Stenographisches Protokoll

56. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 25. März 2004

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 


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56. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode              Donnerstag, 25. März 2004

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 25. März 2004: 9.00 – 21.54 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz, das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Arzneiwareneinfuhrgesetz 2002 und das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds „Österreichisches Bun­desinstitut für Gesundheitswesen“ geändert werden

2. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Apothekerkammergesetz 2001 geändert wird

3. Punkt: Bericht über den Antrag 270/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Studien über den Einsatz von „Erwachse­nenmedikamenten“ in der Kinderheilkunde

4. Punkt: Bericht über den Antrag 271/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prüfung bei der Neuzulassung von Arznei­mittel für Kinder und Jugendliche

5. Punkt: Bericht über den Antrag 272/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserungen bei der Zulassung von Arz­neimittelspezialitäten für Kinder und Jugendliche

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem ein Fonds zur Finanzierung der In-vitro-Fertilisation eingerichtet wird, geändert wird (IVF-Fonds-Gesetz-Novelle 2004)

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Durchführung der Richt­linie der Europäischen Gemeinschaften über die gegenseitige Amtshilfe im Be­reich der direkten und indirekten Steuern (EG-Amtshilfegesetz – EG-AHG) geän­dert wird und ein EU-Quellensteuergesetz (EU-QuStG) erlassen wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Pfandbriefstelle-Gesetz – PfBrStG erlassen wird sowie das Sparkassengesetz und das Gesetz betreffend fundierte Bank­schuld­verschreibungen geändert werden

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Fi­nanz­strafgesetz, das Grenzkontrollgesetz, das Prokuraturgesetz und das Punzie-


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rungsgesetz 2000 geändert werden (5. Zollrechts-Durchführungsgesetz-Novel­le – 5. ZollR-DG-Novelle)

10. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 geändert wird

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das IAKW-Finanzierungsgesetz geändert wird (5. IAKW-Finanzierungsgesetz-Novelle)

12. Punkt: Protokoll zur Änderung des Internationalen Übereinkommens zur Vereinfachung und Harmonisierung der Zollverfahren (geschehen zu Brüssel am 26. Juni 1999) samt Anhängen

13. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Proto­koll

14. Punkt: Bericht über den Antrag 310/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Gesetz über die Errichtung der Buch­hal­tungsagentur des Bundes (Buchhaltungsagenturgesetz – BHAG-G) erlassen so­wie das Bundeshaushaltsgesetz und das Bundesfinanzgesetz 2004 (BFG 2004) geändert werden

16. Punkt: Bericht betreffend den Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes über Teilgebiete der Gebarung des Bundes

17. Punkt: Bundesgesetz über Leistungen für Privatbahnen (Privatbahn­ge­setz 2004 – PrivbG)

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird

19. Punkt: Bericht über den Antrag 358/A der Abgeordneten Mag. Eduard Mainoni, Werner Miedl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (23. KFG-Novelle)

20. Punkt: Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG)

21. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (342/A)

22. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungs­ge­setz 1977 (ALVG) geändert wird (343/A)

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 14


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56. Sitzung / Seite 3

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeant­wor­tung 1182/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung ........................................................................................ 27

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung ........ 160

Redner:

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 160

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat .................................................................... 163

Ing. Hermann Schultes .............................................................................................. 166

Mag. Ulrike Sima ........................................................................................................ 167

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................. 169

Dr. Eva Glawischnig .................................................................................................. 170

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 28

Fragestunde (6.)

Gesundheit und Frauen .............................................................................................. 14

Dr. Erwin Rasinger (42/M); Barbara Rosenkranz, Dr. Kurt Grünewald, Mag. Jo­hann Maier

Mag. Brigid Weinzinger (50/M); Bettina Stadlbauer, Edeltraud Lentsch, Dipl.-Ing. Elke Achleitner

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (48/M); Dr. Kurt Grünewald, Renate Csörgits, Barbara Riener

Christine Marek (43/M); Dipl.-Ing. Elke Achleitner, Mag. Brigid Weinzinger, Anita Fleckl

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 14

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................  27, 233, 235

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­desminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betref­fend Pensionspolitik der Regierung – Der Weg in die Altersarmut (1594/J) ..................................................................................................... 111

Begründung: Dr. Josef Cap ........................................................................................ 117

Bundesminister Mag. Herbert Haupt ....................................................................... 123

Debatte:

Dr. Alfred Gusenbauer .............................................................................................. 130

Mag. Walter Tancsits ................................................................................................. 132

Mag. Dr. Magda Bleckmann ...................................................................................... 134

Karl Öllinger ................................................................................................................ 137

Stefan Prähauser ........................................................................................................ 139

Ridi Steibl .................................................................................................................... 141

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................. 143


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56. Sitzung / Seite 4

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................................. 145

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................... 147

Jochen Pack ................................................................................................................ 149

Maximilian Walch ....................................................................................................... 150

Sabine Mandak ........................................................................................................... 151

Dietmar Keck .............................................................................................................. 153

Bundesminister Mag. Herbert Haupt ....................................................................... 155

Franz Eßl ..................................................................................................................... 155

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 156

Herbert Scheibner ...................................................................................................... 158

Mag. Wilhelm Molterer .............................................................................................. 159

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (384 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz, das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Arzneiwareneinfuhrgesetz 2002 und das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds „Österreichisches Bun­desinstitut für Gesundheitswesen“ geändert werden (440 d.B.) ............................. 28

2. Punkt: Bericht und Antrag des Gesundheitsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Apothekerkammergesetz 2001 geändert wird (441 d.B.) ............................... 28

3. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 270/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Studien über den Einsatz von „Erwachsenenmedikamenten“ in der Kinderheilkunde (442 d.B.) ....................................................................................... 28

4. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 271/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prüfung bei der Neuzulassung von Arzneimittel für Kinder und Jugendliche (443 d.B.) .................................................................................................... 28

5. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 272/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbes­serungen bei der Zulassung von Arzneimittelspezialitäten für Kinder und Jugend­liche (444 d.B.) ............................................................................ 29

Redner:

Dr. Kurt Grünewald ...................................................................................................... 29

Dr. Erwin Rasinger ....................................................................................................... 31

Theresia Haidlmayr ...................................................................................................... 32

Heidrun Silhavy ............................................................................................................ 33

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................................... 35

Barbara Rosenkranz .................................................................................................... 37

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat ...............................................................  38, 51

Dipl.-Ing. Günther Hütl ................................................................................................. 39

Mag. Johann Maier ....................................................................................................... 41

Elmar Lichtenegger ..................................................................................................... 43

Anna Höllerer ................................................................................................................ 44

Gabriele Heinisch-Hosek ............................................................................................. 45

Dr. Franz-Joseph Huainigg ......................................................................................... 46

Renate Csörgits ............................................................................................................ 47

August Wöginger ......................................................................................................... 47

Beate Schasching ........................................................................................................ 48

Dr. Peter Sonnberger ................................................................................................... 49


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56. Sitzung / Seite 5

Ing. Erwin Kaipel .......................................................................................................... 50

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Zulassung von Medikamenten, die in ihrer Wirkung auf Frauen ausreichend getestet sind – Ablehnung                37, 51

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Weitere Maßnahmen zur Bekämpfung von Doping im Frei­zeit- und Leistungssport“ – Ablehnung               42, 52

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 440 und 441 d.B. ........................................... 51

Kenntnisnahme der drei Ausschussberichte 442, 443 und 444 d.B. ............................ 52

6. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (369 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem ein Fonds zur Finanzierung der In-vitro-Fertilisation eingerichtet wird, geändert wird (IVF-Fonds-Gesetz-Novelle 2004) (445 d.B.) .......................................... 52

Redner:

Dr. Erwin Rasinger ....................................................................................................... 52

Erwin Spindelberger .................................................................................................... 53

Barbara Rosenkranz .................................................................................................... 55

Dr. Kurt Grünewald ...................................................................................................... 56

Ridi Steibl ...................................................................................................................... 58

Dr. Günther Kräuter ..................................................................................................... 59

Elmar Lichtenegger ..................................................................................................... 60

Theresia Haidlmayr ...................................................................................................... 61

Barbara Riener ............................................................................................................. 62

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat ...................................................................... 63

Anna Franz .................................................................................................................... 64

Maria Grander ............................................................................................................... 65

Annahme des Gesetzentwurfes ..................................................................................... 66

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (350 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Durchführung der Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften über die gegenseitige Amtshilfe im Bereich der direkten und indirekten Steuern (EG-Amtshilfegesetz – EG-AHG) geändert wird und ein EU-Quellensteuergesetz (EU-QuStG) erlassen wird (429 d.B.) ............................. 66

8. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (392 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Pfandbriefstelle-Gesetz – PfBrStG erlassen wird so­wie das Sparkassengesetz und das Gesetz betreffend fundierte Bankschuld­ver­schreibungen geändert werden (430 d.B.) .............................. 66

9. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (405 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Finanzstraf­ge­setz, das Grenzkontrollgesetz, das Prokuraturgesetz und das Punzierungsge­setz 2000 geändert werden (5. Zollrechts-Durchführungsgesetz-Novelle – 5. ZollR-DG-Novelle) (431 d.B.) ................................................................................................... 66

10. Punkt: Bericht und Antrag des Finanzausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungs­gesetz 1994 geändert wird (432 d.B.) ....... 67


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56. Sitzung / Seite 6

Redner:

Dr. Christoph Matznetter ............................................................................................. 67

Ing. Hermann Schultes ................................................................................................ 68

Mag. Werner Kogler ..................................................................................................... 69

Josef Bucher ................................................................................................................. 71

Mag. Dietmar Hoscher ................................................................................................. 72

Gabriele Tamandl ......................................................................................................... 73

Mag. Melitta Trunk ....................................................................................................... 73

Staatssekretär Dr. Alfred Finz .................................................................................... 76

Detlev Neudeck ............................................................................................................. 77

Kurt Eder ....................................................................................................................... 78

Ing. Erwin Kaipel .......................................................................................................... 79

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Erhalt des Know-how der Zollwache und Schaffung einer Finanzpolizei – Ablehnung  75, 80

Annahme der vier Gesetzentwürfe in 429, 430, 431 und 432 d.B. ................................ 79

11. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (413 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das IAKW-Finanzierungsgesetz geändert wird (5. IAKW-Finanzierungsgesetz-Novelle) (433 d.B.)         ............................................................................................................................... 80

