder, alte Menschen sind meistens die Hauptopfer von kriegerischen Auseinandersetzungen, und wenn sie diesen Krieg überleben, sind sie meistens ihrer oftmals geringen Existenzmöglich­keiten beraubt, die Infrastrukturen sind zerstört, und der Aufbau des Landes dauert meistens Jahre und Jahrzehnte.

Junge Soldaten und Soldatinnen, egal, für wen sie kämpfen, setzen ihr Leben aufs Spiel. Soziale, medizinische und wirtschaftlich mühsam aufgebaute Gefüge eines Landes werden über Nacht zerstört. Die Versprechungen der Amerikaner, die Infrastruktur zu verschonen, sind in der letzten Nacht mit den Bildern von Basra und anderen Orten klassisch widerlegt worden.

Dass die Umwelt auf Jahre und Jahrzehnte belastet wird, kennen wir schon aus den vorange­gangenen kriegerischen Auseinandersetzungen. Die Bilder von brennenden Ölquellen und von mit Öl gefüllten Abwehrgräben erreichen uns über die Bildschirme.

Folgen gibt es aber auch für die Länder innerhalb und außerhalb der Europäischen Union. Zivili­sierte Länder in Europa, die sich dem gemeinsamen Friedensprojekt Europa verschrieben haben, sind nunmehr in Falken und Tauben aufgeteilt. Es ist erschütternd für mich, dass man gerade in einer Zeit, in der die von UNO-Waffeninspektoren eingeleitete Abrüstung so weit wie noch nie gediehen ist, in der diplomatische Bemühungen und die UNO-Waffeninspektoren einen friedlichen Boden für die Zukunft bereitet haben, zur Waffe greift. Erschütternd ist, dass Länder wie die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Spanien – nein, nicht die Länder, son­dern ihre derzeitigen Regierungen – einen Krieg ohne die Zustimmung der eigenen Bevölke­rung und ohne die Zustimmung des Sicherheitsrates führen.

Auf Europas Straßen demonstrieren Hunderttausende von Menschen für den Frieden und gegen den Krieg. Warum, so frage ich mich, wird der Ruf der eigenen Bevölkerung in diesen Ländern so auffallend überhört? Warum schweigen so viele, wenn die Haager und die Genfer


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Konvention im wahrsten Sinne des Wortes – über die Bildschirme zu sehen – auf beiden Seiten mit Füßen getreten werden? Warum schweigen so viele, wenn sichtbar die individuellen Men­schenrechte klassisch missachtet werden und all das, worauf wir in Europa und in den zivili­sierten Ländern in den letzten Jahren als politische Errungenschaften so stolz waren, von einer Minute auf die andere obsolet geworden ist?

Die Wahrheit stirbt als Erstes. Die genehme Wahrheit wird von den Medien kolportiert. Es sollte jedoch gerade die Aufgabe eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks in einem neutralen Land sein, objektiv – und nicht tendenziell zu berichten. (Beifall bei den Freiheitlichen.) In diesem Zu­sammenhang sieht man auch, dass Meinungsfreiheit oftmals und leichtfertig als nicht umfas­send verstanden wird.

Es handelt sich dabei nicht nur um einen Krieg gegen die irakische Staatsführung – wie uns bei­spielsweise der Untertitel von NBC „Krieg gegen Saddam“ aufoktroyieren will –, sondern es ist dies vor allem ein Krieg gegen die Menschen, ein Krieg, in dem die Menschen leiden, und es ist absolut falsch, 24 Stunden lang zu trommeln, wie das eben manche Medien tun, dass dies ein „sauberer Krieg“ wäre. – Das ist dieser genauso wenig wie alle anderen zuvor! (Beifall bei den Freiheitlichen und den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP und der SPÖ.)

Von diesem Krieg geht aber auch eine Gefahr für alle Kontinente aus: Nicht nur die Börsen reagieren mittlerweile empfindlich auf jeden „Fortschritt“ oder „Nicht-Fortschritt“ in dieser kriege­rischen Auseinandersetzung, sondern auch die Wirtschaftsprognosen schwanken von Tag zu Tag. Die wirtschaftlichen Folgen für die gesamte Weltwirtschaft sind noch gar nicht abzuschät­zen! Wir werden in einigen Tagen die neuen Wirtschaftsprognosen bekommen – und wir, die wir uns im Vorfeld damit beschäftigt haben, wissen, dass sie noch erschütternder als die vorher­gehenden sein werden.

Was die Zustimmung einiger osteuropäischer Länder zu diesem Krieg betrifft, ist meiner Ansicht nach auch das wirklich ambitionierte Friedensprojekt in der Europäischen Union anzusprechen. Kollege Scheibner hat hier auch die Türkei expressis verbis angeführt. Aber ich frage mich auch – angesichts manch anderer Länder, die zunächst bedingungslos diese kriegerische Auseinandersetzung unterstützt haben und wo jetzt einzelne Staatspräsidenten, so etwa Václav Klaus, die Positionen für ihre Völker deutlich zum Ausdruck gebracht haben –, ob wir in Europa aus dem Balkan-Krieg und den dortigen Auseinandersetzungen bei der Demokratisierung Alt-Jugoslawiens noch immer nichts gelernt haben.

Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich meine, dass wir uns in den nächsten Tagen auch über die wirtschaftliche Zukunft Österreichs – eben unter diesen geänderten Rah­menbedingungen der Weltwirtschaft als Folge dieses Krieges – ausführlich und genau unterhal­ten müssen. Das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft ist durch diesen Krieg schwer in Mit­leidenschaft gezogen! Daher meine ich, dass es notwendig sein wird, wirtschaftliche Maßnah­men in unserem Lande in Gang zu setzen, um die Nachfrage innerhalb Österreichs, aber auch die internationale Nachfrage nach österreichischen Wirtschaftsprodukten deutlich zu verbes­sern, etwas, was uns derzeit – Gott sei Dank, noch! – gelingt.

In den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates wird festgehalten, dass die Erfüllung humanitärer Bedürfnisse und Erfordernisse, die dieser Konflikt mit sich bringen wird, dringend angegangen werden muss. Ich bin der Ansicht, dass Österreich da einen aktiven Beitrag, gerade eben als neutraler Staat, leisten kann und muss, und ich habe daher mit den Beamten meines Hauses eine Reihe von Überlegungen angestellt, welche Maßnahmen wir diesbezüglich unterstützen beziehungsweise durchführen können.

An erster Stelle werden wohl die Versorgung von Kranken und Verletzten sowie der Aufbau medizinischer Versorgungseinrichtungen vor Ort stehen. Dabei sollte man den Gesichtspunkt der Erstvorsorgung voranstellen. Ich meine daher, dass die Bemühungen des Internationalen Roten Kreuzes und des UNHCR mit allem Nachdruck von Österreich aus zu unterstützen sind, um diese Bemühungen möglichst frühzeitig, möglichst vor Ort und möglichst umfassend zu einem Erfolg werden zu lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Die Bilder von heute Früh, wonach anstatt von Wasser lediglich leere Wasserkanister ausgeteilt wurden, waren nicht gerade beruhigend. Ich meine daher, dass im Zusammenhang mit der zer­störten Infrastruktur des Irak gerade das Know-how des Österreichischen Roten Kreuzes, was eben Wasseraufbereitungsanlagen vor Ort betrifft, um die Bevölkerung mit diesem wichtigen Lebensmittel versorgen und um auch wieder eine funktionierende Infrastruktur herstellen zu können, von Österreich aus möglichst schnell und möglichst umfassend zur Verfügung gestellt werden sollte.

Was die Zeit nach dieser kriegerischen Auseinandersetzung anlangt, so ist es meiner Ansicht nach wichtig, dass die Vereinten Nationen wieder in die Lage versetzt werden, als Einzige über Krieg und Frieden sowie über militärische Interventionen zu entscheiden – und dass in Zukunft nicht einzelne Länder dieses Recht für sich arrogieren können. (Beifall bei den Freiheitlichen, bei Abgeordneten der ÖVP, der SPÖ und der Grünen.)


Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Redezeit, Herr Vizekanzler!


Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Vizekanzler Mag. Herbert Haupt (fortsetzend): Wir haben bereits einen ersten Schritt in diese Richtung gesetzt, und ich bin mir dessen sicher, dass die gemeinsamen Bemühungen Österreichs, Belgiens, Deutschlands, Frankreichs, Finnlands, Schwedens, Norwegens, der Schweiz und vieler anderer schlussend­lich auf politischer und diplomatischer Ebene erfolgreich sein werden, sodass die Grundkonzep­tion für die Vereinten Nationen auch in Zukunft gültig ist, dass eben das Wohl aller Staaten nur miteinander und nicht gegeneinander und schon gar nicht auf Rechnung einiger weniger in der Staatengemeinschaft funktionieren kann. Das ist wichtiger denn je.


Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte die Redezeit zu beachten!


Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Vizekanzler Mag. Herbert Haupt (fortsetzend): Ich bin stolz darauf, dass wir hier in Österreich im Nationalen Sicherheitsrat einen Konsens gefunden haben. Damit stehen wir einmalig in Europa da, und ich hoffe, dass dieser Konsens in dieser schwierigen Situation auch die Beratungen des Hohen Hauses in den nächsten Tagen und Wochen prägen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

12.16


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen jetzt zu einer Runde von vier Diskussionsbeiträgen zu je 8 Minuten.

Zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Dr. Cap. – Bitte.

12.17


Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Vizekanzler, Respekt für diese Rede! Ich teile Ihre Auffassung: Es gibt keinen „sauberen Krieg“, und das haben uns ja die neuesten Nachrichten von einem Bombardement eines Marktplatzes in Bagdad bestätigt.

Ich denke auch, dass man unsere Sprache, die Sprache der Medien, die Sprache der Politik, immer wieder überprüfen muss: beispielsweise an dem so oft zitierten Beispiel so genannter Kollateralschäden. Man muss nämlich genau wissen, worum es hiebei wirklich geht, denn ein Krieg ist nicht als statistische Größe, nicht als Faktor der wirtschaftlichen Entwicklung, nicht als bloßes Planspiel auf Landkarten zu verstehen, sondern da geht es um Einzelschicksale – und das bekommen wir ja auch von den Medien vermittelt, wenn beispielsweise Dörfer zerstört werden, wenn es Hunderttausende Flüchtlinge gibt, wenn die Menschen bei 40 Grad Celsius kein Wasser zur Verfügung haben, keine Nahrungsmittel, wenn Kinder zu Tode kommen, wenn Spitäler überfüllt und benötigte Medikamente nicht vorhanden sind, wenn es einfach vielfältigs­tes Leid gibt.

Das alles muss man sehen, und das muss man auch berücksichtigen, wenn oft leichtfertig da und dort in der Politik durchtönt: Na ja, der Krieg ist halt „die Fortsetzung politischer Mittel“. – Das darf er einfach nicht sein!


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Wir waren so stolz, dass wir eine Zivilisationsstufe erreicht haben, unter anderem mit der Ein­richtung der UNO, um eben Konflikte möglichst vor Ort regeln zu können, um eine Legitimation für allfällige Eingriffe – eben dort, wo es nicht mehr anders geht – herzustellen. Aber diesmal war es anders als sonst, denn dieser Konflikt hat sich nicht abgespielt zwischen den „üblichen“ Veto-Einbringern bei einem solchen Konflikt, sondern in diesem Fall waren die USA, Groß­britannien und einige andere Länder auf der einen Seite, und auf der anderen Seite standen Frankreich und Deutschland als zwei Länder mit einer großen demokratischen Tradition; selbst­verständlich haben auch die Vereinigten Staaten eine große demokratische Tradition.

Es ist so bitter, dass im Zuge dieser Entwicklung oft auch nicht gesehen wird, welche Konse­quenzen und Folgen so ein Krieg hat: nicht nur für die betroffenen Hunderttausenden Flücht­linge, die jetzt im Nordirak, im Südirak und in vergleichbaren Fällen auch in anderen Ländern bei solchen Auseinandersetzungen die schreckliche Folge sind, sondern auch für die Schick­sale derer, die dort als Berufssoldaten hingeschickt werden, dort jetzt sterben, verletzt oder verkrüppelt werden, wie wir das ja seinerzeit auch beim Vietnamkrieg gesehen haben und wie das in dieser drastischen Schärfe auch immer wieder dargestellt wurde.

Es ist ja auch nicht die Konsequenz berücksichtigt worden, die so eine Auseinandersetzung nach sich ziehen kann, wenn es zu einer Radikalisierung zwischen dem Westen und dem Islam, zwischen dem Westen und der arabischen Welt – und auch innerhalb der arabischen Länder – kommt. Da wird auch das heile Bild so mancher Urlaubsländer zerstört, das man eben gewohnt ist, wenn man im Fernsehen einmal nicht politische Nachrichten sieht, sondern sich anschaut, wo man denn so überall auf Urlaub hinfahren könnte.

Der Terror, den es zu bekämpfen gilt, ist aber so zu bekämpfen, wie es zivilisatorisch hoch stehenden Ländern und Demokratien mit geregelten Rechtsordnungen auch entspricht. Des­wegen gibt es das Völkerrecht, deswegen gibt es die UNO – als eine wichtige Basis.

Es gilt auch die Verbreitung von Waffen zu bekämpfen, und zwar sowohl atomarer als auch bio­logischer und chemischer Waffen. Doch da müssen sich so manche westliche Regierungen und westliche Unternehmungen an der Nase nehmen, die solche Länder und solche Diktaturen beliefert haben und dann plötzlich UNO-Inspektoren hinschicken müssen, um das, was sie vorher geliefert haben, dann dort zu suchen, zu finden und es eventuell dort zu zerstören.

Man muss doch einmal diese Doppelmoral und diese Logik sehen, die da dahinter steckt, eben­so wie den Zynismus, dass man neben den üblichen Berichten in den Medien auch lesen kann, dass es schon einen großen Streit über die Frage des Wiederaufbaus gibt: Wer wird dort am Wiederaufbau beteiligt? Wer kann dort das Geschäft machen, wenn man die zerstörten Häuser wieder aufbauen soll?

Das ist doch unfassbar, das ist unmenschlich in höchstem Maße! Das, bitte schön, wird aber auch von Mächten und von Kräften zum Ausdruck gebracht, die für sich in Anspruch nehmen, über Demokratie zu reden, über Menschenrechte zu reden, über Sauberkeit zu reden, über Moral zu reden! Durch diese Doppelbödigkeit wird meiner Meinung nach dieser Konflikt noch verschärft, und ich hoffe nicht, aber es sieht so aus und könnte durchaus sein, dass das auch zwischen den Zivilisationen, zwischen den Religionen, zwischen verschiedenen Ländern und innerhalb dieser Länder geschieht.

Ich bin froh, dass in dem Vier-Parteien-Beschluss des Nationalen Sicherheitsrates, der wirklich eine Präzisierung auch des Standpunktes für die österreichische Bundesregierung und für die österreichische Außenpolitik beinhaltet, klar formuliert ist, dass dieser Krieg völkerrechtswidrig ist, dass – so auch eine klare Forderung von Millionen Demonstranten und besorgten, ängst­lichen Menschen – dieser Krieg ein baldiges Ende finden soll, dass aber auch drinnen steht, dass künftig die Erdölförderung im Irak, sollte es soweit kommen, unter die Verwaltung der UNO zu stellen ist und die Erträge dem irakischen Volk übermittelt werden sollen – nicht, dass man nach Ende dieses Krieges darangeht, die Erdölfelder dort aufzuteilen, dass die verschiedenen Firmen dort aufmarschieren und sich dann das Erdöl einfach unter den Nagel reißen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Es gilt aber auch, so etwas wie anti-amerikanische Stimmungen zu bekämpfen. Diese Stim­mung ist falsch, denn in Washington, in New York, in San Francisco und in vielen anderen Städten demonstrieren Hunderttausende gegen diesen Krieg. Es ist auch ein Unterschied festzustellen im Umgang mit der UNO, im Umgang mit Konflikten, im Umgang mit Konflikther­den, mit der Europäischen Union, wenn man die Administration Bush mit der Administration des Bill Clinton vergleicht. Da ist ein Unterschied festzustellen, und daher ist es richtig, wenn man Kritik an der Administration übt und nicht sagt: die Amerikaner, die USA.

Es ist nach wie vor wichtig, dass es gute Beziehungen mit den Vereinigten Staaten gibt. Es ist aber auch wichtig, zu sehen, dass es diese Unterschiede gegeben hat. Bill Clinton hat sich be­müht, sich in Form vielfältigster Diplomatie, durch Reisen et cetera, im Nahostkrieg zu engagie­ren, um dort Frieden herbeizuführen. Bill Clinton ist auch mit Nordkorea viel effizienter und wirksamer umgegangen. Bill Clinton und seine Administration haben sich wirklich bemüht, die internationalen Spielregeln, das Völkerrecht auch wirklich zu respektieren. Das muss man feststellen, wenn man über diese Frage hier diskutiert, und es ist berechtigt, jetzt auch entspre­chende Kritik anzubringen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich möchte abschließend meine Hoffnung zum Ausdruck bringen, auch gegenüber denjenigen, die hier zusehen und zuhören, dass es zu keiner Verbreitung des Terrors kommt, dass dieser Krieg möglichst bald zu Ende ist, dass wir künftig wieder Konfliktregelungsmechanismen haben, die Kriege vermeiden, im Sicherheitsinteresse von uns allen, auch hier in Österreich. Wir sollen nicht glauben, dass wir auf einer Insel der Seligen leben. Auch wir sind Teil dieser internatio­nalen Gemeinschaft, und auch wir müssen durch eine offensive Außenpolitik unseren Beitrag dazu leisten, wieder Frieden zu ermöglichen und gegen diese Entwicklung aufzutreten, die sich im Moment abzeichnet. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP, der Freiheitlichen und der Grünen.)

12.25


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. Rede­zeit: 8 Minuten. – Bitte sehr.

12.25


Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Ge­schätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Ich möchte, bevor ich einen Vier-Parteien-Antrag einbringe, zunächst doch feststellen: Ich halte es schon für bemerkenswert, dass alle Fraktionen des Hohen Hauses einen gemeinsamen Antrag betreffend Krieg im Irak vorlegen, einen Antrag der so umfangreich ist, das ich den Herrn Präsidenten bitte, diesen Antrag verviel­fältigen zu lassen. Ich werde ihn aber in seinen Grundzügen erläutern.

Meine Damen und Herren! Wir haben uns hier schon mehrmals mit diesem Thema auseinander gesetzt, und viele Redner haben heute zu Recht auf den Krieg als etwas Besonderes, das heute durch Bilder in jedem Wohnzimmer präsent ist, hingewiesen. Und völlig zu Recht – da teile ich alle Auffassungen – ist es für uns in Österreich eigentlich keine Denkkategorie mehr. Ein Krieg im Sinne einer militärischen Auseinandersetzung, im Sinne von rollenden Panzern, im Sinne von Tod, Zerstörung, im Sinne einer permanenten Gefahr für Leib und Leben, ist etwas, das – Gott sei Dank! – für uns Österreicher eigentlich weit weg ist.

Viele Österreicher glauben fast, wenn sie diese Bilder sehen, dass diese aus einer anderen Welt kommen. Diese Bilder machen aber auch deutlich, dass wir eben in dieser Welt nicht so weit sind, einen Krieg kategorisch ausschließen zu können. Ich halte das für sehr bedenklich.

Wir Österreicher – und das darf ich bewusst auch stolz sagen: wir Österreicher im Sinne von Nationalrat, im Sinne von Bundesregierung, im Sinne des Nationalen Sicherheitsrates und der Meinung vieler Österreicherinnen und Österreicher – sind gegen diesen Krieg, sind immer ge­gen einen Krieg als Mittel der Auseinandersetzung gewesen, beteiligen uns in keiner Weise an militärischen Operationen und räumen auch keinerlei Überflugsrechte im Sinne von Unterstüt­zungsmaßnahmen ein. Das wollen wir nicht! (Beifall bei der ÖVP.) Das halte ich ein­mal als gemeinsame Linie fest. Und wir alle gemeinsam hoffen, dass es, so wie es viele Österreicher auch wollen, möglichst rasch zu einem Ende dieses Krieges kommt.


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Ein zweiter Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die Auswirkung, dass die UNO als Welt­bühne, der Sicherheitsrat als Instrument für die Konfliktbewältigung in diesem Fall bedauer­licherweise nicht genutzt wurden. Das ist ein sehr bedenkliches Signal. Wenn wir uns die Ge­schichte des Weltsicherheitsrates anschauen: Gerade in den letzten Jahren ist der Sicherheits­rat der Vereinten Nationen zu einem bedeutenden Instrument der Friedenswahrung geworden. Der Sicherheitsrat war die Bühne, auf der Konflikte bewältigt wurden – mit Resolutionen, mit entsprechenden Maßnahmen, ja sogar auch mit Gewalt im Sinne der Weltgemeinschaft, wenn es, wie etwa beim Irak-Krieg I, darum ging, das besetzte Kuwait zu befreien.

Dieser Weg wurde verlassen, und das ist bedenklich. Daher ist es auch unsere gemeinsame Forderung, dass die UNO wieder die volle Autorität zurückerhalten muss. Das wird nicht von heute auf morgen gehen, und da werden auch alle einen Beitrag leisten müssen, aber es muss unser gemeinsames Ziel sein, dass der Weltsicherheitsrat als Instrument und die UNO als Bühne für Konfliktbewältigung allein zuständig bleiben, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte als einen weiteren Eckpunkt auch erläutern, dass gar kein Zweifel daran aufkom­men darf, dass der Irak mit seinem Regime entwaffnet gehört. Allein die Vorstellung, dass Massenvernichtungswaffen in der Hand eines Diktators eine permanente Gefahr für den Welt­frieden, für die umliegenden Regionen darstellen, ist unerträglich. Darum darf auch niemand in irgendeiner Weise bezweifeln, dass es uns nicht Ernst damit wäre, dass der Irak entwaffnet werden muss, meine Damen und Herren. Das ist mit ein potentieller Aggressor für die gesamte Region des Nahen und Mittleren Ostens, und das darf in Zukunft nicht so bleiben. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

In diesem Zusammenhang fordern wir aber gemeinsam, dass diese Spannungen, die jetzt in den arabischen Ländern auch sichtbar werden, von uns mit einer Begegnungsstrategie ganz offensiv angegangen werden müssen. Wir müssen versuchen, dass wir in der Europäischen Union, besonders auch mit einer Initiative Österreichs, einen tragfähigen Dialog mit den arabi­schen Ländern aufbauen, damit nicht der Eindruck entsteht, es wäre tatsächlich ein Krieg ge­gen die arabischen Länder. Wir müssen versuchen, zu erreichen, dass die arabischen Länder gemeinsam mit der Europäischen Union an einer zukünftigen Lösung in diesen Regio­nen arbeiten.

Ich möchte auf einen Punkt eingehen, was die Europäische Union anlangt, wo nicht immer verstanden wurde, warum es hier mehrere Spieler gegeben hat, mehrere Standpunkte, die leider zu einem ganz unterschiedlichen Vorgehen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen geführt haben.

Es waren tatsächlich zwei verschiedene Extrempositionen, die eingenommen wurden: auf der einen Seite, wie uns allen bekannt, Großbritannien und Spanien, die auf der Seite der Vereinig­ten Staaten auch ein Ultimatum an den Weltsicherheitsrat gestellt haben, auf der anderen Seite aber Frankreich und Deutschland, die auch nicht unbedingt nur hilfreich in diesem Konflikt waren, denn wer vorweg ein Veto andeutet, der macht auch unmöglich, dass es auf der Bühne des Weltsicherheitsrats eine Einigung gibt, meine Damen und Herren.

Die dritte und zahlenmäßig größte Gruppe der Europäischen Union war auf einer ganz anderen Linie, und da gehört Österreich dazu, nämlich dass wir gemeinsam mit der griechischen Präsi­dentschaft versuchen, eine Vermittlungsposition, eine gemeinsame Position der Europäischen Union einzunehmen. Ich halte es für richtig, dass sich Österreich voll in dieser Gruppe en­gagiert hat, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Eine zukünftige Forderung muss daher sein, dass die Europäische Union mit einer Sprache spricht, eine Aktion gemeinsam vorantreibt.

Ich komme damit zu Österreich und möchte die Bemühungen der Bundesregierung besonders anerkennend hervorheben, denn der Herr Bundeskanzler hat gerade in den Europäischen Räten mit seiner Vermittlungsposition dazu beigetragen, dass die griechische Präsidentschaft


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zweimal zu einer gemeinsamen Position gekommen ist. Ich möchte das hier sehr anerkennend sagen und auch der Frau Außenministerin, die im Auftrag der griechischen Präsidentschaft auch Reisen in die arabischen Länder unternommen hat, namens der Volkspartei unsere Aner­kennung ausdrücken. Ich glaube, das war die richtige Politik in dieser Situation. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Bundesregierung hat Sorge dafür getragen, dass die Österreicher in dieser Region sicher sind. Ich halte es auch für wichtig, dass in Österreich ein gemeinsamer Konsens herrscht, der über den Nationalen Sicherheitsrat hinaus auch heute im Nationalrat dokumentiert wird. Das ist Außenpolitik, wie wir sie unterstützen, wie wir sie fordern, und das zeigt, dass Österreich in einer solchen Krise gemeinsam an einem Strang zieht und dass wir gemeinsam eine Position haben. Das halte ich im Interesse aller Österreicherinnen und Österreicher für einen sehr guten Beginn einer zukünftigen gemeinsamen Außenpolitik. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen, der SPÖ und der Grünen.)

12.33


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag Spindelegger, Schieder, Scheibner, Pilz und Kollegen ist ordnungsgemäß eingebracht und wurde in seinen Grundzügen vorgetragen. Er wird jetzt vervielfältigt und verteilt und steht zur Verhandlung und Abstimmung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger, Peter Schieder, Herbert Scheibner, Dr. Peter Pilz und KollegInnen betreffend Krieg im Irak, eingebracht im Zuge der Debatte zum Tages­ordnungs­punkt Erklärung des Bundeskanzlers in der 10. NR-Sitzung (XXII. GP) am 26.3.2003

Nach dem Scheitern der vielfältigen internationalen Bemühungen um eine friedliche Lösung des Irak-Konfliktes und nach dem Ausbruch des Krieges hat die Bundesregierung alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um die Sicherheit der österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbür­ger in der Region ebenso zu gewährleisten wie in Österreich selbst.

Österreich hat an der Position festgehalten, dass sich keine österreichischen Kräfte an militäri­schen Kampfhandlungen gegen den Irak beteiligen. Die Bundesregierung hat zur Wahrung der österreichischen Souveränität verstärkte Anstrengungen zur Überwachung des österreichischen Luftraumes unternommen und diesen insbesondere für Überflüge zu militärischen Zwecken von am bewaffneten Konflikt beteiligten Ländern gesperrt.

Der Irak-Konflikt wurde auch im Europäischen Rat am 20. und 21. März 2003 in Brüssel aus­führlich diskutiert. In den Schlussfolgerungen der griechischen Präsidentschaft ist auch folgende einvernehmliche Erklärung enthalten:

„Mit dem Beginn des militärischen Konflikts sehen wir uns einer neuen Situation gegenüber. Unsere Hoffnung richtet sich darauf, dass der Konflikt so wenig Menschenleben und Leiden wie möglich fordern wird. Wir stehen vor folgenden gemeinsamen Herausforderungen:

In Bezug auf Irak:

Die EU ist der territorialen Unversehrtheit, der Souveränität, der politischen Stabilität und der vollständigen und tatsächlichen Abrüstung von Irak in allen Teilen seines Hoheitsgebiets sowie der Achtung der Rechte des irakischen Volkes, einschließlich aller Angehörigen von Minderhei­ten, verpflichtet.

Wir sind überzeugt, dass die Vereinten Nationen weiterhin während und nach der gegenwärti­gen Krise eine zentrale Rolle spielen müssen. Das System der Vereinten Nationen verfügt über eine einzigartige Kapazität und praktische Erfahrung bei der Koordinierung der Hilfe in Staaten nach Beendigung eines Konflikts. Der Sicherheitsrat sollte den Vereinten Nationen ein robustes Mandat für diese Aufgabe erteilen.


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Die erheblichen humanitären Bedürfnisse, die der Konflikt mit sich bringen wird, müssen drin­gend angegangen werden. Die EU hat sich dazu verpflichtet, im Einklang mit bestehenden Grundsätzen in diesem Bereich einen aktiven Beitrag zu leisten. Wir unterstützen den Vor­schlag des VN-Generalsekretärs, dass die humanitären Bedürfnisse des irakischen Volkes weiterhin über das Programm "Öl für Lebensmittel" gedeckt werden können.

Wir möchten wirksam dazu beitragen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass alle Iraker in Freiheit, Würde und Wohlstand unter einer repräsentativen Regierung leben können, die mit ihren Nachbarn in Frieden und ein aktives Mitglied der internationalen Gemeinschaft ist. Der Rat ersucht die Kommission und den Hohen Vertreter, die Mittel zu prüfen, mit denen die Euro­päische Union dem irakischen Volk helfen kann, diese Ziele zu erreichen.

In Bezug auf die gesamte Region:

Wir bringen unsere Solidarität mit den Ländern, die mit den Problemen und Risiken infolge des Konflikts, einschließlich möglicher Flüchtlingsströme, konfrontiert sind, zum Ausdruck und halten uns bereit, ihnen Unterstützung zu leisten. Die EU wird sich aktiv dafür einsetzen, die Stabilität in der Region zu sichern.

Wir fordern alle Länder der Region auf, keine Aktionen zu unternehmen, durch die die Instabili­tät noch erhöht werden könnte.

Die Länder der Region tragen auch eine besondere Verantwortung für die Verhütung von Terrorakten.

Wir werden weiterhin aktiv auf eine Wiederbelebung des Friedensprozesses im Nahen Osten durch die unverzügliche Bekanntmachung und Umsetzung des von dem Quartett gebilligten Fahrplans hinarbeiten.

Wir werden in allen Bereichen unseren Dialog und unsere Zusammenarbeit mit der arabischen und der islamischen Welt intensivieren. Wir hoffen, dass es bald möglich sein wird, die vom Barcelona-Prozess gebotenen umfangreichen Möglichkeiten erfolgreich zu nutzen.

Auf internationaler Ebene:

Wir bekräftigen, dass wir der grundlegenden Rolle der Vereinten Nationen im internationalen System verpflichtet sind und dafür eintreten, dass an erster Stelle der Sicherheitsrat für die Aufrechterhaltung von Frieden und Stabilität in der Welt verantwortlich ist.

Wir sind entschlossen, die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union im Rahmen der GASP und der ESVP zu stärken.

Wir sind weiterhin davon überzeugt, dass wir die transatlantische Partnerschaft vertiefen müssen, die nach wie vor eine grundlegende strategische Priorität für die Europäische Union bildet. Zu diesem Zweck ist ein anhaltender Dialog über die neuen regionalen und globalen Her­ausforderungen notwendig.

Wir werden zur weiteren Stärkung der internationalen Koalition gegen den Terrorismus bei­tragen.

Wir werden ferner die Arbeiten im Hinblick auf eine umfassende, kohärente und wirksame multi­laterale Politik der internationalen Gemeinschaft zur Verhinderung der Verbreitung von Massen­vernichtungswaffen intensivieren.

Die vorstehenden Ziele hängen miteinander zusammen und ergänzen einander. Sie sollten gleichzeitig durch abgestimmtes Handeln aller wichtigen internationalen Akteure verfolgt werden. In diesem Sinne ist die Wiederherstellung der Einheit der internationalen Gemeinschaft ein absolutes Gebot."


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Am 24.3.2003 hat sich der Nationale Sicherheitsrat mit dem Irak-Konflikt und seinen Aus­wirkungen auf Österreich befasst. Der Sicherheitsrat hat dabei im Sinne des bewährten über­parteilichen Konsenses über die österreichische Außenpolitik und über Grundfragen der Äußeren Sicherheit einen einstimmigen Beschluss gefasst.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Nationalrat

hält daran fest, dass es zur Legitimation einer militärischen Aktion gegen den Irak eines Be­schlusses des Weltsicherheitsrates bedurft hätte, und bedauert, dass es ohne Ermächtigung des Weltsicherheitsrates zu einer militärischen Aktion gegen den Irak gekommen ist und dass eine friedliche Entwaffnung des Iraks damit nicht möglich war;

bedauert, dass wichtige Mitgliedstaaten der Europäischen Union in einer so grundlegenden Frage im Weltsicherheitsrat keinen gemeinsamen Standpunkt gefunden haben und begrüßt, dass der Europäische Rat vom 20./21. März in Brüssel wenigstens für die Zukunft gemeinsame Schlussfolgerungen erreicht hat, die der Nationale Sicherheitsrat vollinhaltlich unterstützt;

teilt die Hoffnung vieler Menschen auf ein baldiges Ende des Krieges

und ersucht daher die Bundesregierung, im Sinne des einstimmigen Beschlusses des Nationa­len Sicherheitsrates vom 24. März 2003 vorzugehen, der lautet:

„1. Der Nationale Sicherheitsrat (im Folgenden kurz Rat) empfiehlt der Bundesregierung, nach­drücklich für eine einheitliche Haltung der Europäischen Union einzutreten, die auf den Schluss­folgerungen des Europäischen Rates von Brüssel (20./21. März 2003) aufbaut.

2. Der Rat bekräftigt seine Empfehlung an die Bundesregierung, dass sich das neutrale Öster­reich an keinerlei militärischen Operationen gegen den Irak beteiligt und auch keine Überflugs­rechte einräumt.

3. Der Rat empfiehlt der Bundesregierung, dabei insbesondere der Wiederherstellung der vollen Autorität der Vereinten Nationen besondere Priorität zu geben. Die Vereinten Nationen sollten in die Lage versetzt werden, so bald wie möglich nach Ende der Kampfhandlungen die volle Verantwortung für den Aufbau demokratischer Strukturen und rechtsstaatlicher Institutionen, den Schutz der ethnischen und religiösen Minderheiten unter Wahrung der territorialen Integrität des Irak, die Organisation und Koordination humanitärer Hilfe, den politischen und wirtschaft­lichen Wiederaufbau und die Sicherung der Einkünfte aus der Erdölförderung für das irakische Volk zu übernehmen.

In diesem Sinne empfiehlt der Rat der Bundesregierung, im Rahmen der Europäischen Union und der Vereinten Nationen alles zu unternehmen, um den Kurden im Nordirak zumindest das bisherige Maß an Autonomie zu garantieren. Dazu ist die türkische Regierung aufgefordert, jedes militärische Eindringen auf irakisches Staatsgebiet zu unterlassen.

4. Angesichts der wachsenden Spannung in den arabischen Ländern sowie zwischen den arabischen Ländern und der westlichen Welt, die mit großer Sorge beobachtet wird, empfiehlt der Rat der Bundesregierung, alle Maßnahmen, die im Rahmen der Europäischen Union oder der Vereinten Nationen gesetzt werden, um den Dialog mit der arabischen Welt zu intensivie­ren, mit Nachdruck zu unterstützen. In diesem Zusammenhang empfiehlt der Rat der Bundes­regierung auch, mit besonderer Intensität an Bemühungen zur Lösung des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern mitzuwirken und dabei zu unterstreichen, dass nicht nur UNO-Resolutionen zum Thema Irak, sondern auch UNO-Resolutionen zur Lösung des Nahostkon-


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fliktes Beachtung finden müssen, damit nicht der Eindruck entsteht, dass mit zweierlei Maß gemessen wird.

5. Hinsichtlich der auf nationaler Ebene zu treffenden Maßnahmen empfiehlt der Rat der Bun­desregierung, dem Schutz gefährdeter Personen und Objekte weiterhin besondere Aufmerk­samkeit zu widmen, weiterhin alle zur Verfügung stehenden Mittel zur Wahrung der Souveräni­tät und der Verpflichtungen aus dem Neutralitätsgesetz einzusetzen und irakischen Flüchtlin­gen, die im Gefolge der Kampfhandlungen nach Österreich kommen, "vorübergehenden Schutz" im Sinne der Richtlinie der Europäischen Union zu gewähren und auf eine gerechte Lastenverteilung betreffend die Flüchtlingsbetreuung innerhalb der Europäischen Union zu drängen.

Der Rat teilt die Hoffnung vieler Menschen auf ein baldiges Ende des Krieges.“

*****


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Die Redezeit beträgt 8 Minuten. – Bitte.

12.33


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundes­kanzler! Wie einige andere bin ich überrascht, wie seltsam blass angesichts der dramatischen Entwicklung im Irak Ihre Erklärung geblieben ist. (Abg. Dr. Fekter: Die war nicht blass! Sehr sachlich war sie!) Ich stehe auch nicht an, zu sagen, ich bin auch überrascht, dass demgegen­über die Erklärung des Vizekanzlers viel konkreter, viel engagierter und viel mehr an den wirklichen Problemen orientiert war. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Sie sagen, Saddam Hussein sei sozusagen alleine schuld. Es gibt eine historische Schuld von Saddam Hussein. Niemand hier wird sich finden, der die Verbrechen des irakischen Diktators verharmlost, insbesondere nicht in unseren Reihen. Ich kann mich gut an Zeiten erinnern, als die USA Saddam noch als „befreundetes Monster“ betrachtet haben, und wie viel Arbeit es gekostet hat, die irakische und kurdische Opposition damals ohne Rückhalt aus der offiziellen Politik zu unterstützen. Das hat sich zum Glück geändert. Zum Glück gibt es heute eine geschlossene internationale Gegnerschaft zum Regime Saddam Husseins. Aber trotzdem müssen wir uns fragen, ob diese Gegnerschaft alle Mittel rechtfertigt.

Da gibt es einen ersten Punkt: Es wird erklärt, der Grund für den Krieg seien die Massenver­nichtungswaffen, von denen die UN-Inspektoren, hätten die USA sie nicht gezwungen, ihre Untersuchungen abzubrechen, vielleicht etwas gefunden hätten. Wir wissen es nicht. Wir werden es vielleicht niemals wissen. Aber eines weiß ich: Mitte Februar haben die beiden kurdischen Führer Massud Barsani und Dschalal Dalabani aus dem Nordirak einen Brief an den amerikanischen Präsidenten geschrieben. Sie haben gesagt: Ihr könnt vier Militärflughäfen bauen, ihr könnt militärische Aktionen vom kurdischen Gebiet im Nordirak aus starten – aber bitte bringt uns Gasmasken! Wir befürchten Giftgasangriffe von Saddam, so wie wir es in der Vergangenheit erlebt haben!

Die Amerikaner haben Kampfbomber, Panzer, Artillerie, Spezialeinheiten, Spezialmunition ge­bracht – aber keine einzige Gasmaske, keine einzige Gasmaske zum Schutz der kurdischen Bevölkerung im Nordirak!

Da frage ich mich: Wie ernst wird dieser Kriegsgrund genommen, wenn gleichzeitig gegen alle Beschlüsse und Verurteilungen der Vereinten Nationen radioaktives, abgereichertes Uran als Mu­nition eingesetzt wird, eine Munition, die von den Vereinten Nationen in die Kategorie Mas­sen­vernichtungswaffen aufgenommen worden ist?

Müssen wir heute so weit gehen, dass wir feststellen, die USA setzen nachweisbar Massen­vernichtungswaffen ein, um noch nicht nachgewiesene Massenvernichtungswaffen bekämpfen zu können? Ist es so weit? – Und das betrifft nur den Punkt Massenvernichtungswaffen.


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Und nun komme ich zur Frage des Völkerrechtes und frage Sie, Herr Bundeskanzler: Was heißt das: „in der Mitte stehen“? Was heißt das, wenn es auf der einen Seite das Völkerrecht gibt und auf der anderen Seite das Recht des Stärkeren? Warum beschließt dann der österreichische Bundeskanzler, „in der Mitte“ zu stehen? Warum, Herr Bundeskanzler, begeben Sie sich in das politische Niemandsland zwischen Völkerrecht und Recht des Stärkeren und sind nicht in der Lage, eindeutig zu erklären, die Republik Österreich mit dem Bundeskanzler an der Spitze steht auf der Seite des Völkerrechts gegen das Recht des Stärkeren und gegen die Anmaßung der USA? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Diese Frage, Herr Bundeskanzler, hat der Herr Vizekanzler mit seiner Formulierung, die USA treten das Völkerrecht mit Füßen, zum Glück – ich hoffe, im Namen der Bundesregierung – an Ihrer Stelle beantwortet.

Wie soll es jetzt weitergehen? – Das Völkerrecht qualifiziert ganz wenige Tatbestände als außerordentliche Verbrechen. Dazu gehört der Völkermord und der nicht legitimierte Angriffs­krieg. Wir sind jetzt in der in jeder Hinsicht unangenehmen Situation, politisch auch darüber befinden zu müssen, ob sich die politische Führung der größten Demokratie dieser Welt, der während und nach dem Zweiten Weltkrieg Europa so viel zu verdanken hat, mit diesem Angriffskrieg eines Verbrechens dieser Qualität schuldig macht.

Das ist keine leichte Entscheidung. Das ist nicht etwas, was man auf die leichte Schulter nehmen soll. Aber wenn das geduldet wird, und wenn man sich ins Niemandsland begibt, dann sagt man damit praktisch: Ihr könnt so weitermachen – vielleicht im Iran, vielleicht im Sudan, wo bereits die Kriegsvorbereitungen von Djibuti und von Kenia aus laufen, vielleicht anderswo.

Genau darum geht es: Rechtzeitig den USA und ihrer politischen Führung klar zu machen, dass dieser Weg nicht weiter gegangen werden kann und dass es in Europa hoffentlich bald eine einzige, gemeinsame Stimme gegen diesen fortgesetzten Bruch des Völkerrechtes und gegen die Missachtung der internationalen Einrichtungen gibt. Das ist meine Hoffnung! (Beifall bei den Grünen.)

Wenn etwas sich positiv entwickeln kann, dann ist das das gemeinsame Bewusstsein, dass die Nachkriegszeit in der europäischen Sicherheitspolitik jetzt zu Ende geht. Die Haltung von Blair und Aznar sind Erinnerungen an eine Abhängigkeit Europas von den USA, die die europäische Sicherheit garantiert hat. Wir werden in Zukunft als Europäer die Verantwortung für unsere Sicherheit selbst übernehmen müssen. Die Zukunft Europas liegt in einer Sicherheitsgemein­schaft an Stelle der NATO und an Stelle eines von den Amerikanern geführten militärischen Blockes.

Europa – und insbesondere die Bundesrepublik – ist jetzt zum Aufmarschgebiet für die Interven­tion geworden. Die Intervention ist nicht durch Europa geführt worden, aber hauptsächlich von Europa aus. Auch damit muss Schluss sein! (Beifall bei den Grünen.)

Die 114 000 amerikanischen Soldaten, die heute noch in Europa stehen, braucht Europa nicht, brauchen wir nicht für unseren Schutz. Wir können diese Verantwortung selbst übernehmen. Ich bin dafür, dass die Soldaten der amerikanischen Streitkräfte in die USA zurückkehren und Europa nicht mehr für Interventionen gegen das Völkerrecht missbraucht wird! (Beifall bei den Grünen.)

Was können wir jetzt tun? – Erstens können wir Hilfe und Schutz geben, vor allem den be­drohten Kurden des Nordirak. Die türkische Intervention, der türkische Angriff steht kurz bevor, und Europa muss alles tun, um das in letzter Minute zu verhindern.

Und zweitens – das ist ganz wichtig – sollten wir das andere Amerika unterstützen. Jeden Tag sehen wir, es gibt ein anderes, es gibt ein demokratisches, es gibt ein friedliches, es gibt ein den Vereinten Nationen zugewandtes Amerika, und dieses Amerika braucht die europäische Unterstützung! Dieses Amerika hat sich an Europa gewendet, und viele Prominente in den USA sagen: Unterstützt auch unseren Widerstand gegen die Regierung Bush! – Da gibt es eine neue Achse, da gibt es eine neue Allianz, und da gibt es eine neue Partnerschaft, und diese euro-


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päisch-amerikanische Partnerschaft, meine Damen und Herren, wird Zukunft haben. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.42


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. Gleiche Redezeit: 8 Minuten.

12.42


Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Pilz, diese Bundesregierung hat gerade in diesem Irak-Konflikt in den letzten Wochen eine ausgesprochen vernünftige und auch vertretbare Position eingenommen. Es ist eine Position, die die neue Realität anerkennt, eine Realität, von der wir alle gehofft haben, dass sie nicht Wirklichkeit wird, die aber jetzt nun einmal da ist.

Gerade in der Europäischen Union haben wir uns eigentlich eine friedliche Entwicklung zum Ziel gesetzt. Auch nach den Erfahrungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, nach den bitteren Erfahrungen der beiden Weltkriege, hat Europa in Bezug auf die Neugestaltung der Weltpolitik und auch in Bezug auf die allfällige Anwendung von politischer und militärischer Macht eine Vorreiterrolle eingenommen.

Die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg, vor allem durch den Aufbau der Vereinten Natio­nen, mit deren Instrumenten wir ja auch den Kalten Krieg im Wesentlichen gut über die Bühne gebracht haben, und die Hoffnungen, die nach dem Zusammenbruch des Ostblocks damit verbunden waren, dass es nunmehr eine weitere, kontinuierliche friedliche Entwicklung geben wird, wurden in der Realität leider Gottes mit Füßen getreten.

Wenn uns einige Mitglieder der amerikanischen Regierung als „Altes Europa“ bezeichnen – für diese Haltung, die Europa einnimmt –, dann sollten wir, glaube ich, das auch als einen Ehren­titel sehen, weil „alt“ hat auch etwas mit Weisheit zu tun. Und gerade in dieser Frage kann Europa seine Position nicht genug bekräftigen.

Meine Damen und Herren! Dass das irakische Regime ein nicht zu verteidigendes ist, haben viele Redner vor mir schon gesagt. Dass aber auch in der Bekämpfung solcher diktatorischer Regime, die wir weltweit zu beachten haben, weiterhin das Primat der Vereinten Nationen gel­ten muss, muss auch klar sein. Und deshalb ist auch zu bekräftigen, dass in der Gegnerschaft zu diesen diktatorischen Regimen alle diplomatischen und auch alle wirtschaftlichen Mittel aus­zuschöpfen sind, und erst dann kann über eine militärische Gewaltanwendung gesprochen werden. Und auch diese militärische Gewaltanwendung, meine Damen und Herren, muss über die Beschlüsse des UNO-Sicherheitsrates gehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieser Rückfall in das nationale Faustrecht, den wir derzeit erleben, sollte uns aber nicht ent­mutigen. Ich glaube, wir sollten nach diesen kriegerischen Ereignissen auch an der Stärkung der UNO und ihrer Einrichtungen weiter teilnehmen. Auch als gesamte Republik, unabhängig davon, welcher Partei wir angehören, muss es in unserem Interesse sein, dass die UNO und ihre Einrichtungen weiterhin funktionsfähig bleiben und dass wir sie auch stärken, um solche Entwicklungen, wie es sie in den letzten Wochen gab, nicht zu unterstützen.

Im Rahmen der Schritte, die von Seiten der USA und ihrer Verbündeten gemacht worden sind, ist die Lage in der gesamten Region nicht ausreichend beurteilt worden, hat man die Konflikte zwischen Israel und den Palästinensern, Konflikte zwischen Türken und Kurden und zwischen anderen Ländern und anderen Bestrebungen und Volksgruppen im arabischen Raum außer Acht gelassen.

Bei diesen Schritten der USA wurde auch nicht bedacht, wie es nach diesem Krieg im Irak weitergehen soll. Wer soll dort regieren? Wie soll die wirtschaftliche Situation dieses Landes nach diesem Krieg ausschauen, und wie soll die Entwicklung danach in die Wege geleitet werden?


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Meine Damen und Herren! Dennoch, trotz der aktuellen Entwicklungen, ist es zu begrüßen, dass der Europäische Rat am 20. und 21. März doch einige gemeinsame Beschlüsse fassen konnte, die auch in diese Richtung gehen: in die Richtung der Anerkennung des Primats der UNO, in die Richtung, dass wir weiterhin alle daran arbeiten, eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und eine gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik aufzubauen.

Gerade die europäische Ebene hat in den letzten Wochen in diesem Zusammenhang nicht gerade ein Ruhmesblatt errungen. Wir haben ja erlebt, dass einige Staaten der Europäischen Union sich auf die Seite der USA gestellt haben, dass ein Land besonders eng im Bündnis mit den Vereinigten Staaten steht, dass andere Länder, insbesondere Frankreich und Deutschland, sich dagegen ausgesprochen haben, und dass auch eine Gruppe von Beitrittskandidatenlän­dern sich auf die Seite der USA gestellt hat.

All das hat deutlich gemacht, dass die Europäische Union eigentlich nicht in der Lage ist, eine gemeinsame Position in einer außenpolitisch entscheidenden Frage einzunehmen. Diese Bündnisse innerhalb der Europäischen Union sind der falsche Weg. Österreich hat auch auf europäischer Ebene die richtige Position bezogen, indem es klar gemacht hat, dass die Euro­päische Union Mechanismen haben muss, die es ermöglichen, dass die Union eine gemein­same Position bezieht.

Die Mitgliedsländer, auch wenn sie noch so groß sind, werden hinkünftig die Geduld aufbringen müssen, zu warten, bis sich diese Mechanismen im Rahmen der Europäischen Union in entsprechender Weise entwickelt haben werden.

Ich glaube aber auch, dass die Entwicklung auf europäischer Ebene in den letzten Wochen nicht zu einer Entmutigung führen darf. Im Gegenteil, sie sollte Ansporn sein, gerade auch im Rahmen der Diskussion über neue Mechanismen auf europäischer Ebene daran zu arbeiten, dass die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik doch noch Wirklichkeit wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich fühle mich in diesem Zusammenhang gerade auch als Freiheitlicher bestätigt, da wir Frei­heitlichen immer gesagt haben, dass die Integration der Europäischen Union ihre Zeit brauchen wird, und dass es auch auf europäischer Ebene wichtig ist, einen Schritt nach dem anderen zu setzen, um die europäischen Länder und auch die europäischen Völker hier nicht zu über­fordern. Gerade jetzt wird ein Beispiel dafür gegeben, dass das der Fall ist, dass die Integration unserer Union noch sehr viel Zeit und sehr viel Anstrengung brauchen wird.

Meine Damen und Herren! Auch die Beschlüsse des Nationalen Sicherheitsrates auf österrei­chischer Ebene haben die richtige Richtung gewiesen. Ich glaube, dass die Entwicklung gezeigt hat, dass Österreich auf eigenen Beinen stehen können muss. Auch in der Landesverteidigung ist es wichtig, dass wir eigenständige Maßnahmen setzen können, und demzufolge ist es auch notwendig, dass wir ein starkes Bundesheer haben, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner: Da muss man viel investieren!)

Unser Bundesheer braucht nicht 80 Milliarden Dollar, sondern nur eine gedeihliche budgetäre Weiterentwicklung, um die Sicherheit der Menschen in unserem Lande auch in den nächsten Jahren zu gewährleisten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.49


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir haben für 13 Uhr eine Mittagspause von einer halben Stunde vereinbart. Das heißt, wir haben jetzt noch 10 Minuten Zeit, und die werden sich die Frau Außen­ministerin und der Herr Innenminister brüderlich beziehungsweise schwesterlich teilen. – Bitte, Frau Ministerin.

12.50


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsi­dent! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Der Moment, in dem der Krieg ausgebrochen ist, war ein bedrückender, ein bitterer, ein trauriger,


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weil die friedlichen Bemühungen um die Lösung dieser Krise leider gescheitert sind. Umso mehr darf ich mich dafür bedanken, dass im Nationalen Sicherheitsrat ein Konsens betreffend die österreichische Position in dieser Frage ermöglicht wurde, denn das stärkt meine Außenpolitik auch in der Zukunft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was die Frage der Interpretation des Sicherheitsrates sowie dessen Resolutionen anbetrifft, so orientiere ich mich an der Stellungnahme des UNO-Generalsekretärs der Vereinten Nationen, der selbstverständlich auch von Völkerrechtlern be­raten wird.

Am 21. Februar 2001 hat der Generalsekretär im Zusammenhang mit einer Beschwerde des Irak auf Grund von US-amerikanischen und britischen Luftangriffen auf Bagdad und einer Auf­forderung an den UNO-Generalsekretär, diese zu verurteilen, gesagt, dass es seiner Auffas­sung nach nur dem Sicherheitsrat zukommen würde, seine Resolutionen zu interpretieren. Und im Vorfeld der jetzigen militärischen Aktion hat der UNO-Generalsekretär betont: Sollte eine solche Aktion ohne Unterstützung des Sicherheitsrates zustande kommen, werde die Legitimität dieser Aktion in Zweifel gezogen und die Unterstützung verringert werden. – In dieser Situation befinden wir uns gegenwärtig!

Es ist jedoch meiner Überzeugung nach wichtig, nun wieder in die Zukunft zu blicken, wie das sowohl der Europäische Rat als auch der Nationale Sicherheitsrat getan hat. Was sind nun die wesentlichen Fragen?

Ich werde mich erstens ganz besonders um die Erreichung einer Friedenslösung im Nahen Osten einsetzen und konkret auf die Implementierung der „road map“ hinarbeiten, die im De­zember beschlossen, aber vor den israelischen Wahlen nicht in Angriff genommen wurde. Das ist absolut notwendig für unsere Glaubwürdigkeit! Ich stimme all jenen zu, die keine Doppel­standards wollen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abgeordneten Mag. Mainoni.)

Zweitens: Besondere Bedeutung kommt der Regelung der Situation der Kurden im Nordirak zu. Wir erwarten von der Türkei – und wir haben das auch gesagt – verantwortungsvolles Handeln im Bewusstsein all der Verpflichtungen, die dieses Land infolge seines Wunsches nach einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union auf sich genommen hat, das heißt, ein Verzicht auf eine militärische Präsenz im Nordirak, wie das vom Europäischen Rat und auch von den USA gefordert wird.

Zudem beabsichtigen wir eine Weiterführung und einen Ausbau all unserer Kontakte zu arabi­schen Staaten. Ich habe bereits im Vorfeld den Auftrag gegeben, den Dialog der Zivilisationen und Kulturen weiterzuführen. Österreich hat diesbezüglich ein gutes Standing. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Weiters müssen wir uns sehr darum bemühen, dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen wieder jenes Gewicht zu geben, das er verdient, das heißt, dass der Sicherheitsrat im Zentrum der humanitären Hilfe für den Irak stehen muss, damit die Leiden der Menschen dort zumindest gelindert werden. Ich darf Ihnen mitteilen, dass ich – natürlich auch im Vorfeld der Krise – be­reits mit österreichischen NGOs in Kontakt getreten bin, um hier auch österreichische Visibilität und österreichische Hilfsleistungen einzubringen.

Und schließlich müssen wir im Rahmen der Europäischen Union eine Antwort auf diese Krise geben. Bisher ist hier leider ein Scheitern zu konstatieren. Wir müssen uns noch mehr um eine gemeinsame Außenpolitik bemühen, denn wir brauchen in Zukunft einen europäischen Außen­minister und eine gemeinschaftliche europäische Außenpolitik. Dafür werde ich mich im Kon­vent einsetzen, und dafür bitte ich auch um Ihre Unterstützung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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12.54


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun Herr Innenminister Dr. Strasser. – Bitte, Herr Bundesminister.

12.54


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Klubobmann Molterer hat es, glaube ich, auf den Punkt gebracht: Österreich ist an diesem Konflikt nicht beteiligt, aber die Österreicher sind von diesem Krieg sehr betroffen, und zwar in mehrfacher Hinsicht – auf der einen Seite durch die Bilder, die wir jeden Tag in unsere Wohnzimmer bekommen, auf der anderen Seite aber auch im Zusammenhang mit dem subjektiven Sicherheitsgefühl, das jeden von uns persönlich und jeden, der hier im Saal mitentscheidet, auch politisch betrifft.

Und so haben wir uns in aller Stille, aber sehr konsequent, über Monate auf diese Nacht von Donnerstag auf Freitag letzter Woche vorbereitet. Als die ersten kriegerischen Auseinanderset­zungen begonnen haben, haben wir die Sicherheitsvorbereitungen entsprechend verschärft und folgende sechs Sofortmaßnahmen getroffen:

Erstens wurden zusätzliche Personen- und Objektschutzmaßnahmen getroffen, und zwar insbe­sondere zum Schutz jener Einrichtungen und Vertretungsbehörden, die in diesen Konfliktfall involviert sind, sowie von in Österreich angesiedelten Wirtschaftsniederlassungen aus exponier­ten Nationen und den Sicherheitsbeamten, die dafür tätig sind. Wir stehen mit ihnen in einem sehr guten Dialog.

Wir haben zum Zweiten den Flughafen und alle internationalen Anbindungen Österreichs abge­sichert. Die Sicherheitsstufe 2 wurde wieder aktiviert.

Drittens gibt es eine enge Koordination innerhalb der Bundesregierung. Bereits am Freitag um 8.00 Uhr früh hat der Herr Bundeskanzler die Sicherheitskoordination zu sich gebeten. Es wurden mit dem Herrn Vizekanzler, mit der Frau Außenministerin, mit dem Verteidigungs­minister und dem Justizminister die Sofortmaßnahmen besprochen und die entsprechenden Anweisungen gegeben.

Wir haben die Kundgebungen gesichert, und ich möchte auch von dieser Stelle aus für die her­vorragende Zusammenarbeit und die großartige Kooperation der Kundgebungsorganisatoren Dank sagen. Es ist wieder einmal gelungen, all jenen in Österreich, die für ein gutes Anliegen ihre Kundgebung durchführen wollen, dies völlig konfliktfrei im Rahmen des Versammlungs­rechtes zu gewährleisten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Republik Österreich hilft Flüchtlingen, wo es notwendig ist und wo wir das können. Das soll in erster Linie in der Region selbst geschehen. Ich habe in Übereinstimmung und im Einvernehmen mit dem UNHCR Vorsorge dafür getroffen, dass die Europäische Union die Vorarbeiten, die Durchführung und auch die notwendigen Mittel gewährleistet, damit bis zu 600 000 Flüchtlinge in der Region Aufnahme finden können. Wir können heute sagen, dass etwa 400 000 solcher Plätze geschaffen wurden, und dass diese Lager für jene, die aus dem Kriegsgebiet flüchten müssen, zur Verfügung stehen.

Zur Aufklärung für Herrn Klubobmann Van der Bellen: Wir haben – worüber ich mich natürlich sehr freue – als erstes Land in Europa, und zwei Tage, bevor Frau Abgeordnete Petrovic das gefordert hat, die Asylverfahren ausgesetzt, was bedeutet, dass all jene, die aus dem Kriegs­gebiet nach Österreich kommen und um Asyl ansuchen, selbstverständlich den Schutz der Kon­vention bekommen, dass wir aber Asylverfahren zurzeit nicht durchführen, weil wir ja nicht wissen können, wie sich die Situation entwickelt und es zudem zweierlei Arten von Flüchtlingen geben kann. Es können Flüchtlinge aus der Region kommen, die unter dem Regime gelitten haben, und es können Flüchtlinge kommen, die durch die jetzige Bedrohung einen ganz anderen Status haben.

Daher macht diese Maßnahme Sinn, und ich bin ein bisschen stolz darauf, dass wir das erste Land in Europa waren, das genau diesen vollständigen, umfassenden Schutz für Flüchtlinge gewährleistet hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir gehen unseren Weg für die innere Sicherheit sehr konsequent. Niemand kann eine hundert­prozentige Sicherheitsgarantie abgeben, aber wir tun das Menschenmögliche, damit wir uns in


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Österreich sicher fühlen können. Die Vorgaben des Nationalen Sicherheitsrates und der Bun­desregierung tragen dazu bei, dass Österreich im internationalen Umfeld sicher ist. Dafür möchte ich mich beim Bundeskanzler und beim Nationalen Sicherheitsrat herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

13.00


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich werde in wenigen Augenblicken die Sitzung wie vereinbart für eine kurze Mittagspause von 30 Minuten unterbrechen. Wir setzen die Debatte um 13.30 Uhr fort.

Wir haben vereinbart, nach 13.30 Uhr die Redezeit gerecht aufzuteilen. Da es bisher keine tatsächliche Berichtigung gegeben hat, wäre es möglich, eine Rednerrunde zu je 7 Minuten Redezeit zu machen. Es ist mir aber von den Fraktionen signalisiert worden, dass man es vorziehen würde, noch zwei Runden zu machen, und zwar eine zu je 4 Minuten Redezeit, eine zu je 3 Minuten.

Ich bin damit einverstanden. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass ich keine tatsächlichen Be­richtigungen aufrufen muss – was auch nicht notwendig ist, wenn ohnehin von jeder Fraktion noch ein zweiter Redner sprechen wird – und dass diese Redezeit von 4 beziehungsweise 3 Minuten wirklich exakt eingehalten wird. Es wurde mir von allen vier Fraktionen zugesichert, dass dies die bessere Variante sei.

Wir werden also um 13.30 Uhr beginnen und zunächst eine Runde zu je 4 Minuten Redezeit und dann eine Runde zu je 3 Minuten Redezeit durchführen.

Die Sitzung ist unterbrochen. (Die Sitzung wird um 13.01 Uhr unterbrochen und um 13.30 Uhr wieder aufgenommen.)


Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf die unterbrochene Sitzung wie vereinbart um Punkt 13.30 Uhr wieder aufnehmen.

Ich schreite in der Rednerliste fort.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Barbara Prammer mit 4 Minuten exakt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.30


Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Außenministerin! Herr Staatssekretär! Während wir heute Vormittag und auch jetzt hier im Parlament sitzen und über die Situation im Irak und über den Krieg im Irak reden, sind wieder 15 Menschen auf Grund des Einschlages einer Bombe in einem Wohngebiet gestorben. Ich glaube, angesichts solcher Mel­dungen, die wir nahezu stündlich, jedenfalls aber täglich erhalten, ist es sicher notwendig, auch immer wieder innezuhalten, innezuhalten vor einer Situation, die, gerade was die Kinder, was die Frauen betrifft, eine ganz besonders schlimme ist. Militärische Gewalt trifft immer in erster Linie die Bevölkerung, unschuldige Zivilisten, Kinder und Frauen und eben nicht die politisch Verantwortlichen.

Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Rede darauf hingewiesen, wie die Bedeutung der Medien einzuschätzen ist. Der Herr Bundeskanzler hat Recht, wenn er sagt, es besteht natürlich immer die Gefahr der Manipulation. Das erleben wir im Irak genau so, wie wir das in den USA erleben, aber andererseits müssen wir auch sehr sensibel mit seriöser Berichterstattung umgehen, weil nur dadurch der Krieg auch jenes Gesicht erhalten kann, das er hat, nämlich das Gesicht der Angst, des Leides und des Todes. Es gibt keinen sauberen Krieg, meine Damen und Herren. Auf Grund der Bilder in den Medien müssen wir uns auch immer wieder vergegenwärtigen, dass da die Falschen leiden und auch immer wieder unter Druck geraten. (Beifall bei der SPÖ, den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Niemand bezweifelt, dass das Regime des Saddam Hussein verabscheuungswürdig ist. Es ist natürlich die Aufgabe der internationalen Staatengemeinschaft, den unterdrückten und gequäl-


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ten Menschen im Irak auch beiseite zu stehen. Umso mehr bedaure ich die Kriegshandlungen der Regierungen der USA, Großbritanniens und weniger anderer Staaten.

Das durch den Sicherheitsrat nicht gerechtfertigte Einschreiten muss ganz einfach unweigerlich zur Frage führen: Heiligt nun tatsächlich der Zweck die Mittel? – Ich bin der Meinung, der Zweck kann die Mittel nicht heiligen, sondern die Mittel entheiligen ganz einfach auch den Zweck, meine Damen und Herren. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Waffeninspektoren mit ihrer Arbeit nicht fertig waren, diese nicht beendet haben, aber die Bush-Regierung hat zu einem Mittel gegriffen, das nur das allerletzte sein darf. Da ist Bush allein in seiner Einschätzung, wir teilen seine Einschätzung hier nicht.

Wenn wir uns das vor Augen halten, sollten wir innehalten und uns Gedanken darüber machen, was Österreich beitragen kann. Wir werden auf der einen Seite natürlich ganz wesentlich in Richtung humanitärer Hilfe schreiten müssen. Umso bedauerlicher ist es, wenn wir uns vor Augen führen müssen – das ist unglaublich absurd –, dass auf der einen Seite Waffen einge­setzt werden, um Menschen Leid zuzufügen, sehr vieles auch zu beschädigen, 80 Milliarden Dollar als Kriegsmittel zur Verfügung gestellt werden, während wir andererseits hier und auch in anderen Staaten darüber reden, wie wir Wiederaufbauhilfe leisten können, wie wir humanitäre Hilfe leisten können. Diese Absurdität müssen wir uns täglich vor Augen halten, meine Damen und Herren.

Wir sind auf der Seite jener Hunderttausender, die Nein zu diesem Krieg gesagt haben. Wir dürfen das nicht nur jetzt nicht zulassen, sondern wir müssen uns auch in Zukunft unserer Auf­gaben immer wieder bewusst werden. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.35


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. Gleiche Redezeit. – Bitte, Herr Kollege.

13.35


Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Neben den bisher angesprochenen völkerrechtlichen, politischen und moralischen Aspekten der Irak-Krise möchte ich nun auf die wirtschaftlichen Implikationen zu sprechen kommen. Und zwar möchte ich mich nicht mit Aspekten befassen wie etwa den Auswirkungen von Kriegsschlagzeilen auf den Kapitalmarkt oder Verwertung der Ölfelder oder Wiederaufbaumaßnahmen, sondern mit den langfristigen Konsequenzen, die die österreichische Wirtschaft auf Grund der gesamten Krisensituation zu erwarten hat.

Es gibt, wie ich meine, ein prägendes Wort, das so wie in anderen Bereichen auch für den Wirt­schaftsbereich anzuwenden ist, und dieses Wort heißt Unsicherheit, Unsicherheit, was Investo­ren und Konsumenten anbelangt, Unsicherheit aber auch, was die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt anbelangt, negative Auswirkungen vermutlich auch was den Außenhandel betrifft, negative Auswirkungen was den Tourismus betrifft. Es ließe sich die Liste in negativer Richtung beliebig fortsetzen. Warum? – Weil niemand auch bei einem militärischen Erfolg weiß, welche Konsequenzen es auf Dauer auf politischer Ebene geben wird und wie sich die Situation insgesamt entwickeln wird.

Gerade in dieser Situation müssen wir uns damit auseinander setzen, dass vermutlich schon übermorgen auch die entsprechenden Auswirkungen auf die heimische Konjunktursituation in Zahlen prognostiziert werden. Experten rechnen damit, dass im europäischen Gesamtgefüge das Wachstum um etwa einen halben Prozentpunkt auf das Jahr gesehen zurückgehen könnte.

Genau diese Situation macht es erforderlich, auf das einzugehen, was der Herr Bundeskanzler auch angesprochen hat, nämlich die Themen des Gipfels in Brüssel, des Frühjahrsgipfels am Wochenende, weil eben der Lissabon-Prozess einen ganz besonderen Schwerpunkt dargestellt hat und weil es darum geht, eben genau in dieser Situation Reformen zu beschleunigen, um entsprechend positive Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum zu haben.


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Was die Evaluierung des Lissabon-Prozesses anbelangt, sollte man meines Erachtens die Kriterien nicht überbewerten, weil doch einige skurrile Situationen dadurch entstanden sind, dass beispielsweise ein Land nicht gemeldet hat. Daher sind die anderen Länder vorgerückt. Wir haben uns seit Jänner um drei Plätze verbessert, ohne dass sich die Daten fundamental geändert haben.

Man muss auch überlegen, ob man die Gewichtung nicht verändert, beispielsweise zwischen Bruttoinlandsprodukt pro Kopf oder Emission von Treibhausgasen. Beides wird gleich bewertet.

Was heißt das in der Konsequenz? – In der Konsequenz heißt das, dass wir sehr richtig liegen mit den Themenfestlegungen, die hier der Rat getroffen hat, nämlich erstens mehr Beschäfti­gung und größerer sozialer Zusammenhalt. Wir sehen insbesondere als richtig an, was im Regierungsprogramm festgelegt ist, nämlich auf den Arbeitsmarkt, gerade was ältere Beschäf­tigte anbelangt, zu schauen.

Zweiter Punkt: Vorrang für Innovation und unternehmerische Initiative in dem Sinn, dass man den Betriebsgründungen einen größeren Stellenwert beimisst.

Dritter Punkt: Vernetztes Europa. Gerade was die Infrastruktur anbelangt, ist ein entsprechen­der Schwerpunkt vorgesehen, nämlich – man sollte die Wortwahl beachten – in der Region der Alpen entsprechende Maßnahmen zu setzen.

Der vierte Bereich – vielleicht der wichtigste insgesamt –, nämlich der Umweltschutz, ist im Be­reich der Nachhaltigkeit vermutlich die wichtigste Größenordnung ...


Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Bitte um den Schlusssatz!


Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (fortsetzend): ..., um wirtschaftliche Voraussetzun­gen dafür zu schaffen, dass der Frieden insgesamt gewährleistet ist. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.39


Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Mag. Lunacek, bitte.

13.39


Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Lassen Sie mich wieder zur Frage des Völkerrechts zurück­kehren. Zahlreiche meiner Vorrednerinnen und -redner haben schon festgestellt, dass dieser Krieg gegen das Völkerrecht ist, völkerrechtswidrig ist. Von der Regierungsbank, meine Damen und Herren, haben wir das leider nicht gehört. (Abg. Scheibner: Da haben Sie nicht zugehört!)

Zwar waren der Schritt und der Beschluss im Nationalen Sicherheitsrat wichtig, aber die ganz klare Festlegung, dieser Krieg ist völkerrechtswidrig, hätte ich mir von der Bundesregierung auch schon in den letzten Wochen gewünscht, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Vereinigten Staaten und ihre Bündnispartner haben sich über das Völkerrecht hinwegge­setzt. So sieht es aus. Eine Mehrheit der Staaten im Sicherheitsrat und eine Mehrheit der Bevöl­kerung auf dieser Erde hat Nein zu diesem Krieg gesagt. Sie wollen diesen Krieg nicht, denn sie wissen alle miteinander, dass dieser Krieg in der Form, wie er jetzt geführt wird, weder mehr Demokratie bringen wird noch Stabilität oder mehr Sicherheit bringen kann, meine Damen und Herren. Deswegen sagen wir Nein zu diesem Krieg und meinen, dass dieser Krieg ein Ende haben muss. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die vielen hunderttausend, ja Millionen von Menschen, die in den letzten Wochen und Monaten auf die Straße gegangen sind, und zwar auch in Österreich, haben ein Symbol, das heute auch in diesem Nationalrat eingebracht wurde, nämlich die Regenbogenfahne mit dem italienischen Wort für Frieden – „pace“ – verwendet. Die meisten von Ihnen wissen wahrscheinlich, dass die Regenbogenfahne bei uns als Symbol für die Lesben- und Schwulenbewegung, der auch ich


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angehöre. bekannt geworden ist. Ich finde es sinnvoll und gut, dass diese Fahne jetzt für das Motto des Friedens verwendet wird, denn ohne Frieden haben die Menschenrechte, ganz egal welche, auf dieser Welt überhaupt keine Chance. Ich begrüße es, dass diese Fahne jetzt auch für die Friedensbewegung verwendet wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie ist damit ein Symbol gegen den Krieg, wo wir jetzt täglich auch in den Medienbildern immer mehr sehen, was dieser Krieg denn tatsächlich bedeutet: Leid, Not, Tote, Tränen, Angst und Grauen in den Augen der Menschen, seien es die Zivilisten und Zivilistinnen, seien es die Kriegsgefangenen. Dieses Grauen, meine Damen und Herren, das bedeutet Krieg, und des­wegen treten wir dafür ein, dass dieser Krieg ein Ende findet. Denn: Was nicht geschehen ist, ist, dass nach politischen Alternativen gesucht wurde. Dieser Prozess im Rahmen der UNO wurde gestoppt. Die Inspektoren konnten nicht mehr weiter arbeiten. Diese politischen Alternati­ven, dieser politische Weg wurde nicht mehr weiter gegangen. Deswegen ist dieser Krieg illegitim. Es hätten diese politischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssen.

Deswegen treten auch wir dafür ein, dass die UNO wieder stärker mit einbezogen wird, dass die UNO diese zentrale Rolle, die auch Sie, meine Damen und Herren von der Regierungsbank, in Ihren Reden betont haben – so wie alle hier –, dass diese zentrale Rolle der UNO wieder einge­bracht werden soll, nämlich im Sinne der Einberufung einer Sondergeneralversammlung der UNO, dass diese Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen über die völkerrechtliche und politische Beurteilung dieses Angriffes debattiert. Das ist schon einmal geschehen, nämlich im Koreakrieg, damals auf Initiative der Vereinigten Staaten.

Deswegen bringe ich hier folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Lunacek, Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung einer außerordentlichen Sitzung der UN-Generalversammlung aus Anlass des Krieges im Irak einge­bracht im Zuge der Debatte über die Erklärung des Bundeskanzlers zum Europäischen Rat in Brüssel

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Nationalrat fordert die Bundesregierung auf, Österreich möge sich als UNO-Mitglied für eine Sondersitzung der UN-Generalversammlung zur politischen und völkerrechtlichen Beurteilung des Angriffskrieges im Irak einsetzen.

*****

Es geht darum, die Debatte wieder auf die internationale politische Ebene zu bringen und der Rechtsstaatlichkeit Raum zu geben nach dem Prinzip: Make law, not war! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.44


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Herr Dipl.-Ing. Uwe Scheuch.

Gleichzeitig gebe ich bekannt, dass der Antrag ordnungsgemäß eingebracht wurde und zur Ver­handlung steht.

13.44


Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Werter Herr Präsident! Ich möchte, bevor ich in die Materie eingehe, schon sagen, dass ich es nicht für gut halte, dass die Farben der Schwulen- und Lesbenbewegung im Zuge des Irak-Krieges eingebracht werden, denn dafür ist die Sache im Irak zu ernst und dafür tun mir die Menschen zuviel Leid. (Uh-Rufe bei der SPÖ. – Abg. Dr. Pilz macht die Scheibenwischerbe­wegung.)


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Ich möchte an dieser Stelle auch ganz klar auf die Ausführungen der Frau Mag. Lunacek ein­gehen. Sie hat anscheinend nicht zugehört oder war nicht im Haus, denn Herr Vizekanzler Herbert Haupt hat sich ganz klar gegen diesen Krieg ausgesprochen und hat als Einziger auf der Regierungsbank auch im Gegensatz zum Koalitionspartner ganz klar die Ablehnung dieses Krieges zum Ausdruck gebracht und damit die freiheitliche Position in dieser Sache klargestellt. (Abg. Öllinger: Sie haben sie durch Ihre Wortmeldung jetzt entwertet! – Zwischenruf der Abg. Mag. Stoisits.)

Eigentlich ist der Irak-Krieg zu ernst, als dass Sie immer dazwischenschreien müssen. Sie können es auch weiterhin machen. Dann wissen die Fernsehzuschauer wenigstens, wie ernst es Ihnen mit Ihrer Fahne ist.