Redner:

Dr. Ferdinand Maier ..................................................................................................... 81

Mag. Dietmar Hoscher ................................................................................................. 82

Josef Bucher ................................................................................................................. 83

Mag. Werner Kogler ..................................................................................................... 83

Annahme des Gesetzentwurfes ..................................................................................... 84

Gemeinsame Beratung über

12. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (339 d.B.): Protokoll zur Änderung des Internationalen Übereinkommens zur Ver­einfachung und Harmonisierung der Zollverfahren (geschehen zu Brüssel am 26. Juni 1999) samt Anhängen (434 d.B.) ............................................. 84

13. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (352 d.B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Proto­koll (435 d.B.) ................................................................................................ 84

Redner:

Ing. Kurt Gartlehner ..................................................................................................... 85

Josef Bucher ................................................................................................................. 85

Michaela Sburny ........................................................................................................... 86

Kurt Eder ....................................................................................................................... 86

Genehmigung der beiden Staatsverträge in 434 und 435 d.B. ...................................... 87

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG hinsichtlich 434 d. B. .......... 87

14. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 310/A der Abge­ordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuer­ge­setz 1994 geändert wird (436 d.B.) ..................................................... 88


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56. Sitzung / Seite 7

Redner:

Dr. Christoph Matznetter ............................................................................................. 88

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll ...................................................................................... 89

Josef Bucher ................................................................................................................. 90

Mag. Werner Kogler ..................................................................................................... 90

Jakob Auer .................................................................................................................... 91

Wolfgang Großruck ..................................................................................................... 92

Konrad Steindl .............................................................................................................. 93

Annahme des Gesetzentwurfes ..................................................................................... 94

15. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (381 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Gesetz über die Errichtung der Buch­haltungsagentur des Bundes (Buchhaltungsagenturgesetz – BHAG-G) erlassen sowie das Bundeshaushaltsgesetz und das Bundesfinanzgesetz 2004 (BFG 2004) geändert werden (428 d.B.) ........................................................................................................... 94

Redner:

Dr. Christoph Matznetter ............................................................................................. 95

Edeltraud Lentsch ........................................................................................................ 96

Mag. Werner Kogler ..................................................................................................... 96

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann ................................................................................... 98

Staatssekretär Dr. Alfred Finz .................................................................................... 99

Dkfm. Dr. Hannes Bauer ........................................................................................... 101

Johann Kurzbauer ...................................................................................................... 102

Michaela Sburny ......................................................................................................... 103

Dr. Ferdinand Maier ................................................................................................... 104

Marianne Hagenhofer ................................................................................................ 105

Helga Machne ............................................................................................................. 106

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 106

16. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Wahrneh­mungsbericht (III-42 d.B.) des Rechnungshofes über Teilgebiete der Gebarung des Bundes (416 d.B.) ................... 106

Redner:

Dr. Günther Kräuter ................................................................................................... 107

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................. 108

Mag. Werner Kogler ..........................................................................................  110, 172

Mag. Dr. Magda Bleckmann ...................................................................................... 174

Mag. Ruth Becher ...................................................................................................... 176

Hermann Gahr ............................................................................................................ 177

Mag. Kurt Gaßner ....................................................................................................... 178

Detlev Neudeck ........................................................................................................... 179

Ing. Erwin Kaipel ........................................................................................................ 180

Mag. Heribert Donnerbauer ...................................................................................... 181

Hermann Krist ............................................................................................................ 181

Dipl.-Ing. Hannes Missethon ..................................................................................... 182

Staatssekretär Dr. Alfred Finz .................................................................................. 183

Mag. Christine Lapp ................................................................................................... 184

Johann Ledolter ......................................................................................................... 185

Gerhard Reheis .......................................................................................................... 185

Dr. Christian Puswald ................................................................................................ 186

Rechnungshofpräsident Dr. Franz Fiedler .............................................................. 187

Rosemarie Schönpass .............................................................................................. 189

Christian Faul ............................................................................................................. 190


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56. Sitzung / Seite 8

Kenntnisnahme des Berichtes III-42 d.B. ..................................................................... 191

17. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (391 d.B.): Bundesgesetz über Leistungen für Privatbahnen (Privatbahnge­setz 2004 – PrivbG) (425 d.B.) ................ 191

Redner:

Mag. Karin Hakl .......................................................................................................... 191

Peter Marizzi ............................................................................................................... 192

Anton Wattaul ............................................................................................................. 193

Dr. Evelin Lichtenberger ........................................................................................... 193

Erwin Hornek .............................................................................................................. 194

Gerhard Steier ............................................................................................................ 195

Klaus Wittauer ............................................................................................................ 196

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 196

Staatssekretär Mag. Helmut Kukacka ..................................................................... 198

Franz Glaser ................................................................................................................ 199

Christoph Kainz .......................................................................................................... 199

Dr. Peter Sonnberger ................................................................................................. 200

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 201

18. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (349 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird (426 d.B.) .................................................. 201

Redner:

Kurt Eder ..................................................................................................................... 201

Werner Miedl ............................................................................................................... 202

Dr. Evelin Lichtenberger ........................................................................................... 203

Anton Wattaul ............................................................................................................. 207

Gabriele Binder .......................................................................................................... 208

Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler ............................................................................... 209

Anita Fleckl ................................................................................................................. 210

Klaus Wittauer ............................................................................................................ 211

Ing. Erwin Kaipel ........................................................................................................ 212

Staatssekretär Mag. Helmut Kukacka ..................................................................... 213

Günter Kößl ................................................................................................................ 214

Anton Heinzl ............................................................................................................... 215

Johann Rädler ............................................................................................................ 216

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 217

19. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 358/A der Abge­ordneten Mag. Eduard Mainoni, Werner Miedl, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (23. KFG-Novelle) (427 d.B.) ................................................................. 217

Redner:

Jochen Pack ................................................................................................................ 217

Kurt Eder ..................................................................................................................... 218

Anton Wattaul ............................................................................................................. 219

Dr. Evelin Lichtenberger ........................................................................................... 219

Franz Xaver Böhm ..................................................................................................... 219

Klaus Wittauer ............................................................................................................ 220

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 220


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56. Sitzung / Seite 9

20. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (370 d.B.): Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG) (439 d.B.) ...................................................................................................................... 221

Redner:

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................. 221

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................................................ 222

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 223

Dr. Johannes Jarolim ................................................................................................ 224

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................. 227

Werner Miedl ............................................................................................................... 227

Mag. Gisela Wurm ...................................................................................................... 228

Mag. Eduard Mainoni ................................................................................................. 228

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer .................................................................. 228

Ing. Norbert Kapeller .................................................................................................. 229

Rudolf Parnigoni ........................................................................................................ 229

Dr. Christian Puswald ................................................................................................ 229

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 230

21. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (342/A) ...... 231

Redner:

Petra Bayr ................................................................................................................... 231

Martin Preineder ......................................................................................................... 231

Dr. Evelin Lichtenberger ........................................................................................... 232

Detlev Neudeck ........................................................................................................... 232

Zuweisung des Antrages 342/A an den Verkehrsausschuss ...................................... 233

22. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslo­sen­ver­siche­rungsgesetz 1977 (ALVG) geändert wird (343/A)      ............................................................................................................................. 233

Redner:

Heidrun Silhavy .......................................................................................................... 233

Georg Keuschnigg ..................................................................................................... 234

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................. 234

Karl Öllinger ................................................................................................................ 234

Zuweisung des Antrages 343/A an den Ausschuss für Arbeit und Soziales ............... 235

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen ................................................................................................... 27

451: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Kör­per­schaftsteuergesetz 1988, das Mineralölsteuergesetz 1995, das Schaumwein­steuer­gesetz 1995, das Biersteuergesetz 1995, das Finanzstrafgesetz, die Bun­desabgabenordnung und das Finanzausgleichsgesetz 2001 geändert werden und ein Pauschalabgabegesetz eingeführt wird (Steuerreformgesetz 2005 – StReformG 2005)

452: Bundesgesetz, mit dem ergänzende Regelungen über das Vorgehen der Zollbehörden im Verkehr mit Waren, die ein Recht am geistigen Eigentum verletzen, erlassen werden (Produktpirateriegesetz 2004 – PPG 2004)


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56. Sitzung / Seite 10

Anträge der Abgeordneten

Gerhard Steier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Transport von Tieren auf der Straße (Tiertransportgesetz-Straße, TGSt) geändert wird (367/A)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Weitere Maßnahmen zur Bekämpfung von Doping im Freizeit- und Leistungssport durch das Gesundheits­ministerium“ (368/A) (E)

Mag. Dietmar Hoscher, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz geändert wird (369/A)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Internet-Kompetenzzentrum für Arzneimittel- und Lebensmittelsicherheit (370/A) (E)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aktion „Play Fair at the Olympics!“ (371/A) (E)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsatz für eine Lösung des Schuldenproblems des Irak (372/A) (E)

Fritz Grillitsch, Klaus Wittauer, Kolleginnen und Kollegen zum Gentechnik-Mora­torium sowie zur Regelung der Koexistenz und der Haftung in Zusammenhang mit GVO’s (373/A) (E)

Johannes Schweisgut, Mares Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend langfristige Koordination der Semesterferien (374/A) (E)

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 geändert wird (375/A)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicher­heit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Pensionspolitik der Regie­rung – Der Weg in die Altersarmut (1594/J)

Karl Freund, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die immer größer werdende Zahl von so genannten Maut­flüchtlingen in den Bezirken Ried, Schärding und Grieskirchen durch die Einführung der LKW-Maut (1595/J)

Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend mangelnde Vertretung der Inter­essen der Bauern durch die Landwirtschaftskammer (1596/J)

Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Immobilienverkäufe der ÖBB (1597/J)

Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die geplante Ausgliederung von Verwaltungsagenden des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie an die Austro-Control (1598/J)

Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Bestellung von Organen im ÖBB-Konzern (1599/J)


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56. Sitzung / Seite 11

Mag. Dr. Magda Bleckmann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Ausstellung Otto Muehl im Museum für Angewandte Kunst (1600/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Rech­nungs­hofes betreffend Aufträge an Consulting Ramsauer (1601/J)


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56. Sitzung / Seite 12

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesregierung betreffend Aufträge an Consulting Ramsauer (1602/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Aufträge an Consulting Ramsauer (1603/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Aufträge an Consulting Ramsauer (1604/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Aufträge an Consulting Ramsauer (1605/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Aufträge an Consulting Ramsauer (1606/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Aufträge an Consulting Ramsauer (1607/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Aufträge an Consulting Ramsauer (1608/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Aufträge an Consulting Ramsauer (1609/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend Aufträge an Consulting Ramsauer (1610/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Aufträge an Consulting Ramsauer (1611/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Aufträge an Consulting Ramsauer (1612/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Aufträge an Consulting Ramsauer (1613/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Aufträge an Consulting Ramsauer (1614/J)

Erwin Spindelberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Tatsächliche Anzahl der bei der BPD Steiermark tätigen Exekutivbeamten (1999 – 2004)“ (1615/J)

Gerhard Steier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Tatsächliche Anzahl der bei der BPD Burgenland tätigen Exekutivbeamten (1999 – 2004)“ (1616/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Änderung des WGG (1617/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend AGES (Geschäftsführung und RH-Bericht) (1618/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend den Einsatz der Bundesregierung für wichtige österreichische Schienenprojekte (Graz-Maribor, Linz-Ljubljana) in Brüssel und bei den Nachbarstaaten (1619/J)

Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Trauerfeierlichkeiten für die Terroropfer in Madrid (1620/J)

Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Trauerfeierlichkeiten für die Terroropfer in Madrid (1621/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Donauausbau und damit verbundene negative ökologische Auswirkungen (1622/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Donauausbau und damit verbundene negative ökologische Auswirkungen (1623/J)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Aufgaben der Landesämter für Verfassungsschutz und Terrorismus­bekämpfung (LVT) (1624/J)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Tatsächliche Anzahl der beim Landesgendarmeriekommando Tirol tätigen Gendarmeriebeamten (1999 – 2004)“ (1625/J)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Förderung des Friedrich August von Hayek-Instituts (1626/J)

Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Lärm- und Abgasschutzmaßnahmen für die An­rainergemeinden der Tauern Autobahn A 10 (1627/J)

Heinz Gradwohl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Ausbildung von Hunden durch Stromstöße, geltende Rechtslage, Aussagen des 3. Na­tionalratspräsidenten und passionierten Jägers Thomas Prinzhorn dazu (1628/J)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend „Jugend­beauf­tragte in den Ressorts“ (1629/J)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Bundes-Jugendförderungsgesetz (1630/J)

Hermann Krist, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend „Verkehrsinfarkt“ im Kremstal und der geplante Bau der B 139 „neu“ (Umfahrung Haid), der nicht umgesetzt wird (1631/J)

Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend tatsächliche Anzahl der beim Landesgendarmeriekommando Kärnten täti­gen Gendarmeriebeamten (1999 – 2004) (1632/J)


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56. Sitzung / Seite 13

Doris Bures, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Anfragebeantwortung 1343/AB (1633/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Aktion scharf gegen Brauereien und Gastronomie – Ergebnisse – schleichende Steueramnestie?“ (1634/J)

*****

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend Aufträge an Consulting Ramsauer (20/JPR)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Gabriele Hei­nisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen (1347/AB zu 1385/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (765/AB zu 734/J) (Zu 765/AB zu 734/J)



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56. Sitzung / Seite 14

Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweiter Präsident Dr. Heinz Fischer, Dritter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Sitzung ist eröffnet. Ich bitte die Damen und Herren, die Plätze einzunehmen.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Frieser, Donabauer, Lackner, Broukal, Dr. Rada, Scharer.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundes­kanzleramt über Entschließung des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein wird durch den Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser vertreten.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll wird durch Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat vertreten.

Fragestunde

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen zur Fragestunde. Ich beginne jetzt, um 9.01 Uhr, mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Gesundheit und Frauen

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen zur 1. Anfrage des Abgeordneten Dr. Ra­singer an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen. – Herr Abgeordneter, bitte.

 


Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Frage lautet:

42/M

„Welche Aktivitäten setzen Sie zur Verbesserung der Gesundheitsförderung in Öster­reich?“

(Abg. Scheibner: Das ist aber eine nette Frage!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Hohes Haus! Wir haben uns zu Beginn dieser Legislaturperiode vorgenommen, Ge­sundheit neu zu denken, das heißt: weg vom ausschließlichen Reparaturdenken in der Medizin, statt dessen ein neuer zusätzlicher Schwerpunkt und Fokus auf die Gesund­heitsförderung.


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56. Sitzung / Seite 15

Wir haben daher bereits im vergangenen Jahr nicht nur mit der Konzeption, sondern auch mit der Umsetzung unseres großen Gesundheitsförderungsprogramms begon­nen, wobei wir uns vorgenommen haben, das in zielgruppenspezifischen Angeboten an möglichst alle Österreicherinnen und Österreicher heranzutragen und nicht nur Be­wusstseinsbildung zu betreiben, sondern vor allem auch zu Verhaltensänderungen zu animieren.

Dieses Gesundheitsförderungsprogramm ist ein ganzheitliches. Es umfasst die Bereiche Ernährung, Bewegung, Stressabbau oder – noch besser! – Stressvermei­dung, Unfallverhütung und das, was wir bisher unter klassischer medizinischer Vor­sorge verstanden haben.

Eine umfassende Gesundheitsförderungsbewegung, die alle acht Millionen Öster­reiche­rinnen und Österreicher erreichen soll, kann nur in Zusammenarbeit mit vielen Kooperationspartnerinnen und -partnern funktionieren. Wir haben uns daher auch zielgruppenspezifisch und auch risikogruppenspezifisch an entsprechende Koope­ra­tions­partner gewandt.

Das sind für Kinder und Jugendliche natürlich die Kindergärten, die Schulen, die außer­schulischen Jugendorganisationen, die Kinderkliniken. Das sind für die erwerbstätige Bevölkerung zwischen 15 und 65 vor allem die Betriebe mit betrieblichen Gesund­heitsförderungsmaßnahmen. Wir konnten bereits tausende Betriebe dafür gewinnen, in ihrem Unternehmen gesundheitsfördernde Maßnahmen zu setzen. Sie haben dabei die sehr positive Erfahrung gemacht, dass sich diese Investitionen letztendlich rechnen, weil nicht nur die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu einem besseren Betriebsklima führt, sondern derartige Maßnahmen auch Auswirkungen auf die Anzahl der Krankenstandstage im Betrieb und damit auch unmittelbare Auswirkungen auf die Effizienz und die Produktivität der Betriebe haben.

Wir haben uns – was die Senioren anlangt – vor allem an die Seniorenorganisationen gewandt, und zwar parteiübergreifend, sowie natürlich an die Medien, vor allem den ORF, die uns zugesichert haben, uns in den bewusstseinsbildenden Maßnahmen zu unterstützen.

Verhaltens- oder Lebensstiländerungen werden wir allerdings nur dann erreichen, wenn wir die Österreicherinnen und Österreicher ganz konsequent, in kleinen Schrit­ten, davon überzeugen, dass gesunde Ernährung wohlschmeckend sein kann, dass sie nicht bedeutet, auf alles zu verzichten, sondern dass man – mit Maß und Ziel! – auch mit weniger gesunden beziehungsweise zu fetten Nahrungsmitteln richtig umge­hen kann.

Wichtig scheint mir zu sein, dass wir die Österreicherinnen und Österreicher zu mehr Vollkorn, zu mehr Gemüse, zu mehr Vitaminen – also Obst – animieren und vor allem „bewegen“ können. Wir haben nämlich in den letzten Jahren durch die Motorisierung, die in ganz Österreich Platz gegriffen hat, offensichtlich ein wenig vergessen, unsere Bewegungswerkzeuge regelmäßig in Gang zu setzen. Dabei geht es sowohl um die Alltagsbewegung als auch um den Sport. Stiegen steigen kann sich lohnen, auch was den Gesundheitszustand anlangt. Das allein ist jedoch zu wenig. Also: Spaziergänge und mäßiger Sport sind sinnvoll!

Dazu gibt es eine Fülle weiterer Maßnahmen, aber ich denke, das würde jetzt zu weit führen. Vielleicht ergibt sich bei den Zusatzfragen noch einiges. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rasinger? – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Frau Ministerin! Durch welche Maßnahmen werden Sie diese einzelnen Zielgruppen erreichen können?

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Wie ich vorhin schon gesagt habe: primär über Kooperationspartnerinnen und -partner. Ich werde es vielleicht mittels einiger Beispiele konkretisieren.

Wir haben soeben gemeinsam mit dem Stadtschulrat für Wien ein Programm für den Sachunterricht in Volksschulen fertig gestellt – die „Ernährungsdetektive“ –, mit dem in spielerischer Form sehr bewusst auf den Nährwert der einzelnen Lebensmittel ein­gegangen wird. Dieses Programm wird jetzt allen Volksschullehrerinnen und Volks­schullehrern angeboten und ist verbunden mit sehr ansprechenden Arbeitsheften. Es wird angeregt, dass man sich damit auch auseinander setzt.

Das Gleiche gibt es für Kindergärten. Und wir werden vor allem einen Schwerpunkt in der achten Schulstufe setzen – das sind die vierten Klassen des Gymnasiums, der Hauptschule und der Allgemeinen Sonderschule –, im Zuge dessen wir, heuer bereits mit einem Probedurchgang, aber im nächsten Jahr hoffentlich sehr breit und ab dem übernächsten Jahr flächendeckend in allen vierten Hauptschul-, Mittelschul-, Sonder­schulklassen einen Projekttag oder eine Projektwoche zum Thema Gesundheit veran­stalten werden, wo auf diese fünf Bereiche Ernährung, Bewegung, Stressvermeidung, Unfallverhütung und medizinische Vorsorge vor allem auch altersspezifisch einge­gangen werden kann – etwa was den Sport oder das Mopedfahren, die Unfallgefahren im Straßenverkehr anlangt.

Wir werden das mit der jetzt schon bestehenden Untersuchung in der achten Schul­stufe, dieser Schulabschlussuntersuchung beziehungsweise Zwischenuntersuchung, die wir jetzt standardisiert haben, verbinden. Wir haben zum Beispiel den ersten öster­reichischen Schulärzt/innenkongress am 14. Jänner in Linz durchgeführt, bei dem wir diese Untersuchung sowohl standardisiert als auch, da nun vergleichbar, vereinbart ha­ben, dass sie im Ministerium anonymisiert ausgewertet wird. Damit werden wir eine gute Information über den Gesundheitszustand unserer 14-Jährigen bekommen. Wir haben nämlich leider mit Übergewicht bis zur Fettleibigkeit unter Kindern sehr zu kämpfen.