Geschätzte Damen und Herren! Saddam Hussein war ja über viele Jahre, ich möchte sagen Jahrzehnte nicht nur geachtet, nicht nur geduldet von Amerika, nein, er war viel mehr, er war ein Verbündeter. Saddam Hussein und sein Regime waren enge Verbündete von Amerika und schon in der Zeit von George Bush 1 Alliierte gegen Khomeini, gegen den Iran. Es ist für mich bedenklich, wenn wir heute in den Medien, etwa im Fernsehen oder in den Zeitungen Fotos von Raketen in der arabischen Welt sehen, auf denen sich nicht arabische Buchstaben und arabische Ziffern befinden, sondern es handelt sich um englische Buchstaben und englische Ziffern, denn es sind amerikanische Waffen.

Ich stelle hier wirklich mit Recht die Frage, mit welcher Berechtigung Amerika sich über alle Konventionen und Beschlüsse hinwegsetzt und damit erreicht, gegen die eigenen Waffen Krieg zu führen. In diesem Zusammenhang ist es bedenklich, dass ein so hochmoderner Staat wie Amerika, der an Waffen und Zahlen einem Lande wie dem Irak weit überlegen ist, ihn vorher auch noch entwaffnen lässt, vorher auch noch die letzten Raketen vernichten lässt, im An­schluss daran bis an die Zähne bewaffnet gegen diesen Staat Krieg führt, aber nicht erst seit einer Woche, nicht erst seit mehreren Wochen, sondern seit Jahren. Denn in Wirklichkeit sind auch dieses Oil-for-Food-Programm, die ganzen Beschränkungen im Irak nichts anderes als ein Krieg gewesen.

Geschätzte Damen und Herren! Es kommt nicht von ungefähr, dass der Chefkoordinator dieses Oil-for-Food-Programms, Graf Hans von Sponeck, zurückgetreten ist. Er sagte dazu: Dieses Programm ist eher ein Völkermord, als dass es Saddam Hussein und sein Regime stürzen würde. – Ich glaube, das sollte uns zu denken geben, denn in Wirklichkeit steht im Mittelpunkt dieses Krieges nur das Geld.

75 Milliarden US-Dollar, meine Damen und Herren, fordert George Bush von seiner Regierung. Nur knapp 3 Prozent, nämlich nicht einmal ganz 3 Milliarden, dienen dem Wiederaufbau und der humanitären Hilfe.

Geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, wir alle sollten hier einer Meinung sein, dass dieser Krieg nicht gutzuheißen ist, und wir sollten hier wirklich noch stärker und noch massiver auftre­ten, um diesen Krieg zu beenden und damit einen neuen zu verhindern. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.47


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Abgeordneter Peter Schieder. Es ist eine Runde mit je 3 Minuten. Es geht sich genau aus, wenn sich alle daran halten. – Bitte, Kollege Schieder.

13.47


Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der österreichische Nationalrat gibt heute zwei wichtige Signale.

Erstens: Österreich ist einig. Alle Parteien, die im Nationalrat vertreten sind, haben in dieser wichtigen Frage des Irak-Krieges eine gemeinsame Linie.


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Zweites Signal: Außer Selbstverteidigung und mit einem UNO-Mandat tolerieren wir keine militärischen Aktionen. Das, was da stattfindet, ist ein unerlaubter Krieg. Wir Sozialdemokraten sagen Nein zu diesem Krieg, und wir Sozialdemokraten sagen: Beendet diesen Krieg so rasch wie möglich! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Es ist heute davon gesprochen worden, ob eine mittlere Linie in der Union, ein Kompromiss, eine gemeinsame Haltung in diesen Fragen möglich gewesen wäre oder sein soll. Meiner Meinung nach sollte Österreich für folgende Linie der Europäischen Union in solchen Fragen eintreten: Mitgliedsländer der EU können sich selbst oder die gesamte EU bei einem Angriff ver­teidigen, aber sie dürfen nicht ohne UN-Mandat einen Krieg führen oder sich an einem solchen beteiligen. Das widerspricht den Zielen der Europäischen Union. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Es fragen sich viele Menschen, warum manche Regierungen in Europa Ja sagen, während so viele Menschen in diesen Ländern gegen den Krieg demonstrie­ren. Ich glaube, es ist ein Mangel der internationalen Politik, dass die Regierungen stark und die Parlamente schwach vertreten sind. Das Gesamtbild Europas kommt besser zur Geltung, wenn alle Kräfte aller Länder ihre Meinung äußern können. Deshalb ist es auch gut, dass ein Verlan­gen auf Abhaltung einer UNO-Vollversammlung vorliegt. Dieser Antrag ist auch von Abgeordne­tem Cap von uns mit unterzeichnet. Wir glauben, je mehr Menschen in der internationalen Poli­tik mitsprechen können, desto klarer wird die Haltung gegen Kriege und Angriffe sein. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

13.50


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Fasslabend. Gleiche Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.50


Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP): Meine Damen und Herren Regierungsmitglie­der! Hohes Haus! Von diesem Haus geht heute eine starke Friedensbotschaft aus. Es ist dies eine Botschaft, die besagt, dass dieser Krieg und all das Leid, das damit verbunden ist, ein rasches Ende finden müssen; eine Botschaft, die besagt, dass es klare Regeln für jegliche militärische Intervention geben soll, auch wenn sie noch so berechtigt ist; und eine Botschaft, die besagt, dass alles unternommen werden muss, damit es nach dieser militärischen Maß­nahme möglichst bald zu einem gemeinsamen Wiederaufbau und zu humanitärer Hilfe kommt.

Wir alle sollten aus diesem Beispiel lernen. Und wenn ich sage, wir sollten aus diesem Beispiel lernen, dann geht es nicht nur darum, klar zu erkennen, was der eine oder der andere hätte tun sollen, sondern es muss uns auch bewusst werden, dass damit die Schwäche des globalen Sicherheitssystems in aller Deutlichkeit zu Tage getreten ist.

Ja, wir haben in der Satzung der Vereinten Nationen relativ klare Regeln. Im Prinzip läuft es darauf hinaus, dass zumindest ein Duldungskonsens zwischen den Ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates vorhanden sein muss. Wir wissen aber auch seit dem Korea-Krieg, dass es in den seltensten Fällen möglich war, tatsächlich einen Konsens herzustellen. Wir wissen daher, dass es nicht nur gut ist, dass eine Regel oder eine Ordnung vorhanden ist, sondern es muss auch die Bereitschaft geben, gemäß dieser Regel zu agieren. Wir müssen uns daher die Frage stellen: Was können wir tun, um in Zukunft dem einen oder dem anderen die Rolle des Welt­polizisten zu ermöglichen, nämlich dann, wenn sie von der Staatengemeinschaft gewünscht ist?

Man muss sagen, dass die Amerikaner diese Rolle in der Vergangenheit sehr maßvoll ausgeübt haben. Was hat es nicht alles an Vorurteilen gegeben? – Sie haben damals mit eigenen Mitteln, als Kuwait überfallen wurde, einen Krieg geführt, um diese Besetzung wieder abzuschütteln. Sie haben damals mit eigenen Mitteln und dem Blut der eigenen Soldaten versucht, die Freiheit für Kurden und Schiiten zu erkämpfen und einen weiteren Krieg gegen den Iran unmöglich zu machen. Es gibt heute keine Ölquelle im Irak, die in amerikanischer Hand ist, sondern die Ab­baurechte sind neben irakischen Firmen in der Hand von französischen, von russischen und


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von chinesischen Firmen. Vielleicht ist die eine oder andere Diskussion eine reine Hypothese, eine reine Vermutung oder nur eine Überlegung, die darauf zurückzuführen ist.

Was wir benötigen, ist ein Instrument, das funktioniert. Wir brauchen nicht nur Regeln, sondern brauchen diese auch de facto, sonst haben wir Willkür, sonst haben wir das Chaos, weil keine Ordnung möglich ist. Das heißt aber auch, dass wir in Europa versuchen müssen, das der­zeitige Scheitern, diesen Scherbenhaufen an gemeinsamer europäischer Sicherheitspolitik nicht einfach zur Kenntnis zu nehmen, sondern dass wir selbstverständlich von diesem Tag an alles unternehmen müssen, um eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik zustande zu brin­gen. (Allgemeiner Beifall.)

13.53


Präsident Dr. Heinz Fischer: Laut meiner Rednerliste ist nun Frau Abgeordnete Dr. Petrovic zu Wort gemeldet. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

13.54


Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung – es sind nur mehr Vertreterinnen und Vertreter der ÖVP anwesend! Ich kann zu den Ausführungen des freiheitlichen Abgeord­neten aus Kärnten nur sagen: Ihr Koalitionspartner. (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé.)

An die Adresse der Freiheitlichen sei gesagt: Gerade in einer solchen Debatte wäre es besser, dass sich die Kärntner Freiheitlichen einer Stellungnahme enthalten. (Abg. Scheibner: Von Ihnen brauchen wir aber keine Belehrungen! Wir reden, wann wir wollen! Wir werden hier das sagen, was wir wollen und nicht das, was Sie uns vorsagen!) Wenn ich an die Reisetätigkeit des Kärntner Landeshauptmannes und an die Solidaritätsadressen des österreichischen Volkes denke, dann meine ich, es wäre besser – da bin ich sehr moderat –, das wäre nie passiert. (Bei­fall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Scheibner: Sie entscheiden nicht, wer hier redet und wer nicht!)

Die Aggressivität Ihrer Stellungnahmen zeugt davon, wie es auch mit Ihrer Einschätzung dieser Thematik aussieht. (Abg. Mag. Mainoni: Es ist besser, Sie bleiben in Niederösterreich! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Immer redet sie mit erhobenem Zeigefinger!)

Ganz kurz zu zwei Punkten: Als ich 1990 im Dezember in das österreichische Parlament ge­kommen bin, war die Situation weltpolitisch ähnlich. Wir haben damals während einer nächt­lichen Sitzung erfahren, dass Bagdad bombardiert wird. Aber es war in wesentlichen Punkten doch anders, denn damals gab es auch hier in diesem Haus eine intensive Polarisierung. Es wurden damals die Bestimmungen über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial ge­lockert; die Opposition war dagegen, die Regierung dafür. Und insofern bin ich bei allen Män­geln, die diese gemeinsame Erklärung noch haben mag, doch sehr froh, dass es eine gemein­same Erklärung dieses Hohen Hauses gibt und dass zumindest indirekt die Völkerrechtsver­letzung sehr klar zum Ausdruck kommt.

Zweiter großer Unterschied: Damals war die Friedensbewegung zwar da, aber sprachlos. Heute sind vor allem die ganz jungen Leute auf der Straße, und ich danke der Jugend, die auch heute da ist, und jenen, die vielleicht von dieser Debatte berichtet bekommen, dass sie sich mit voller Kraft gegen den Krieg einsetzen, denn es ist ihre Zukunft. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Der dritte große Unterschied zu 1990, 1991 ist, dass wir, so glaube ich, alle und auch jene, die hier gewackelt haben, sehen, wie wichtig die Neutralität ist und dass das ein zukunftsorien­tiertes Friedenskonzept ist.

Herr Innenminister! Noch ein Punkt: Sie haben gesagt, die Asylverfahren seien ausgesetzt. Ich halte das für richtig und gut, denn natürlich kann kein einziger Mensch in das Kriegsge­biet ab­ge­schoben, zurückgeschoben werden. Das wäre auch undenkbar. Aber ich ersuche drin­gend, in Fällen echter politischer Verfolgung ...



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Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!


Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): ... den Flüchtlingsstatus zu gewäh­ren (Abg. Scheibner: Halten Sie wenigstens die Redezeit ein!) und damit auch die Möglichkeit zu geben, die vollen Rechte als Flüchtlinge in Anspruch nehmen zu können. (Beifall bei den Grünen.)

13.57


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

13.57


Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Es tut mir wirklich Leid, dass Frau Petrovic keine Gelegenheit versäumt, hier polemisch zu sein. Frau Petrovic! (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Das war Kollege Scheuch!) Es liegt wirklich nicht an Ihnen vorzuschreiben, was jemand von den Freiheitlichen redet und was nicht. Nehmen Sie das auch mit nach Niederösterreich! (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Satzung der Vereinten Nationen überträgt dem Sicherheitsrat die Hauptverantwortung für die Wahrung des Friedens und die internationale Sicherheit. Die Lösung von Konflikten ist nur im Rahmen und im Einklang mit den Satzungen der Vereinten Nationen möglich. Das ist die Theorie. Die Praxis schaut anders aus. Wir wissen jetzt, dass Bush – ich betone: Bush und nicht die USA! – die Kampfhandlungen ohne Zustim­mung des entscheidenden Gremiums aufgenommen hat. Damit haben die USA – das muss man schon sagen – demonstriert, dass sich das Recht des Stärkeren durchgesetzt hat und dass die USA offensichtlich die einzig verbliebene Supermacht sind, die die Mittel und die Fähigkeiten haben, auch solche Kriege ohne Zustimmung des Sicherheitsrates zu führen.

Welcher Schaden dadurch der internationalen Staatengemeinschaft erwachsen ist, können wir wahrscheinlich im Augenblick gar nicht ermessen. Gerade ein Gremium, das geschaffen worden ist, um Konflikte zu regeln, Kriege zu verhindern, wird derartig desavouiert. Das wird natür­lich bedauerlicherweise weit reichende Folgen nach sich ziehen. Es ist sicher auch schwer zu verstehen, dass es auf der einen Seite Staaten gibt, die die Militäraktion durchführen, und auf der anderen Seite Staaten, die die Folgewirkungen zu tragen haben, die humanitäre Hilfe leisten, die Wiederauf­bauhilfe leisten und andere Aktionen starten. Das ist ebenfalls eine Sache, die einmal aufgeklärt werden muss.

Ich möchte noch einmal etwas zu der Entscheidung des Nationalen Sicherheitsrates sagen. Ich möchte noch einmal betonen, dass Österreich relativ wenige Möglichkeiten hat, auf diesen Kon­flikt einzuwirken. Wir haben nicht einmal einen Sitz im Sicherheitsrat und schon gar keine Stimme. Wir können nur hoffen, dass die Kampfhandlungen kurz dauern und möglichst wenige Men­schen darunter leiden. Wir dürfen nicht vergessen, dass auf der einen Seite Saddam Hussein steht, ein Diktator, der 23 Millionen Menschen seit Jahren mittels eines autoritären Regimes unterdrückt hat, dass aber auf der anderen Seite Millionen Menschen unter den Kriegswirren leiden. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Ich bin sehr froh, dass auch der Herr Innenminister gesagt hat, dass für berechtigte Anliegen von Asylanten auf alle Fälle hier in Österreich Sorge getragen wird und dass wir uns bereit erklären, humanitäre Hilfe zu leisten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.00


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. Ihre Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.00


Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Bundes­minister! Frau Bundesministerin! Das Regime Saddam Husseins ist verbrecherisch und wird von den SozialdemokratInnen auf das Schärfste verurteilt. Seit Jahrzehnten hält sich dieser


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Despot nur mit brutalster Unterdrückung an der Macht, und ganz besonders leidet die kurdische Minderheit unter dieser Menschen verachtenden und Menschen vernichtenden Politik. Unver­gessen sind die Bilder der zigtausenden mit Giftgas ermordeten Kurden, die das Terrorregime auf dem Gewissen hat!

Was Europa und die Welt nun entzweit, ist der so genannte Präventivkrieg sowie der Versuch der USA und ihrer Verbündeten, die UNO in eine humanitäre Hilfsorganisation umzufunktionie­ren, damit ihre Bedeutung in der Weltordnung untergraben wird. Hinzu kommt noch die Tat­sache, dass das Völkerrecht durch diesen Angriffskrieg außer Kraft gesetzt wird. Wir Sozial­demokratInnen sind der Meinung, dass die jetzige Bush-Administration diesen Krieg ohne Er­mächtigung durch den UN-Sicherheitsrat begonnen hat. Es gibt keine UN-Resolution, weder die Resolution 1441 noch eine andere, die automatisch die Anwendung militärischer Gewalt ermög­licht beziehungsweise dazu ermächtigen würde.

Es ist somit unsere tiefste Überzeugung, dass dieser Krieg durch keine UNO-Resolution ge­deckt ist. Der Krieg der Bush-Administration und ihrer Verbündeten gegen den Irak und seine Bevölkerung stellt eine Verletzung des Völkerrechts dar. Wir Sozialdemokraten haben daher die Regierung aufgefordert, für die sofortige Beendigung dieses Krieges einzutreten. (Beifall bei der SPÖ.)

Dass nun, wie heute schon öfters betont worden ist, die Vertreter der Parlamentsparteien im Nationalen Sicherheitsrat zu einer Entschließung gekommen sind, ist wirklich eine Sternstunde des österreichischen Parlamentarismus – sofern sie hier heute tatsächlich so beschlossen wird. Was mir Leid tut, ist, dass in dieser Entschließung die Völkerrechtswidrigkeit nicht dezidiert genannt wurde, aber sie kommt inhaltlich sehr wohl zum Ausdruck, und daher kann man sehr gut mit dieser Formulierung leben.

Ich bin davon überzeugt, dass sich Österreich für den Aufbau demokratischer Strukturen und rechtsstaatlicher Institutionen einsetzen wird, und ich bin auch davon überzeugt, dass, wenn die UNO und das alte Europa mit eingebunden sind, dies unter besonderer Berücksichtigung der irakischen Traditionen und mit großem Respekt vor der arabischen Kultur erfolgen wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich noch etwas zur österreichischen Neutralität sagen! Die österreichische Neutralität wurde in der Vergangenheit immer wieder von den Mit­gliedern dieser Bundesregierung in Frage gestellt. Selbst der Bundeskanzler dieser Republik wollte sie schon mit anderen identitätsstiftenden Utensilien wie den Mozartkugeln und den Lipizzanern in das Tabernakel der Geschichte stellen. Dass jetzt niemand mehr die Neutralität in Frage stellt, das ist, so glaube ich, gut so und macht Mut. So gesehen ist das eine sehr wichtige und notwendige Debatte, die hier stattfindet. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Sie können es sich auch nicht verkneifen! Da könnte ich jetzt eine Menge dazu sagen!)

Ich war immer schon eine Verfechterin der Neutralität. Dem ehemaligen Klubobmann Kostelka (Abg. Scheibner: Warum haben Sie es dann 1999 abgeschafft? Warum haben Sie es aus­gehöhlt, wenn Sie so gescheit sind?) habe ich die Neutralität schon unter den Christbaum ge­legt. (Abg. Scheibner: Führen wir diese Debatte besser nicht!) Diesbezüglich weiß ich mich von sehr vielen Österreicherinnen und Österreichern unterstützt; die Neutralität ist für sehr viele Österreicherinnen und Österreicher ein wichtiges Gut, insbesondere in Zeiten wie diesen, in denen es einen Neutralitätsfall gibt, ist sie etwas sehr Wichtiges.

Auch wenn jetzt innegehalten wird, Herr Klubobmann Scheibner, wenn jetzt über den Ankauf von Abfangjägern nachgedacht wird, so glaube ich, sollten wir neben all dem Leid, das wir seit einer Woche auf den Bildschirmen sehen (Abg. Scheibner: Sie vermengen da wirklich ein paar Dinge, die gehören da nicht her!), auch darüber nachdenken, dass die Neutralität etwas Wichti­ges ist, und nicht die Beistandspflicht oder der Beitritt zur NATO. (Beifall bei der SPÖ.)

14.05


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Witt­auer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


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14.06


Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Werte Regierungsmitglieder! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Dies sind traurige Tage, und alle Menschen, vor allem Frauen und Kinder, die von diesem Krieg betroffen sind, haben mein Mitgefühl. Ich kann und will nicht akzeptieren, dass dieser Krieg gegen Saddam Hussein die Lösung sein soll. Als über­zeugter Europäer, der an das Friedensprojekt Europa glaubt, ist es schwer zu begreifen, dass sich die Weltmacht Amerika über das Völkerrecht hinwegsetzt. Österreich kann in dieser schrecklichen Situation helfen, wenn dieser Krieg so schnell wie möglich beendet wird. Mit unserem Status in dieser Welt werden wir dort, wo andere nicht mehr miteinander sprechen können, vermitteln und ausgleichend tätig sein können. Humanitäre Hilfe muss eine Selbstver­ständlichkeit sein. Diese Regierung ist ein Garant dafür!

Als Mensch, der in einer scheinbar gesicherten Umwelt, Umgebung lebt, begreife ich nicht, dass die Sozialdemokraten und die Grünen dieses Plenum für ihren Wahlkampf in Niederösterreich missbrauchen. Stattdessen sollten wir alle in uns gehen und dafür beten, dass das Leid der irakischen Bevölkerung und all der anderen, die den Krieg überleben müssen, so schnell wie möglich ein Ende findet. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Bewunderung gilt einem Mann wie Michael Moore, der seine eindringliche Rede bei der Oscar-Verleihung mit den Worten „Schämen Sie sich, Herr Bush!“ beendet hat. Auch ich be­ende meine Rede damit: „Schämen Sie sich, Herr Bush!“ (Beifall der Abgeordne­ten Scheibner und Dr. Khol.)

14.07


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte.

14.08


Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregie­rung! Hohes Haus! US-Präsident George Bush bricht einen Krieg vom Zaun, der zu einer enor­men Destabilisierung im Nahen Osten führt. Die israelische Regierung wird dazu gedrängt, ge­genüber Terror-Attentaten noch vorsichtiger und damit gleichzeitig noch repressiver gegenüber ihren arabischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern zu sein. Die palästinensische Autonomie wird in die Rolle des Feinds der freien Welt gepresst und zu einem Teil der Schurkenachse degra­diert.

Das politische Ziel im Nahen Osten ist, so denke ich, uns allen klar: Wir wollen eine friedliche Koexistenz von Juden und von Arabern, wir wollen eine lebendige Demokratie in zwei souverä­nen Staaten, mit zwei Verfassungen, die geprägt sind von den Werten der Toleranz und der Solidarität.

Dieser Krieg lässt dieses hehre Ziel noch weiter entschwinden, als es jetzt schon entfernt ist. Dieser Krieg lässt UNO-Resolutionen, die sich mit dem Thema befassen, noch abstrakter er­scheinen, als sie das jetzt schon sind. Diese UNO-Resolutionen verurteilen auf der einen Seite Terror-Akte palästinensischer Organisationen, und sie missbilligen zum anderen Übergriffe der israelischen Armee. Diese UNO-Resolutionen sind von uns, sind von der Staatengemeinschaft ebenso ernst zu nehmen wie jene UNO-Resolutionen, die es zum Irak-Krieg gibt. Wir dürfen auch diese nicht vergessen und müssen an der Umsetzung dieser UNO-Resolutionen arbeiten.

Im Übrigen würde ich mir als Sozialdemokratin wünschen, dass Österreich – der sehr guten Tradition Bruno Kreiskys folgend – eine wesentlich aktivere diplomatische Rolle im Nahen Osten spielen würde. (Beifall bei der SPÖ.)

US-Präsident George Bush bricht einen Krieg vom Zaun und beantragt dafür im Kongress 74 Milliarden US-Dollar. Nach Schätzungen von Experten sind aber diese 74 Milliarden als Ge­samtkosten viel zu tief angesetzt. Es geistern Zahlen von 180 bis 200 Milliarden US-Dollar durch die Gegend – die Ausgaben der Bündnispartner mitgerechnet.

Ich würde gerne diese unvorstellbare Zahl von 200 Milliarden US-Dollar in Vergleich zu einer ande­ren Zahl setzen, nämlich zu der Zahl, die im Jahr 2000 international, weltweit für Entwick­lungs­­hilfe ausgegeben worden ist, nämlich 57 Milliarden US-Dollar. 57 Milliarden US-Dollar


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wurden weltweit von allen Geberländern für alle weniger entwickelten Länder ausgegeben, das ist also ein Bruchteil.

Wenn nur ein Bruchteil dieser Kriegskosten seit dem letzten Golfkrieg in die Entwicklung dieser Region investiert worden wäre, dann wäre es gelungen, allen Menschen dort eine Ausbildung zu verschaffen – eine Ausbildung, die eine ganz wesentliche Voraussetzung für eine Demokra­tisierung darstellt, dann wäre es gelungen, in eine soziale Infrastruktur zu investieren und Men­schen bessere Lebensmöglichkeiten zu geben. Es wäre gelungen, eine freie Presse zu etablie­ren, es wäre gelungen, das Selbstbestimmungsrecht der Menschen zu stärken, und es wäre gelungen, das Empowerment der irakischen Frauen zu ermöglichen – ich wage zu behaupten, es gäbe längst eine funktionierende Demokratie im Irak.

Ein Diktator Saddam Hussein, ein Militärregime, die ständige Verletzung von Menschenrechten, die mögliche Produktion von Massenvernichtungswaffen, die Beschränkung der Meinungsfrei­heit und die Unterdrückung von Minderheiten – all das sind Gründe, die nun für diesen völker­rechtswidrigen Krieg ins Treffen geführt werden. Aber es sind dies Gründe, die unter Umstän­den gar nicht mehr existent wären. Hätten wir und hätte sich die Staatengemeinschaft dafür ausgesprochen, dort nur einen kleinen Teil dieser enormen finanziellen Leistungen, die jetzt für einen Krieg verschwendet werden, zu investieren, dann wäre längst, so behaupte ich, der Irak ein entwickeltes und prosperierendes Land. Ich unterstelle nur, dass genau die Länder, die jetzt diesen Krieg führen, eben daran gar kein Interesse haben.

Krieg ist nie ein Beitrag zur Entwicklung. Unterentwicklung erzeugt Not und Verzweiflung, die sehr oft in mannigfaltiger Art und Weise zu Ausnahmezuständen führt. Unsere österreichische Entwicklungszusammenarbeit ist ein kleiner – und ich behaupte, ein leider viel zu kleiner – Beitrag zur Verbesserung der Lebenssituation der Menschen in dieser Region. Mit unserem kleinen Beitrag sind wir durchaus friedensstiftend.

Internationale Konflikte können und müssen mit friedlichen politischen Mitteln gelöst werden. Dafür gehen unter dem Zeichen der Friedensfahne seit dem Angriff der USA weltweit Millio­nen – und auch in Österreich sind es eindrucksvoll viele Zehntausende – Menschen auf die Straße. Darunter sind viele junge Menschen. Von Politikverdrossenheit ist überhaupt nichts zu spüren. Diese jungen und diese alten Menschen, diese Männer, diese Frauen haben unsere uneingeschränkte Solidarität als SozialdemokratInnen, wenn sie fordern: Stoppt diesen Krieg! (Beifall bei der SPÖ.)

14.13


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. – Bitte.

14.13


Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Bei den Bildern, die uns die Medien zu diesem Krieg ins Haus liefern, fühlt man sich durch die Art der Be­richterstattung oft mehr an ein sportliches Ereignis erinnert als an die wirklichen menschlichen Tragödien, die sich abspielen. Wenn es darum geht, welches Gerät welches Ziel trifft oder nicht, dann hält man sich doch oft zu wenig vor Augen, dass in diesen Gebäuden, die gerade getrof­fen oder nicht getroffen wurden, Menschen leben, Menschen getötet worden sind und sich dort in diesem Augenblick menschliche Tragödien live vor unseren Augen abspielen.

Die UNO schätzt die Folgen dieses Krieges so ein, dass 100 000 Menschen im Bombenhagel sterben könnten, 500 000 Menschen in diesem Krieg verletzt werden könnten, 7,4 Millionen Menschen auf sofortige Hilfsmaßnahmen angewiesen sein werden und dass 1,5 Millionen Men­schen vermutlich zu flüchten versuchen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! All das – Zerstörung, Flucht, Angst, Verletzte – passiert in einem Staat, dessen Bevölkerung bereits vor dieser kriegerischen Auseinandersetzung unter dra­matischer medi­zinischer Unterversorgung, dramatischer Mangelernährung zu leiden hatte. Es droht ein großes Flüchtlingsdrama, es beginnt bereits. Schon heute stehen über


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20 000 Men­­schen an der Grenze zum Iran. Humanitäre Hilfe ist umgehend notwendig und um­gehend angesagt.

Es ist zu begrüßen, dass die UNO das Oil-for-Food-Programm wieder anlaufen lassen will so­wie dass die UNO überhaupt in den nächsten Wochen und Monaten und vermutlich Jahren eine wichtige Rolle im Irak wird übernehmen müssen. Völkerrechtlich ist es wohl klar, dass jene, die den Krieg führen, die den Krieg beginnen, diejenigen sind, die auch die Verantwortung für die sofortige Notversorgung der Zivilbevölkerung tragen. Allerdings hören wir bereits Berichte, dass die Truppen zerstören, durchmarschieren und die Zivilbevölkerung ohne Hilfeleistung zurück­lassen.

Humanitäre Hilfe und Wiederaufbauarbeit dürfen selbstverständlich nicht den Tätern alleine überlassen bleiben, daher wird der UNO eine wichtige Rolle beim Wiederaufbau und beim Aufbau von demokratischen Strukturen im Irak zukommen müssen.

Auch wenn die Arbeitsteilung, dass die einen Krieg führen, zerstören – einen Krieg, der völker­rechtlich nicht legitimiert ist! –, und alle anderen dabei sein sollen, wenn es darum geht, Hilfe­leistungen zu vollbringen, beim Wiederaufbau dabei zu sein, nicht ganz korrekt ist, so ist es doch klar, dass Österreich da nicht zuschauen kann, dass auch wir unsere Verpflichtungen haben und unsere Verpflichtungen ernst nehmen müssen – unsere Verpflichtung, Leid zu lindern. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist wichtig, dass heute auch vom österreichischen Parlament das klare Bekenntnis ausgeht, dass sich Österreich an humanitärer Hilfe beteiligen, Projekte unterstützen wird, auch Hilfs­organisationen unterstützen muss, die diese Projekte durchführen werden, und dass Österreich jenen, die in unser Land kommen und hier um Asyl ansuchen, hier Hilfe brauchen, diese Hilfe selbstverständlich zukommen lassen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

14.17


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, Platz zu nehmen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Spindelegger, Schieder, Scheibner, Dr. Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Krieg im Irak.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein diesbezüg­liches Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen. (E 4.) (Allgemeiner Beifall.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Lunacek, Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung einer außerordent­lichen Sitzung der UN-Generalversammlung aus Anlass des Krieges im Irak.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

1. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (10 der Beilagen): Bundes­gesetz, mit dem eine vorläufige Vorsorge für das Finanzjahr 2003 getroffen wird (Gesetz­liches Budgetprovisorium 2003) (19 der Beilagen)


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Als erster Redner hat sich Herr Abgeordneter Dr. Matznetter zu Wort gemeldet. Seine Redezeit beträgt vereinbarungsgemäß 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.19


Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Der erste Tagesordnungspunkt bringt uns ein Provisorium. Bevor wir über dieses Provisorium sprechen,


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sollten wir über das Ergebnis der ersten zweieinhalb Jahre der Regierungstätigkeit von ÖVP und FPÖ reden.

Wir haben mit Ende 2002 eine Maastricht-relevante öffentliche Verschuldung in der Höhe von 146,55 Milliarden €, das sind über 2 000 Milliarden Schilling. Das ist der höchste Schulden­stand, den dieses Land je erlebt hat. (Rufe bei der SPÖ: Wau!) Diesen Schuldenstand haben wir trotz höchster Steuer- und Abgabenquoten. (Ruf: Schulden-Rudi!) Es ist der Schulden-Karl-Heinzi, richtig, Herr Abgeordneter, so ist es! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man nach den Ursachen dafür forscht und sich fragt, wie denn das sein kann, dann kann man sagen, die Antwort liegt auf der Hand: Man hat die Einnahmen erhöht, man hat so getan, als würde man sparen, aber gleichzeitig sind die Ausgaben außer Rand und Band geraten.

Wenn wenigstens in diesen zweieinhalb Jahren strukturell etwas geschehen wäre! Aber es ist nichts geschehen. (Abg. Wittauer: 30 Jahre Sozialdemokratie haben wir gehabt!) Wir haben nun eine neue, wieder schwarz-blaue Bundesregierung, die den doppelten Konsolidierungs­bedarf des Jahres 1999 hat: über 200 Milliarden Schilling oder 14 Milliarden €.

Sparen, meine Damen und Herren, heißt nämlich, weniger auszugeben und nicht den anderen das Geld wegzunehmen. Sparen heißt nicht, höhere Finanzschulden anzuhäufen, sparen heißt nicht 67,9 Prozent des BIP als öffentliche Verschuldungsquote!

Die Leute, die auf der Kärntner Straße spazieren gehen, konnten auf einer Laufschrift sehen, wie die Finanzen angeblich besser werden. Irgendwann ist die Laufschrift dann verschwun­den, und irgendwann prangte nur noch „Österreich hat Zukunft – keine neuen Schulden“. – Diese Propaganda durften die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zahlen, anstatt dass dort die Wahr­heit gestanden wäre. Unter der SPÖ hatte das Land noch Zukunft, jetzt haben wir nur höhere Schulden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Wie hoch waren denn die Schulden bei Ihnen? Wie hoch waren denn die Schulden bei Ihnen?)

Etwas, das auch für Herrn Abgeordneten Scheibner von Interesse ist: Alleine 10 Prozent Zu­wachs hatten Sie als Verteidigungsminister mitzuverantworten – 10 Prozent der gesamten öf­fentli­chen Verschuldung! (Abg. Scheibner: Sagen Sie, wie hoch das Defizit unter Edlinger war! Sagen Sie, wie hoch das Defizit unter Edlinger war!) Ich weiß schon, dass Kollege Scheib­ner aus Empörung steht, Sie dürfen sich ruhig setzen. 10 Prozent höhere Schulden, verantwor­tet durch einen Bundeskanzler Schüssel und einen Minister Grasser und durch einen heute dazwischenredenden Ex-Verteidigungsminister. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Das darf ich ja noch, oder? Aber Sie sagen mir nicht, wie hoch das Defizit war!)

Diese Schuldenpolitik wird mit dem jetzigen Budgetprovisorium fortgesetzt. Wir haben erstmalig die Situation (Abg. Scheibner: 100 Milliarden nur an Zinszahlungen!), dass die Aufnahme der Finanzschulden im Jahr 2003 bereits Anfang April 2003 zu 50 Prozent überschritten wird. (Zwischenruf des Abg. Scheibner.) Kein Problem, Sie können gerne im Budgetausschuss zu­hören. Wenn Sie da wären, würden Sie es hören.

Anfang April wird die Grenze des verfassungsmäßigen Budgetprovisoriums überschritten – das wurde uns sowohl durch den Geschäftsführer der Bundesfinanzierungsagentur als auch durch den Vorsitzenden des Staatsschuldenausschusses bestätigt –, weil in der Finanzierung der sich immer mehr „ausweitenden“ öffentlichen Ausgaben keine Grenze zu finden ist. Diese Schulden­aufnahme ist ein Teil der Fortsetzung Ihrer Politik, die heißt: ungebremstes Schuldenmachen, und es wird im Budget 2003 nicht besser werden. (Abg. Dr. Jarolim: Geld für Dummheit!) – Das Problem ist nur, wenn die Dummen das Geld selbst hätten, wäre es einfach, aber es zahlt leider jeder Österreicher und jede Österreicherin.

Jetzt haben wir ein Budgetprovisorium, in dem eine 5-prozentige lineare Bindung vorgesehen ist. Was heißt denn das? – Das heißt in Wirklichkeit nichts anderes, als dass nach Bedeckung der gesetzlichen Ausgaben wesentliche Ausgaben dieser Republik bis zum In-Kraft-Treten des endgültigen Budgets Ende Juni nicht getätigt werden können. Die realen Auswirkungen haben wir schon gesehen: Die drei Volksanwälte – auch jene der FPÖ und der ÖVP – mussten bereits


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ihre Sprechtage im Westen Österreichs einstellen; im Bereich der Forschung und Entwicklung stehen die Projekte – es drohen die Forscher abzuwandern –, und wir haben realiter eine Situa­tion, in der schon jetzt durch den Vollzug des Provisoriums eine ordnungsgemäße Verwaltung verhindert wird.

Die SPÖ hat im Jahr 2000 einem Provisorium zugestimmt, das auf den Ansätzen des letzten ordentlichen Budgets in diesem Haus basiert hat, nämlich jenem, das noch unter Rudolf Edlinger gemacht wurde. Wir werden diesmal dem Provisorium nicht zustimmen (Abg. Wattaul: Das glaube ich, weil ihr euch nicht auskennt!), und zwar ganz einfach deswegen: Es beruht auf Ansätzen des Bundesvoranschlages 2002 – eines Voranschlages, den dieses Haus beschlos­sen hat, um angeblich ein Nulldefizit zu erreichen. Warum ist dieses Nulldefizit nicht eingetre­ten? – Nicht wegen des Hochwassers (Abg. Wattaul: Warum seid ihr abgewählt worden?), nicht wegen der Konjunktur, sondern weil Sie die Ausgaben nicht im Griff hatten! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wittauer: Sie reden die Unwahrheit!)

Bei einem Voranschlag, der 59,38 Milliarden € an Ausgaben vorsieht, gibt Herr Minister Gras­ser – unser neuer, früher blauer, jetzt farbloser Minister Grasser – heute 61,8 Milliarden € in seinen Ausgaben des allgemeinen Haushaltes bekannt. Er hat die höchste Abweichung, die je ein Finanzminister hatte, weil er bei den Ausgaben nicht einmal irgendeine Kontrolle walten ließ. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Diese Ausgaben sind keine Konjunkturfrage, diese Ausgaben heißen: kein ordnungsgemäßer Vollzug, weil da jemand sitzt, der nur darauf bedacht ist, dass er mit dem Revolver abgebildet wird, auf Kosten der Steuerzahler Propaganda macht und sich nicht um sein Budget kümmern will. (Abg. Wattaul: Geh hör auf! Eure Zinsen müssen wir jetzt büßen!)

Wäre es ein privater Betrieb, dann wäre dieser Finanzchef schon gekündigt. (Abg. Wattaul: Ihr seid eh gekündigt worden!) Das ist genau jenes, was man Bundeskanzler Schüssel dringend ans Herz legen kann: Entlassen Sie einen Finanzchef, der das eigene, von ihm erstellte Budget so weit verfehlt! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Es ist klar, dass die Damen und Herren der Regierungsfraktionen schreien müssen, denn sie sind nur noch marktschreierisch unterwegs. Allerdings muss man den Marktschreiern zugute halten, die Gemüseraffel, die sie auf der Straße verkaufen, mag schlecht sein, aber sie raffelt wenigstens Gemüse. Sie verkaufen eine Finanzpolitik, die so nicht stattfindet. (Beifall bei der SPÖ.)

2003 hätte das Jahr der Ernte werden sollen. Ich frage mich, was wir geerntet haben. Geerntet haben wir ein Knittelfeld, bei der sich die FPÖ festgelegt hat, dass es zu einer Entlastung der Steuerzahler kommen soll, und zwar (Abg. Dr. Jarolim: Einen Bundeskanzler haben wir geerntet!) – den haben wir auch geerntet – im Jahr 2003. Wo haben wir denn die Entlastung? – Belastungen haben wir, und ich weiß, die Stimmlage der Abgeordneten hat noch nicht gelitten. (Zwischenruf.) – Wenn wir so manche Dummheit besteuern könnten, wäre unter Umständen viel Geld da.

Nun aber zur Steuerreform selbst: Es gibt nun ein Regierungsprogramm, das eine Steuerentlas­tung vorsieht, und zwar unter anderem völlige Steuerfreiheit für die Einkommen bis 14 500 €. (Abg. Dr. Stummvoll: Das haben Sie abgelehnt!) Es gibt also eine Absichtserklärung im Regie­rungsprogramm. Eine Woche später – was heißt, drei Tage später! – kommt Finanzminister Grasser und sagt, er könne das nicht garantieren.

Daher haben wir – damit sich auch die Fraktion und jene, die angeblich sagen, das komme so und so, festlegen können – genau diesen Text gemeinsam mit den Grünen in einem Entschlie­ßungsantrag vorgebracht, den ich hier verlesen will:


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Kogler, Dr. Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einkom­mensteuersenkung

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, zur ansatzweisen Unterstützung von Wachstum und Beschäftigung sowie als Teil-Beitrag zur Armutsbekämpfung eine Novelle zum EStG dem Nationalrat vorzulegen, die eine Entlastung der unteren und mittleren Einkommen unter anderem durch eine vollständige Steuerentlastung für Brutto-Jahreseinkommen bis knapp 14 500 € ab 1. 1. 2004 sicherstellt.

*****

Am Abstimmungsverhalten der Kolleginnen und Kollegen werden wir jetzt erkennen, wie ernst es Ihnen ist. Ich habe meine Zweifel, denn in Wirklichkeit wird nur eines sicher sein: Belastun­gen, Untätigkeit und letztlich ein Schaden für das Land durch diese Budget- und Finanzpolitik. – Danke, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

14.29


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben von Herrn Abgeordnetem Dr. Matznetter verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Kogler, Dr. Matznetter ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Auer. – Bitte.

14.29


Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir behandeln das gesetzliche Budgetprovisorium 2003 oder, richtig be­zeichnet, ein Bundesgesetz, mit dem eine vorläufige Vorsorge für das Finanzjahr 2003 getroffen wird. Ich bringe gleich zu Beginn einen umfangreichen Abänderungsantrag der Abgeordneten Jakob Auer, Dipl.-Ing. Prinzhorn und Kollegen ein und darf diesen gemäß Paragraph 53 Absatz 4 in seinen Kernpunkten erläutern.

Die Kernpunkte sind die Schaffung der verrechnungstechnischen Vorraussetzungen für die Auswirkungen auf die budgetäre Struktur durch die Bundesministeriengesetz-Novelle 2003 in Folge des In-Kraft-Tretens ab 1. Mai dieses Jahres. Da das Bundesfinanzgesetz 2003 am 1. Juli 2003 in Kraft treten wird, ist für den Zeitraum zwischen dem 1. Mai dieses Jahres und dem 30. Juni dieses Jahres die der neuen Kompetenzverteilung entsprechende Budgetstruktur vorzusehen.

Außerdem ist die Umstellung der Haushaltsverrechnung in den Finanzkapiteln auf SAP R/3 und die Zusammenführung der Kapitel 63 und 64 in das Kapitel 63 im Einvernehmen mit dem Bun­desministerium für Wirtschaft und Arbeit ohne Änderung der jeweiligen Höhe der davon betrof­fenen Ausgaben und Einnahmen vorgesehen.

Meine Damen und Herren! Damit in die Debatte und kurz zu dem, was uns Kollege Matznetter mit kräftiger Stimme vorzutragen versucht hat. (Abg. Wattaul: Er kennt sich nicht aus!) Sparen, so meinte er, heißt, weniger auszugeben. – Ja, dem ist beizupflichten. Hätte die Bundesregie­rung, hätte die Mehrheit dieses Hauses all das ausgegeben, was diese Seite (in Richtung SPÖ) in den letzten Jahren gefordert hat, dann gäbe es nicht nur eine Explosion, sondern eine Eruption des Budgetdefizits, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Schuldenpolitik, so meinte er weiters, würde mit diesem Budgetprovisorium fortgesetzt. Ungebremstes – das sei Ihnen in Erinnerung gerufen – Schuldenmachen ist nur mit SPÖ-Finanzministern in Einklang zu bringen, aber nicht mit einem Bundesminister für Finanzen Karl-Heinz Grasser oder einem Staatssekretär Finz, meine Damen und Herren! Die Lautstärke – das


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sollte sich gerade Kollege Matznetter zu Herzen nehmen – ersetzt noch lange nicht schwache Argumente. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Auf den von der SPÖ eingebrachten Entschließungsantrag wird mein Kollege Stummvoll noch Bezug nehmen. Kollege Matznetter meinte, das Ergebnis dieser zweieinhalb oder drei Jahre Tätigkeit der letzten Bundesregierung sei nicht beeindruckend ge­we­sen. Ich meine, dass diese Budgetpolitik, diese Änderung des Schuldenmachens tatsächlich beeindruckend war, weil heute anders, sorgsamer umgegangen wird! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der Freiheitlichen.)

Es sei auch klar gemacht, dass es für das kommende Budget verschiedene Schwerpunkte geben wird, nämlich: ein Schwerpunkt liegt auf der Forschung, ein Schwerpunkt liegt im Bereich Bildung, und ein weiterer Schwerpunkt ist die Infrastruktur. (Abg. Öllinger: Ziemlich leicht die Schwerpunkte!) Wenn – das ist hier sehr oft bestätigt worden – das Budget die in Zahlen gegossene Politik ist, meine Damen und Herren, dann war die Politik der letzten Jahre erfolgreich, und es wird die Politik der nächsten Jahre sehr erfolgreich sein! (Abg. Öllinger: Was war da erfolgreich?)

Jeder, der sich mit Budgetexperten, mit Finanzexperten unterhält, der sich mit diesem Thema beschäftigt, wird zugeben müssen, dass es eine vorausschauende Maßnahme ist, wenn dieses Budgetprovisorium beschlossen wird; denn Finanzmärkte reagieren sehr empfindlich, wenn man meint, dieses bräuchte man nicht. Würde man es nicht brauchen, dann frage ich mich, warum es frühere Bundesregierungen – auch unter früheren SPÖ-Finanzministern – ebenfalls so gemacht haben, meine Damen und Herren! In diesem Punkt kann man auch einem Finanz­minister aus früheren Zeiten keinen Vorwurf machen.

Meine Damen und Herren! Hätten wir diese Vorgangsweise nicht gewählt, könnte dies, so lautete die Aussage der Budgetexperten im Budgetausschuss, durchaus den österreichischen Staat zwischen 85 und 95 Millionen € kosten.

Meine Damen und Herren! Deutschland ist jenes Land mit jener Regierung, das von der linken Seite des Hauses so viel gepriesen wurde, in dem alles besser wäre, in dem eine hervorra­gende Bundesregierung, die auch das Muster für eine österreichische Regierung gewesen wäre, am Werk ist. Deutschland zahlt immerhin 10 bis 15 Basispunkte mehr. Dann lese ich den verschiedensten deutschen Zeitungen, Deutschland sei am Rande der Rezession. Die deutsche Bundesbank schlägt Alarm, dabei ist dieser Bundesbank-Präsident in Deutschland nicht von der CDU oder gar von der bösen CSU – nein, es ist ein Landsmann des Herrn Bun­deskanzlers Schröder, auch ein SPD-Kollege des Herrn Bundeskanzlers. (Abg. Öllinger: Woher wissen Sie das?)

In einem 21-seitigen Schreiben werden grundlegende Reformen verlangt! Dann meinte Kollege Matznetter im Budgetausschuss, dass, würde der deutsche Finanzminister Eichel denselben Griff in die Taschen der Steuerzahler machen wie der öster­reichische Finanzminister, das Bud­getdefizit in Deutschland wesentlich geringer und die Wirt­schaft angekurbelt wäre; im glei­chen Atemzug verlangte er – darüber kann man durchaus diskutieren – die Steuerreform, die auch von dieser Bundesregierung beabsichtigt ist, in einem größeren Ausmaß, als sie jemals früher gemacht wurde.

Wenn es schon in Deutschland so geringe Steuern und eine solch geringe Abgabenquote gibt, dann frage ich mich, meine Damen und Herren, warum in Deutschland die Wirtschaft nicht funktioniert, eine extrem große Zahl von Arbeitslosen gegeben ist und alleine im Bankensektor in Deutschland rund 100 000 Jobs wackeln. (Abg. Dr. Stummvoll: Rot-grün!)

Meine Damen und Herren! Eine derartige Wirtschafts- und Finanzpolitik können wir uns erspa­ren, wir machen eine sorgsame österreichische Finanzpolitik mit einem Bundeskanzler Schüs­sel, mit einem Bundesminister Grasser! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter. – Abg. Wittauer: Haupt nicht vergessen!)


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Auch würden wir uns in Österreich sehr bedanken, wenn es dem österreichischen Bundes­minister für Finanzen so erginge wie dem deutschen, nämlich dass er einen blauen Brief von Brüssel erhält! (Abg. Dr. Gusenbauer: Was heißt das: Hohe Steuern heißt gute Wirtschafts­lage? Sie sollten nachdenken, bevor Sie reden! Denken Sie nach, bevor Sie reden! Das würde uns Peinlichkeiten ersparen!) – Herr Kollege Gusenbauer, auch wenn es Sie schmerzt – ich ver­stehe das, es schmerzt Sie, diese Erfolgszahlen schmerzen Sie, das sei natürlich zugegeben, das schmerzt sie.

Oder noch ein weiteres Beispiel, meine Damen und Herren, das Investitionsbudget. (Zwischen­ruf des Abg. Oberhaidinger.) – Lieber Kollege Oberhaidinger! Du bist zwar gut im Laufen, aber die Finanz- und Budgetpolitik überlass besser uns!

Meine Damen und Herren! Nur ein kleines Beispiel: Die Bundesrepublik Deutschland ist in etwa 60-mal so groß wie das kleine Bundesland Oberösterreich. Die investitionsfrei verfügbaren Mittel sind in Deutschland ganze sieben Mal so hoch wie in Oberösterreich. Daher sieht man auch an diesem kleinen Beispiel, dass die österreichische Budgetpolitik des Bundes und der Bundesländer ungleich besser ist als jene der von Ihnen so gepriesenen Regierungsform in unserem großen Nachbarland. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.38


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der von Herrn Abgeordnetem Auer in seinen Kern­punkten erläuterte Abänderungsantrag ist auch verteilt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Abänderungsantrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Jakob Auer, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem eine vorläufige Vorsorge für das Finanzjahr 2003 getroffen wird (Gesetzliches Budgetprovisorium 2003) (10 der Beilagen), in der Fassung des Berichtes des Budgetausschusses (19 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

1. Im § 3 wird nach der Z 4 der Punkt durch einen Strichpunkt ersetzt und folgende neue Z 5 angefügt:

„5. bei den Voranschlagsansätzen des Ermessens des Titels 585 für Zahlungen aus kurzfristi­gen Verpflichtungen im Ausmaß jenes Betrages, der durch gleichhohe Ausgabeneinsparungen beim Titel 519 sichergestellt werden kann.“

2. Im § 4 Abs. 1 lautet der Einleitungssatz:

„(1) Zur Verrechnung der Ausgaben und Einnahmen des Bundes im Zusammenhang mit der Umstellung der Haushaltsverrechnung im Bundesministerium für Finanzen auf SAP R/3 werden folgende Kapitelbezeichnung, Titel, Paragrafe und Voranschlagsansätze eröffnet bzw. geän­dert:“

3. Im § 4 Abs. 1 werden folgende Ziffern 9 bis 11 angefügt:

„9. Die Verrechnung der Ausgaben des Paragrafen 1/5024 „Zahlungen an Innovations- und Technologiefonds“ erfolgt beim Paragraf 1/5109 „Zahlungen an Innovations- und Technologie­fonds“.

10. Die Verrechnung der Einnahmen des Voranschlagsansatzes 2/54834/43 „Verschiedene Ab­fuhren“ erfolgt beim Voranschlagsansatz 2/53904/43 „Einnahmen aus Abfuhren gem. KatFG“.


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11. Kapitel 58 „Finanzschuld, Währungstauschverträge“ erhält die Bezeichnung „Finanzierun­gen, Währungstauschverträge“. Zur Verrechnung der Ausgaben und Einnahmen im Zusammen­hang mit kurzfristigen Verpflichtungen wird der Titel 585 „Kurzfristige Verpflichtungen“ geschaf­fen, dem der Paragraf 5850 „In heimischer Währung“ mit den Voranschlagsansätzen 1/58508/43 „Verzinsung und Aufgeld“, 2/58504/43 „Erfolgswirksame Einnahmen“, 7/58509/43 „Tilgung“ und 8/58509/43 „Erlöse“, weiters der Paragraf 5851 „In fremder Währung“ mit den Voranschlagsansätzen 1/58518/43 „Verzinsung und Aufgeld“, 2/58514/43 „Erfolgswirksame Einnahmen“, 7/58519/43 „Tilgung“ und 8/58519/43 „Erlöse“, weiters der Paragraf 5852 „Devi­sentermingeschäfte“ mit den Voranschlagsansätzen 1/58528/43 „Aufwendungen“, 2/58524/43 „Erfolgswirksame Einnahmen“, 7/58529/43 „Aufwendungen (B)“ und 8/58529/43 „Bestandswirk­same Einnahmen“, weiters der Paragraf 5854 „Gegenposition in heimischer Währung“ mit den Voranschlagsansätzen 1/58548/43 „Verzinsung und Aufgeld“, 2/58544/43 „Erfolgswirksame Einnahmen“, 7/58549/43 „Tilgung“ und 8/58549/43 „Erlöse“, weiters der Paragraf 5855 „Gegen­position in fremder Währung“ mit den Voranschlagsansätzen 1/58558/43 „Verzinsung und Aufgeld“, 2/58554/43 „Erfolgswirksame Einnahmen“, 7/58559/43 „Tilgung“ und 8/58559/43 „Er­löse“, weiters der Paragraf 5856 „Gegenposition Devisentermingeschäfte“ mit den Voran­schlagsansätzen 1/58568/43 „Aufwendungen“, 2/58564/43 „Erfolgswirksame Einnahmen“ 7/58569/43 „Aufwendungen (B)“ und 8/58569/43 „Bestandswirksame Einnahmen“, weiters der Paragraf 5858 „Sonstiger Aufwand“ mit den Voranschlagsansätzen 1/58588/43 „Aufwendun­gen“ und 2/58584/43 „Erfolgswirksame Einnahmen“ sowie der Paragraf 5859 „Gegenposition sonstiger Aufwand“ mit den Voranschlagsansätzen 1/58598/43 „Aufwendungen“ und 2/58594/43 „Erfolgswirksame Einnahmen“ zugeordnet werden.“

4. Im § 5 wird folgender neuer Absatz 3 angefügt:

„(3) Durch die Zusammenführung der Kapitel 63 und 64 erfolgt die Verrechnung der Ausgaben und Einnahmen des Titels 634 "Bundesministerium; Sonstiger Zweckaufwand" unter dem Titel 637 "Bundesministerium; Sonstiger Zweckaufwand", die des Titels 646 "Liegenschaftsverwal­tung" beim Paragraf 6324 "Liegenschaftsverwaltung", die des Titels 647 „Bundesgebäudever­waltung (Hochbau)“ beim Paragraf 6323 Kulturbauten“, die des Titels 649 "Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen" beim Paragraf 6309 "Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen", die des Paragrafen 6401 "Bundesmobilienverwaltung" beim Paragraf 6305 "Bundesmobilienver­waltung", die des Paragrafen 6402 "Schönbrunner Tiergartenamt" beim Paragraf 6331 "Schön­brunner Tiergartenamt", die des Paragrafen 6403 "Beschussämter" beim Paragraf 6307 "Be­schussämter", die des Paragrafen 6404 "Amt der Bundesimmobilien" beim Paragraf 6332 "Amt der Bundesimmobilien", die des Paragrafen 6407 "Regierungsgebäude" beim Paragraf 6321 "Regierungsgebäude", die des Paragrafen 6414 "Wohnbauforschung" beim Paragraf 6303 "Wohnbauforschung", die des Paragrafen 6452 "Kongresszentrum in der Wiener Hofburg" beim Paragraf 6322 "Kongresszentrum in der Wiener Hofburg“ sowie die des Paragrafen 6450 "Burg­hauptmannschaft Österreich“ beim Paragraf 6320 "Burghauptmannschaft Österreich“, dem überdies der Titel 632 „Kulturbauten- und Liegenschaftsverwaltung" übergeordnet wird. Die Ver­rechnung der Ausgaben des Voranschlagsansatzes 1/64176/12 „Technisches Versuchswesen; Förderungen“ erfolgt beim Voranschlagsansatz 1/63156/35,36,38 „Förderungen“, die der Vor­anschlagsansätze 1/64178/12 „Technisches Versuchswesen; Aufwendungen“, 1/64188/12 „All­gemeine Bauforschung; Aufwendungen“ und 1/64198/43 „Sonstige Förderungsmaßnahmen“ beim Voranschlagsansatz 1/63158/36,38 „Aufwendungen“, die der Voranschlagsansätze 1/64663/43 „Sonstige Liegenschaftsankäufe“ und 1/64673/33 „Liegenschaftsankäufe für Flug­plätze“ erfolgt beim Voranschlagsansatz 1/63263/43 „Liegenschaftsankäufe (inkl. Flughäfen)“ und die des Voranschlagsansatzes 1/64683/43 „Liegenschaftserwerb im Tauschweg“ beim Vor­anschlagsansatz 1/63263/43 „Liegenschaftserwerb im Tauschweg“.

5. Nach dem § 5 wird folgender § 6 neu eingefügt:

§ 6. Auf Grund der durch die Bundesministeriengesetz-Novelle 2003 eingetretenen Änderun­gen im Wirkungsbereich einzelner haushaltsleitender Organe ist das gemäß § 1 anzuwendende Bundesfinanzgesetz 2002 wie folgt zu vollziehen:


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1. Der Bundesminister für Finanzen ist ermächtigt, im Finanzjahr 2003 die Zustimmung zu Über­schreitungen bei Voranschlagsansätzen des Ermessens für notwendige Umschichtungen im Zusammenhang mit der Bundesministeriengesetz-Novelle 2003 im Ausmaß jener Beträge zu geben, die durch gleichhohe Ausgabeneinsparungen bei den jeweils anderen, in den bisherigen oder neuen Zuständigkeitsbereich fallenden Voranschlagsansätzen sichergestellt werden können.

2. Die Verrechnung der Ausgaben und Einnahmen des Paragrafen 1008 "Unabhängiger Bun­desasylsenat (UBAS)" erfolgt beim Paragrafen 1154 "Unabhängiger Bundesasylsenat (UBAS)“.

3. Kapitel 15 "Soziale Sicherheit und Generationen" erhält die Bezeichnung "Soziale Sicher­heit". Der Titel 150 erhält die Bezeichnung "BM für soziale Sicherheit, Generationen und Konsu­mentenschutz“.

4. Kapitel 17 "Gesundheit" erhält die Bezeichnung "Gesundheit und Frauen". Zur Verrechnung der Ausgaben und Einnahmen für das "Bundesministerium für Gesundheit und Frauen" wird der Titel 170, für jene der "Zentralleitung" der Paragraf 1700 geschaffen. Diesem werden die Vor­anschlagsansätze 1/17000/43 "Personalausgaben", 1/17003/43 "Anlagen", 1/17005/23,43 "Be­zugsvorschüsse", 1/17006/21,22 "Förderungen", 1/17007/21,22,43 "Aufwendungen (Gesetzl. Verpflichtungen)", 1/17008/12,22,43 "Aufwendungen", 2/17000/22 "Zweckgebundene erfolgs­wirksame Einnahmen" 2/17004/21,43 "Erfolgswirksame Einnahmen", 2/17005/43 "Sonstige Einnahmen von der EU", 2/17008/43 "Sonstige bestandswirksame Einnahmen" sowie 2/17009/23,43 "Bezugsvorschussersätze" zugeordnet. Die Ausgaben für „Gesundheitsökono­mische Belange“ werden beim Voranschlagsansatz 1/17018/21 verrechnet. Zur Verrechnung der Ausgaben und Einnahmen für "Leistungen zur Krankenv. u. sonst. Leistungen zur Sozialv.“ wird der Titel 175 geschaffen. Diesem werden die Voranschlagsansätze 1/17507/22 "Leistun­gen zur Krankenversicherung", 1/17517/22 „Sonstige Leistungen zur Sozialversicherung“, 2/17504/22 „Leistungen zur Krankenversicherung“ und 2/17514/22 „Leistungen zur Sozialver­sicherung“ zugeordnet.

5. Kapitel 19 "Jugend, Familie und Senioren" erhält die Bezeichnung "Familie, Generationen, Konsumentenschutz". Zur Verrechnung der Ausgaben und Einnahmen im Zusammenhang mit Angelegenheiten der Konsumentenpolitik einschließlich des Konsumentenschutzes, soweit dieser nicht in den Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Justiz fällt, wird der Titel 195 "Konsumentenschutz" geschaffen, dem die Voranschlagsansätze 1/19506/43 "Förderungen", 1/19508/43 "Aufwendungen" und" 2/19504/43 "Erfolgswirksame Einnahmen" zugeordnet werden.

6. Die Verrechnung der Ausgaben und Einnahmen des Titels 703 "Sportangelegenheiten" er­folgt unter dem Titel 106 "Sportangelegenheiten“ mit Ausnahme jener der Voranschlagsansätze 1/70310/11 „Personalausgaben“ und 1/70317/11 „Aufwendungen (Gesetzl. Verpflichtungen), die bei den Voranschlagsansätzen 1/10000/43 „Personalausgaben“ und 1/10007/43 „Aufwen­dungen (Gesetzl. Verpflichtungen)“ verrechnet werden.“

6. Die bisherigen §§ 6, 7, und 8 erhalten die Bezeichnung „§ 7“, „§ 8“ und „§ 9“.

7. Die neu bezeichneten § 8 und § 9 lauten:

§ 8. § 6 dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Mai 2003, alle übrigen Bestimmungen treten mit 1. Jänner 2003 in Kraft. Sämtliche Bestimmungen dieses Bundesgesetzes treten mit Ablauf jenes Monats außer Kraft, das dem In-Kraft-Treten des Bundesfinanzgesetzes für das Jahr 2003 vorangeht.

§ 9. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist unbeschadet der den obersten Organen nach Maßgabe der Hauhaltsvorschriften zustehenden Befugnis zur Bestreitung der einzelnen Ausgaben innerhalb ihres Teilvoranschlages


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1. soweit in diesem Bundesgesetz Bestimmungen über den Stellenplan getroffen werden, bis 30. April 2003 der Bundesminister für öffentliche Leistung und Sport, danach der Bundes­kanzler, jeweils im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen,

2. im Übrigen der Bundesminister für Finanzen betraut.“

*****


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Rasinger: Herr Kogler! Jetzt wollen wir eine Leistung sehen! – Abg. Dr. Gusenbauer: Können Sie einmal eine kurze Vorlesung halten? Er braucht ein Privatissimum!)

14.39


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Die ÖVP-Fraktion fordert von mir Leistung. Kollege Stummvoll ist noch da, er ist der erste Anwärter auf das Staatsekretariat für Eigenvorsorge in Pensionsfragen. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.)

Stichwort „Leistung“: Herr Bundesminister! Momentan hat man Mühe, die Koordinaten­systeme der ÖVP-Fraktion wieder so weit befindlich einzurichten, dass sich wenigstens die ÖVP selbst wieder auskennt. Wenn ich Kollegen Auer richtig verstanden habe, dann hat er jetzt doch offen­sichtlich einer höheren Steuerquote das Wort geredet als jene, die man in der Bundesrepublik Deutschland antrifft.

Wie dem auch sei – reden wir einmal über die Positionen, die sich über die vergangenen Monate ergeben haben. Warum reden wir heute eigentlich über ein Budgetprovisorium? (Abg. Wittauer: Das frage ich mich auch! – Abg. Wattaul: Warum ihr mitredet, das ist die Frage!) – Das vergessen die meisten gerne, auf dieser Seite besonders.

August 2002 – alles war eitel Wonne, dann kam das Hochwasser, und dann kam der Unsäg­liche vom Wörthersee dazu. Das reicht offensichtlich als Mischung für Knittelfeld. Das Einzige, was jetzt auf der Regierungsbank anders ist, ist, dass Sie, Herr Bundesminister, nicht mehr zur F gehören – wo auch immer Sie jetzt hingehören mögen.

Nur eines sage ich Ihnen schon klar und deutlich: Es ist uns jeder willkommen, dessen poli­tische Seele geläutert ist. Als notwendige Bedingung für glaubwürdigere Finanzpolitik ist das sicher hilfreich, wenn man nicht zu viel von den populistischen F-Ansagen in Sachen Steuerfragen infiziert wird. Das ist schon richtig, aber hinreichend ist das meines Erachtens noch nicht! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Wattaul: Den Populismus habt ihr gepachtet! Das wissen wir schon!)

Hinreichend wäre, wie Kollege Matznetter schon angesprochen hat, zuerst einmal eine klare Darstellung dessen, was überhaupt Sache ist, ein so genannter Kassasturz, und in weiterer Folge ein Ausblick auf Maßnahmen, an denen man sich zumindest orientieren kann.

Wäre ich ein Wirtschaftstreibender, würde mich zum Beispiel interessieren, wann eine Steuer­senkung kommt oder nicht, mit welchen Maßnahmen – unbeschadet der Position, welche Maß­nahmen für Unternehmenspolitik jetzt günstig sind oder nicht.

Aber was hier seit Monaten angerichtet wird, ist eine Untergrabung der Glaubwürdigkeit der Finanzpolitik schon aus diesem Titel heraus, weil man sich als Wirtschaftstreibender überhaupt nicht mehr auskennt. (Beifall bei den Grünen.) Das haben Sie, zu welcher Partei Sie jetzt immer gehören mögen, zu verantworten! (Abg. Dr. Gusenbauer: Sie haben eh gesagt, hohe Steuern sind gut für die Wirtschaft!) – Das Koordinatensystem muss die ÖVP jetzt selbst einrenken, so glaube ich. Das würde meine Redezeit überschreiten, und ich fühle mich in diesem Punkt als vor­läufig gescheitert.

Ich komme jetzt aber zum Kern dieser Angelegenheit, dieses Budgetprovisoriums, mittlerweile ist es eine Regierungsvorlage.


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Mein Gott, die Opposition wäre nicht angestanden zuzustimmen, damit die Liquiditätsdaten der Republik halbwegs in Ordnung bleiben, und wir hätten uns spätestens im April oder auch meinetwegen jetzt verständigt, wenn es darum geht, Kreditaufnahmen für die Republik günstig zu gestalten. Das war aber nicht der Punkt.

Der Punkt ist doch, dass dieses Budgetprovisorium auf den Zahlen des Jahres 2002 beruht und dass jetzt noch hinzukommend und verschärfend eine De-facto-Kürzung durch die 5-Prozent-Ausgabenbindung erfolgt. Dadurch entstehen in bestimmten Bereichen Probleme, zu denen Sie, Herr Bundesfinanzminister, hoffentlich noch Stellung nehmen werden, denn noch ist nicht klar, wen und welche politischen Projekte das betreffen soll – zumindest in dieser Über­gangs­zeit, bis ein tatsächliches Budget beschlossen wird.

Auch dieser Zeitraum ist möglicherweise wieder offen, denn es muss nicht nur sein, dass ständig Steuerreformen verschoben werden, es könnte auch sein, dass die Koalition und die Fraktionen hier im Haus gar nicht mit der Zeit zu Rande kommen, die ihnen zur Verfügung steht, damit noch im Juni ein Budget beschlossen werden kann. Dann gilt dieses Provisorium ganz rasch bis September oder Oktober, dann wird es die Leute umso mehr interessieren, wo gekürzt wird und wo nicht.

Das ist das Phantasielose an dieser 5-Prozent-Linearkürzung, weil überall – wie das Wort schon sagt – mit dem Lineal drübergefahren wird. Das ist an sich kein günstiger Politikansatz. Die einzigen Ausnahmen wurden im Bereich des Innenministeriums getroffen. Hätte man in anderen Ressorts so viel Phantasie walten lassen wie bei den Ausnahmebestimmungen für das Innenressort, hätte man sich überlegen können, ob man auch für dieses Provisorium gescheite Verhandlungen macht. Aber nein, Lineal, 5 Prozent, und das ist es dann!

Sie werden also unsere Zustimmung schwerlich erwarten dürfen, da wir schon das dem zu Grunde gelegte Budget 2002 nicht für gut befunden haben. Das wird Sie aber auch weiter nicht wundern.

Kommen wir zum Ausblick in der Budget- und in der Steuerpolitik: Eine Bedingung für einen guten Finanzminister wäre meines Erachtens auch, dass er einmal den Konsolidie­rungsbedarf so darstellt, dass man sich auch als Oppositionsabgeordneter anständig orientie­ren kann. Es ist zwar einiges in der Informationspolitik durchaus begrüßenswert, was Ihr Haus betrifft, Herr Finanzminister, aber auch das ist letztlich im Ergebnis der Zahlen, die wir bekom­men, in unserer Beurteilung enden wollend positiv.

Ich darf zum Beispiel daran erinnern, dass in den Koalitionsverhandlungen, die mit den Grünen geführt wurden, ständig ein Konsolidierungsbedarf in der Höhe von 5 Milliarden € genannt wurde – Basis 2006 –, und davon durfte es kein Abweichen geben.

Mittlerweile lesen wir im Regierungsübereinkommen: 3 Milliarden. Wenn man die Zahlen summiert, die dort genannt sind, kommt man auf 3,3 Milliarden. Aber eine Abweichungsgröße von 10 Pro­zent ist in diesem Programm offensichtlich ohnehin kein Problem mehr, sei es drum! Aber zwischen 3 und 5 Milliarden ist ein Unterschied, wenn man schon über das andere hin­weg­­sehen will.

Diesbezüglich sind Sie der Öffentlichkeit meines Erachtens eine Erklärung schuldig, wieso ursprünglich, zu Zeiten der ersten Kontakte mit der SPÖ, von 8 Milliarden die Rede war, dann von 5, jetzt ist man bei 3. Auf dieser Basis ist schon fraglich, wie eine planbare Steuersenkung überhaupt stattfinden soll, wenn man gleichzeitig den Budgetsaldo im Auge hat. – Ich darf an dieser Stelle hinzufügen, dass es jedenfalls der Zugang der Grünen ist, den Budgetsaldo nicht aus den Augen zu verlieren.

Deshalb haben Sie natürlich in gewisser Weise Recht, wenn Sie sagen, es muss – ich weiß nicht, wie Sie sich genau ausgedrückt haben – ein Senkungsziel zunächst einmal erspart werden. (Abg. Eder: Wie man es braucht!)


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Wenn wir uns auf diese Debatte einlassen würden, dann allerdings stellt sich genau die Frage, wie hoch der vorausgesetzte Konsolidierungsbedarf ist. Da sind Sie es der Öffentlichkeit schuldig, sich auf irgendeine Zahl, die wenigstens eine Halbwertzeit von mehr als zwei Wochen hat, zu verständigen und diese dann auch tatsächlich zu verkünden. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Cap: Raus mit den Zahlen!)

Aber gehen wir auf die vorhandene wirtschaftspolitische Situation ein, die in der Tat nicht rosig ist. Es wird unbestritten sein, dass wir in einer Phase der wirtschaftlichen Unsicherheit – um nicht zu sagen, auch was die Wachstumszahlen betrifft: Stagnation – verharren, und es ist überhaupt nicht gesichert, ob sich das vor dem Hintergrund der tragischen Ereignisse in Nahen Osten so rasch ändern wird.

Wenn das aber so ist und wenn Steuersenkungsvolumina in Aussicht gestellt werden, dann stellt sich schon die Frage, ob man ein paar alte ökonomische Binsenweisheiten nicht doch noch einmal strapazieren könnte.

Wenn Sie schon vorhaben, Steuern zu senken, dann ist doch die Frage, ob nicht tatsächlich ein Teil davon, und zwar ein größerer Teil als jener, den Sie bisher in Aussicht gestellt haben, vorge­zogen wird. Dann ist es aber genau die Strukturfrage, auf die wir immer hinweisen, die entschei­dend ist: Welche Steuern könnten vorläufig vorgezogenerweise gesenkt werden – sowohl im Einkommensteuerbereich als auch im Bereich der Unternehmenssteuern? – Die Antwort könnte sein, dass wir im Bereich der so genannten unteren und mittleren Einkommen möglicherweise sogar in einem größeren Volumen senken, als jetzt im Regierungsübereinkom­men angepeilt ist – das aber zielsicher auf einen wesentlich größeren Personenkreis als jenen, der von den Maßnahmen der Koalition begünstigt werden würde, ausgerichtet.

Ich darf in Erinnerung rufen, die ausschließliche Steuerfreistellung von Bruttojahreseinkommen bis 14 500 € betrifft nur einen kleinen Personenkreis, weil die folgenden Einschleifregelungen sehr radikal nach oben gehen müssen und es in Wirklichkeit viel gescheiter wäre, die anderen Punkte ... (Abg. Dr. Petrovic macht eine Handbewegung in Bezug auf die Zeit. – Zwischen­be­merkung von Bundesminister Mag. Grasser.) – Vielen Dank, Herr Finanzminister! Wir haben eine freiwillige Zeitvereinbarung. Ich kann nachher, wenn wir über den Bundesrech­nungsab­schluss reden, ein bisschen etwas einsparen. Sie sind ja Meister im Sparen! (Beifall bei den Grünen.)

Wir hätten in diesem Punkt eine wesentlich größere Treffsicherheit für wesentlich mehr Per­sonen, und diese würden das Geld auch ausgeben und nicht auf den Malediven oder sonst wo Urlaub machen. – Das ist das eine.

Das Zweite ist, im Unternehmensbereich hat es, so glaube ich, wenig Sinn, in der Situation nicht entnommene Gewinne zu begünstigen. Viel gescheiter wäre es, Investitionsschübe der Unter­nehmen anzureizen. Das kostet natürlich auch, nämlich infolge des Steuerausfalls. Aber das wären zielsichere Maßnahmen, die möglicherweise gar nicht so viel kosten, aber wo die Aus­dehnung des Budgetsaldos das Wachstum doch noch beeinflussen kann.

Wir geben uns nicht mit der Antwort zufrieden, dass das alles nur mehr Lehrbuch und Alt-Keynesianismus sei. Das sagen auch die Wirtschaftsforscher: In einem bestimmten Bereich ist es selbst in einer kleinen, offenen Wirtschaft wie Österreich noch möglich, durch staatliche Maß­nahmen und Ausgaben das Wachstum anzuregen.

Sie verweigern sich dieser Erkenntnis aus ideologischen Gründen, weil Sie nämlich schlicht und ergreifend nichts tun wollen. Das ist der Punkt, und das ist der Unterschied zu uns! (Beifall bei den Grünen.)


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14.50


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner hat sich Herr Abgeordneter Ing. Hofmann zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.50


Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Finanz­minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich zum aktuellen Tagesordnungspunkt spreche, noch eine kleine Anmerkung zu den Ausführungen des Kollegen Matznetter; er ist noch im Saal anwesend.

Herr Kollege Matznetter, Sie haben es natürlich einfach, und zwar deswegen, weil Sie über dieses Thema völlig unbeschwert reden können. Das, was Sie lautstark vorgebracht haben: Diese Republik hat einen Schuldenstand, wie sie ihn noch nie gehabt hat!, ist richtig. Sie können so darüber reden, weil Sie bislang noch keinen einzigen Beschluss eines Budgets hier im Hause mitgefasst haben. Es gab 30 Jahre sozialistische Verschwendungspolitik mit budge­tären Auswirkungen (Beifall bei den Freiheitlichen – Abg. Eder: Der Stummvoll war Staats­sekretär! – Abg. Dr. Petrovic: Er kann sich sicher nicht erinnern!), mit Auswirkungen auf die Steuerbelastung der einzelnen Bürger, mit einer Einengung, einem Stillstand der Reformen. Insofern tun Sie sich natürlich sehr, sehr leicht.