Bei den betrieblichen Initiativen hat die AUVA in dankenswerter Weise ein betriebliches Gesundheitsförderungszentrum eingerichtet, das vor allem zur Information besonders der Betriebe zur Verfügung steht. Großbetriebe haben es etwas leichter, weil sie einen Betriebsarzt haben, der sich darauf konzentrieren kann. Klein- und Mittelbetriebe ha­ben es etwas schwerer. Daher hat zum Beispiel die Tiroler Wirtschaftskammer gemein­sam mit der UNIQA und dem ORF Tirol eine betriebliche Gesundheitsförderungs­offensive gesetzt, die sich vor allem an Klein- und Mittelbetriebe richtet und Bewegung, Ernährung, den VitalClub an die Betriebe heranträgt.

Wir werden noch in diesem Jahr auch im Bund mit einer Initiative „Betriebliche Ge­sundheitsförderung in den Ministerien“ beginnen. Das Bundeskanzleramt, das Bun­desministerium für Gesundheit und Frauen sowie das Sozialministerium werden für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein derartiges Vitalprogramm entwickeln, imple­mentieren und umsetzen. Ich hoffe, dass es gelingt, auch im öffentlichen Dienst die ent­sprechende Unterstützung dafür zu bekommen.

Wir haben darüber hinaus noch natürlich risikogruppenspezifische Angebote, vor allem was die Entwöhnung von Raucherinnen und Rauchern anlangt; wir planen besonders für Jugendliche eine Initiative gegen das Rauchen. Wir halten leider innerhalb Europas einen höchst unerfreulichen Rekord, denn in Österreich geben 20 Prozent der 15-jäh­rigen Buben und sogar 26 Prozent der 15-jährigen Mädchen an, dass sie regelmäßig rauchen. Diese Zahl ist erschreckend, vor allem wenn man da noch die Dunkelziffer dazuzählt.


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56. Sitzung / Seite 17

Ich denke, dass wir alle Anstrengungen unternehmen sollten, um Kinder und Jugend­liche – das Einstiegsalter liegt manchmal sogar bei elf, zwölf Jahren – von dieser Sucht abzuhalten, sie stark so zu machen, dass sie es nicht brauchen. Der Slogan ist ja eigentlich: „Ich brauche es nicht!“ – Da gab es auch schon eine gute Initiative des Fonds „Gesundes Österreich“. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Abge­ordnete Rosenkranz gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! Sie haben vor kurzem einen Gesundheitspass präsentiert. Welchen Anteil an dessen Finan­zierung übernehmen die Gebietskörperschaften und andere Institutionen?

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Abgeord­nete! Der Gesundheitspass, den wir derzeit ausarbeiten, ist sozusagen der Folgepass zum Mutter-Kind-Pass, das Missing Link zum Erwachsenenpass, nämlich der Ge­sund­heitspass für Jugendliche. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Khol gibt das Glocken­zeichen.)

In weiterer Planung sind drei Gesundheitspässe für Erwachsene, und zwar für unter 40-Jährige, für über 40-Jährige und für Seniorinnen und Senioren, die mit Ende dieses Jahres, Beginn des nächsten Jahres zur Verfügung stehen werden. Diese Gesund­heitspässe haben sowohl eine Art amtlichen Teil für die Eintragungen des Arztes als auch eine Begleitbroschüre, die wichtige Informationen – altersspezifische Informa­tionen – zur Gesundheit gibt und in anschaulicher Form anregen soll, sich gesünder zu ver­hal­ten, gesünder zu leben.

Diese Begleitbroschüre möchten wir vor allem mit Hilfe von Sponsorinnen und Sponsoren, von Firmen finanzieren, sodass möglichst wenig Geld der öffentlichen Hand für diese Gesundheitspässe notwendig ist. Wir werden aber selbstverständlich versuchen, jene Bundesländer, die jetzt schon ein Gesundheitsförderungsprogramm und auch dementsprechende Gesundheitspässe haben, in unsere Initiative einzu­binden, die bestehenden Pässe zu koordinieren beziehungsweise zusammenzuführen. Darin besteht dann natürlich die Möglichkeit der Länder, sich daran zu beteiligen. Es ist sinnvoll, hier eine gemeinsame Aktion zu machen.

Zum Gesundheitspass für Jugendliche: Dieser ist ja mit einer Untersuchung der 14-Jährigen in den Schulen verbunden, die jetzt schon von den Gemeinden finanziert wird. Das soll auch so bleiben. Der Pass bietet sozusagen nur die Möglichkeit, dem Kind, dem Jugendlichen seine Gesundheitsdaten zur Verfügung zu stellen.

Ich finde es großartig, dass unsere Jugendlichen – wir haben sie auch eingeladen, daran mitzuarbeiten – ganz wichtige Ideen dazu beigetragen haben, um diesen Pass noch zu verbessern.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Dr. Grünewald.

 


Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! In unverbesserlichem Idealismus stelle ich Ihnen die Frage: Können Sie sich vorstellen, Initiativen zu unterstützen, damit in Zukunft Gesetze nicht nur auf ihre Verfassungs­kon­formität untersucht werden, sondern auch auf ihre gesundheitspolitischen Auswir­kun­gen, sodass wir uns nicht selbst Überraschungseier legen? (Abgeordnete von den Grünen verteilen an die Abgeordneten der drei anderen Fraktionen Osterkarten und bunte Eier.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Abgeord­neter! Wir werden diese Anregung gerne aufgreifen. Wir haben uns ja schon in den letzten Jahren immer darum bemüht, dass die Gesetze nicht nur budgetverträglich sind, was die finanziellen Auswirkungen anlangt, sondern dass sie zum Beispiel auch kinderverträglich sind, umweltverträglich sind. Ich bin gerne bereit – soweit das im Rahmen eines Gesetzwerdungsprozesses schon absehbar und erkennbar ist –, Ihre Anregung aufzugreifen und kommende Gesetze auch auf ihre Gesundheits­verträg­lichkeit, auf ihre Auswirkungen auf die Gesundheit, zu prüfen beziehungsweise prüfen zu lassen. Gerne!

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich bitte, den allgemeinen Geräuschpegel niedriger zu halten und die Verteilaktion so durchzuführen, dass sie nicht als störend empfunden wird!

Eine weitere Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte, Herr Abge­ord­neter.

 


Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Frau Bundesministerin! Gesundheitsförde­rung bedarf einer finanziellen Absicherung. Nun hat der Verfassungsgerichtshof – die entsprechende Entscheidung liegt nun vor – dieses Karussell von Geldverschiebungen von einer Gebietskrankenkasse zur anderen aufgehoben.

Meine Frage lautet: Wie lösen Sie die von Ihnen, von der Bundesregierung zu verant­wortende prekäre Finanzsituation im Gesundheitswesen konkret?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Abgeord­neter Maier! Es ist richtig: Gesundheitsförderung kostet Geld. (Anhaltende Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Khol gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Es gibt in Österreich ein Gesundheitsförderungsgesetz, mit dem vor etwas mehr als sieben Jahren der Fonds „Gesundes Österreich“ geschaffen wurde, in dem jährlich rund 100 Mil­lionen Schilling vor allem für Initiativprojekte im Bereich der Gesundheitsförderung zur Verfügung stehen.

Darüber hinaus gibt es in den einzelnen Krankenversicherungen gesundheitsfördernde Maßnahmen, deren Budgets allerdings in der Regel unter einem Prozent der jeweiligen Ausgaben der Krankenversicherung liegen. Die Krankenkassen finanzieren zum Bei­spiel die Vorsorgeuntersuchungen für Personen über 19 Jahre. Wir haben jetzt auch an­geregt, diese Untersuchungen schon ab 18 Jahren durchzuführen, weil hier eine Lücke entstanden ist. Das war eine Idee der Gewerkschaftsjugend.

In der Tat ist die finanzielle Situation der Krankenkassen natürlich entsprechend ange­spannt; und durch die Aufhebung dieses Gesetzes im Gefolge des Verfassungs­gerichtshofurteils wird das nicht leichter. Das Verfassungsgerichtshofurteil liegt seit gestern Nachmittag über Internet schriftlich vor. Es umfasst mehr als 88 Seiten und wird derzeit in allen Details geprüft, vor allem was die Rückabwicklung aus früheren Jahren anlangt, denn es könnte sein, dass wir in manchen Bereichen bis ins Jahr 1977 rückabwickeln müssten. Ich kann Ihnen daher jetzt noch nicht im Detail sagen, welche Auswirkungen das haben wird.

Das, was sozusagen als verfassungswidrig erkannt wurde, ist der Ausgleichstopf zwi­schen den unterschiedlichen Kassen. Nicht angezweifelt wurde zum Beispiel der Aus­gleich zwischen den neun Gebietskrankenkassen, die gleiche Voraussetzungen haben. Schwieriger wird es schon, was die Sozialversicherung der Bauern oder die Sozial­ver­sicherung der gewerblichen Wirtschaft anlangt, weil diese völlig unterschiedliche Bei-


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träge erhalten und unterschiedliche Leistungen bieten im Vergleich zu den Gebiets­kran­kenkassen beziehungsweise auch untereinander.

Wir werden das daher sehr genau prüfen, werden uns in den nächsten Wochen sehr intensiv nicht nur bei uns im Hause, sondern natürlich auch mit dem Hauptverband und allen Sozialversicherungsträgern auseinander- und zusammensetzen, um hier Lösun­gen zu finden, die sicherstellen, dass die Krankenkassen finanziert werden und dass auch ein Gesundheitsförderungsprogramm darin Platz findet.

Ich denke, dass wir dann im Rahmen der großen Gesundheitsreform die Vorsorge und Vorsorgeaktivitäten mit einem eigenen Gesundheitsförderungsgesetz stärker veran­kern sollten.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit haben wir die 1. Frage in knapp 20 Minuten abge­arbeitet. Frau Bundesministerin! Wenn wir in diesem Tempo weitermachen, dann wer­den wir mit den vier Fragen nicht fertig. Normalerweise schaffen wir neun Fragen in einer Stunde. Videant consules!

Die nächste Frage formuliert Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger. – Die Fragen sind nicht zu lange. – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Frau Ministerin! Meine Frage lautet:

50/M

„Können Sie mindestens fünf neue frauenpolitische Initiativen Ihres Ressorts nennen, die nicht – wie etwa Kinderbetreuungsgeld, Familienhospizkarenz oder Pensions­an­rech­nung von Kindererziehungszeiten – auch familienspezifisch, sondern ausschließ­lich frauenspezifisch sind?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Gerne, Frau Abgeordnete Weinzinger! Ich kann Ihnen berichten, dass wir in meiner Zeit als Frauen­ministerin das Gender Mainstreaming Programm, zu dem sich die Regierung im Jahr 2002 verpflichtet hat, intensiv ausgebaut haben, dass wir in der Zwischenzeit aus allen Ministerien eine entsprechende Rückmeldung haben über Initiativen, die in den einzelnen Ministerien zur Gleichstellung von Frau und Mann gesetzt werden, und dass wir darüber hinaus auch in jeweiligen direkten Kontakten zu den einzelnen Ministern diese Initiative auch intensiv im öffentlichen Dienst vorantreiben. Wir planen diese auch für die Privatwirtschaft.

Als zweite Initiative kann ich Ihnen berichten, dass wir das Gender Budgeting, das eine Anregung Ihrer Partei war, nicht nur aufgegriffen haben, sondern dass auch die Ko­ordinationsgruppe, die sich mit diesem Gender Budgeting auseinander setzt, vor der Konstituierung steht und die Voraussetzungen für ein konsequentes Gender Budgeting schaffen wird. Derzeit setzt man sich gerade mit ausländischen Modellen hiezu aus­einander, die allerdings nicht viel weitergehender sind als die österreichischen.

Drittens kann ich Ihnen berichten, dass wir eine intensive Mentoring-Initiative gestartet haben, die Sie in den letzten Wochen und Monaten auch öffentlich beobachten konnten: Frauen-Business-Mentoring und Cross-Mentoring innerhalb der Ministerien und eine Vernetzung der bestehenden Mentoring-Points.

Viertens habe ich erstmals im Ministerium eine Frauenservicestelle geschaffen, aber vor allem eine Anlaufstelle und eine Abteilung für Migrantinnen – das hat es bisher im Frauenministerium nicht gegeben –, um Ungleichbehandlung und doppelte Diskriminie-


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rung von Migrantinnen hintanzuhalten beziehungsweise integrative Maßnahmen für die Frauen zu setzen.

Wir haben das auch in einer entsprechenden Veranstaltung am 8. März präsentiert, und daraus hat sich eine Initiative ergeben, die wir jetzt sehr intensiv angehen werden und die auf europäische Ebene gehoben wird.

Das Problem der Zwangsehe dürfte ein Problem sein, das wir in unserem Land viel zu gering achten. Ich habe schon die Zusage zur Unterstützung vom Innen- und vom Justizminister erhalten, die bereit sind, uns diesbezüglich zu helfen. Ich habe bereits mit der Vorsitzenden der EVP-Frauen im Europäischen Parlament Doris Pack verein­bart, dass wir das auf europäische Ebene heben werden. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Weinzinger, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Frau Ministerin! Ich konzentriere mich auf eine der beiden in meinen Augen tatsächlich neueren Maßnahmen, nämlich auf das Mentoring, und frage Sie: Wie, glauben Sie, dass die Vielzahl der Frauen ins­besondere in geringfügigen Beschäftigungen, in ländlichen Regionen mit Arbeitsplatz­mangel, mit eingeschränkter Mobilität von Ihren großen Bemühungen bezüglich Men­toring nutznießen werden?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Durchaus wer­den sie nutznießen, Frau Abgeordnete, weil wir auch Fraueninitiativen unterstützen wer­den, die gerade im ländlichen Raum wirksam werden. Ich habe auch immer gesagt, dass das Mentoring-Programm nicht nur für Spitzenpositionen befähigen, sondern je­der Frau, die sich in ihrem Beruf weiterentwickeln möchte, zur Verfügung stehen soll. Das gilt zum Beispiel auch für die Verkäuferin, die gerne Filialleiterin werden möchte, oder aber für eine Frau, die wieder einsteigt, und das sind meist die von Ihnen ge­nannten Frauen.

Möglichkeiten, sich beruflich und berufsbildungsmäßig weiterzuentwickeln, sollen im ländlichen Raum genauso gegeben sein wie in der Stadt, und das soll nicht an ein be­stimmtes Bildungsniveau gebunden sein, sondern soll allen Frauen offen stehen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die nächste Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Stadlbauer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Bettina Stadlbauer (SPÖ): Frau Ministerin! Wie beurteilen Sie als Frauen­ministerin die Tatsache, dass im dieswöchigen Ministerrat eine Steuerreform beschlossen wurde, nach der unter anderem Alleinverdiener nur dann einen höheren Absetzbetrag bekommen, wenn die Gattin entweder nicht arbeitet oder nur ganz wenig verdient? Wie beurteilen Sie diese Tatsache, zumal es sich dabei doch um eine Maß­nahme handelt, die Frauen wieder aus dem Erwerbsleben hinausdrängt?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Das stimmt nicht, denn wir haben sogar für diese Maßnahme die Zuverdienstgrenze wesentlich erhöht, sodass Frauen den Fuß in der Tür lassen können und tatsächlich qualifizierte Arbeit leisten können. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Darüber hinaus haben Sie übersehen, dass vor allem allein erziehende und allein ver­dienende Mütter in den Genuss dieser Maßnahme kommen und damit einen wesent­lichen Vorteil haben. Das heißt, es war mir gerade für die Frauen wichtig, diese Maß­nahme zu setzen, weil sie sich eben für die allein verdienenden Frauen äußerst positiv auswirkt. (Beifall bei der ÖVP.)

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Lentsch. – Bitte.

 


Abgeordnete Edeltraud Lentsch (ÖVP): Einen wunderschönen guten Morgen! Frau Bundesministerin! Wir alle wissen, dass Sie nicht nur eine hervorragende Gesund­heitsministerin sind, die sehr viele Akzente setzt (Ruf bei der SPÖ: Wo haben Sie das her?), wie wir heute schon gehört haben, sondern auch eine gute Frauenministerin.

Daher lautet meine Frage an Sie: Welche konkreten Maßnahmen setzt das Frauen­ministerium mit seinem Business-Mentoring-Programm, und wie weit werden auch die Bundesländer miteinbezogen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Das Business-Mentoring-Programm wurde vom Frauenministerium entwickelt. Es gibt dazu ganz konkrete Unterlagen, die sowohl postalisch als auch über das Internet im Frauen­ministerium abgeholt werden können und die sowohl den Mentorinnen als auch den Mentees zur Abwicklung ihres einjährigen Mentoring-Programms zur Verfügung ste­hen.

Wir koordinieren die Mentoring-Points, und wir haben darüber hinaus auch noch einen Wettbewerb entwickelt, die so genannte Mentora, die einmal jährlich die beste Mentoring-Initiative sowie das erfolgreichste Mentoring-Paar auszeichnen soll. Wir wollen damit in der Öffentlichkeit die Frauen auf das Programm aufmerksam machen und möglichst viele dafür gewinnen, in dieses Programm einzusteigen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die nächste Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! Ein wich­ti­ger Bereich ist frauenspezifische Gesundheit. Eine britische Studie hat ergeben, dass angeblich bei der Hormonersatztherapie eine Erhöhung der Brustkrebsgefahr gegeben ist. Welche Maßnahmen haben Sie in diesem Zusammenhang ergriffen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Das ist richtig, Frau Abgeordnete! Im vergangenen Sommer hat diese Studie große Aufregung auch in Österreich erregt und vor allem viele Frauen, die in den letzten Jahren Hormon­er­satztherapien in Anspruch genommen haben, in Sorge versetzt. Ich habe unmittelbar am Tag des Erscheinens dieses Artikels mit Univ.-Prof. Huber, der in Österreich auf die­sem Gebiet tätig ist, und mit dem Vorsitzenden des Obersten Sanitätsrates Kontakt aufgenommen und gebeten, dass sich der Oberste Sanitätsrat mit dieser Frage aus­einander setzen möge.

Wir haben am darauf folgenden Tag eine Hotline im Ministerium eingerichtet, die sehr intensiv in Anspruch genommen wurde. Rund 200 Anrufe täglich in den ersten Tagen haben gezeigt, wie dringend das Problem für die Frauen ist.

Der Oberste Sanitätsrat hat innerhalb von drei Monaten ein entsprechendes Gutachten beziehungsweise Kommuniqué dazu erarbeitet, das dann bei einem großen Kongress der Hormonspezialisten weltweit, der im November in Wien stattgefunden hat, weiter überarbeitet wurde. Darin wurde festgestellt, dass eine Hormonersatztherapie das Risiko für Brustkrebs erhöhen kann und dass daher eine Hormonersatztherapie als Empfehlung für die Frauen nie ohne Indikation, also nie einfach nur prophylaktisch im Klimakterium gegeben werden soll, sondern nur dann, wenn entsprechende Indika­tionen gegeben sind – und dann so kurz wie möglich und so gering dosiert wie mög­lich.


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Diese Information haben wir vorbereitet und an alle Ärztinnen und Ärzte verschickt. Sie wurde in unserem Haus gedruckt und liegt den Ärztezeitungen bei. Es gibt ent­sprechende Broschüren beziehungsweise Druckfalter, die bei den Ärzten für die Patientinnen aufliegen. Die Hotline in diesem Zusammenhang ist in der Zwischenzeit nicht mehr sehr gefragt.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit ist der zweite Fragenkomplex erledigt, und wir kommen zum dritten.

Die Frage formuliert Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Meine Frage lautet:

48/M

„Was ist der aktuelle Stand der Entwicklungen, der bereits im Jahre 2002 von Herrn Bundesminister Mag. Haupt und Staatssekretär Dr. Waneck initiierten psychosoma­tischen Versorgung in Österreich an den damals festgelegten Modellkliniken Eggen­burg (NÖ), Bad Aussee (Stmk.) und Spittal/Millstätter See (K)?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Abgeord­neter! Die Psychosomatik ist ein Thema, das in den letzten Jahren die Öster­reiche­rinnen und Österreicher immer stärker betroffen hat. Daher ist man draufgekommen, dass entsprechende Kliniken in Österreich fehlten. Viele Österreicherinnen und Öster­reicher mussten ins Ausland fahren.