Aber, Kollege Matznetter, ich habe mir auch angesehen, wie die Finanzpolitik der Sozialdemo­kraten in den vergangenen 30 Jahren ausgeschaut hat. Sie haben zum Beispiel keinen Bezug zum Bruttoinlandsprodukt hinsichtlich der Neuverschuldung hergestellt, und auch nicht die Pro-Kopf-Verschuldung angeführt. Ich würde Ihnen raten, machen Sie das, dann werden Sie sehen, dass Ihr Finanzminister jedes Jahr dafür gesorgt hat, dass der Schuldenstand der jeweils höchste in dieser Republik gewesen ist! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Wattaul: Schulden-Rudi!)

Noch eine kleine Anmerkung zum Kollegen Kogler, weil mich eine Bemerkung von ihm wirklich amüsiert hat. Er hat nämlich davon gesprochen, dass hier ein Finanzminister sitzt, von dem keiner weiß, wo er hingehört. Und dann hat er gesagt, und das hat mich wirklich erstaunt: Aber er ist uns jederzeit herzlich willkommen! (Heiterkeit.) – Also ich will das jetzt nicht kom­mentieren, aber angesichts der freiheitlichen Vergangenheit des Finanzministers erstaunt es mich schon, dass die Grünen hier werbewirksam auftreten und den Finanzminister in ihre Reihen bringen wollen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.) – Aber es ist nicht meine Aufgabe, das weiter zu kommentieren. (Abg. Dr. Cap: Wollen Sie ihn zurückhaben? – Heiterkeit.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Wir sprechen über ein Bundesgesetz, mit dem eine vorläufige Vorsorge für das Finanzjahr 2003 getroffen wird, ein gesetzliches Budget­provisorium für das laufende Jahr. (Abg. Dr. Cap – in Richtung der Freiheitlichen –: Wollt ihr den Grasser wieder zurückhaben?)

Wir wissen, dass auf Grund der Nationalratswahlen dem Nationalrat kein Bundesfinanzge­setz 2003 zur Beschlussfassung vorgelegt wurde. Die Beschlussfassung für dieses Jahr hätte im Jahr 2002 erfolgen müssen. Somit war oder ist der Bundeshaushalt gemäß Bundes-Verfassungsgesetz, Artikel 51 Absatz 2, als Budgetprovisorium zu führen, wobei dieses Provi­sorium eine gesetzliche Grenze, ein Limit hat. Würde kein gesetzliches Provisorium beschlos­sen werden, so hätte das entsprechende Auswirkungen auf die Finanzmärkte, die natürlich darauf reagieren würden.

Dieses Limit beträgt 50 Prozent der Höchstbeträge der Finanzschulden des Vorjahres, also des Jahres 2002. Wenn diese Verpflichtungen eingegangen worden sind, dann ist diese Grenze erreicht.

Wir kennen den Fristenlauf, bis es zu einer Vorlage eines Bundesfinanzgesetzes für dieses Jahr kommt. Die Termine für die Ausschussverhandlungen sind festgelegt, und es sind auch die Termine der Nationalratssitzungen zur Beschlussfassung dieses Finanzgesetzes festgelegt. Im Juni ist mit einer entsprechenden Beschlussfassung zu rechnen.

Das heute zu beschließende gesetzliche Budgetprovisorium sieht eine 5-prozentige Bindung der Ermessensausgaben vor. Wir hatten, wie Sie wissen, im Jahr 2002 ebenfalls eine Bindung, und zwar von 3 Prozent. Die Grünen sehen darin ein großes Problem. Der Finanzminister hat in


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den Ausschusssitzungen diesem Problemansatz widersprochen. Er sieht keine Gefahr durch eine entsprechende Einengung bei Finanzierungen.

Der Vorsitzende des Staatsschuldenausschusses, Universitätsprofessor DDr. Frisch, hat für mein Dafürhalten im Ausschuss etwas sehr Wichtiges gesagt, nämlich, dass dieses gesetzliche Budgetprovisorium unabdingbar ist, um das Ansehen Österreichs als erstklassigem Schuldner – als Triple-A-Schuldner – nicht in Frage zu stellen.

Auch der Leiter der Bundesfinanzierungsagentur, Herr Dr. Eder, hat auf die Sensibilität der Finanzmärkte hingewiesen und darauf, was die Folgen einer entsprechenden Reaktion sein könnten, nämlich höhere Kosten für uns.

Lassen Sie mich für meine Fraktion abschließend sagen, dass uns ein gesetzliches Budgetpro­visorium, das an jenes des Vorjahres angelehnt ist, auf jeden Fall – auch wenn das Jahr 2002 ein schwieriges Jahr war – lieber ist als eine Anlehnung an ein Budget aus den Zeiten sozia­listischer Finanzminister, denn das wäre fürchterlich, und da müsste man es sich ernsthaft über­legen, ob man das fortführen wollte. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

14.56


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus hat sich Herr Bundes­minister für Finanzen Mag. Grasser zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.56


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Hohes Haus! Gestatten Sie, dass ich die ver­bleibenden 4 Minuten Redezeit, bis wir um 15 Uhr unterbrechen, nütze, um nicht die breite Debatte, die wir hatten, zu reflektieren – vom Kassasturz bis zu den Grundlagen der Finanzpoli­tik –, sondern dass ich konkret zum gesetzlichen Budgetprovisorium spreche und mir erlauben werde, beim Punkt Rechnungsabschluss ein wenig grundsätzlicher und ausführlicher zu werden. (Abg. Öllinger: „Grasser-Sturz“? Was ist das?)

Meine Damen und Herren! Artikel 51 des Bundes-Verfassungsgesetzes unterscheidet das auto­matische und das gesetzliche Budgetprovisorium. Wir alle kennen den Regelfall, wie wir im Hohen Haus Budgets, Bundesfinanzgesetze, Budgetbegleitgesetze einbringen, nämlich norma­lerweise zehn Wochen vor Beginn des neuen Jahres, im Regelfall gibt es im Dezember eine Beschlussfassung. Aber natürlich haben die Väter unserer Verfassung auch Vorkehrungen für den Fall getroffen, dass das nicht möglich ist.

Wir sind jetzt genau in dieser Situation. Ein automatisches Budgetprovisorium ist in Kraft. Das ist nicht neu, das ist in Österreich zum dritten Mal der Fall, daher ist das eine weder aufgeregte noch besonders problematische Situation. Zuletzt hatten wir diese Situation im Jahr 1999, als Rudolf Edlinger das Budget nicht im Herbst in den Nationalrat bringen konnte und es daher keinen Beschluss gegeben hat.

Dieser Artikel 51 des Bundes-Verfassungsgesetzes regelt in Absatz 5, dass man auf der Grundlage eines automatischen Budgetprovisoriums Finanzschulden nur bis zur Hälfte der im letzten Bundesfinanzgesetz vorgesehenen Höchstbeträge eingehen darf. Diese Höchstbeträge waren in etwa 22 Milliarden €. 50 Prozent davon dürfen wir auf der Grundlage des automati­schen Provisoriums aufnehmen, also in etwa 11 Milliarden €.

Abgestimmt mit dem Rechnungshof wissen wir, dass wir diese Grenze von 11 Milliarden € in etwa im Laufe des Monats Aprils überschreiten würden. Danach könnten wir nur noch mit kurz­fristigen Geldern – so genannten Kassenstärkern – unsere Verpflichtungen erfüllen. Das käme den Steuerzahler wesentlich teurer, es würde zu Mehrbelastungen von jenseits der 15 Milli­onen € führen.

Es ist klar, eine solche Vorgangsweise macht keinen Sinn. Der vernünftigste Weg ist: Stellen wir die Liquidität der Republik auf gesetzlicher Basis sicher, stellen wir sie auf der Basis eines ge-


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setzlichen Provisoriums sicher, ersparen wir dem Steuerzahler zumindest 15 Millionen €, setzen wir ein klares Signal an die Finanzmärkte, ein Signal der Sicherheit, ein Signal der Stabilität!

Wenn wir uns ansehen: Welches Problem haben wir?, dann stellen wir fest, es gibt eine ganz klare, beste Lösung dazu. Diese beste Lösung wurde bestätigt vom Präsidenten des Rech­nungshofes, von Herrn Professor DDr. Frisch sowie von Herrn Dr. Eder von der Bundesfinan­zierungsagentur, und zwar ist das der Beschluss des gesetzlichen Budgetprovisoriums.

Ich denke auch, dass gerade in schwierigeren und weltweit instabileren Zeiten dieses Signal der Stabilität, dieses Signal der Sicherheit – die Liquidität der Republik sicherzustellen, die Zah­lungsfähigkeit sicherzustellen, und zwar möglichst günstig für den Steuerzahler – ein sehr wich­tiger Beschluss ist. Daher ersuche ich Sie, dieses Signal heute zu setzen und wenn möglich dieses gesetzliche Budgetprovisorium gemeinsam zu tragen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

14.59


Präsident Dr. Heinz Fischer (den Vorsitz übernehmend): Meine Damen und Herren! Ich unter­breche nunmehr die Beratungen zum 1. Punkt der heutigen Tagesordnung, damit wir nach den einschlägigen Bestimmungen der Geschäftsordnung zeitgerecht um 15 Uhr zur Kurzdebatte über eine Anfragebeantwortung des Herrn Bundesministers für Finanzen gelangen.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 13/AB


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur Kurzdebatte über die Anfragebeantwortung mit der Ordnungszahl 13/AB. Diese Anfragebeantwortung ist schriftlich im Saal verteilt worden, so­dass sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass in dieser Debatte die Erstrednerin, Frau Abgeordnete Dr. Moser, 10 Minuten sprechen kann, alle anderen in der Debatte für 5 Minuten das Wort erhalten, wobei jede Fraktion zu Wort kommt, und ein Regierungsmitglied, falls es sich zu Wort meldet, Herr Bundesminister, ebenfalls eine Redezeit von bis zu 10 Minuten zur Verfügung hat.

Die Uhr ist auf 10 Minuten eingestellt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.01


Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Meine Damen und Herren! Von Budgetprovisorien war jetzt kurz die Rede, und über wesentliche Teile von Einnahmen und Schuldentilgungen wird noch ausgiebig diskutiert werden. Sie, Herr Finanzminister, haben insgesamt neben Ihrem Generalziel, dem so genann­ten Nulldefizit – das Sie ja in bereits in geradezu sträflicher Form vernachlässigen –, immer gesagt, eines Ihrer Leitmotive, eine Ihrer Leitlinien in der Finanzpolitik, in der Budgetpolitik sei die Schuldentilgung.

Zu diesem Zweck, behaupte ich, ist Ihnen wirklich jedes Mittel recht und jedes Mittel heilig, zum Beispiel auch der Verkauf der Bundeswohnungen, der zurzeit in einem Stadium ist, bei dem wir nicht recht wissen, wo es lang geht. Ihre Beantwortung meiner Anfrage lässt ja einiges offen. Sie haben sich noch nicht entschlossen, ob der Asset Deal verkauft wird, ob strukturiert wird, ob Teilverkäufe vorgenommen werden. Aber eines steht fest, auch durch die Regierungserklärung und die Fortführung der Politik der vergangenen Legislaturperiode, nämlich, dass verkauft wird – und wahrscheinlich zu einem Preis, bei dem Immobilienspezialisten schlechthin von Ver­schleuderung des Volksvermögens reden. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Eder.)

Gerade deshalb ist mir diese Diskussion innerhalb einer Budgetdebatte sehr wichtig, weil hier von Ihrer Seite noch einmal klar auf den Tisch gelegt werden muss, wohin es geht und wie viel Sie sich jetzt wirklich erwarten.


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Unsere Position in dieser Frage war immer klar: Wir waren gegen einen Verkauf der Bundes­wohnungen, weil wir diese als infrastrukturelle, sozialpolitische Grundsubstanz und als ein Grundkapital Österreichs ansehen – und weil am Markt nie der Wert, der Erlös erzielt werden kann, der Betrag zur Schuldentilgung im Budget erzielt werden kann, der diesem Immobilienbe­sitz wirklich entspricht.

Es geht dabei um sage und schreibe 61 000 Wohnungen! An die 180 000 Menschen sind da­von betroffen! Und laut neuesten Informationen – ursprünglich haben Sie durch einen Verkauf 30 Milliarden Schilling an Erlös erwartet – werden Sie vielleicht, wenn es gut geht, 800 Millio­nen € erlösen können, das sind weniger als 10 Milliarden Schilling. (Abg. Wittauer: Wer sind diese Spezialisten? Welche Experten? Wer hat Ihnen diese Information gegeben?) – Das liest man in Fachzeitungen, das hört man in Expertenkreisen.

Diese eklatante Wertverlustkurve, die deutlich sichtbar ist, von Ihren ursprünglichen Erwartun­gen bis zu dem, was jetzt als Angebot auf dem Tisch liegt, geht leider nicht aus Ihrer Anfrage­beantwortung hervor.

In Ihrer Anfragebeantwortung haben Sie ja eindeutig ein Beispiel dafür geliefert, wie es konkret mit den Verkaufstransaktionen steht, sprich, mit der Beauftragung der Lehman Brothers Bank­haus AG, die als Auslober, als Konzepteure und gleichzeitig als Umsetzer Ihrer Verkaufspolitik ans Werk gehen.

Man könnte überhaupt die Geschichte des Verkaufes der Bundeswohnungen, wie Sie sie schreiben, als einzigen Murks bezeichnen, denn zum einen haben Sie die Zustimmung der ÖVP ohnehin nur erhalten, weil Sie auch die Option der Eigentumsbildung für die jetzigen Mieter eröffnet haben. Diese Option der Eigentumsbildung war aber für Sie eindeutig ein Eigentor, weil von den insgesamt 61 000 Wohnungen werden wahrscheinlich höchstens 2 200 – das sind nur ungefähr 3 Prozent – in das Eigentum der MieterInnen überwechseln.

Das war ja neben der Schuldentilgung auch ein wichtiger Ansatzpunkt: dass es zu einer ver­stärkten Eigentumsbildung in Österreich kommt. Das haben Sie immer wieder in Anfragebeant­wortungen als Ihr Motiv herausgestrichen. Aber damit sind Sie genauso baden gegangen, wie Sie wahrscheinlich beim Verkauf des Gesamtkomplexes baden gehen werden, denn es handelt sich dabei doch um Werte der BUWOG, der WAG in Linz oder Eisenbahnerwohnungen, die doch ein beträchtliches Kapital in Österreich darstellen.

Die MieterInnen haben auf der einen Seite kaum Interesse an einer Eigentumsbildung, und es ist klar, warum nicht. Sie zahlen derzeit vergleichsweise günstige Mieten. Und auf der anderen Seite haben die Angebote von Seiten der BUWOG oder der WAG doch einen Quadratmeter­preis in Wien von durchschnittlich 1 300, 1 400 € betragen.

Wenn ich mir Ihre optionale 30 Milliarden-Schilling-Summe für rund 61 000 Wohnungen durch­rechne, dann muss ich sagen, da hätten die Investoren um eine halbe Million Schilling pro Woh­nung einen guten Schnitt gemacht. Jetzt, wo Sie wahrscheinlich viel weniger dafür bekommen, wo Sie weniger als 10 Milliarden Schilling bekommen – ja, meine Güte! –, da kostet für die In­vestoren die Wohnung im Durchschnitt – eine Milchmädchenrechnung, das gebe ich zu – etwa 130 000 S. Das ist ja nachgeschmissen! Nachgeschmissen ist das! (Beifall bei den Grünen.)

Auf der anderen Seite haben ja die BUWOG und auch die WAG von den kaufwilligen Mietern durchaus Quadratmeterpreise – wenn ich das in Schilling umrechne – von um die 20 000 S verlangt.

Im Endeffekt wäre es für Sie oder für die Republik – langfristig, wenn Sie schon Kapitalerträge erlösen beziehungsweise Wohnungen verkaufen wollen – im Sinne der Eigentumsbildung natürlich viel sinnvoller gewesen, langfristig Wohnung für Wohnung abzuverkaufen. Wir sind dafür, dass das Mietwohnungen bleiben und nicht abverkauft wird. Aber wenn man schon für das Budget etwas erlösen will – mittel- und langfristig –, dann macht man am besten einen Einzelverkauf. Das bringt ja viel mehr. Aber nein! Nulldefizit, Schuldenabbau, Verschleuderung!


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Das ist eine unheilige Dreieinigkeit, die wir gezwungen sind, wiederholt anzuprangern. (Beifall bei den Grünen.)

Schauen wir uns noch einmal die Chronologie an: Die Lehman Brothers erhielten von Ihnen, Herr Bundesminister, im Juni den Zuschlag für die Konzepterstellung und dann auch für die Umsetzung. Jetzt ist es bereits März. An sich sollten sie im vergangenen Dezember das Kon­zept vorlegen und im Jänner ans Werk gehen. – Bis jetzt kam noch immer von Ihnen die Ant­wort: Es ist unentschieden, wie verkauft werden soll.

Bitte sagen Sie mir heute einmal, wie verkauft werden soll! Sagen Sie mir heute auch, warum jetzt noch KPMG und CA-ID zusätzlich mit an der Konzepterstellung und an der Verkaufsab­wicklung beteiligt sein sollen, wo doch ohnehin die Lehman Brothers als Billigstbieter oder Best­bieter, wie immer Sie das bezeichnen wollen, zum Zug kamen! Warum braucht man denn jetzt eine Hilfestellung, und wie viel kostet das zusätzlich?

Mir sagten Sie in der Anfragebeantwortung, die Lehman Brothers erhalten 5 Millionen € für die Planerstellung und 5,23 Millionen € für den Verkauf. Was bekommen jetzt die KPMG und die CA-ID noch zusätzlich? – Das sind doch Summen, die Ihren Erlös wieder massiv mindern! Ich meine, da geht es ja nicht um ein Peanuts-Geschäft, sondern da geht es im Endeffekt wirklich um Milliarden! (Neuerlicher Beifall bei den Grünen. – Abg. Eder: Wer verdient daran?) – Da schneiden wieder internationale Investoren doppelt mit!

Und wie schaut die Zukunft für die MieterInnen aus? – Womöglich gibt es eine WGG-Änderung, eine Änderung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes, indem man vom burgenländischen Richtwert abgeht und zum jeweils aktuellen Richtwert des Marktes hingeht. Das war schon überall in den Zeitungen zu lesen, und Herr Kollege Tancsits hat es wiederholt angekündigt.

Das würde womöglich auch eine Steigerung der Mieten beinhalten, wenn dies rückwirkend geltend gemacht würde. Natürlich wäre das ein massiver Systembruch, aber ich möchte von Ihnen, Herr Bundesminister, Klarheit darüber haben, dass Sie diesen Systembruch nicht beab­sichtigen, dass die Mieten gleich bleiben werden. Bis jetzt haben Sie, Herr Finanzminister, das immer erklärt, auch in allen Anfragebeantwortungen. Aber wie wollen Sie an Investoren verkau­fen, die eine höhere Rendite erwarten, als das, was jetzt durch die Mieteinnahmen gewähr­leistet ist?

Unser Konzept wäre: Behalten, den sozialen Grundstock ausbauen und bewahren, und gleich­zeitig – was Sie auch immer wieder gemacht haben; Sie haben ja durchaus Rücklagen entnom­men, bis an die 310 Millionen €, glaube ich – Rücklagen entnehmen. (Abg. Eder: Hat er schon alle entnommen!) Sie haben ja auch immer wieder Gewinne eingestreift. Im vergangenen Jahr waren es, so glaube ich, 90 Millionen €, die praktisch ins Budget geflossen sind. Die Kuh, die man melkt – unseres Erachtens muss man sie nicht unbedingt melken –, kann man doch nicht noch zusätzlich verkaufen – noch dazu in einer derart schlechten Wirtschaftslage. Man wird nur schlechte Werte erzielen, und diese schlechten Werte vermindern die zukünftigen Einkünfte.

Herr Finanzminister! Vom Nulldefizit haben Sie sich ohnehin schon verabschiedet. Bitte verab­schieden Sie sich auch vom Verkauf der Bundeswohnungen – ein einziges Debakel!

Beantworten Sie mir zum Schluss noch die Frage: Welche Provisionen hat Ihr Berater, Herr Ernst Karl Plech, erhalten? Welche Provisionen hat ein Herr Muhr erhalten, der in engem Kon­takt zu den Lehman Brothers steht und immer wieder für die Lehman Brothers Aufträge akqui­riert? – Das sind ganz konkrete Fragen, die ich gerne noch beantwortet haben möchte. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

15.11


Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit ist die Begründung erfolgt.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein. Jede Fraktion hat eine Redezeit von 5 Minuten.


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Der erste Redner ist Herr Abgeordneter Großruck. Die Uhr ist auf 5 Minuten gestellt. – Bitte. (Abg. Öllinger: Es geht aber nicht um Grieskirchen!)

15.11


Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir diskutieren heute auf Antrag der Grünen eine Anfragebeant­wortung des Herrn Finanzministers, die meines Erachtens ganz klar, ganz verständlich und ganz sachlich erfolgt ist. (Abg. Eder: Für Sie!)

Für mich nicht sachlich sind die Parameter, die die Grünen dieser Anfrage unterstellt haben. Ich nenne jetzt Zahlen, meine Herren! (Abg. Eder: Es war eine Dame, die gesprochen hat!)

Wenn hier steht, der Preis für fünf Wohnbaugesellschaften soll sich zwischen 100 und 800 Mil­lionen € belaufen, dann frage ich mich, meine Damen und Herren von den Grünen: Was haben Sie für ein Zahlenverständnis? (Abg. Dr. Gabriela Moser: Das habe ich ja nicht gesagt!) Von welcher Schätzungsbreite gehen Sie aus? Zwischen 100 und 800 Millionen € – das ist für mich nicht nachvollziehbar. (Abg. Mag. Mainoni: Hauptsache viel!) Da haben Sie keine Punktlan­dung gemacht, sondern eine Breitenstreuung, die sehr grotesk ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Mainoni: Einen Bauchfleck!)

Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Moser! Wären Sie Mathematik-Professorin, dann müssten Sie auf Grund dieser Anfrage den Hut nehmen. (Abg. Dr. Rasinger: Wiederholungs­prüfung!) Sie sind aber Deutsch- und Geschichte-Professorin und haben uns hier nur eine schöne Geschichte darüber erzählt, was Sie vermuten, was dahinter steckt.

Meine Damen und Herren! Ist es Ihre Zielsetzung – dann stellen Sie sich auch hierher und sagen Sie es –, dass der Staat nicht privatisiert? (Abg. Dr. Gabriela Moser: Habe ich eh gesagt!) Entspricht das Ihrer Ideologie, dann stimmt das, was Sie sagen. Aber Sie täuschen falsche Zahlen vor, um eine Diskussion darüber führen zu können, dass wir Eigentum in breiter Hand wollen. Dass wir jenen, die sich Eigentum schaffen wollen, auch die Möglichkeit dazu geben wollen, das ist unser ideologischer Zugang, und darin unterscheiden wir uns eben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ist das der Grund, dann führen wir eine ideologische Diskussion, aber keine mit Zahlen, die vorne und hinten nicht stimmen, und Sie wissen ganz genau – Sie haben die Anfragebeantwor­tung bekommen –, dass die Zahlen, die Sie nennen, nicht stimmen!

Es ist zuerst ein Auftrag von zirka 5 Millionen € erfolgt. Erst dann, wenn die gesamten Trans­aktionen über die Bühne gebracht werden, kommen wir auf ein Gesamtvolumen von zirka 10 Millionen €. Und das, meine Damen und Herren, bei einem zur Disposition stehenden Ge­samtvolumen von 900 Millionen bis 1 Milliarde €. – Jetzt gebe ich Ihnen Nachhilfeunterricht, Frau Professor Moser: Das ist 1 Prozent der Gesamtsumme. Sie wissen, dass 1 Prozent an Beratungskosten durchaus üblich ist, durchaus schon bezahlt worden ist, aber in diesem Zusammenhang haben Sie keine Anfrage gestellt.

Ich helfe Ihnen etwas auf die Sprünge. Beispielsweise für den Verkauf der Postsparkasse wurde 1 Prozent an Beratungskosten bezahlt (Abg. Eder: Das ist ja kein Vergleich!), für den Verkauf des Dorotheums 1,7 Prozent. (Abg. Eder: Sie vermischen alles!) Im vorliegenden Fall ist es 1 Prozent. Ich meine, dass das durchaus angebracht, angemessen und auch üblich ist und dass Vermutungen, da wären Körberlgelder oder Provisionen geflossen, in keiner Weise angebracht sind. So sind die Preise, die für Qualitätsarbeit bezahlt werden. Das sollten Sie auch so zur Kenntnis nehmen und nicht irgendetwas konstruieren, das den Verdacht aufkommen lässt, dass in diesem Fall etwas anders als üblich gelaufen sei.

Tatsache ist, dass dieser Auftrag noch nicht erledigt ist, dass wir mitten in der Umsetzungs­phase sind und dass wir erst dann über Kosten reden können, wenn das Projekt abgeschlossen ist, wenn ein Strich unter die Rechnung gezogen werden kann.


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Ihnen ist es nicht recht, dass wir Wohnungen verkaufen. Vielen Bürgerinnen und Bürgern in Österreich ist es recht, dass sie ihre Mietwohnungen zu erschwinglichen Preisen kaufen können. – Unsere Ideologien sind eben unterschiedlich, und das ist auch recht so. Gestehen Sie das ein und operieren Sie nicht mit Zahlen, die nicht stimmen und die es eigentlich gar nicht wert sind, darüber zu debattieren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen.)

Meine Damen und Herren! Die Grünen hätten die Möglichkeit gehabt, mitzuregieren, mitzube­stimmen, aber sie haben Angst vor der eigenen Courage bekommen, sie haben sich nicht getraut, deshalb mein Vierzeiler zum Abschluss:

Die Grünen mimen Kraft und Mut,

nur das, was sie tun, wäre gut,

doch beim Regieren, ’s ist nicht zu fassen,

hat plötzlich sie der Mut verlassen.

Das ist die Politik der Grünen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Rufe bei der SPÖ: Das ist nicht zu fassen!)

15.16


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Bures. – Das ist zu fassen. Sie hat 5 Minuten Redezeit.

15.17


Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist bedauerlich, mit welcher Ignoranz mein Vorredner an das Thema herangegangen ist. (Abg. Dr. Stummvoll: Das Fremdwort heißt Kompetenz!) Es ist ein Thema, bei dem es um das Problem von 60 000 Mietern von Wohnungen in unserem Land geht, und ich denke, diese hätten sich mehr Respekt Ihrerseits verdient, als Sie gerade eben an den Tag gelegt haben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Großruck: Es kann jeder kaufen, es wird niemand gezwungen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Verkauf der 60 000 BUWOG-Wohnungen ist ein gutes Beispiel für das dilettantische und falsche Privatisierungsvorgehen dieser Bundesregie­rung, allen voran von Ihnen, Herr Bundesminister Grasser!

Ich möchte zwei Punkte anführen, woran man sieht, wie dilettantisch Sie in dieser Frage vorgehen.

Erstens sind dieses Projekt und Ihre Vorgangsweise rechtlich so umstritten, dass es bereits in erster und zweiter Instanz Urteile gibt, die Ihre Vorgangsweise inhaltlich aufheben.

Zweitens ist dieses Projekt ein gutes Beispiel dafür, wie Sie mit falschen Versprechungen vor­gehen. Sie haben den Mietern versprochen, dass sie Wohnungseigentum begründen können. – Bis heute, und es sind bereits drei Jahre vergangen, ist kein einziger Mieter Eigentümer seiner Wohnung geworden. Außer Spesen ist bisher nichts gewesen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wittauer: Weil sich viele nicht dafür interessieren!)

Sie haben vor drei Jahren in einer Ho-ruck-Aktion den Beschluss gefasst, die BUWOG-Woh­nungen aus der Gemeinnützigkeit zu nehmen, und Sie haben drei Dinge damit erreicht: Sie haben die Mieter massiv verunsichert, Sie haben für Rechtsunsicherheit für diese Menschen und ihre Familien gesorgt, und Sie haben dafür gesorgt, dass beträchtliche Kosten entstanden sind; Kosten, die die Mieter zu tragen haben, und Kosten, die jeder einzelne Steuerzahler zu tragen hat.

Für Sie gibt es offensichtlich nichts, was zu gut und zu teuer ist, wenn es um Sie geht – wenn es jedoch um die Menschen geht, dann verkünden Sie immer den großen Sparwillen. Sie


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haben keinen Tag ausgelassen und keine Gelegenheit versäumt, an die Bevölkerung zu appellieren, Sparwillen zu zeigen, und zu sagen, es gehe darum, dass wir zusammenhalten und sparen müssen. Sie haben keine Rücksicht genommen auf kranke Menschen, Sie haben keine Rücksicht genommen auf Pensionisten, Sie haben keine Rücksicht genommen auf Alleinerzie­herinnen mit Kindern. Es ist Ihnen nur darum gegangen, zu sagen, man müsste doch Opfer bringen.

Gleichzeitig, Herr Finanzminister, und das sieht man am Beispiel BUWOG-Wohnungen sehr gut, sind Sie besonders freigebig und haben eine ganz besonders lockere Hand beim Aus­geben von Steuermitteln, wenn es um Dinge geht, die Sie selbst betreffen. Wenn es um Image­kampagnen für Sie als Person geht, dann spielt Geld keine Rolle. Wenn es um massive Eigen­werbung geht, dann spielt Geld keine Rolle. Wenn es um luxuriöse Events geht, dann spielt Geld bei Ihnen keine Rolle.

Geld spielt auch keine Rolle, wenn Sie sich Beratungsfirmen holen, und zwar meistens aus Ihrem Umfeld oder dem Umfeld Ihrer früheren Arbeitgeber, wo Sie ein Rückkehrrecht haben; vielleicht wollen Sie ja, dass diese Ihnen auch in Zukunft wohlgesinnt sind. Ihr Motto heißt: Beim Bürger soll gespart werden, der Bürger soll sparen, und für Sie gilt: Was kostet die Welt, da sind wir locker mit dem Geld!

Herr Bundesminister! Das sieht man bei den Bundeswohnungen sehr gut. Zum Verkauf der BUWOG ist zu sagen, da gibt es befreundete Rechtsanwälte von Ihnen (Bundesminister Mag. Grasser: Das ist unglaublich! Das ist unfassbar!), da hatten Sie 500 000 € locker zur Hand. Für das Bewertungsgutachten der Firma Lehman Brothers hatten Sie 10 Millionen € locker zur Hand; auch ein befreundetes Unternehmen von Ihnen. (Bundesminister Mag. Gras­ser: Das ist ein Wahnsinn!) Das sind Kosten für ein Gutachten, und – das an die ÖVP – die hätten nicht entstehen müssen. Jede Bank und auch Ihr Ministerium mit Ihren guten Mitarbei­tern hätte ein derartiges Gutachten kostenlos erstellt (Abg.


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Eder: Locker! Besser!), und die Steuerzahler hätten nicht 10 Millionen € bezahlen müssen, Herr Bundesminister! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben ein offenes Ohr, wenn es um Ihre Beratungsfirma geht (Abg. Eder: Eine offene Brief­tasche hat er!), aber Sie haben kein offenes Ohr, wenn es um die Interessen der Mieter geht. Tausende Bewohner von BUWOG-Wohnungen haben sich in einer Postkarten-Aktion an Sie gewandt, dass sie den Verkauf ihrer Wohnungen nicht wollen. – Keine Sekunde Zeit haben Sie sich für diese Menschen genommen, Herr Bundesminister! Stellvertretend für diese Bewohner überreiche ich Ihnen eine dieser Protest-Postkarten. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Grasser.)

Abschließend: Die Diskussion heute Vormittag war gut. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glo­ckenzeichen.) – Das ist mein Schlusssatz. Es zieht sich durch: Ob Grasser, ob Sobotka – Geld für Ihre eigenen Anliegen spielt keine Rolle, ob dubiose Vergaben oder Spekulationen – dieser Bundesregierung fehlt es leider an Respekt (Präsident Dr. Fischer gibt neuerlich das Glocken­zeichen) gegenüber dem hart erarbeiteten Geld der Steuerzahler. Das ist bedauerlich. (Beifall bei der SPÖ.)

15.22


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Neudeck. – Bitte. (Abg. Eder: Nicht neidig sein, Herr Kollege!)

15.22


Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Dass diese Anfrage nichts hergibt, hat Kollegin Bures jetzt bewiesen. Sie hat sehr vom Thema ab­schweifen müssen, um ihre Redezeit zu füllen, weil es zu diesem Thema nämlich gar nichts gibt. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) – Ich sage es Ihnen, ich bin auch schon dabei, warten Sie ein bisschen, keine voreiligen Zwischenrufe!

Sie wollen Privilegien fortschreiben, Förderungen für gut bezahlte Mieter (Abg. Eder: Polizisten sind gut bezahlt?!), denn es sind zum Großteil gut bezahlte Beamte, die dort wohnen. (Abg. Eder: Schau mal, wer drin wohnt!) Das aber nicht, weil Ihnen die Mieter am Herzen liegen, sondern weil es natürlich sehr angenehm ist, bei den Wohnungen am Vergabehebel zu sitzen, nachschauen zu können: Wer ist denn der Betreffende, was macht er, wie steht es mit dem Parteibuch?

Sie wollen Gemeindewohnungen nicht hergeben und nicht privatisieren, deswegen legt sich Wien quer, und genauso wenig gefällt es Ihnen, wenn auf Bundesebene der Hebel angesetzt wird und die Wohnungen Privaten übergeben werden.

Kollegin Moser sagte, die Kosten für die Beratung seien zu hoch. Zuerst muss man das Ergeb­nis der Beratung abwarten, und dann kann man beurteilen, ob die Beratung gut war oder nicht.

Sie reden von Milchmädchenrechnung. Das ist einfach zu erklären. Bei Einzelvergabe der Woh­nungen bekommt man mehr, als wenn man sie an Investoren verkauft. Das stimmt, aber Sie müssen Folgendes bedenken: Es gibt eine Zeitverschiebung von 15, 20, 25 Jahren. In dieser Zeit gibt es zusätzliche Erhaltungskosten der Objekte, Zinserträge gehen verloren, weil ja das Kapital noch nicht vorliegt. Es fallen erhebliche Verwertungskosten an, denn die Wohnungen müssen beworben und besichtigt werden, eventuell müssen Makler eingeschaltet werden, denn das sind nicht nur Wohnungen im Topzustand oder in Toplagen, sondern durchaus auch Woh­nungen, die im Verkauf – auf das Einzelobjekt bezogen – nicht denselben Preis bringen wie dann, wenn sie im Ganzen verkauft werden.

Ihre Anfrage ist irgendwie ein bisschen hinter... – das sage ich jetzt nicht –, ein bisschen unfair. Hätte der Herr Bundesminister die Fragen 4 bis 9 beantworten können, dann hätte er sich ja die Berater ersparen können. Ich halte es für richtig, dass er sagt: Ich habe Berater und ... (Abg. Eder: Das hat er doch eh gewusst!) – Ihr arbeitet ständig mit denselben Unterstellungen. Kolle­gin Bures sagt, das seien „seine Berater“, aber nicht, weil er sie ausgewählt hat, sondern es soll so dargestellt werden ... (Zwischenruf des Abg. Eder.) – Ich kann jetzt nicht einen roten Finger nehmen, nur damit du glücklich bist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist so, dass das nicht seine Berater sind, sondern von ihm ausgewählte Berater. Wenn ich die Zeitungen nicht so lese wie Sie, nämlich nur das Schlechte herauslese, dann weiß ich, dass das eine Video-Vergabe gewesen ist, bei der man genau hat verfolgen können, dass nichts „ge­dreht“ und niemand bevorzugt worden ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zeigen Sie einmal, wie Sie Gemeindewohnungen in Wien privatisieren (Abg. Eder: Wollen wir ja gar nicht!), um sie von der Vergabewillkür zu lösen, dann können Sie über dieses Thema weiter reden! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der övp.)

15.25


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister für Finanzen. Die Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Minister.

15.26


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Hohes Haus! Ich möchte vorausschicken, dass die österreichische Bundesregierung sowohl in der letzten als auch in dieser Legislatur­periode gleichermaßen die Privatisierungsinitiative angestrebt hat, weiter durchführen wird und dabei bislang schon einen sehr erfolgreichen Weg gegangen ist.

Wir haben in der letzten Legislaturperiode gesagt, wir sind der grundsätzlichen Überzeugung, dass privat besser ist als der Staat. Wir haben gesagt, wir privatisieren, und zwar im österrei­chischen Interesse, um den Mitarbeitern in den Unternehmen bessere Möglichkeiten auf den Märkten in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit zu geben, um die Wertschöpfung in den Unter­nehmen nicht nur zu erhalten, sondern auch zu verbessern und um damit für den Wirtschafts­standort und für den Arbeitsstandort auch den entsprechenden Beitrag leisten zu können.

Ich darf Ihnen präsentieren, meine Damen und Herren, dass wir die Schulden der ÖIAG, die wir von Ihnen übernommen haben und die sich damals auf 6 Milliarden € belaufen haben, in nur


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drei Jahren auf 2 Milliarden € zurückführen konnten. (Abg. Eder: Was hat das mit der BUWOG zu tun?) Das heißt, wir haben 4 Milliarden € Ihrer Schulden über eine sehr erfolgreiche Privati­sierung zurückgeführt und wir haben gleichzeitig den Wert der Beteiligungen der ÖIAG von 2,2 Milliarden € auf 3,8 Milliarden € erhöht. So eine Privatisierungsinitiative lässt sich sehen. Man kann daran erkennen: Das ist im Interesse der österreichischen Bevölkerung, des Steuer­zahlers und des Wirtschaftsstandortes. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Eder: Glauben Sie aber nur!)

Meine Damen und Herren! Wir gehen bei den Bundeswohnungen vor genau dem gleichen Hin­tergrund vor, in genau der gleichen Überzeugungslage, und wir sagen auch hier: Privat ist besser als der Staat. Wir versuchen, auf die Interessen der Arbeitnehmer in den einzelnen Ge­sellschaften einzugehen (Abg. Eder: Die Mieter sagen das aber nicht, das sagen nur Sie!), und wir versuchen, vor allem auch auf die Interessen der Mieter Rücksicht zu nehmen.

Warum setzen wir diese Initiative? – Erstens: weil wir nach wie vor dazu stehen, dass die Schul­dentilgung gut und wichtig ist, dass die Tilgung jener Schulden, die Sie uns in überbordender Weise hinterlassen haben (Abg. Eder: Wo? Wo sind bei der BUWOG Schulden?), ein wichtiges Anliegen für den Steuerzahler ist, weil jeder Euro, den wir an Zinsen zahlen müssen, eine rück­wärts gerichtete, in die Vergangenheit gerichtete Investition ist und uns dadurch Potential für Zu­kunftsinvestitionen verloren geht. (Abg. Eder: Wo sind bei der BUWOG Schulden? Bitte kon­krete Zahlen! – Abg. Bures: Die BUWOG hat keine Schulden!)

Wir machen es zweitens, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil uns günstige Mieten in Österreich ein Anliegen sind, aber privates Eigentum noch besser ist als günstige Mieten. (Abg. Eder: Für wen? Für die Mieter oder für euch? – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzei­chen.)

Meine Damen und Herren! Diese österreichische Bundesregierung war die erste österreichische Bundesregierung, die Mietern ihre Wohnungen zum Kauf angeboten hat. Wir haben gesagt, wir sind ein Freund von Privateigentum und wir wollen, dass die Mieter auch die Möglichkeit haben, dass die Mieter die Chance haben, Privateigentum zu erwerben. (Abg. Bures: Kein einziger!) Ich darf Ihnen sagen, dass wir gesellschaftspolitisch völlig im Trend liegen (Abg. Bures: Wie viele haben gefragt?), denn über 90 Prozent der österreichischen Bevölkerung wünschen sich laut aktuellen Umfragen eine Eigentumswohnung, ein Eigenheim, wünschen sich, in den eigenen vier Wänden zu wohnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit ist der ideologische Unterschied sehr klar. Frau Abgeordnete Moser hat fairerweise gesagt, sie sei dafür, dass diese Wohnungen Mietwohnun­gen bleiben. Ich sage Ihnen ganz offen, ich bin dafür, dass man diese Wohnungen den Mietern zum Kauf angeboten hat (Abg. Bures: Tun Sie es!), weil für Eigentum ganz einfach spricht, dass die Dann-Eigentümer an der Wertsteigerung teilhaben können, dass es ein wirksames Produkt auch der Altersvorsorge ist (Abg. Bures: Kein einziger Mieter hat seine Wohnung ge­kauft!), dass es eine Frage der Sicherheit ist und dass es eine Frage auch der Unabhängigkeit ist. (Abg. Mag. Wurm: Sie verbreiten Ängste!) Daher ist diese Politik, Wahlmöglichkeiten aufzu­machen, Chancen zu geben, den Mietern die Möglichkeit zu geben, zu kaufen, eine vom Grund­satz her sehr richtige Politik. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Abgeordnete Bures! Da Sie es geschafft haben, in einer kurzen Rede sehr viele unrichtige Dinge zu sagen (Abg. Reheis: Das sagen Sie! Sie sagen unrichtige Dinge!), darf ich Sie in eini­gen Punkten korrigieren. (Abg. Bures: Sie haben die Wahrheit gepachtet!) – Wenn Sie zuhö­ren, dann hören Sie, wie es richtig ist (Abg. Bures: Sie haben die Wahrheit gepachtet!), und dann können Sie es das nächste Mal besser machen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Freiheitlichen.)

Sie haben gesagt, in drei Jahren sei keine einzige Wohnung verkauft worden. – Ich stelle fest: Erstens: Dieser Prozess dauert nicht drei Jahre. (Abg. Mag. Wurm: Zweieinhalb!) Zweitens: Es ist unrichtig. Wir haben mehrere hundert Wohnungen in dieser Zeit verkauft. (Abg. Bures: Keine einzige Wohnung! Keine einzige Wohnung haben Sie verkauft! Keine einzige!)


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Ich kann es Ihnen beweisen, Frau Abgeordnete! Stellen Sie mir eine Anfrage, und Sie erhalten in der Antwort die Zahl der Wohnungen mitgeteilt, die bis zum heutigen Tage tatsächlich ver­kauft sind.

Drittens: Sie haben gesagt, die Kosten dieses Verfahrens hätten die Mieter zu tragen. – Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sie können sich vorstellen, dass wir größten Wert darauf legen, dass die Mieter selbstverständlich keinen Cent, keinen Euro dieser Kosten zu tragen haben. Ganz im Gegenteil (die Abgeordneten Mag. Wurm und Eder: Die Steuerzah­ler!): Die Mieten sind auf der Grundlage des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes und der je­weiligen Mietverträge festgelegt. Kein Euro, kein Cent wird da auf die Mieter umgelegt. Das ist uns wichtig, und das haben wir von Beginn an festgestellt (Abg. Mag. Wurm: Die Arbeiterkam­mer hat den Prozess geführt!), egal, wer diese Wohnungen kaufen wird.

Meine Damen und Herren! Weil die Mieten in diesen Wohnungen zurzeit so günstig sind – wir verrechnen zurzeit im Schnitt 2,4 € pro Quadratmeter –, ist es für den jetzigen Mieter natürlich eine Überlegung wert, zu sagen: Bleibe ich in der Miete, oder investiere ich mein Kapital, damit ich dann auch Eigentümer dieser Wohnung bin? – Aber der Mieter hat die Möglichkeit, sich selbst zu entscheiden. Er hat die Wahlmöglichkeit (Abg. Eder: Wie lange noch?), entweder auf der Grundlage eines fairen Angebots zu kaufen oder aber in Miete zu bleiben. Ich glaube, dass diese Chance ein sehr wichtiger Punkt ist. Und der Mieter hat auch die Gewissheit – ich betone das heute zum wiederholten Male hier im Hohen Haus –, er kann ganz sicher sein, dass er de­finitiv keine Verschlechterung haben wird, auch wenn er diese Wohnung nicht kauft, weil natür­lich auch weiterhin der Mietvertrag gilt (Abg. Eder: Aber für die Kinder nicht mehr!) und weil natürlich auch weiterhin das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz gilt. Das heißt, für den Mieter werden die sehr guten Konditionen, wie sie heute gelten, auch in Zukunft gelten. Dafür stehen wir, dafür treten wir ein. Das stellen wir selbstverständlich sicher. (Abg. Eder: Für die Kinder werden die Wohnungen dann erhöht!)

Meine Damen und Herren! Es ist gesagt worden, Geld spiele für uns oder für mich keine Rolle. – Ich darf Ihnen sagen, Frau Abgeordnete Bures: Der Vergleich macht uns sicher! Wenn ich Ihnen die Aufwendungen für Repräsentation und andere Dinge meines Vorgängers, des Kollegen Edlinger, präsentiere, dann werden Sie sehen, dass wir deutlich, sehr deutlich dar­unter liegen. Wir gehen daher selbstverständlich sorgsam mit dem Geld des Steuerzahlers um.

Ich möchte auch entschieden zurückweisen, dass hier irgendwelche befreundeten Anwälte, Be­rater oder sonst irgendwelche Institutionen, Unternehmen oder Personen zum Zug kommen! Meine Damen und Herren, ich kenne weder die Universitätsprofessoren noch die Rechtsan­wälte, noch habe ich Lehman Brothers vorher gekannt. Mir ist es überhaupt kein Anliegen, irgendjemandem irgendetwas zugute kommen zu lassen, sondern das beste Angebot, die beste Verkaufsmöglichkeit wird zum Zug kommen. So haben wir das Auswahlverfahren gemacht (Abg. Bures: Das Geld der Steuerzahler, die zahlen es!): mit einer Kommission, die objektiviert worden ist, und mit einem Preis, der im internationalen Vergleich sehr niedrig ist für das Produkt, das hier abgeliefert wird. Auch hier können Sie also sicher sein, dass erstens die Vor­gangsweise rechtlich völlig in Ordnung ist (Abg. Bures: Es gibt eine Anzeige!), zweitens spar­sam mit dem Geld des Steuerzahlers umgegangen wird, und drittens, dass es mit diesen Bera­tern eine hervorragende Lösung geben wird. (Abg. Bures: Es gibt eine Anzeige gegen Sie!)

Nächster Punkt: Es wurde von Frau Abgeordneter Dr. Moser die CA und die KPMG angespro­chen. – Auftragnehmer ist Lehman Brothers. Sie wurden objektiviert, sie haben diesen Auftrag erhalten, und dem Auftragnehmer steht es selbstverständlich frei, sich Subauftragnehmer zu holen, wenn er einige Leistungen nicht in seinem eigenem Bereich abwickeln möchte. Das ist eine Entscheidung des Auftragnehmers. Es ist völlig üblich, das so zu handhaben. Das kostet uns selbstverständlich keinen Euro.

Was die Frage betrifft, Wohnung für Wohnung zu verkaufen, so ist zu sagen: Das war die Mög­lichkeit, die wir den Mietern einräumen wollten. Abgeordneter Neudeck hat zu Recht gesagt: Wenn Sie 61 000 Wohnungen an die Mieter verkaufen wollen, dann müssen Sie sich einfach auch die Standorte dieser Wohnungen ansehen. Dann wissen Sie aber auch, dass es auch in


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einem längeren Zeitraum – sagen wir, innerhalb von zehn, fünfzehn Jahren – unmöglich ist, diese Wohnungen zur Gänze an die einzelnen Mieter abzuverkaufen, weil es dieses Interesse nicht gibt.

Ich sage Ihnen aus grundsätzlicher Überzeugung, dass es nicht notwendig ist, dass die Repu­blik Österreich, dass der Staat Eigentümer von 61 000 Wohnungen ist. Vor diesem Hintergrund haben wir auch unsere gesamte Privatisierungsinitiative eingeleitet, weil der Steuerzahler weiß, dass ihm die verstaatlichte Industrie und staatliches Eigentum in Österreich unterm Strich sehr teuer gekommen sind.

Meine Damen und Herren! Allein wenn ich die verstaatlichte Industrie berücksichtige, muss ich feststellen, dass dort seit den achtziger Jahren in etwa 8 Milliarden € an Steuergeld hineinge­flossen sind, und im gleichen Zeitraum sind mehr als 40 000 Arbeitsplätze verloren gegangen. – Das kann nicht die Politik einer Bundesregierung sein. Das ist nicht unsere Politik, sondern wir versuchen, Österreich wettbewerbsfähiger zu machen und auch die Voraussetzungen für mehr Arbeitsplätze zu schaffen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte daher nochmals betonen, dass wir mit diesem Thema sehr sorgsam umgehen. Wir wären – und es ist mir ein Anliegen, das abschließend zu betonen – im Verkauf unserer Woh­nungen an die Mieter wesentlich erfolgreicher gewesen, wenn es nicht gleichzeitig eine Gegen­kampagne gegeben hätte: von Ihnen, Frau Abgeordnete Bures, von den Sozialdemokraten, aber auch von den Grünen und auch von der Arbeiterkammer, die in diesem Zusammenhang für eine beträchtliche Verunsicherung der Mieter gesorgt hat.

Uns ist es ein Anliegen, den Mietern Sicherheit zu geben, niedrige Mieten zu erhalten, ihnen die Chance zum Kauf zu geben und eine bestmögliche Verwertung dieses Vermögens für den österreichischen Steuerzahler durchzuführen. Damit werden wir erfolgreich sein. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Wurm: „Super“! – Abg. Bures: Sand in die Augen zu streuen, das ist Ihr Ziel!)

15.36


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brosz. Redezeit: 5 Minu­ten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Brosz begibt sich, mit einem Buch in der Hand, zum Rednerpult. – Abg. Dr. Khol – auf Abg. Brosz weisend –: Er hat das Buch in der Hand! „Gemäß Paragraph ... nimmt ... die Anfragebeantwortung nicht zur Kenntnis“! – Abg. Scheibner – in Richtung des an das Rednerpult tretenden Abg. Brosz –: Das hätten Sie aber schon auswendig wissen können!)

15.36


Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister, ich möchte zunächst noch kurz auf den Zeitpunkt Ihrer Wortmel­dung eingehen, da es offenbar eine beliebte Methode von Ihnen ist, sich immer am Schluss der Debatte zu melden, wozu Sie – ich habe mir die Geschäftsordnung mitgenommen – nach der Geschäftsordnung das Recht haben. Ich möchte Ihnen aber trotzdem aus dem Kommentar von Atzwanger und Zögernitz – der Ihnen ja zumindest momentan nicht so fern stehen sollte – zitieren, und darin heißt es, dass in der Regel nach dem Antragsteller (Abg. Großruck: In der Regel!) der zuständige Bundesminister in der Debatte zu Wort kommen sollte. (Ruf bei der ÖVP: Sollte!) Der Sinn dieser Bestimmung ist, dass man eine Debatte über die Begründung der Anfragebeantwortung und Ihre Wortmeldung durchführen kann. Wenn Sie sich jedes Mal zum Schluss melden, dann drehen Sie den Sinn um und maßregeln anschließend die Abgeordne­ten. Das kann wohl nicht der Sinn einer parlamentarischen Debatte sein! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

In diesem Sinne kann ich Ihnen die spitze Bemerkung, die Sie zu Kollegin Bures gemacht haben, nur zurückgeben: Machen Sie es das nächste Mal besser und melden Sie sich bitte so, wie es an sich auch in der Präsidiale gedacht war. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


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Nun zum Inhalt Ihres Redebeitrags. Ich weiß nicht, ich komme mir etwas merkwürdig vor, wenn Sie, wenn wir von Wohnungen sprechen, zunächst einmal erklären, wie sinnhaft der Verkauf und die Privatisierung der ÖIAG sind. Ich habe nicht gewusst, dass Wohnungen Unternehmen sind. Es hatte wohl einen anderen Hintergrund, warum es Wohnungen im staatlichen, im öffent­lichen Eigentum gegeben hat. Ich habe von Ihrer Seite so etwas wie das Wort „sozialer Wohn­bau“ überhaupt noch nicht wahrgenommen und frage mich, ob wir überhaupt auf der gleichen Basis diskutieren. Es war ja nicht der Sinn der Sache, dass der Staat oder öffentliche Institu­tionen Gewinne mit Wohnungen machen wollten, sondern es ist darum gegangen, den Men­schen in diesem Land – auch jenen, die es sich nicht leisten können – einen Wohnbau zukom­men zu lassen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Kößl: ... im vorigen Jahrhundert! Die Wohnungen sind vor 30 Jahren gebaut worden!)

Davon hört man bei Ihnen überhaupt nichts. Man hört nur immer: Privat ist besser als der Staat. – Ich weiß nicht, ob Sie wirklich der Meinung sind, dass es sich jede und jeder in Öster­reich leisten kann, eine Eigentumswohnung zu kaufen. Ich weiß nicht, ob wir von denselben Einkommensverhältnissen reden. (Bundesminister Mag. Grasser: 90 Prozent wollen das!)

90 Prozent wollen es vielleicht. Die Frage ist: Wie viele können es sich leisten? Und was ist mit denen, die es sich nicht leisten können? – Ist darauf die einzige Antwort: Privatisieren und Ver­kaufen? – Und was dann?

Und was die Frage der rechtlichen Bestimmungen betrifft, so war ich vor einiger Zeit lange genug im Bereich der Mietrechtsberatung tätig, um sagen zu können: Es kann schon sein, dass die rechtlichen Bestimmungen gleich bleiben, aber was passiert, wenn Spekulationen am Woh­nungsmarkt eintreten? Was passiert, wenn mit Gewinnorientierung vorgegangen wird? – Das wissen alle, die in diesem Bereich tätig sind, sehr genau: Auch wenn die gesetzlichen Bestim­mungen nicht verändert werden, der Druck auf die Mieter wird wesentlich größer. Und mit Ihrer Politik fördern Sie das.

Die Frage stellt sich aber auch anders: Wenn man sich einerseits anschaut, zu welchen Preisen Sie die Wohnungen an die Mieterinnen und Mieter angeboten haben, und eine Hochrechnung anstellt, welche Erlöse Sie damit bekommen würden, und sich andererseits dann anschaut, was Sie jetzt im Gesamtverkauf bekommen, dann stellt sich die Frage, ob es besonders intelligent ist, den MieterInnen die Wohnungen um bis zu 1 500 oder 1 800 € pro Quadratmeter anzubie­ten und dann, so wie jetzt, im Gesamtverkauf um, ich weiß nicht, 150 000 S oder 10 000 € eine ganze Wohnung abzugeben. Da ist eine Differenz vorhanden, und es stellt sich die Frage: Warum dieses Ungleichgewicht? Warum sollen diejenigen, die privat kaufen, ein Vielfaches von dem bezahlen, zu dem die Wohnung großen Verwertern angeboten wird?

Offenbar haben wir hier wirklich einen völlig unterschiedlichen Zugang. Man kann natürlich dar­über diskutieren, ob es der Bund sein muss, der als Eigentümer auftritt – da gebe ich Ihnen schon Recht: darüber kann man diskutieren, wer einen sozialen Wohnbau gewährleisten soll –, aber vielleicht sollten wir uns zumindest noch darauf einigen können, dass so etwas in Öster­reich nach wie vor notwendig ist. Ihre Position, zu sagen, 90 Prozent wollen ohnedies eine Eigentumswohnung und damit ist jede staatliche Verantwortung nicht mehr notwendig, wird im Wohnbau zu einer wirklichen sozialen Schlechterstellung führen, und dafür tragen Sie auch die Verantwortung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.41


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Herr Bundesminister hat mich um eine Klarstellung gebeten, ob gegen irgendeine Bestimmung der Geschäftsordnung verstoßen wurde. Das ist nicht der Fall. Es gibt keinen zwingenden Tatbestand, in welchem Teil der Debatte man sich zu Wort mel­det, unbeschadet der Frage, dass es diesbezüglich unterschiedliche Praktiken gibt. (Abg. Bu­res: Kein Respekt vor dem Parlament!)

Die Debatte ist geschlossen.


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Fortsetzung der Tagesordnung


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kehren zurück zu Punkt 1 der Tagesordnung, der Debatte über das Budgetprovisorium.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.42


Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bun­desminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf noch kurz an die vorige De­batte anschließen, weil der Herr Bundesminister in seinen Ausführungen von erfolgreichen Privatisie­rungen gesprochen hat, und ich muss sagen: Davon hat Österreich noch nicht viel bemerkt! Ich denke dabei nur etwa an die wirklich dramatische Unterdotierung der UMTS-Lizenzen, die weni­ger Ertrag gebracht haben als das GSM-Netz, was ein total atypischer Zustand war, eine Situa­tion, die wirklich dramatisch gewesen ist und bei der wirklich von einem politischen Versagen dieser Bundesregierung gesprochen werden muss. Ich denke aber auch an die ATW, die, wenn man den Wert dieser Firma nach Shareholder-Regeln definiert, um ungefähr drei Achtel oder drei Siebentel – wenn man großzügig ist – des wahren Wertes an die Investoren ergangen ist. Ich glaube, da kann man wirklich nicht von erfolgreicher Privatisierungspolitik reden! Wir jeden­falls finden Privatisierungspolitik dann erfolgreich und gut, wenn sie den bestmöglichen Ertrag für den Staat und für die Steuerzahler ergibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Da es in der Vergangenheit üblich war, dass die Finanzminister immer wieder versucht haben, Punktlandungen zu erzielen, und das auch im Großen und Ganzen immer wieder gelungen ist und es dann dennoch am Beginn der vergangenen Regierungsperiode wiederholt den Hohn von Seiten des neuen Finanzministers und der Regierungsmitglieder gegeben hat, weil nicht jede einzelne Budgetposition auf Punkt und Beistrich erreicht worden ist, sondern nur die ge­samte Konstellation ausgewogen war, möchte ich heute einige Zitate des Herrn Bundesmi­nisters Grasser in Erinnerung rufen:

Im Jahr 2000 – großer Optimismus, neuer Minister, keine Frage –: „Budgetkonsolidierung,“ haben Sie damals gesagt, „bedeutet aus unserer Sicht also nicht eine lineare Streichung von Ausgaben, sondern die Überprüfung der Erreichung der Ziele staatlicher Ausgaben.“ – Das war an sich ein sehr vernünftiger Ansatz.

Im Jahr 2001 ertönte am 18. Oktober die große Frohbotschaft – jeder wird es noch in Erinne­rung haben –: „Ein guter Tag beginnt mit einem sanierten Budget.“ – Sie haben damit das Doppelbudget 2001/2002 gemeint. – Dazu kann man sagen, das war auch noch eine optimis­tische Version. Ist ja in Ordnung. Jeder versucht, seine Ware bestmöglich zu verkaufen. (Abg. Mag. Posch: Das war eine Lachnummer! Das war eine Anleihe bei Charlie Chaplin! Da hat er den „Großen Diktator“ gesehen!)

Aber auch im Jahr 2002 gab es, wirklich schon zu einem späteren Zeitpunkt, immer noch die­sen Optimismus vom ausgeglichenen Budget. Meine Damen und Herren, ich zitiere: „Mit die­sem Bundesvoranschlag werden wir ... erstmals seit den frühen siebziger Jahren ein Nulldefizit für den Gesamtstaat ausweisen.“ Und: „Das Budgetbegleitgesetz 2002 enthält keine neuen Belastungen.“ – Und so weiter und so fort.

Wir wissen, dass diese Thesen Thesen geblieben sind und dass das darin Angekündigte nicht wirklich erreicht wurde. Der Herr Bundeskanzler hat versucht, diese Thesen zu verteidigen, indem er sagte: Nun ja, wir haben wirklich große Konjunkturprobleme, es gab aber auch das Hochwasser. – Dem stehen jetzt wiederum die Aussagen der Statistik Austria gegenüber, dass ja genau deshalb, weil die budgetierten beziehungsweise die versprochenen Hochwasseraus­gaben nach der Nationalratswahl nicht mehr ausbezahlt wurden, das Budgetdefizit überhaupt nicht noch höher ausgefallen ist, als es ausgefallen ist. Daher glaube ich, dass der Herr Bundeskanzler die Österreicherinnen und Österreicher diesbezüglich wirklich falsch informiert. Darüber hinaus ist ja klar – Kollege Matznetter hat das in seiner Rede ausführlich dargelegt,


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und das hat auch für entsprechende Aufregung unter den Regierungsfraktionen gesorgt –, dass die Konjunkturpolitik in Österreich eine falsche ist. Das ist ja sozusagen amtlich bekannt, und wir wissen es auch.

Lassen Sie mich aber auch noch einen Satz zum Thema Forschung und Entwicklung sagen! Es wird in der Regierungserklärung nur kurz und lapidar erwähnt, dass weitere 600 Millionen € an Sondermitteln im Laufe der Legislaturperiode zur Verfügung gestellt werden sollen. (Abg. Ellmauer: Zusätzlich!) – Nun ja, darüber hinaus muss man auch noch kritisieren, dass das Ziel, 2,5 Prozent des BIP für Forschung und Entwicklung auszugeben, nicht mehr für 2005, sondern jetzt für 2006 prognostiziert ist.

Aber es gibt in Summe ein großes Finanzierungsproblem im Bereich der Wissenschaft und der Forschung, und es gibt jetzt schon besorgte Briefe einer der besten Einrichtungen in Österreich, nämlich der Leopold Franzens-Universität in Innsbruck, die ein Institut für Experimentalphysik und ein Institut für Theoretische Physik in einem Komplex für Quantenoptik und Quanteninfor­mation unterbringen will. Stadt und Land sind bereit für die Finanzierung, es ist im Grunde alles auch mit der Bundesebene abgesprochen, aber es gibt leider noch immer keine Zusage des Bundes, dieses Projekt mitzufinanzieren.

Ich appelliere daher an Sie, nicht weiter an der Schraube nach unten zu drehen, sondern die Top-Einrichtungen – mit denen Österreich auch auf internationaler Basis wirklich ein Top-Niveau einnehmen kann – entsprechend zu unterstützen und die Rahmenbedingungen dafür aufzubereiten. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Abschluss möchte ich auch Ihnen noch einen Brief des Arbeiterbetriebsrates von BMW Steyr übergeben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter appellieren darin an den Bundes­kanzler und an den Vizekanzler, die Pensionsreform nicht so durchzuführen, wie sie im Regie­rungsabkommen geplant ist, und sie bringen auch Vorschläge für eine gerechtere Pensionsre­form. Ich möchte auch Sie, Herr Finanzminister, damit konfrontieren, Ihnen dieses Schreiben überreichen und Sie ersuchen, die Vorschläge, die Sie bisher im Zusammenhang mit der Pensionsreform in die Bundesregierung eingebracht haben, noch zu überdenken.

Ich glaube, dass die sozialdemokratischen Ideen noch viel stärker einfließen müssen, damit die Pensionen wirklich nachhaltig gesichert werden können. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Der Redner überreicht Bundesminister Mag. Grasser den erwähnten Brief.)

15.48


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Frei­willige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

15.48


Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir heute das gesetzliche Budgetproviso­rium 2003 beschließen, so handelt es sich dabei nur um einen Zwischenschritt auf dem Weg zu einer neuen Budget- und Finanzpolitik. Seit der Wende im Februar 2000 gibt es ja eine Neuorientierung der Budgetpolitik unter diesem Finanzminister. Es war eine Absage an die Schuldenpolitik der letzten 30 Jahre.

Herr Kollege Matznetter, der soeben in den Saal eilt – danke vielmals! –, hat zwar versucht, allein mit der Kennzahl der Staatsverschuldung nachzuweisen, dass diese neuorientierte Finanzpolitik nicht so erfolgreich war, wie wir das darstellen. Herr Kollege Matznetter hat dabei wider besseres Wissen gesprochen, denn er weiß natürlich, dass 7 Milliarden € pro Jahr allein an Zinsen für die alten Schulden anfallen und daher schon allein deshalb die Staatsverschul­dung jedes Jahr automatisch ansteigen muss, weil eben die Zinsen der Altschulden zusätzlich jedes Jahr dazukommen. (Abg. Dr. Niederwieser: Zahlt ihr nichts ab, oder was?)

Ich möchte mich aber an Fakten halten, Herr Kollege Matznetter, und in diesem Zusammen­hang einen Vergleich ziehen, und zwar zwischen dem letzten Budget des Finanzministers Rudi Edlinger – manche haben da den Zwischenruf „Schulden-Rudi!“ gemacht; ich weiß nicht, was


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das heißen soll (Abg. Reheis: Das ist äußerst „witzig“, Herr Kollege! Äußerst „witzig“!) – für das Jahr 1999 und dem vorläufig letzten Budget des Finanzministers Grasser für das Jahr 2002.

Im Jahr 1999 betrug das Nettodefizit bei Herrn Finanzminister Edlinger 2,3 Prozent des Brutto­inlandsprodukts, im Vorjahr betrug die gleiche Kennzahl 0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Differenz ist bekanntlich nach Adam Riese, Herr Kollege Matznetter, 1,7 Prozent des Brutto­inlandsprodukts. Das heißt, das Nettodefizit wurde um 1,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verringert, was immerhin ein Betrag von ungefähr 3,5 Milliarden € ist. (Abg. Dr. Matznetter: ...! Das ist die Wahrheit!)

Jetzt sagen Sie, das sei alles nur einnahmenseitig entstanden. Daher nehmen wir eine zweite Kennzahl her: die Steuer- und Abgabenquote. Sie betrug unter Finanzminister Edlinger im Jahr 1999 44,4 Prozent und betrug im Vorjahr 44,6 Prozent. Das ist nach Adam Riese eine Differenz von 0,2 Prozent. (Oh-Rufe bei der SPÖ. – Abg. Dr. Matznetter: Aber im Jahr 2001 betrug sie viel mehr!)

Herr Kollege Matznetter! Wenn das Nettodefizit um 1,7 Prozent geringer ist, einnahmenseitig aber nur 0,2 Prozent dazugekommen sind, heißt das nach Adam Riese 1,5 Prozent des BIP waren ausgabenseitige Maßnahmen. Das ist der Erfolg von Finanzminister Grasser. (Abg. Dr. Matznetter: Er hat es nicht eingehalten!) Das ist der Erfolg der neuen Budget- und Finanzpolitik dieser und der vorigen Bundesregierung, Herr Kollege Matznetter! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich diskutiere mit Ihnen nicht polemisch, ich lege die konkreten Fakten auf den Tisch. Sie wer­den sich schwer tun, diese Fakten zu widerlegen, denn sie sind überall nachlesbar: beim Wirt­schaftsforschungsinstitut oder bei der Statistik Austria. Es gab einen ausgabenseitigen Erfolg im Ausmaß von 1,5 Prozent des BIP. (Abg. Dr. Matznetter: Präsident Fiedler hat gesagt, ...!) 0,2 Prozent – richtig! – waren einnahmenseitig.

Ich komme zum zweiten Punkt, und zwar zu Ihrem heutigen Antrag betreffend eine Steuersen­kung für alle Einkommensbezieher mit weniger als 14 500 € pro Jahr. Herr Kollege Matznetter! Es ist heute genau einen Monat her, am 26. Februar dieses Jahres haben Sie und Ihre Freunde der SPÖ hier diesen unseren Antrag, der Teil des Regierungsprogramms war, abgelehnt. Sie versuchen, nach dem Rosinenprinzip vorzugehen. Sie sagen, ich klaube mir das aus dem Regierungsprogramm heraus, was eine Rosine ist. Sie verschweigen dabei aber Folgendes: Sie verschweigen dabei den ganz simplen Sachverhalt, Herr Kollege Matznetter, dass jedes Budget nur zwei Seiten hat: Einnahmen und Ausgaben. Wenn man die Einnahmenseite um 100 Millio­nen € oder um eine Milliarde € verringern will, heißt das automatisch, dass man auch die Ausgabenseite um 100 Millionen € oder um eine Milliarde € verringern muss.

Dieser Aufgabe haben Sie sich natürlich nicht gestellt. Das ist klassische Oppositionspolitik: Rosinenprinzip, keine Verantwortung übernehmen, nur Zuckerln verteilen!

Herr Kollege Matznetter! Ich weiß, in der Opposition geht das. Ich hoffe nur sehr, dass Sie nie in die Lage kommen, Regierungsverantwortung zu übernehmen, denn dabei täten Sie sich sehr schwer. Da müssen Sie nämlich im Interesse der Seriosität zu Ihren Steuervorschlägen auch ausgabenseitige Vorschläge machen. Diese sind Sie uns heute leider schuldig geblieben. (Zwi­schenruf der Abg. Mag. Trunk.)

Daher werden Sie verstehen, dass wir die Steuerreform nicht als Flickwerk beschließen wollen. Wir werden hier den Vorschlag für ein Doppelbudget 2003/2004 mit der ersten Etappe einer Steuerreform machen. Dann werden wir sehen, ob Sie zustimmen, denn dann sind beide Seiten der Bilanz enthalten – Einnahmenseite und Ausgabenseite. Und dann kommt für Sie die Stunde der Wahrheit. Ich freue mich schon darauf. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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15.54


Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Sburny ist die nächste Rednerin. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

15.54


Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Im Rahmen der Budgetpolitik werden immer auch die Verhältnisse zwischen Arm und Reich und auch zwischen Frauen und Männern mitverhandelt. Das Ziel der Budgetpolitik kann eine Umverteilung sein, kann ein gesellschaftlicher Ausgleich zwischen Arm und Reich sein und kann auch emanzipatorisch im Sinne der Frauen wirken. Oder: Budgetpolitik kann ungleiche Strukturen verfestigen.

Das Budgetprovisorium, das heute beschlossen werden soll, ist ja im Prinzip nur eine Fort­schreibung des Budgets von 2002. Das alleine wäre schon unerfreulich genug, was diese Um­verteilungsaspekte betrifft. Darüber hinaus wollen Sie aber so ganz nebenbei – und das war heute noch gar kein Thema – die Ermessensausgaben um 5 Prozent kürzen.

Das ist keine ganz große Summe: 90 Prozent des Budgets sind über gesetzliche und vertrag­liche Verpflichtungen gebunden. Trotzdem wäre es interessant, zu schauen, wen denn das trifft, so ganz nebenbei, ohne dass das überhaupt eine Erwähnung wert ist. Diese Ermessensaus­gaben treffen in erster Linie Initiativen, die sich mit sehr viel Engagement, mit wenig Geld und zu einem Großteil ehrenamtlich um Gruppen in der Bevölkerung oder um Teile der Bevölkerung kümmern, die vom allgemeinen Budget benachteiligt werden. Das sind Sozialinitiativen, das sind zum Beispiel auch Initiativen, die die Integration am Arbeitsmarkt wieder fördern sollen.

Unter so genannten normalen Umständen ist die Lebenssituation für diese Initiativen schon ziemlich schwierig. Sie haben immer nur ein jährliches Budget, weil Sie es nämlich nicht zusam­menbringen, ihnen zumindest ein zweijähriges Budget zu geben. Von einem längeren Budget rede ich ja schon gar nicht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das heißt, sie müssen jedes Jahr um die Mittel zittern, die ihnen für eine gesellschaftlich sehr notwendige Arbeit zur Verfügung stehen. Im heurigen Jahr warten sie nicht nur schon seit Monaten darauf, dass sie überhaupt Geld bekommen, weil es auf Grund dieser gesamten Unsicherheit, wie denn das alles mit den Verhandlungen ausgehen wird, eben viele Initiativen nicht geschafft haben, überhaupt eine Zusage für dieses Jahr zu bekommen, sondern sie erfah­ren jetzt – so ganz nebenbei – auch noch, dass diese Mittel, die sie vielleicht irgendwann bekommen werden, um 5 Prozent gekürzt werden. Es ist noch gar nicht klar, ob dies linear passieren wird oder ob nicht vielleicht manche Initiativen viel weniger als 5 Prozent weniger bekommen werden.

Sie sollten sich vor Augen führen, dass es nicht nur um Mittel für die allgemeine politische Arbeit geht, sondern dass es zum Beispiel auch um Personalkosten geht, die langfristig fest­gelegt sind, wo Sie sich alle miteinander bedanken würden, wenn Sie von einem Monat auf den anderen nicht wüssten, ob Sie Ihr Geld bekommen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte betreffend diese Ermessensausgaben an einem Beispiel zeigen, wie weit sich dieses Budget und auch die Kürzung der Ermessensausgaben strukturverfestigend im negati­ven Sinn auswirken. Sie haben wahrscheinlich gestern die neue Studie des Wifo gelesen, in der das Kindergeld bewertet worden ist und sich herausgestellt hat, dass zumindest jetzt in der Anfangsphase mit dem Kindergeld ein wesentliches Ziel, das Sie selber definiert haben, nicht erreicht wurde, nämlich die Erhöhung der Beschäftigungsquote der Frauen mit kleinen Kindern. Zugleich kürzen Sie eben genau bei den Ermessensausgaben Mittel für Initiativen, die die Inte­gration von Frauen auf dem Arbeitsmarkt wieder unterstützen sollen. (Abg. Steibl: Stimmt ja nicht!)

Wenn Sie es nicht glauben, sage ich Ihnen: Der Anteil der Wiedereinsteigerinnen, die vor der Geburt ihres Kindes beschäftigt waren, sank von rund 57 Prozent auf 38 Prozent. Die Erwerbs­quote der Frauen, die vor der Geburt nicht beschäftigt waren, sank von 40 Prozent auf 25 Pro­zent. Aus meiner Sicht ist das eindeutig eine Senkung der Erwerbsquote.

Das heißt, auf der einen Seite haben Sie eine Maßnahme gesetzt, die zwar schon auch positive Auswirkungen (Abg. Steibl: Das meine ich auch!) in der Erweiterung des Bezieherinnenkreises hat, aber im Hinblick auf die Beschäftigungsquote der Frauen wirkt sie sich auf der anderen


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Seite negativ aus. (Abg. Steibl: Das stimmt ja nicht! Es ist die Zuverdienstgrenze angehoben worden!) Zugleich machen Sie mit der Senkung der Ermessenausgaben allen Initiativen das Leben schwer, die versuchen, genau solchen Frauen die Integration auf dem Arbeitsmarkt wieder zu ermöglichen. (Beifall bei den Grünen.)

An der Kürzung der Ermessensausgaben zeigt sich auch, dass Ihr angebliches Ziel der Steige­rung der Erwerbsquote von Frauen nicht mehr als ein Lippenbekenntnis ist. (Beifall bei den Grünen.)

15.59


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rossmann. Die Uhr ist ebenfalls wiederum auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

15.59


Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich glaube, die beste Bestätigung, dass wir mit dem Budgetprovisorium die richtige Entscheidung getroffen haben, nämlich dieses heute hier zu beschließen, hat uns Rechnungshofpräsident Fiedler selbst gegeben. Er sagte: Wenn das 50-Prozent-Limit bis April ausgeschöpft wird und es kein Provisorium gibt, sind wir plötzlich darauf angewiesen und haben keine andere Möglichkeit mehr, als das über Kassenstärker zu finanzieren – Zitatende. – Das hat auch der Finanzminister schon ausgeführt.