Wir sind diesem Phänomen begegnet, indem wir die Anstrengungen, die auch öster­reichische Spezialisten auf diesem Gebiet unternommen haben, aufgegriffen haben. Der Hauptverband hat im vergangenen Mai drei Kliniken sozusagen die Möglichkeit gegeben, sich zu psychosomatischen Kliniken zu entwickeln: Das sind die Kliniken in Eggenburg, Bad Aussee und Millstatt. Diese drei Kliniken arbeiten jetzt an der Vor­bereitung, die Eröffnung ist mit dem Jahr 2005 gedacht.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch, bitte.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Es hat damals eine Zusage gegeben, dass die Evaluierung, die in den Jahren 2005 bis 2007 geplant ist, vom Gesundheitsressort übernommen werden soll. Sie sind jetzt zuständige Ressortministerin. Sind Sie an diese Zusage weiterhin gebunden und wie stehen Sie dazu?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Selbstver­ständ­lich, Herr Abgeordneter, das ist auch so vorgesehen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Halten Sie es für die beste aller möglichen Lösungen, drei Spezialkliniken durch privat­wirtschaftliche Betreiber in Österreich zu etablieren und dadurch das Risiko einzu­gehen, dass Psychosomatik aus allgemeinen öffentlichen Krankenhäusern verschwin­det oder dort nicht etabliert wird?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 



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Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Abgeord­neter Grünewald! Drei Kliniken setzen sich damit auseinander, wobei es bei den Kliniken jeweils Anbindungen an die Universitätskliniken gibt, vor allem in der Steier­mark. Auch die Klinik in Eggenburg wird vom Land Niederösterreich wesentlich unter­stützt und ist dort eingebunden.

Psychosomatik ist keine Erscheinung, die aus dem öffentlichen Krankenversicherungs­spektrum verschwinden soll – ganz im Gegenteil! Psychosomatische Erkrankungen nehmen zu und dürften auch ein Ergebnis komplexer Zusammenhänge in unserem sehr hektisch gewordenen Alltagsleben sein.

Diese drei Kliniken können und sollen auch Vorreiter sein, sie sollen aber nicht das gesamte Spektrum der psychosomatischen Behandlungsmöglichkeiten abdecken. Selbstverständlich wird es darüber hinaus auch noch viele weitere Initiativen geben.

Ich darf zum Beispiel darauf hinweisen, dass die Bundesregierung in ihrem Minis­terratsvortrag vor drei Wochen das Center of Excellence, das Zentrum für konservative Orthopädie, vorgestellt hat, das wir im Regierungsprogramm verankert haben. Das hat bereits zu arbeiten begonnen. Es wird im Orthopädischen Spital Speising angesiedelt sein und wird sich vor allem ganzheitlich mit schmerzhaften Erscheinungen im Bewe­gungsapparat auseinander setzen, die zum Teil auch psychosomatisch bedingt sind. Ich weiß, dass in diesem Krankenhaus ganzheitlich, also nicht nur mit Orthopäden, sondern auch mit Psychotherapeuten, mit Ernährungsphysiologen, gearbeitet wird.

Derartige Initiativen wird es natürlich viele geben müssen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Csörgits. – Bitte.

 


Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Frau Bundesministerin! Auf Grund der ange­spannten Finanzsituation ist es wichtig, dass die Finanzierung dieser Projekte ge­sichert ist. Daher lautet meine Frage: Wer trägt die anfallenden Kosten dieser Projekte in welcher Höhe?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: In den ersten drei Jahren werden die anfallenden Kosten vom Hauptverband gedeckt werden. Es wird jetzt davon abhängen, inwieweit sich das Urteil des Verfassungsgerichtshofs auch auf diese Mittel auswirkt. Dann sind diese Kosten selbst zu tragen beziehungsweise von den Krankenversicherungen, die den Kranken, die die Erkrankten überweisen, mit den Tagessätzen zu decken beziehungsweise im Rahmen des Kranken­anstalten­planes dann weiter zu bedecken.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Riener. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Barbara Riener (ÖVP): Werte Frau Bundesministerin! Welche innovativen Modellprojekte Ihres Ressorts gibt es in den anderen medizinischen Bereichen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Abgeord­nete! Ich habe vorhin schon das Center of Excellence, das Zentrum für konservative Orthopädie, genannt, es gibt aber im Rahmen der gesamten Gesundheitsreform Überlegungen, ganzheitlich die notwendige medizinische Versorgung in Österreich sicherzustellen.


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Im Rahmen dieses Gesamtprogramms gibt es auch einen Kindergesundheitsplan, der zum Beispiel ein seit langem fälliges Kinderrehabilitationszentrum für Österreich vor­sieht, denn es ist für uns nicht einsichtig, dass wir unsere Kinder immer nach Deutsch­land schicken müssen. Dieses soll auch ganzheitlich für die Kinder, deren Familien und auch für die Geschwister zur Verfügung stehen, damit sie in der schwierigen Situation einer lebensbedrohenden Erkrankung, eines Unfalls oder einer Behinderung von An­fang an begleitet und damit fertig werden können.

Wir haben im Zuge dieser Erstellung durch den Sozialversicherungsdschungel hin­durch zum Beispiel Begleitpersonen für Eltern behinderter Kinder oder Eltern er­krankter, zum Beispiel krebserkrankter Kinder angedacht. Ich habe den Hauptverband gebeten, das an die Sozialversicherungsträger heranzutragen. – Es gibt eine Fülle von Projekten, aber der Herr Präsident mahnt mich von hinten. Ich würde Ihnen gerne noch viele andere nennen, aber ich darf aus zeitlichen Gründen nicht.


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Frau Gesundheitsministerin kann Gedanken lesen.

Den nächsten Fragenkomplex formuliert Frau Abgeordnete Marek. – Bitte, Frau Abge­ordnete.

 


Abgeordnete Christine Marek (ÖVP): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

43/M

„Welche Maßnahmen ergreifen Sie als Frauenministerin, um die Chancen von Frauen im öffentlichen Leben zu stärken?“



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Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Abgeord­nete Marek! Im Zuge unserer Frauenpolitik geht es uns darum, einerseits die Gleich­stellung von Männern und Frauen in allen Lebensbereichen zu erreichen und anderer­seits gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit sicherzustellen. Das sind die Hauptkom­ponenten unserer frauenpolitischen Arbeit.

Um Frauen diesbezüglich zu stärken, gibt es ebenfalls eine Fülle von Initiativen. Wir fördern Initiativen, die das Selbstbewusstsein von Frauen stärken, die den Selbst­schutz oder die Selbstverteidigung von Frauen unterstützen, was im öffentlichen Raum natürlich nicht ganz unwichtig ist, und die vor allem darauf abzielen, Frauen zu ermäch­tigen – das Wort „Empowerment“ ist in der Frauenbewegung ganz wichtig geworden –, über ihr Leben frei zu entscheiden und ihr Leben auch entsprechend gestalten zu kön­nen. Diese Initiativen gehen bis zur schon genannten Frauen-Business-Mentoring-Initiative, die Frauen in Spitzenpositionen bringen soll.

Was die öffentliche Arbeit anlangt: Wenn Sie die politische Arbeit meinen, so geht es mir darum, Frauen vor allem auch in den politischen Entscheidungsprozess oder in alle Ent­scheidungsprozesse und in die Wirtschaft miteinzubeziehen.

Wir setzen hier ein umfassendes Programm um, das Sie auch auf unserer Homepage www.bmgf.gv.at oder www.frauenring.at im Internet nachlesen können. – Damit kann ich meine Antwort etwas abkürzen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Marek, bitte.

 


Abgeordnete Christine Marek (ÖVP): Frau Bundesministerin! Können Sie uns bitte sagen, was aus Ihrer Sicht die Steuerreform 2004/2005 besonders für Frauen bringen wird?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Ich habe es vorhin schon erwähnt. Es geht vor allem darum, für Alleinerzieherinnen eine Steuer­freistellung zu erreichen, darüber hinaus natürlich auch eine Steuerfreistellung aller Ein­kommen bis 14 500 €. Das kommt Frauen in größerem Maße zugute, was mich einerseits freut, andererseits schmerzt, weil es mir lieber wäre, es gäbe mehr Frauen in höheren Einkommensgruppen.

Darüber hinaus ist die Anhebung der Zuverdienstgrenze vorgesehen, die es Frauen ermöglicht, quasi den Fuß in der Tür zu ihrem Beruf zu lassen.

Letztlich gibt es auch entsprechende Bemühungen und Maßnahmen, weil wir immer noch davon überzeugt sind, dass die steuerliche Absetzbarkeit der Kinderbetreuung ein Ziel ist. Wir haben das auch deponiert, und wir werden daran weiterarbeiten. Ich denke, das ist eine ganz wichtige Maßnahme für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner. – Bitte.

 


Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! Wel­che Maßnahmen und Aktivitäten setzen Sie, damit Frauen verstärkt technische Berufe ergreifen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Abgeord­nete Achleitner! Es gibt seit einigen Jahren Initiativen, die noch auf Johanna Dohnal zurückgehen, Frauen für sie ungewöhnliche Berufe zu begeistern. Diese Initiativen wurden in den letzten Jahren vor allem auf technische Berufe ausgeweitet. Es hat ge­meinsam mit dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie und dem Frauenministerium eine Initiative gegeben, die mehrere Betriebe umfasst hat, un­ter anderem auch General Motors, um Frauen für technische Berufe zu begeistern be­zie­hungsweise zu gewinnen.

Wir müssen hier sehr früh ansetzen, daher bin ich sehr froh darüber, dass die zustän­dige Bundesministerin Elisabeth Gehrer in ihrem Ministerium wesentliche Akzente zur Information von Mädchen an den Schulen setzt, aber vor allem auch deren Eltern entsprechend informiert. Wir sind hauptsächlich darum bemüht, Betriebe zu gewinnen, technische Betriebe zu gewinnen, die ganz gezielt mit technischen Lehrberufen auf Mädchen zugehen, um sie eben für diesen Beruf zu gewinnen. Es hat sich nämlich gezeigt, dass gerade in diesen technischen Berufen im Vergleich zu anderen Berufs­feldern die Gehaltsunterschiede weit geringer bis gar nicht vorhanden sind.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die nächste Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger. – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Frau Ministerin! Im öffentlichen Raum Parlament dominieren bei Ihren Parteikolleginnen und -kollegen in den im TV über­tragenen Redezeiten des Parlaments die Männer mit weit über 80 Prozent. Warum ist es Ihnen nicht gelungen, bei Ihren eigenen Kolleginnen und Kollegen im ÖVP-Klub einen gleichberechtigten Zugang zum Rednerpult für Frauen durchzusetzen? (Beifall bei den Grünen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Abgeord­nete Weinzinger! Ich gehe davon aus, dass sich niemand im Parlament von der Bun-


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desregierung bevormunden lassen möchte. Ich bin auch überzeugt davon, dass die Frauen in meinem Klub „Fraus“ genug sind, um nicht zu sagen Manns genug sind, sich durchzusetzen. Ich würde meinen, dass die Qualität der vor allem immer von den Frauen eingebrachten Diskussionsbeiträge weit über die Quantität siegt. Daher denke ich, ist es Sache des Parlaments, sich hier einzubringen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir sind uns natürlich klar darüber, dass das kein Ge­genstand der Vollziehung ist, sondern der vom Verfassungsgerichtshof festgehal­te­nen Parlamentsautonomie unterliegt, aber ich bedanke mich trotzdem für die Antwort.

Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Fleckl. – Bitte.

 


Abgeordnete Anita Fleckl (SPÖ): Frau Ministerin! Im täglichen Leben gibt es nach wie vor eine Reihe von Benachteiligungen für Frauen. Ich denke dabei zum Beispiel an das Versicherungswesen, in dem Frauen in vielen Fällen höhere Prämien zahlen als Männer – so bei der Krankenversicherung oder bei der Pensionsversicherung, um nur die wichtigsten Sparten zu nennen.

Was werden Sie daher auf europäischer und innerstaatlicher Ebene unternehmen, damit diese Benachteiligungen beseitigt werden, ohne dass dadurch die Versiche­rungs­unternehmen ihre Prämien für alle Versicherten extrem erhöhen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Abgeord­nete! Ich habe in den letzten Monaten, als diese Diskussion immer wieder öffentlich ge­führt wurde, auch entsprechende Gespräche mit Versicherungsexpertinnen und –experten abgehalten. Gerade im Bereich der freiwilligen Versicherung bestehen Unter­schiede. In der Pflichtversicherung gibt es diese Unterschiede ja Gott sei Dank nicht, auch nicht bei den öffentlichen Pensionsbeiträgen, aber sehr wohl bei privaten Ver­sicherern, die ihr Versicherungsrisiko berechnen.

Ich habe damals unter anderem angeführt, dass es mir unverständlich erscheint, dass zum Beispiel Frauen nicht weniger für die Autohaftpflichtversicherung zahlen, weil sie ja nachweislich weniger Autounfälle verursachen. Auch das ist ein Argument, das man diesbezüglich einbringen müsste. Ich bin da in Gesprächen mit der Versiche­rungs­wirtschaft – und das auch auf europäischer Ebene. Unser EU-Abgeordneter Karas ist in dieser Frage sehr engagiert, sodass Sie sicher sein können, dass wir auch da Be­wusstseinsbildung schaffen können und letztendlich hoffentlich auch eine Kenntnis­nahme und eine entsprechende Auswirkung bei der Versicherungswirtschaft zu erwar­ten haben. Garantieren kann ich es Ihnen im Bereich der Privatversicherung allerdings nicht. Auch dies unterliegt nicht meiner Vollziehung.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit sind alle Fragen und Zusatzfragen beantwortet. Die Fragestunde ist beendet.

Wir danken der Frau Bundesministerin. (Beifall bei der ÖVP.)

Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:


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1. Anfragebeantwortungen: 1347/AB;

Ergänzung zur Anfragebeantwortung: Zu 765/AB.

2. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuer­ge­setz 1988, das Mineralölsteuergesetz 1995, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Biersteuergesetz 1995, das Finanzstrafgesetz, die Bundesabgabenordnung und das Finanzausgleichsgesetz 2001 geändert werden und ein Pauschalabgabegesetz einge­führt wird (Steuerreformgesetz 2005 – StReformG 2005) (451 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem ergänzende Regelungen über das Vorgehen der Zollbehörden im Verkehr mit Waren, die ein Recht am geistigen Eigentum verletzen, erlassen wer­den (Produktpirateriegesetz 2004 – PPG 2004) (452 d.B.).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Antrag 366/A (E) der Abgeordneten Heinz Gradwohl, Kolleginnen und Kollegen betref­fend nationale Umsetzung der GAP-Reform;

Verfassungsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem ein Tierschutzgesetz erlassen sowie das Bundes-Verfassungs­gesetz, die Gewerbeordnung 1994 und das Bundesministeriengesetz 1986 geändert werden (446 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Verfassungs­ge­richtshofgesetz 1953 und die Europawahlordnung geändert werden (447 d.B.);

Ausschuss für Wissenschaft und Forschung:

Antrag 365/A (E) der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend die gesetzliche Interessenvertretung der wissenschaftlichen MitarbeiterIn­nen in Ausbildung gemäß § 6 Universitäts-Abgeltungsgesetz.

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich teile mit, dass der Klub der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt hat, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 1594/J der Abgeordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend „Pensionspolitik der Re­gierung – Der Weg in die Altersarmut“ dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt wer­den.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 1182/AB

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ferner teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Ge­schäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Anfragebe-


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antwortung 1182/AB der Anfrage 1223/J der Abgeordneten Dr. Glawischnig, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Zulassung gentechnisch veränderter Produkte durch die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen abzuhalten.

Da für die heutige Sitzung die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage ver­langt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluss an diese stattfinden.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 bis 5, 7 bis 10 sowie 12 und 13 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Werden dagegen Einwendungen erhoben? – Das ist offenkundig nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer und Gestaltung der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 8 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP und SPÖ je 140 Minuten, Freiheitliche 96 Minuten sowie Grüne 104 Minuten.

Darüber entscheidet das Hohe Haus. Wir kommen sogleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Vorschlag der Präsidialkonferenz beitreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

1. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (384 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz, das Bundesgesetz über Kran­kenanstalten und Kuranstalten, das Arzneiwareneinfuhrgesetz 2002 und das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds „Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen“ geändert werden (440 d.B.)

2. Punkt

Bericht und Antrag des Gesundheitsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Apothekerkammergesetz 2001 geändert wird (441 d.B.)

3. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 270/A (E) der Abge­ord­neten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Studien über den Einsatz von „Erwachsenenmedikamenten“ in der Kinderheilkunde (442 d.B.)

4. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 271/A (E) der Abgeord­neten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prüfung bei der Neuzulassung von Arzneimitteln für Kinder und Jugendliche (443 d.B.)


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5. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 272/A (E) der Abgeord­neten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserungen bei der Zulassung von Arzneimittelspezialitäten für Kinder und Jugendliche (444 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 bis 5 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird. Diese Debatte wird mit Gebärdensprachdolmetschung begleitet.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Wunschredezeit: 8 Minuten. – Bitte.

 


9.51

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Um den nicht so großen Überraschungseffekt gleich vorwegzunehmen: Wir Grüne werden dem Gesetz zustimmen (demonstrativer Beifall des Abg. Wittauer), halten es aber trotzdem nicht für die bestmögliche aller Lösungen.

Im Prinzip dient das Arzneimittelgesetz dazu, in der Praxis die klinische Erprobung von Arzneimitteln und neuen Verfahren am Menschen zu verbessern. Diese Praxis muss verbessert werden, weil es darum geht, den wissenschaftlich-medizinischen Fortschritt in Diagnose und Therapie auf höchstem Niveau abzusichern. Dieses Instrument kann auch dazu dienen, echten Fortschritt von Scharlatanerie und billigen Heilsver­sprechun­gen unterscheidbar zu machen. Das ist für Patientinnen und Patienten etwas dringlich Notwendiges.

Wenn ich sage, es gibt an dem Gesetz trotzdem etwas zu kritisieren, so könnte sich auch die politische Praxis – postuliere ich jetzt einmal – an solchen klinischen Prüfun­gen ein Beispiel nehmen. Wie könnte die politische Praxis einer Gesetzwerdung durch eine tief schürfendere, objektivere, längere Debatte handfester, zielgerechter und auch bürgerInnenfreundlicher werden? – Diese Frage stellt sich mir anhand dieses Gesetzes schon.

Sehen wir es aber vielleicht als ersten Schritt und kommen wir zu den Punkten, was dem Gesetz fehlt und was an dem Gesetz stört! Einerseits gibt es Vorgaben von Seiten der EU, dass so genannte Ethik-Kommissionen, die an Krankenanstalten einzurichten sind, wenn dort Prüfungen von neuen Therapien an Menschen vorgenommen werden, stärker mit einer besseren Rechtsstellung der Sponsoren solcher Studien verknüpft werden. Wer sind die Sponsoren von Medikamentenstudien? – Natürlich die Industrie, in diesem Fall die Pharmaindustrie.

Die Pharmaindustrie ist per se nichts Böses. Es wäre auch eine höchst eigenartige, ja infame Unterstellung zu meinen, sie würde hier ein Hobby betreiben, Menschen zu quälen oder hohen Risiken auszusetzen. So ist es nicht. Dennoch ist die Optik eines gestärkten Sponsors gegenüber einer unabhängigen Ethik-Kommission nicht die ideale. Bisher war es so – und die EU hätte es freigestellt, dies so zu belassen –, dass die PrüfärztIn oder das Medikamenten-Prüfteam als unmittelbare Verhandlungspartner der Ethik-Kommission zu installieren waren.

Zweitens hat man versucht – per se auch nichts Übles oder Schlechtes –, gesetzlich eine Kontaktstelle zu etablieren, an die sich Patientinnen und Patienten, die sich in solchen Therapiestudien befinden, mit Fragen oder Beschwerden wenden können.


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Auch diese Kontaktstelle wurde, wahrscheinlich auch aus finanziellen, aber nicht nur diesen Gründen, den Sponsoren überantwortet, das heißt, wiederum der Wirtschaft und Industrie.

Besser hätten wir es gefunden, wenn Wirtschaft und Industrie zwar diese Kontaktstelle finanzierten und für die nötigen Ressourcen dieser Kontaktstelle geradestünden, aber die Patientenanwaltschaft als objektiver Dritter diese Agenden wahrgenommen hätte.