Ich glaube, das wäre unverantwortlich gewesen. Deshalb haben wir uns auch, trotz der einen oder anderen Debatte im Vorfeld, dazu entschlossen, diesem Budgetprovisorium zuzustimmen. Wir hätten keine andere Wahlmöglichkeit mehr und wären einfach dem Zinsendruck ausgelie­fert gewesen.

So ersparen wir letzten Endes dem Steuerzahler mehr als 12 Millionen € täglich und gewähr­leisten auch – und ich glaube, das ist auch ganz wichtig – den Ministerien die Möglichkeit, die Projekte rasch anzugehen und voranzutreiben – wenn man weiß, dass viele gute Projekte auf dem Tisch liegen und die Beamten eigentlich nur darauf warten, sozusagen auf Knopfdruck all diese Projekte in Angriff nehmen zu können. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vor­sitz.)

Letzten Endes, so glaube ich, war es die richtige Entscheidung, hier eine 5-Prozent-Bindung festzuschreiben, um den konsequenten Weg, ausgabenseitig zu sanieren, weiter zu gehen.

Wir sind aber sehr froh, dass es auch in der abgelaufenen Legislaturperiode trotz eines restrikti­ven Budgetkurses und trotz des Hochwassers möglich war, zwei große allumfassende Kon­junktur­pakete zu beschließen. Ich erwähne das deshalb, weil ich gestern die Wahl kämpfende Landesrätin Onodi aus Niederösterreich gesehen habe (Abg. Scheibner: Die ist doch so selten irgendwo!), die von Betrieb zu Betrieb geht und sagt: Wir brauchen dringend einen Lehrlings­fonds, denn die Be­triebe müssen entlastet werden, wenn sie Lehrlinge ausbilden!

Da frage ich mich schon: Haut die Information zwischen der SPÖ-Bundesfraktion hier und der Landesfraktion in Niederösterreich nicht hin? – Es gibt ein allumfassendes Konjunkturpaket mit 1 000 € pro Lehrling; für jeden Lehrling im Betrieb gibt es 1 000 €. Wenn das keine Entlastung ist, was dann? (Abg. Parnigoni: Liebe Kollegin Rossmann! Sie haben das nicht verstanden!) – Ich weiß schon, Sie wollen einen Fonds, bei dem die bestraft werden und einzahlen müssen, die keine Lehrlinge ausbilden. (Abg. Parnigoni: Sie wissen gar nicht, worum es geht! Das haben Sie nicht verstanden!) – Ich habe das schon verstanden, aber wir gehen den anderen Weg, nämlich ohne Bestrafung und ausschließlich über Anreize zu wirken. Ich meine, das ist der sinnvollere Weg! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber ich möchte schon in Erinnerung rufen, dass wir mit einer allumfassenden Qualitätsoffen­sive für Jugendliche in Form von Umschulungen auch auf dem Arbeitsmarkt einige neue groß­artige Möglichkeiten geschaffen haben. Das taten wir auch mit der Wiedereinführung der Investitionsprämie – wenn wir uns auch mehr gewünscht hätten beziehungsweise sich die Wirtschaft mehr gewünscht hätte, aber das war der erste Schritt in diesem Konjunkturpaket mit


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immerhin 600 Millionen €. (Abg. Gradwohl: Wie viele Lehrlinge wurden mit der „allumfassenden Qualitätsoffensive“ aufgenommen?)

Da könnte man jetzt in alten Wunden rühren und sagen: War es der richtige Zeitpunkt, dieses Konjunkturpaket im Herbst zu schnüren? – Ich sage durchaus, wir hätten es lieber früher gehabt, wir hätten es lieber im Frühjahr gehabt, weil – das ist einfach der Status der jetzigen Situation; da müssen wir in die Zukunft blicken – die Kaufkraft massiv eingebrochen ist. Wo immer man hinkommt – Kollege Stummvoll nickt –: Alle Betriebe jammern, vor allem die kleinen Gewerbebetriebe. Die Kaufkraft ist wirklich dramatisch zurückgegangen, der Konsum ist zurück­gegangen. Und was mich auch erschüttert, ist, dass insbesondere die Lohnpfändungen, und zwar gerade bei kleineren und mittleren Einkommen, angestiegen sind. Davon sind viele Allein­erzieherinnen betroffen.

Ich glaube, das wird die Aufgabe sein – und deshalb bin ich sehr froh darüber, dass sich der Herr Finanzminister klar geäußert und alle Missverständnisse ausgeräumt hat –, dass nämlich die Steuerentlastung für kleine und mittlere Einkommensbezieher und auch für kleine und mittlere Betriebe mit 1. Jänner 2004 kommt. Auch der Wegfall des 13. Umsatzsteuertermins und die Entlastung in der Form, dass nicht entnommene Gewinne zum Teil steuerbefreit sind, sind vorgesehen. Ich denke, insgesamt ist ein richtiger Schritt zu einem letztmöglichen Zeitpunkt – ich sage: es ist fünf vor zwölf, wenn nicht schon knapp nach zwölf – gesetzt worden.

Wir werden ganz strikt an unserem vereinbarten Regierungsübereinkommen festhalten, erwar­ten das selbstverständlich auch vom Finanzminister, und vor allem, dass es in diese Richtung keinerlei missverständliche Äußerungen mehr gibt, weil das natürlich zu einer Verunsicherung der Wähler geführt hat, aber auch jedes Konsumenten, denn die Leute warten jetzt auf solch eine Entlastung. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.04


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Moser. Wunsch­gemäß stelle ich die Uhr auf 5 Minuten ein. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.05


Abgeordneter Mag. Hans Moser (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Was heute an Zahlen geliefert wurde – an unterschiedlichen Zahlen! –, warum dieses gesetzliche Budgetprovisorium kommen soll, das ist wirklich unglaublich! Ich habe mitge­schrieben: Von 15 Millionen € bis 80 Millionen € war die Rede – eine unglaubliche Schwan­kungsbreite, aber das sind wir ja gewohnt, wenn wir mit Budgetzahlen von Bundesminister Grasser konfrontiert werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Im Rahmen der Diskussion im Budgetausschuss ist mir nicht klar geworden – und ich habe sehr genau aufgepasst –, warum eigentlich ein gesetzliches Provisorium notwendig ist. Es gibt näm­lich die Möglichkeit – und das wurde hier immer nur sehr versteckt angedeutet –, dass man Kassenstärker verwendet. (Bundesminister Mag. Grasser: Was mehr kostet!)

Ich habe in der Zwischenzeit viele Gespräche mit Geldmarkt- und Kapitalmarktexperten geführt, die mir Folgendes mitgeteilt haben: Der Zinssatz für kurzfristige Maßnahmen – sprich: Kassen­stärker – beträgt zurzeit 2,84 Prozentpunkte, der Zinssatz für mittelfristige Anleihen liegt zwi­schen 4 und 4,5 Prozentpunkten. Das heißt, die Differenz sind 1,2 Prozentpunkte. Diese Form würde bedeuten, dass das billiger wäre. Auf die Frage hin, wie weit das auf die Basispunkte Auswirkungen hat und hatte, hieß es: Das sind fünf bis acht Basispunkte, das heißt, das sind fünf bis acht Hundertstel Prozentpunkte Differenz.

Es ist ausreichend Geld vorhanden, und daher glaube ich, dass der Grund ein ganz anderer ist. Der Grund ist vielmehr, dass viele nicht an die Beständigkeit dieser Bundesregierung glauben.

Das schlägt sich vielleicht auch in einem Artikel in der heutigen Ausgabe des „Kurier“ nieder, in dem Folgendes zu lesen ist: „Jetzt ist Feuer am Dach.“ – Oder: „Wichtig ist, dass die Reform die Handschrift des Sozialministers trägt, nicht die des Finanz- oder Wirtschaftsministers.“ – Es ging dabei um die Pensionsbegleitgesetze.


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Da besteht also tiefes Unbehagen, tiefes Misstrauen in die Zukunft dieser Regierung. Daher glaube ich auch, dass dieses gesetzliche Provisorium der Grund dafür ist, um hier schon vor­bereitend auf nächste Schritte agieren zu können. (Abg. Mag. Molterer: Das glauben Sie aber selbst nicht ganz!)

Was braucht aber Österreich in der jetzigen Zeit? – Ich glaube – und das ist heute mehrfach angesprochen worden –, Österreich braucht eine Ankurbelung der Wirtschaft, es braucht nicht eine Fortsetzung des restriktiven Budgetkurses oder ein Fortwursteln auf der bisherigen Ebene. Das ist der verkehrte Weg, den wir sicherlich nicht unterstützen können! (Beifall bei der SPÖ.)

Die heutige Debatte verdeutlicht aber auch einen anderen Widerspruch. Der Herr Bundeskanz­ler sprach hier davon, dass wir den Lissabon-Prozess unterstützen sollen, dass wir auf einem guten Wege seien. Der Herr Bundeskanzler sprach hier davon, dass es eine Task Force für Beschäftigungspolitik gebe. Herr Mitterlehner hat davon gesprochen, dass es wesentlich sei, gewisse Erwartungen in eine stabile Wirtschaft zu haben. – Und was passiert? Was passiert in diesem kränkelnden Umfeld? – Wir beschließen – oder sollten es beschließen; das wird ja hier beantragt – ein restriktives Budget, das genau die entgegengesetzten Wirkungen und auch Verunsicherung auslöst. Das steht hier eigentlich zur Diskussion!

In diesem Zusammenhang möchte ich auf einen wesentlichen Punkt hinweisen. Ich habe mir den Arbeitsmarkt genau angeschaut. In der öffentlichen Diskussion wurde – auch heute wie­der – immer nur die Arbeitslosenrate angesprochen. Wesentlich – und das weiß ich aus meiner langjährigen Berufserfahrung in diesem Bereich – ist ja, wie viele Arbeitslose auf eine offene Stelle kommen. Diese Kennziffer hat sich seit dem Jahr 2000 von fünf Arbeitslosen auf eine offene Stelle auf zehn Arbeitslose auf eine offene Stelle erhöht, sie hat sich also verdoppelt. Und das ist die eigentliche Dramatik, denn hier fehlen ganz deutlich Arbeitsplätze! Da muss man eigentlich eingreifen – und nicht hinten herum versuchen, fingierte Budgets zu starten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein letzter Punkt: Wesentlich ist – daher ist unser Antrag so wichtig –, dass wir Einkommens­kraft bei den Konsumenten schaffen. Wenn sich heute die Diskussion darum dreht, dass die Hotelbranche Kurzarbeit anmeldet, dann ist das nicht eine Frage der Irak-Krise – die Irak-Krise muss in der heutigen Diskussion für sehr viel herhalten; wir haben das schon gehört –, sondern es geht darum, dass wir Massenkraft schaffen müssen. Dann wird auch der Handel zunehmen, dann wird die Industrie mit ihren Arbeitsplätzen zunehmen. Wir brauchen – das habe ich mir auch ausgerechnet – in nächster Zeit 200 000 zusätzliche Arbeitsplätze. Diese können eigent­lich nur durch die Schaffung von Einkommen und nicht durch das Besteuern und Wegnehmen von Einkommen geschaffen werden.

Wesentlich ist in diesem Zusammenhang – dann möchte ich damit auch schon aufhören –, dass wir diese Bereiche, die ja Kollege Matznetter bereits genannt hat, verstärken.

Ein letzter Punkt: Herr Minister, ich fürchte, dass Sie mit der Budgetpolitik, die Sie hier betrei­ben, in die Geschichte als Pate des Stillstands der wirtschaftlichen Entwicklung Österreichs ein­gehen werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.10


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Maier. Die Uhr ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.

16.10


Abgeordneter Dr. Ferdinand Maier (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Debatte ist durchaus interessant, das kann man feststellen, wenn man verfolgt, was hier gesagt wird.

Ich hätte eine Anregung für den Klub der Sozialdemokraten – Josef Cap ist zwar nicht mehr im Saal, aber ich bitte Sie als Stellvertreterin des Vorsitzenden, Frau Abgeordnete Prammer, ihm das auszurichten (Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer) – betreffend die nächsten Themen für die Aktuelle Stunde. Sie haben sich heute mit niederösterreichischen Fragen auseinander ge-


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setzt, und ich möchte kurz zwei Themen aufzeigen, anhand derer Sie in der nächsten Aktuellen Stunde Wiener Fragen ansprechen können, weil ich meine, dass das wesentlich wichtiger ist. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni.)

Wenn wir über die Budget- und Wirtschaftspolitik in diesem Land sprechen, sollten wir uns auch die Arbeitslosenzahlen anschauen. Wir müssen beklagen – das ist sicher auch für Kollegen Eder schlimm (Abg. Gradwohl: Herr Kollege! Nur zum besseren Verständnis: Beschließt jetzt Wien ein Budgetprovisorium oder diese Regierung?) –, dass Wien das Schlusslicht in der Arbeitsplatzstatistik ist, dann kommen das Burgenland und Kärnten. (Abg. Eder: Wie viele Niederösterreicher arbeiten in Wien?)

Ich möchte auf Folgendes hinweisen – Herr Kollege Eder, das werden Sie vielleicht nicht wissen, oder Sie haben es verdrängt –: Wien ist insofern eine ganz große Besonderheit, als es in Wien den so genannten Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds gibt. Der Wiener Arbeit­nehmerInnen Förderungsfonds wurde 1994 von Helmut Zilk und Hans Mayr gegründet, um gegenzusteuern, weil man gefürchtet hat, dass die Ausgliederung der Arbeitsmarktverwaltung im Wege des AMS ein bisschen Verunsicherung bringen könnte. Daher hat man diesen Fonds gegründet.

Jetzt möchte ich nur darauf hinweisen, damit Sie sehen ... (Abg. Gradwohl: Und was hat das mit dem Budgetprovisorium zu tun?) – Ich sage es Ihnen gleich, Herr Kollege, und Sie werden entsetzt sein, wenn Sie hören, wie in Wien die Kollegen Ihrer Fraktion arbeiten. (Abg. Grad­wohl: Erzählen Sie über das Budgetprovisorium! Aber zu dem haben Sie noch kein Wort verlo­ren! Hinter Ihnen sitzt der Finanzminister!) Lassen Sie mich ausreden, denn Geldvernichtung passiert auch in Wien, und ich möchte darauf hinweisen, was dort passiert ist.

Lassen Sie mich feststellen, dass dieser Fonds mit 32 Mitarbeitern und einem Budget von 64 Millionen Schilling geschaffen wurde. Heute hat er 219 Mitarbeiter und 325 Millionen Schil­ling. (Abg. Gradwohl: Und wo steht das im Budgetprovisorium?) Und in der Zwischenzeit – das ist die Dramatik; lenken Sie nicht ab, Herr Kollege (ironische Heiterkeit bei der SPÖ – Abg. Gradwohl: Ich spreche von der Tagesordnung, Herr Kollege!) – ist in Wien die Arbeitslosigkeit gestiegen und die Zahl der Beschäftigten zurückgegangen. Das ist die Wirtschaftspolitik der Sozialdemokratie, da kann Herr Kollege Matznetter sagen, was er will! Er sagt im Ausschuss sehr oft das Gleiche, es wird nur nicht richtiger. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Mich hat sehr beeindruckt, was Ihr Kollege Gartlehner vor wenigen Minuten hier gesagt hat, als er über die Privatisierung gesprochen hat. Lassen Sie mich kurz dazu Stellung nehmen, und zwar auch anhand des Beispiels einer dramatischen Entwicklung in Wien.

Die Privatisierung der CA stand an, meine Damen und Herren, und sie wurde hier in diesem Hohen Haus diskutiert. (Abg. Gradwohl: Aber nicht im Rahmen des Budgetprovisoriums 2003!) Und ich möchte einen Satz zitieren, der in diesem Hohen Haus am 14. Jänner 1997 von meinem Kollegen Günter Stummvoll gesagt wurde (Abg. Gradwohl: Kein einziges Wort zum Budgetprovisorium, Herr Klubobmann Molterer!) – das sage ich deshalb, weil Herr Kollege Matznetter und andere Freunde Ihrer Fraktion meinen, all das, was in wirtschaftspolitischer Hin­sicht passiert ist – und das fließt auch in Budgets ein –, sei unter der Verantwortung der ÖVP geschehen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Posch.)

Den Verkauf der CA, das ist hier dokumentiert und dazu ist von diesem Pult aus gesprochen worden, haben vier Fraktionen in diesem Haus beschlossen – nur nicht die ÖVP. Da sehen Sie den Unterschied in der wirtschaftspolitischen Strategie. Ich mache dafür die Wirtschaftsgrößen in der SPÖ verantwortlich, wenn man in diesem Zusammenhang über Wirtschaftskompetenz spricht. Am Beispiel der Bank Austria-CA und dem Buchverlust, den die Stadt Wien dadurch zu beklagen hat, können Sie ablesen, was es mit der Wirtschaftskompetenz Ihrer Herren auf sich hat.

Ich weise darauf hin: Die Stadt Wien hat in den Büchern im Wege des Aktientausches zur HVB einen Wert von 1,7 Milliarden €. (Abg. Gradwohl: Herr Kollege! Nehmen Sie wenigstens den


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Tagesordnungspunkt „Budgetprovisorium“ in den Mund!) Der Kurs, Herr Kollege, liegt momentan bei 200 000 €. Das heißt, 1,5 Milliarden € sind da verspielt worden, und niemand von Ihrer Fraktion findet es der Mühe wert, eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema zu machen und zu fragen, warum da 1,5 Milliarden € verspielt wurden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Ich meine, im Rahmen einer Budgetdebatte muss man darauf hinweisen (Abg. Gradwohl: Und jetzt kommen Sie bestimmt glasklar zum Budgetprovisorium!), denn Ihre wirtschaftspolitischen Ansätze sind so, dass man davon ausgehen kann, dass es dazu kommt, dass Sie keine Privati­sierung wollen – Herr Ing. Gartlehner hat eindrucksvoll davon gesprochen. Gleichzeitig weise ich darauf hin, dass die Bank Austria-CA eine dramatische Entwicklung genommen und die Stadt Wien 1,5 Milliarden € verloren hat. (Abg. Eder: Das habt ihr im Gemeinderat verlangt!)

Herr Kollege Eder, setzen Sie sich in Ihrem Klub durch, nehmen Sie diese aktuelle Frage in nächster Zeit zum Thema, und wir können die Antwort der Verantwortlichen von Ihnen hören! Sie könnten das in Ihrer Fraktion auch einmal für die Stadt Wien einbringen, damit wir hören, wie das gesehen wird und warum das gemacht wurde.

Sie haben sich ja geweigert, die Privatisierung durchzuführen – das ist doch hier debattiert worden. Ihre Stimmen haben dazu geführt, dass jetzt dieser Verlust festzuschreiben ist. (Abg. Eder: Das hat die ÖVP verlangt!) Ihr Kollege, der Landeshauptmann-Stellvertreter von Salzburg Radlegger, hat unlängst in den Zeitungen geschrieben, auf Grund dieser dramatischen Entwick­lung müsse er mit großer Trauer Rücklagen auflösen. Und da sagen Sie nichts?! (Abg. Parni­goni: Sagen Sie auch etwas zum Budgetprovisorium! Sagen Sie auch etwas zum Thema! Sagen Sie etwas zu dem, was auf der Tagesordnung steht, zum Tagesordnungspunkt!)

Zusammenfassend: Wenn man aktuelle wirtschaftspolitische Fragen diskutiert – das sage ich auch in Richtung Dr. Matznetter –, wird etwas nicht besser dadurch, dass man es immer wieder wiederholt.

Wenn wir heute noch einmal die Zukunft der Privatisierung diskutieren – wir werden im Rahmen anderer Debatten noch die Gelegenheit haben, darauf abzustellen –, erwarte ich von Ihnen, dass Sie hier bekennen (Abg. Parnigoni: Zur Tagesordnung sagen Sie etwas!), warum Sie da­mals, am 14. Jänner 1997, nicht den Schritt gegangen sind, den die Österreichische Volkspartei vorgeschlagen hat. (Beifall bei der ÖVP.)

16.17


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine Reihe von Zwischenrufen der Abgeordneten Gradwohl und Parnigoni beschäftigen sich mit der Frage, ob das zur Sache gesprochen sei. Ich habe den Ausführungen des Abgeordneten Matznetter aufmerksam zugehört und muss sagen, die ge­samte Debatte ist zu einer allgemeinen wirtschaftspolitischen Debatte geworden. Und ich meine, auf das, was Matznetter sagen durfte, darf es auch Repliken geben.

Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Hoscher. 5 Minuten. – Bitte.

16.17


Abgeordneter Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanz­ler! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kurz zu den Ausführungen des Kollegen Maier. Kollege Maier, du hast gemeint, wenn man etwas ständig wiederholt, wird es dadurch nicht unbedingt besser. – Dem stimme ich vollinhaltlich zu. Wir haben im Bundesrat diese Frage auch des Öfteren erörtert.

Ich weiß nicht, ob du mit deiner Wiener Landtagsfraktion korrespondierst, denn die hat in der letzten Landtagssitzung selbst zugegeben, dass die Arbeitslosigkeit in Wien gesunken ist. Und Wien ist damit das einzige Bundesland Österreichs, in dem sie gesunken ist. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Ferdinand Maier.)

Im Übrigen bist du ein Vertreter jener Partei, die, wenn wir schon bei Wien bleiben – wir dürfen ja bei einer allgemeinen Wirtschaftsdebatte bleiben; und du bist in deinen Ausführungen auch in die Geschichte zurückgegangen –, zum Beispiel gegen den Bau der Donauinsel gestimmt hat,


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was dazu geführt hätte, dass im vergangenen Jahr auch wesentliche Gebiete von Wien über­schwemmt worden wären, zum Beispiel Floridsdorf.

Oder wenn du dein Herz für die Großfeldsiedlung entdeckst: Die ÖVP war von Anfang an gegen den Bau der Großfeldsiedlung und hat dagegen gewettert.

Ich darf auch darauf hinweisen, dass die Forschungsausgaben im letzten Wiener Budget höher waren, nämlich für Wien allein, als die gesamten Forschungsausgaben im Bundesbudget für die restlichen acht Bundesländer. (Beifall bei der SPÖ.) – Nur so viel dazu.

Eine kurze Bemerkung auch noch zu unserem Antrag beziehungsweise zum Antrag der Abge­ordneten Mag. Kogler, Dr. Matznetter betreffend Einkommensteuersenkung – diese Bemerkung richtet sich jetzt an die FPÖ, und zwar an die Teil-FPÖ, an die Gruppe der glorreichen oder noch nicht so glorreichen Abspaltungs-Sieben. Frau Kollegin Rossmann führt diese Gruppe, glaube ich. (Zwischenruf der Abg. Rossmann. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wie immer schlecht informiert!) Ich möchte nur sagen: Bitte vergessen Sie nicht zuzustimmen, sonst könnte es sein, dass Sie in Kärnten Probleme bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

In der knapp bemessenen Zeit einige Punkte zu einem tatsächlichen Detailbereich des Budgets, der mir besonders wichtig erscheint, zur Verkehrsinfrastruktur. Ich glaube, dass die In­frastrukturpolitik der letzten drei Jahre in diesem Bereich mit dem Budgetprovisorium zumindest eines gemeinsam hat, nämlich den zweiten Teil des Titels, denn in der Tat war diese Politik nicht viel anderes als ein Provisorium. Was allerdings durchaus verständlich ist, wenn man sich die Halbwertszeit der beteiligten Regierungsmitglieder ansieht, die deutlich unter einem Jahr gelegen ist. Vielleicht hat man deswegen jetzt zwei Personen eingesetzt, einen Minister und einen Staatssekretär, weil man hofft, dass zumindest einer von ihnen vielleicht länger im Amt bleibt als seine Vorgänger.

Die Infrastruktur ist auch als direkter Einflussfaktor auf das Budget wesentlich. Ich erinnere nur daran, dass Studien zeigen, dass bis zu 50 Prozent von zusätzlichen Verkehrsinfrastrukturaus­gaben wieder direkt dem Budget zugute kommen: sei es in Form höherer Steuereinnahmen, sei es in Form geringerer Ausgaben etwa im Bereich der Arbeitslosenversicherung.

Daher erstaunt es mich schon, dass wesentliche Punkte der Infrastrukturpolitik, wie zum Beispiel die LKW-Maut, ständig in Diskussion gezogen werden. Auch im letzten Regierungs­übereinkommen sind wieder Passagen enthalten wie „Überprüfung der Höhe der Sondermaut für LKW“ und Evaluierung „nachteiliger Standorteffekte“. Das heißt, anstatt sich endlich sicher zu sein, das auch durchzuführen – man hat es ohnehin schon lange genug verzögert –, wird schon wieder angedeutet: Na ja, vielleicht wird es doch wieder ein wenig verschoben, oder viel­leicht kann man es doch wieder etwas geringer machen. Das könnte die Streckenmaut betref­fen, das könnte das LKW-Road-Pricing als solches betreffen, so genau steht das ja leider nicht drinnen.

Das Argument, das dann verschiedentlich kommt: Na ja, da geht es um Einnahmen der ASFINAG und nicht wirklich um Einnahmen des Budgets!, ist ja nicht zulässig. Was macht denn die ASFINAG, wenn sie keine Mittel mehr hat, um die Straßeninfrastruktur auszubauen? – Da gibt es am Ende des Tages zwei Möglichkeiten: entweder man lässt die Straßen verfallen, oder man zahlt es wieder aus dem Budget. Das heißt, das Budget ist immer davon betroffen. Ich glaube, dass man hier durchaus mehr Ernsthaftigkeit ans Werk legen sollte. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wittauer: Den Schienenverkehr nicht vergessen!)

Ich gebe zu – das Licht blinkt bereits und zeigt damit die zu Ende gehende Redezeit an –, dass die Erhöhung der Haftungsrahmen für die ASFINAG und für die SCHIG im Budgetprovisorium isoliert gesehen durchaus sinnvoll sind; allerdings, wie gesagt, isoliert gesehen. Verkehrspoli­tisch betrachtet schaut das Ganze schon wieder ganz anders aus, nämlich wenn man bedenkt, dass allein für den Ausbau der Koralmbahn rund 3 Milliarden € vorgesehen sind, und zwar für täglich 90 Züge – 3 Milliarden € für täglich 90 Züge! (Zwischenruf der Abg. Rossmann) –, im Bereich des Unterinntals für eine im Wesentlichen bestehende Strecke 2 Milliarden € (Zwi-


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schenruf des Abg. Wittauer), auf der anderen Seite aber kaum Aussagen zur Ostregion ge­macht werden, wo der Transit in den nächsten fünf bis zehn Jahren um 70 bis 80 Prozent zunehmen wird, wo Dinge wie Süd-Umfahrung, Nordost-Umfahrung, sechste Donauquerung und so weiter anstehen. Ich glaube, dass hier die Prioritätenreihung vielleicht doch ein wenig falsch vorgenommen wurde.

Zu wenig Investitionen in die Infrastruktur oder aufgeschobene Investitionen bedeuten nichts anderes als eine Schwächung des Wirtschaftsstandortes Österreich (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wittauer), eine Schwächung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und damit eine Belastung der nächsten Generationen.

Nachdem wir das bereits im Rahmen des Bundesfinanzgesetzes 2002 kritisiert haben, ergibt sich in logischer Konsequenz, dass wir dem Budgetprovisorium für 2003 ebenfalls nicht zustim­men können. (Beifall bei der SPÖ.)

16.23


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Lentsch. – Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort für 5 Minuten.

16.23


Abgeordnete Edeltraud Lentsch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Leider war es uns auf Grund der vorgezogenen Nationalratswahlen nicht möglich, ein Haushaltsgesetz für das Jahr 2003 vorzulegen, doch das provisorische Budget wird in das ordentliche Budget ein­fließen, und somit wird es eine einheitliche Gebarung für das Jahr 2003 geben. (Zwischenruf der Abg. Mag. Trunk.)

Für uns von der Österreichischen Volkspartei ist dabei ganz besonders wichtig, dass wir am Stabilitätsprogramm festhalten. So, wie es aussieht, können wir das Nulldefizit in der nächsten Zeit nicht erreichen, denn die internationale Wirtschaftslage sieht nicht sehr rosig aus, und der furchtbare Krieg im Irak, der uns alle sehr betroffen gemacht hat und macht, wird auch noch sein Quäntchen dazu beitragen. (Abg. Parnigoni: Sie können nichts halten, was Sie verspre­chen!) Deswegen müssen wir uns von diesem ehrgeizigen Ziel des Nulldefizits in der nächsten Zeit verabschieden. Das ist eine Tatsache, die uns allen bewusst ist.

Aber wir dürfen auch nicht in den gefährlichen Trugschluss verfallen, dass mehr Schulden auto­matisch einen Wirtschaftsaufschwung bringen. In Deutschland beträgt das Budgetdefizit für das Jahr 2002 bereits 3,8 Prozent – und trotzdem springt die Wirtschaft nicht an, trotzdem gibt es eine Rekordarbeitslosigkeit und trotzdem zeigen alle Zeichen nach unten.

Früher hat das noch funktioniert, geschätzte Damen und Herren: Als Kreisky und Androsch Schulden gemacht haben, konnten sie noch von einem guten Boden ausgehen, und niemand hat damals gefragt, wer diese Schulden einmal zurückzahlen wird. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Parnigoni: Vielleicht zitieren Sie dann etwas aus der Kaiserzeit!)

Erinnern Sie sich noch: Unsere Leute wie Koren, Schleinzer und Taus wurden von Ihnen ausgelacht, bloß weil sie das vorausgesagt haben, was heute eingetreten ist! Heute ist es so weit, geschätzte Damen und Herren: Heute müssen wir sparen, um die alten Schulden zurück­zahlen zu können. Und heute fehlt uns das Geld, das wir dringend brauchen würden für die Pensionen, für unser Gesundheitssystem und für unsere Kinder.

Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, werfen uns permanent „soziale Kälte“ vor, nur weil wir das tun, was wir tun müssen: sparen, sparen und nochmals sparen. Dabei haben Sie uns und allen Österreicherinnen und Österreichern die Suppe eingebrockt, die wir alle jetzt auslöffeln müssen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber.)

Ja, ich weiß schon, jetzt kommt wieder das Argument, dass wir auch dabei waren. Ja, wir waren auch dabei, aber wir haben in dieser Zeit nie den Bundeskanzler gestellt (Abg. Mag. Trunk: Gott sei Dank!), wir haben in dieser Zeit nie den Finanzminister gestellt. (Abg. Mag. Trunk: Gott


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sei Dank!) Und was haben Sie gemacht – Sie wissen das genauso gut wie ich –, als im Jahre 1995 unser jetziger Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel (Abg. Mag. Trunk: Erfolgloser Wirtschaftsminister!) eine Kurskorrektur vornehmen wollte und auf die Bremse gestiegen ist? – Sie haben uns links überholt, sind aufs Gas gestiegen und in Richtung neuer Schuldenpolitik gefahren. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der ÖVP.)

Aber Sie brauchen keine Angst zu haben: Wir schaffen das schon, wir werden das Budget sanieren, vielleicht nicht so schnell, wie wir uns das gewünscht haben, dafür aber nachhaltig.

Speziell den jungen Menschen in Österreich kann ich versprechen, dass wir ihnen keine neuen Lasten für die Zukunft aufbürden. Ganz im Gegenteil: Wir werden danach trachten, dass die alten Hypotheken aus der SPÖ-Zeit in irgendeiner Form erträglich werden. (Beifall bei der ÖVP.)

16.27


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Mutto­nen. Sie hat wunschgemäß eine Redezeit von 5 Minuten. – Bitte.

16.27


Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Hohes Haus! Frau Kollegin Lentsch, Sie haben Recht: Wir werfen Ihnen soziale Kälte vor – aber nicht nur das, sondern auch, dass Sie die Entwicklung in Österreich behindern.

Zum gesetzlichen Budgetprovisorium 2003, das heute beschlossen werden soll, möchte ich aus der Sicht der Kunst und Kultur Folgendes anmerken: Meine Damen und Herren, es ist leider vorhersehbar, dass die 5-prozentige Bindung der Ermessensausgaben höchst negative Auswir­kungen auf die Kunst haben wird, vor allem deshalb, weil der Anteil der Ermessensausgaben gerade im Kunstbereich sehr hoch ist, und auch deshalb, weil die Ermessensausgaben bereits im Jahr 2002 um 3 Prozent gekürzt wurden. Es steht also eine neuerliche Kürzung ins Haus.

Das alles kommt aber noch zusätzlich zu den Kürzungen, die die Regierung Schüssel I im Be­reich Kunst und Kultur zu verantworten hat. Die Kulturstatistik spricht hier eine sehr deutliche Sprache: 1999 betrugen die Kulturausgaben des Bundes noch 820 Millionen €, im Jahr 2000 waren es nur mehr 668 Millionen €.

Erstaunlich ist die unterschiedliche Wahrnehmung, nämlich wie der Herr Kunst-Staatssekretär seine eigenen Aktivitäten einschätzt und wie die Realität ausschaut. Staatssekretär Morak sprach anlässlich der Präsentation des Kunstberichtes 2001 vom „bisher höchsten Kunst­budget“ – so weit seine eigene Wahrnehmung. Im Kunstbudget 2001, das 107,4 Millionen € be­tragen hat, sind nämlich zahlreiche Sonderfinanzierungen für Großprojekte enthalten. Da fallen die Ausgaben für die Kulturhauptstadt Graz hinein, der Umbau des Musikvereins und auch das Kleine Festspielhaus in Salzburg. Zieht man diese Sonderfinanzierungen ab, ist die Realität schon wieder eine ganz andere.

Die Wertigkeit der einzelnen Kunstbereiche wird deutlich, wenn man sich ansieht, wie die Mittel­verteilung ist. Da sieht man einen großen Gewinner: Das sind die Großveranstaltungen und die Festspiele; nur dort ist ein sattes Plus aufzuweisen. Dieses Beispiel zeigt sehr deutlich, dass unsere Kritik, die Kritik der SPÖ, gerechtfertigt ist, nämlich die Kritik daran, dass sich die kon­servative Kulturpolitik hauptsächlich um das repräsentative Element dreht.

Ein zweites Beispiel möchte ich noch erwähnen. Ich zitiere einen Satz aus dem Vorwort des Kunst-Staatssekretärs zum Kunstbericht 2001. Dieser Kunstbericht 2001 ist vor einigen wenigen Tagen der Öffentlichkeit und der Presse vorgestellt worden. Erst viel später haben ihn die Abgeordneten bekommen. Hier heißt es: „wir konnten ... die Kunstschaffenden wieder in den Mittelpunkt der Kunst- und Kulturpolitik stellen.“

Wo die Kunstschaffenden tatsächlich gestanden sind, das lässt sich aus den Schlagzeilen der Zeitungen der letzten Jahre ganz gut herauslesen. Da heißt es: Allein gelassen in ihren ökono­mischen Problemen – die Künstler nagen am Hungertuch. – So lautete die Überschrift in den


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„Vorarlberger Nachrichten“. Gefesselt von der Bürokratie, schreibt der „Standard“. Die Künstler­versicherung als Akt der Künstlerknebelung. Als Stiefkinder am Rande. – Das steht als Über­schrift auf „ORF ON“. Schwerpunkt Film ist zum Stiefkind der Kulturpolitik verkommen. Oder: Im sozialen Off, das schreibt die IG-Kultur in ihrer Ausgabe von „Kunst und Kultur“.

Das Budgetprovisorium 2003 und die damit verbundenen Kürzungen der Ermessensausgaben könnten für zahlreiche Initiativen, die bereits jetzt am Rande der Existenz stehen, das endgül­tige Aus bedeuten, denn die Erfahrungen haben gezeigt: Diese Einsparungsmaßnahmen be­treffen vor allem die freie Kulturszene.

Es scheint, dass sich die moderne und innovative Kunst unter dieser konservativen Regierung nicht entwickeln kann. Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, nehmen der jungen Kunst die Luft zum Atmen. Ich fordere Sie auf: Fördern Sie alle Bereiche der Kunst und Kultur, und bieten Sie Entwicklungsmöglichkeiten für viele anstatt nur für einige wenige!

Was mich besonders betroffen macht, ist das geringe Engagement des Kunst-Staatssekretärs, aber auch des Herrn Bundeskanzlers für die Kunst. Es wurden die Kürzungen von 3 Prozent im Vorjahr kommentarlos hingenommen, und offensichtlich werden auch die Kürzungen von 5 Pro­zent in diesem Jahr kommentarlos hingenommen.

Sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsparteien! Treten Sie doch offensiv für die Kunst und Kultur ein! Ich glaube, die Kunst hätte sich das verdient. – Wir können diesem Budgetprovisorium nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.33


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ellmauer. Herr Abge­ordneter, Sie sind am Wort; wunschgemäß 5 Minuten. – Bitte.

16.33


Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem heutigen Beschluss des Budgetprovisoriums für das Jahr 2003 sichert der Nationalrat stabile Staatsfinanzen unter der Prämisse der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit. Ein Weg, der von Bundeskanzler Wolf­gang Schüssel in der vergangenen Legislaturperiode beschritten wurde, findet nun seine Fort­setzung. Durch das gesetzliche Budgetprovisorium wird das automatisch in Kraft getretene ab­gelöst und damit die Finanzierung der Institutionen des Staates sichergestellt. Verantwortungs­voller Umgang mit den Staatsfinanzen schon am Beginn einer Legislaturperiode schlägt sich in einer stabilen und nachhaltigen Budgetgestaltung nieder. Der sorgsame Umgang mit dem Geld der Steuerzahler wird es auch sein, der diese Regierung auszeichnet.

Schon in der vergangenen Legislaturperiode ist es der Bundesregierung unter Bundeskanzler Schüssel und Finanzminister Grasser gelungen, eine Kehrtwendung von der jahrelangen Schul­denpolitik hin zum verantwortungsbewussten Wirtschaften zu vollziehen. Der Bund hatte dabei ein überaus erfolgreiches Vorbild. So findet Oberösterreichs Budgetpolitik international Aner­kennung. Die renommierte Ratingagentur Standard & Poor’s hat dem Land Oberösterreich auch 2002 die höchste Bonitätsstufe, das so genannte Triple A bestätigt. Kein Wunder, beweist doch Oberösterreich zum Beispiel mit einer Arbeitslosenquote von 4,7 Prozent im Jahresdurchschnitt hohe Kompetenz in der Arbeitsmarktpolitik.

Das kann man leider nicht von allen Bundesländern behaupten. Nur zum Vergleich: Wien hat eine Arbeitslosenquote von rund 9 Prozent – nicht gerade ein Ruhmesblatt.

Oberösterreich ist aber nicht nur Vorbild bei der Arbeitslosenquote. Oberösterreich ist mit 25 Pro­zent Exportanteil das wichtigste Exportbundesland der Republik. Das Land Oberöster­reich hat es geschafft, das siebente Budget in Folge ohne Neuverschuldung zu beschließen, und ist dabei noch der größte Nettozahler unter den Bundesländern an die Republik. Seit März 2002 ist Oberösterreich generell schuldenfrei. (Beifall bei der ÖVP.)


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Dieses Budgetprovisorium, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ein klares Signal der Stabilität an Wirtschaft und Bevölkerung bis zum Beschluss eines entsprechenden Budgets. Ziel sind eine optimale Lösung für die Steuerzahler und gute Konditionen an den Finanzmärkten.

Immer wieder weisen Wirtschaftsforscher auf die hohe Bedeutung geordneter Finanzen für die Qualität des Wirtschaftsstandortes hin. Sie sind heute ein entscheidender Benchmark im inter­nationalen Wettbewerb der Regionen. Wir wollen auch weiterhin zu den besten Wirtschafts­standorten der Welt gezählt werden. Dafür sind Reformen nötig, die wir umsetzen müssen. Wir messen uns nicht am Durchschnitt – und das haben wir, wie internationale Vergleiche auch zeigen, nicht nötig. So hat Deutschland zum Beispiel ein Defizit von 3,7 Prozent des Brutto­inlandsproduktes, Frankreich eines von 3 Prozent, Italien eines von 2,3 Prozent. Wir hingegen haben ein Defizit in der Höhe von nur 0,6 Prozent.

Sie sehen, meine Damen und Herren: Österreich gehört europaweit zu den Besten. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass das auch weiterhin so bleibt! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Partik-Pablé.)

Die immer wieder geäußerten Sorgen, dass die vorgesehene Ausgabenbindung, Frau Mutto­nen, von 5 Prozent in einzelnen Ressorts zu Finanzierungsschwierigkeiten führen könnte, sind unbegründet. Die Erfahrungen mit der Ausgabenbindung bei früheren gesetzlichen Budgetpro­visorien zeigen deutlich, dass es hier keine Probleme gab. Die 3-prozentige Bindung des Vor­jahres konnte ausnahmslos und problemlos eingehalten werden.

Meine Damen und Herren! Die Ausgabenbindung dient der stabilitätsorientierten Haushaltsfüh­rung. Es geht darum, bei Schwerpunktsetzungen der Investitionen in den Bereichen der Bildung und Forschung sowie der Infrastruktur die Defizitentwicklung durch einen restriktiven Budget­vollzug in einer akzeptablen Bandbreite zu halten. Es ermöglicht den haushaltsführenden Orga­nen einen gewissen Freiraum, verlangt aber auch den Einsatz ihrer Managementqualitäten.

Das Ansehen Österreichs als erstklassiger Schuldner darf nicht in Frage gestellt werden. Die Finanzmärkte reagieren äußerst sensibel auf schlechte Nachrichten. Deshalb ist es unverant­wortlich, durch Polemik, Herr Kollege Matznetter, den Standort Österreichs zu gefährden! (Bei­fall bei der ÖVP.)

16.38


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Heinzl. Redezeit: 5 Mi­nuten. – Bitte.

16.38


Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Der vorliegende Antrag auf Fassung eines gesetzlichen Budgetprovisoriums bietet, wie ich meine, beste Gelegenheit, die danieder­liegende österreichische Bauwirtschaft durch die Umsetzung wichtiger Infrastrukturprojekte an­zukurbeln. Angesichts der Wirtschaftslage und der weltpolitischen Instabilität ist es wichtig, gerade jetzt von Seiten der österreichischen Regierung eine stabilisierende Wirkung auf unsere Volkswirtschaft auszuüben.

Sinnvolle Infrastrukturprojekte kurbeln bei ihrer Umsetzung die Wirtschaft an und sichern über Jahrzehnte hinaus die Leistungsfähigkeit Österreichs. Ich möchte hier, sehr geehrte Damen und Herren, Hohes Haus, drei Projekte für den Ausbau der Westbahn nennen, die sofort umgesetzt werden können und dabei gleichzeitig die Schieneninfrastruktur und die Bauwirtschaft im niederösterreichischen Zentralraum stärken werden.

Die Güterzugumfahrung St. Pölten ist eines der wichtigsten Teilprojekte des Ausbaus der West­bahnachse – dies vor allem deshalb, weil der mitten in der Stadt gelegene St. Pöltener Haupt­bahnhof bereits jetzt tagtäglich wie ein Nadelöhr für den Güterverkehr wirkt. Dieses Projekt war bereits geplant, dieses Projekt war bereits bewilligt, finanziert und sogar teilweise schon errichtet.


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Dann ließ der Vorvorgänger des jetzt amtierenden Infrastrukturministers, Herr Dipl.-Ing. Schmid, die Bauarbeiten einfach einstellen und dem niederösterreichischen Landeshauptmann und Ver­kehrsreferenten Dr. Pröll ausrichten – wir erinnern uns daran –, Herr Pröll könne sich seine Infrastrukturwünsche für Niederösterreich „in die Haare schmieren“. Das, sehr geehrte Damen und Herren, war die seinerzeitige Aussage des Herrn Schmid.

Der Weiterbau der Güterzugumfahrung St. Pölten ist unbedingt notwendig, und deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Heinzl, Schasching und KollegInnen betreffend die sofortige Realisierung der Güterzugumfahrung St. Pölten

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert, die Errichtung der baureifen Güterzugumfahrung St. Pölten in unverantwortlicher Weise nicht länger zu blockieren, sondern angesichts des im Zuge der Ostöffnung zu erwartenden starken Anstiegs des Gütertransits so rasch als möglich den Baubeginn zu setzen und die dafür notwendige Bauübertragung per Verordnung zu erlassen.

*****

Der Weiterbau dieses Projektes ist zuletzt auch immer wieder von Herrn Landeshauptmann Pröll – vor allem in der letzten Zeit bei verschiedenen Spatenstichen – gefordert worden. – Und daher hoffe ich, dass alle der hier im Saale anwesenden Nationalratsabgeordneten der ÖVP-Niederösterreich meinem Antrag zustimmen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Weiters ist der Umbau des Hauptbahnhofes der Landes­hauptstadt St. Pölten längst überfällig. Die derzeitige Bausubstanz entspricht im Wesentlichen dem Stand vor Beginn der siebziger Jahre und ist in keiner Weise geeignet, den heutigen qualitativen und quantitativen Anforderungen gerecht zu werden. So gibt es beispielsweise keine behindertengerechten Einrichtungen wie etwa Rolltreppen, Lifte und so weiter.

Manche meinen sogar – und das nicht unbegründet –, der Standard des Hauptbahnhofes St. Pölten entspricht maximal dem Standard einer Bedarfshaltestelle einer Nebenbahn. Dieser Zustand ist unhaltbar, ist doch dieser Bahnhof einer der wichtigsten österreichischen Umsteig­knoten! Allein 20 000 Schülerinnen und Schüler benützen diesen Bahnhof tagtäglich.

Deshalb bringe ich auch hiezu einen Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Heinzl, Schasching und KollegInnen betreffend die dringend notwendige Modernisierung des Bahnhofs der Landeshauptstadt St. Pölten

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert, den Umbau und die Attraktivierung des Hauptbahnhofes der Landeshauptstadt St. Pölten so rasch als möglich voranzutreiben, um die Anbindung der Landeshauptstadt St. Pölten an das öffentliche Ver­kehrsnetz zu verbessern, tausenden PendlerInnen und SchülerInnen den täglichen Weg zu und von der Arbeitsstätte bzw. Schule zu erleichtern und die sich durch den Ausbau ergebenden wirtschaftlichen Möglichkeiten voll zu nutzen.

*****


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Sehr geehrte Damen und Herren! Durch unnötige Verzögerungen beim Weiterbau der Güter­zugumfahrung St. Pölten ist auch der notwendige Lärmschutz entlang der West Autobahn für die Bevölkerung St. Pöltens nicht errichtet worden. Erst nach sehr, sehr vielen Protesten der Anrainer und durch mich hier im Parlament wurde versprochen, diese wichtige Maßnahme durchzuführen. Allerdings wurde ein riesiges Loch in diese Lärmschutzwand eingeplant – und ausgerechnet im Bereich von Wohnsiedlungen klafft ein riesiges Loch in dieser Wand! Die Bevölkerung ist berechtigterweise neuerlich sehr erbost und protestiert gegen diese Planung.

Deshalb bringe ich auch hiezu einen Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Heinzl, Schasching und KollegInnen betreffend Verbesserung des nach wie vor unzureichenden Lärmschutzes an der A 1 im Bereich St. Pölten

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert, die Schließung bestehender Lücken im Lärmschutz entlang der A 1 im Bereich St. Pölten zu veranlassen sowie ein Tempolimit auf dem Streckenabschnitt der West Autobahn A 1 im Stadtgebiet von St. Pölten zu verordnen.

*****

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bitte Sie, diesen vorliegenden Entschließungsanträgen – erstens: Weiterbau der Güterzugumfahrung St. Pölten, zweitens: Neubau, Revitalisierung und Attraktivierung des Hauptbahnhofes St. Pölten, drittens: Lärmschutz im Stadtgebiet von St. Pöl­ten entlang der A 1 – Ihre Zustimmung zu erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.44


Präsident Dr. Andreas Khol: Die drei Entschließungsanträge der Abgeordneten Heinzl, Scha­sching und GenossInnen betreffend die dringend notwendige Modernisierung des Bahnhofs der Landeshauptstadt St. Pölten, betreffend die sofortige Realisierung der Güterzugumfahrung St. Pölten sowie betreffend Verbesserung des nach wie vor unzureichenden Lärmschutzes an der A 1 im Bereich St. Pölten sind hinreichend unterstützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Zum Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Machne. Wunschgemäß stelle ich die Uhr auf 5 Minuten ein. – Frau Abgeordnete, Sie sind am Wort.

16.45


Abgeordnete Helga Machne (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das ist meine erste Rede hier im Hohen Hause, und bevor ich zum Budgetprovisorium komme, gestatten Sie mir bitte, dass ich meinen Wahlkreis kurz vorstelle.

Ich komme aus Osttirol, einem wunderschönen Landesteil Tirols, der – und das ist sicher ein­malig in Österreich – keine Landverbindung mit dem Mutterland und der Landeshauptstadt hat und daher natürlich verkehrsmäßig sehr abgeschieden liegt. Das hat viele, vor allem aber wirt­schaftliche Nachteile für unseren Bezirk. So haben wir leider die höchste Arbeitslosenrate Tirols, und auch der Tourismus stagniert wegen der mangelnden Verkehrsanbindung.

Außerdem – und das ist mir ein besonderes Anliegen –: Wir haben nur 50 000 Einwohner, sind aber ein eigener Wahlkreis, und es ist uns nicht möglich, ein eigenes Mandat für das Parlament in Wien selbst zu erringen. Daher möchte ich mich ganz herzlich beim Herrn Bundeskanzler dafür bedanken, dass er mir durch einen Platz auf der Bundesliste die Möglichkeit gegeben hat, meinen Bezirk hier im Parlament zu vertreten. (Beifall bei der ÖVP.)


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Ich bin seit neun Jahren Bürgermeisterin der Stadt Lienz und möchte mich im Hohen Haus gemeinsam mit meinen Kollegen Gemeindevertretern, besonders mit meinem Kollegen Jakob Auer, für die Anliegen der Gemeinden und im Besonderen natürlich für die Anliegen der Ge­meinden Osttirols einsetzen.

Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit über die Parteigrenzen hinweg in den Ausschüs­sen, und dies würde auch das heute zu beschließende Budgetprovisorium betreffen. Wenn ich daran erinnern darf: Im Jahr 2000 – das wurde heute schon angesprochen – hat die SPÖ in verant­wortungsvoller Weise dem Budgetprovisorium zugestimmt. In verantwortungsvoller Weise des­halb, weil die Bonität Österreichs auf den Finanzmärkten davon abhängt. Das haben ja die Finanzexperten im Budgetausschuss auch bestätigt. Zahlen des Schadens wurden heute auch schon genannt.

Ein Fehlen des Budgetprovisoriums bedeutet natürlich auch, dass de facto jedem Österreicher und jeder Österreicherin finanzieller Schaden zugefügt würde. Und wenn Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ und von den Grünen, heute diesem Provisorium nicht zustimmen, schaden Sie damit allen Österreichern, allen österreichischen Steuerzahlern – und vor allem auch Ihren eigenen Wählern. (Widerspruch bei der SPÖ.) Doch, natürlich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ein weiteres Anliegen, welches auch im Budgetausschuss behandelt wurde, ist für mich die Alternativenergieförderung für die Gemeinden. Kollege Moser von der SPÖ bezweifelte im Budgetausschuss die Sinnhaftigkeit dieser Förderungen, da sich seiner Ansicht nach diese Investitionen nicht rechnen würden. – Dem möchte ich ganz vehement widersprechen und auf die Bedeutung solcher Förderungen für die Gemeinden, aber auch für die Umwelt und für ganz Österreich hinweisen.

Ich weiß, wovon ich spreche, denn in Lienz wurde eines der größten Biomasseheizwerke Öster­reichs errichtet. Ohne die Alternativenergieförderungen des Bundes wären wir dazu sicherlich nicht in der Lage gewesen. Nicht nur dass die Errichtung des Werkes und der Leitungen der regionalen Wirtschaft sehr viele Aufträge beschert haben: Auch das Heizmaterial stammt heute zu 100 Prozent aus dem Bezirk und aus der Region, wodurch natürlich sehr unsere Bauern und unsere Holzwirtschaft gestärkt werden. Ich spreche von einem Anschlusswert von 36 Megawatt, an den 60 Prozent der Stadt Lienz angeschlossen sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Freiheitlichen.)

30 Millionen Liter Öl werden durch Alternativenergien wie zum Beispiel Biomasse jährlich in Österreich erspart, und das ursprüngliche Ziel, nämlich die Luftverbesserung und damit auch das Erreichen des Kyoto-Zieles, ist noch gar nicht berücksichtigt. Den ökologischen Nutzen dieser Investitionen werden wohl erst unsere Kinder und unsere Enkelkinder quantifizieren können.

Meine Damen und Herren! Die Alternativenergieförderung rechnet sich allemal. Insgesamt wurde 2001 der Biomassenahwärmebereich mit fast 5 Millionen € gefördert – der Investitions­schub, den diese Förderung ausgelöst hat, umfasst aber zirka 28 Millionen €.

Ich danke der Bundesregierung daher, dass auch im kommenden Budget wieder diese Förde­rungen beinhaltet sind und damit den österreichischen Gemeinden die Möglichkeit gegeben wird, unmittelbar und vor Ort zum Nutzen der Bevölkerung, der Umwelt und auch der Wirtschaft zu agieren. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.50


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr für eine Redezeit von 3 Minuten Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte.

16.51


Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Sehr verehrte Damen und Herren! Als leidenschaftlicher Wiener möchte ich einige Bemerkungen zur Rede des Herrn


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Abgeordneten Maier von der ÖVP machen. (Abg. Scheibner: Ich bin auch ein leidenschaft­licher Wiener!)

Herr Abgeordneter Maier hat Wien als Schlusslicht in Bezug auf die Arbeitsplatzsituation be­zeichnet. – Bezeichnend ist auch, dass er gerade jetzt den Saal verlässt, wenn man ihn von Seiten der Opposition anspricht. Das ist sehr „nett“, Herr Abgeordneter, ich bedanke mich dafür!

Dass Wien in der Arbeitsmarktpolitik besser ist, darauf hat schon mein Kollege Hoscher hinge­wiesen. Wien ist besser als andere Bundesländer, aber dass ein Wiener Abgeordneter der ÖVP auf den Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds hinweist und kritisiert, dass es dort eine Perso­nal- und Kostenvermehrung gegeben hat, ist doch ganz interessant. Herr Abgeordneter Maier, ich weiß nicht, warum Sie verschweigen – Sie müssen es ja wissen –, dass alle Entscheidun­gen im WAFF einstimmig erfolgen, dass Ihre Vertreter des ÖVP-Landtagsklubs im Kuratorium allen Entscheidungen einstimmig zugestimmt haben, Forderungen gestellt haben, was noch alles zu machen ist. Und Sie stellen sich hier her und sagen, das ist alles nicht in Ordnung! Das ist unglaubwürdig, und ich denke, das sollte auch dokumentiert werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr verehrte Damen und Herren! Es ist nichts Neues, dass ÖVP-Abgeordnete auf Wien schimpfen, ich verstehe es nur nicht. (Abg. Scheibner: Wenn man die SPÖ-Politik kritisiert, schimpft man ja nicht auf Wien!) Herr Scheibner, mit Ihnen spreche ich jetzt gar nicht (Heiter­keit), zu Ihnen komme ich noch später. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich wende mich zuerst einmal an den Herrn Abgeordneten Maier. – Ich meine, Herr Abgeord­neter, Sie sollten Ihre Argumentation überlegen: Auf der einen Seite stimmen Ihre Leute zu, und auf der anderen Seite kritisieren Sie, dass sie zustimmen. Das ist eine Politik, die wahrschein­lich niemand in diesem Land versteht.

Herr Abgeordneter Scheibner, Ihre ehemalige Frau Staatssekretärin hat auf die Jugendbe­schäftigung hingewiesen. In diesem Zusammenhang möchte ich auf Folgendes hinweisen: Wir haben in Wien 28 Prozent Nicht-Wiener, die beispielsweise im Magistrat eine Lehrstelle haben. Das ist meines Erachtens doch eine ordentliche „Entwicklungshilfe“ für andere Bundesländer, und das sollte man auch berücksichtigen, wenn man von der Arbeitsmarktpolitik spricht.

Sehr verehrte Damen und Herren! Wir diskutieren jetzt das gesetzliche Budgetprovisorium. Es geht dabei auch um die Entwicklung der Steuereinnahmen. Das, könnte ich mir vorstellen, interessiert natürlich insbesondere auch unseren Finanzminister. Steuerschulden, Steuerbetrug, Sozialbetrug spielen dabei eine immer größere Rolle. Besonders alarmierend ist die Zunahme der Schwarzbeschäftigung in unserem Land, bei der Arbeitnehmer oftmals als wirtschaftlich Schwache übrig bleiben, die Sozialversicherung, der Staat, aber auch der Finanzminister um Einnahmen betrogen werden und sich andererseits einige Unternehmer Profite – illegale Profite, würde ich sagen – sichern.

Sehr verehrte Damen und Herren! Deshalb ist die strafrechtliche Verfolgung von Schwarzbe­schäftigung mit mehr Ernsthaftigkeit als bisher zu betreiben, meine ich, und ich bringe daher diesbezüglich folgenden Antrag ein, und ich ersuche um Ihre Zustimmung hiezu:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Franz Riepl und KollegInnen betreffend die strafrechtliche Verfolgung von Schwarzbeschäftigung

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, der Bundes­minister für Justiz, der Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumenten­schutz, sowie die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen werden aufgefordert, dem Natio­nalrat Regierungsvorlagen zur Beschlussfassung vorzulegen, die folgende Maßnahmen bein­halten:


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1. Sofortige Anmeldepflicht der Dienstnehmer durch die Arbeitgeber bei den Gebietskranken­kassen nach Abschluss des Dienstvertrages und flächendeckende Kontrollen durch Organe der GKK in verstärktem Ausmaß.

2. Schaffung des Straftatbestandes „Sozialbetrug“ und strafrechtliche Verfolgung von Betrü­gereien gegenüber dem Steuer- und Sozialversicherungssystem, in wirkungsvoller, ab­schrecken­der Weise.

3. Bei öffentlichen Aufträgen dürfen nur Firmen berücksichtigt werden, die unter der Einhaltung österreichischer Normen und dem österreichischen Arbeits- und Sozialrecht ihre Preisgestal­tung vorgenommen haben.

*****

Ich ersuche Sie, diesem Antrag zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.55


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von den Abgeordneten Riepl und GenossInnen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend die strafrechtliche Verfolgung von Schwarzbeschäftigung ist hinreichend unterstützt, steht mit in Verhandlung und wird abgestimmt werden.

Als letzter Redner hiezu hat sich Herr Abgeordneter Böhm für 5 Minuten zu Wort gemeldet. – Bitte.

16.56


Abgeordneter Franz Xaver Böhm (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich halte heute meine Jungfernrede hier im Hohen Hause, und ich bin stolz darauf, dass ich als erster Salzburger Abgeordneter für meine Fraktion seit 1945 hier an dieser Stelle stehen darf.

Ich bin Unternehmer aus der Stadt Salzburg, aber ich glaube, dass ich die Stadt Salzburg nicht vorstellen muss. Salzburg ist eine der drei schönsten Städte dieser Erde, wie allgemein be­kannt, und es ist daher sicherlich nicht notwendig, Ihnen Salzburg vorzustellen. (Ruf bei der SPÖ: Mozartkugel!) – Danke für die Mozartkugel! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Wir Salzburger Unternehmer wurden immer knapp bei Kasse gehalten und mussten uns des­halb immer genau an Budget- und Bilanzdaten und -kriterien halten, um zu überleben. So, wie das für uns Unternehmer gilt, gilt das letztendlich auch für den Staat. Der Staat muss die ent­sprechenden Kriterien genauso einhalten und mit der gleichen Genauigkeit kalkulieren, wie wir kleinen Unternehmer das immer schon gewohnt waren.

Das für den Maastricht-Vertrag relevante gesamtstaatliche Defizit nimmt der Finanzminister mit 2,8 Milliarden € an. Das Maastricht-Defizit des Bundes wird laut Grasser bei 1,6 Prozent liegen. Seitens der Länder rechnet er daher nur mehr mit einem Überschuss von 0,3 Prozent, um das gesamtstaatliche Defizit von 1,3 Prozent zu erreichen.

Die Erwartungen des Ministers waren damit deutlich positiver als die der Wirtschaftsforscher, die in den jüngsten Prognosen für das kommende Jahr ein Minus von 1,4 bis 1,6 Prozent erwar­ten. Den Prognosen Grassers liegt ein nach unten korrigiertes Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent für 2003 zugrunde. Die Defiziterwartungen für heuer liegen zwischen minus 1,8 Prozent laut EU-Kommission und 1,5 Prozent laut Wifo und IHS. Für das kommende Jahr werden Werte von minus 1,6 Prozent bis minus 1,4 Prozent angegeben.

Rüffel für Budgetsünder Deutschland, Frankreich und Portugal, so hieß es erst kürzlich. – Wollen Sie, dass Österreich so wie Deutschland, Frankreich und Portugal an den europäischen Pranger gestellt wird? Wir wollen das nicht! EU-Finanz- und Wirtschaftskommissar Pedro Solbes empfahl dem Finanzministerrat, Deutschland und Portugal wegen ihrer hohen Budget­defizite zu verwarnen.


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Die deutsche Wirtschaft ist im abgelaufenen Jahr nur um 0,75 Prozent gewachsen. Ein Null­defizit will Deutschland erst 2006 erreichen. Nun kam der „blaue Brief“ der EU, und dass seitens der EU diese Maßnahme gerade gegen das rezessionsgeschüttelte Deutschland der Ära Gerhard Schröder ergriffen wird, zeigt wieder einmal, dass Sozialdemokraten vieles können mögen, aber wirtschaften ganz sicherlich nicht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir wollen, dass Österreich diese Rüge erspart bleibt. Daher ist es unabdingbar, eine dauer­hafte Budgetdisziplin gemäß dem innerstaatlichen Stabilitätspakt einzuhalten. Um diese Situa­tion zu verdeutlichen, meine sehr verehrten Damen und Herren, erlaube ich mir, einen Leitarti­kel der „Salzburger Nachrichten“ vom 8./9. März vorzulesen:

„Wenn Österreich heute mit Deutschland verglichen wird, geschieht dies vor allem zur Stärkung des österreichischen Selbstwertgefühls. Das Resultat des Vergleiches wird gerne so dargestellt: Im Gegensatz zum kranken Riesen steht der agile Zwerg Österreich glänzend da.“

Und weiters: „Was die Wirtschaft betrifft, hat diese Botschaft einiges für sich. Österreich ist zur Zeit dem großen Nachbarn in vielen Belangen überlegen. Das Wirtschaftswachstum ist stärker. Die Arbeitslosigkeit ist geringer. Österreich hat seinen Staatshaushalt im Griff.“ – Zitatende. (Beifall bei der ÖVP.)

Dazu noch ein paar Zahlen: Arbeitslosenquote in Österreich: 4,1 Prozent, Jugendarbeitslosig­keit: 6,9 Prozent, in Deutschland 15,5 Prozent.

Es gibt Ziele, die dazu da sind, um die vorgegebenen Budgets zu erreichen. Das sind: ein aus­geglichener Haushalt über den Konjunkturzyklus, eine nachhaltige und deutliche Senkung der Abgabenquote, die Sicherung des Pensions- und Gesundheitssystems, die Fortsetzung der Verwaltungs- und Bundesstaatsreform, die Fortsetzung des Privatisierungskurses, die Unter­stützung der Anliegen der Klein- und Mittelbetriebe, die Erhöhung des Rankings des Wirt­schaftsstandorts, eine Strukturreform am Arbeitsmarkt und am Kapitalmarkt und ein klares und deutliches Ja zur EU-Erweiterung. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.01


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort hat sich noch Herr Abgeordneter Öllinger gemeldet. 6 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.01


Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekre­tär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Redebeitrag war unabhängig von jenem des Kollegen Riepl geplant, aber da Kollege Riepl einen Entschließungsantrag eingebracht hat, neu eingebracht hat, den wir erst jetzt zur Kenntnis bekommen haben, gestatten Sie mir, dass ich noch kurz darauf eingehe.

Wir haben kein Problem, Herr Kollege Riepl, mit Punkt 1 und Punkt 3 Ihres Antrages. Das Pro­blem beginnt dort, wo Sie im Punkt 2 die Schaffung eines Straftatbestandes Sozialbetrug und strafrechtliche Verfolgung von Betrügereien gegenüber dem Steuer- und Sozialversicherungs­system in wirkungsvoller, abschreckender Weise fordern.

Sozialbetrug: Wer? – Der Justizminister meint, die Sozialbetrüger, das seien die kleinen Leute, jene, die manchmal zu viel beziehen. Das schließen Sie leider nicht eindeutig dabei aus. – Das ist der erste Punkt. Man müsste das klarer fassen.

Der zweite Punkt: die wirkungsvolle, abschreckende Weise, egal wen es betrifft, ob Arbeitneh­mer oder Arbeitgeber. Was ist ein Straftatbestand, der in wirkungsvoller, abschreckender Weise vor Betrügereien schützt, oder eine Strafe, die in wirkungsvoller, abschreckender Weise schützt? Sollen wir die Leute fünf oder zehn Jahre lang einsperren? – Das kann es ja wohl nicht sein!

Der Bundesminister kann sich so etwas Ähnliches vorstellen – immer nur bezogen auf Arbeits­lose, auf die „kleinen Leute“, um im Jargon der Freiheitlichen zu bleiben. Wir Grüne meinen,


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dass das nicht dazu geeignet ist, die Zustimmung zu diesem Teil des Antrages zu ermöglichen – leider, denn der Punkt 1 und der Punkt 3 wären völlig in Ordnung, sie beinhalten sinnvolle Maß­nahmen und Ergänzun­gen, um Schwarzbeschäftigung wirkungsvoll zu bekämpfen. Da braucht es mehr, dazu bräuchte es vor allem eine Debatte und etwas mehr an Vorstellungen, auch an Bereitschaft der ver­schiedenen Parteien, da wir ja dies nicht das erste Mal diskutieren, um hier adäquate Antworten zu finden. Es tut mir Leid, aber wegen Punkt 2 können wir nicht zustimmen.

Nun aber noch einmal zum Budgetprovisorium. – Wir haben heute viel über das Budget gehört, das Budget als die „in Zahlen gegossene Politik“ – so heißt es ja immer wieder. Ein Provisorium dürfte demnach die in Zahlen gegossene provisorische Politik darstellen, und manchmal kommt es einem so vor, als ob Sie es darauf angelegt hätten, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Meine Kollegin Sburny hat genauso wie Kollege Kogler darauf hingewiesen, dass einer der Punkte, warum wir bei diesem Budgetprovisorium nicht mitmachen können und wollen, die Kür­zung der Ermessensausgaben um 5 Prozent ist, linear drüberfahrend. Folgendes finde ich schon interessant und spannend: Da werden Initiativen, die nicht einmal über eine mehrjährige Planung und Finanzierung verfügen, weil Sie – oder ich kann es auch auf uns allgemein beziehen: wir – es noch immer nicht geschafft haben, eine mehrjährige Planungs- und Finanzie­rungsphase für Projekte, für Initiativen, die sehr wertvoll wären, zu ermöglichen, die Mittel um 5 Prozent gekürzt. Das kann für manche Initiativen das Aus bedeuten, und das wissen Sie auch. Bei einzelnen Initiativen ist das bereits der Fall.

Es werden auch einzelne Projekte nicht mehr gefördert, von denen alle hier im Haus sagen würden, das ist sinnvoll. Es war vor wenigen Wochen ein Verein bei mir, der wahrscheinlich auch bei allen anderen Parteien war, der Alleinerziehende betreut. Dieser Verein hatte ein in­teressantes Projekt, scheitert aber jetzt schon zum zweiten Mal daran, dass ihm erklärt wird, dass es kein Geld gibt in diesen Zeiten, weder 2002 noch 2003. Und auf der anderen Seite – da, finde ich, fängt Ihre provisorische Politik an – gibt es Geld für Projekte, bei denen es darum geht, dass eine Gräfin Walderdorff arbeitslose Akademikerinnen in Grand Hotels drei Tage lang schulen darf, wie sie sich am besten bewerben. – Spannend!

Den arbeitslosen Frauen beziehungsweise den Frauen beim Wiedereinstieg wird ein Prügel nach dem anderen in den Weg gelegt, da werden Maßnahmen reduziert. Wenn aber eine Gräfin daherkommt und sagt: Ich hätte da eine wunderbare Idee!, dann sagt der Herr Sozial­minister: Wunderbar, Frau Gräfin, kommen Sie nur mit der Idee! Und auch die Frau Frauen­ministerin sagt: Darauf haben wir gewartet! Und das AMS sagt: Mehr brauchen wir eigentlich nicht.

Eine Gräfin, die drei Tage hindurch arbeitslose Akademikerinnen in Grand Hotels dieser Repu­blik schult, um sie auf ihre Bewerbung auf dem Arbeitsmarkt vorzubereiten – sind das Ihre Vor­stellungen, wie man mit dieser dramatischen Situation, nämlich einer sinkenden Erwerbsquote von Frauen beim Wiedereinstieg, zurechtkommt? Sind das wirklich die richtigen Antworten? Dass man Arbeitslose in Grand Hotels bringt, wo sich die Arbeitslosen vermutlich nicht einmal den Kaffee leisten können, wenn er nicht von der Frau Gräfin – was ich in diesem Fall nicht annehme – spendiert wird, ist ein Armutszeugnis! (Beifall bei den Grünen.)

Das alles ist leider ein Ausdruck dessen, dass Ihre gesamte Politik ein Provisorium ist. (Beifall bei den Grünen.)

17.08


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht offenkundig kein Schlusswort.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 19 der Beilagen.


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Hierzu haben die Abgeordneten Auer, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes unter Berücksichtigung des Zusatz- bezie­hungsweise Abänderungsantrages Auer, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen ab­stimmen.

Wer dafür seine Zustimmung gibt, den ersuche ich um ein Zeichen der Bejahung. – Das ist die Mehrheit und daher angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung den vorliegenden Gesetzentwurf bejahen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über eine Reihe von Entschließungsanträgen.

Zunächst stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Kogler und Dr. Matznetter betreffend Einkommensteuersenkung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Heinzl und Schasching betreffend Güterzugumfahrung St. Pölten.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Heinzl und Schasching betreffend Modernisierung des Bahnhofs St. Pölten.

Wer diesem Antrag die Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein Zeichen. – Auch dieser Antrag bleibt in der Minderheit und ist somit abgelehnt. (Abg. Dr. Gusenbauer – in Richtung von Ab­geordneten der ÖVP –: Na das sind „schöne“ Niederösterreicher! – Abg. Dr. Cap: Stummvoll! – Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig.)

Herr Abgeordneter Heinzl hat einen dritten Entschließungsantrag betreffend Lärmschutz an der A 1 im Bereich St. Pölten vorgelegt.

Wer für diesen Entschließungsantrag eintritt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist wiederum die Minderheit und somit abgelehnt. (Abg. Dr. Gusenbauer: Schlechte Niederösterreicher!)

Wir gelangen nunmehr zum Entschließungsantrag des Abgeordneten Riepl betreffend die strafrechtliche Verfolgung von Schwarzbeschäftigung.

Wer diesem Antrag die Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein Zeichen. – Auch dieser bleibt in der Minderheit und ist somit abgelehnt.

Damit sind die Abstimmungen erledigt.

2. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Bundesrechnungsabschluss (III-2 der Beila­gen) für das Jahr 2001 (20 der Beilagen)


Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.


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Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Trunk. Wunschgemäß stelle ich die Uhr auf 5 Minuten ein. – Frau Abgeordnete, ich erteile Ihnen das Wort.

17.11


Abgeordnete Mag. Melitta Trunk (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Minister! Eine knappe Vorbemerkung zum vorherigen Tagesordnungspunkt sei mir erlaubt: Das Abstim­mungsverhalten der „aufrechten Sieben“ des noch nicht gegründeten Klubs des Kärntner Lan­deshauptmannes bei der letzten Abstimmung kann ich nicht ganz nachvollzie­hen, denn die letzte Regierung ist ja unter anderem deshalb auseinander gebrochen, weil es keine Entlastung für Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen in Österreich gab. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Aber nun zum Rechnungsabschluss. „Ein guter Tag beginnt mit einem sanierten Budget“ (Abg. Dr. Trinkl: Guter Satz!), frohlockte seinerzeit der frische, in jedem Fall damals noch freiheitliche Finanzminister Karl-Heinz Grasser bei seiner ersten Budgetrede am 18. Oktober 2000. Heute ziehen wir ein Resümee.


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Abgeordnete Brinek, Sie telefonieren im Saal. Sie stehen damit auf der Liste. Beim nächsten Mal erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

Bitte, Frau Abgeordnete Mag. Trunk, setzen Sie fort!


Abgeordnete Mag. Melitta Trunk (fortsetzend): Heute ziehen wir Resümee über die Auswir­kungen des Budgets 2001. Erlauben Sie mir, auch ein Resümee über das Marketing des Begrif­fes „Nulldefizit“ zu ziehen, ein Begriff, der eigentlich ein Nicht-Begriff ist, weil es ihn im Bereich der Finanzwirtschaft und -wissenschaft nicht gibt. Wir sind uns, denke ich, doch alle zumindest darüber einig, dass es sich entweder um ein ausgeglichenes Budget oder aber um ein Defizit handelt.

Herr Finanzminister Karl-Heinz Grasser! Für dieses Marketing bekommst du ein „Sehr gut“. Einen Nicht-Begriff so zu vermarkten, dass – leider – halb Österreich daran glaubt, ist eine Glanzleistung. Allerdings: Für die Auswirkungen des Budgets, Herr Finanzminister, bekommst du ein „Nicht genügend“! (Beifall bei der SPÖ.)

Der Herr Bundeskanzler freilich hat dieses „Nicht genügend“ falsch verstanden, er hat es näm­lich auf die Schule bezogen. Wenn man in der Schule ein „Nicht genügend“ bekommt, muss man sitzen bleiben – leider hat er Karl-Heinz Grasser „sitzen lassen“! Das war die falsche Schlussfolgerung, Herr Bundeskanzler! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Die Auswirkungen haben zuerst die Menschen in Österreich knallhart gespürt, und dann die FPÖ als Partei infolge der parteipolitischen Auswirkung der letzten Nationalratswahl mit der Abwahl durch die Bürger und Bürgerinnen in Österreich. Herr Finanzminister! Wenn Sie hier den Sparefroh, den Sparmeister der Nation spielen, dann spielen Sie falsch, denn Sie wissen – der Staatsschuldenbericht und auch die von Ihnen vorgelegten Berichte belegen es –, dass es den Ländern und Kommunen gelungen ist, zu sparen, nicht aber dem Bund! Ihnen, dem Bund, ist ein Defizit von 0,6 Prozent „gelungen“. Es ist den Ländern und Kommunen zu danken, wofür Sie sich heute noch rühmen – allerdings nur das Jahr 2001 betreffend.

Erlauben Sie mir als Kärntnerin, einen Satz zu Wien zu sagen, weil besonders die Kollegen von der ÖVP – Raiffeisen-Maier und Co – Wien sehr oft als schlechtes Paradebeispiel anführen: Wie schaut es denn aus mit dem Sparwillen der Länder und Kommunen? – Wien war Vorreiter! (Abg. Ellmauer: Das glauben Sie ja selbst nicht! ...!) Wien hat für Niederösterreich gespart, denn Niederösterreich war gemeinsam mit Kärnten Spitzenreiter bei der Verschuldung im Jahre 2001. Und wer ist dafür verantwortlich? – In Niederösterreich ist das jemand, über den heute am Vormittag lange geredet wurde, nämlich Pröll, in Kärnten ist dies der damals Noch-Parteikollege des jetzigen Finanzministers Karl-Heinz Grasser, nämlich der Finanzreferent, genannt: Karl Pfeifenberger. Das ist die Wahrheit und keine Behauptung!


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Wie sieht es am Ende des Tages mit einem ausgeglichenen Budget aus? Wie schaut es mit der finanz- und wirtschaftspolitischen Klugheit von jemandem aus, der einem Glaubensbekenntnis zu einem Zeitpunkt folgt, zu dem die Konjunktur stottert, und der damit diese Konjunktur auch noch bremst? – Sehr klug ist das nicht!

Ich habe zwar nur wenige Minuten Redezeit, trotzdem kann ich dem Finanzminister das Fol­gende nicht ersparen – ich werde schneller sprechen –: Karl-Heinz Grasser, du hast wie ein Familienvater agiert, allerdings ein schlechter Familienvater. Du hast beschlossen, an der Aus­bildung der Kinder und an der Gesundheitsversorgung zu sparen, du hast den Arbeitsplatz der Ehefrau wegrationalisiert, am Ende hast du auch das Haus verkauft.

Aber was ist dabei herausgekommen? – Die Schulden sind nicht getilgt (Bundesminister Mag. Grasser: ... unglaublich!), die Ehefrau ist arbeitslos und die Kinder sind dank schlechter Ausbil­dung chancenlos. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Nürnberger – in Richtung Regierungs­bank –: Bei euch habt ihr nicht gespart!)

Das ist die knappe Verkürzung in der Sprache der Menschen in Österreich! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Finanzminister! Ich quäle Sie nicht mehr damit, dass Sie sich früher der Verkäufe und Privatisierungen gerühmt haben. Ich quäle Sie nicht mit der Telekom, ich erinnere Sie nur: Übertragung von Seegrundstücken an die Bundesforste, 400 Prozent Zinssteigerung. – 400 Prozent! Die Tourismuswirtschaft in Kärnten wird es Ihnen danken. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Minister! Ich erspare Ihnen einiges, da meine Redezeit knapp bemessen ist, ich sage Ihnen und Ihren Kollegen – den alten und neuen – auf der Regierungsbank nur Folgendes – und das werden Sie verstehen, weil Sie diese Sätze kennen –:

Das Einzige, was euch zusammenhält, ist der Ankauf der Abfangjäger, die du, Karl-Heinz Grasser, einmal „Kriegsgerät“ genannt hast.

Den Rest erspare ich euch, für jetzt nur so viel: Erst dann, wenn ihr die letzte Steuer erhöht haben werdet, erst dann, wenn die letzte Pension gekürzt sein wird, werdet ihr begreifen, dass man Abfangjäger nicht essen kann. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.18


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kurzbauer. Er wünscht eine Redezeit von 5 Minuten. – Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort.

17.18


Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Regie­rung Schüssel I ist vor drei Jahren angetreten, um eine Wende in der Budgetpolitik herbei­zuführen. Eine Wende in der Budgetpolitik bedeutet, Reformen einzuleiten. Es steht heute der Rechnungsabschluss 2001 auf der Tagesordnung, und wir können feststellen, dass die einge­leiteten Reformen in der Budgetkonsolidierung gegriffen haben.

Geschätzte Damen und Herren! Erstmalig seit dem Jahre 1974, also vor fast 30 Jahren, ist es im Jahre 2001 gelungen, keine neuen Schulden zu machen. Die öffentlichen Haushalte Bund, Länder und Gemeinden haben einen Budgetüberschuss von 0,3 Prozent des BIP erwirtschaftet. (Abg. Gradwohl: Und wie viel davon hat der Bund erwirtschaftet?) Daher sollten wir heute auch den Ländern und den Gemeinden ein herzliches Danke für ihren Beitrag zur Budgetkonsolidie­rung aussprechen. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Budgetvoranschlag 2001 wurde zu einem Zeitpunkt erstellt, da die Wirtschaftsforscher ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von 4,2 Prozent prognostiziert haben. Mittlerweile wissen wir, dass das Wirtschaftswachstum zirka 2,6 Prozent des BIP betragen hat. Umso be­grüßenswerter ist es, dass trotz Abflachen des Wirtschaftswachstums ein Budgetüberschuss erzielt wurde.


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10. Sitzung / Seite 126

Mittlerweile wurden die entsprechenden Budgetzahlen für 2002 vom Finanzministerium bekannt gegeben: Es gibt ein Minus von 0,6 Prozent. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist trotz der schwachen und abflachenden Konjunktur ein hervorragendes Ergebnis! Nur zum Ver­gleich: Deutschland hat, wie heute bereits erwähnt, ein Budgetdefizit von 3,7 Prozent, Frank­reich von 3,1 Prozent. Der EU-Durchschnitt liegt bei minus 1,9 Prozent.

Geschätzte Damen und Herren! Da Herr Kollege Matznetter davon gesprochen hat, dass keine richtige Budgetkonsolidierung stattgefunden habe, in der Folge ein paar Zahlen:

Im Jahre 2001 verteilte sich die Konsolidierung auf zirka 50,7 Prozent auf der Ausgabenseite und 49,3 Prozent auf der Einnahmenseite – also fifty-fifty. Im abgelaufenen Jahr 2002 hingegen wurden bereits 64 Prozent des Konsolidierungsbedarfes ausgabenseitig und nur 36 Prozent einnahmenseitig gedeckt.

Geschätzte Damen und Herren! Das heißt, wir können von einer gelungenen Strukturmaß­nahme sprechen, der Konsolidierungskurs wurde nachhaltig fortgesetzt!

Dies ist auch die Voraussetzung dafür, dass das Regierungsprogramm des Kabinetts Schüs­sel II erfolgreich umgesetzt werden kann. Es ist aber auch eine Voraussetzung für die größte Steuerreform der Zweiten Republik, die mittlerweile vorbereitet wird und auch umgesetzt wer­den soll. Noch in dieser Legislaturperiode sollen dafür 3 Milliarden € in zwei Etappen aufgewen­det werden. Mit diesem Reformpaket soll auch eine Senkung der Abgabenquote auf 42,9 Pro­zent bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode erreicht werden.

Das Ziel der Regierung Schüssel II, nämlich ein ausgeglichener Haushalt über den gesamten Konjunkturzyklus hinweg – das heißt, bei geringem Wachstum ein Defizit in Kauf zu nehmen, bei mittlerem und starkem Wachstum hingegen Überschüsse zu erzielen –, ist eine neue Quali­tät in der Budgetpolitik!

Abschließend darf ich mitteilen, dass meine Fraktion diesem Rechnungsabschluss 2001 selbst­verständlich und gerne ihre Zustimmung erteilen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der Freiheitlichen.)

17.24


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Kogler gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.24


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Ich liebe es, sechs Minuten zu sprechen und dass das rote Licht dann zwei Minuten leuchtet und nicht immer blinkt, weil das irritierend ist – aber wir werden uns darauf verständigen.

Die Perspektiven, die soeben von meinem Vorredner von der ÖVP genannt wurden, kann ich naturgemäß nicht sehen. Auffälliger aber ist, dass sie auch und vor allem die FPÖ-Fraktion nicht sehen kann, denn der Finanzminister wird von ihr viel vehementer kritisiert als etwa von den KollegInnen in der SPÖ-Fraktion oder auch von uns. Frau Bleckmann hat erst un­längst im „profil“ gesagt, dass der „Unsicherheitsfaktor“ in der Regierung Grasser heiße, er sei „das Problem“ und – ich zitiere –: „Den Weg, den er gegangen ist, würde ich nie gehen.“

Also: Einigen Sie sich einmal koalitionsintern, damit die nächste Weichenstellung nicht wieder Knittelfeld heißt und die Entgleisung in der Folge die ganze Republik behelligt! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Mainoni: Ihr Chaos! Ihr Chaos bei den Regierungsverhandlungen! Da täte ich nichts sagen! ...!) – Es ist ja bekannt, dass das eine Eisenbahnerstadt ist!

Zum Bundesrechnungsabschluss: An sich sind die Argumente ausgetauscht. – Herr Finanz­minister, ich weiß nicht, ob Sie heute noch „lustig“ sind und das so genannte Nulldefizit nach­träglich bejubeln werden, der entscheidende Punkt ist jedenfalls, dass die Erreichung eines leichten Budgetüberschusses im Jahre 2001 in erster Linie durch die höchste Steuer- und Abgabenquote in der Geschichte der Republik – wenn man so will – „erkauft“ wurde.


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10. Sitzung / Seite 127

Dabei ist das jetzt noch gar nicht die Tragödie. Wir, die Grünen, sind ja gar nicht der Meinung, dass das Heil darin liegt, ob die Steuer- und Abgabenquote bei 42,9, 43,5 oder wie viel Prozent auch immer liegt. Das ist Ihre eigene Ideologie, die Sie permanent verkünden. Daher haben Sie sich daran auch messen zu lassen.

Und das, was Sie als Nulldefizit verkaufen, ist auf der anderen Seite eben erkauft worden. Diesen Widerspruch sollten Sie erklären. Es hilft aber überhaupt nichts, wenn Sie, wie heute schon erwähnt wurde, die berühmte Laufschrift in der Himmelpfortgasse abblenden, plötzlich das Jahr 2010 als neue Zielperspektive entdecken und einfach „40 Prozent“ hinschreiben.

In Wirklichkeit geht es nämlich darum, dass man sich anschauen muss, welche Maßnahmen gesetzt wurden – und dann ist ein Zehntel plus/minus bei der Steuerquote gar nicht mehr das Problem, denn für das Jahr 2001 ergibt sich bei dieser Sichtweise, dass diese Steuer- und Ab­gabenerhöhungen nicht beliebig verteilt, sondern wieder die so genannten schwächeren Ein­kommensschichten in der Relation stärker belastet waren. Das behaupte nicht nur ich – das wird Sie mittlerweile schon langweilen, weil wir das ja dauernd sagen –, sondern auch Helmut Kramer in den Wifo-Monatsberichten sagt, dass diese Maßnahmen 2001 einen relativ starken regressiven Effekt gehabt hätten. – Ich erspare Ihnen aus zeitlichen Gründen das vollständige Zitat.

Abschließend möchte ich betonen, dass auch die Frage der Investitionen, die wir ja bereits bei der Debatte über das Budgetprovisorium besprochen haben, tangiert ist, wenn gleichzeitig und überall gespart wird. Es wurden vorhin die Gemeinden erwähnt. Wir haben, was Länder und Gemeinden betrifft, wirklich sehr weit reichende Vorstellungen hinsichtlich Einsparungen auf Verwaltungsebene, aber was mit den letzten Finanzausgleichsverhandlungen ausgelöst wurde, ging wenig in diese Richtung! Letztlich wurde nämlich bei den investiven Ausgaben gespart, und genau damit wird das Problem nun endgültig schlagend. In Zeiten des Wirtschaftsab­schwungs wird damit eine konzertierte Sparwelle ausgelöst!

Dabei geht es auch nicht um Kleinigkeiten, da die Summe aller Investitionen der Gemeinden sehr viel ausmacht, und zwar jener Investitionen, die tatsächlich im regionalen Wirtschaftskreis­lauf bleiben, während höhere investive Ausgaben mittlerweile europaweit ausge­schrieben werden müssten. Genau Ihre Gemeinden, auf die Sie sich immer berufen, werden damit quasi kurz gehalten, aber eben nur auf Grund der Tatsache, dass die viel zitierten Ver­waltungsrefor­men nicht zum Durchbruch kommen. Sie sollten sich daher einmal in Ihren eigenen Reihen durchsetzen!

Es wäre auch sinnvoll, einen Teil der Steuerreform jetzt vorzuziehen und den Rest meinet­wegen davon abhängig zu machen, wie erfolgreich Sie bei den Finanzausgleichsverhandlungen gegenüber den Bundesländern sein werden. Das wäre tatsächlich eine innovative Angelegen­heit, hiebei hätten Sie unsere Unterstützung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Cap: Leistungsanreize!)

Bei diesem Teil der Steuersenkung hätten wir dann plötzlich den gleichen Text, Herr Bundes­minister, nämlich: Da muss erspart werden! – Aber einen sinnvollen Teil vorzuziehen, sollten Sie nicht länger ablehnen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.29


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr kommt Herr Abgeordneter Bucher zu Wort. Die Uhr ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Cap: Leistung muss sich wieder lohnen, Herr Finanzminister!)

17.29


Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Sehr geehrte Herren Präsidenten! Herr Staats­sekretär! Herr Bundesminister! Es ist richtig schicksalhaft, dass ich immer auf Herrn Abgeordne­ten Kogler antworten muss. (Abg. Mag. Mainoni: Das ist wirklich ein Schicksal, das ...!) Aber es gibt so etwas wie eine „bilaterale Achse“ zwischen uns beiden, die sollte man in nächster Zu­kunft einmal erörtern.


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10. Sitzung / Seite 128

In alter Verbundenheit darf ich heute den Herrn Finanzminister verteidigen, da er mit dem Rech­nungsabschluss 2001, den wir nun diskutieren, wirklich sein Meisterstück erbracht hat. Ich habe bewusst „Meisterstück“ und nicht „Lehrstück“ gesagt, da es das Ergebnis einer zehnjährigen FPÖ-Aufbauarbeit ist, was du uns heute hier präsentierst.

Das Nulldefizit, Frau Kollegin Trunk, ist aus meiner Sicht schon etwas Besonderes, weil nach 27 Jahren ... (Abg. Mag. Trunk: Wortschöpfung!) – Ja, nicht nur eine Wortschöpfung, sondern auch (Abg. Mag. Trunk: Ein Schlagwort!) ein Schlagwort, mit dem man heutzutage etwas anzu­fangen weiß. Es ist ja ein Nulldefizit nicht immer gleichzusetzen mit einem Schuldenabbau, wie dies irrtümlicherweise öfters geschieht, denn die Schulden sind auch weiterhin von 130 Milliar­den auf 132 Milliarden € gestiegen. Das sollte man nicht außer Acht lassen.

Aber dennoch zu zwei Dingen, die mir beim Rechnungsabschluss 2001 besonders aufgefallen sind. Bemerkenswert ist, dass dieser Erfolg trotz eines geringen Wirtschaftswachstums zu­stande gekommen ist, wenn man bedenkt, dass man von 4,2 Prozent ausgegangen ist und sich am Jahresende das Wirtschaftswachstum bei 2,6 Prozent eingependelt hat und ein geringer Anstieg der Arbeitslosenquote um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr erfolgt ist. Das musste verkraftet werden. Positiv ist natürlich die Senkung des Leistungsbilanzdefizits um 0,5 Mil­liarden €.

Zweitens ist es gelungen, auch strukturell etwas am Budgetkurs der Bundesregierung, am Kon­solidierungskurs zu verändern. Das ist in jeder Hinsicht gelungen und positiv zu bewerten. Zur Gegenüberstellung mit dem Jahr 1995 – das finde ich schon bemerkenswert –: Im Jahr 1995 haben wir noch bei einem Defizit von 2,17 Milliarden € gehalten, und im Jahr 2001 ist es uns, wenn man das Ganze betriebswirtschaftlich ausdrückt, gelungen, einen Gewinn von 5,7 Mil­liarden € zu erzielen.

Diese Defizitentwicklung sieht man hier an der Chartdarstellung des Bundesministeriums für Finanzen sehr gut. (Der Redner zeigt eine Graphik.) Hätte die Bundesregierung nicht rechtzeitig die Konsolidierung eingeleitet, würden wir heute bei einem Defizit von 3,7 Prozent stehen und somit die Maastricht-Kriterien verfehlt haben.

Das ist in etwa der Budgetkurs und der Konsolidierungskurs, den uns die Bundesrepublik Deutschland vorführt. Wir sehen ja, wohin Rot-Grün führen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Sage und schreibe 4,7 Millionen Arbeitslose! Das Arbeits­losengeld nimmt beim Bundeshaushalt in Deutschland bereits ein Drittel der Ausgaben ein. Es gibt bis zu 40 000 Unternehmenskonkurse pro Jahr. Dieser „blaue Brief“, meine sehr geehr­ten ...


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Abgeordnete Mikl-Leitner! Sie kommen auch auf die Liste mit dem Handy. Das nächste Mal gibt es einen Ordnungsruf.

Bitte, Herr Abgeordneter, setzen Sie fort!


Abgeordneter Josef Bucher (fortsetzend): Diese Entwicklung ist uns in Österreich Gott sei Dank dank der Weitsicht der Bundesregierung und natürlich auch des Herrn Bundesministers erspart geblieben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ja, natürlich ist die Steuerquote zu hoch. Maßnahmen zur Senkung wurden auch rechtzeitig in Angriff genommen, aber die Anspruchsverzinsung und die Vorauszahlungen sind Einmal­effekte, wie man es auch auf dieser Darstellung sehr gut sieht. (Der Redner zeigt eine Graphik.) Es pendelt sich die Steuer- und Abgabenquote im Jahr 2002 wieder auf das Maß der Vorjahre ein. Somit gibt es in diesem Bereich eine Steuer- und Abgabenquote, die sich wieder normali­siert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden in der Bundesregierung immer als jene bezeichnet, die eine gewisse soziale Kälte ausstrahlen. Ich habe hier einen Kontoauszug eines Rentenbeziehers aus dem Jahr 1995, der damals noch 12 954 S erhalten hat, während er im


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Juli 2001 13 457 S bekommen hat. Also von sozialer Kälte ist hier nicht viel zu sehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Österreich befindet sich mit dieser Bundesregierung auf dem richtigen Weg, auf dem richtigen Kurs. Die Vorsorge für eine Offensive im Bereich der Wirtschaft ist weitestgehend getroffen, für mehr Bildung, mehr Forschung und Entwicklung, mehr Infrastruktur. Das Wachstum für die Zu­kunft ist gesichert. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.35


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist nunmehr Herr Bundesminister Mag. Grasser gemel­det. – Bitte.

17.35


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Hohes Haus! Österreich hat 30 Jahre lang jedes Jahr neue Schulden gemacht. Unabhängig davon, ob es eine wirtschaftliche Schwäche oder eine Hoch­kon­junktur gegeben hat – das heißt, die Wirtschaft ist gelaufen, hohe Beschäftigungsquote, hohe Unternehmensgewinne –, hat man in Österreich in diesen letzten fast 30 Jahren jedes Jahr neue Schulden gemacht.

Das hat dazu geführt, dass wir im Jahr 2000 eine Finanzschuld von etwa 121 Milliarden € über­nehmen mussten, die Zinszahlungen in einer Größenordnung von 7,3 Milliarden € mit sich bringt. Jeden Tag zahlen wir 20 Millionen € an Zinsen. Und wenn ich sage, wir zahlen es, dann ist das natürlich der Steuerzahler. Wir alle zahlen über höhere Steuern und Abgaben diese Zinsen für diese sehr hohen Finanzschulden, die da angefallen sind.

Deswegen war es notwendig und richtig, dass wir in der Bundesregierung während der letzten Legislaturperiode, im Kabinett Schüssel I gesagt haben: Wir brauchen eine stabilitätsorientierte Finanzpolitik, wir brauchen eine Finanzpolitik, die in der Lage ist, internationale Verpflichtungen wie den Stabilitäts- und Wachstumspakt einzuhalten. Wir brauchen eine Finanzpolitik, die nicht Belastungen unverantwortlich in die Zukunft, auf nächste Generationen verschiebt, sondern die fair und gerecht das Aufrechterhalten eines Generationenvertrags ermöglicht, und eine Finanz­politik, die auf der einen Seite Mittel langfristig anlegt und Investitionen in Forschung und Ent­wicklung, in Bildung, in Infrastruktur und damit in Wachstumspolitik ermöglicht, und auf der anderen Seite die Voraussetzung ist für nachhaltige Entlastung, der wir uns auch verpflichtet haben. Daher eine richtige Finanzpolitik, wichtig für Österreich – eine Wende in der Finanzpoli­tik, die wir angestrebt haben.

Meine Damen und Herren! Wenn man nun den Bundesrechnungsabschluss 2001 betrachtet, dann muss man sagen, es hat erstmals eine Bundesregierung gegeben, die sich ein transpa­rentes Ziel gegeben hat, ein klar überprüfbares und messbares Ziel. Wir haben im Jahr 2000, als wir angetreten sind, gesagt, wir wollen einen ausgeglichenen Haushalt über den Konjunk­turzyklus zustande bringen und wir wollen im Jahr 2002 erstmals seit mehr als 30 Jahren in Österreich wieder ein Nulldefizit erreichen.

Wir haben dieses Nulldefizit bereits im Jahr 2001, also ein Jahr früher als geplant, erreicht. Es ist heute mehrfach der Satz gefallen, den ich zwei Mal in einer Budgetrede bringen durfte, näm­lich: „Ein guter Tag beginnt mit einem sanierten Budget.“ Voller Überzeugung sage ich, das Jahr 2001 steht symbolhaft für ein saniertes Budget, ist der Beweis dafür, dass die Wende in der Finanzpolitik gelungen ist und dass uns diese Wende möglich war für den Steuerzahler, für die Republik Österreich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der Opposition! Wenn Sie ehrlich sind, das ist ein bisschen eine Frage an Sie (Abg. Dr. Glawischnig: Wir sind immer ehrlich! – Abg. Gradwohl: Sind wir immer!) – Sie sind immer ehrlich, das habe ich auch unterstellt –, dann müssen Sie wahrschein­lich zugeben, dass Sie erstens überrascht waren, dass die Bundesregierung Schüssel I den Mut hatte, zu sagen, wir setzen uns ein derart ehrgeiziges, ambitioniertes Ziel und wir sagen ganz offiziell: Ziel ist das Nulldefizit im Jahr 2002. Ich glaube, das hat Sie damals überrascht.


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Ich glaube zweitens, Sie müssen zugeben, niemand von Ihnen hat uns zugetraut, dass wir dieses Ziel auch tatsächlich erreichen werden. 2001 zeigt schwarz auf weiß, wir haben dieses Ziel erreicht. (Abg. Dr. Glawischnig: Um welchen Preis!) Ich möchte mich – wie das auch vor mir andere Redner getan haben – bei allen bedanken, die zu diesem Zustandekommen und zu dieser Zielerreichung auch beigetragen haben. Das heißt: Danke den Steuerzahlern, danke den Arbeitnehmern, danke der Wirtschaft, weil sie diese Finanzpolitik mit Hausverstand von Beginn an in sehr hohem Ausmaß mitgetragen haben, danke auch jenen, die uns bei den ausgaben­seitigen Reformen geholfen haben.

Meine Damen und Herren! Wir haben mehr als 70 Verwaltungsreformprojekte alleine auf Bun­desebene im Laufen. Es ist nicht selbstverständlich, dass die öffentlich Bediensteten hier so mitziehen und mit versucht haben, die Staatsausgaben entsprechend zu reduzieren.

Ich danke natürlich auch den Ländern, Städten und Gemeinden, weil sie mit ihren Überschüs­sen auch einen großen Beitrag dazu geleistet haben, dass wir gesamtstaatlich diesen Über­schuss von 0,3 Prozent des BIP zustande bringen konnten.

Ich danke natürlich auch Ihnen, meine Damen und Herren, die Sie uns auf gesetzlicher Ebene in die Lage versetzt haben, diese Budgetpolitik mit den einzelnen Maßnahmen umzusetzen, sodass wir diese Ziele auch erreichen konnten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Natürlich ist auch einiges an Kritik gekommen, und selbstver­ständ­lich kann man fragen: Wie habt ihr das erreicht, wie war das auf der Einnahmenseite, welche Einmaleffekte waren mit dabei und wie schaut das im Detail aus? – Das kann man auch ma­chen, das ist auch gerechtfertigt.

Ich habe trotzdem gehofft, sage ich dazu – vielleicht ein bisschen illusionär –, dass auch von der Opposition eine Akzeptanz, eine Anerkennung für die große Linie gegeben ist, weil ich bei Ihnen auch mitbekommen habe, dass man einmal gesagt hat: Das Nulldefizit in die Verfassung aufnehmen! Ein weiteres Mal hat man im Wahlkampf inseriert und gesagt: Auch die Sozial­demokratie steht für eine Politik, mit der man den ausgeglichenen Haushalt über den Konjunk­turzyklus verfolgt.

Wir wollten nicht für Alfred Finz und für meine Person diese Anerkennung in Anspruch nehmen. Ich glaube nur, dass es für das Land wichtig ist, weil diese Finanzpolitik, diese Wirtschaftspolitik der richtige Weg für Österreich ist – ein Weg für mehr Wachstum, für mehr Arbeitsplätze und für mehr Wohlstand in unserem Land. Daher glaube ich, dass man diese parteipolitische Größe, auch über die Grenzen hinwegzugehen, haben und sagen sollte: Das ist der richtige Weg für Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir sind zu Beginn des Jahres 2000 angetreten: Da war Österreich in der Finanzpolitik die Nummer 15 von 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Wir waren das Schlusslicht in der Europäischen Union, was das Defizit betrifft. (Abg. Dr. Niederwieser: Blödsinn!) Wir waren im Jahr 2001 bereits die Nummer 7 in der Europäischen Union. Wir haben uns innerhalb von zwei Jahren um acht Plätze nach vor geschoben und haben diesen Über­schuss von 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zustande gebracht, während der Durch­schnitt der Europäischen Union, der anderen 14 Mitgliedstaaten, bei einem Defizit von 0,9 Pro­zent gelegen ist. Das heißt: 0,9 Prozent Defizit zu 0,3 Prozent Überschuss in Österreich. Andere Länder: Deutschland 2,8 Prozent Defizit, Portugal 4,2 Prozent Defizit, Frankreich 1,4 Prozent Defizit. Das heißt, wir haben es gemeinsam geschafft, Österreich wieder in die Reihe der finanzpolitisch stabilen Staaten einzureihen, und das war ein extrem wichtiger Erfolg, den wir erringen konnten (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen) – ein Erfolg, der – ob das die OECD ist, ob das der Internationale Währungsfonds ist, ob das die Kommission der Euro­päischen Union ist – auch anerkannt worden ist. Es wurde vielfach festgestellt, dass Österreich eine dramatische Verbesserung seiner öffentlichen Finanzen zustande gebracht hat.


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Das heißt, wir haben nicht zugewartet, sondern wir haben angepackt, wir haben gehandelt und wir haben eine Fülle von Maßnahmen gesetzt, damit wir diese ehrgeizigen Zielsetzungen auch tatsächlich erreichen konnten.

Meine Damen und Herren! Die Ausgabenseite wurde oft kritisiert. Beispiel in der Personalpolitik: Wir haben 11 430 Planstellen in den letzten drei Jahren, also in der letzten Legislaturperiode, abgebaut – 11 430! Es hat in einer Reihe von Ministerien keine Pragmatisierungen mehr ge­geben. Wir haben Verwaltungsreformmaßnahmen beschlossen, die Einsparungen von 1,6 Mil­liarden € auf der Ausgabenseite erbringen. Wir haben die Zentralstellen über alle Ressorts hinweg reformiert, haben 13 Sektionen eingespart, haben 54 Gruppen eingespart, haben 121 Abteilungen eingespart, haben 225 Referate eingespart. Das heißt, man sieht, wir sparen in der öffentlichen Verwaltung, wir versuchen alles, damit wir uns einen Spielraum aufmachen können für die Entlastung.

Wir haben wichtige Strukturreformen für Österreich gesetzt. Bundesministerin Gehrer hat die Universitätsreform umgesetzt. Wir sind die Pensionsreform schon im Jahr 2000 angegangen. Wir haben mit der Mitarbeitervorsorge einen wichtigen Punkt für die Arbeitnehmer setzen können. Wir haben eine neue Pensionsvorsorge als dritte Säule umgesetzt. Wir haben mit dem Kinderbetreuungsgeld ein extrem wichtiges Signal für die Familien, für die Kinder gesetzt und sind damit Europameister in der Familienförderung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben natürlich auch rechtzeitig erkannt, dass man versuchen muss, den kleinen nationalen Spielraum, den wir in Österreich selbstverständlich haben, um zu versuchen, besser dazu­stehen als andere Länder, zu nutzen, und haben in Forschung und Entwicklung investiert. Es ist gesagt worden, wir haben bei Forschung und Entwicklung gespart. – Meine Damen und Herren! Noch nie ist mehr Geld für Forschung und Entwicklung, für Bildung und für Infrastrukturinvesti­tionen ausgegeben worden als in der letzten Legislaturperiode, weil wir gewusst haben, das ist wichtig für Wachstum und Beschäftigung in Österreich!

Wir haben im Dezember 2001, als man gesehen hat, es gibt eine Konjunkturverflachung, das erste Konjunkturpaket beschlossen, haben einen Forschungsfreibetrag von 10 Prozent auf brei­ter Basis eingeführt, haben den Bildungsfreibetrag von 9 auf 20 Prozent erhöht und haben eine vorzeitige Abschreibung von 7 Prozent zusätzlich zu den bestehenden 3 Prozent – also 10 Pro­zent in Summe – gerade für Klein- und Mittelbetriebe eingeführt. Wir haben Steuerbegünstigun­gen, die es für Neugründungen gibt, auch auf Betriebsübertragungen ausgeweitet und haben damit, meine Damen und Herren, einfach saniert, wir haben reformiert. Wir haben eine gute Basis für Österreich geschaffen.

Man möge sich nur die Eckwerte 2001 ansehen: Wir hatten im Jahr 2001 ein Wachstum von 0,7 Prozent, was mehr ist, als der europäische Schnitt es war, und was deutlich mehr ist als zum Beispiel das deutsche Wachstum. Wir hatten im Jahr 2001 eine Beschäftigungsrate von 3 078 000 Personen, das war der höchste Stand in der Geschichte der Zweiten Republik. (Abg. Dr. Niederwieser: Rekordarbeitslosigkeit!) Sie mögen es gering schätzen, wir freuen uns über den höchsten Beschäftigtenstand in der Geschichte der Zweiten Republik, den es im Jahr 2001 gegeben hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Und wir freuen uns, darf ich Ihnen gleichzeitig sagen, über den niedrigsten Arbeitslosenstand, den es mit 138 000 Arbeitslosen gegeben hat – 3,6 Prozent, der drittniedrigste Wert in der Euro­päischen Union, den wir 2001 erreichen konnten.

Die Unternehmensgründungen sind angestiegen von 23 000 auf 26 000 im Jahr 2001. – Das heißt, was ich sagen will, ist: Weil wir reformiert haben, weil wir in Österreich die Reformen um­ge­setzt haben, stehen wir heute wesentlich besser da als Deutschland und wesentlich besser als Frankreich.

Sehen Sie sich die Zahlen an, die heute vom Wirtschaftsforschungsinstitut für das Jahr 2002 veröffentlicht wurden: Österreich hat ein Wachstum von 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, Deutschland hat ein Wachstum von 0,2 Prozent, die Niederlande haben ein Wachstum von


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0,2 Prozent, der Durchschnitt der Europäischen Union ist 0,8 Prozent. – Österreich ist, weil wir eine kluge, wachstumsorientierte Politik gemacht haben, stärker gewachsen als der Durch­schnitt der Europäischen Union. Wir stehen besser da als all diese Länder, das ist eine tolle Leistung! Ich glaube, wir sollten den Arbeitnehmern, wir sollten der Wirtschaft, wir sollten den Unternehmern gratulieren, dass das in einem kleinen Land möglich war. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich abschließen: Wir waren viel unter Kritik, was die einnahmenseitige versus ausgabenseitige Sanierung des Staatshaushaltes betrifft. Ich habe mir das noch einmal angesehen: Wenn man das Jahr 2001 isoliert betrachtet, in dem wir Vorzieheffekte auf der Ein­nahmenseite hatten, dann kommt man natürlich zu anderen Werten, aber ich glaube, wichtig und repräsentativ ist, wenn wir die Jahre 2000 bis 2002 betrachten. Schauen wir uns diese Ent­wicklung an!

Da kommt man drauf, das Defizit – auch angesprochen von Günter Stummvoll –, das wir über­nommen haben, war 2,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – 2,3 Prozent Defizit bei einer Ab­gabenquote von 44,4 Prozent! Wir haben im Jahr 2002 ein Defizit von 0,6 Prozent bei einer Ab­gabenquote von 44,6 Prozent erreicht. Das heißt, wir haben das Defizit von 2,3 Prozent auf 0,6 Prozent zurückgeführt, also um 1,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts reduziert und gleichzeitig die Abgabenquote um nur 0,2 Prozentpunkte angehoben. Das heißt, meine Damen und Herren, 1,5 Prozent von einem gesamten Verbesserungserfolg von 1,7 Prozent haben wir auf der Ausgabenseite zustande gebracht. Ich glaube, das ist ein riesiger Erfolg für die Bundes­regierung, dass uns das gelungen ist! (Beifall bei der ÖVP.)

Man muss dabei noch sehen, dass es im Jahr 1999 ein Wachstum gegeben hat, das über 2 Prozent gelegen ist, und dass wir eben im Jahr 2002 ein Wachstum von einem Prozent hatten! Das heißt, bei schwächerem Wachstum riesige Erfolge auf der Ausgabenseite und damit, so glaube ich, über einen Dreijahreszeitraum signifikante Fortschritte in der Konsolidie­rung unseres Staatshaushaltes. Das ist der Punkt, mit dem ich auch schließen möchte.

Sie können sicher sein, dass wir alles tun werden, um diese Konsolidierung fortzusetzen, weil die Konsolidierung der Staatsfinanzen auch der Weg und die Voraussetzung dafür ist, dass uns eine nachhaltige Entlastung gelingen kann.

Die Entlastung ist angesprochen worden, es gab einen Antrag zur Abstimmung. – Meine Damen und Herren! Sie werden sehen, wie ernst Sie uns nehmen können, wenn Sie sich am Montag die Budgetbegleitgesetze ansehen werden, die in Begutachtung gehen. Dort wird näm­lich die erste Etappe der Steuerreform 2004 enthalten sein, dort wird die Steuerfreistellung einer Jahresbemessungsgrundlage von 14 500 € brutto enthalten sein. Damit werden 180 000 bis 200 000 Österreicherinnen und Österreicher komplett aus der Steuerzahlung herausgeführt. Es werden mehr als 2 Millionen Österreicherinnen und Österreicher profitieren! Wir werden die nicht entnommenen Gewinne für die Klein- und Mittelbetriebe entsprechend steuerlich begünsti­gen – nicht entnommene Gewinne Halbsatzverfahren, mindestens 20 Prozent Steuerzahlun­g –, wir werden die 13. Umsatzsteuervorauszahlung endlich abschaffen, und wir werden die Lohnnebenkosten gerade für ältere Arbeitnehmer reduzieren, weil es uns wichtig ist, dass man hier begleitend zur Pensionsreform auch Beschäftigungsimpulse setzen kann.

Abschließend: Wir können uns über den besten Bundesrechnungsabschluss seit fast 30 Jahren freuen. Wir werden drei wesentliche Ziele auch weiterhin mit aller Kraft vorantreiben: erstens einen ausgeglichenen Haushalt über den Konjunkturzyklus; zweitens eine große, nachhaltige Entlastung mit der Zielsetzung einer Nettoentlastung in der Höhe von 3 Milliarden € in dieser Gesetzgebungsperiode und drittens das Umsetzen einer Wachstumspolitik für Österreich. Insgesamt gesehen ist das also eine sehr gute Politik für Österreich, die, wie ich hoffe, über die Parteigrenzen hinweg Unterstützung finden wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.51



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Präsident Dr. Andreas Khol: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gradwohl. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

17.51


Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Meine Herren Präsidenten! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Herr Finanzminister, ich habe Ihre Worte bei einer der Debatten zum Budgetbegleitgesetz noch im Ohr. Damals sprachen Sie von Ihrem „Traum“. – Wenn ich Ihnen heute zugehört habe, dann habe ich das Gefühl, Sie sind noch immer nicht erwacht. Ich werde Ihnen auch sagen, warum, Herr Bundesminister! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister, Sie haben hier die wunderbarsten Zahlen für Österreich geschildert und gemeint, wie hervorragend die Politik dieser Bundesregierung war. Ich werde das nicht mit Zahlen machen, sondern ich nehme einfach Anleihe bei Ihrer ehemaligen Parteikollegin und ehemaligen Regierungskollegin, Kollegin Rossmann. Was hat Frau Kollegin Rossmann vor kurzer Zeit hier in der Debatte angeführt? (Abg. Öllinger: Keine Ahnung!) – Die Lohnpfändun­gen haben zugenommen. Die Menschen leiden unter Belastungen und können sich das normale Leben nicht mehr leisten, weshalb die Lohnpfändungen zunehmen.

Herr Finanzminister! Was glauben Sie, wer dafür verantwortlich ist? – Sie mit Ihrer Budgetpoli­tik, mit Ihrer Finanzpolitik und der gesamten Regierungspolitik sind dafür verantwortlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher bitte ich Sie, aus dem Traum zu erwachen und die Realität anzuerkennen. Es hilft nichts, wenn man in einem mehrere Hundert Seiten umfassenden Papier blättert, in dem Zahlen und Daten festgehalten sind, und darüber die Menschen vergisst – die Menschen, die Sie in den letzten Jahren schwerst belastet haben, nämlich die Kranken, die Sie bestraft haben, die Arbeitslosen, die Sie bestraft haben und denen Sie keine Unterstützung geben. Das, Herr Finanzminister, wäre eigentlich die Aufgabe einer verantwortungsvollen Politik: für die Men­schen da zu sein und nicht Zahlenwerke richtig zu stellen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neu­deck: Jetzt erzählen Sie, 30 Jahre hat die SPÖ ...!)

Herr Kollege Neudeck! Lassen Sie mich, bevor ich mich mit Ihnen beschäftige, noch den Herrn Klubobmann der ÖVP zitieren, der heute in der Debatte am Vormittag sagte: Nur soziale Ge­rechtigkeit schafft auch Frieden. – Herr Kollege Molterer! Wir sind uns einig: Allein anhand der Politik dieser Bundesregierung, anhand dieser jetzigen Neuauflage der Koalition und auch an­hand des Zahlenwerkes zum Budget, zum Rechnungsabschluss 2001, kann ich diese soziale Gerechtigkeit nicht erkennen. (Abg. Mag. Molterer: Genau schauen!)

Ich zitiere wieder Frau Kollegin Rossmann: Wenn die Belastung der Bevölkerung zunimmt, wenn die Bevölkerung ausgepresst wird und die Schulden zunehmen, Herr Kollege Stummvoll, dann ist das nicht Verantwortung übernehmen, sondern Verantwortung abschieben. Und das betreiben Sie seit drei Jahren, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Regierung! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Finanzminister! Warum können Sie hervorragende Zahlen aus dem Traumbüchlein erzäh­len? – Ich erwähne das Beispiel Austria Tabak. Sie haben die Austria Tabak als eine der ersten Schatullen mit Familiensilber der Republik Österreich verkauft. Der Konzern, der sie übernom­men hat, hat in der Zwischenzeit satte Gewinne damit gemacht. Herr Kollege Bucher! Diese satten Gewinne hätten auch wir als Republik machen können. Das wäre auch etwas gewesen, was in das Budget einfließen hätte können (Abg. Scheibner: Warum haben wir es vorher nicht gemacht?); das wäre kein Einmaleffekt gewesen, Herr Klubobmann Scheibner! Die Dividenden­zahlungen der Austria Tabak sind nachvollziehbar und nachlesbar. Ihr habt diese Dividenden, die in dreieinhalb Jahren verdienbar sind, mit einem Einmaleffekt erreicht – und dann war Feier­abend.

Herr Kollege Molterer, eine Nachhaltigkeit kann ich bei einer derartigen Budget- und Wirt­schaftspolitik nicht erkennen, denn nachhaltig wäre es gewesen (Zwischenruf des Abg. Mag. Mol­­te­rer), wenn wir auch nächstes Jahr Einfluss auf die Arbeitsplätze hätten, wenn wir


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nächstes Jahr Einnahmen aus den Dividenden im Budget hätten und nicht von einem inter­nationalen, multinationalen Konzern abhängig wären. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege Bucher, Sie haben richtigerweise von einem Schlagwort „Nulldefizit“ gesprochen. Dieses Schlagwort ist im wahrsten Sinn des Wortes schlagend geworden. (Abg. Dr. Mitterleh­ner: Es hat Sie erwischt!) – Nicht mich, und auch niemanden von Ihnen. Es hat aber die Menschen erwischt, die nicht im Reichtum schwelgen, dafür haben Sie gesorgt, Herr Kollege Mitterlehner! Sie haben die Menschen erwischt, die es wirklich nicht dick haben. Sie haben genau die Menschen erwischt, die es brauchen würden, dass man sie unterstützt. Dort ist es schlagend geworden, und das ist weder sozial noch gerecht, Herr Kollege Bucher! (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich zum Schluss kommen: Im Chatroom einer Tageszeitung gab es den Bewerb, herauszufinden, was denn das Kürzel „KHG“ bedeutet. Da gab es alle möglichen Ideen. Meine Kollegin Melitta Trunk hat vorher davon gesprochen: Für die Verkaufsstrategie gibt es ein „Sehr gut“, für den Rest und die Umsetzung ein „Nicht genügend“. Sie hat davon gesprochen, es wurde falsch verstanden, denn „Nicht genügend“ heißt sitzen bleiben. Eine der Definitionen hat, so glaube ich, auch mit diesem Gedanken zu tun, denn unter „KHG“ stand zu lesen: „Karl-Heinz, geh!“ – Herr Finanzminister! Nach Ihrer Leistung wäre das tatsächlich angebracht. (Bei­fall bei der SPÖ.)

17.57


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr der Herr Präsident des Rech­nungshofes, Dr. Fiedler. – Bitte, Herr Präsident.

17.57


Präsident des Rechnungshofes Dr. Franz Fiedler: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrte Dame und meine sehr geehrten Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Die Bun­desregierung hat sich im Jahr 2000 zum Ziel gesetzt, im Jahr 2002 das Maastricht-Defizit auf null zu senken. Sie stand damals unter dem Eindruck eines sehr schlechten Maastricht-Ergeb­nisses aus dem Jahr 1999, das minus 2,3 Prozent betragen hat. (Abg. Dr. Stummvoll: Hört! Hört!) Zum damaligen Zeitpunkt war Österreich unter allen Staaten der Europäischen Union mit seinem Maastricht-Defizit das Schlusslicht. (Abg. Neudeck: Jetzt haben wir es amtlich! Wer hat damals regiert?)

Tatsächlich konnte das Defizit bereits im Jahr 2001 nicht nur abgebaut werden, sondern es wurde darüber hinaus auch ein Überschuss im Ausmaß von 0,3 Prozent erzielt. Das Ergebnis – und das schlägt sich klarerweise auch im Bundesrechnungsabschluss nieder – war demnach positiv. Es wurde bereits von mehreren Vorrednern ausgeführt, dass seit nahezu 30 Jahren erstmals kein Defizit – berechnet nach Maastricht – bestand und sogar ein leichter Überschuss erzielt werden konnte, noch dazu ein Jahr früher als von der Regierung ursprünglich geplant. (Abg. Gradwohl: Dank der Länder und Gemeinden!) – Ich komme gleich darauf zu sprechen.

Der Bundesrechnungsabschluss ist an sich kein Prüfungsergebnis, das in Details geht, sondern ein klassischer Soll-Ist-Vergleich zwischen den budgetpolitischen Vorgaben der Regierung und dem Budgetvollzug. Es wird unter Berücksichtigung der nackten Zahlen vom Rechnungshof ein derartiger Vergleich vorgenommen. Konnten die budgetpolitischen Vorstellungen der Regierung erreicht werden oder nicht? – Unter diesem Gesichtspunkt hat der Rechnungshof dies in seinem Bundesrechnungsabschluss auch sehr klar zum Ausdruck gebracht und hat begrüßt, dass das Maastricht-Defizit im Jahr 2001 nicht nur auf null gestellt werden konnte, sondern dass sogar ein leichter Überschuss erzielt wurde.

Er hat darüber hinaus auch festgehalten, dass diese Anstrengung von allen Gebietskörper­schaften, die betroffen waren, erbracht wurde, das heißt auf Bundesebene, auf Länder- und Gemeindeebene. Darüber hinaus – auch das gilt es festzuhalten, und es wurde auch bereits ausgeführt – sind die Überschüsse im Länder- und Gemeindebereich höher gewesen, als sie im Bundesbereich erzielt werden konnten. Auch das ist festgehalten worden. (Rufe bei der SPÖ: Hört! Hört!)


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So gesehen wurden daher die Anstrengungen, die auf diesen Ebenen der Gebietskörperschaf­ten geleistet wurden, auch vom Rechnungshof durchaus gewürdigt.

Der Rechnungshof hat sich aber natürlich nicht nur mit diesen nackten Zahlen zufrieden zu geben, sondern er hat, wenn Sie so wollen, auch einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und sich zu fragen: Wie sind die durchaus positiven Ergebnisse des Jahres 2001 zustande gekom­men? – Es ist auf Grund des Zahlenmaterials für jedermann, der sich den Bundesrechnungs­abschluss nur einigermaßen ansieht, sehr bald erkennbar, dass diese positiven Ergebnisse in erster Linie einnahmenseitig erzielt worden sind.

Es waren die starken Steigerungen auf der Einnahmenseite, es waren die starken Steigerungen des Abgabenaufkommens, die maßgeblich zu diesem günstigen Ergebnis beigetragen haben. – Ich darf nur beispielsweise, ohne mich jetzt in weiteren Einzelheiten zu ergehen, in Erinnerung bringen – wir haben das auch im Bundesrechnungsabschluss zum Ausdruck gebracht –, dass das Abgabenaufkommen im Jahre 2001 gegenüber dem Jahr 2000 um rund 80 Milliarden Schilling gestiegen ist. In erster Linie ist das darauf zurückzuführen, dass gewisse Einmaleffekte und Vorzieheffekte zu verzeichnen waren, die sich dann im nächsten Jahr, im Jahre 2002, schon nicht mehr eingestellt haben und auch gar nicht mehr einstellen konnten.

Mit diesen starken Steigerungen des Abgabenaufkommens war klarerweise auch eine Steige­rung der fiskalischen Gesamtbelastung verbunden, die über 45 Prozent gestiegen ist. Ich möchte aber hinzufügen, dass, weil es eben im Jahre 2001 so viele Vorzieheffekte und Einmal­effekte gegeben hat, dann im Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2002 – wir werden den Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2002 im September 2003 vorlegen – von uns auch sehr klar zum Ausdruck zu bringen sein wird, dass die Abgabenquote im Jahre 2002 wieder etwas gesunken ist.

Das ändert allerdings nichts daran, dass die Erreichung des Nulldefizits im Jahre 2001 über­wiegend einnahmenseitig und weniger ausgabenseitig zustande gekommen ist, und es gilt, festzuhalten, dass die Ankündigungen der Regierung, wie das Nulldefizit erreicht werden soll, gerade umgekehrt waren: Es wurde darauf verwiesen und es wurde in Aussicht gestellt, dass überwiegend ausgabenseitige Maßnahmen zur Erreichung des Nulldefizits beitragen sollten. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Hohes Haus! Der Rechnungshof sieht sich nicht nur bei seinen Prüfungsergebnissen, die er dann in seinen Tätigkeits- und Wahrnehmungsberichten dem Nationalrat vorlegt, sondern auch im Zusammenhang mit der Erstellung des Bundesrechnungsabschlusses als Mahner – bis­weilen auch als sehr unangenehmer Mahner; das ist mir durchaus bewusst –, aber er wäre in seiner Funktion fehl am Platz, würde er sich verschweigen, wenn es darum geht, dass in gewissen Bereichen von ihm Kritik geübt werden muss und dass aber auch gleichzeitig von ihm Empfehlungen abzugeben sind, wie man in der Zukunft vorzugehen hat.

Wir haben bereits in der Vergangenheit mehrfach und so auch in diesem Bundesrech­nungs­abschluss darauf verwiesen, dass man nicht innehalten soll mit tief greifenden strukturellen Maßnahmen, die dazu beitragen sollen, dass eine nachhaltige Budgetkonsolidierung erreicht wird, also nicht nur eine einmalige Punktlandung, von der man sich dann wieder ins Negative ent­fernen muss, sondern eine nachhaltige Budgetkonsolidierung. Da sieht sich der Rechnungs­hof eines Sinnes mit den Vorgaben, die aus Brüssel kommen. Auch dort wird immer wieder betont, dass es um die Nachhaltigkeit der Budgetsanierung geht und es nicht genügt, einmal ein Ziel zu erreichen und sich dann wieder davon zu entfernen.

Ich möchte aber auf der anderen Seite auch nicht verabsäumen, darauf hinzuweisen, dass von dieser Bundesregierung im Zeitraum von 2000 bis 2003 beziehungsweise im Besonderen im Jahre 2001, denn das ist das Jahr, über den der Bundesrechnungsabschluss gelegt wurde, auch Maßnahmen ergriffen worden sind, die ausgabenseitig gewirkt haben und die – davon bin ich auch überzeugt – in der Zukunft weiterhin ausgabenseitig wirken werden.


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Ich habe allerdings bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass diese Maßnahmen für sich gesehen alleine noch nicht ausreichend sind beziehungsweise im Jahre 2001 auch noch nicht ausreichend sein konnten. Es ist daher eine Empfehlung des Rechnungshofes und auch eine Mahnung des Rechnungshofes – wie Sie es wollen – an die Bundesregierung beziehungsweise auch an alle anderen politisch Verantwortlichen in dieser Republik, mit der Fortsetzung der eingeschlagenen Maßnahmen nicht innezuhalten und sie noch tief greifender anzusetzen, als dies in der Vergangenheit der Fall war.

Hohes Haus! Der Rechnungshof hat die Interessen der Steuerzahler zu wahren, er sieht sich als Anwalt der Steuerzahler. Ich darf in diesem Zusammenhang in dieser Funktion als Anwalt der Steuerzahler in Erinnerung rufen, dass in den abgelaufenen 10 Jahren der Steuerzahler bereits mehrfach Opfer erbracht hat. Es war dies im Zusammenhang mit den Sparpaketen der Jahre 1995 und 1996, und es war dies in der abgelaufenen Legislaturperiode. Der Steuerzahler hat diese Opfer durchaus auf sich genommen, aber erwartet sich auch, dass diese Opfer nicht nur positive Einmaleffekte, sondern dass sie auf Dauer positive Effekte erbringen.

Daher sollten die Opfer, die in der Vergangenheit vom Steuerzahler erbracht wurden, nicht vergeblich sein, sondern sie sollten für die Zukunft wirken. Ich darf daher auch von dieser Stelle aus nochmals appellieren: Setzen wir alle miteinander tief greifendere strukturelle Maßnahmen, um auf diese Weise von der Ausgabenseite her das Budget zu konsolidieren.

Ich bin in diesem Punkt durchaus optimistisch, denn die Diskussion in den vergangenen Wochen und Monaten hat gezeigt, dass man sich dieser Überlegungen, dass tief greifende Maßnahmen zu setzen sind, durchaus bewusst ist, dass man sich dessen bewusst ist, dass noch mehr zu leisten ist. Diese Einigkeit darüber, dass man Maßnahmen setzen muss, stimmt den Rechnungshof, stimmt mich optimistisch. Ich darf daher nochmals den Appell an Sie richten: Setzen wir den eingeschlagenen Weg fort! Sanieren wir gemeinsam das Budget! – Danke. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und der SPÖ.)

18.06


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Auer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.06


Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr verehrte Frau Bundesministerin! Meine Herren Bundesminister! Herr Rechnungshofpräsident! Meine Damen und Herren! Man kann es drehen, wie man will: Der Rechnungsabschluss 2001 ist ein Erfolg! Das bestätigt auch der Herr Rechnungshofpräsident – trotz der einen oder anderen kritischen Anmerkung über den Weg und über das Wie.

Meine Damen und Herren! Das gestehe ich einem Rechnungshofpräsidenten auch durchaus zu. Ein Prüfer muss nun einmal etwas kritischer sein – no na! –, sonst würde er sich ja selbst in Frage stellen.

Meine Damen und Herren! Faktum ist, dass nicht nur der Rechnungsabschluss für das Jahr 2001, sondern bereits auch jener für das Jahr 2000 und auch die vorläufig bekannt ge­gebenen Zahlen für das Jahr 2002 den Konsolidierungsweg, den erfolgreichen Weg dieser Bun­desregierung darstellen, und dieser Erfolg ist unbestreitbar. Aber offensichtlich hat man auf der linken Seite dieses Hauses gewisse Probleme, insbesondere dann, wenn es gilt, einen Erfolg zu vermelden.

Jetzt sei auch gesagt, meine Damen und Herren: Natürlich haben die Länder und die Ge­meinden wesentlich zum gesamtstaatlichen positiven Ergebnis beigetragen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) Das ist unbestritten. Ich bin auch in diesem Haus als Mahner, gerade was die Gemeinden betrifft, bekannt und erinnere immer wieder daran, dass es vor allem die finanzschwachen Gemeinden nicht zu vergessen gilt. Aber dazu wird es ein anderes Mal wieder Gelegenheit geben.


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Faktum ist, dass für das Jahr 2001 erstmals seit 1974 ein positives Budgetergebnis vorliegt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, sollten sich mitfreuen! Wissen Sie, wenn man immer so pessimistisch ist wie Sie, dann kränkt man sich selbst, dann wird man mutlos. Sie werden gerade für die nächsten Wahlen ein bisschen mehr Mut brauchen, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Matznetter: Danke für das Kompliment für Hannes Androsch!)

Österreich ist dank dieser Bundesregierung gut unterwegs. Es sei aber auch offen zugegeben, dass uns niemand daran hindert, noch besser zu sein. Wir alle sollten uns die Mahnungen des Herrn Rechnungshofpräsidenten zu Herzen nehmen und vielleicht nachdenken, wie man noch besser sein kann; das ist unbestritten.

Aber im Vergleich, Herr Kollege Matznetter, zu Rot-Grün in Deutschland sind wir Weltmeister, da spielen wir in der Champions League! – Das sei auch einmal klar gesagt. (Beifall bei der ÖVP.)

In einer heutigen APA-Meldung steht, dass das deutsche Finanzierungsdefizit im Jahre 2002 auf 66,3 Milliarden € angewachsen ist, dass sich das Defizit bei der Rentenversicherung fast versechsfacht hat und so weiter und so fort. Meine Damen und Herren! In Österreich – dazu hat der Kollege vorhin gerade lautstark geklatscht – tragen die Länder und Gemeinden wesentlich zum positiven Ergebnis bei. Die deutschen Städte und Kommunen hingegen stehen vor einem Finanzkollaps, sie sind konkursreif, wie Herr Oberbürgermeister Ude von München und viele andere auch dies zum Ausdruck gebracht haben, sonst müsste ja auch der deutsche Bun­deskanzler Schröder kein Sanierungspaket für Not leidende Kommunen schnüren. So weit ist man in diesem rot-grün regierten Land, das von Ihnen immer wieder als Musterbeispiel hinge­stellt wird!

Daher sage ich ganz offen: Mir ist die österreichische Bundesregierung unter einem Bundes­kanzler Schüssel, einem Finanzminister Grasser, einem Staatssekretär Finz und den Ministern auf der Regierungsbank wesentlich lieber, dreimal lieber als jenes Musterbeispiel, das Sie so oft zitieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Vor wenigen Tagen war in der „Presse“ unter „Themen des Tages“ ein Beitrag unter folgendem Titel zu lesen: „Schröders sozialer Aderlass als Motor für die Wirtschaft“. Darin heißt es in Bezug auf die Ankündigungen Schröders: „Bei den Arztkosten sollen die Patienten mehr zuzahlen“, und: „Die künftigen Rentenerhöhungen sollen geringer ausfallen.“ (Rufe bei der SPÖ: Österreich! Österreich!)

Soll ich Ihnen die verschiedenen Grauslichkeiten noch weiter schildern? – Sie sollten, meine Damen und Herren von der linken Seite, Ihre negativen Zwischenrufe einstellen. Merken Sie sich Folgendes (Abg. Silhavy: Was ist negativ in Österreich?): Pessimisten haben noch nie eine Konjunktur gehabt, und sie werden auch in Zukunft keine haben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.11


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.12


Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Herren Staatssekretäre! Hohes Haus! Es wäre nicht die Opposition, würde sie hier nicht mit Unkenrufen auftreten. Es ist mir auch völlig klar, dass von den Oppositionsparteien kein Lob zu erwarten ist, obgleich es schon schwierig ist, Zahlen aus Ihrer Budgetpolitik, nämlich aus der Ära der sozialistischen Finanzminister, auszuweisen, die besser sind. Aber es war, wie ich meine, geradezu entlarvend, als Kollege Gradwohl gesagt hat, Zahlen seien gleichsam be­deutungslos, sie seien mehr oder weniger nebensächlich; der Bundesfinanzminister orientiere sich nur anhand dieser Zahlen und vergesse dabei anderes.


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Meine Damen und Herren! Das ist genau das Problem der Finanzpolitik bis zum Jahre 1999: dass man darauf vergessen hat, dass es gerade auf diese Zahlen zu achten gilt und dass andernfalls, resultierend aus einem ständigen Anwachsen des Budgetdefizits, Sorgen und Nöte entstehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Bund, Länder und Gemeinden haben erstmals seit 27 Jahren positiv bilanziert. Die Bilanz ist zwar eine knapp positive, aber in Zahlen ausgedrückt ist es ein positives Ergebnis in der Höhe von immerhin 0,33 Milliarden €. Die Feststellung ist zutreffend, dass die Maßnahmen für eine nachhaltige Budgetkonsolidierung nicht abgeschlossen sind, dass noch Arbeit vor uns liegt, die wir zu bewältigen haben, um dieses Ziel zu erreichen. Es geht dabei um Reformmaßnahmen, die notwendig sind und einer Fortsetzung durch diese Bundesregierung bedürfen.

Es ist dies ein Weg, der leider Gottes allzu lange vorher nicht eingeschlagen wurde. Wir hatten 30 Jahre lang sozialistische Finanzminister. Es ist dem letzten Finanzminister der Sozialdemo­kraten nicht gelungen, auch wenn er es ansatzweise versucht hat, diese Konsolidierung zu er­reichen. Er ist nun mittlerweile, was seine politische Aktivität im Hohen Haus und in der Regie­rung anlangt, Geschichte, aber er wird sicher nicht als der Sanierungsfinanzminister, der Budget­konsolidierungs-Finanzminister in die Geschichte eingehen; eher schon wegen seiner etwas auffallenden Krawatten, wie ich meine. Diesbezüglich wird ihm möglicherweise ein Platz in der Geschichte eingeräumt werden, auch wenn ich persönlich sie als nicht besonders ge­schmack­voll empfunden habe.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition! Ich möchte Ihnen, weil Ihre Unkenrufe nur allzu laut waren, einiges anhand von Zahlen darstellen: Wenn Sie sich die Steuern- und Ab­gabenquote während Ihrer Regierungszeit mit einem Finanzminister, den Ihre Partei gestellt hat, anschauen, dann werden Sie sehen, dass keine Konsolidierung und keine Senkung der Steuern- und Abgabenquote erfolgt sind.

Nun führen Sie das Jahr 2001 mit einem zugegebenermaßen hohen Wert als besonders desaströs an, ohne dazuzusagen, dass dies mit Sicherheit durch den Vorzieheffekt verursacht ist und dass auf Grund der Anspruchsverzinsung höhere Steuern angefallen sind. Gerade Sie waren es aber, die die ausstehenden Steuerschulden oder Steuerverbindlichkeiten immer thema­tisiert haben!

Zielsetzung dieser Bundesregierung ist es, die Abgabenquote im Jahr 2005 auf 43 Prozent und in der Folge im Jahr 2010 auf unter 40 Prozent zu senken. Nichtsdestotrotz hat es diese Bun­desregierung – trotz der Konsolidierungsmaßnahmen – geschafft, für den Bereich Bildung und Wissenschaft entsprechende Aufwendungen zu tätigen.

Wenn ich einen Vergleich mit dem Jahr 1999 anstelle, so muss ich sagen, dass es im Jahr 2001 in diesem Bereich immerhin um stolze 8,23 Prozent mehr an Aufwendungen sind. Das setzt sich fort im Bereich Forschung mit einem Plus von immerhin 6,8 Prozent im Vergleich 1999 zu 2001, und im Jahr 2002 ist wiederum ein Plus von rund 16 Prozent zu verzeichnen.

Wir werden sehen, mit welchen Unkenrufen Sie den Rechnungsabschluss für das Jahr 2002 dann bedenken werden. – Es sei hier auch erwähnt, dass der Bereich Infrastruktur im Jahr 2002 ein Plus von 21 Prozent ausweist.

Ich bin froh darüber, dass die Defizitentwicklung so erfolgt ist, wie sie hier dargestellt ist, nämlich einmal im Vergleich ohne Konsolidierung und einmal mit Konsolidierung. Bei diesem Vergleich ergibt sich für das Jahr 2001 zwischen der Entwicklung einerseits ohne Konsolidie­rungs­maßnahmen und andererseits mit Konsolidierungsmaßnahmen eine Differenz von immer­hin 7,3 Milliarden €.

Herr Rechnungshofpräsident Fiedler hat sicherlich Recht, wenn er mahnend dazu auffordert, mit den Maßnahmen zur Budgetkonsolidierung nicht innezuhalten und insbesondere auf der Ausgabenseite Anstrengungen zu unternehmen, um den eingeschlagenen Weg fortzusetzen.


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Ich bin überzeugt, dass diese Bundesregierung den eingeschlagenen Weg fortsetzen wird, denn nur das eröffnet die entsprechende Zukunftsperspektive, die da lautet: ein konsolidiertes Budget, eine Senkung der Steuer- und Abgabenquote, ein prosperierender Wirtschaftsstandort und letztlich auch Vollbeschäftigung, meine Damen und Herren! Das ist das, was wir uns wünschen und was diese Bundesregierung auch umsetzen wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.19


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Matz­netter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.19


Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Nach den Ausführungen des Abgeordneten Auer, aber auch des Abgeordneten Hofmann muss man ein paar Dinge ergänzen.

Der Unkenruf, Herr Abgeordneter Hofmann, ist von Präsident Fiedler gekommen, und er war Ihrer Fraktion ins Stammbuch geschrieben. (Ruf bei der ÖVP: Das war kein Unkenruf!) Es ist nicht gelungen, eine nachhaltige Sanierung zu erreichen; ich habe heute schon die tatsächliche Entwicklung dargelegt. Aber Ihr Redebeitrag und auch jener des Kollegen Auer geben mir Gelegenheit, ein paar Dinge hervorzustreichen, die einmal anders waren.

Herr Abgeordneter Auer hat das Jahr 1974 erwähnt. Ja, da gab es schon einen Finanzminister, der in einer Folge vier Nulldefizite hintereinander gehabt hat. Der hat aber Hannes Androsch geheißen und war bei der SPÖ. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Den habt ihr dann gleich rausgeschmissen!) – „Gleich“ ist gut!

Aber bleiben wir doch bei den gegenwärtigen Dingen: Abgeordneter Hofmann sagte, die bunten Krawatten meines Vorgängers Edlinger seien das Einzige, was in Erinnerung bleiben wird. – Halten wir auch dazu die Wahrheit fest (Abg. Wattaul: Schulden-Rudi!): In fünf Jahren ist es gelungen, von einem Defizit in einer Höhe von nahezu 5 Prozent des BIP auf 2,3 Prozent herunterzukommen. Diesen Erfolg hat der hinter mir auf der Regierungsbank sitzende Herr nicht geschafft, und er wird ihn auch nicht schaffen! Es wird bei einer Ankündigungspolitik bleiben und keine Sanierung erfolgen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Dass wir in Österreich, was die Schuldenentwicklung betrifft, ein Problem haben, brauche ich Ihnen nicht zu sagen – Sie sind heute Regierungspartner dieser Fraktion. Das Problem sei angeblich die Schuldenpolitik des Bruno Kreisky; bei seinem Abgang lag aber die öffentliche Verschuldung bei 500 Milliarden Schilling. Die 2 017 Milliarden sind bereits unter Bun­deskanzler Schüssel erreicht worden, und wenn man sich die Kurve anschaut, meine Damen und Herren, dann sieht man, dass es da Folgendes festzustellen gibt, das man sich merken kann: Je mehr ÖVP, umso mehr Schulden! Leider! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.21


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 20 der Beilagen. – Das ist kein Irrtum. Der Bundesrechnungsabschluss ist in Form eines Gesetzes zu beschließen.

Ich darf darum bitten, dass jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf betreffend Ge­nehmigung des Bundesrechnungsabschlusses eintreten, dies durch ein Zeichen bekun­den. – Die Beschlussfassung in zweiter Lesung erfolgt mit Mehrheit.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung ihre Zustimmung er­teilen, um ein Zeichen. – Ich darf feststellen, dass der Gesetzentwurf in dritter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen wurde.

3. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 69/A der Abgeordneten Mag. Wil­helm Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (Bundesministerien­gesetz-Novelle 2003) (30 der Beilagen)


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen daher zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Ein Wunsch nach mündlicher Berichterstattung liegt mir nicht vor. Wir können daher sofort in die Debatte eingehen.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minu­ten. – Bitte.

18.23


Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Das vorliegende Bundesministeriengesetz ist durch zwei sehr markante Punkte gekennzeichnet.

Der erste Punkt: Es ist zu einer Vergrößerung der Bundesregierung gekommen. Eine Ver­größerung der Bundesregierung bedeutet eine Verteuerung der Bundesregierung. Es sind zwei Staatssekretäre mehr im Amt, und ich darf im Folgenden nur ganz kurz auf die Kosten dieser zwei Staatssekretäre pro Kalenderjahr eingehen: Das sind die Staatssekretärsgagen in der Höhe von 378 000 € (Abg. Grillitsch: Das muss er wissen!) – das sind 13 500 € brutto, und das 14 Mal jährlich. Dazu kommen die Referentengagen: 1 373 000 €, Repräsentation und Dienst­wägen: 400 000 €. Das bedeutet einen Mehraufwand dieser Regierung – das müssen Sie der Bevölkerung erklären, warum Sie einen solchen Mehraufwand in Kauf nehmen – in der Höhe von rund 2 151 000 € pro Jahr.

Es stellt sich die Frage, wozu das notwendig war, da die Bundesministerienstruktur dadurch nicht einfacher, nicht effizienter, nicht sparsamer und nicht zweckmäßiger wurde. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es ist aber noch ein zweiter markanter Punkt hervorzuheben, und dieser ist für mich ver­wunderlich, nämlich dass sich die Freiheitliche Partei bei den Verhandlungen derart über den Tisch ziehen ließ. Das grenzt schon an ein Wunder, wie man diese Demütigung ertragen kann und trotzdem noch einen aufrechten Gang haben kann.

Einige Beispiele: Die Frau Vizekanzlerin hatte in der vergangenen Regierung das Beamten- und Sportressort inne. Dieses Beamtenressort ist natürlich zum nunmehrigen Kanzler gewandert (Ruf: Aufgelöst!), es ist aufgelöst worden. Man kann sagen, eigentlich war dieses Vizekanzler-Ministerium ein Unding, wie wir immer behauptet haben. Es war zu klein und mit zu wenigen Kompetenzen ausgestattet, sodass man jetzt hergeht und diese Gelegenheit gleich dazu benützt, der FPÖ auch noch die Zuständigkeit für die Beamten wegzunehmen.

Man hat den Freiheitlichen ohnehin das Finanzministerium weggenommen, man hat ihnen das Verteidigungsministerium weggenommen, und dann verbleibt dem Vizekanzler als Regie­rungspartner ein Sozialministerium, das man aber nicht in dem bisherigen Ausmaß belassen hat, um sozusagen den Vizekanzler sein Gesicht wahren zu lassen, sondern, nein, man ist noch hergegangen und hat den Vizekanzler auch noch etwas abgehalftert und ihm noch die Kranken- und Unfallversicherung aus dem Ministerium herausgenommen!

Da stellt sich die Frage, ob das tatsächlich eine gute Partnerschaft werden kann, wenn man mit dem kleinen Partner so verfährt, dass man ihn sozusagen das Gesicht verlieren lässt. Das


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hängt natürlich immer auch davon ab, ob es sich der kleine Partner gefallen lässt. Er hat es sich gefallen lassen, nur um in diese Regierung eintreten zu können.

Es ist schade, dass man hier nicht mehr Selbstbewusstsein an den Tag gelegt hat. Es ist auch schade, dass man von Seiten der Gewinner dieser Wahl nicht versucht hat, den kleineren Partner das Gesicht wahren zu lassen. Es ist wirklich schade, dass man ihn so vorgeführt hat.

Aber es gibt auch inhaltliche Schwierigkeiten mit diesem Bundesministeriengesetz: Es ist nicht einsichtig, warum man Minister Böhmdorfer die Konsumentenschutzkompetenz weggenommen hat – außer man geht davon aus, dass er den Banken unbequem geworden ist und somit einer Klientel, die im Wesentlichen der ÖVP nahe steht, unbequem wurde und man sozusagen verhindern wollte, dass der Konsument zu seinem Recht kommt, und ein Kniefall im Bereich des Konsumentenschutzes vor den Mächtigen in diesem Land gemacht wurde.

Es ist auch schade, dass die Nahrungsmittelkontrolle nicht mehr bei Bundesminister Haupt ist, der meiner Meinung nach in diesem Bereich sehr verdienstvoll tätig war. Man hat sie natürlich in ein ÖVP-Ressort gegeben. Es ist ja viel einfacher, die Nahrungsmittelkontrolle in den eigenen Händen zu behalten, denn wenn die Agrarlobby irgendetwas bei den Nahrungsmitteln falsch macht, dann kann man sich leichter selbst arrangieren, als wenn das vielleicht ein unzu­verlässiger Regierungspartner macht, der in diesem Bereich sogar Kompetenzen aufzuweisen hätte. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist sehr durchsichtig, was hier passiert ist, und es ist sehr schade um die Chance, die ver­säumt wurde, eine zweckmäßige, zukunftsorientierte und effiziente Verwaltung zu bilden. Von einer solchen kann sicher nicht die Rede sein.

Sehr schade ist es, dass es uns nicht gelungen ist, mit den zuständigen Stellen dafür zu sorgen, dass man die Forschungsagenden zusammenfasst. Auch diese wurden zersplittert. Da gibt es immer wieder Lippenbekenntnisse, dass man sie in ein Ressort zusammenfassen soll, aber es bleibt eben leider nur bei Lippenbekenntnissen, weil sie dann im Ressort des Bundes­ministers Gorbach zusammenzufassen gewesen wären, den ich durchaus für einen kompe­tenten Mann in dieser Angelegenheit gehalten hätte. Aber das Misstrauen der ÖVP war offen­sichtlich zu groß, als dass man ein derart zukunftsträchtiges Ministerium der FPÖ hätte über­lassen wollen, als dass man derartig zukunftsträchtige Möglichkeiten in einem FPÖ-Ressort hätte ansiedeln wollen.

Ich möchte noch ein weiteres inhaltliches Problem aufgreifen: Die Zuordnung des UBAS zum Innenministerium ist meiner Meinung nach sachlich und fachlich falsch. Die Unabhängigkeit des Bundesasylsenates besteht darin, dass er auch wirtschaftlich und räumlich unabhängig ist von jenem Ministerium, dessen Bescheide er überwachen soll.

Wir alle wissen, dass zwar vielleicht nicht in die Entscheidung eingegriffen werden kann, weil de facto die Unabhängigkeit im Gesetz gewahrt bleibt. Aber man kann den Unabhängigen Bundesasylsenat auch noch über andere, wirtschaftliche Zwänge in eine Abhängigkeit bringen. Das fängt bei der Raumzuteilung an, das zeigt sich bei der Mittelzuteilung und all den Dingen, die wir kennen, und das ist schade. Es hat einen Beigeschmack, als ob sich das Innen­ministerium selbst die Kontrollinstanz ins Haus holt.

Ich kann mich daran erinnern, dass sich der nunmehrige Präsident dieses Hauses in seiner Rede darüber, warum der Unabhängige Bundesasylsenat im Bundeskanzleramt angesiedelt sein soll, dahin gehend geäußert hat: weil es besser ist, wenn man ihn nicht im Innen­ministerium ansiedelt, sondern im Bundeskanzleramt, damit diese Abhängigkeit nicht gegeben ist. – Der Abgeordnete Khol hat das noch erkannt; ich weiß nicht, ob es der Präsident erkennt.

Das heißt im Wesentlichen – damit seien zwei Punkte nochmals zusammengefasst –: Es ist nicht effizienter geworden, es ist nicht zweckmäßiger geworden, und es ist schon gar nicht sparsamer geworden. Es haben sich die Kosten dieser Regierung um 2 Millionen € erhöht, und es haben sich die Zuständigkeiten verkompliziert.


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Der einzige erkennbare Grund dieser Bundesministerienaufteilung, wie sie uns heute hier vor­liegt, ist eine Demütigung des kleinen Regierungspartners, ein Ausräumen der Ministerien des kleinen Regierungspartners, sei es des Infrastrukturministeriums, sei es des Ministeriums des Vizekanzlers. Man hat ihn in diesen Verhandlungen das Gesicht verlieren lassen. Es stellt sich die Frage, warum sich die FPÖ das in dieser Form gefallen lassen hat. Aber es ist eben schade, wenn man um jeden Preis in eine Regierung will: Dann besteht der Preis nämlich darin, dass man nachher nichts mehr zu reden hat.

Die ÖVP hat das geschickt genützt. Man wird sehen, was sie aus dieser Allmacht der Macht macht. (Ruf bei der ÖVP: Machen Sie sich keine Sorgen!) Ich glaube nicht, dass es besser werden wird – es wird wahrscheinlich noch dunkler werden in diesem Staat. Es gibt kein Korrektiv mehr, es gibt nur noch Selbstkontrolle, sei es der Nahrungsmittelhersteller durch die Behörde im Bundesministerium der nunmehrigen Bundesministerin Rauch-Kallat, sei es im Innenministerium durch die Zuteilung der Kontrollinstanz des UBAS zu diesem Ministerium, sei es im Wirtschaftsministerium, wo sich sozusagen derjenige, der den Wettbewerb ausruft, auch noch selbst kontrolliert.

Das heißt, in Wirklichkeit ist jede Kontrolle ausgeschaltet, in Wirklichkeit ist jede Sparsamkeit ausgeschaltet, in Wirklichkeit ist die Effizienz ausgeschaltet, und in Wirklichkeit hat in dieser Regierung die FPÖ nichts mehr zu reden. (Beifall bei der SPÖ.)

18.33


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

18.33


Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Mit­glieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Es überrascht mich, dass ich jetzt als Rednerin nach dem offensichtlichen Anwalt der FPÖ, dem Herrn Wittmann, spreche. Das hat mich an seinem Beitrag außerordentlich überrascht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scheibner: Aber zahlen tun wir ihm nichts!) Ich denke, die FPÖ braucht diesen Anwalt nicht, sie nimmt ihre Kompetenzen schon selbst wahr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was ist das Bundesministeriengesetz? – Das Bun­desministeriengesetz ist letztlich immer nur der Ordnungsrahmen für die materielle und für die inhaltliche Arbeit der Bundesregierung. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.) Es ist sozusagen das Werkzeug der Bundesregierung. Das Bundesministeriengesetz trägt natürlich immer den aktuellen Bedürfnissen des politischen Handelns und der politischen Schwerpunktsetzung der Regierungsarbeit Rechnung, und damit ist auch die personelle Ausstattung erklärbar, zum Beispiel die Unterstützung durch die Staatssekretäre.

Das Bundesministeriengesetz wird auf Grund seiner Natur immer auf heftige Kritik des poli­tischen Mitbewerbers, der Opposition, treffen, der Opposition, die logischerweise eine andere politische Schwerpunktsetzung vornimmt. Umso mehr verwundert mich hier das Auftreten des Herrn Abgeordneten Wittmann, weil ich andere politische Schwerpunktsetzungen vermisse. Was ich hingegen gehört habe, ist ein etwas polemischer Beitrag. Er hat hier nicht den Entwurf kritisiert, sondern leider Gottes lediglich polemische Beiträge geliefert. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Dann haben Sie nicht zugehört, Frau Kollegin!)

In der Debatte zum Bundesministeriengesetz werden immer auch Unstimmigkeiten und Ängste, die in der Verwaltung entstehen, artikuliert, und darauf hat der Kollege auch Bezug genommen. Diese haben nicht unbedingt etwas mit der politischen Schwerpunktsetzung zu tun, mit der sich das Bundesministeriengesetz befasst, das wird aber in der Diskussion oft vermischt. Als Beispiel komme ich hier auf den Unabhängigen Bundesasylsenat zu sprechen, der jetzt ver­waltungstechnisch zum Bundesministerium für Inneres ressortieren soll. Das ist inhaltlich voll­kommen richtig! Vielleicht haben Sie das übersehen – aber Sie waren doch selbst einmal Staats­sekretär, Herr Kollege Wittmann –: Es ist an sich durchaus die Regel im Bundes­ministe­riengesetz, dass die unabhängigen Senate oder unabhängigen Behörden zum fachlich zu-


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ständigen Bundesministerium ressortieren. (Abg. Eder: Wenn wir gleich ein paar aus­tau­schen ...!)

Sie haben – und das geschieht auch in der öffentlichen Diskussion – die Sorge über die budge­täre, personelle und infrastrukturelle Ausstattung – und das ist eine durchaus berechtigte und gute Sorge – vermischt mit der Sorge über die Unabhängigkeit. Die Unabhängigkeit wird durch die Bundesverfassung garantiert, weil die unabhängige Behörde in der Jurisdiktion unabhängig ist, wie schon der Titel sagt. Sie wird auch von den Höchstgerichten überprüft. Daher wird – davon bin ich hundertprozentig überzeugt – der Unabhängige Bundesasylsenat weiterhin so Recht sprechen, wie er es jetzt schon tut, weil seine Entscheidungen sonst vom Verwaltungs­gerichtshof verändert beziehungsweise aufgehoben werden. Aber Sie vermischen die Ängste – und das tut mir Leid, weil wir auf diese Weise hier nicht zu einer inhaltlichen Diskussion kom­men (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen) –, die verwaltungstechnischen Ängste derje­ni­gen im UBAS, die nicht zum Innenministerium wollen, aus welchen Gründen auch immer (Abg. Eder: Weil sie den Strasser kennen!), mit der Frage, ob die Unabhängigkeit gewährleistet ist oder nicht. (Abg. Mag. Stoisits: Weil sie das Innenministerium kennen!) Und diese Dis­kussion, Frau Kollegin Stoisits, ist eigentlich eine unnötige. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich kann Ihnen auch einige andere Beispiele für Einrichtungen nennen, wo das üblich ist, zum Beispiel das Bundesvergabeamt, den Obersten Patent- und Markensenat oder die Finanz­marktaufsicht, die immer zum jeweils fachlich zuständigen Ministerium ressortieren. Ich stelle fest, Sie haben sich eigentlich auch in der Vergangenheit das Bundesministeriengesetz und die Verwaltung nicht wirklich angeschaut, was mich bei Ihnen, Herr Kollege Wittmann, schwer enttäuscht.

Nur ein Wort noch zur Kritik an der Größe der Bundesregierung: Herr Abgeordneter Cap sprach von einer ungeheuren Aufblähung der Bundesregierung. Ich darf Sie darauf hin­weisen: Es ist dies noch lange nicht die größte Bundesregierung. Die größte Bundesregierung – diesen fragwürdigen Titel trägt die Alleinregierung Kreisky IV. Damals gab es nämlich 23 Mit­glieder der Bundesregierung, und das war eine sozialdemokratische Regierung! (Beifall bei der ÖVP.) Das hat der Herr Abgeordnete und Klubobmann der Sozialdemokraten nicht kritisiert, wahrscheinlich weil er es nicht weiß. (Abg. Eder: Da haben wir etwas weitergebracht!)

Die haben etwas weitergebracht, Herr Kollege? – Das ist absurd! Sie müssen schon vergleichen, und dann werden Sie feststellen: Der Arbeitsaufwand von damals und jetzt ist ein wesentlich anderer, weil es damals nicht die Verpflichtung gab, in der Europäischen Union ständig die Vertretung Österreichs wahrzunehmen. (Ruf bei der ÖVP: Die haben keine Ahnung!) Daher ist der Arbeitsaufwand in Wirklichkeit gestiegen, und trotzdem ist diese Regierung wesentlich kleiner. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich denke auch, dass diese Diskussion in Wirklichkeit kleinlich ist und an den tatsächlich wichti­gen Dingen vorbeigeht. Aber das ist nichts Neues, Sie pflegen die politische Diskussion auch so zu führen. (Abg. Dr. Wittmann: Aber die Vorgängerregierung war schon kleiner! – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Wichtig ist, dass effizient und erfolgreich für das Staatsganze gearbeitet wird und öster­reichische Interessen in Europa und der Welt erfolgreich vertreten werden. Das wird diese Bundes­regierung leisten, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte folgenden Abänderungsantrag, der die Einfügung einer Überschrift beinhaltet, ein­bringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Scheibner, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag 69/A der Abgeordneten Mag. Molterer, Scheibner betreffend ein Bundesgesetz, mit dem


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das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (Bundesministeriengesetz-Novelle 2003) in der Fassung des Ausschussberichtes (30 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der Antrag 69/A der Abgeordneten Molterer, Scheibner betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (Bundesministeriengesetz-Novelle 2003) in der Fassung des Ausschussberichtes (30 der Beilagen), wird wie folgt geändert:

1. In Z 5 wird in Z 1 des dem § 17b anzufügenden Abs. 15 vor dem Ausdruck „Abschnitt J“ die Wortfolge „die Überschrift des Abschnittes J“ eingefügt.

2. Nach Z 19 wird die folgende Z 19a eingefügt:

„19a. Die Überschrift des Abschnittes J des Teiles 2 der Anlage zu § 2 lautet:

„J. Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz““

*****

Es geht dabei also lediglich um die Einfügung einer Überschrift.

 

In einem Kommentar stand zu lesen, dass das Bundesministeriengesetz nicht der große Wurf sei. – Natürlich nicht, das ist auch nicht Aufgabe des Bundesministeriengesetzes! Das ist vielmehr die Arbeit der Bundesregierung, und das wird diese Bundesregierung auch leisten! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Großruck – in Richtung SPÖ –: Das war Qualität, Herr Kollege!)

18.40


Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Baumgartner-Gabitzer, darf ich Sie kurz zu mir bitten, um abzuklären, ob da nicht ein kleines Missverständnis bei der Formulierung vorliegt.

Wir gehen inzwischen in der Debatte weiter. Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Gla­wischnig. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.41


Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren Staatssekretäre und ‑innen – nein, nur ‑äre! Hohes Haus!

Ein Bundesministeriengesetz hat natürlich den Sinn und den Zweck, die Arbeitsaufteilung einer Bundesregierung gut zu gestalten. Ich denke, da gibt es nicht nur personelle Bedürfnisse und aktuelle politische Bedürfnisse, sondern da gibt es vor allem auch sachpolitische Zusam­menhänge, die man möglichst objektiv lösen kann. (Abg. Mag. Molterer: Genau!) Ich habe den Eindruck, dass gerade diese Bundesregierung große Schwierigkeiten gehabt hat, auf die Sach­bedürfnisse einzugehen (Abg. Mag. Molterer: Nein, da täuschen Sie sich!), und vor­wie­gend die personellen und aktuellen Bedürfnisse – wie es Frau Baumgartner-Gabitzer scho­nungslos offen auch gesagt hat – organisiert hat. Ich möchte im Folgenden ein paar Beispiele dazu nennen.

Eines der großen Ziele des Zehn-Punkte-Programms von Wolfgang Schüssel war die Bün­delung der Forschungsagenden. Das war eine der hervorgehobenen Prioritäten des Zehn-Punkte-Programms. Ich weiß jetzt nicht, wer dagegen war, aber da der Parteichef und Spitzen­kandidat der ÖVP massiv für diese Bündelung war, kann ich daraus nur schließen, dass die FPÖ dagegen war und sich in den Verhandlungen durchgesetzt hat. Tatsächlich ist nämlich die Zersplitterung der Forschungsagenden bestehen geblieben, und das ist ein massiver Nachteil für die österreichische Forschungslandschaft, gerade da wir wissen, dass wir im EU-weiten Vergleich sehr weit hinten liegen und großen Aufholbedarf haben.


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Ein zweites Beispiel – wir haben das schon bei der Zusammensetzung der letzten Regierung und beim Bundesministeriengesetz 2000 kritisiert – ist die Unterordnung der Arbeitsagenden unter die Wirtschaftsagenden. (Abg. Dr. Brinek: Wie in Deutschland auch!) Das ist so geblie­ben, und zusätzlich sind die Sozialagenden noch weiter zersplittert worden. (Abg. Dr. Brinek: Deutschland hat es auch gemacht! Schröder!)

Der zweite Punkt in diesem Zusammenhang ist die Unterordnung der Umwelt unter die Land­wirtschaft. Diese hat sich meines Erachtens überhaupt nicht bewährt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das Konfliktpotential, das sich hier abgezeichnet hat und in vielen Konfliktsituationen zu Entscheidungen zu Ungunsten der Umwelt geführt hat, zeichnet sich weiterhin ab und wird fortgeschrieben.

Ein dritter Punkt, der bedauerlich ist, betrifft – das ist schon erwähnt worden – eine Regelung, eine Zuordnung, die in ihrer bisherigen Form eigentlich als gut erachtet worden ist, weil hier einfach unterschiedliche Interessenlagen existieren, und besteht darin, dass der Bundes­asyl­senat vom Bundeskanzleramt, wo er zuerst angesiedelt war, jetzt wieder zum Innenministerium zurückgesiedelt wird und nicht gesehen wird, welch widerstreitende Interessen es hier gibt und dass da auch eine organisatorische, politische und räumliche Unabhängigkeit bestehen bleiben muss durch diese Zuordnung zum Bundeskanzleramt. (Abg. Dr. Brinek: Ist er unabhängig?) – Das ist das dritte Beispiel, das problematisch ist.

Was nun diese Ziele betrifft, dass man eine möglichst sachliche und effiziente Aufteilung und zusammenhängende Bereiche schaffen soll – Effizienz auch, was die Vertretung in Brüssel betrifft; das ist ein wichtiger Punkt: wir sollten mittelfristig unsere Agenden so organisieren, dass in Brüssel nicht immer zwei bis drei Minister antreten müssen, um eine Agenda zu vertreten –, so entsteht sehr stark der Eindruck, dass dies nicht gelungen ist. Der Verdacht bleibt bestehen, dass hier, einfach um bestimmte parteipolitische Bedürfnisse zu befriedigen, Sachzusammen­hänge willkürlich vernachlässigt worden sind.

Ein weiterer Punkt, der bei der Beurteilung der Zusammensetzung der Regierung nicht außer Acht gelassen werden darf, ist die Vergrößerung der Bundesregierung unter Verkleinerung des Frauenanteils. Das ist sehr bedauerlich. Ich habe mir in einer Diskussion sagen lassen müssen, dass es jetzt zwar nur noch vier Frauen von 18 Regierungsmitgliedern seien, aber dass es zumindest vier starke Frauen seien. Ich habe das mit Verwunderung zur Kenntnis genommen, weil ich nicht dachte, dass man zwischen starken und schwachen Frauen in der Politik differenziert. Das dahinter stehende Bild ist sichtlich, dass auf vier starke Frauen vier schwache Männer kommen, oder was auch immer. Jedenfalls entspricht das überhaupt nicht der regu­lären Vertretung, die Frauen in allen Körpern des Bundes, des Landes, aber auch im AMS und in sonstigen Einrichtungen, bis hin zum Verfassungsgerichtshof, haben sollten. (Beifall bei den Grünen.) Vor allem brauchen sie in einer Bundesregierung eine stärkere Vertretung als in Form von vier starken Frauen.

Noch einmal zusammengefasst: Die Zersplitterungen von großen, zentralen Bereichen bleiben nach wie vor aufrecht; die Forschungsagenden bleiben nach wie vor auf drei Ministerien aufgeteilt; die Unterordnung von wesentlichen Interessen – Umwelt unter die Landwirtschaft; Arbeit, Soziales unter die Wirtschaft, weiter zersplittert – bleibt aufrecht, und zusätzlich haben wir solche Schmankerln wie die Zuordnung des Bundesasylsenates zum Innenministerium, was sichtlich nur mit politischer Willkür, aber nicht mit Sachpolitik und Sachzusammenhang erklärt werden kann. (Beifall bei den Grünen.)

18.46


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag der Frau Abgeordneten Dr. Baumgartner-Gabitzer ist genügend unterstützt, steht in Verhandlung und zur Abstimmung.

Der


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10. Sitzung / Seite 146

Abänderungsantrag der Frau Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig ist ebenfalls ausreichend unterstützt, steht zur Verhandlung und wird abgestimmt.

Der Abänderungsantrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag 69/A der Ab­geordneten Mag. Molterer, Scheibner und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (Bundesministeriengesetz-Novelle 2003) in der Fassung des Ausschussberichtes (30 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (Bundesministeriengesetz-Novelle 2003) in der Fassung des Ausschussberichtes (30 der Bei­lagen) wird wie folgt geändert:

Z. 2 entfällt.

*****


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Freiwillige Redezeitbe­schrän­kung: 5 Minuten. – Bitte.

18.46


Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin ganz gerührt davon, dass sich Herr Abgeordneter Wittmann, obwohl er in diesem Parlament sonst eigentlich immer nur Negatives über die Freiheitliche Partei zu sagen hat, plötzlich Sorgen um die Ehre der FPÖ macht. Er macht sich Sorgen, dass wir das Gesicht verlieren würden. (Abg. Großruck: Das ist verdächtig!) Er macht sich Sorgen, dass wir von der ÖVP über den Tisch gezogen würden und dass wir nichts mehr zu reden hätten; das macht ihn sogar betroffen.

Herr Wittmann, wissen Sie was: Machen Sie sich nicht Sorgen um die Freiheitliche Partei, sondern machen Sie sich Sorgen um Ihre eigene Partei! Die hat alle Chancen gehabt, in die Regierung einzutreten. Die ÖVP hat mit Ihnen Gespräche geführt, aber Sie wollten ganz einfach keine Reformkoalition bilden. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie haben Angst gehabt vor den Maßnahmen, die zu treffen sind, um die Reformen weiterzuführen. (Abg. Dr. Wittmann: Vor denen kann man auch Angst haben!) Was Sie tun, ist so ähnlich wie bei dem Fuchs, dem die Trauben zu hoch sind: Der weiß dann immer nur Negatives über die Trauben zu reden. So tun Sie das auch.

Herr Wittmann hat von diesem Bundesministeriengesetz zwei markante Punkte heraus­gegriffen. Ich sehe auch zwei markante Punkte, allerdings habe ich eine andere Gewichtung. Zum Beispiel halte ich es für außerordentlich wichtig, dass das Ministerium für soziale Sicherheit geteilt worden ist. Ich finde auch nicht, dass es dadurch zu einer Zersplitterung gekommen ist, Frau Abgeordnete Glawischnig, denn das Ministerium für soziale Sicherheit und Generationen war ja ein riesiges Ministerium mit sehr umfangreichen Agenden und Kom­petenzen. Es erscheint mir wirklich sinnvoll, dass jetzt zwei Ressorts gebildet worden sind, näm­lich eines für soziale Sicherheit und Generationen und auf der anderen Seite ein Ministe­rium für Gesundheit und Frauen.

Ich verstehe überhaupt nicht, warum die Opposition nicht glücklich ist über diese Teilung des Sozialministeriums, denn Sie haben damit jetzt endlich das Frauenministerium, das Sie wollten. In der letzten Legislaturperiode haben Sie immer geweint: Bei jeder Debatte über Frauen­angelegenheiten, die hier geführt worden ist, ist geweint und gejammert worden, dass es kein eigenes Frauenministerium gibt. Jetzt haben Sie ein Frauenministerium mit einer sehr enga­gierten Ministerin, die wir schon aus früheren Zeiten kennen, und jetzt sollten Sie eigentlich froh darüber sein, dass es das gibt. Allerdings muss ich persönlich auch sagen, dass ich mit Herrn Minister Haupt sehr zufrieden war, damit, wie er die Agenden der Frauen geregelt hat. Auch die Frauenvereine haben sich nicht darüber beklagt, sondern sie alle haben unisono seine Sensibilität, sein Verständnis gelobt. Wie gesagt, er hat das sehr gut gemacht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Er hat dazu auch noch ... (Abg. Dr. Jarolim: Das höre ich jetzt zum ersten Mal!) – Sie reden viel zu wenig mit den Frauenvereinen, wissen Sie, da haben Sie einen Nachholbedarf. – Aber er hat sich nicht nur um die Frauen, sondern auch um die Männer gekümmert. Ich glaube, es war auch notwendig, dass man einen solchen Impuls gesetzt hat.

Sie bemängeln weiters, dass es in der Regierung um zwei Staatssekretäre mehr gibt. Herr Abgeordneter Wittmann, Sie waren selbst einmal Staatssekretär, Sie sollten eigentlich wissen, dass Staatssekretäre eine wichtige Aufgabe haben können. Diese zwei zusätzlichen Staats-sekretäre haben wichtige Aufgaben, nämlich einerseits die Wahrnehmung der Angelegenheiten des Sports, die durch den beim Bundeskanzleramt angesiedelten Mag. Schweitzer wahrge­nom­men werden, und auf der anderen Seite die Unterstützung des Sozialministers Haupt, die die Aufgabe der Frau Staatssekretärin für Familienangelegenheiten und Kinderangelegenheiten ist. Ich glaube, es ist schon äußerst wichtig, dass es für diesen Bereich – Familie, Generationen, Kinder, Jugend, Senioren – jemanden gibt, der speziell dafür kompetent ist.

Es geht ja darum, dass wir Reformprojekte durchsetzen wollen, die in der vorigen Legisla­turpe­riode begonnen wurden und jetzt fortgesetzt werden. (Abg. Dr. Wittmann: Sie wollen immer nur!) Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das große Ziel von uns allen muss es ja sein, die Zukunft aller Generationen durch rechtzeitige und nachhaltige Handlungen so abzusichern, dass Zufriedenheit bei allen – bei den Kindern, bei den Jugendlichen und auch bei den Älte­ren – herrscht. (Abg. Öllinger: Sie sollten das Wort „nachhaltig“ nicht so oft benutzen! Das steht Ihnen nicht!)

Vor den Wahlen reden alle von den Kindern; nach der Wahl ist das alles nicht mehr so interes­sant. Dieser Regierung sind die Kinder wichtig, und die Staatssekretärin wird sich speziell auch den Kindern widmen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es geht darum, Kinderrechte in der Verfassung zu verankern, Sucht- und Drogenprävention auszubauen, unsere Jugend auch vor Gewalt besser zu schützen. – Das alles sind Punkte, die ungeheuer wichtig sind und die eben diesem Staatssekretariat zugeordnet sind.

Ein weiterer Kritikpunkt ist auch die Übertragung des Unabhängigen Bundesasylsenates an das Bundeskanzleramt. (Abg. Dr. Wittmann: An das Innenministerium!) Da wird eine Beeinträchti­gung der Unabhängigkeit befürchtet, ein Abhängigkeitsverhältnis wird unterstellt, und die Effi­zienz der Rechtskontrolle sei fragwürdig, so wird behauptet, weil der Unabhängige Bundes­asylsenat in Zukunft budgetär, organisatorisch und infrastrukturell dem Bundesministerium für Inneres unterliegen soll.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Befürchtungen sind wirklich an den Haaren herbeigezogen. Ich habe schon im Verfassungsausschuss gesagt – es gibt das Sprichwort, manche hören das Gras wachsen –, dass in diesem Fall der Unabhängige Bundesasylsenat das Gras wachsen hört, wenn er fürchtet, dass seine Un­abhängigkeit, die durch die Verfassung gewährleistet ist, nur deshalb in Frage steht, weil jetzt eine organisatorische Zuordnung zum Innenministerium vorhanden ist.

Das wäre genau so, wie wenn Richter deshalb um ihre Unabhängigkeit fürchten würden, weil sie ressortmäßig dem Bundesminister für Justiz unterstehen. – Das ist ganz genau dasselbe, und auch Frau Kollegin Baumgartner-Gabitzer hat schon andere Beispiele angeführt, wo ebenfalls unabhängige Senate einem Ministerium zugeteilt sind, dessen Materie sie regeln.

In diesem Zusammenhang werden ja die ungeheuerlichsten Verdächtigungen ausgesprochen. (Abg. Eder: Geh!) – Sagen Sie nicht „geh“! – Herr Parnigoni sagt zum Beispiel, der Innen­minister wisse, was er mit dieser Verlagerung im Schilde führt; er habe eine unendliche Macht­gier und wolle den Unabhängigen Bundesasylsenat unter Druck setzen. (Abg. Eder: Geh!) – Sie sagen „na geh“! – Herr Abgeordneter Parnigoni sagt sogar, er befürchte eine Aushöhlung des Asylrechts deshalb, weil der UBAS jetzt in die Kompetenz des Innenministeriums fällt. Also wissen Sie, da kennt er sich im Asylrecht aber nicht gut aus! (Abg. Eder: Geh!) – Jetzt sagen Sie noch einmal „geh“! Das gefällt Ihnen so gut! Ich finde das wirklich nicht sehr witzig. Sie sollten eher den Kollegen Parnigoni darauf aufmerksam machen, dass das Asylrecht nichts damit zu tun hat, in wessen Zuständigkeit der UBAS ressortiert. (Beifall bei den Freiheitlichen. –


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Abg. Eder  auf den leeren Platz des Abg. Parnigoni deutend –: Ich hab’ eh geschaut, wo er ist!)

Ich bin wirklich überrascht über die Auffassungen so mancher Abgeordneter über den Rechts­staat und den Verfassungsstaat, darüber, dass zum Beispiel Frau Abgeordnete Stoisits sagt, der Unabhängige Bundesasylsenat verliere jede Unabhängigkeit, wenn er dem für Asylfragen zuständigen Minister unterstellt sei. – Da kann ich wirklich nur sagen: Frau Abgeordnete Stoisits, Sie kennen die Gesetze nicht. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist grauenhaft, was Sie da sagen!) Sie kennen auch die Verfassung nicht. Informieren Sie sich einmal, und dann machen Sie Ihre Pressedienste! (Abg. Eder: Das ist wirklich arg!) Das wäre wirklich besser. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jedenfalls bildet dieses Bundesministeriengesetz eine gute Grundlage für eine gute und aussichtsreiche Zusammenarbeit der Regierung. Wie gesagt: Machen Sie sich um Ihre eigene Position und um Ihre eigene Partei Sorgen, und nicht um die Freiheitliche Partei! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Öllinger. – Abg. Eder: Oberlehrerin!)

18.55


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Staatssekretär Morak. – Bitte.

18.55


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Präsident! Verehrte Kollegen auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren des Plenums! Herr Kollege Wittmann, ich kann Ihnen eine gute Botschaft übermitteln: Als ich heute Vormittag Herrn Vizekanzler Haupt ge­sehen habe, hat er sein Gesicht noch gehabt. (Abg. Eder: Aber jetzt nicht mehr!) – Ich nehme an, in der Zwischenzeit ist nichts anderes passiert. Ich hoffe, das ist eine gute Nachricht für Sie. (Abg. Mag. Posch: Man kann auch das Gesicht verlieren!)

Meine Damen und Herren! Das Bundesministeriengesetz ist jener Rahmen, der neben dem Regierungsübereinkommen die Grundlage der Arbeit dieser Bundesregierung bildet, und ich mache Sie darauf aufmerksam, dass die Kompetenzverteilung und Ressortaufteilung den jeweils prioritären Herausforderungen anzupassen sind. (Abg. Öllinger: „Jeweils prioritär“!) Ich glaube, das ist die Hauptaussage, die hier getroffen werden soll.

In einer Zeit, in der neue terroristische Gefahren, kriegerische Auseinandersetzungen und neue Be­drohungsszenarien auf uns warten, ist es nur redlich – und, so glaube ich, auch erforder­-lich –, dass es eine Bündelung der Agenden der inneren Sicherheit im Bundesministerium für Inneres gibt. Ich meine auch, dass sich die bewährten sozialen Sicherungssysteme, die seit dem späten 20. Jahrhundert auf dem Prüfstand stehen und die Sicherung für das 21. Jahr­hundert gewährleisten sollen, im Mittelpunkt der Tätigkeit dieser Bundesregierung befinden und dass zur Bewältigung dieses Kernthemas der Bundesregierung die Schaffung eines eigenen Ge­sundheitsressorts notwendig ist.

Meine Damen und Herren! Auch der fortschreitenden Integration der Europäischen Union, den neuen Chancen und Herausforderungen wurde mit der Besetzung dieser Bundesregierung und mit der Größe dieser Bundesregierung Rechnung getragen. (Abg. Eder: Das merkt man!)

Außerdem denke ich, dass die Errungenschaften aus dem Jahr 2000 beibehalten wurden, und damit meine ich einerseits die Schaffung des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft  mittlerweile hat sich ja auch die rot-grüne Regierung in Deutschland dazu bekannt –, aber auch die Zusammenlegung von Landwirtschaft und Umwelt zu einem „Lebensministerium“; für die Weiterführung dieses Weges ist wohl der hier auf der Regierungsbank sitzende Bundesminister Pröll durchaus ein Garant.

In einigen Bereichen wurden Nachjustierungen getroffen. Ich meine damit die Fokussierung auf Frauenagenden und deren Zusammenlegung mit dem Gesundheitsbereich. Diese Agenden fallen unter die Zuständigkeit einer Frau, die gerade in diesem Bereich schon große Arbeit und große Leistungen vollbracht hat, nämlich Frau Bundesministerin Maria Rauch-Kallat.


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Lassen Sie mich noch schlagwortartig einige Veränderungen anführen: Zuständigkeit des Bundes­kanzleramts für den allgemeinen Tierschutz – die Ausarbeitung des bundesweiten Tier­schutzgesetzes hat im Bundeskanzleramt Priorität –; der Konsumentenschutz hat seinen Sitz in Form eines Staatssekretariates im Sozialministerium; schließlich sind die Umsiedelung der Zuständigkeit für die Frauengleichstellung am Arbeitsmarkt und die damit verbundenen Förde­run­gen der Frauenagenden ein wichtiges Element dieser Bundesregierung.

Es ist selbstverständlich und legitim, dass die Geschäftsverteilung dieser neuen Bundes­regierung von Seiten der Opposition einer Kritik unterzogen wird. Ich verweise in diesem Zu­sammenhang auf die Schaffung von zwei zusätzlichen Staatssekretariaten. Sie von den Oppo­sitionsfraktionen meinen, dass es unverhältnismäßig wäre, wie die Anzahl der Staatssekretäre gewachsen ist. – Dass die Anzahl der Ministerien unverändert geblieben ist, darauf möchte ich Sie hinweisen.

Ich glaube, dass gerade in diesen besonders betreuungsintensiven und arbeitsintensiven Be­reichen Schritte gesetzt wurden, die gerechtfertigt sind. Dies gilt beispielsweise für die Be­trauung der Staatssekretärin Ursula Haubner mit dem Bereich des Konsumentenschutzes, ebenso wie für den Staatssekretär Helmut Kukacka, der neben und mit dem neuen Infra­strukturminister Gorbach prioritär mit den Angelegenheiten der ÖBB befasst ist, und auch für Karl Schweitzer, der angesichts der Herausforderungen und des Lobbying im Bereich der Groß­ereignisse der kommenden Jahre – damit meine ich die Europameisterschaft und die Olym­pischen Spiele – eine wichtige Aufgabe zu erfüllen hat. Sie werden sich wohl noch daran erinnern – ich habe das auch im Ausschuss gesagt –, dass ein Mann wie seinerzeit Kollege Wittmann, der mit den Agenden für Sport, Kultur und Europa betraut war, einen so großen Bereich überhaupt nicht abdecken und so viel überhaupt nicht leisten kann. Ich glaube, wir haben die richtigen Schlüsse daraus gezogen.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass die österreichische Bundesregierung einerseits in Bezug auf andere Regierungen vor ihr, andererseits aber auch auf europäischer Ebene den Vergleich durchaus nicht zu scheuen braucht.

Es ist hier schon angeklungen: Kabinette Vranitzky I und IV: 21 Regierungsmitglieder, Kreisky IV, Sinowatz: 22 Regierungsmitglieder. Wenn wir das auf vergleichbare Länder in Europa umlegen – dieser Vergleich ist ganz interessant! –, dann sehen wir: Griechenland hat 19 Minister und 29 Vizeminister, Irland hat 15 Minister und 17 Staatssekretäre, Schweden hat gar 23 Minister und 27 Staatssekretäre. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Vor drei Jahren hat er das Gegenteil erzählt!)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, zum Unabhängigen Bundesasylsenat hat die Kollegin Partik-Pablé bereits ausreichend Stellung genommen. Es gibt durchaus Argumente für die Situierung des UBAS im Innenministerium. Die Kritik ist meiner Meinung nach schon über­zogen. Es ist durchaus verständlich, dass die Opposition hier Kritik übt, aber vertrauen Sie in dieser Hinsicht auf die österreichische Verfassungsordnung und vertrauen Sie, wenn Sie das schon nicht tun, auf die Integrität der Mitglieder des Bundesasylsenates! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.01


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Prähauser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

19.01


Abgeordneter Stefan Prähauser (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren der Bundes­regierung! Hohes Haus! Gegenstand des Bundesministeriengesetzes ist die Verteilung der Ressortzuständigkeiten. Personelle Angelegenheiten der Obersten Organe der Vollziehung mit Ausnahme des Bundespräsidenten fallen demnach in die Zuständigkeit des Bundeskanzlers. Zu solchen personellen Angelegenheiten gehören auch die der Bezugsfortzahlung nach dem Bun­desbezügegesetz. Die gegenständliche BMG-Novelle belässt die Kompetenz beim Bundes­kanzler, weswegen sich die unterzeichneten Abgeordneten zu vorliegendem Entschließungs­antrag veranlasst sehen, den ich zu Beginn meiner Ausführungen einbringen darf:


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10. Sitzung / Seite 150

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Cap, Marizzi, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Aufforderung zu einer Überprüfung der Inanspruchnahme der Bezugsfortzahlung nach dem Bundesbezügegesetz, eingebracht im Zuge der Debatte zur Bundesministeriengesetz-Novelle 2003

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundeskanzler wird aufgefordert, dem Nationalrat bekannt zu geben, ob Mathias Reichhold eine Bezügefortzahlung nach seiner Amtstätigkeit als Verkehrsminister erhält, erhalten hat oder erhalten wird. Der Bundeskanzler wird weiters aufgefordert, auch bekannt zu geben, ob Mathias Reichhold deswegen keine Bezügefortzahlung nach seiner Amtstätigkeit als Verkehrsminister erhält, weil ihm eine Abfertigung oder eine vergleichbare Zahlung als Kärntner Landeshaupt­mann-Stellvertreter in Anrechnung zu bringen ist, und wie hoch dieser Anrechnungsbetrag ist.

Der Bundeskanzler wird aufgefordert, die Rechtmäßigkeit der Bezugsfortzahlung an Mathias Reichhold zu überprüfen, insbesondere im Hinblick auf die oder den bestehenden Pachtver­trag/verträge abgeschlossen zwischen Mathias Reichhold und seiner Ehegattin oder sonstigen Familienmitgliedern über die Verpachtung seines landwirtschaftlichen Betriebes, beziehungs­weise wird der Bundeskanzler aufgefordert, zu überprüfen, ob eine Bezugsfortzahlung – die ver­mutlich erfolgt wäre, hätte nicht eine öffentliche Diskussion darüber begonnen – in Anbetracht der genannten Umstände rechtmäßig gewesen wäre.

Der Bundeskanzler wird abschließend aufgefordert, das Ergebnis dieser Überprüfung dem Nationalrat bekannt zu geben, insbesondere wird er aufgefordert, bekannt zu geben, warum seiner Meinung nach die Bezugsfortzahlung an Mathias Reichhold rechtmäßig oder un­rechtmäßig ist beziehungsweise gewesen wäre.

*****

Herr Präsident! Ich bitte, diesen Antrag in die Beratungen aufzunehmen.

Hohes Haus! Kollegin Baumgartner-Gabitzer hat gemeint, die Sozialdemokraten wären der Anwalt der Freiheitlichen Partei. – Dem ist sicher nicht so. (Abg. Dr. Baumgartner-Gabitzer auf Abg. Dr. Wittmann deutend –: Herr Wittmann!) Die Sozialdemokraten sind jedoch eine Partei der Demokratie, eine Partei, die die Arbeit um die Republik ernst nimmt und vor allem ihre jeweiligen Partner korrekt behandelt, respektiert und ernst nimmt.

Ich erinnere an die Verhältnisse, als die Sozialdemokraten nahezu 40 Prozent der Stimmen im Nationalrat hatten und die ÖVP nicht einmal 30 Prozent. Damals waren für uns natürlich paritätische Ergebnisse bei Regierungsverhandlungen selbstverständlich. Sie von der ÖVP verfahren mit Ihren Möglichkeiten heute anders.

Meine Damen und Herren! Ich darf noch einmal daran erinnern – mein Kollege Staatssekretär außer Dienst Wittmann hat es ja schon gesagt –: Die Regierung hat mit den Finanzressourcen nicht jene Sorgfalt an den Tag gelegt, die wir erwartet haben. Zwei Staatssekretariate mit über 2,5 Millionen € an jährlichen Kosten schlagen hier zu Buche, obwohl diese Regierung nichts unversucht lässt, die Belastungen der Bevölkerung nach oben zu schrauben.

Das sind Staatssekretariate, über die man diskutieren kann. Die Einrichtung eines Staats­sekre­tariats für Sport – wir hatten vorher ein Bundesministerium, das den Sport­bereich bein­haltet hat – erweckt für uns den Anschein, dass dieses Sekretariat nur deshalb dem Bundeskanzler zugeordnet wurde, um mögliche Publicity-Ressourcen im Bundes­kanzler­amt zu vereinen.

Beim Staatssekretär für Verkehr liegt der Verdacht nahe, dass die Wertschätzung des Koali­tionspartners hier nicht mehr gegeben war. Nachdem dort drei Minister gekommen und gegan­gen waren und entsprechend erfolglos gearbeitet hatten, war es aus Sicht des größeren Koali­tionspartners wahrscheinlich notwendig, hier unverzüglich einzugreifen.


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10. Sitzung / Seite 151

Meine Damen und Herren! Es gibt auch drei „Stillhaltepositionen“ in dieser Regierung: Wir ha­ben einen Verteidigungsminister, der am Tag seiner Angelobung bereits merken durfte, wie groß die Stiefel seines Vorgängers waren, als er aus den Medien entnehmen konnte, dass das Heer halbiert werden sollte.

Eine weitere Stillhalteposition belegt Verkehrs-Staatssekretär Kukacka aus Oberösterreich, des­sen größte Errun­genschaft – wie wir heute den Medien entnehmen durften – eine „wundersa­me“ Vermehrung seines Pensionsanspruches ist.

Wir haben einen Landwirtschaftsminister, der in Zukunft Gelegenheit haben wird, zu beweisen, dass er in die öffentliche politische Arbeit mehr einbringt als die Verwandtschaft zum Landes­hauptmann Niederösterreichs. (Abg. Dr. Baumgartner-Gabitzer: Das ist billig!)

Meine Damen und Herren! Ich frage mich: Wie fühlt sich eine FPÖ, die dermaßen desavouiert wurde, die dermaßen über den Tisch gezogen wird? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber geh! Das­selbe wie der Wittmann! Haben Sie die Rede vom Wittmann erwischt?) Ein Vizekanzler, der ein gelernter Tierarzt, ein Veterinär ist, dem diese Agenden abhanden gekommen sind, das ist aus unserer Sicht eine Beleidigung – ohne da großes Mitgefühl zu haben.

Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Es hat Sie niemand dazu gezwungen, in die Regierung zu gehen. Das war Ihr Wille, Sie haben dafür das letzte Hemd geopfert, und Sie werden die Konsequenzen zu tragen haben. (Beifall bei der SPÖ.) Ihr Koalitionspartner wird allerdings die Verantwortung dafür tragen müssen, dass Sie irgendwann erkennen werden, dass Sie hier über den Tisch gezogen wurden, und dann gebe ich für diese Regierung keinen Pfifferling mehr. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Und Sie werden auch die Verantwortung tragen!)

19.07


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, den Herr Abgeordneter Prähauser vorgetragen hat, ist genügend unterstützt und steht daher mit zur Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minu­ten. – Bitte.

19.07


Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Mein Herren Staatssekretäre! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist eine sehr gleichmäßige Rhetorik, die wir von der Opposition heute hören, und ich sage Ihnen Folgendes (Zwischenruf des Abg. Öllinger): Opposition heißt nicht, immer nur weinerlich kritisieren zu müssen. Sie könnten ohne Weiteres auch einmal konstruktive Vorschläge machen. (Abg. Öllinger: Gerne!) Es ist Ihnen auch nicht verboten, einmal einen Gesetzesantrag wirklich durchzulesen und daraus echte Überlegungen abzuleiten.

Wenn Sie heute weinerlich an unseren Koalitionspartner herantreten und ihm einreden wollen, wie schlecht es ihm geht (Abg. Reheis: Das weiß er selbst!), dann sage ich Ihnen: Lesen Sie die Bürgschaft: „Zurück, du rettest den Freund nicht mehr ...“!

Sie haben nicht den Mut gehabt, mitzuregieren. Daher bitte ich Sie, danach zu trachten, dass Sie eine ordentliche Oppositionspolitik auf die Beine bringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Am 6. März hat der Herr Bundeskanzler eine beeindruckende Re­gierungserklärung abgegeben. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.) Er hat sein Regierungsteam vorgestellt, und es wurde auch allseits gewürdigt. (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig.) Heute legen wir das Bundesministeriengesetz vor. Ich sage Ihnen Folgendes: Im Jahr 2000 haben Sie unendlich laut darüber geweint, dass Sie es nicht ertragen können, dass in der Republik plötz­lich ein Wirtschaftsminister auch die Agenden des Arbeitsministers übernehmen darf, muss und soll. Sie können sich nach dreieinhalb Jahren davon überzeugen: Es ist gut gegangen, und in der Zwischenzeit wurde es in Deutschland nachgemacht. Daher: Eine römische Eins für unsere Regierung! (Abg. Öllinger: Nicht immer dasselbe, Donabauer!)


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10. Sitzung / Seite 152

Zweitens: Sie haben darüber geweint, dass es nicht möglich sei, dass Landwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zusammengelegt werden. Molterer hat es gut gemacht (Abg. Eder: Auch der Pröll?); Pröll wird es auch gut machen. Der Name Pröll bürgt für Qualität, egal ob er der Neffe des Landeshauptmannes ist oder nicht. Das ist eine sehr schwache Behauptung, Herr Prä­hauser, wenn Sie meinen, der Herr Dipl.-Ing. Pröll wäre nur deshalb zum Minister berufen worden. (Abg. Reheis: Vetternwirtschaft nennt man das!)

Herr Prähauser! Er hat die nötigen Qualitäten, die Sie nicht haben, denn sonst hätten Sie keinen Antrag an den Herrn Bundeskanzler gestellt, wonach Sie jetzt plötzlich wissen wollen, ob der Herr Minister Reichhold eine Bezugsfortzahlung bekommt oder nicht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Jarolim: Der Pröll ist wesentlich seriöser als der Bundeskanzler!) Sie kennen das Be­zügegesetz, Sie haben es hier mitbeschlossen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie brauchen nur Zei­tungen zu lesen. Dass der Herr Kollege Reichhold aus der Regierung ausgeschieden ist, das wissen Sie ja, und Sie wissen auch, dass er zurzeit kein Geld bekommt, weil das mit seiner bisherigen Abfertigung gegengerechnet wird. Das haben Sie selbst beschlossen! Kriti­sieren Sie nicht, was Sie selbst beschlossen haben! Lesen Sie das, was Sie sich selbst zum Ziel gesetzt haben!

Noch etwas anderes: Wir haben diese Regierung nicht nach Personen ausgerichtet, wie hier be­hauptet worden ist – diese Regierung verfügt über Persönlichkeiten –, sondern nach Be­dürfnissen. Sie wissen, dass die Regierung heute ein ganz starkes Mandat in Europa wahr­zunehmen hat und dass im neuen, größeren Europa jede Bundesregierung mehr gefordert sein wird. Wenn diese Regierung heute deshalb kritisiert wird, weil sie angeblich größer sei als die vorherige, ist dem entgegenzuhalten: Es gab schon größere, das ist Ihnen bereits gesagt worden, das brauche ich Ihnen nicht noch einmal zu erzählen.

Nun ein paar konkrete Dinge: Die Teilung des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen in zwei neue Regierungsstellen macht Sinn, denn der Konsumentenschutz hat heute für uns alle eminente Bedeutung. Ich bin der Überzeugung, dass echte Konsumenten­schutz­politik letzten Endes hier angesiedelt sein muss und nicht in all jenen Organisationen, wo immer sie sich über die Medien melden wollen. Hier muss Konsumentenschutz gemacht wer­den, und hier wird er voll und gut und ganz gemacht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Reheis: Wo „hier“? – Abg. Dr. Jarolim: „Hier“ am Rednerpult?)

Nächster Punkt: Wir werden eine Pensionssicherungsreform machen. Wir haben bereits in den Jahren 1995, 1997 und 2000 Pensionsreformen gemacht. Sie waren alle gut, allerdings zu wenig visionär. Ich weiß es genau: Ihre Frau Minister Hostasch wollte eine viel weiter reichende Entscheidung treffen, aber Sie haben ihr das nicht ermöglicht. Sie waren einfach zu wenig entschlossen, es hat Sie der Mut verlassen. Hostasch wollte das, weil sie gewusst hat, worum es geht. Ich denke, dass wir in der nächsten Zeit gemeinsam etwas machen müssen, wenn wir der nächsten Generation noch Sicherheit anbieten und glaubwürdig in Aussicht stellen wollen.

Wenn wir heute hier ein Bundesministeriengesetz beschließen, das auch für die Gesundheit ein eigenes Regierungsressort vorsieht, dann meine ich, dass Sie mehr tun sollten, als Zwi­schenrufe zu machen. – Das gelingt Ihnen ohnedies nicht gut. – Denken Sie doch einmal daran, wo wir in der Gesundheitspolitik wirklich stehen: Wir stehen nicht vor dem Chaos, aber wir stehen vor sehr schwierigen Entscheidungen. Es ist gut, wenn man dafür genügend Zeit und ein eigenes Ressort mit einer wirklich kompetenten Person hat.

Wir werden uns bemühen, dass wir das, was wir uns vorgenommen haben, in nächster Zeit wirklich auf den Boden bringen und eine gute Politik für dieses Land machen. Dazu laden wir auch die gesamte Opposition ein: Sie sollen kritisch sein, Sie sollen uns kritisch betrachten, Sie sollen uns aber nicht nur immer kritisieren, sondern Sie dürfen auch manchmal gute Vorschläge machen. (Abg. Reheis: Und Sie dürfen unsere Vorschläge auch annehmen!) Wir würden sie gerne hören. (Beifall bei der ÖVP.)

19.13



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10. Sitzung / Seite 153

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Er hat das Wort. (Abg. Dr. Jarolim: Aber Sie bringen es nicht auf den Boden, sondern in den Boden! – Abg. Donabauer – in Richtung des Abg. Dr. Jarolim –: Lieber Kollege! Ihr Schwachsinn ...!)

Bitte, Herr Kollege, das geht nicht! Bitte! (Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.) Also ich gehe davon aus, dass Sie diesen Ausdruck nicht aufrechterhalten, und jetzt gelangt Kollege Öllinger zu Wort.

19.14


Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrte Herren und Damen Präsidenten, Minister, Staatssekretäre – eigentlich sind es nur mehr Herren! Sehr geehrte Damen und Herren im Plenum! Abgeordneter Donabauer hat in seiner erfrischenden Art (Heiterkeit) die Opposition zu attackieren gemeint: Macht doch nur Vorschläge, Vorschläge sind immer erwünscht! Herr Abge­ordneter Donabauer! Fangen wir an mit einem Vorschlag, der sich nicht unmittelbar auf das bezieht, was Sie gesagt haben; dazu komme ich dann später noch.

Ich beginne mit dem, was Kollege Prähauser vorgeschlagen hat. Er hat nämlich einen Antrag eingebracht, man könnte es auch als Vorschlag bezeichnen, einen Vorschlag, der zur Debatte und zur Abstimmung steht. Es ist also keineswegs so, dass die Opposition überhaupt nichts zu sagen hätte. Der Vorschlag bezieht sich auf das leidige Kapitel Entgeltfortzahlung, in diesem Fall von Ministern. Wir schleppen da etwas mit uns herum, mit dem wir nicht ganz glücklich sind. Das betrifft übrigens nicht nur die Entgeltfortzahlung, sondern auch einige andere Punkte im Bezügegesetz – ich will mich dabei nicht aufhalten. Nur so viel als Anmerkung: Morgen haben Sie, hat Ihre Fraktion, Herr Kollege Donabauer, genauso wie alle anderen Fraktionen im Rechnungshofausschuss die Möglichkeit, Vorschläge zur Verbesserung dieser Situation ein­zubringen.

Natürlich kann man das auch mit einem Antrag versuchen, mit dem man das an das Bundes­kanzleramt weiterreicht und verlangt, dass dort irgendwelche Vorschläge ausgearbeitet werden sollen. Der Punkt ist allerdings der, dass wir bei der Entgeltfortzahlung alle wissen, worum es geht, nämlich dass ein Entgelt oder ein Einkommen aus Pacht nicht als Einkommen aus Er­werbstätigkeit angesehen wird und angesehen werden kann und dass sich daraus – genauso wie bei Einkommen aus Kapitalvermögen – die Situation ergibt, dass einige jetzt aus­ge­schiedene Minister, aber auch Abgeordnete sagen: Unsere Einkünfte aus Kapital beziehungs­weise Verpachtung sind keine Einkommen, und daher steht uns die Entgeltfortzahlung zu. Dabei blicke ich ganz besonders in die Reihen der Freiheitlichen Partei, weil sie morgen im Rechnungshofausschuss Vorschläge machen kann, um diese Situation zu verbessern. Und es gibt auch von unserer Seite Vorschläge, Kollege Donabauer.

Jetzt komme ich zu dem, was Sie, Kollege Donabauer, aber nicht nur Sie, sondern auch einige andere Vorredner bereits angesprochen haben, und das betrifft eines der Kapitel der Neu­organisation der Ministerienlandschaft: das Sozialministerium. In diesem Zusammenhang hat mich natürlich die Rede, die der Herr Staatssekretär vorgetragen hat, besonders be­eindruckt, in der er von der Bündelung der Kräfte gesprochen hat, die notwendig sei, allerdings nur dort, wo es um den Terrorismus gehe. Darum müsse das auch im Innenministerium zu­sammengefasst werden.

Herr Staatssekretär! Was wir im Bereich Soziales erleben, ist nicht eine Bündelung, sondern die Entfesselung der Kräfte in diverse Ministerien. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist eine Zersplitterung!) Wie bitte? – Die Splitterung könnte man auch sagen, ja. – Wir hatten ein Sozialministerium, das zeitweise all die Agenden, die jetzt drei Ministerien erfüllen sollen, in sich vereinigte. Das war das alte Sozialministerium, wie es ein alter Recke wie Abgeordneter Donabauer natürlich noch gut kennt. Er ist aber der Meinung, dass jetzt eines nicht mehr genügt – seit 2000 gibt es ja be­reits zwei, nämlich auch das Wirtschaftsministerium, das einen wesentlichen Teil der Agen­den des Sozialministeriums übernommen hat, und zwar das Kapitel Arbeit –, sondern es braucht jetzt noch ein drittes Ministerium: das Ministerium für Gesundheit.


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Und wie begründet Kollege Donabauer das? – Es gebe im Gesundheitsbereich so viele neue Herausforderungen, die es notwendig machten, sie in einem Ministerium, nämlich dem Ge­sundheitsministerium, zu bündeln. Was Kollege Donabauer leider übersieht, ist, dass es Teil des Regierungsübereinkommens ist, dass die Gesundheitspolitik in Zukunft nicht mehr ge­bündelt, sondern noch weiter zersplittert wird, in neun Länder nämlich. Dort sitzen in Zukunft die Gesundheitsminister! Neun Gesundheitsminister und eine Früh­stücksdirektorin als Ge­sundheits­ministerin, die dann keine Aufgaben mehr hat, wenn Ihr Konzept von Länderfonds tat­sächlich umgesetzt wird.

So schaut die Realität Ihrer Sozialpolitik aus! Kollege Donabauer! Ich halte es wirklich für eine kleine Anmaßung, wenn Sie behaupten, die Opposition mache keine Vorschläge. Her mit den Vorschlägen der Opposition! Wir sagen Ihnen, Kollege Donabauer, wenn Sie nur einen Moment zuhören würden – aber macht ja nichts, Sie wissen es ja ohnehin –, dass das die falsche Antwort ist. So kann man die Sozialpolitik tatsächlich nicht reformieren und verbessern. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Und wenn Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, der Meinung sind, dass es den Frauen am Arbeitsmarkt hilft, wenn man das Kapitel Gleichstellung von Frauen am Arbeitsmarkt jetzt in ein Ressort hineinverlegt, das sonst keine Agenden im Bereich der Arbeitsmarktpolitik hat, dann ist das genau das Gleiche.

Was ich Ihnen unterstelle, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungs­parteien, und zwar unabhängig davon, was sich die Freiheitliche Partei dabei gedacht hat, als sie sich das hat gefallen lassen, ist, dass es Absicht ist, dass Sie ganz mit Absicht den nicht unwichtigen Bereich Sozialpolitik auf drei Ministerien, die sich gegenseitig kontrollieren, aber eigentlich nicht beeinflussen können, aufteilen, dass Sie wesentliche Agenden der Sozialpolitik an die Länder weiterreichen – im Bereich der Gesundheit, aber auch im Bereich der Arbeits­marktpolitik, wo Sie ja in Zukunft die NotstandshilfebezieherInnen an die Sozialhilfe weiterleiten wollen, also aussteuern wollen. Das hatten wir ja bereits einmal!

Wenn man das alles sieht, meine sehr geehrten Damen und Herren und Herr Kollege Dona­bauer, dann kann man nicht mehr sagen, dass den Oppositionsparteien der Mut zum Regieren fehle, sondern dann müssen Sie zur Kenntnis nehmen: Es geht nicht um den Mut oder den fehlenden Willen. Derartige Konzepte, wie Sie sie hier auf Ebene der Ministerien, aber auch auf der dahinter liegenden inhaltlichen Ebene in den Bereichen Gesundheit, Arbeitsmarkt und Sozialpolitik ganz im Allgemeinen durchsetzen wollen, die können Sie mit uns sicherlich nicht durchsetzen, und das ist der Grund! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.20


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Bucher. 5 Minuten, soviel ich weiß. – Bitte.

19.21


Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Herr Präsident! Liebe Regierungsmitglieder! Herr Abgeordneter Prähauser, der Entschließungsantrag, den Sie hier eingebracht haben, den hätten Sie sich sparen können, wenn Sie auf Effizienz gesetzt hätten, denn es wäre seriös und einfach gewesen, wenn Sie uns gefragt hätten. Wir hätten Ihnen jede Auskunft erteilt, was die Vergangenheit beziehungsweise Gegenwart des scheidenden Ministers Reichhold betrifft.

Wenn Sie hier die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Bezugsfortzahlung aufwerfen, muss ich Ihnen sagen: Das haben ja Sie selbst mit den Grünen beschlossen! Wir wollen das in Frage stellen, wir erkennen die Sinnhaftigkeit dieser Bezügeregelung nicht und wollen sie eigentlich modernisieren. Gehen Sie mit uns gemeinsam einen neuen, einen intelligenteren Weg in die Zukunft! Darüber können wir gerne diskutieren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf bei der SPÖ.) Machen wir!

Was die Causa Reichhold betrifft, habe ich hier ein amtliches Dokument der Kärntner Landesre­gierung, und ich darf Ihnen das zur Kenntnis bringen – ich zitiere –: Herr Ing. Reichhold erhielt seitens des Landes Kärnten nach den damaligen maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen für die Funktionszeit vom 24. März 1992 bis 6. November 1994 als Landeshauptmann-Stell-


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vertreter eine Fortzahlung der Bezüge für die Dauer von sechs Monaten. Über Wunsch des Herrn Ing. Reichhold erfolgte die Auszahlung nicht auf sein Gehaltskonto, sondern auf das Konto „Bauern in Not“ bei der Raiffeisen-Bezirksbank St. Veit an der Glan. – Zitatende. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich hoffe, das genügt Ihnen – wir haben eine Kopie für Sie vorbereitet. (Abg. Dr. Partik-Pablé – in Richtung SPÖ –: Das sollten Sie einmal nachmachen! – Abg. Wittauer – in Richtung SPÖ –: Reden wir einmal über die von euch, die ausgeschieden sind, da gibt es ja auch ein paar!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, dass die Fragen zur Causa Reichhold damit ausreichend beantwortet wurden, und möchte noch ganz kurz auf die Kompetenz­verteilung im Zuge des Bundesministeriengesetzes eingehen. Ich denke, dass es um eine Fort­entwicklung geht, gespeist aus Erfahrungen, die die Regierungsmitglieder in der Vergangenheit gewonnen haben. Wir in der Wirtschaft würden sagen: das ist ein Update, Herr Kollege Broukal, eine Weiterentwicklung, ein Update, wie wir es in der Wirtschaft in den Führungsetagen verschiedenster Unternehmungen hin und wieder vollziehen, und ich denke, dass das sehr wichtig ist. (Abg. Broukal: Updates sind ...!) Ja, das ist nicht „Modern Times“, das ist Vergan­gen­heitsbewältigung, die Sie betreiben.

Herr Präsident Fischer wies im Ausschuss darauf hin, dass der Bereich Forschung und Forschungskompetenz in der Ressortzuteilung zu wenig vertreten oder berücksichtigt worden sei. Sie haben sicher insofern Recht, als dass die Forschungskompetenz etwas sehr Wichtiges ist, auf das wir auch künftighin nicht verzichten dürfen. Für die Forschung und die Aufgaben im Bereich Forschung und Entwicklung, die Investitionen in Forschung und Entwicklung sind aber ausreichend budgetäre Mittel vorgesehen, sodass es in diesem Bereich in Zukunft zu keinen Schlechterstellungen kommen wird. Was die Forschung betrifft, ist aber eine Bündelung nicht einfach und auch nicht sinnvoll, weil es eine Mehrdimensionalität gibt, die in die Kompetenz­bereiche unterschiedlichster Ministerien hineinreicht, und daher ist der eingeschlagene Weg auch richtig und sinnvoll. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Als Abgeordneter der Tourismuswirtschaft darf ich eine leise Kritik anbringen, was den Wegfall des Staatssekretariats für Tourismus betrifft. Unsere Kollegin Mares Rossmann hat in den letzten Jahren sehr gute Leistungen erbracht, die Signalwirkungen für die österreichische Tou­ris­mus­wirtschaft gehabt haben. Es geht immerhin um eine Million Menschen in unserem Land, die direkt oder indirekt im Tourismus, in der Tourismuswirtschaft beschäftigt sind, und es geht um 17 Prozent des BIP. Das ist der bedeutendste Wirtschaftszweig unseres Landes. (Abg. Eder: Brauchen wir dazu jetzt keinen Staatssekretär mehr?) Ich würde mir wünschen, dass wir gemein­sam – und vielleicht bekommen wir ja dafür auch Unterstützung von Seiten der ÖVP – einen Tourismusausschuss in diesem Haus einrichten, der die Belange des Tourismus in nächster Zukunft sichert. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Broukal: Das ist aber ein Down­sizing!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir ist eine seriöse und größere, aber kompetente Regierung, die Kosten spart, lieber als weniger Regierungsmitglieder, die Kosten verur­sachen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.25


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. Die Uhr ist auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

19.26


Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Das neue Bundes­ministeriengesetz bringt auffälligerweise eine Reihe von Kompetenzverschiebungen vor allem hin zu schwarzen Ministern, und das sicherlich auf Grund des desaströsen Wahlergebnisses der FPÖ. So wird der Bundeskanzler aufgewertet, erhält alle Kompetenzen, inklusive Sport, aus dem völlig abgeschafften Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport, woraus man den Schluss ziehen kann, dass die Arbeit von Frau Vizekanzlerin Riess-Passer in der Ver­gangenheit ziemlich redundant gewesen sein dürfte. – Im Lichte der Ereignisse der letzten Wochen hält sich allerdings der Schmerz einigermaßen in Grenzen.


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Desgleichen gibt es insgesamt zwei Staatssekretäre mehr – von wegen schlanker Staat –, dafür gibt es in der neuen Regierung – mein Vorredner, Herr Bucher, hat das ja bereits ange­schnitten – den Tourismus beziehungsweise die Frau Tourismus-Staatssekretärin nicht mehr, wobei deren Arbeit in der Vergangenheit eher im Verborgenen geblüht hat, was eigentlich schade ist, zumal der Tourismus einen nicht unerheblichen Beitrag zum Sozialprodukt leistet.

Und wie sagte anlässlich der Konstituierung der letzten Bundesregierung der damalige freiheitliche Abgeordnete und Finanzsprecher Trattner? Ich zitiere:

„Wir haben ein Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport geschaffen, damit die Verwaltungsreform endlich vorangetrieben werden kann ..., damit hier endlich einmal begonnen wird, effizient zu arbeiten ...“

Und weiters sagte er – ich zitiere –: „Wir haben auch etwas gemacht, wozu Sie früher immer nur ein Lippenbekenntnis abgegeben haben: Wir haben auch ein Staatssekretariat für Tourismus geschaffen, und zwar deshalb, weil wir es einfach satt gehabt haben, dass wir immer nur in Sonntagsreden davon gehört haben, dass für die Tourismuswirtschaft etwas getan werden soll.“

Da wird einem wirklich warm ums Herz! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Frei­heitlichen.)

Ein wirklich gravierender Fauxpas ist der Regierung jedoch mit der Verschiebung des Unab­hängigen Bundesasylsenats, UBAS, vom Bundeskanzleramt in das Innenministerium passiert. Entgegen dem, was Frau Baumgartner-Gabitzer und Kollegin Partik-Pablé gesagt haben, ist festzuhalten, dass der UBAS 1998 als unabhängige Berufungsbehörde in Angelegenheiten des Asylgesetzes eingerichtet wurde. Der Verein der Mitglieder der Unabhängigen Verwaltungs­senate sagt dazu – ich zitiere –: Der UBAS ist eine auf dem Gebiet des Asylrechts und des Ab­schiebeschutzes auch international allerseits anerkannte rechtsstaatliche Instanz zur Ge­währleistung der Menschenrechte. – Zitatende. Und er wurde nicht zu Unrecht organisatorisch dem Bundeskanzleramt zugeordnet, in der Absicht nämlich, diese Unabhängigkeit auch zu sichern, und so ganz und gar können sich Khol und Kostelka bei der Konstruktion des Gesetzes wohl nicht geirrt haben.

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und der Verfassungsgerichtshof weisen in ihrer ständigen Judikatur stets darauf hin, dass der Anschein der Unabhängigkeit ein ganz bedeutender sei und dass es mit der Bundesverfassung unvereinbar sei, wenn das kontrollierte Organ über budgetäre, personelle oder infrastrukturelle Mittel oder Maßnahmen auf die Be­findlichkeit des Kontrollors Einfluss nehmen könne.

Es geht also um die Atmosphäre, und nun gilt gerade Bundesminister Strasser als ein liberaler Mann. (Abg. Dr. Jarolim: Wer sagt das?) Aber bei einem anderen Innenminister mit ausge­prägten machiavellistischen Neigungen, der beinhart seine eigenen persönlichen und macht­politischen Entscheidungen durchdrücken wollte und nicht nach dem Prinzip der Ausge­wogen­heit verfährt wie Minister Strasser, wäre das schon ein Problem.

Nun wurde auch argumentiert – ich meine, ÖVP-Generalsekretär Lopatka hat das gesagt –, dass die Eingliederung des UBAS ins Innenressort zu einer Vereinfachung und Verkürzung der Asylverfahren führen würde und dass es deutliche Synergieeffekte geben würde. (Abg. Freund: Stimmt!) Das ist alles kein Problem, weil Minister Strasser bekanntlich ein sehr liberaler Mann ist. Aber wenn es einen Innenminister mit ausgeprägt machiavellistischen Neigungen geben würde, der seine strukturpolitischen Vorstellungen mit der, wie es in Floskeln heißt, „vorüber­gehenden anderen Verwendung“ von Mitarbeitern durchsetzen würde, der höchstrangige Beamte unter dem Vorwand von Reformen in subalterne Abteilungen relegierte, dann wäre die ganze Geschichte schon ein Problem.

So sagt der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes: Ich sehe das sehr kritisch. Man hat den Bundesasylsenat aus guten Gründen im Bundeskanzleramt eingerichtet, um eine gewisse Distanz zu schaffen.


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Weiters sagt er zur Frage der Verkürzung der Verfahren, dass er das durchaus skeptisch sehe, weil dann Asylwerber in einem Kurzverfahren ohne Berufungsmöglichkeit sofort zurückge­wiesen werden könnten. Dann könnten alle Betroffenen am Ende beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde führen, was den Verwaltungsgerichtshof völlig lahm legen würde. – So viel zum Herrn Verwaltungsgerichtshofpräsidenten und so viel zum Herrn Generalsekretär Lopatka.

Der Verein der österreichischen Verwaltungsrichter sagt, dass die Einrichtung des Unab­hängigen Bundesasylsenates zu einer beträchtlichen Verbesserung der Qualität der Berufungs­entscheidungen in Asylsachen geführt hat.

Nun wäre das alles kein besonderes Problem, denn Bundesminister Strasser ist, wie wir alle wissen, ein liberaler Mann. Aber wenn es einen anderen Bundesminister mit ausgeprägten machiavellistischen Neigungen gäbe, der zum Beispiel bei Reformen Sektionen gründet und sie dann wieder auflöst, der zum neuen Leiter der Asylabteilung einen Menschen bestellt, der angeblich die Folter als verhältnismäßig geringe vorübergehende Beeinträchtigung bezeichnet haben soll – ich weiß nicht, ob das Zitat stimmt –, dann wäre das vermutlich schon ein Problem, denn oft geht es bei Flüchtlingen wirklich um Leben und Tod. Daher wird mit allen Rechtsmitteln gegen Entscheidungen gekämpft und daher ist auch jeder atmosphärische Schein von Verletzung der Unabhängigkeit zu vermeiden.

Das ist alles nicht so schlimm. Man muss nichts befürchten, denn Bundesminister Strasser ist, wie wir alle wissen, ein sehr liberaler Mann. (Abg. Walch: Das wissen wir jetzt schon!) Aber wenn es einen anderen Bundesminister mit ausgeprägten machiavellistischen Neigungen gäbe, der durch kühne Organisationsreformen fast alle Führungspositionen neu ausschreiben lässt (Abg. Eder: Schüssel zum Beispiel!), um ihm genehme oder willfährige Beamte zu installieren, dann wäre das schon ein Problem. (Abg. Dr. Baumgartner-Gabitzer: Das ist immer ein Pro­blem!) Da hilft es auch nichts, wenn der ÖVP-Sicherheitssprecher Kiss – wo ist der eigentlich? (Abg. Eder: Der ist schon weg!) – dem Herrn Minister sekundiert, es bringe dem Bürger nichts, wenn einige hundert Beamte hinter Aktenbergen verschwinden.

Wenn also unter dem Vorwand von Strukturreformen ein munteres Köpferollen eingeleitet wird, dann ist auch für den Unabhängigen Bundesasylsenat präventiv Wachsamkeit geboten, vor allem dann, wenn es einmal einen Innenminister mit ausgeprägten machiavellistischen Neigun­gen gibt und nicht einen liberalen Mann wie Herrn Bundesminister Strasser. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher bringen die Abgeordneten Stoisits, Cap, Wittmann und Posch folgenden Abänderungs­antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Stoisits, Dr. Cap, Dr. Wittmann, Mag. Posch betreffend den Gesetzes­antrag im Bericht des Verfassungsausschusses (Nr. 30 der Beilagen) über den Antrag 69/A der Abgeordneten Mag. Molterer, Scheibner und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (Bundesministeriengesetz-Novelle 2003)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

In Ziffer 14 entfällt nach dem Wort „Flüchtlingswesen“ der Beistrich und die Wortfolge „Angele­gen­heiten des Unabhängigen Bundesasylsenates“.

*****

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.33


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag zum Thema „Unabhängiger Bundes­asylsenat“ ist ordnungsgemäß unterstützt und steht in Verhandlung.


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Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Roderich Regler. – Bitte, Herr Kollege, Sie haben das Wort. Gleiche Redezeit.

19.34


Abgeordneter Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Schon bei der Regierungserklärung habe ich mir so meine Gedanken gemacht, wieso seitens der Sozialdemokratie die Freiheitlichen so bedauert worden sind. Vor drei Jahren hat sich das noch ganz anders angehört. Da klang heraus, man hatte Angst um jene Agenden, die von Ministern der FPÖ übernommen werden, und jetzt auf einmal sind es Ihnen zu wenig Agenden, die die Minister der FPÖ haben! (Abg. Scheibner: Da sehen Sie, wie gut wir gearbeitet haben!) Das ist einfach nicht stimmig.

Aus meiner Sicht hat Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel der FPÖ, dem Koalitionspartner, ein faires Angebot gemacht. Bei einem Wählerstimmenverhältnis von 42 zu 10 Prozent ist es bei einer Aufteilung von insgesamt zwölf Bundesministerien einschließlich Bundeskanzleramt auf neun zu drei und bei den Staatssekretären von drei zu drei sicherlich nicht unfair zuge­gangen, sodass man wirklich sagen kann, es ist eine gute Voraussetzung für eine Koalition.

Das Bundesministeriengesetz ist aber nicht nur die Organisation der Bundesregierung, sondern es zeigt auch immer ein bisschen politische Geschichte, politische Kultur. Wenn man an die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg denkt, war es unbedingt notwendig, überall eine Doppelkompetenz zu haben, denn man musste ja aufpassen, dass der Koalitionspartner nicht etwas Böses macht (Abg. Eder: Das macht ihr jetzt auch so!), und durch die Doppelkompetenzen hat man das damals eben vermieden.

In der Zwischenzeit ist man in den Zeiten der Alleinregierung draufgekommen, dass auch Bun­desminister in sich selbst koordinieren können. Wenn wir also heute – historisch nachdenkend – zum Beispiel den Straßenverkehr im Verkehrsministerium haben und wissen, dass dieser lange Zeit im Wirtschaftsministerium war, weil man dem Eisenbahnminister nicht getraut hat (Abg. Eder: Jetzt sitzt der Kukacka beim Verkehrsminister und passt auf, und der Finz passt beim Finanzminister auf!), oder wenn wir bedenken, dass zum Beispiel der Straßenbau erst vor drei Jahren ins Verkehrsministerium gewandert ist, so sieht man, dass wir einen sehr, sehr großen Fortschritt gemacht haben. Es werden weiterhin Straßen gebaut, der Verkehrsminister hat nicht den ganzen Straßenverkehr lahm gelegt. Ich glaube also, es ist sehr gut, wenn man zu einer Kon­zentration kommt.

Es ist schon gesagt worden, dass Wirtschaft und Arbeit zusammengefasst worden sind, dass auch unsere Landschaftspfleger, die Bauern, mit der Umwelt in einem Ressort sind. Das hat sich nicht negativ ausgewirkt, sondern ist wirklich sehr positiv. Darum habe ich auch vor all diesen Zusammenlegungen keine Angst.

Besonders Angst haben Sie offenbar um den UBAS, um den Unabhängigen Bundesasylsenat. Da möchte ich zunächst einmal herzlich für das Lob für unseren liberalen Innenminister Dr. Strasser danken. Er ist auch in Zeitungen für viele seiner Aktivitäten, insbesondere in Fragen des Flüchtlingswesens, sehr gelobt worden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wenn Sie Angst haben, dass der UBAS keine entsprechende Ausstattung bekommt, so möchte ich zwei Punkte anführen, die für mich als langjährigen Landespolitiker in Wien ganz sympto­matisch sind. Nehmen Sie die Unabhängigen Verwaltungssenate. Die steigen den Landes­regie­rungen und den Landesbehörden doch ununterbrochen ordentlich auf die Zehen. Welche Landes­regierung und welcher Landtag hat ihnen das Geld abgedreht, hat ihnen kein Personal und keine Räume zur Verfügung gestellt? Die Kontrolle funktioniert trotzdem.

Oder: Angelegenheiten des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes ressortieren ins Bundeskanzleramt. Werden die vom Bundeskanzler ausgehungert, damit Ge­setze nicht überprüft oder aufgehoben werden? – Also wir brauchen hier wirklich keine Angst zu haben.


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Eine wichtige neue Angelegenheit in diesem Bundesministeriengesetz ist für mich, dass die Erlassung von Verordnungen, die bisher der Bundesregierung zukam, von dieser an einzelne Minister delegiert werden kann. Es ist das eigentlich ein Appell an uns selbst. Ich habe mich immer wieder gewundert, dass, wenn Gesetze beschlossen worden sind, die Vollziehung und vor allem die Erlassung der Verordnungen an die Bundesregierung gegangen ist. Nehmen wir zum Beispiel die Infrastruktur: Man wollte, dass der Verkehrsminister bei allen Dingen, die Geld kosten, auch im Einvernehmen mit dem Finanzminister handelt. Da muss ich das nicht an die ganze Bundesregierung delegieren, sondern da sage ich einfach: Der Verkehrsminister erlässt die Verordnung im Einvernehmen mit dem Finanzminister. Und das soll jetzt, da wir zu viele Kompetenzen für die ganze Bundesregierung geschaffen haben, wieder an die einzelnen Minister delegiert werden. Das halte ich für eine sehr interessante Sache.

Zwei kleine Punkte, die Kompetenzbereinigungen oder Klarstellungen sind: Dass bei der Schifffahrtspolizei nur der Wachkörper ins Innenministerium wandert, ist sicher sinnvoll. Das Ver­kehrsressort, das für die internationalen Abkommen im Verkehrsbereich, also für die Schiff­fahrtszeichen et cetera, zuständig ist, soll nämlich weiterhin für die Ausschilderung und für die ganze Schifffahrtsordnung zuständig sein.

Wichtig erscheint mir auch, dass klargestellt ist, dass Angelegenheiten der Studentenmensen ins Wissenschafts- und Bildungsministerium fallen. Das ist durch eine Änderung vor einigen Jahren nicht mehr so klar gewesen. Da wir aber alle wissen, dass sich Studentenmensen zum Beispiel auch in Studentenheimen befinden, stellte sich dann die Frage: Darf die Ministerin überhaupt Subventionen dorthin leiten?

Ein letzter Punkt: Forschung und Entwicklung. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wahr­scheinlich wissen alle, die selbst in diesem Bereich tätig waren – ich war selbst einmal Ge­schäftsführer einer Forschungsgesellschaft –, um die diffizile Balance zwischen der gewerb­lichen und der wissenschaftlichen Forschung. Das lässt es auch gar nicht so einfach zu, dass man sagt, die werden in einen Topf geschmissen. Dennoch bin ich sicher, dass sich diese Regie­rung trotz der Zuständigkeit von drei Ministerien, die wir derzeit haben, bemühen wird, eine Koordination aller Forschungsagenden herbeizuführen, denn für die Forschung ist insbe­sondere auch eines wichtig: dass sie eine entsprechend hohe Dotierung hat. Und hier vertraue ich eigentlich auf das Doppelbudget, das wir bald beschließen werden, dass im heurigen Jahr und im nächsten Jahr ausreichend Geld für die Forschung in Österreich zur Verfügung stehen wird. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.41


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte, Frau Kollegin.

19.41


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar vecer, poštovane dame i gospode! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Staatssekretäre! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Menschenrechtsbeirat, der den Herrn Bundesminister für Inneres in menschen­rechtlichen Angelegenheiten zur Seite steht und ihn berät, wurde im Jahr 1990 – damals unter Innenminister Schlögl – eingerichtet, und zwar nach dem tragischen Tod von Marcus Omofuma anlässlich eines Abschiebeversuches nach Nigeria.

Dieser Menschrechtsbeirat hat seither sowohl als Beirat als auch in den Kommissionen in Österreich eine rege Tätigkeit entfaltet. Er kontrolliert vor allem – und das ist auch sein Auf­trag – polizeiliche Einrichtungen, geht unangemeldet hin und schaut, wie es die österreichische Sicherheitsexekutive mit den Menschenrechten hält. Er legt darüber dem Herrn Bundesminister für Inneres auch Berichte – er ist, wie ich hier anmerken möchte, nicht dem Nationalrat be­richtspflichtig –, und der Herr Bundesminister für Inneres erwähnt diese umfangreichen Berichte des Menschenrechtsbeirates so en passant im Sicherheitsbericht. Es wäre eine Anregung an die Menschenrechtsbewegten in der Koalition – die Opposition ist selbstredend natürlich von dieser Idee sehr angetan –, diese Berichtspflicht auch auf das Parlament oder auf den Natio­nalrat auszudehnen.


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Meine Damen und Herren! Dieser Menschenrechtsbeirat hat drei Jahre lang erfolgreich ge­arbeitet, dann kam er in die Lage – und jetzt möchte ich anknüpfen an das, wie Kollege Posch unseren Herrn Innenminister geschildert hat, ohne seine Ausführungen näher zu kommentieren; ob sie jetzt ironisch gemeint waren oder nicht, darüber mag sich jeder sein eigenes Bild machen –, dass die Verträge für die Kommissionsmitglieder ausgelaufen sind. Und dann hat das zugeschlagen, was Herr Kollege Posch so treffend geschildert hat: dass es unserem Herrn Bundesminister für Inneres gänzlich fremd ist, irgendwelche Überlegungen anzustellen über Menschen, die abhängig von einem sind – in dem Fall die Kommissionsmitglieder des Menschen­rechtsbeirates – in ihrer Tätigkeit, sprich Entlohnung oder Entschädigung für den Aufwand, den sie treiben.

Ich wäre völlig daneben, wenn ich meinte, dass die Tatsache, wie man da vorgeht, etwas mit der Intention und der Arbeit zu tun haben könnte. Da hat der Herr Minister gezeigt, wie er es mit jenen hält, die es wagen, ihn – jetzt nicht ihn als Person, sondern ihn als obersten Herrn der Sicherheitsexekutive Österreichs – zu kritisieren, wiewohl eigentlich der gesetzliche Auftrag jener wäre, ihm Vorschläge zu machen. Er hat im Zusammenhang mit der Verlängerung dieser Verträge über Wochen ein Spiel getrieben, das noch immer nicht zu Ende ist, und hat damit die Arbeit dieses Beirates gänzlich entwertet.

Ich schildere Ihnen das jetzt, weil im Zusammenhang mit dem UBAS Ähnliches passiert, wenn­gleich auf einer völlig anderen gesetzlichen Ebene, denn der Unabhängige Bundesasylsenat ist eine unabhängige Einrichtung. Er ist deshalb eine unabhängige Einrichtung, und das unter­scheidet all jene, die sich bisher dazu geäußert haben und die offensichtlich – ich will ihnen jetzt nicht unterstellen, dass sie die Geschichte des UBAS nicht kennen – nicht bedenken, warum es den UBAS überhaupt gibt (Abg. Dr. Jarolim: Das kann man ruhig unterstellen!), denn bis zum Jahre 1997 hatten wir in Österreich die kuriose Situation, dass die zweite Instanz im Asyl­verfahren in genau jenem Ressort lag, wo auch die erste Instanz vorher die Entscheidungen innehatte, nämlich im Innenministerium. Da hat man im Zimmer links am Gang die Bescheide ge­macht, und im Zimmer auf der Visavis-Seite rechts am Gang hat man dann in der Instanz darüber entschieden, ob das korrekt war oder nicht.

Dieser Missstand wurde mit der Einrichtung des Unabhängigen Bundesasylsenates abgestellt. Damals – ich kann mich gut daran erinnern, wie die Diskussion geführt wurde; die Grünen haben dieser Einrichtung damals mit Freude zugestimmt, und ich glaube mich zu erinnern, dass das eine einhellige Entscheidung des Nationalrates war; damals waren die Freiheitlichen auch noch in Opposition – ist nicht einmal in Ansätzen irgendwo der Gedanke aufgetaucht, ge­schweige denn verbalisiert worden, dass man, wenn man so will, die Personal- und die Finanz­hoheit im Innenministerium belässt. Denn – und das ist der Schlüssel zu diesem Problem – diese ganze Frage der Anscheinsunabhängigkeit – Juristen und Juristinnen unter Ihnen wie der Frau Dr. Baumgartner-Gubitzer (Rufe bei der ÖVP: Gabitzer!) wird das wohl etwas sagen –, das ist der Punkt, das ist der – ich würde jetzt sagen: hoffentlich nie – Skandal, aber er könnte zum Skandal werden, wenn diese Anscheinsunabhängigkeit nicht mehr gewahrt ist. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Erfahrungen mit dem Herrn Bundesminister für Inneres in den letzten drei Jahren könnten mich nie dazu bringen, so viel Ironie an den Tag zu legen wie der Kollege Posch, denn ich bin ein bisschen ein anderer Typ und hier auch viel emotionaler. Das, was ich mit ihm erlebt habe an kaltschnäuzigem Vorgehen im Zusammenhang mit dem Elend, das gerade Flüchtlin­gen in Österreich widerfährt, das lässt mich Böses ahnen. Deshalb wehren wir uns mit Worten und auch mit Taten im Sinne eines Abänderungsantrages so sehr gegen diese Vorgangsweise.

Ich frage mich – niemand hat hier auch nur einen Satz der Begründung dafür gesagt, und wenn Sie, Herr Staatssekretär Morak, jetzt in Ihrer Eigenschaft als Bundeskanzler da sitzen ... (Zwischenruf bei den Grünen, weil das Licht am Rednerpult bereits leuchtet.) Ich weiß, dass meine Zeit um ist, aber noch nicht ganz, sondern ...


Präsident Dr. Heinz Fischer: Es ist eine freiwillige Redezeit.



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10. Sitzung / Seite 161

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Mein Ordner mahnt mich, aber das ist mir eine wesentliche Sache. Herr Staatssekretär, Sie haben meiner Ansicht nach die Pflicht, es hier zu begründen, denn die Kritik an dieser Maßnahme ist nicht eine Kritik, die die Opposition im Parlament übt, sondern auch die österreichische NGO-Szene und die geballten Organisationen, die sich mit Flüchtlingsarbeit befassen – und die sind unmittelbar betroffen auch von der positiven Tätigkeit des UBAS –, haben diese Maßnahme kritisiert.

Deshalb, Herr Staatssekretär, warte ich geradezu darauf, dass Sie uns erläutern, was der Hintergrund ist, denn es wird sich – hoffentlich, sage ich jetzt in meinem noch tiefen Glauben an die Rechtsstaatlichkeit in Österreich – nicht bewahrheiten, dass man in der Art und Weise Pression ausübt, dass man mit der Ressourcenverteilung inhaltliche Politik macht. Es ist nun einmal so, dass kontrollierende Instanzen von kontrollierten Organen unabhängig zu sein ha­ben. Die Unabhängigkeit ist nicht gewährleistet, wenn man davon abhängig ist, ob man die Schreibkräfte kriegt, damit man die Arbeit machen kann, ob man genügend Personal hat, ob die infrastrukturellen Voraussetzungen gewährleistet sind.

Ich habe das Vertrauen zum Herrn Minister Strasser schlicht und einfach nicht. Ich habe es aus der Erfahrung nicht, aus der Erfahrung seines Umganges mit der Problematik. Sie interessiert ihn schlichtweg – nicht, sage ich nicht – zu wenig. Deshalb bitte ich Sie in Stellvertretung des Bundeskanzlers, uns zu erläutern, was die wahren Intentionen sind. Denn diese wirklich kolli­dierenden Interessen, um die es da geht, hier im Parlament zu erläutern, das wollen Sie doch nicht der Frau Dr. Partik-Pablé überlassen.

Wenn Sie, Herr Staatssekretär, einmal so weit gekommen sind, dann ist es für Menschenrechte und Menschlichkeit schon sehr weit fortgeschritten – im negativen Sinn. Darf ich Ihnen das aus der guten Erfahrung unserer Zusammenarbeit im Menschenrechtsausschuss in aller Freund­schaft sagen. (Beifall bei den Grünen.)

19.50


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Klubobmann Scheibner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.50


Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Zunächst einige kurze Bemerkungen zu den Vorrednern. Zum einen überrascht es mich, aber es freut mich durchaus, dass sich die Abgeordneten der sozialde­mokratischen Fraktion um die Einflussmöglichkeiten der Freiheitlichen in der neuen Bundes­regierung auf Grund der Kompetenzverteilung Sorgen machen. – So schlecht dürfte die frei­heitliche Arbeit in den letzten drei Jahren also nicht gewesen sein, denn sonst würden Sie sich heute nicht wünschen, dass wir mehr Ressorts mit mehr Kompetenzen besetzen können! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Glauben Sie mir – diesbezüglich bin ich ausnahmsweise mit Ihnen einer Meinung –: Ich hätte mir auch gewünscht, dass wir mehr Ressorts besetzen können und mehr Kompetenzen haben, weil ich überzeugt bin, dass wir auch in Zukunft gute Arbeit für Österreich und für die öster­reichische Bevölkerung leisten können! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich muss an dieser Stelle selbstkritisch feststellen, dass durchaus auch durch unser eigenes Verschulden der Wähler uns leider nicht mehr Stärke hier im Parlament und damit auch nicht in der österreichischen Bun­desregierung gegeben hat.

Wir werden aber selbstverständlich auch mit den Möglichkeiten, die wir jetzt haben, unter Beweis stellen, dass das Vertrauen, das auch Sie anscheinend in den letzten drei Jahren in unsere Regierungsarbeit gesetzt haben, gerechtfertigt ist und wir nach den nächsten Wahlen wieder mit der Stärke in einer künftigen Bundesregierung sein werden, die Sie von uns erwarten und die Sie sich erhoffen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ihre Vorschläge betreffend Bezüge und Privilegien hören wir uns gerne an. Im konkreten Fall hat Abgeordneter Bucher zu Ihrem Entschließungsantrag ja schon


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eine klare Antwort gegeben. Auch Sie sind, wenn Sie es ernst meinen, eingeladen, es Reichhold und Riess gleich zu tun und Abfertigungen, auf die man nicht verzichten kann, zu spenden und eine wirklich sinnvolle Neuregelung in diesem Bereich zu diskutieren, aber nicht nur im Bezügebereich, sondern insgesamt für Politiker auf Bundes‑ und Landesebene, aber auch etwa im Bereich der Sozialversicherungen, der Kammern und der Interessenverbände.

Es geht in diesem Zusammenhang auch um Verfassungsbestimmungen, und dafür ist der Verfassungskonvent sicherlich der richtige Ort. Aber da darf es kein Augenzwinkern geben, meine Damen und Herren, denn Ihre Vorschläge wurden ja bereits in Gesetzesform gegossen. Das haben Sie ja mit beschlossen! Jetzt geht es darum, dass wir möglichst alle gemeinsam in den nächsten Wochen und Monaten eine sinnvolle, vernünftige Regelung diskutieren, denn da geht es ja auch um Verfassungsgesetze. Diese Diskussion muss abseits von merkwürdigen parteipolitischen Versuchen, irgendetwas ins Gespräch zu bringen, ablaufen. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Kummerer.)

Ich auch nicht, lieber Kollege, denn ich hatte die Wahl, mich für eine Politikerpension zu entscheiden. Ich habe mich dagegen entschieden, und ich hoffe, dass sich alle anderen auch so entschieden haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein letzter Punkt: Ich spreche jetzt von einer Neuerung beziehungsweise einer Kompetenz-Neuordnung durch das Bundesministeriengesetz, welche die Zusammenlegung der Exekutiv­körper und die Kompetenzverschiebung der Zollwache ins Innenministerium zum Inhalt hat.

Grundsätzlich ist das eine sinnvolle und positive Maßnahme. Einiges werden wir in den nächsten Verhandlungen hier natürlich noch zu besprechen und durchzusetzen haben. Ich hoffe, dass im Zuge dieser Maßnahme etwa durch die Zollwachebeamten, die jetzt zum Innen­ministerium gehören werden, die Grenzsicherung, solange sie notwendig ist, verstärkt wird, dort, wo es derzeit nicht möglich ist, diese wichtige Aufgabe mit Kräften des österreichischen Bundesheeres zu übernehmen. Ich hoffe aber, dass nicht geplant ist, dass durch diese neuen Beamten im Innenministerium der so erfolgreich verlaufende Einsatz des öster­reichischen Bundesheeres reduziert oder beendet wird! Ich möchte nämlich daran erinnern, dass wir im vorigen Jahr eine Erhebung durch das Bundesministerium für öffentliche Leistungen durchgeführt haben und dabei eindeutig festgehalten wurde, dass niemand anderer in Österreich diesen Einsatz so kostengünstig und so effizient durchführen kann.

Wir wissen aber auch, dass es Landeshauptleute gibt, die zu Recht eine Erweiterung dieser Einsätze und dieser effizienten Grenzraumsicherung verlangen, und ich glaube, dass im Hinblick auf dieses Verlangen auch im Sinne der Sicherheitsinteressen der Österreicher diese Kompetenz-Zusammenführung im Innenministerium und das Mehr an Dienstposten für diesen Zweck in Anspruch genommen wird.

Ich hoffe, dass auch die Intentionen der Österreichischen Volkspartei in diese Richtung gehen. Das wäre nämlich ein wichtiger Beitrag für die Stärkung der Sicherheit in unserem Land, vor allem in der Ostregion. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.55


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Abgeordneter Peter Marizzi. 5 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Kollege.

19.55


Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Natürlich ist es Tradition, dass jede neue Bundesre­gierung neue Strukturen und neue Kompetenzen schafft, Ressortveränderungen vornimmt und Aufgaben neu und sinnvoll verteilt.

Im Hinblick darauf kann es natürlich auch unterschiedliche Meinungen geben, und ich glaube, dass es, wenn man unterschiedliche Meinungen hat, sich nicht unbedingt um Polemik handeln muss, wie Sie festgestellt haben, sondern auch um Kritik.


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Herr Staatssekretär Morak! Sie haben den Krieg und die gegenwärtigen kriegerischen Aus­einandersetzungen im Irak angesprochen. – Natürlich ist auch die Neutralität eine wichtige Fra­ge im Zusammenhang mit der Kompetenz einer Bundesregierung. Hiebei geht es aber natür­lich – ich will jetzt nicht polemisieren! – weder um Süßigkeiten noch darum, Pferde zu strapa­zieren, sondern es geht bei der Frage der Kompetenz dieser Bundesregierung einzig und allein darum, dass die Neutralität nicht in Frage gestellt wird! Für die Frage der Neutralität hat nämlich, wie wir alle wissen, ausschließlich das österreichische Volk Kompetenz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn beklagt wurde, dass es kein Staatssekretariat für Tourismus gibt – ich wende mich jetzt an Herrn Kollegen Josef Bucher –, dann hätten Sie das eben durchsetzen müssen! Wenn ein Bereich, der 17 Prozent des BIP ausmacht, in einer Bundesregierung nicht ver­treten ist – und ich glaube, dass der Tourismus wirklich ein wesentlicher wirtschaftlicher Faktor ist –, dann könnten Sie zum Beispiel verlangen, dass Herr Staatssekretär Schweitzer die Tourismusaufgaben wahrnimmt. – Das wäre ein konstruktiver Vorschlag, weil Sie immer sagen, wir polemisieren nur!

Folgendes ist mir auch wesentlich: Der Bundeskanzler hat gemeint, dass ein wirkliches Herzstück seines Zehn-Punkte-Programms – so hat er wortwörtlich gesagt – die Bündelung der Forschungsaktivitäten ist. Ich frage nun: Was bleibt davon übrig? – Es wurde heute schon gesagt, ich brauche es jetzt nicht im Detail zu wiederholen: Gorbach, Bartenstein, Gehrer und Grasser.

Ich bringe dazu jetzt eine vielleicht etwas pointierte Anmerkung: Stellen Sie sich vor, Herr Kollege Donabauer, dass Armin Assinger in der „Millionenshow“ fragt: Wer ist eigentlich der Forschungsminister in Österreich: Gorbach, Gehrer, Bartenstein oder Grasser? – Keine Antwort würde stimmen! Man müsste sagen: Alle!

Genau bei dieser wichtigen Frage der Forschung haben Sie versagt! Wir meinen, dass das eine der wesentlichsten Zukunftsfragen ist, und genau bei der wesentlichen Zukunftsfrage der Bün­delung der Forschung haben Sie versagt! Ich könnte Ihnen jetzt 20 Kommentare von Persön­lichkeiten in dieser Republik vorlesen, die sich darüber mokiert haben, was diese Bundesre­gierung mit den Forschungsagenden gemacht hat! Einer hat sogar behauptet, dass diese sogar auf fünf Ministerien verteilt sind. Ich meine, nur vier sind damit beschäftigt. Es wurde gesagt, dass diese Lösung suboptimal ist und so weiter und so weiter.

Wenn man Manager aus wirklich renom­mierten Unternehmungen, die sich hauptsächlich mit Forschung beschäftigen, wie etwa den Vorstandsvorsitzenden der AT&S Willi Dörflinger, zitiert, der meint, dass die Bundesregierung die Forschung vernachlässigt, dann wird offenbar, dass man genau auf diese Zukunftsthemen wirklich keine Rücksicht genommen hat! Vielmehr haben Sie alles sehr nett aufgeteilt und geschaut, dass alle dabei etwas zu reden haben! Wir alle wissen aber ganz genau, dass in dem großen Beamtenapparat wahrscheinlich allein auf Grund der Kompetenzen der Ministerien einiges untergeht. (Zwischenruf des Abg. Nürnberger.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich mache mir auch keine Sorgen um die FPÖ! Die FPÖ hätte sich in diesen Regierungsverhandlungen eigentlich durchsetzen sollen! Die FPÖ hat den Finanzminister verloren, sie hat den Verteidigungsminister verloren, sie hat bei den Beamten und beim Konsumentenschutz keine Kompetenz mehr!

Wenn Sie gesagt haben, dass all das eigentlich nur von der SPÖ kommt, dann lesen Sie bitte das letzte „News“! Frau Kollegin Partik-Pablé hat gemeint, dass wir das Gras wachsen hören. – Frau Kollegin! Im „News“ steht allerdings, dass der Herr Landeshauptmann von Kärnten sagt: „Das ist nicht mehr meine FPÖ.“ (Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger.)

Außerdem sollten Sie, wenn es um die „Kompetenzverteilung neu“ geht, auch den heutigen Leitartikel des Chefredakteurs einer der größten Bundesländerzeitungen durchlesen, der wie folgt übertitelt ist: „Kompetenzverteilung neu: Ein großer Wurf ist das nicht. Die Regierungs­bildung zwischen Anspruch und Wirklichkeit.“


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Und dann erwähnt er – mir geht leider die Zeit aus –, dass die Landeshauptleute ihre Emissäre beziehungsweise Verwandten in diese Bundesregierung schicken durften, damit in dieser Regierung nichts von ihnen Ungewolltes passiert. – Das ist eigentlich die Neustrukturierung und die neue Kompetenzverteilung dieser Bundesregierung! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.01


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Grander. – Bitte.

20.01


Abgeordnete Maria Grander (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Staats­sekretäre! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich halte heute meine erste Rede hier im Nationalrat. Ich habe schon etwas Fuß gefasst, denn ich bin seit 1999 im Bundesrat, also nicht mehr ganz frisch in diesem Metier.

Mir sind der Gesundheitsbereich und der Pflegebereich ein ganz großes Anliegen. Das sind meine Professionen. Ich arbeite in diesem Bereich seit über 30 Jahren. Und ich meine, hier soll viel geschehen!

Gesund zu sein, ist, wie wir wissen, ein wichtiger Wunsch der Menschen. Jeder von uns wünscht anderen zu bestimmten Anlässen Gesundheit, und jeder wünscht sie sich auch selbst. Es ist dies ein elementares Grundbedürfnis der Menschen. Im Gesundheitsministerium sind alle Agenden des Gesundheitswesens zusammengefasst. Erstmals befinden sich der Spitalsbereich und der niedergelassene Bereich in einer Hand. Diesbezüglich hat es ja immer wieder Kritik hinsichtlich der Zuständigkeit, ob Kasse oder Ministerium, gegeben. (Präsident Dipl.-Ing. Prinz­horn übernimmt den Vorsitz.)

Wir brauchen in der Gesundheitspolitik endlich ein integriertes Reformkonzept, das von den richtigen Prinzipien und Zielen geleitet ist und Vertrauen erzeugen kann, sowie größtmögliche Effizienz der finanziellen Mittel und Strukturen im Gesundheitsbereich. Das muss ganz im Vordergrund stehen.

Ein zeitgemäßes, erstklassiges Gesundheitssystem muss für den Menschen Folgendes erfül­len: Wenn er krank ist, muss er sich auf den sicheren Schutz der Solidargemeinschaft in Form eines hochwertigen und effizienten Gesundheitssystems verlassen können. Wer gesund ist, wieder gesund geworden ist oder bedingt gesund ist – denn es ist ja nicht immer so, dass man, wenn man krank war, dann wirklich wieder ganz gesund wird –, soll unterstützt und dazu aktiviert werden, Krankheiten vorzubeugen und seine Gesundheit nachhaltig zu sichern.

Ich spreche jetzt das große Thema Diabetes an: Ich weiß, dass ich mit meiner Diabetes leben müssen werde und weiterhin an Diabetikerschulungen und so weiter teilnehmen muss, um trotz meiner Erkrankung möglichst lange gesund zu bleiben. Es ist nachgewiesen, dass das sehr unkompliziert geht, wenn jemand seinen Teil als Patient beziehungsweise Mensch dazu beiträgt.

71,6 Prozent der Bevölkerung sind mit der Gesundheitsvorsorge in Österreich sehr zufrieden. All das ist eine Leistung der Frauen und Männer, die in den Einrichtungen des Gesund­heits­systems arbeiten. Ich möchte jetzt speziell die Gruppe der Pflegepersonen und Ärzte erwähnen. Im Gesundheitssystem und in Krankenhäusern braucht man wirklich alle, von den Abtei­lungs­hilfen bis zum Arzt und zur Verwaltung, damit alles im Sinne der Menschen, die zu uns kommen und von uns Leistungen brauchen, gut funktioniert.

Die Menschen, die dort arbeiten und ihre Leistung erbringen, verdienen unsere Anerkennung. Soweit ich mich erinnern kann – und ich war auch zehn Jahre lang in der Lehre im Bereich der Krankenpflege tätig –, stand als Leitbild immer der Mensch im Mittelpunkt. Auf mündige Patienten wurde stets Wert gelegt, und auch darauf, dass diese gefördert werden.

Um den großen Bedarf an Pflegeleistungen zu decken und die Entwicklung nötiger Versor­gungsstrukturen zu ermöglichen, muss in Österreich eine ausreichende Anzahl von Pflege-


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personen ausgebildet werden, die ein Bildungsniveau haben, das den jeweiligen Aufgaben ent­spricht. Je nach ihrem Einsatz muss die Pflegeperson eine adäquate Ausbildung haben, vom Pflegehelfer hin bis zu den Diplomierten, und auch dem Wunsch nach einem universitären Zu­gang soll Rechnung getragen werden. Wir brauchen ein modulares Ausbildungssystem für die Pflegeberufe. Die Modelle der mehrstufigen Ausbildung sind sinnvoll. Es muss die Möglichkeit geschaffen werden, dass sich das Pflegepersonal weiterbilden kann. Es muss Umstiegs­mög­lichkeiten geben. Heute kann niemand mehr, so wie meine Generation, in der Pflege anfangen und dann über 30 Jahre dort bleiben. Es muss etwa auch die Möglichkeit geben, vom extra­muralen Bereich in den Spitalsbereich oder in die Gesundheitsvorsorge zu wechseln.

Besonders wichtig ist das letzte Modul, die universitäre Ausbildung für Pflegeberufe, die es in Österreich nur bedingt gibt. Die notwendige Pflegebetreuung und Gesundheitsvorsorge wird in Zukunft aber nur dann zu leisten sein, wenn ein exzellentes gesundheitspolitisches Konzept erarbeitet wird. Dabei sind Status und Autonomie des Pflegeberufes anzuheben. Es ist ein langer Weg, den die Pflegeberufe gehen müssen, um die Autonomie wirklich zu bekommen. Mit dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz 1997 ist viel geschehen, und eine adäquate Finanzierung der Ausbildung muss auf jeden Fall gewährleistet werden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der Grünen.)

20.07


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Dr. Moser zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.07


Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Staats­sekretäre! Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär Morak, ich kenne Sie noch vom Burg­theater, und heute haben Sie mit Ihrer Darlegung zum Bundesministeriengesetz den Pförtner der Kapuzinergruft an Leidenschaftlichkeit wirklich spielend in den Schatten gestellt! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.) So etwas von Desengagement und von gewissermaßen leidvollem Absolvieren von Pflichtveranstaltungen mit hängenden Mundwinkeln – entschuldigen Sie! – habe ich schon lange nicht gesehen!

Ich weiß, dass auch die Regierungserklärung dieses Haus bei weitem noch nicht in Euphorie ver­setzen konnte. Ich weiß, dass der Applaus von Seiten der Freiheitlichen nach den Dar­legungen von Bundeskanzler Schüssel sehr verhalten war. Aber so deprimierend, wie Ihre heutige Darbietung bei dieser doch so wesentlichen und inhaltlich wichtigen Sache war, hätte das Ganze wirklich nicht sein müssen, Herr Staatssekretär! (Beifall bei den Grünen.)

Ich sehe mich geradezu gezwungen, da ein bisschen für etwas mehr Elan, Begeisterung und Enthusiasmus zu sorgen, vor allem angesichts dessen, dass der Gesundheitsbereich – wie meine Vorrednerin bereits angesprochen hat, da möchte ich diesen Faden aufgreifen – jetzt eigentlich ein zentrales Anliegen dieser Regierung ist. Was aber geschieht? – Der Gesund­heitsbereich wird in drei Teile gesplittet.

Der unsichtbare, aber wichtigste Teil ist der Landesteil. Meine Vorrednerin kommt aus dem Bundesrat, sie weiß ja Bescheid, wie stark die Länder in der Gesundheitspolitik mitmischen, und zwar häufig Kosten treibend. Auf der anderen Seite gibt es jetzt eine zuständige Ministerin, nämlich Frau Rauch-Kallat, und Sie, Herr Staatssekretär – deswegen bringe ich die Sprache auf dieses leidige Problem –, haben auch noch im Gesundheitsbereich zu tun, allerdings bleibt Ihnen womöglich praktisch nur mehr die Verwaltung eines Schreibtisches. Und das tut mir Leid!. Das tut mir Leid für Sie, das tut mir Leid für die Gesundheitspolitik, und das tut mir Leid für die verschiedenen Leute, die halt doch auf Pflege, auf ärztliche Leistungen und vor allem auf Vorsorge angewiesen sind! (Beifall bei den Grünen.)

Diese Leute leiden nämlich weniger unter einer temperamentlos, unbeteiligt und mit wenig Engagement vorgetragenen Darlegung der Bundesministerieneinteilung, sondern sie leiden darunter, dass auch in der Sache selbst das Engagement fehlt! Mir geht das auf jeden Fall ab!


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Ich komme zum nächsten Problem. Mein Vorredner hat die Forschungspolitik angesprochen. Auch da könnten wir endlich einmal etwas auf die Beine stellen! Was aber geschieht? – Es wird genau derselbe Schmarren fortgesetzt, den es schon in der vergangenen Legislaturperiode gegeben hat, nämlich diese Fünfteilung der Agenden. Und auf diese Weise kann man in diesem Bereich praktisch auch nichts auf den Weg bringen!

Zum Schluss mein persönliches Anliegen, für das ich gerne auf die Barrikaden steige, nämlich der Konsumentenschutz. Schauen Sie sich das einmal an, auch da gibt es wieder eine Fünf­teilung: das Wirtschaftsministerium, das Verkehrsministerium, das Justizministerium, das So­zial­ministerium und das Gesundheitsministerium! Meine Damen und Herren, ich darf zwi­schen acht Ausschüssen „rotieren“! Bei der Budgetproblematik geht es ebenfalls in acht Ka­piteln kreuz und quer, und irgendwo findet man etwas vom Konsumentenschutz. Früher war er zum Beispiel wenigstens Teil des Gesundheitsressorts.

Es hat überhaupt die Tradition gegeben, den KonsumentInnenschutz immer wieder als „Wan­derpokal“ in die Runde zu schicken. Beginnend in den siebziger Jahren, war er einmal in der Gesundheitspolitik, einmal direkt beim Bundeskanzler angesiedelt; dann ist er zur Justizpolitik gekommen. Eigentlich liegen wesentliche Entscheidungskriterien nach wie vor im Wirtschafts­ministerium: die Produktkennzeichnung, die Preisauszeichnung. Nun haben wir das, noch dazu schön abgewertet und mit einem kleinen Titel versehen, als Staatssekretariat, und im Hinter­grund mischen all jene großen, gewichtigen Ministerien mit, die ich genannt habe. Was dabei herauskommt, möchte ich mir gerne anschauen.

Ich jedenfalls hätte mir im Sinn einer ambitionierten Bündelung gerade in diesem Bereich, der auch im Sinne meiner Vorrednerin sehr gesundheitsfördernd und vorsorgend wirkt – ein Stich­wort ist Lebensmittelsicherheit –, mehr erwartet, vor allem aber: mehr Engagement und mehr Einsatz in der Sache, insbesondere von Ihrer Seite! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

20.11



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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Waneck. – Bitte.

20.12


Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck: Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Dr. Moser, Sie brau­chen sich um meine Kompetenz keine Sorgen zu machen. Arbeit gibt es genug, und nur wer die Arbeit sieht, leistet sie auch.

Immerhin 81 Prozent der Österreicher sind der Meinung, dass die Gesundheit das Wichtigste für sie ist. Es wurde eine langjährige Forderung auch meiner Partei erfüllt, dass im nunmehrigen Regierungsabkommen ein Ministerium für Gesundheit und Frauen geschaffen wurde. Ich darf aber darauf hinweisen, dass es in dieser Hinsicht auch eine langjährige, gute Tradition von Seiten der Opposition gibt, und zwar mit den Ministern Leodolter, Steyrer, Ausserwinkler, sodass ich nicht sehe, worin hier die Aufregung besteht.

Der Unterschied zu den damaligen Ministerien besteht aber darin, dass dieses Gesundheits­ministerium zum ersten Mal auch mit Kompetenzen ausgestattet ist, und, wie heute schon erwähnt worden ist, in der Zusammenführung der Spitalsplanung mit dem niedergelassenen Bereich durch die Ausdehnung der Verantwortung auf die Krankenversicherung.

Zur Zahl der hinzugekommenen Staatssekretäre darf ich sagen: Es ist nicht wichtig, wie viele es sind, sondern was sie tun. In diesem Zusammenhang darf ich auch erwähnen, dass die am längsten dienende sozialdemokratische Regierung Europas, nämlich jene in Schweden, bei annähernd gleicher Bevölkerungsanzahl 34 Minister und Staatssekretäre aufweist. Ich glaube nicht, dass sie das nur aus Jux und Tollerei so gemacht haben.

Ich glaube daher, dass die jetzige Ministerienaufteilung mit den Staatssekretären eine gute Basis für die notwendigen Reformen dieser Legislaturperiode bietet, und bin diesbezüglich sehr zuversichtlich. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.14


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Lang­reiter zu Wort gemeldet. – Bitte.

20.14


Abgeordneter Mag. Hans Langreiter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Staats­sekretäre! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Moser, lange Ge­sichter und hängende Mundwinkel sieht man bei den Grünen ständig, zuletzt bei der verpassten Regierungsbeteiligung. (Ironische Heiterkeit bei den Grünen.) Fragen Sie Ihren Klubobmann!

Im Zusammenhang mit der Neubildung einer Bundesregierung kommt es natürlich zu Ände­rungen, was die Ministerkompetenzen und Geschäftsfelder betrifft. Das hängt auch zusammen mit der entsprechenden Reformarbeit, die zum Wohle unserer Mitbürger umgesetzt werden sollte, damit gute gesellschafts- und wirtschaftspolitische Systeme gesichert werden, die unsere Mit­bürger brauchen. Ich denke da beispielsweise an die Pensionssicherung, an das Gesund­heits­wesen und selbst­verständlich auch an eine verantwortungsbewusste Finanzpolitik. Es gibt nichts Unsozia­leres, als Schulden zu Lasten der nächsten Generationen zu machen!

Ich glaube, dass dieses Gesetz gut gelungen ist, auch weil es im Hinblick auf die Beziehungen zur Union mit ihren Erweiterungsfolgen komplett gerechtfertigt ist. Es setzt auf die Ver­änderungen in der EU, natürlich gemeinsam mit den Staatssekretären, weil die Aufgaben­bereiche letztendlich umso mehr werden.

Viele Dinge sind nicht vorhersehbar, das ist ganz klar, weil man eigentlich nicht weiß, wie sich die Dinge entwickeln werden. Es gibt überdies Fachbereiche, die Querschnittsmaterien sind – auch das ist keine Frage –, wie zum Beispiel die Forschung. Aber warum sollten gerade frauen­spezifische Themen wie „Frauen auf dem Arbeitsmarkt“ nicht beim Bundesministerium für Wirt­schaft und Arbeit angesiedelt sein? – Es geht doch letztendlich um die Verbesserungen für Frauen auch auf dem Arbeitsmarkt!

Die Forschungsagenden sollen nach Meinung der Opposition gebündelt werden. Das ist schwer administrierbar, aber ich glaube, es wird letztendlich einen Versuch geben, auch diese Agenden zusammenzuführen.

Es zeigt sich für mich, dass die Opposition insgesamt die Fachministerien interessanterweise nicht in Frage stellt, zum Beispiel beim Verteidigungsressort, das ja den Grundprinzipien der Fraktion der Grünen an sich entgegensteht. Aber das erübrigt sich wahrscheinlich auf Grund der aktuellen Situation im arabischen Raum, und das erübrigt sich wahrscheinlich auch deshalb, weil es doch an die 35 Krisenherde auf dieser Welt gibt.

Ich bin überzeugt davon, dass gerade das Verteidigungsressort, gerade unser Bundesminister Platter auf die Veränderungen in der Sicherheitspolitik eingehen und das österreichische Bundesheer diesen Anforderungen entsprechend anpassen wird. Der Grundwehrdienst sollte attraktiver gestaltet werden, und natürlich auch die Luftraumsicherung. Das ist eine Sache, die auf Jahre hinaus gesichert werden sollte.

Ich sehe da einen kleinen Anachronismus bei den Oppositionsparteien. Wir haben heute Vormittag gemeinsam einen Entschließungsantrag beschlossen, der sich klar gegen den Krieg und für die Menschlichkeit ausspricht. Aber wir haben auch der Empfehlung des Sicher­heits­rates Folge geleistet, wonach wir uns natürlich nicht an militärischen Aktionen gegen den Irak beteiligen und Überflugsrechte nicht einräumen. Daher stelle ich die Frage an die Opposition: Wenn wir Abfangjäger nicht anschaffen, wie sollen wir diese Überflugsrechte kontrollieren und sichern?

Meine Damen und Herren! Mit diesem Bundesministeriengesetz und mit der Neuordnung der Geschäftsfelder werden die Reformbestrebungen zum Wohle unserer Mitbürger fortgesetzt. Die Opposition ist nicht gewillt, mit uns mitzugehen, nach dem Motto – und das zieht sich durch die


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10. Sitzung / Seite 168

ganze Debatte –: „Schwach anfangen und stark nachlassen.“ Ad multos annos dieser Bundes­regierung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.18


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner hat sich Herr Abgeordneter Pendl zu Wort gemeldet. – Bitte.

20.18


Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Das Bundesministeriengesetz ist ein Organisationsgesetz und regelt die Zuständigkeiten und Kompetenzen der Regierung. Mit dem Volksmund könnte man auch sagen: Es regelt die Macht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, hier ist eindeutig zu ersehen, wo die Macht in der Koalition liegt. Es kommt zu gewaltigen Machtverschiebungen innerhalb der Res­sorts und zu neuen Kompetenzverteilungen. Nachdem am 1. März 2000 hier im Haus sämtliche Regierungsredner nicht nur das Staatssekretariat für den Tourismus gefeiert haben, sondern vor allem auch das Bundesministerium für öffentliche Leistungen und Sport, erleben wir nun mit, wie alles wieder zurückgeschoben wird. Wir könnten uns die Auszüge aus den Reden von da­mals anschauen, allen voran jener des Herrn Bundeskanzlers.

Ich möchte aber doch auf zwei, drei mir sehr wichtige Anliegen eingehen. Ich glaube – und ich habe das noch bei jeder Gelegenheit und jeder Debatte hier gesagt, meine sehr geehrten Damen und Herren –, es ist schon in Ordnung, richtig und notwendig, dass immer, wenn eine neue Regierung antritt, ein solches Gesetz beschlossen wird. Aber wir alle sollten nicht vergessen, dass Tausende Kolleginnen und Kollegen davon betroffen sind und „verschoben“ werden. Ich glaube, wir sind gemeinsam aufgerufen, als Hohes Haus einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Kolle­genschaft im öffentlichen Dienst nicht verunsichert wird, sondern dass man ideale Rahmenbedingungen schafft und ihre Leistungen anerkennt. Ich bedanke mich bei den öffent­lich Bediensteten unserer Republik für ihre Leistungen, meine sehr geehrten Damen und Her­ren! (Allgemeiner Beifall.)

Wir haben im Vorfeld dieser heutigen Sitzung miterlebt – einige Insider wissen es, es wurde in allen Medien publiziert –: Wer ist denn für die Verhandlungen mit den öffentlich Bediensteten zuständig?

Ich möchte die Botschaften, die hier hin und her gesendet worden sind, nicht wiederholen, wir alle kennen sie. Ich würde nur auch meinen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wenn man schon solche Kompetenzen ändert, dann muss auch klar sein, wer für die öffentlich Be­diensteten zuständig ist. Ich spreche keinem Regierungsmitglied irgendeine Kompetenz ab. Aber sie müssen auch ein Pouvoir haben, wenn sie zu Verhandlungen gehen, damit nicht ein Minister oder Staatssekretär zu wichtigen Verhandlungen geht, anscheinend kein Pouvoir mit auf den Weg bekommen hat, daraufhin heimgehen muss, sodass man schließlich doch wieder an den Herrn Bundeskanzler schreiben muss: Bitte, lieber Herr Bundeskanzler, wir müssen mit Ihnen die Verhandlungen führen. (Abg. Schöls: Hast du mit dem Bundeskanzler verhandelt?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wissen aber auch, wie in den letzten drei Jahren mit einigen Beamtinnen und Beamten umgegangen wurde. Es wurden Organisa­tions­ände­rungen vorgenommen, und von einigen ist nachdrücklich bestätigt worden, dass sie nicht gera­de im Sinne des Gesetzes waren. Daher sind wir sehr besorgt, wenn die Hälfte der Kollegen von der Zollwache in das Bundesministerium für Inneres kommt. Ich bin neugierig, nach welchen Kriterien das passieren wird, ob auf Grund der Funktion, der Weltanschauung, nach Jung oder Alt – es gibt eine breite Palette, wonach alles möglich ist –, danach, wer bald in Pension geht und wer nicht in Pension geht. Es wird sich ja erweisen, wie da vorge­gangen wird.

Weil wir besorgt sind und weil wir die letzten Abläufe noch genau in Erinnerung haben, darf ich folgenden Antrag einbringen:


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10. Sitzung / Seite 169

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Parnigoni, Pendl, Dr. Matznetter und KollegInnen betreffend Übertragung der Zollwache ins BMI

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung und die zuständigen Bundesminister werden ersucht, dafür zu sorgen, dass im Rahmen der Übertragung der Zollwache ins Bundesministerium für Inneres

die bisherige hohe Qualität der österreichischen Zollverwaltung aufrechterhalten wird,

alle dienstrechtlichen Vorschriften eingehalten und Einvernehmen mit der Personalvertretung hergestellt wird,

kein Bediensteter der Zollwache gegen seinen Willen den Status als Exekutivbeamter verliert,

im Bundesministerium für Finanzen verbleibende Mitarbeiter der Zollwache, die im Wesent­lichen gleichartige Tätigkeiten wie bisher verrichten, keine gehaltsmäßigen Kürzungen erfahren.

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich lade Sie ein, diesem Entschließungsantrag Ihre Zustimmung zu geben. Ich glaube, wir sind es den betroffenen Personen, den Kolleginnen und Kollegen schuldig. (Beifall bei der SPÖ.)

20.23


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist aus­reichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner hat sich Herr Abgeordneter Dr. Grünewald zu Wort gemeldet. – Bitte.

20.24


Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ministerien und Gesetze über Ministerien sind wichtig. Man erkennt das – ich spreche jetzt für die ZuhörerInnen und ZuschauerInnen – eigentlich daran, wer die meiste Zeit hier hinter mir gesessen ist. Nun heißen zwar „Ministerien“ so, weil sie irgendwie den Bürgerinnen dienen, aber dienen tun hier zwei Staatssekretäre, jetzt Gott sei Dank durch eine Ministerin aufgewertet. Wie groß ist also das Interesse der Bundesregierung, hier wirklich zu präsentieren, was ihr Bundesministeriengesetz soll und an Änderungen herbei­führen wird?

Von der Regierungsbank, aber auch von den Regierungsparteien ist viel kritisiert worden: die Opposition sei „weinerlich“, sie würde nur fundamentalistisch kritisieren, sie würde keine Vor­schläge einbringen. – Ich werde Sie eines Besseren belehren, und Sie werden mich hier nicht weinen sehen. Ich werde Ihnen sagen, dass von den Universitäten her seit vielen Jahren der Wunsch besteht, Forschung und Universitäten in einem Ressort zu vereinigen und die vielen zersplitterten Agenden auf ein oder maximal zwei Ressorts zurückzuführen.

Aber was ist geschehen? – All das, was wir in unseren Gesprächen mit der ÖVP vereinbart hätten oder vereinbaren wollten, wurde zurückgenommen: nicht von den „Weinerlichen“, nicht von den Mutlosen, sondern von der ÖVP! Es ist alles geblieben, wie es ist. Der For­schungs­fonds, der letztlich über 90 Prozent der Universitäten mit Forschungsgeldern für interessante, international begutachtete Projekte beliefert und fördert, ist im Ressort für Verkehr, Innovation und Technologie hängen geblieben.

Ich sage Ihnen, woher die Kritik kommt an diesem Ressort, das sich nicht zu Unrecht „Inno­vationsministerium“ nennt, weil es vier neue Minister in vier Jahren gebraucht hat: Schmid, Forstinger, Reichhold und jetzt Gorbach. Ich denke, wenn jetzt noch Kukacka dazukommt, der


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hier von diesem Rednerpult aus gegen die Reduktion der Promillegrenze gewettert hat – für die Gastwirte, für die Kirchtage –, und jetzt als Staatssekretär in diesem Ressort sitzt, so ist er eher ein Objekt der Forschung und sollte mit Forschung und Innovation als Subjekt möglichst wenig zu tun haben. Das würde ich vorschlagen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Reheis.)

Donabauer hat gemeint, dieses Gesetz soll den Bedürfnissen entsprechen. Was ich aber nicht möchte, was ich aus den Verhandlungen gehört habe, ist: dass Ministerien zur „Bedürf­nisanstalt“ von Regierungsparteien werden. Das kann es nicht sein! (Beifall bei den Grünen.)

Wir haben gehört, die Freiheitlichen haben auf ein Staatssekretariat gepocht. Die ÖVP hat überlegt, kommt nach einigen Stunden retour – vielleicht war es kürzer – und sagt: Ja, aber dann brauchen wir einen Kukacka im Ministerium! – Nochmals: Das kann es nicht sein! (Ruf bei der ÖVP: Nein, das kann es wirklich nicht sein ...!)

Das heißt, wir haben konstruktive Vorschläge gebracht. Wenn ich mir jetzt anschaue, was im Bereich Gesundheit passiert ist: Eine moderne Regierung – so bezeichnet sie sich wohl auch – würde sagen, hier gibt es ein „Stop and go“-Prinzip; ich nenne es hü und hott. Waneck sagt dies, Rauch-Kallat sagt jenes. Das ist amüsant, weil ich mir da etwas herausholen kann, was mir bei Rauch-Kallat gefällt – da kommt einiges vor, muss ich gestehen –, und gelegentlich auch bei Waneck. Aber dann wird widerrufen. Wer kennt sich da aus? – Die Kranken, die Patienten, die Beschäftigten im Gesundheitsbereich jedenfalls nicht!

Wenn ich zum Schluss noch an die Länderfonds denke, wobei sich die ÖVP sehr mutlos vor ihren Landeshäuptlingen verneigt und nahezu alle Gesundheitsagenden an die Länder delegiert, dann nenne ich das ein Abdanken des Staates, eine Reduktion der Republik auf eine Schrebergartenpolitik im Gesundheitswesen. Länder sind keine Schrebergärten, aber wenn man steuern, wenn man handeln, wenn man koordinieren will, länderübergreifend, überregional, braucht es ein starkes Gesundheitsressort.

Wir haben möglicherweise ein starke Frau als Ministerin, aber man wird sehen: Ihre Mög­lichkeiten werden begrenzt sein. Das kann kein Ziel eines Bundesministeriengesetzes sein. Dies festzustellen, genügt normaler Mut. Tollkühn ist die Regierung, die so etwas beschließt. (Beifall bei den Grünen.)

20.29


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Mag. Grossmann zu Wort gemeldet. – Bitte.

20.29


Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Werter Präsident! Werte Frau Ministerin! Werter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die weltpolitische Situation stellt wohl alles, was wir hier diskutieren, in den Schatten. Das Licht der Öffentlichkeit ist zu Recht auf das von Menschen gemachte Elend in der Welt gerichtet. Aber dennoch passieren auch hier in unserem Land Dinge, die unserer Aufmerksamkeit bedürfen.

In ihrem Koalitionspakt bekennen sich ÖVP und FPÖ zum wiederholten Male zu einer Rechts­bereinigung und Rechtsvereinfachung. Aber schon wenn man sich das neu zu be­schließende Bundesministeriengesetz anschaut, zeigt sich, dass es sich auch dabei nur um eine hohle Überschrift handelt und dass gar nicht daran gedacht wird, diese mit Leben zu erfüllen.

Ich habe mir gemeinsam mit Tierschutzorganisationen die Kompetenzzuteilung im Bereich Tierschutz etwas näher angeschaut. Es reicht da anscheinend zur kompletten Verwirrung noch nicht aus, dass die Gesetzgebung in 35 Verordnungen, 11 Landesgesetze und über 600 Para­graphen zersplittert ist, die sich allesamt mit dem – unter Anführungszeichen – „Schutz“ und der Haltung von Tieren beschäftigen.

Jetzt muss auch noch auf der Seite der Vollziehung das Chaos perfektioniert werden, indem die Zuständigkeit gleich auf drei Ministerien und das Bundeskanzleramt aufgeteilt wird. Eindeutig ist dabei nur eines, nämlich dass alles fest in schwarzer Hand ist.


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Das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen gibt wesentliche Kompetenzen im Veterinärwesen und den damit verwandten Materien ab, was eigentlich sehr schade ist, denn wo, wenn nicht hier, bringt der Tierarzt Mag. Haupt fachliche Kompetenzen ein? Auch wenn es hier im Hause nicht so oft vorkommt, dass dem politischen Mitbewerber Anerkennung gezollt wird – heute ist es ausnahmsweise schon einige Male geschehen –: Im Bereich Vete­rinär­wesen, Tierschutz würde ich dem Herrn Bundesminister Haupt – er ist nicht mehr anwesend, aber vielleicht richten es ihm die Kollegen aus – doch sehr hohe Kompetenz attestieren, und finde es wirklich schade, dass es der „Koalitionspartner“ – unter Anführungszeichen – nicht zu­ge­steht, diese fachliche Kompetenz auch in ausreichendem Maße in die Regierungsarbeit einzubringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dabei hat Minister Haupt gerade in den letzten Wochen seiner Amtszeit durchaus positive Ansätze gezeigt, indem er angekündigt hat, die Kontrolltätigkeit gegenüber der Landwirtschaft und der Transportwirtschaft zu verstärken. Darüber haben wir uns – die Tierschutzorganisatio­nen und die tierfreundliche Bevölkerung – sehr gefreut; die Agrar- und Transportlobby, als deren politische Interessenvertretung sich die ÖVP nach wie vor berufen fühlt, naturgemäß weniger.

Den „großen Bruder“ soll man aber nicht verärgern, weshalb Ihnen, Herr Minister Haupt, Ihre Kern­kompetenz kurzerhand weggenommen wurde. Der Preis für den Titel „Vizekanzler“ ist eben sehr hoch. Aber, sollte Ihnen das ein Trost sein: Wenigstens Ihre Parteifreunde Schweit­zer und Haubner dürfen sich in den auf sie speziell zugeschnittenen Ressorts selbst verwirkli­chen. Über den Preis dafür brauchen Sie sich auch keine Gedanken zu machen, denn den zahlen ohnehin der Steuerzahler und die Steuerzahlerin. (Beifall bei der SPÖ.)

Um auf den Veterinär- und Tierschutzbereich zurückzukommen: Da wird die Kompetenz in der Vollziehung gleich noch einmal aufgeteilt, damit ja nichts „passieren“ kann, nämlich auf das wiederum neu geschaffene Bundesministerium für Gesundheit und Frauen und auf das Bun­desministerium für Land- und Forstwirtschaft, das die Hauptkompetenz für den Tierschutz be­kommt beziehungsweise behält. Da befürchten Tierschutzorganisationen zu Recht, dass sich die Landwirtschaft damit nur selbst kontrolliert, und zwar sowohl im Bereich der Futtermittel, Düngemittel, Pflanzenschutzmittel als auch im Veterinärbereich. Es gibt keine wahrnehmbare Trennung zwischen der Produktion auf der einen Seite und der Kontrolle auf der anderen Seite. Das ist rechtsstaatlich ein untragbarer Zustand. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steibl: Die Redezeit ist aus!)

Über all dem steht in Metternichscher Manier die offensichtliche Universalkompetenz des Bundeskanzlers, die sich im Wahlkampf sicherlich als günstig erweisen wird, wenn es darum geht, mit aufgelocktem Katzerl, Schweinderl oder was auch immer um Sympathien und Stim­men zu werben.

Die österreichische Bevölkerung ist erfreulicherweise tierfreundlich. Das wissen wir, das ist auch durch den Erfolg des Tierschutz-Volksbegehrens dokumentiert und wird jeden Tag aufs Neue bewiesen, wenn Menschen selbst liebevoll Tiere halten oder sich in ihrer Freizeit im Tier­schutz engagieren, am Wochenende freiwillig Ställe ausmisten oder verletzte Tiere unentgeltlich ins Tierspital befördern. Deshalb verstummen auch unsere Forderungen nach einem ein­heitlichen Tierschutzgesetz nicht, das die höchsten Schutzstandards garantiert und nicht nur einen kleinsten gemeinsamen Nenner darstellt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Eine weitere Kompetenzzersplitterung in der Vollziehung lässt auch die Forderung nach einem Tierschutzanwalt, der unabhängig agieren kann und weisungsungebunden ist und der auch durch die ressortmäßige Eingliederung nicht einmal den Anschein einer Befangenheit er­wecken soll, besonders akut erscheinen. Die verstärkte Förderung tierschutzrelevanter Studien, deren Ergebnis auch in die Gesetzgebung einfließen sollten, wurde ebenfalls versäumt. (Abg. Dr. Brinek: Wir hätten eigentlich den Tierschutz ins Bildungsministerium verlegen sollen!)


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Tierschutz als Staatszielbestimmung in die Verfassung aufzunehmen, wäre ein wesentliches Signal dafür, wie wir, wie unsere Gesellschaft mit den uns anvertrauten Lebewesen umgeht und würde auch die Werthaltung wiedergeben, die wir an die nachfolgende Generation weitergeben.

Ich komme schon zum Schlusssatz. Ich glaube – nein, ich weiß! –, dass es in der Bevölkerung einen breiten gesellschaftlichen Konsens über den Tierschutz gibt, und es wäre schön, wenn sich dieser Konsens auch in diesem Hause widerspiegeln würde. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

20.35


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Mandak zu Wort gemeldet. – Bitte.

20.35


Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Es wurde heute schon kritisiert, dass die Opposition nie etwas Positives, das von der Regierung ausgeht, bekräftigt. (Abg. Steibl: Stimmt auch!) – Bitte hören Sie gut zu: Wir freuen uns, dass es wieder ein Frauenministerium gibt, und wir freuen uns, dass wir eine Frauenministerin haben. (Beifall bei den Grünen und der ÖVP.)

Wir freuen uns auch darüber, dass damit eine jahrelange Forderung der Grünen erfüllt worden ist. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen.) Es wird sich jetzt zeigen, wie stark und wie ein­fluss­reich dieses Frauenministerium tatsächlich ist, denn darauf – und allein darauf! – wird es an­kom­men. Es wird sich zeigen, ob die vorrangigen Aufgaben, die dringend zu lösen sind, ange­gangen werden. Unter diesen vorrangigen Aufgaben verstehen wir nicht die Anpreisung des „Unternehmens Haushalt“ – um das einmal klarzustellen –, bei dem Frauen als Unter­nehme­rinnen ohne Mindestlohn und soziale Absicherung fungieren. Wir verstehen unter diesen vorrangigen Aufgaben auch nicht das heute schon erwähnte dreitägige Bewerbungsseminar für hoch qualifizierte Frauen in sehr luxuriösen Hotels. – Das ist es nicht, was wir unter vorrangigen Aufgaben der Frauenpolitik verstehen! (Beifall bei den Grünen.)

Wir verstehen unter diesen vorrangigen Aufgaben arbeitspolitische Maßnahmen, sozialpoli­tische Maßnahmen, die dringend auf Umsetzung warten, wenn das Ziel der Gleichstellung endlich erreicht werden soll.

Es geht zum einen um Beschäftigungsverhältnisse von Frauen. In Österreich gibt es einen immer höheren Anteil an atypischen Beschäftigungsverhältnissen und einen immer höheren Anteil an Frauen, die erwerbstätig sind, aber damit ihren Lebensunterhalt nicht finanzieren können und die auch keinen Pensionsanspruch daraus ableiten können, keine Pension, von der sie künftig werden leben können.

Da sind dringend Maßnahmen notwendig. Und was hat die Regierung getan? – Sie hat gleichzeitig eine Ausweitung der Ladenöffnungszeiten angekündigt, obwohl wir genau wissen, dass diese Ausweitungen zu immer prekäreren Beschäftigungsverhältnissen führen und Frauen genau in die oben erwähnten Situationen treiben. Es wird dadurch genau das Gegenteil von dem erreicht, was wir einfordern.

Eine weitere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass beide, nämlich Väter und Mütter, die Karenzzeit in Anspruch nehmen und dass ein beruflicher Wiedereinstieg nach der Karenzzeit möglichst gut und reibungslos stattfinden kann. Durch das Kinderbetreuungsgeld haben Sie jedoch das Gegenteil erreicht! Es wird höchste Zeit, dass genau diese Maßnahmen zurückge­nom­men und anders gelenkt werden. (Abg. Steibl: Also das geht aber wirklich zu weit!) – Natür­lich! Bitte lesen Sie die neue Studie, wahrscheinlich haben Sie sie noch nicht. (Rufe bei der ÖVP: Oja!) Es ist nötig, hier entsprechend gegenzusteuern. (Beifall bei den Grünen.)

Zum Pensionsbereich: Das erste, was die neue Regierung tut, ist, eine Pensionsreform anzu­kün­digen, durch die Frauen wieder geringere Pensionen bekommen werden und die durch­schnittliche Frauenpension unter den Ausgleichszulagen-Richtsatz fallen wird. Das ist nicht


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das, was wir unter Frauenpolitik verstehen! Das ist eine Frauenpolitik, die uns zurücktreibt, statt nach vorne zu bringen.

Frau Ministerin Rauch-Kallat, ich kann Ihnen Folgendes versprechen: Wenn Sie frauen­poli­tische Maßnahmen und Gesetze durchsetzen wollen, die dahin gehen, dass es endlich zu einer besseren Gleichstellung von Frauen und Männern kommt, werden Sie die Unterstützung der Grü­nen dafür haben. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Stumm­voll.)

20.39


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner hat sich Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Kummerer zu Wort gemeldet. – Bitte.

20.40


Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte mich am Anfang meiner Ausführungen noch ein bisschen mit dem Selbstlob des Herrn Klubobmannes Scheibner beschäftigen. – Wir haben nie behauptet, dass alles schlecht war, was diese Regierung ge­macht hat. (Abg. Wittauer: Das war ein Tatsachenbericht!) Gerade im Bereich der Landes­vertei­digung haben wir einige Beschlüsse durchaus gemeinsam gefasst. Aber das ist Vergan­gen­heit.

Wenn ich die Vorschläge, die Wehrsprecher Scheibner gemacht hat, mit dem vergleiche, was Minister Scheibner dann umgesetzt hat, muss ich schon feststellen, dass da Welten dazwischen liegen. (Abg. Scheibner: Wo?) Eines hat Minister Scheibner aber gemacht: Er hat die REORG durchgezogen, auf die war er stolz. (Abg. Scheibner: Nicht nur!) Jetzt kommt sein Nachfolger, und was macht der aus der REORG des Ministers Scheibner? – Sofort eine neue! Wir werden uns also mit der Bezeichnung schwer tun, ich schlage „REORG zum Quadrat“ oder vielleicht „REORG neu“ vor, dann folgt die „REORG neu-neu“. (Abg. Scheibner: Das ist schon wieder revidiert!) – Du warst noch nicht einmal aus dem Ministerium draußen, da hat dein Nachfolger bereits angekündigt, alles umzudrehen, was du gemacht hast. Das sagt sehr viel über das Klima zwischen diesen beiden Koalitionsparteien.

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich aber jetzt mit dem Infrastrukturministerium beschäf­ti­gen. Ich habe von einem Vorredner gehört, wie großartig es ist. – Mir ist das nicht aufgefallen. Die Schaffung dieses Infrastrukturministeriums war – vielleicht auch wegen der handelnden Personen – schlicht und einfach ein „Flop“, und Sie belassen es jetzt so, wie es war.

Geleitet wurde dieses Ministerium von „Frühstücksdirektoren“, wie man im Sprachgebrauch der Wirtschaft vielleicht sagen würde: Schmid, Forstinger, Reichhold. Kurze Halbwertszeit. Aber so wie auch in der Wirtschaft der Weg der „Frühstücksdirektoren“ dann zum „weißen Riesen“ führt, habe ich vielleicht auch Verständnis dafür, dass Sie gar nichts dabei finden, wenn Sie, so wie die „weißen Riesen“, Ihre Gagen weiter beziehen.

Und was ist in diesem Infrastrukturministerium inhaltlich geschehen? – Kollege Regler hat gemeint, der Bereich der Bundesstraßen sei ein Riesenerfolg. Die Kompetenz für die Bundes­straßen waren aber nicht lange in diesem Ministerium, sondern sie wurden verländert, sie wurden ausgegliedert. Die Verantwortung wurde vom Ministerium abgegeben. Die Verant­wortung für den Autobahnbau lag auch nicht beim Ministerium, sondern bei der ASFINAG.

Meine Damen und Herren! An diesen Kompetenzproblemen, an diesen Führungsproblemen haben wir zu leiden. Wenn wir kurz noch nach Niederösterreich blicken und uns ansehen, was dort im Bereich Infrastruktur geschehen ist, dann stellen wir fest, dass es viele Versprechungen gab, aber wenig gehalten wurde. (Abg. Schöls: Du redest die letzten drei Wochen ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Langsam, lassen Sie sich Zeit! Was hat Landeshauptmann Pröll mit seinen Kompetenzen für den Bereich Bundesstraßen getan? – Er ging nach dem Gieß­kannenprinzip vor: wenige Ortsumfahrungen, dafür viele Kreisverkehre, viele Ortseinfahrten, und dafür hat er sich hochjubeln lassen. Das war alles, was wir vom Herrn Landeshauptmann gesehen haben.


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LH Pröll macht auch laufend Spatenstiche, zum Beispiel für eine Autobahn. (Zwischenrufe der Ab­geordneten Wittauer und Schöls.) Dort gibt es zwar keine UVP, keine Trassenverordnung, keine rechtliche Grundlage – nichts! Wenn man das thematisiert, dann ist das schlicht und einfach nur der Beginn von archäologischen Grabungsarbeiten.

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, so schauen Ihre Infrastruktur­probleme aus! So schauen die Kompetenzen des Infrastrukturministeriums aus!

Die Zeit läuft davon – nicht nur meine Redezeit, sondern auch die Zeit für den Ausbau einer Region, die schwer benachteiligt wurde. Meine Damen und Herren von der nieder­österrei­chischen ÖVP: Außer dem „Glühspaten“ vor den Landtagswahlen haben Sie wenig zu bieten. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schöls.)

20.44


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner hat sich Herr Abgeordneter Dr. Jarolim zu Wort gemeldet. – Bitte.

20.44


Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Vielleicht noch einige kurze Worte: Da wir heute Vormittag damit konfrontiert wurden, dass es der Regierung geglückt ist, das höchste Budgetdefizit der Zweiten Republik einzufahren und es ihr gleichzeitig auch gelungen ist, sich beim Wirtschaftswachstum – und das ist ein Kunststück, sechstreichstes Land der Welt waren wir – an die letzte Stelle in Europa zu katapultieren, habe ich mir die Mühe gemacht, zu schauen, wie Sie eigentlich mit dem Geld der Steuerzahler umgehen, wenn Sie diese Regierung aufblähen. (Abg. Dr. Rasinger: Wir gehen sehr gut um, Herr Jarolim!)

Ich habe mir Folgendes angesehen: Staatssekretär-Gage – 378 000 €, die Referenten-Gagen pro Staatssekretär – 1 373 000 € und die Repräsentation, Dienstwege und Sonstiges – 400 000 €, also Gesamtkosten von 2 Millionen € pro Jahr. Das entspricht, wenn man es hochrechnet, 10 Millionen € in der gesamten Legislaturperiode. – Ich gehe ja davon aus, dass es Ihr Ziel ist, das durchzuhalten.

Wenn Sie diesen Betrag in Einfamilienhäuser umrechnen, dann sind das 50 Einfamilienhäuser. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Wenn ich die Wahl hätte – und das sollten Sie auch die Steuerzahler und die Menschen draußen fragen, wenn Sie so groß über diese innovative, tolle neue Regierung sprechen, ob ihnen lieber der Herr Kukacka als Staatssekretär ist, oder vielleicht 50 Einfamilienhäuser –, dann glaube ich, dass die Antwort relativ klar ist. Ich denke Sie sollten die Redlichkeit aufbringen und der Bevölkerung wirklich sagen, was Sie hier mit den Steuergeldern machen und wie Sie sie beim Fenster hinausschmeißen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Rasinger: Mir ist der Kukacka lieber als der Jarolim!)

Ich darf Ihnen vielleicht noch etwas anderes sagen, damit Sie sich nicht so empören: Es ist heute der UBAS zur Diskussion gestanden. Wir wissen alle, dass es einen Grund dafür ge­geben hat, dass der Unabhängige Berufungssenat damals dem Kanzleramt unterstellt wurde, näm­lich die Unabhängigkeit. Wenn wir schauen, wo der UBAS jetzt hinkommt, nämlich zum Innenminister, dann müssen wir uns natürlich ansehen, was Innenminister Strasser bis jetzt – unter Anführungszeichen –„geleistet“ hat. (Abg. Dr. Rasinger: Mehr als Sie!)

Ich kann Ihnen nur sagen: Die politische Willkür in diesem Bereich ist atemberaubend! Max Edelbacher – ein international anerkannter Experte, auch in Amerika – wird „ge­köpft“! Pure Parteipolitik. Herr Bundesminister Strasser, ich muss übrigens auch meine Verwunde­rung darüber zum Ausdruck bringen, dass Sie noch immer hier unter den Abgeordneten sitzen, was an sich nicht unbedingt Tradition ist. – Die Seltsamkeiten in dieser Regierung sind ja nicht enden wollend. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweitens General Strohmeyer, einer der anerkanntesten Mitarbeiter – „geköpft“. Schnabl, der sogar an einer Ausschreibung teilgenommen hat, bei der er von fünf Personen an die erste Stelle gereiht wurde, ist es nicht geworden; und nicht, dass es der Zweit- oder Drittgereihte


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geworden ist! (Zwischenruf des Abg. Hornek.) Nein, meine Damen und Herren, den, der von der Kommission eindeutig als der unfähigste eingestuft wurde, nämlich den Einzigen, von dem man gesagt hat, er soll es nicht werden, den hat Herr Bundesminister Strasser zum General-Nachfolger gemacht. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Glaubt noch irgendjemand in diesem Land, dass es in diesem Ministerium auch nur einigermaßen objektiv zugeht, dass auch nur irgendjemand an Sachpolitik interessiert ist?! Glaubt in Zukunft noch irgendjemand tatsächlich, dass kein Einfluss genommen wird?!

Ich meine daher, das, was Sie nach Ihrer Tradition – ich würde sagen, es ist die niederöster­reichische ÖVP, die hier im Hintergrund ist – mit dem UBAS machen werden, ist er­schreckend. Sie haben hier im Grund genommen auch der Demokratie keinen guten Dienst ge­leistet, und ich lade Sie zu etwas mehr Redlichkeit ein, meine Damen und Herren. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.48


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (das Glockenzeichen gebend): Meine Damen und Herren! Ich darf Sie um Ihre besondere Aufmerksamkeit bitten. Nach über zwölf­jähriger Tätigkeit als Nationalrätin wird Frau Abgeordnete Dr. Petrovic nun ihre Abschiedsrede halten. – Bitte. (Rufe bei den Freiheitlichen: Sie kommt ja wieder! Sie kommt ja wieder am Montag!)

20.48


Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ja, ich halte jetzt meine letzte Rede hier im Nationalrat. Ich habe Gott sei Dank im Moment so viel zu tun, dass das bisschen Wehmut, das hier sicher auch mitschwingen wird, jedenfalls jetzt noch nicht sehr hochkommt. Natürlich hoffe ich für mich, dass ich auch nach dem nächsten Sonntag viel Anlass zur Freude haben werde und dass das dann die möglicherweise auch auftretende Wehmut beim Zimmerräumen und so weiter überlagern wird.

Mir ist wichtig, hier zu betonen – und ich denke, das haben Sie in all den Aus­einan­der­setzungen, die es auch gab und an denen ich beteiligt war, auch bemerkt –, dass ich diesem Haus mit sehr viel Leidenschaft und Begeisterung angehört habe. Ich habe meine Redebeiträge hier nie als eine Pflichtübung verstanden, sondern sie waren mir schon wichtig. Dass das für Sie wahrscheinlich gelegentlich zu häufig, zu lang oder sonst etwas war, das gehört eben auch dazu. Ich habe hier mein oppositionelles Bewusstsein durchaus einigermaßen ausgelebt.

Ich habe das heute in der Früh bereits gesagt, und es ist vielleicht eine merkwürdige historische Koinzidenz: Ich erinnere mich noch an eine meiner ersten Reden im Parlament – ich weiß noch, es war in den späten Abend- oder Nachtstunden, und wir von den Grünen haben damals ver­sucht, die Beschlussfassung zu einem Gesetz hinauszuzögern, aufzuhalten. (Abg. Dr. Stumm­voll: Das war eine lange Rede! – Abg. Mag. Molterer: Neun Stunden hat das gedauert!) Ja, das gab es manchmal, und das ist eine gute parlamentarische Tradition, die ein Haus wie dieses meiner Meinung nach gelegentlich schon auch aushält und aushalten kann. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Damals hat es auch Krieg im Nahen Osten gegeben, und das Bombardement von Bagdad hatte begonnen. Die Stimmung hier war insgesamt beklemmend. Jetzt ist es so, dass seit einigen Tagen wieder eine solche Situation herrscht. Die Welt insgesamt ist seither nicht friedlicher geworden.

Ich nehme aber zumindest mit, dass es bei all diesen Konflikten auch sehr, sehr viel Hilfsbereit­schaft gegeben hat, der Bevölkerung sowieso, aber auch dieses Hauses, und dass der große Unterschied zu damals der ist, dass offenbar gerade die sehr jungen Menschen ihre Stimme für den Frieden erheben und auch ihre Person in den Dienst des Friedens stellen. Das werte ich angesichts all dieser schrecklichen Ereignisse doch als ein gewisses Zeichen der Hoffnung. (Beifall bei den Grünen, der ÖVP und der SPÖ.)


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Angesichts dieser großen weltpolitischen Tragödien ist ziemlich alles, was wir hier tun, relativ klein und Gott sei Dank relativ unbedeutend. Dass trotzdem die Emotionen oft hochgehen können, das gehört zum Parlamentarismus. Ich denke auch, dass all die schlimmen Ereignisse in der Welt kein Grund sind, unsere Arbeit hier gering zu schätzen oder sie gar als unbedeutend zu erachten. Wir können vieles leider nicht verhindern, aber nichtsdestotrotz ist es unsere Aufgabe, die relativ kleinen und unbedeutenden Probleme – so gut es eben geht – zu lösen.

In der Debatte zum Bundesministeriengesetz ist gesagt worden – und das wurde auch als Argument für die Vergrößerung der Regierung ins Treffen geführt –, dass dieses Haus mehr Agenden zu erfülle habe. – Ja, das stimmt. Aber um das jetzt alles in einen versöhnlichen Ton zu kleiden: Die Antwort hätte ja nicht unbedingt mehr Regierungsfunktionen lauten müssen, obwohl ich auch das nicht für die größte Tragödie dieser Republik erachte. Die Antwort hätte ja auch die Aufwertung des Parlaments sein können.

Das ist etwas, was unser aller Interesse sein sollte. Da würde ich mir insbe­sondere natürlich von den Abgeordneten der Regierungsfraktionen wünschen, dass sie nicht nur ihren Regierungsmitgliedern den Rücken stärken – das geschieht ja meistens in Demo­kratien, auch nicht immer –, sondern dass sie auch einmal an dieses Haus denken.

Wenn ich mir vor Augen führe, was zu tun gewesen ist, als ich hier begonnen habe, und was jetzt an Aufgaben zu erledigen ist, und dass es wahr ist, dass der internationale Bereich sehr viel größer geworden ist, und dass auch die Fragen der Neuordnung der Kompetenzen im Bun­desstaat jetzt endlich einmal angegangen werden müssen und dass das sehr viel Sachverstand brauchen wird, dann würde das allemal rechtfertigen, dass man die Arbeitsmöglichkeiten des Parlaments insgesamt ausbaut und verbessert. (Allgemeiner Beifall.)

Dabei denke ich vor allem an Dinge, die ich hier natürlich auch nicht zum ersten Mal verlange, aber ich weiß ja, dass in manchen Bereichen nur steter Tropfen den Stein höhlt. Ich denke da etwa an einen legistischen Dienst, der in der Lage ist, für Abgeordnete Aufgaben zu übernehmen, auch wenn sie selbst nicht rechtskundig sind, und die Rechtskundigen können es auch nicht immer selber. Ich denke, das muss nicht immer alles bei der Bundesregierung angesiedelt sein beziehungsweise es müsste zumindest auch im Hohen Haus eine Möglichkeit geben.

Ich denke an den Verfassungsdienst, der meiner Meinung nach klarerweise ins Hohe Haus gehören würde, und ich denke auch an die Möglichkeit von sonstigen Hilfseinrichtungen, wie beispielsweise daran, Wirtschaftskompetenz im Rahmen von Werkverträgen, im Rahmen einer Zuarbeit in Anspruch nehmen zu können – wenn schon nicht als ständige Einrichtung so doch zumindest als zeitweise Möglichkeit. Das wäre schon notwendig, um die Qualität der Arbeit anzuheben. (Beifall bei den Grünen, der ÖVP und der SPÖ.)

Ich habe mir natürlich auch manchmal gedacht, wie das meine grünen Kolleginnen und Kolle­gen machen werden, wer so für den Tierschutz kämpfen wird und wer hier mit großer Leiden­schaft mein Anliegen der Gleichstellung von Frauen und Männern vertreten wird. In dieser Hinsicht haben mich gerade die letzten Redebeiträge meiner Kollegin Sabine Mandak und auch der Abgeordneten Grossmann sehr beruhigt, und ich denke mir, diese Anliegen wird hier schon jemand wahrnehmen. Ich hoffe und wünsche das gerade für jene Themen, mit deren Auf­wertung hier im Hause ich vielleicht doch ein bisschen zu tun habe, auch wenn das manchen vielleicht gelegentlich schon etwas zu viel war, aber das wird schon weiter vertreten werden. Da verlasse ich mich ganz auf euch.

Ein Allerletztes wollte ich noch sagen, und zwar insbesondere dem Klubobmann Khol. Er ist jetzt zwar nicht da, aber Sie werden es ihm ausrichten. (Ruf bei der ÖVP: Erster Präsident!) – Präsident Khol! Da schwingt noch immer die vergangene Legislaturperiode mit. Ich bin der Meinung, dass Konflikte in diesem Land zu wenig hart und präzise ausgetragen werden. Dabei meine ich nicht Verletzungen anderer Personen, überhaupt der persönlichen Sphäre, aber politische Positionen klar herauszuarbeiten und auch die Gegensätze und nicht immer gleich nach dem Schulterschluss zu rufen, das halte ich für in einer Demokratie notwen­dig. Ich denke,


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das macht eigentlich das Wesen von Demokratie aus. (Beifall bei den Grünen, der ÖVP und der SPÖ.)

Ein paar Mal sind insbesondere an unsere Adresse Vorwürfe gerichtet worden, was wir denn überhaupt wollten. Ganz harte Vorwürfe hat es da gegeben, dass wir gelegentlich oder vielleicht vor vielen Jahren einmal mit irgendwelchen anarchistischen Thesen geliebäugelt hätten. Da habe ich mir dann immer wieder gedacht – es hat irgendwie nie hineingepasst, und deswegen kann ich das nur jetzt sagen –, dass es da große Missverständnisse gegeben hat. Gerade Präsident Khol mit seinem Hintergrund weiß, dass die Vorstellungen von Anarchie eigentlich etwas sehr Schönes haben könnten, würden sie so verstanden, wie sie etwa in frühchristlichen Schriften verstanden worden sind oder wenn sie auch so wie in der Antike bei manchen Dichtern verstanden wurden, die eben ein „Goldenes Zeitalter“ besungen haben, in dem kein Gesetz, kein Richter, keine Strafgewalt mehr notwendig sein wird, weil die Menschen so ein­sichtig sind, dass sie einander helfen, und diejenigen, die mehr haben, das automatisch teilen.

In dem Sinne, finde ich, sollten wir die Hoffnung nicht aufgeben oder auch diese Eigenschaften in den Menschen stärken, damit wir uns vielleicht irgendwann einmal diesen Vorstellungen zumindest nähern könnten. Einstweilen bin ich auch so realistisch, dass ich mir denke: In dieser Legislaturperiode wird das nicht geschehen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Vielleicht denken Sie doch auch einmal daran, dass das eigentlich ein edler Zug wäre, bevor Sie dann wieder mit heftigen Vorwürfen kommen und so tun, als wäre das das Böseste, was Grüne je vertreten hätten. Mir ist schon klar, dass dann natürlich auch die Tätigkeit dieses Hauses überflüssig wäre. Ich bin allerdings überzeugt davon, dass Sie für die nächsten Jahre noch genug zu tun haben werden. Es wird Normen brauchen, es wird welche brauchen, die diese Normen vollziehen, und es wird in diesem Wechselspiel zwischen denen, die die Normen mehrheitlich beschließen, denen, die sie vollziehen, und denen, die überall das Haar in der Suppe suchen und finden, heftige Auseinandersetzungen geben.

Ich wünsche Ihnen, dass diese Auseinandersetzungen so stattfinden, dass lebendige Debatte entstehen und in diesem Haus möglichst wenig gegähnt wird. Ich finde, dass, wenn hier die Funken sprühen, das eigentlich das ist, wozu Parlamente da sind.

Ich hoffe, dass die Situation so bleibt, und dass Fälle, in denen man vielleicht wirklich sagen muss, dass eine solche Not herrscht, dass wir ganz zusammenrücken müssen, diesem Haus und diesem Land erspart bleiben. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen eine kontroversielle, eine lebendige und eine gute Arbeit. Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass ich mich nicht gelegentlich aus der St. Pöltner Perspektive ein wenig einmischen werde; Möglich ist auch, dass ich dann auch einen anderen Blickwinkel in Richtung Bundesregierung oder Zentral­ver­waltung haben und vertreten werde. Ich denke, das wird mir vielleicht auch ganz gut tun. Und wenn Sie mir allzu sehr abgehen, dann werde ich Sie besuchen kommen. (Lebhafter, lang an­haltender allgemeiner Beifall. – Die Abgeordneten der Grünen und Abgeordnete der SPÖ erheben sich von ihren Plätzen. – Abg. Dr. Van der Bellen überreicht Abg. Dr. Petrovic einen Blu­menstrauß. – Einige Abgeordnete der Grünen, der ÖVP und der SPÖ begeben sich zu Abg. Dr. Petrovic und verabschieden sich persönlich von ihr.)

21.02


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 30 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungs­antrag eingebracht.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Baumgartner-Gabitzer, Scheibner, Kolleginnen und Kolle­gen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.


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Weiters haben die Abgeordneten Mag. Stoisits, Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen einen Ab­änderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungs­anträgen betroffenen Teile der Reihe nach und schließlich über die restlichen, noch nicht abge­stimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die Streichung der Ziffer 2 bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist das die Minderheit und damit abgelehnt.

Ich lasse sogleich über die Ziffer 2 in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen, und bitte jene Damen und Herren des Hohen Hauses, die hiefür ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Baumgartner-Gabitzer, Scheibner, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die Ziffer 5 bezieht. Wer hiefür ist, den ersuche ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit ange­nommen.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits, Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abände­rungsantrag betreffend Ziffer 14 eingebracht.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

Ich lasse sogleich über Ziffer 14 in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen, und bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung geben, um ein bejahendes Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Baumgartner-Gabitzer, Scheibner, Kolleginnen und Kolle­gen einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung einer neuen Ziffer 19a bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies ebenfalls die Mehrheit und damit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies ebenfalls die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend Überprüfung der Inanspruchnahme der Bezüge­fortzahlung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein ent­spre­chendes Zeichen. – Es ist das die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen betreffend Übertragung der Zollwache ins Bundes­ministerium für Inneres.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

4. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 45/A der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Dr. Peter Wittmann, Mag. Karl Schweitzer, Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versöhnungsfonds-Gesetz geändert wird (28 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 46/A der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Dr. Peter Wittmann, Mag. Karl Schweitzer, Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird (29 der Beilagen)


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zu den Punkten 4 und 5 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte, Frau Abge­ordnete, Sie sind am Wort.

21.07


Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Vor uns liegt der im Verfassungsausschuss einstimmig gefasste Beschluss, dem Plenum des Nationalrates die Verlängerung der Antragsfrist für den österreichischen Versöhnungsfonds bis 31. Dezember 2003 und der Funktionsdauer des Fonds bis 31. Dezember 2004 zu empfehlen, und wir werden diesem einstimmigen Beschluss des Verfassungsausschusses wahrscheinlich auch hier einen einstimmigen Beschluss folgen lassen.

Es war notwendig, diese Fristen zu verlängern, weil sich gezeigt hat, dass die ursprünglich bemessene Frist trotz des enormen Engagements der Mitarbeiter des Fonds sich anhand der praktischen Erfahrungen als zu kurz für die Bewältigung der mit dem Versöhnungsfonds verbundenen komplexen Aufgaben erwiesen hat. Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit im Namen meiner Fraktion dem Vorsitzenden des Komitees, der heute hier anwesend ist – Botschafter Dr. Ludwig Steiner –, sehr, sehr herzlich für seine engagierte Arbeit danken. (Beifall bei der ÖVP.)

Auch Ihnen, Herr Generalsekretär Dr. Richard Wotava, sei herzlich gedankt. Auch Sie haben sich besonders bemüht und besonderes Engagement gezeigt. (Beifall bei der ÖVP.)

Bedanken möchte ich mich im Namen meiner Fraktion auch bei Büroleiter Dr. Wolfgang Renezeder in Vertretung der gesamten Mannschaft, die hervorragend und sehr, sehr effizient gearbeitet hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist notwendig, den Partnerorganisationen im Osten noch ein bisschen Zeit zu geben, die Anträge im Detail zu prüfen, damit auch alle Anspruchsberechtigten zu ihrem Recht kommen, denn es wird noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, und wir wollen den Fonds nicht schließen, bevor nicht alle Fälle von uns bearbeitet worden sind.

Man kann sich natürlich fragen, ob die Verlängerung um ein Jahr ausreichend ist oder ob es nicht besser wäre, schon heute einen noch längeren Zeitraum vorzusehen. Das hohe Alter der Anspruchsberechtigten aber macht es uns zur Pflicht, alles zu tun, um so rasch wie möglich


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innerhalb eines relativ kurzen Zeitabschnittes die Aufgaben des Versöhnungsfonds effizient zu vollenden.

Die Verlängerung um ein Jahr soll auch den Partnerorganisationen ein Ansporn sein, selbst rasch zu arbeiten und effektiv zu handeln. Bisher hat der Fonds über 97 000 Anträge ehe­maliger Sklaven- und Zwangsarbeiter positiv abgeschlossen, wobei insbesondere das effiziente und unbürokratische Vorgehen bei der Behandlung der Anträge durch die Mitarbeiter des Fonds von allen Seiten gelobt wurde. Ich möchte hier herausstreichen, dass wir als österreichischer Fonds eine sehr gute Basis und ein hervorragendes Gesprächsklima zu den Partner­orga­nisationen im Osten haben.

Es ist selbstverständlich auch das entschiedene Bestreben des Fonds, alle nur denkbaren potenziellen Antragsteller in aller Welt ausfindig zu machen. Zu diesem Zweck hat es eine intensive Publizitätskampagne in allen renommierten Zeitungen dieser Welt gegeben, von denen wir erwarten können, dass sie diesbezüglich Anspruchsberechtigte erreichen.

Es gab aber auch eine Aktion, nämlich die Überprüfung von Listen, welche bei anderen Partner­organisationen eingegangen sind. So haben wir erfahren müssen, dass beispielsweise bei der International Organization for Migration, einer Partnerorganisation der deutschen Stiftung, An­träge eingegangen sind, die uns zuzurechnen sind. Wir wollen den Fonds nicht schließen, be­vor wir nicht auch diese Anträge erledigt haben.

Lobenswert ist weiters die Tatsache, dass der Fonds auch alle Personen angeschrieben hat, die jemals mit dem Nationalfonds Kontakt aufgenommen hatten. Daher glauben wir, dass wir auch dadurch eine breite Streuung der Information zustande gebracht haben.

Mit der Verlängerung der Antragsfrist und der Verlängerung der Funktionsdauer sollen dann möglichst alle ehemaligen Zwangsarbeiter oder Sklavenarbeiter erfasst werden können – der­zeit sind in etwa bereits 70 Prozent erfasst –, damit sie die freiwillige symbolische Leistung für ihr erlittenes Unrecht auch erhalten. Sie signalisieren uns immer wieder, dass das für sie eine besondere Geste darstellt, da sie manchmal in ihre Heimatländer nach Hause kommend als Helfershelfer der Feinde betrachtet wurden, verdächtigt und verfolgt worden sind und als Heimkehrer deshalb selbst wieder in Haft geraten sind. Sie sagen uns, wir sind die Ersten, die sie als Opfer des Nationalsozialismus betrachten, und diese soziale Geste hilft ihnen gele­gentlich fast mehr als das Geld, das wir überweisen.

Es freut mich, dass wir hier im Parlament zu diesem Thema wahrscheinlich einen einstimmigen Beschluss zustande bringen werden, und es freut mich, dass wir mit diesem Gesetz, mit der Verlängerung der Frist für den Fonds, mit der hervorragenden Arbeit derer, die die Dinge im Fonds abwickeln, der Welt zeigen können, dass wir uns ernsthaft bemühen, unsere Ver­gan­genheit aufzuarbeiten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.14


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Posch. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.14


Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine Vorrednerin hat eigentlich alles gesagt, was sachlich zur Novelle betreffend Ver­länge­rung des Versöhnungsfondsgesetzes beziehungsweise des Nationalfondsgesetzes zu sagen ist. Ich möchte das daher nicht wiederholen.

Wichtig ist es mir, zu sagen, dass damit eine Arbeit sachgerecht zu Ende geführt werden kann, die in den neunziger Jahren unter dem Titel „Vergangenheitsbewältigung“ begonnen wurde. Ich erinnere an die Vranitzky-Rede im Jahr 1991 mit dem Eingeständnis, dass Österreich nicht nur Opfer, sondern vor allem Täter war und dass es eine Mitverantwortung Österreichs an den Verbrechen des Nationalsozialismus gibt.


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Ich erinnere auch an die Rede von Bundespräsident Klestil 1994 in Jerusalem sowie an eine Reihe weiterer Anlässe, die die Debatte um die Rolle Österreichs im Dritten Reich gefördert haben, wie etwa die Einrichtung eines Gedenktages gegen Gewalt und Rassismus, sowie an viele Veranstaltungen hier im Parlament und eben auch an jene beiden Gesetze.

Klar ist auch, dass mit diesem Gesetz nicht alle materiellen Schäden behoben werden konnten beziehungsweise wieder gutgemacht werden konnten, sondern dass es sich hierbei um eine Geste der Versöhnung, um eine humanitäre Geste gehandelt hat – auch als Eingeständnis des Unrechts, das vielen Opfern des Nationalsozialismus angetan wurde. Dafür hat man auch – das war vor allem für die österreichischen Betriebe wichtig – Rechtssicherheit darüber gewonnen, dass es keine weiteren Ansprüche geben wird, weil ansonsten etliche österreichische Firmen mit neuen Zwangsarbeiterklagen bedroht gewesen wären.

Damit ist ein Kapitel österreichischer Nachkriegsgeschichte abgeschlossen worden, nämlich nach den Jahren des Wiederaufbaues und der Bewältigung des inneren Ausgleichs auch die notwendigen juristischen, politischen und moralischen Verpflichtungen gegenüber den Opfern zu erfüllen.

Über eine Million Ausländer wurden vom nationalsozialistischen Regime zur Arbeit auf dem Gebiet des heutigen Österreich gezwungen, zu Sklaven- und Zwangsarbeit als Ausdruck einer grausamen Missachtung der Menschenrechte, was Deportation, Entrechtung, Versklavung und Misshandlung bedeutet hat, in vielen Fällen auch den Tod.

Somit widerfährt wenigstens jenen Menschen, die unmittelbar von den Grausamkeiten des NS-Regimes betroffen waren, eine geringfügige Genugtuung, nachdem Österreich auf Grund der Bestimmungen des österreichischen Staatsvertrages von 1955 ohnehin von allen zukünftigen Reparationszahlungen befreit wurde. In diesem Lichte ist auch der Betrag von 6 Milliarden Schilling fair und angemessen für jahrelanges Leid, für Gratisarbeit und schwere körperliche und psychische Schäden.

Insofern steht in diesem Fall nicht nur die materielle Wiedergutmachung, sondern auch die moralisch-geistige Dimension im Vordergrund, weshalb einige Zeitungsberichte, wonach es bei der Auszahlung nicht nur beträchtliche bürokratische Hindernisse zu geben scheine, sondern einzelne Menschen überhaupt um ihre Entschädigung umfielen, umso bedauerlicher sind. Es bleibt nur zu hoffen, dass das beschämendste Kapitel österreichischer Geschichte nicht auch noch einen unwürdigen Abschluss findet. Es bleibt außerdem zu hoffen, dass der Natio­nal­fonds, der eingerichtet wurde, um ein Stück österreichischer Geschichte und das Schicksal ver­folgter Menschen zu bearbeiten, über das Jahr 2004 hinaus bestehen bleiben und auch aus­reichend dotiert sein wird, um einen Beitrag zum Gedenken an eines der dunkelsten Kapitel der österreichischen Geschichte zu leisten. – Immer schön wachsam bleiben! (Beifall bei der SPÖ und der Abg. Mag. Stoisits.)

21.18


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Bucher. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.18


Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Versöhnungsfondsgesetz ist eine Maßnahme, die die Menschenwürdigung der Regierung mit hoher Kompetenz auszeichnet. Ich darf mich bei dieser Gelegenheit bei der Regierung für die Einsicht und bei Professor Steiner für seine Ver­dienste um den Versöhnungsfonds und um die Tätigkeit in diesem Zusammenhang bedanken. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist dies auch ein wertvoller Beitrag zur Imagepolitur unseres Landes gerade im Hinblick auf die leidvolle Nazivergangenheit.

Bei der Durchsicht der Listen hat sich ergeben, dass eine Fristerstreckung zur administrativen Bewältigung dieser großen Aufgabe erforderlich ist. Die Berechnungen sind sehr arbeitsintensiv


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und zeitaufwändig. Die Publizitätsmaßnahmen erfordern eine laufende Weiterbehandlung von neuen Anträgen und Werbern. Hinzu kommt noch, dass sehr viele der Betroffenen im Ausland leben und somit ein erhöhter administrativer Aufwand gegeben ist.

Wir werden einer Verlängerung der Funktionsdauer des Fonds bis 31. Dezember 2004 zustimmen und sind sehr glücklich darüber, dass es dazu einen Vier-Parteien-Konsens gibt. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.20


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.20


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Bot­schafter Steiner! Herr Generalsekretär Wotava! Auch ich schließe mich dem Dank, den die Vorredner an Sie gerichtet haben, allerherzlichst an. Ich bitte Sie, diesen Dank auch allen Mitarbeitern des Versöhnungsfonds zu überbringen. Ich habe Ihre Arbeit über die letzten Jahre verfolgt und fühle mich, jetzt als ein Teil der gesetzgebenden Körperschaft, die Ihnen den organisatorischen und finanziellen Rahmen geboten hat, bestätigt in unserer gemeinsamen Anstrengung. All die Gesetze, die im Zusammenhang mit dem Versöhnungsfonds, aber auch mit dem Nationalfonds der Republik stehen, wurden im Nationalrat – und das möchte ich noch einmal betonen – immer einstimmig beschlossen.

Sie haben einen Großteil der Arbeit geleistet, aber einiges liegt noch vor Ihnen. Ich möchte nichts wiederholen, was sachlich über die Arbeit gesagt wurde, sondern nur eine Anmerkung machen. Die bisher getätigten Auszahlungen und das Procedere, das Sie vor allem im Hinblick darauf gewählt haben, wie die Leute überhaupt erfahren, dass sie eine Berechtigung für Entschädigungszahlungen aus Österreich haben, haben sich als so schwierig herausgestellt, wie wir sozusagen gemeinsam wussten, dass es sein wird.

Bei aller Wertschätzung gegenüber Anzeigen in renommierten, weltweit erscheinenden Tages­zeitungen wissen Sie viel besser noch als ich, dass vielfach über 70-jährige Zwangsarbeiter in der Ukraine, in Serbien, in Montenegro oder auch in anderen noch viel weiter entfernten Gegen­den, Russland beispielsweise, kaum die „New York Times“ oder selbst serbische Tages­zeitungen lesen und deshalb nicht die Chance haben, überhaupt zu erfahren, dass sie An­sprüche haben.

Darum plädiere ich jetzt auch als Kuratoriumsmitglied noch einmal an Sie, alles zu tun, um den Menschen die Chance zu geben, überhaupt zu erfahren, dass es hier Geld gibt, das ihnen zusteht.

Es geht nicht darum, dass das Geld knapp wäre. Die Berechnungen damals waren sehr zutreffend, was die Summe angeht. Wir haben eher die umgekehrte Befürchtung, dass man mit mehr Anträgen gerechnet hat, als dann tatsächlich gestellt werden. Darum freue ich mich jetzt auch über die einstimmige Verlängerung der Frist und die Ausweitung der Dauer der Tätigkeit des Versöhnungsfonds.

Beim zweiten Komplex, beim Nationalfonds, wo es um die Tätigkeit nach § 2b Nationalfonds­gesetz geht, nämlich um die Entschädigungsgesten – hier kann es immer nur um Gesten gehen – in Bezug auf entzogene Bestandsrechte, das heißt Mietrechte an Wohnungen und Ge­schäftsräumlichkeiten, hat sich Ähnliches herausgestellt. Um das jetzt ein bisschen volkstümlich zu sagen: Durchs Reden kommen die Leute zusammen, und durchs Reden erfahren Menschen auch davon, dass sie Ansprüche haben.

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, hier auch der Generalsekretärin und den Mitarbeite­rInnen des Nationalfonds meinen herzlichen Dank auszusprechen, denn der Nationalfonds ist so etwas wie die Wiege der ganzen Tätigkeit im Zusammenhang mit der Befassung und der Aufarbeitung der österreichischen Geschichte. Er ist sozusagen die Wiege und der Platz, wo heute die Gestensetzungen erfolgen.


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Es sind immer nur Gesten, und es sind alle Summen, die sowohl im Nationalfonds als auch im Versöhnungsfonds je ausbezahlt wurden, immer nur als Gesten zu betrachten, weil es keine Rechtsansprüche gibt, was ich bedauere. Aber diese Geste, die gesetzt wird, wird von vielen mit Dankbarkeit aufgenommen.

Herr Präsident Fischer als ehemaliger Vorsitzender des Nationalfonds und Herr Präsident Khol, sie kennen die Briefe, die kommen – ich kenne sie vielfach auch –, und sie kennen die Reaktionen von Menschen, wenn sie nach Jahrzehnten vielfach erstmals eine Geste der Republik empfangen, mit der es um die Wahrnehmung ihres schweren Schicksals geht. Es geht nicht um diese 70 000 S, es geht auch vielen Zwangsarbeitern nicht um das Geld, das sie bekommen, sondern es geht ihnen um den Respekt, den man ihnen als Opfer entgegenbringt.

Deshalb möchte ich hier zum Ausdruck bringen, dass wir jetzt in den Diskussionsprozess über die Zukunft des Nationalfonds eintreten sollen, denn mit den Gestenauszahlungen und auch mit den Aufgaben, die er im Zusammenhang mit dem Allgemeinen Entschädigungsfonds hat, wird es nicht getan sein, weil es nicht getan sein kann.

Die Tausenden und Abertausenden Seiten des Berichtes der Historikerkommission, der sich nur mit dem Komplex Vermögensentzug auf der einen Seite und Rückstellungen und Entschädi­gungen nach 1945 auf der anderen Seite beschäftigt, stellen keine komplette wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas dar, sondern das ist nur ein Aspekt dieser Zeit und der Zeit danach.

Der Bericht der Historikerkommission zeigt uns, dass wir hier im Nationalrat, dass die Politik insgesamt und im Speziellen auch die Bundesregierung noch wesentliche Aufgaben zu leisten haben, und ich lade Sie dazu ein, dass wir gemeinsam so konstruktiv wie in der Vergangenheit diese Dinge angehen und dann auch lösen. – Danke ganz herzlich. (Beifall bei den Grünen.)

21.26


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Frieser.

21.26


Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr ge­ehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir alle begrüßen – das haben auch schon meine Vor­redne­rinnen und Vorredner gesagt – die Verlängerung der Funktionsdauer des Öster­reichischen Versöhnungsfonds beziehungsweise die Verlängerung der Antragsfrist. Lassen Sie mich daher nur einige allgemeine Feststellungen treffen.

Meine Damen und Herren! Die wenigen der Sklaven- und Zwangsarbeiter des national­sozialistischen Unrechtsregimes, die bis heute überlebt haben, haben nicht nur den Anspruch auf unsere innigste Solidarität, sondern sie haben auch einen Anspruch darauf, in den letzten der ihnen noch verbleibenden Jahre wenigstens einen kleinen materiellen, einen kleinen finanziellen Ausgleich zu erhalten, wiewohl diese Entschädigung in keinem Verhältnis zu dem ihnen angetanen Unrecht und Leid stehen kann.

Das ist grausam, aber wir müssen auch klar zwischen Erinnerung und einem andauernden Schuldbekenntnis unterscheiden. Ich für mich – ich verweise auf die viel zitierte Gnade der späten Geburt – verweigere mich der Anerkennung einer so genannten Kollektivschuld für die nachfolgenden Generationen. Schuld kann zwar nicht verjähren, aber Schuld stirbt auch mit den Schuldigen. Moralische Schuld darf sich nicht weitervererben. Für die Nachkommenden, wie wir es sind, besteht die große Verantwortung, für eine bessere Zukunft einzustehen.

Die sachliche und konstruktive Diskussion muss weiter bestehen bleiben, aber weder in der Form von Hetze und Schuldzuweisung, noch im Fortbestand einer undifferenzierten Selbstbe­zichtigung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.28


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich bin gestrichen!) – Gut.


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10. Sitzung / Seite 184

Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Brinek.

21.28


Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ein paar persönliche Bemerkungen und einige Richtigstellungen.

Mit der Novellierung des Nationalfondsgesetzes wird eine Lücke geschlossen, die zwischen 1947 und dem wichtigen Datum 2001 bestanden hat. 2001 war es Bundeskanzler Dr. Schüssel, der den wichtigsten, den entscheidendsten Anlauf zu diesem Nationalfondsgesetz unternom­men und diesen Lückenschluss zusammen mit dem Parlament bewerkstelligt hat. Ich bedanke mich noch einmal für diese Initiative der Regierung Schüssel I.

Es ist auch zu erwähnen und der Ordnung halber festzuhalten, dass es in der Gesetzge­bungsperiode unter der Regierung Schüssel I einen viel beachteten Besuch von Staatssekretär Morak in Jerusalem gegeben hat, der zu einer weiteren Versöhnung, zu einer weiteren Ver­besserung des Kontakts mit Israel beigetragen hat. Mögen diese Besuche in diesem Sinne fortgesetzt werden!

Meine Damen und Herren! Noch eine technische Anmerkung zum Gesetz: Sofern dieses Nationalfondsgesetz nicht um dieses Jahr verlängert worden wäre beziehungsweise wird, wäre es not­wendig, eine zweite Runde der Einladungen für die Vergabe und Antragstellung ein­zu­leiten – mit hohem Verwaltungsaufwand, mit hohen Strapazen, die eigentlich nicht in Relation zum Ergeb­nis stehen. Daher noch einmal der Versuch, in dieser gewonnenen Zeit den Antrag­stellerkreis zu erweitern. Es macht also Sinn, und ich gehe davon aus, dass alle zustimmen.

Noch ein Wort zur schon erwähnten Historikerkommission: Der vor einigen Wochen vorgestellte und viel beachtete Bericht zeigt einiges, nämlich dass es symbolische Aktionen sind, die wir mit dem Fonds und den beiden Gesetzen setzen. Aus dem Resümee lässt sich kein endgültiges Urteil über Österreichs Qualität bezüglich der Entschädigungsleistungen fällen. Eine quantitative Auf­stellung der Rückstellungen und Entschädigungen ist nicht möglich, und zwar allein schon aus den Gründen, die auch Kollegin Stoisits angeführt hat, das heißt, weil sie technisch-wissen­schaftlich gar nicht zu leisten sind.

Meine Damen und Herren! Etwas ist jedoch durch die Historikerkommission eingeleitet worden, nämlich ein Paradigmenwechsel, der Folgendes sichtbar gemacht hat: Die Meinung, Österreich habe schlechthin alles wieder gutgemacht, die Sache sei längst erledigt, kann nicht aufrecht­erhalten werden, aber ebenso nicht das Vorurteil, Österreich habe in Sachen Entschädigung und Rückstellung gar nichts unternommen.

Mit dem Bericht, mit dem Gesetz und mit der Arbeit, für die ich mich auch von dieser Stelle aus herzlich bedanke, haben wir ein Stück Selbstaufklärung betrieben und sind dem notwendigen Handeln einen weiteren Schritt zu einer modernen, selbstbewussten Gesellschaft näher gekommen! – Danke (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.31


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versöhnungsfonds-Gesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 28 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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10. Sitzung / Seite 185

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies ebenfalls die Ein­stimmigkeit.

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Natio­nalsozialismus geändert wird, samt Titel und Eingang in 29 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies ebenfalls Ein­stimmigkeit.

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

6. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (8 der Beilagen): Bun­desgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der orientalisch-orthodoxen Kirchen in Öster­reich (Orientalisch-orthodoxes Kirchengesetz; OrientKG) (31 der Beilagen)


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Als erster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Amon. Seine Redezeit ist wunsch­gemäß auf 3 Minuten eingestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.33


Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beschäftigen uns nun mit einer Re­gierungsvorlage, die ein Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der orientalisch-ortho­doxen Kirchen in Österreich beinhaltet. Es ist dies ein Bundesgesetz, das wir in der letzten Aus­schusssitzung des Unterrichtsausschusses auf der Tagesordnung hatten und das im Unter­richtsausschuss einstimmig, also von allen vier Parlamentsparteien verabschiedet wurde.

Die orientalisch-orthodoxen Kirchen in Österreich kennen drei Traditionsstränge, nämlich die syrisch-orthodoxe Kirche, die koptisch-orthodoxe Kirche und die armenisch-orthodoxe Kirche. Wir beschäftigen uns im Rahmen dieses Bundesgesetzes mit der koptisch-orthodoxen Kirche, die ihre ursprüngliche Bewegung in Ägypten begründet hat.

Das österreichische Anerkennungsrecht kennt im Grunde genommen drei Verfahren im Zusam­menhang mit der Anerkennung von Glaubensgemeinschaften. Erstens besteht die Möglichkeit der Verordnung durch die Frau Bundesministerin auf Grundlage des Anerkennungsgesetzes aus dem Jahre 1874, mit dem auch der Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft ver­bunden ist.

Die zweite Möglichkeit ist die Anerkennung durch ein eigenes Bundesgesetz. – Eine Reihe von Kirchen in Österreich sind über ein eigenes Bundesgesetz anerkannt, so etwa die römisch-katholische Kirche, die evangelische Kirche, die griechisch-orientalische Kirche, der Islam und die israelitische Kirchengemeinschaft.

Die dritte Möglichkeit ist eine Anerkennung nach dem Bundesgesetz über die Rechtspersön­lichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften.


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10. Sitzung / Seite 186

Ich möchte ganz kurz zur Geschichte der Anerkennung der orthodoxen Kirchen etwas sagen: Die armenisch-orthodoxe Kirche wurde schon 1972 durch eine Verordnung des Bundes­ministe­riums beziehungsweise des damaligen Bundesministers anerkannt, und die syrisch-orthodoxe Kirche wurde im Jahr 1988 durch eine entsprechende Verordnung anerkannt.

Es ist sozusagen nunmehr eine Frage der verfassungsrechtlichen Gleichbehandlung auch im Zusammenhang mit dem Staatskirchenrecht, das eine formelle Parität vorsieht, dass wir auch die koptisch-orthodoxe Kirche durch ein Bundesgesetz anerkennen.

Ich möchte hier auch erwähnen, dass es Kardinal Christoph Schönborn war, der sich für diese Anerkennung der koptischen Kirche in Österreich persönlich sehr eingesetzt hat, welche nach der letzten Volkszählung im Jahre 2001 etwa 3 000 Mitglieder zählt und die derzeit über das Bundesgesetz den Rechtsstatus als religiöse Bekenntnisgemeinschaft hat. Im Sinne der Gleich­behandlung wollen wir allerdings heute dieses Bundesgesetz verabschieden.

Ich denke, es ist auch Ausdruck eines liberalen Rechtsstaates und einer offenen Gesellschaft, wie wir mit Religionsgemeinschaften in Österreich umgehen, und es ist dies zweifelsohne ge­rade in diesen Tagen auch ein wesentlicher Beitrag zur Völkerverständigung. – Ich danke Ihnen für Ihre Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.37



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10. Sitzung / Seite 187

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Abge­ordneter Dr. Rada. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.37


Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Was die Zustimmung zu dieser Gesetzesvorlage betreffend die orientalisch-orthodoxen Kirchen anlangt, bin ich durchaus der Meinung meines Vorredners.

Er hat die gesamte Entstehungsgeschichte sehr ausführlich dargelegt. Für Österreich doku­mentiert sich wieder einmal ein gewisser kultureller Pluralismus, zu dem sich Österreich immer wieder bekannt hat und zu deren Mannigfaltigkeit sicherlich auch die Religionsgemeinschaften gehören.

Es steht in der Regierungsvorlage, dass dadurch dem Bund keinerlei Kosten erwachsen wer­den, wiewohl durch dieses Gesetz, das wir heute beschließen werden, auch für die Pflicht­schüler der Religionsunterricht verpflichtend werden wird, so entsprechende Lehrer von dieser Religionsgemeinschaft auch angeboten werden. In Anbetracht des Umstands, dass nur etwa 1 600 Personen tatsächlich diesen Glauben in Österreich bei der Volkszählung genannt und sich dazu bekannt haben, kann man davon ausgehen, dass in der Tat nur geringe oder keine Kosten für den Religionsunterricht entstehen werden, weil diese Menschen auf ganz Österreich verteilt sind, auch wenn es da und dort, vor allem in den Großstädten, derzeit schon Ballungs­zentren gibt und vermehrt noch geben wird.

Wenn dadurch keine Kosten erwachsen, dann ist das sicherlich für den Bund eine erfreuliche Tatsache, denn insgesamt sind wir gerade dabei, für den Bildungsbereich doch gravierende Einsparungsmaßnahmen vorzunehmen. Sicherlich glauben allerdings weder Lehrer noch Standes­vertreter, dass die Unterrichtsstunden nur deswegen gekürzt werden, damit unsere Schülerinnen und Schüler weniger lang in der Schule sind. (Abg. Amon: Zum Thema!) Vielmehr geht es dabei klar und eindeutig um Einsparungseffekte, denn jeder, der einiger­maßen rechnen kann, wird auch wissen: Weniger Unterricht bedeutet auch weniger Lehrer­stunden und damit weniger Dienstposten.

Österreich ist mit diesem Gesetz insgesamt sicherlich gut bedient und dokumentiert weiterhin seine Weltoffenheit, seine Toleranz und seinen Pluralismus (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.39


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rossmann. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.39


Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Seit 1985 bemühen sich zirka 3 000 Anhänger und mehr als 1 600 ausdrücklich beken­nende koptisch-orthodoxe Mitbürger in Österreich um die Anerkennung ihrer Religions­ge­meinschaft.

Die Anerkennungsform wurde aus rechtlichen Gründen notwendig, und mit diesem Gesetz wird sowohl im Innen- wie auch im Außenverhältnis die gebotene Gleichbehandlung sichergestellt.

Festzuhalten ist auch, dass dieses Gesetz dem Bund – wie schon erwähnt wurde – keine Kosten verursacht.

Es ist das Wesensmerkmal des Selbstbestimmungsrechts einer gesetzlich anerkannten Kirchen- und Religionsgemeinschaft, dass sie ihren inneren Aufbau frei gestalten kann. Dazu gehört auch die Entscheidung, ob die Kirchengemeinden mit einem gewissen örtlichen Wir­kungs­bereich errichtet werden.

Die orientalisch-orthodoxe Kirche ist seit 1976 in Österreich tätig. 1979 kam es zur Gründung eines religiösen Hilfsvereins, um die Anerkennung überhaupt betreiben zu können. 1985 und 1988 wurden bereits Anerkennungsanträge gestellt, die koptisch-orthodoxe Kirche erhielt aber bisher nur durch Nichtuntersagung – eine typisch österreichische Lösung! – die Rechtsstellung einer eingetragenen Religionsgemeinschaft.

Deshalb war das bisher ein unbefriedigender Zustand, und es freut uns, dass wir heute hier dieses Gesetz im Sinne einer freien offenen Gesellschaft und vor allem im Sinne der Reli­gionsfreiheit, wie auch schon gesagt wurde, beschließen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.41


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.42


Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Auch die Grünen werden diesem Gesetzesantrag die Zustimmung geben, und auch im Ausschuss herrschte bereits Einstimmigkeit.

Ich möchte aber diese Gelegenheit nützen, um angesichts des Beschlusses dieses Gesetzes – wobei zu betonen ist, dass wir innerhalb von vier Wochen, wie ich glaube, sehr rasch einen Ausschusstermin und auch die Beschlussfassung hier zustande gebracht haben – etwas sehr Aktuelles anzusprechen: Alle, die am Montag den Bericht in „Thema“ gesehen haben, werden wahrscheinlich auch beeindruckt gewesen sein von der Situation, die dargestellt wurde, dass nämlich in Österreich nach wie vor Behinderte kein vollwertiges Lehramtszeugnis bekommen können.

In diesem Fall geht es um eine gehörlose Studierende, und zwar nach den Berichten der dortigen Lehrenden und Unterrichtenden eine höchst erfolgreiche Studierende, der es nicht möglich sein wird, wenn sich die gesetzliche Lage nicht ändert, Gehörlose zu unterrichten, und noch dazu mit dem letztlich doch etwas skurrilen Argument, dass es notwendig sei, für den Unterricht bei Gehörlosen den Hörsinn zu haben.

Jetzt könnte man sagen: Das ist ein aktueller Fall, das muss man halt klären. – Der Punkt ist aber: Wir haben das bereits in der letzten Legislaturperiode versucht. Es gibt einen Antrag vom Jänner 2001, in dem es genau um den gleichen Fall gegangen ist. Die Regierungsparteien haben damals den Antrag durch eine Vertagung entsorgt.


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Ich sage Ihnen: Wer den Bericht über diesen Fall gesehen hat und sich jetzt hier im Parlament hinsetzen kann und wieder damit rechnen muss, dass es zu weiteren Vertagungen kommt und kein Beschluss gefasst wird, dass das zulässig ist, dem kann, glaube ich, nicht wohl in seiner oder ihrer Haut sein.

Es ist einfach unfassbar! Wer sich näher mit der Gehörlosensprache, der Gebärdensprache, und mit der Situation Gehörloser befasst und mitbekommt, dass das Verständnis und die Auffassung über das Lippenlesen nur in einem sehr minimalen Ausmaß möglich ist, der kann sich doch nicht hinstellen und nachher so tun, als wäre das kein Problem! (Abg. Neudeck: Zur Sache!) Auch wenn Sie „Zur Sache!“ rufen, werden Sie sich das jetzt noch anhören müssen!

Ich kann Ihnen bei dieser Gelegenheit nur ankündigen, dass wir diese Angelegenheit in dieser Gesetzgebungsperiode mit allen uns zu Gebote stehenden Möglichkeiten und mit allem Nachdruck hier im Parlament vertreten werden. Es wird Ihnen nicht so leicht gelingen, das wieder in die Schublade zu legen und durch Vertagung wegzubringen. Wir werden darum kämpfen, dass diese Anerkennung endlich möglich wird! (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

21.44



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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Abgeordneter Dr. Brader. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.44


Abgeordneter Mag. Dr. Alfred Brader (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Zur Beschlussfassung liegt eine Regierungsvorlage vor, auf Grund welcher ein Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der orientalisch-orthodoxen Kirchen in Österreich beschlossen werden soll.

Über die Notwendigkeit zur Erstellung dieses Gesetzes ist schon gesprochen worden, und an­gesichts der vorgeschrittenen Zeit möchte ich mich auch ganz kurz fassen.

Die koptisch-orthodoxe Kirche betrachtet sich selbst als erste Kirche in Afrika und ist die ur­sprüngliche christliche Kirche Ägyptens. Sie führt ihre Entstehung auf das Wirken des Apostels Markus zurück, und sie gilt auch als die Begründerin des christlichen Mönchtums. Der Beginn der seelsorgerlichen Tätigkeit in Österreich geht auf die Stiftung Pro Oriente zurück, und ge­meinsam mit dieser Stiftung hat unser Kardinal Franz König große Verdienste erworben.

Die größten koptisch-orthodoxen Gemeinden gibt es in Wien mit rund 2 000 und in Graz mit 700 Gläubigen. Den Gottesdienst feiern die Kopten in der neuen koptisch-orthodoxen Pfarrkirche Sankt Markus in Wien-Donaustadt. Auch in Graz soll ein neues Gotteshaus entstehen, und in Niederösterreich wird im Schloss Obersiebenbrunn ein Kloster mit Gemeindezentrum errichtet.

Der vorliegende Gesetzentwurf orientiert sich teilweise am Bundesgesetz über äußere Rechts­verhältnisse der griechisch-orientalischen Kirchen in Österreich, gemäß welchem seinerzeit eine ähnliche Rechtssituation wie heute für die orientalisch-orthodoxen Kirchen bestand.

Ohne Beschlussfassung des bestehenden Gesetzentwurfs bliebe die Ungleichbehandlung der koptisch-orthodoxen Kirche bestehen. Diese könnte erst im Jahre 2008 durch Verordnung die Stellung einer Körperschaft öffentlichen Rechts erlangen.

Ich glaube, dass dieser heutige Beschluss eine sehr weitsichtige Maßnahme ist, die nicht nur im Hinblick auf die Gleichbehandlung der koptisch-orthodoxen Kirche der formellen Parität im österreichischen Staatskirchenrecht Rechnung trägt, sondern durchaus auch der Weiterent­wicklung der ökumenischen Bemühungen der christlichen Kirchen dienen kann. – Ich bitte da­her, dem vorliegenden Gesetzentwurf die Zustimmung zu erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.46


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank zu Wort gelangt nun Frau Bundesministerin Gehrer. – Bitte, Frau Bundesministerin.

21.46


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Im Jahre 1997 gab es in der Nationalbibliothek eine interessante Ausstellung über die Kopten und deren Religion, Geschichte und Kultur. Seit damals ist es mir ein Anliegen, dass wir diese Religion anerkennen, und ich freue mich, dass wir heute mit dem Orientalisch-ortho­doxen Kirchengesetz in Österreich die koptisch-orthodoxe Kirche offiziell anerkennen.

Ich sage: Herzlich willkommen bei uns!

Ich richte meinen Dank an alle Fraktionen, dass Sie diesem Antrag zustimmen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der Grünen.)

21.47


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 8 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies ebenfalls Einstim­migkeit.

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

7. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Fahrschulen (Fahrschulgesetz – FschulG) erlassen, das Bundesgesetz über den Führerschein (Führerscheingesetz 1997 – FSG 1997) (BGBl. I Nr. 120/1997 i.d.F. BGBl. I Nr. 65/2002) und das Kraftfahrwesen (Kraft­fahrgesetz 1967 – KFG 1967) (BGBl. 1967/267 i.d.F. BGBl. I Nr. 65/2002) geändert werden (33/A)


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir kommen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller Abgeordneter Eder. Die Uhr ist wunschgemäß auf 3 Minuten eingestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter Eder.

21.48


Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zu dieser vorgeschrittenen Stunde nur ganz kurz zu einem Antrag betreffend das Führerscheingesetz, die Novelle zum Kraftfahrgesetz und im Speziellen das Fahrschulgesetz hier einige Bemerkungen machen.

Es geht vor allem darum, dass Preiserhebungen, welche die Arbeiterkammer durchgeführt hat, ergeben haben, dass wir ein sehr starkes Preisgefälle zwischen Wien und Salzburg und Tirol haben, nämlich von 20 000 S bis 12 000 S. In Anbetracht dessen wäre es zweckmäßig und


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sinnvoll, dass wir das Fahrschulgesetz so abändern, dass für alle Fahrschüler ein möglichst niedriger Preis herauskommt.

Wir meinen, dass es für junge Menschen in Österreich auf die Dauer nicht akzeptabel ist, dass ein Führerschein der Gruppe B mehr als ein durchschnittliches Monatseinkommen kostet. Im Hinblick darauf sind einige Änderungen im Fahrschulgesetz notwendig, damit in Hinkunft vor allem auch mehr Konkurrenz möglich ist.

Ich weiß, dass schon einige Schritte in die richtige Richtung gesetzt wurden. Aber ich glaube, dass wir diesen Antrag noch einmal ordentlich durchbesprechen und verhandeln und dann zu einer Lösung kommen sollten, nach welcher es vor allem für die vielen jungen Menschen, die Fahrschulen besuchen müssen, zu einer Verbilligung des Führerscheines kommt. – In diesem Sinne bitte ich, diese Materie sehr sachlich zu behandeln, und danke für die Aufmerksamkeit! (Beifall bei der SPÖ.)

21.50


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Miedl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.50


Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Eder, ich habe sehr aufmerksam zugehört. Österreichs Fahrschulen haben ein sehr hohes Niveau, unsere Fahrschullehrer wurden vor kurzem bei einer Fachtagung in Schwe­den ob der hohen Qualität der österreichischen Fahrschulen ausdrücklich gelobt. Dieses Niveau ist vom Bodensee bis zum Neusiedler See das gleiche, das ist eben durch die EDV-Prüfung gewährleistet.

Die Kosten könnten natürlich bei Fahrschulen immer niedriger sein, weil es meistens die jungen Menschen betrifft, das ist überhaupt keine Frage. Da gibt es allerdings eine unverdächtige Schweizer Studie, die die Fahrschulkosten in Italien, in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich ermittelt hat: Im Mittel ist Österreich da am günstigsten. Ich gebe aber zu, dass es durchaus vertretbar wäre, wenn es noch günstiger wäre. Der Markt lebt grundsätzlich, 1992 hatten wir 295 Fahrschulen, jetzt, 2002, haben wir 367.

Ich denke, wir haben durchaus andere Probleme im Verkehrsbereich, die man vorrangig behandeln sollte. Das ist zum Beispiel die Verkehrssicherheit. Wir haben noch immer das Problem, dass die Höhe der Fahrgeschwindigkeit in Österreich weniger als anderswo einge­halten wird. Dort sollte man ansetzen.

Wir haben das Problem, dass wir eine relativ hohe Unfallhäufigkeit mit einer hohen Todesrate haben. Dagegen sollten wir in erster Linie etwas tun, Herr Kollege Eder. Im Übrigen sollte man, wenn man solche Dinge ändert, das sehr vorsichtig tun. An einer Stellschraube zu drehen, hat beim Konsumenten am Ende mitunter andere Auswirkungen, als der Gesetzgeber beabsichtigt.

In dem Sinne werte ich diese Eingabe Ihrerseits als Beginn einer Diskussion, die zu führen sein wird. Wir sollten aber auch im Umgang mit unseren Ausbildnern sehr fair sein und bedenken, dass wir eine hohe Qualität haben, die natürlich auch ihren Preis hat. (Beifall bei der ÖVP.)

21.52


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wattaul. – Bitte.

21.52


Abgeordneter Anton Wattaul (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Für mich muss bei der Fahrschulausbildung Sicherheit im Vordergrund stehen. Die Personengruppe zwischen 18 und 25 Jahren ist die am meisten gefährdete Gruppe. Mit der Mehrphasenausbildung sind wir einen großen Schritt weitergekommen, wir erhoffen uns dadurch 50 Prozent weniger an Ver­kehrstoten.


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Zum Führerscheinpreis muss ich sagen: Es ist an diesem Preis sicherlich etwas zu machen. Man muss sehen, dass bei Mehrkinderfamilien meistens die Eltern finanziell wirklich sehr be­nachteiligt sind. Ich bin auch der Meinung, dass man beim Preis unbedingt etwas tun muss. Durch den Wegfall des Meldezettels und andere Marktliberalisierungen ist schon einiges ge­schehen.

Ich muss auch sagen: Durch die Easy Drivers wirken schon Marktmechanismen. Aber ich halte für das wirklich Entscheidende, dass auf gar keinen Fall die Qualität der Ausbildung herab­gesetzt und das Bewusstsein dafür geschwächt werden darf. (Abg. Eder: Da sind wir uns einig: beides machen!) Ich bin davon überzeugt, dass wir im Verkehrsausschuss gemeinsam eine Lösung finden werden.

In diesem Sinne: Gute Fahrt! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.53


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

21.54


Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Vorredner haben schon einen relativ breiten Konsens abgesteckt, dem kann ich mich im Großen und Ganzen nur anschließen: ein Ja zu einer Gesamtreform, zu einem einheitlichen Rahmen; ein Ja dazu, dass sowohl FahrlehrerInnen als auch FahrschülerInnen bessere Bedin­gungen vorfinden, auch dadurch, dass mehr Wettbewerb herrscht, dass die Qualität nicht auf der Strecke bleibt und dass vom kameralistischen System, das jetzt irgendwie doch noch deut­lich spürbar ist, einmal Abstand genommen wird.

Klar ist für mich auch, dass man in dieser Diskussion wieder auf ein Grundanliegen der Ver­kehrssicherheit eingehen sollte, nämlich auf den Punkteführerschein. Ich weiß, dieses Vor­haben ist oft schon vom Kuratorium für Verkehrssicherheit, vom VCÖ und von anderen Ver­kehrsexperten auf den Tisch gelegt worden. Wir hatten das in der XX. Gesetzge­bungs­periode schon relativ weit getrieben. Nun wäre doch, nach einer Gesetzgebungsperiode des Still­stan­des, endlich der Anlass gegeben, im Rahmen dieser Fahrschuldiskussion auch die Frage des Punkteführerscheins wieder als Element aufzugreifen, das uns auf der Straße mehr Sicherheit bringt: weniger Tote, weniger Verletzte und insgesamt eine Perspektive, dass die Fahr­schüle­rinnen und Fahrschüler in der bis jetzt sehr bewährten Form der Nachschulung und des provi­sorischen Führerscheins dann eine lebenslange Perspektive hätten.

Dazu kann man nur sagen: Wir sollen alle an einem Strang ziehen! Deshalb: Ja zu dieser Initiative! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Eder.)

21.55


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 33/A dem Verkehrsausschuss zu.

8. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2002, das Wasserrechtsgesetz 1959 und das Bundesluftreinhaltegesetz 2002 geändert werden (Gesetz über den Nachbarschafts- und Umweltschutz bei landwirtschaftlichen Anlagen 2003) (40/A)


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir kommen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.


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Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber gibt ein Zeichen in Richtung Präsidium.)

Das Wort erhält Herr Abgeordneter Pirklhuber. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

21.56


Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Hohes Haus! (Abg. Mag. Molterer: Was ist jetzt, „Frau Glawischnig“?) In dem vorliegenden Initiativantrag der Grünen geht es um einige ganz wesentliche, zentrale Fra­gen des Umweltrechtes: der Umweltverträglichkeitsprüfung, des Wasserrechtsgesetzes und des Luftreinhaltegesetzes.

Bundesminister ist keiner mehr da – Herr ehemaliger Bundesminister Molterer! Wir haben da­mals schon viel darüber diskutiert. Sie erinnern sich, meine Damen und Herren: Bei der Um­weltverträglichkeitsprüfung wurden die Schwellenwerte wesentlich angehoben, die Schwellen­werte im Bereich der Massentierhaltung, in der Intensivtierhaltung.

In unserem Antrag versuchen wir, hier eine neue Diskussionsgrundlage in dieses Hohe Haus zu bringen (Abg. Auer: Was ist Massentierhaltung?), damit in Anpassung an bestehende andere EU-Regelungen endlich auch Österreich einen Schritt in die richtige Richtung geht, Kollege Auer. (Abg. Auer: Erkläre mir einmal, was ist Massentierhaltung?) Ich habe von Intensiv­tier­haltung gesprochen, und Sie wissen genau, was Intensivtierhaltung ist. (Ruf bei der ÖVP: Ein Bienenstock ist Massentierhaltung!) Intensivtierhaltung ist eine Tierhaltung, die massive Proble­me im Bereich des Düngermanagements, im Bereich der artgerechten Tierhaltung mit sich bringt und daher für die Umwelt und für die Tiere bedenklich ist. Kollege Auer, das wissen Sie ganz genau. Eine Legebatterie mit 20 000 Legehennen ist nicht tiergerecht, meine Damen und Herren, sie ist nicht artgerecht, und solche Anlagen müssen auf jeden Fall einer Umweltver­träglichkeitsprüfung unterzogen werden.

Lassen Sie mich auch klarmachen, warum das heute mehr denn je notwendig ist: weil wir bis 1994 ein Viehwirtschaftsgesetz hatten, Kollege Auer, das Tierbestands-Obergrenzen vorsah; bei Legehennen 10 000. Wir haben dieses Viehwirtschaftsgesetz geändert, wir haben keine Ober­grenzen mehr in dieser Form. Daher ist es notwendig, weil die bäuerlichen Betriebe, ganz wenige einzelne Betriebe, heute auch Anlagen ... (Abg. Auer: ... aber insgesamt eine Ober­grenze! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Lassen Sie mich vielleicht auch reden? Herr Präsident? – Weil heute Bauern und Bäuerinnen auch Anlagen errichten können, die längst nicht mehr artgerecht sind, die wesentliche Umweltauswirkungen haben und daher einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind.

Meine Damen und Herren! Detto ist im Rahmen des Wasserrechtsgesetzes die derzeitige Grenze von 3,5 Dünger-GVE eindeutig zu hoch. Wir haben im Umweltprogramm eine Grenze von 2,7 DGVE. Hier schlagen wir 2,8 Düngergroßvieheinheiten vor, um sozusagen noch eine ordnungsgemäße landwirtschaftliche Bewirtschaftung festzusetzen. Darüber hinausgehende Intensitäten sind einer entsprechenden Genehmigungspflicht zu unterziehen. Das ist an sich ganz klar und notwendig.

Im Bereich des Bundesluftreinhaltegesetzes geht es darum, auch bei Intensivtierhaltungs­betrieben die Abluft et cetera einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen beziehungs­weise die Ausnahmegenehmigung für die Landwirtschaft auszusetzen. Das ist notwendig, weil heute Anlagen durch Emissionen wie zum Beispiel Ammoniak-Emissionen sehr wohl massive Umweltbeeinträchtigungen verursachen können, auch Waldschäden, und die Versauerung von Boden ist ein Faktor. Das gehört nicht nur in einer Bauordnung geregelt und ist nicht nur im Rahmen einer Baugenehmigung durch die lokalen Behörden zu genehmigen, sondern das ist einer entsprechenden Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen.


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Der Herr Präsident ist beschäftigt. Ich sehe, dass das Licht noch nicht leuchtet.

Wir werden also im Ausschuss weiterdiskutieren. Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt davon, dass unsere Vorschläge sehr ausgewogen sind. Aber es sind Vorschläge, und wir sind zu dieser Diskussion bereit. Wir halten es für notwendig, dass diese Diskussion geführt wird, im Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten, aber auch der Bäuerinnen und Bauern, weil Sicherheit gewährleistet sein muss – Sicherheit in Bezug auf die Planung, Sicherheit in Bezug auf die Gesundheit und auf die Umwelt. Daher erwarte ich mir eine interessante, spannende Diskussion im Ausschuss und hoffe, dass Sie einsichtig sind und uns in diesem Bereich entgegenkommen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

22.01



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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hornek. – Bitte.

22.01


Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den hier vorliegenden Antrag der Abgeordneten Glawischnig, Petrovic, Pirklhuber und Freun­dinnen, der eine Abänderung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes, Bundesluftrein­halte­gesetzes und so weiter vorsieht, sehe ich bedauerlicherweise nur im Blickwinkel des 30. März, nämlich im Blickwinkel der niederösterreichischen Landtagswahl. Abgekürzt: ein alter Hut, be­dauerlicherweise nicht einmal mit einem neuen Federl!

Geschätzte Damen und Herren! Es geht hier um den Wunsch, andere Schwellenwerte fest­zusetzen, als sie zurzeit in Österreich der Fall sind. Ich darf Ihnen hier einige vergleichende Zahlen nennen, um zu untermauern, dass die österreichische Lösung, wie sie in der Ver­gangenheit gültig war und auch jetzt gültig ist, eine sehr gute Lösung ist.

Vergleichend bei zwei Tiergattungen: Es gibt bei den Legehennen einen EU-Schwellenwert gemäß einer EU-Richtlinie mit 60 000 Stück. In Österreich sind es beim vereinfachten Verfahren 48 000 Stück, im Schongebiet oder im siedlungsnahen Bereich auf 40 000 Stück reduziert. Der Wunsch der Grünen sieht 20 000 vor – eine Halbierung – und im siedlungsnahen Bereich eine Reduktion auf 10 000; das ist ein Sechstel von dem, was üblich ist.

Ähnlich sind die Dimensionen bei der Sauenhaltung. Die EU-Richtlinie sieht für eine UVP 900 Stück vor. Für das vereinfachte Verfahren in Österreich gilt ein Schwellenwert von 700, im Schongebiet 450. Die Grünen wollen lediglich 200 und im siedlungsnahen Bereich 100. Das ist de facto genau der neunte Teil von dem, was in der entsprechenden Richtlinie vorgesehen ist.

Das würde bedeuten, dass es da zu extremen Mehraufwendungen im Verwaltungsbereich kommt. Das würde bedeuten, dass es zu beachtlichen Kostenintensivierungen kommt. Das kann nicht im Sinne der österreichischen Landwirtschaft sein (Abg. Mandak: Im Sinne der Tiere!), auch nicht im Sinne der österreichischen Konsumenten, weil es darum geht, hoch­wertige Produkte in Österreich für unsere Konsumenten zu produzieren, nicht jedoch die bäuer­liche Produktion aus Österreich zu vertreiben, geschätzte Damen und Herren!

Es hat hier in der Vergangenheit unter Minister Molterer sinnvolle Maßnahmen gegeben. Der neue Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll hat bereits in den letzten Tagen unter Beweis gestellt, dass er diese Stafette aufnimmt. Er hat es mit viel politischem Gewicht getan, indem er dort, wo es umweltrelevant ist, dort, wo es bedeutsam ist – im Verkehrsbereich, im Kraftstoffbereich –, Maßnahmen gesetzt hat, die beispielhaft sind für unser Heimatland, aber auch weit darüber hinaus.

Ich danke für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

22.04


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Sima. – Bitte.

22.04


Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Nur kurz zum Kollegen Hornek: Ich glaube, es ist unbestritten, dass gerade der Bereich der Massentierhaltung sehr oft zu Bürger- und Anrainerprotesten führt, eben wegen der letzten Novelle des UVP-Gesetzes, wodurch Anrainerrechte in diesem Bereich massiv beschnitten worden sind und wodurch man Schwellenwerte massiv angehoben hat. Dieser Entwurf der Grünen, dieser Antrag ist eben ein Versuch, dies wieder ein bisschen richtig zu stellen und ins rechte Lot zu rücken. Deswegen wird er von meiner Fraktion auch unterstützt werden. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sie wissen, dass gerade im Bereich der Massentierhaltungsgenehmigungen die Schwellen­werte so unrealistisch hoch angesetzt sind, dass nur wenige Betriebe in Österreich darunter fallen, und dass es oft außer dem baurechtlichen Verfahren kein Verfahren gibt, sodass die Anrainer keine Möglichkeit haben, sich einzubringen. Diese Anrainer landen dann oft im Grünen Klub, aber auch bei uns, weil sie machtlos sind, weil sie hilflos sind, weil sie mit massiven Geruchs- und Lärmbelästigungen konfrontiert sind. Wir haben immer schon gesagt, dass es ein großes Problem ist, wenn man die Leute aus der UVP ausschließt und ein vereinfachtes Schnellverfahren macht. Das ist dann das Ergebnis, das man damit erntet. Dass Sie das jetzt noch als großen Wurf loben können, ist mir ein Rätsel.

Wir werden diesen Antrag unterstützen, vor allem auch im Sinne der vielen betroffenen Bürge­rinnen und Bürger, die sich anders nicht zu helfen wissen. (Beifall bei der SPÖ.)

22.06


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Ab­geordnete Dipl.-Ing. Achleitner. – Bitte.

22.06


Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Der vorliegende Antrag der Grünen bedeutet eine klare Verschärfung gegen die Landwirtschaft. Dieser Antrag führt sicher zu einer Mehrbelastung, besonders von kleinen Landwirtschaften, und kann sogar zu einer Existenzbedrohung führen. Wir Freiheitliche halten sicher nichts von Verboten und diesen neuen legistischen Keulen, deren Exekution viel Zeit und daher auch hohe Kosten beansprucht. (Abg. Mandak: Das sind Tierfabriken!) Im Sinne des Umwelt­schutzes ist es sicherlich viel effizienter, wenn wir Anreize in Form von Förderungen und Impuls­programmen schaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Das haben wir eh schon! ... artgerechte Tierhaltung!)

Ein gutes Beispiel ist eine Förderaktion im Land Oberösterreich, in deren Rahmen Abluftan­lagen bei Massentierhaltungen vom Land finanziell abgegolten werden. Zum Beispiel der Ein­bau von mechanischen Lüftungsanlagen, aber auch bautechnische Maßnahmen wie etwa für die Abdeckung von Güllegruben werden finanziell abgegolten. Diese Maßnahmen wirken sehr gut der Geruchsbelästigung für die Nachbarn entgegen, diese Maßnahmen waren sehr ziel­führend. (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Da geht es vor allem ums Wasserrecht!)

Es ist auch keine Lösung, wenn wir die UVP gegen die Landwirtschaft verschärfen. Viel wichti­ger ist es, dieses Gesetz zu vereinfachen, dass es auch wirklich angewandt wird. Denn zurzeit ist es so, dass überzogene Bestimmungen zur UVP die Kundmachungskosten für Verhand­lungen für die Landwirte höher machen als für große Industrieprojekte. Das kann wohl nicht im Sinne der Umwelt sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Auch bei der Errichtung von Stallungen ist es sicherlich vernünftiger, wenn man die vorherr­schenden Bauordnungen richtig anwendet, um auch dort das Problem der Geruchsbelästigung lösen zu können. Auch dafür ist keine Novellierung von Gesetzen notwendig, sondern nur eine


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bessere Schulung von Sachverständigen. Die Umweltanwaltschaft in Oberösterreich hat mir bestätigt, dass es viel zielführender ist, die Bauordnungen effizienter anzuwenden und Hilfe­stellungen zu gewähren.

Namhafte Wissenschaftler haben festgestellt, dass in zehn Jahren Klimaschäden in Österreich zu erwarten sind, die in der Größenordnung des jährlichen Zuwachses des Bruttoinlands­pro­duktes liegen. Gestern wurde im Ministerrat ein Gesetzesvorschlag für ein umfangreiches Luft­reinhaltepaket beschlossen, wobei die nationalen Emissionshöchstmengen für Luftschadstoffe festgelegt werden. Ich finde diese Maßnahmen viel wichtiger als nur ein rein punktuelles Gesetz gegen die Landwirtschaft. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.09



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10. Sitzung / Seite 196

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Eßl. – Bitte.

22.09


Abgeordneter Franz Eßl (ÖVP): Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren! Ho­hes Haus! Ich kann mir schon vorstellen, dass um diese Zeit nicht mehr jeder gerne diskutiert. Wir könnten der Debatte dadurch einen kurzen Schluss setzen, wenn die Grünen diesen Antrag, der aus meiner Sicht überflüssig ist, zurückziehen würden. Aber da sie das wahrschein­lich nicht tun werden, sollten wir doch noch ein paar Minuten darüber reden.

Die Grünen reden von Massentierhaltung. Nach der Begründung setzen sie die althergebrachte Landwirtschaft mit 20 bis 50 Tieren als normal an, und alles darüber ist für sie Intensiv­tierhaltung. Das sollte man den Bauern draußen auch einmal sagen, vor allem, wenn man weiß, dass dieser Gesetzesantrag eigentlich nur unnötige Bürokratie und zusätzliche Kosten für die Bauern bedeutet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Bevölkerung, die Bürger dieses Landes erwarten von den Bauern umfangreiche Leistun­gen, und für diese Leistungen sollten die Bauern auch entlohnt werden. Das heißt, es ist die Grundvoraussetzung, dass sie Einkommen erwirtschaften können. Einkommen erwirtschaften heißt auch, wettbewerbsfähig zu sein. Aber die Grünen planen mit diesem Gesetzesantrag, gleich in drei Gesetzesmaterien künstliche Hindernisse für unsere Landwirtschaft einzubauen, eigentlich mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Landwirtschaft zu untergraben.

Erstens betrifft dies den Bereich der Umweltverträglichkeitsgesetze. Ich sage Ihnen nur einen Satz dazu: Die Schwellenwerte sind schon derzeit in Österreich strenger als die EU-Richtlinien.

Zum Zweiten im Wasserrechtsgesetz: Die Bauern sollten nach diesem Vorschlag vorerst einmal vorsorglich alle als Umweltsünder hingestellt werden; sie dürfen ja dann das Gegenteil be­weisen.

Wir machen eine bessere Politik, und ich bedanke mich da beim ehemaligen Land­wirt­schafts­minister Willi Molterer. Mit dem von uns geschaffenen Umweltprogramm, an dem die Bauern mit etwa 90 Prozent teilnehmen, wollen wir unsere Aktionen setzen.

Letztendlich zum Bundesluftreinhaltegesetz: Man sollte keine Schikanen einführen, sondern so, wie es zum Beispiel der neue Landwirtschaftsminister Pröll mit dem Vertrag mit der OMV ge­macht hat, echte Akzente setzen, um die Luftreinhaltung zu garantieren.

Der vorliegende Gesetzesantrag richtet sich also nicht nur gegen eine leistungsfähige und kon­kurrenzfähige Landwirtschaft, sondern auch gegen die Bauern, gegen den ländlichen Raum insgesamt und damit gegen alle Bürger unseres Landes. So eine Politik wollen wir nicht, wir wollen eine Politik für die Bauern und damit eine Politik für die Bürger unseres Landes. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

22.12


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch. – Bitte.

22.12


Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich habe heute mit sehr viel Aufmerksamkeit die Abschiedsrede von Frau Kollegin Petrovic verfolgt. Es hat mir sehr gefallen, wie sie gesagt hat, es haben oft Funken gesprüht und es gab sehr oft hitzige Diskussionen. In Anbetracht des heutigen Tages meine ich, dass es diese hitzigen Diskussionen auch in Zukunft geben wird. Das Einzige, was mir Leid tut, ist, dass wir sie nicht führen werden: Entweder sind Sie zu früh gegangen oder ich bin zu spät gekommen, das weiß ich nicht.

Zur vorliegenden Materie: Wir alle wissen, dass es in der Landwirtschaft einen Konflikt gibt: Wo hört die herkömmliche Landwirtschaft auf? Wo beginnt Intensivtierhaltung? Wo beginnt Mas­sentierhaltung? Nur, dieser Antrag, geschätzte Damen und Herren, wird von uns, von der frei­heitlichen Bauernschaft und von mir als Agrarsprecher deutlich abgelehnt, denn eines ist klar: Es hat oft Diskussionen darüber gegeben, was zuerst da war, das Huhn oder das Ei. Hier ist es klar: Es war zuerst der Bauer da und dann erst der Häuslbauer und dann erst die andere Bevölkerung. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Moser.)

Deshalb steht für mich außer Zweifel, dass man sich vorher damit beschäftigen sollte, wo man sein Haus hinbaut. Wenn es manchmal ein bisschen stinkt oder eine geringe Ge­ruchs­belästi­gung auftritt, glaube ich nicht, dass das dafür herhalten sollte oder herhalten muss, dass gleich Gesetze geändert werden.

Ich bin auch davon überzeugt, dass das, was Frau Kollegin Sima gesagt hat, eigentlich die Sache sehr genau auf den Punkt bringt. Sie hat gesagt, die Grünen starten wieder einmal einen Versuch. Und das ist so. Es wird eben ein Versuch bleiben. Ich möchte diese Versuche trotz­dem nicht missen, denn vielleicht ist doch einmal etwas Gutes dabei, und dann werde ich der Erste sein, der auch mit den Grünen einen solchen Antrag unterstützt und vielleicht auch einmal mitgeht. Es muss aber bitte – und das möchte ich betonen – im Interesse der Bauern sein und soll nicht irgendeiner Polemik dienen.

Abschließend noch ein Satz zu Ihren Aussagen, dass Gerüche aus dem Stall das Waldsterben hervorrufen und beeinflussen. (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Nicht der Geruch, die Emissionen! Abg. Gradwohl: Die Gase, Herr Kollege!) Für jeden gelernten Forstwirt und für jeden, der irgend­etwas mit der Land- oder Forstwirtschaft zu tun hat, ist es ehrlich gesagt lächerlich zu behaupten, dass der Stallduft unsere österreichischen Wälder tötet. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.14


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wittauer. – Bitte.

22.15


Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Eine Änderung des UVP-Gesetzes 2002 durch den Antrag der Grünen würde bewirken, dass ein unzulässiger zusätzlicher Aufwand die Landwirtschaft treffen würde. Wenn ein Nach­bar beziehungsweise eine Nachbarin eine Umweltverträglichkeitsprüfung verlangen kann, so ist eine unabhängige Vorgangsweise nicht mehr gewährleistet. Gerade die Landwirtschaften, die in der Nähe von Wohngebieten oder von Naturschutzgebieten liegen, werden durch die vorge­schlagene Novellierung nicht nur beeinträchtigt, sondern in einem hohen Maß gefährdet. Der Geruch von Tieren ist nicht jedermanns Sache, doch zu einer funktionierenden Landwirtschaft gehört er dazu.

Die Haltung und Aufzucht von Tieren sollte wie vorgeschlagen von der Bundesregierung durch ein einheitliches Tierschutzgesetz geregelt werden, und nicht mit einer Novelle zum Umwelt­verträglichkeitsprüfungsgesetz.


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10. Sitzung / Seite 197

Am 10. April werden wir bei der Tierschutz-Enquete ausführlich darüber reden, und ich hoffe, dass wir da zu einer vernünftigen Lösung kommen.

Ich glaube nicht, dass diese Novellierung, wie Sie sie vorschlagen, nur die Intensivhaltung be­treffen würde, sondern natürlich auch die biologische und die kleine Landwirtschaft. Es ist auch nicht einzusehen, dass mit dieser Novellierung der Eindruck einer „positiven“ und einer „ne­gativen“ Landwirtschaft nach außen getragen wird. Diskutieren wir in den Ausschüssen darüber, wie wir alle unseren Bauern helfen können, umzusteigen, etwas zu verbessern, und setzen wir nicht auf Zwangsmaßnahmen, die auf dem Rücken dieser ausgetragen werden!

Direkte Investitionsförderungen für Umweltschutzmaßnahmen bei landwirtschaftlichen Anlagen würden weitaus mehr helfen. Die Belastungen können und dürfen nicht einseitig die Land­wirtschaft treffen, sondern unsere Bauern brauchen unser aller Unterstützung, damit auch in Zukunft gewährleistet ist, dass aktive Landwirtschaft zu unserem Leben gehört. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.16


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. Ihre Redezeit beträgt wunschgemäß 2 Minuten. – Bitte.

22.17


Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Ganz kurz: Herr Kollege Wittauer! Eines ist schon klar: Unsere Vorlage hat nichts mit Zwangsmaßnahmen zu tun, sondern ganz einfach mit der Einführung gewisser Umweltstandards, die europäische Norm sind beziehungs­weise in anderen Ländern umgesetzt sind, zum Beispiel in Deutschland oder auch in Frank­reich. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Hornek: Das ist unrichtig!)

Nur als ein Beispiel: Die UVP-Pflicht in Frankreich – das Agrarland Nummer eins in Europa – ist bei Schweinen bereits ab 400 bis 450 Mastplätzen gegeben. Wir in Österreich haben die Zahl in der letzten Periode auf über 2 000 erhöht. Das ist aus unserer Sicht nicht zweckmäßig und nicht sinnvoll, daher unsere Initiative. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Hornek.) Es geht darum, für die Landwirtschaft wirklich Sicherheit zu schaffen. Sicherheit bedeutet Akzeptanz vor Ort, bedeutet, dass im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung die Anrainer auch das Recht haben, mit den Betroffenen und mit Fachexperten und Sachverständigen die Sache im Vorfeld abzuklären.

Realität ist doch derzeit, dass sehr viele betroffene Bauern und Konsumenten oder BürgerInnen vor Ort in einem Konflikt leben, weil die Gespräche, die Diskussionen nicht geführt werden, Herr Kollege Grillitsch. Dafür setzen wir uns ein. Es ist wie gesagt eine Vorlage, ein Vorschlag, und ich hoffe, wir werden eine konstruktive Diskussion im Ausschuss dazu führen. Danke. (Beifall bei den Grünen.)

22.18


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 40/A dem Umweltausschuss zu.

9. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Telekommu­nikation (Telekommunikationsgesetz – TKG) BGBl. I Nr. 100/1997, zuletzt geändert durch Bundesgesetz BGBl. I Nr. 134/2002, geändert wird (49/A)


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Schließlich gelangen wir zum 9. Punkt der Tages­ordnung.


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10. Sitzung / Seite 198

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

22.19


Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon längst sollten wir die Novellierung des Telekommunikationsgesetzes angehen. Sie wissen, die Zeit läuft ab. Im Juli bereits muss eine EU-Richtlinie umgesetzt sein und als Ge­setz Geltung haben. In diesem Zusammenhang bringen wir ein Thema und ein Anliegen immer wieder vor, nämlich die Berücksichtigung sowohl der Umweltgesichtspunkte als auch der Ge­sundheitsgesichtspunkte, als auch der AnrainerInnengesichtspunkte.

Wir stützen uns in dieser Grundausrichtung, in dieser Zielorientierung des Gesetzes immer wieder auf die Initiativen, auf die Unterschriften und auf die Beteiligung und das Engagement von vielen Tausenden ÖsterreicherInnen, mit denen Sie vor allem in den Gemeinden – hier spreche ich speziell zu den Bürgermeistern der ÖVP, denn dort sind Sie ja sehr zahlreich ver­treten (Abg. Großruck: Nein, lieber nicht!) – immer wieder heftige Diskussionen zu diesem Pro­blemkreis zu führen haben und wo Sie auch eingreifen sollten.

Wir haben hier erstmals die Möglichkeit, bei einer Novellierung diese Gesichtspunkte zu be­rücksichtigen, die auch vom Obersten Sanitätsrat, einer Institution, die auch bei Ihnen durchaus Autorität besitzt, immer thematisiert wurden. Es geht um Verortung, es geht ums Vorsorge-prinzip, und es geht vor allem darum, dass die AnrainerInnen auch eine gewisse Mitsprache haben.

Das schaffen wir, glaube ich, wenn wir gemeinsam im Zuge dieser Zielsetzung und im Sinne dieser Vorgangsweise die Novellierung des Telekommunikationsgesetzes möglichst rasch an­streben und nicht warten, bis sich wieder die Verkehrsminister – vor allem aus dem freiheit­lichen Lager – die Türklinke in die Hand geben und die Zahl des halben Dutzends bald voll wird. Arbeiten wir diesmal mit Nachdruck und Konsequenz! Ich hoffe, durch den Herrn Minister Gor­bach geht es schnell. (Beifall bei den Grünen.)

22.21


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Hakl. – Bitte.

22.21


Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Telekommunikationsgesetz und dessen Novellierung haben uns ja schon oft beschäftigt. Wie Sie richtig sagen, Frau Kollegin Moser, wird noch vor dem Sommer eine No­velle fertig werden. Die Themenbereiche liegen auf dem Tisch. Ich glaube allerdings nicht, dass wir den Bürgermeistern damit einen guten Dienst erweisen würden, wenngleich richtig ist, was Sie sagen, dass sie mit der Aufstellung von Sendemasten sehr oft große Probleme haben, die sie eigentlich mit einer Regelung auf bundesgesetzlicher Ebene nicht mehr haben sollten.

Wir werden uns damit anlässlich der Novellierung detailliert auseinander setzen und noch viele Diskussionen gemeinsam darüber führen. Darauf freue ich mich. – Danke für heute Abend. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.22


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. – Bitte.

22.22


Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Parla­ment hat sich in den vergangenen Jahren mit den Problemen der Mobilfunktelekommu­ni­ka­tion sehr intensiv auseinander gesetzt. Wir Sozialdemokraten haben dazu eine klare Haltung. Wir wollen Rechtssicherheit für die Bürger, für Investoren, und wir wollen ein funktionierendes


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10. Sitzung / Seite 199

UMTS-Netz unter Berücksichtigung des Umweltschutzes auch im ländlichen Raum flächen­deckend umsetzen.

11,4 Milliarden Lizenzzahlungen beinhalten natürlich auch ein Recht auf Rechtssicherheit, die die Regierung den Beteiligten und Betroffenen verwehrt. Das ist auch nicht verwunderlich, war doch gerade in diesem Bereich die Regierung in den vergangenen Jahren ausschließlich mit Perso­nal­fragen beschäftigt. Vier Minister in drei Jahren, das ist eine „stolze“ Bilanz. Ich denke, dass das ganz wesentlich mit ein Grund dafür ist, dass es diese wichtige und notwendige Grenz­wertverordnung bis heute nicht gibt.

Damit wird natürlich Investition verhindert. Es wird verhindert, dass Arbeitsplätze geschaffen werden. Es wird die Modernisierung der Telekom-Infrastruktur verhindert, und das schadet na­türlich auch ganz massiv dem Wirtschaftsstandort Österreich. Daher ist die Regierung einge­laden, eine zukunftsträchtige Telekom-Politik zu betreiben. Sie ist auch eingeladen, ein investi­tions­freudiges Klima zu schaffen, und sie ist eingeladen, Strukturen zu schaffen, die rasche Entscheidungen ermöglichen, Strukturen, die auch gewährleisten, dass die Gemeinden im Ver­fahren gestärkt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Schlussbemerkung zum Antrag: Er verfolgt eine positive Absicht, geht jedoch am Kern der Pro­blematik vorbei. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.24


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Mag. Mainoni. – Bitte.

22.24


Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Da­men und Herren! Frau Dr. Moser spricht natürlich ein sehr wichtiges Thema an, ein Thema, das seit vielen Jahren in Diskussion ist, Anrainerinnen und Anrainer bewegt und in Umweltfragen sehr ernst genommen werden soll. Aber, Frau Dr. Moser, dieses Thema mit der Änderung eines Absatzes des Telekommunikationsgesetzes lösen zu wollen, das geht wirklich nicht. (Abg. Dr. Moser: Nein!)

Wenn ich es so sehe, wie Sie es auch ausgeführt haben, dass Bewegung in die Sache kommen soll, soll es uns recht sein. Tatsache ist jedenfalls, dass wir es mit der Änderung dieses einen Ab­satzes sicherlich nicht bewenden lassen können – insbesondere natürlich auch im Zu­sammenhang mit der Aufstellung der UMTS-Sendemasten, die jetzt eine neuerliche Diskussion bei den Anrainern hervorrufen werden. Die Anraineranliegen müssen sicherlich ernst genom­men und auch berücksichtigt werden. Sie kennen die Kompetenzverstrickungen in diesem Bereich: Das Anlagenrecht ist Bundeskompetenz, die Baubewilligung Landeskompetenz und der Ortsbildschutz ist natürlich Gemeindekompetenz.

Das Telekommunikationsgesetz wird, wie hier bereits ausgeführt, noch im Frühjahr zur Be­handlung ins Parlament kommen. Wir werden eingehend darüber diskutieren und dann darüber beschließen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.25


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 49/A dem Verkehrsausschuss zu.

*****

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 72/A bis 96/A eingebracht wurden.


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10. Sitzung / Seite 200

Ferner sind die Anfragen 224/J bis 278/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrats, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuwei­sungen betreffen wird, berufe ich für 22.25 Uhr, das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung, ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 22.25 Uhr

 

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