Leider konnte auch nicht erreicht werden, dass angewandte klinische Forschung, die ja laufend nicht nur an Universitätskliniken stattfindet, wo auch Versuche oder Eingriffe an Patientinnen und Patienten im Rahmen dieser Forschung vorgenommen werden, auch zu den Agenden dieser ethischen Prüfung gehören soll. In dieser Sache war zwar Ver­ständnis da, aber – eigentlich ist das das Kernthema des heutigen Vormittags – es scheiterte daran, dass der Gesetzgeber, das heißt, die Republik Österreich, relativ wenig Durchsetzungsmöglichkeiten bezüglich guter Ideen hat, wenn dies die Länder auch nur einen Euro kostet.

Die Antwort auf meine Frage im Vorfeld, warum da und dort etwas nicht passiert, lautete: Länder sind nicht bereit, diese Agenden der Ethik-Kommissionen auszuweiten, Geld oder gegebenenfalls auch direkt Personal zur Verfügung zu stellen, weil sie ihr Budget im Auge behalten. Aber, so glaube ich – und da werden mir alle ZuhörerInnen und ZuseherInnen beipflichten –, die Politik sollte an und für sich das Wohl der Bür­gerinnen und Bürger im Auge behalten! Und das ist budgetär bedeckbar. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Mag. Sima.)

Weiters vernachlässigen international – und das ist wirklich erwiesen – klinische Stu­dien über Medikamente den großen Bereich der Kinderheilkunde und den sehr großen, ja überwiegenden Bereich der Frauenheilkunde ganz stark. Viele Unter­suchungen haben gezeigt, dass nahezu 80 Prozent aller Medikamente, die bei Kindern, besonders auf Intensivstationen für Neugeborene, eingesetzt werden, nicht nach internationalen Kriterien an Kindern geprüft wurden. Man wendet dort Medikamente rein empirisch aus Erfahrung, Gefühl und daraus, was man über Jahre als ÄrztIn gelernt hat, an.

Das führt immer wieder und viel öfter als bei Erwachsenen zu gehäuften Nebenwir­kungen im Bereich der Kinderheilkunde. Ähnliches gilt für den Bereich der Frauenheil­kunde, für den es zu wenige Studien gibt. Man meint, an Männern Erprobtes müsste bei Frauen genauso funktionieren, was so nicht zutrifft.

Ein weiterer Punkt ist folgender: Der Rechnungshof hat kritisiert, dass die Arznei­mittel­überprüfung als Aufgabe des Ressorts für Gesundheit in den letzten Jahren nicht das an Qualität und an Quantität bringen konnte, was gefordert ist. Es wurde kritisiert, dass Inspektionen teilweise nicht auf fachlich höchstem Niveau, nicht flächendeckend und vor allem nicht gut ausgeführt wurden, was die Dokumentation betrifft.

So werden Studien gemacht, in denen Nebenwirkungen nachgewiesen werden, die natürlich Krankenhäuser, Ärztinnen und Ärzte und Patientenanwaltschaften, ja selbst die Industrie interessieren. Der Lerneffekt bleibt aber aus, weil es nicht möglich ist, die Daten zentral zu verarbeiten, Meldungen an Drittstaaten weiterzugeben und Meldun­gen von Drittstaaten Österreich zur Verfügung zu stellen.

Ich bin hier in der eigenartigen Rolle eines Oppositionellen, der sagt: Es hat keinen Sinn, den schlanken Staat pausenlos zu predigen und dann letztlich auch in Ministerien dort zu sparen, wo Sparen viele Leute teuer zu stehen kommen kann. Wenn Sie, Frau Bundesministerin, Ihren Beamten nicht freien Zugang zu Weckaminen und Doping­mitteln geben wollen, werden Sie mehr Personal brauchen!

Ich sage Ihnen und schlage vor: Wenn Sie einen Teil dessen, was Grasser durch seine Steueramnestie den Wohlhabenden und Reichen schenken will, für sich und die


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Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher beanspruchen könnten, wäre das ein rasanter Fortschritt. Ich bin Idealist, Sie sagen, Sie sind Kämpferin – schauen wir, was dabei herauskommt! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.00

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. Wunschredezeit: 6 Minuten. – Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 


10.01

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Hohes Haus! Sie haben kürzlich vielleicht gelesen, dass ein neuer Welt­fortschritt bei Herzstillständen in Österreich entwickelt wurde, der die ganze Notfall­medizin revolutionieren und die Überlebenschance der Patienten erhöhen wird. – Genau dieses Problem spielt in die heutige Arzneimittelgesetznovelle hinein. Es geht um die Umsetzung einer EU-Richtlinie: gute klinische Praxis bei klinischen Prüfungen.

Worum es mir dabei geht, ist der Schutz der Minderjährigen, der Schutz der Nicht-Ein­willigungsfähigen, wie zum Beispiel eines Menschen, der einen Herzstillstand erlitten hat. Da geht es um die Abwägung von Nutzen und Risken. Sie brauchen den Nutzen, denn ohne Nutzen und ohne Forschung gibt es keinen Fortschritt. Aber Sie müssen die Risken gerade jener Menschen abwägen, die ihren Willen nicht äußern können.

Sie können jetzt hier viele Beispiele bringen, zum Beispiel die tollen Erfolge in der Kinderkrebsbehandlung. 70 Prozent dieser bedauernswerten Kinder können heute ge­rettet werden. Wir wissen, dieser Fortschritt wurde nur durch Forschung erzielt – und Forschung braucht Kontrolle. Das heißt, es geht immer wieder um die Abwägung von Nutzen und Risken. Es geht aber auch um die Abwägung Kosten versus Nutzen.

Wenn Sie bedenken, dass eine Medikamentenentwicklung 1 Milliarde Dollar kostet, dann werden Sie verstehen, dass diese Kosten auch hereingespielt werden müssen. Es verwundert daher überhaupt nicht, dass die Medikamentenkosten weltweit massiv steigen. Die Fortschritte waren, das kann ich als Arzt Ihnen sagen, noch nie so groß und sind wirklich beeindruckend.

Ich mache mich da überhaupt nicht lustig, möchte aber sagen, dass zum Beispiel in den letzten zehn Jahren unter den SPÖ-Ministern die Medikamentenkosten jährlich um 8 Prozent gestiegen sind. Allein nach dem Paket von Minister Hums um 13 Prozent pro Jahr. Unser Ziel ist es, die Erhöhung jetzt auf 3 bis 4 Prozent zu drücken, denn wenn ein Bereich drei Mal so stark steigt wie die Beitragseinnahmen, muss zum Beispiel eine Krankenversicherung Probleme bekommen.

Wir wollen die Probleme aber nicht so wie Sie mit Wegschauen und dem Zuweisen von Schuld lösen oder indem wir den Leuten einreden, sie können den Fortschritt zum Null-Tarif bekommen. Das ist nämlich, liebe SPÖ, der Weg in die Zweiklassenmedizin, die Leute werden dann nämlich überhaupt keine Leistung bekommen.

Ziel muss es sein, die Probleme zu benennen und sie dann zu lösen, und alle müssen solidarisch zur Problemlösung beitragen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Bundeskanzler Schüssel hat im Herbst die Hand zu einem nationalen Konsens im Gesundheitswesen ausgestreckt. Jawohl, wir brauchen diesen Konsens. Ich glaube, wir sind es unseren Patienten schuldig.

Wenn wir in den letzten 30 Jahren zehn Jahre mehr an Lebenserwartung gewonnen haben – toll! –, wenn wir mehr Fortschritt haben, wenn wir heute 50 000 Menschen im Jahr eine künstliche Linse einsetzen bei grauem Star, dass sie wieder sehen, wenn wir 18 000 Schicksale erleichtern, indem wir ein Hüftgelenk einsetzen, so sind das


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Fortschritte, Fortschritte, die aber auch etwas kosten. Jawohl, wir bekennen uns zu diesen Kosten, jawohl, wir bekennen uns zu einem Weltklassegesundheitssystem! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir wollen keine Zustände wie in England, wo Menschen den Fortschritt überhaupt nicht nützen können. Sie können darüber vielleicht in der Zeitung lesen, aber ihn nicht persönlich nützen. Wir wollen keinen Fortschritt wie in Frankreich, wo das Gesund­heitswesen drei Mal kollabiert ist.

Jawohl, wir haben uns zu dem hohen Niveau bekannt, und zwar unabhängig von Alter und Einkommen. Deshalb brauchen wir eine faire Diskussion. Wir brauchen eine faire Gesundheitsreform. Wir müssen dort, wo Versorgungsdefizite, Lücken sind, diese füllen. Wir müssen aber auch – und das ist sehr wichtig – jeden Euro umdrehen, denn wir müssen jeden Euro finden, den wir einsparen können, um das System zu erhalten.

Da nützt es uns überhaupt nichts, dass Polemik und Schnellschüsse von Seiten der Opposition kommen. Wir brauchen hier keine Schnellschüsse, wir brauchen auch kein Ausspielen und kein In-Geiselhaft-Nehmen der Patienten, sondern wir brauchen Soli­darität und die Möglichkeit, dass alle Menschen die für sie notwendigen Leistungen bekommen.

Das Ziel wird sein: Weltklasse für alle. Das Ziel muss sein, dass jeder Österreicher ein Bett bekommt, wenn er es braucht, dass jeder Österreicher eine Operation bekommt, wenn er sie braucht, dass jeder Österreicher einen Arzt wählen kann, wenn er ihn braucht, und zwar nicht – wie in anderen Ländern – nach Monaten, sondern in kürzest­möglicher Zeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Bedenken Sie alle, es geht hier um Schicksale – Sie von der SPÖ haben sicher nicht die Menschlichkeit gepachtet! Es geht darum, dass wir helfen, Schicksale zu lindern, zu ändern, aber wir dürfen nicht die Menschen in Geiselhaft nehmen, indem wir sie in einem ihrer ureigensten Belange, nämlich der Gesundheit, verunsichern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.06

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Haidlmayr zu uns. 5 Minuten Redezeit. – Frau Kollegin, Sie sind am Wort.

 


10.07

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich auf die in Diskussion stehenden Tages­ordnungspunkte eingehe, möchte ich Sie, Herr Präsident, bitten und fragen, ob wir es hier im Nationalrat nicht so einrichten könnten, dass Gebärdensprachdolmetscher nicht nur in einzelnen Debatten eingesetzt werden, sondern generell, wie dies ja auch in anderen Parlamenten bereits selbstverständlich ist. Wir bräuchten das auch in Öster­reich. Ich würde Sie bitten, als Ergebnis des Europäischen Jahres der Menschen mit Behinderungen im Jahr 2003 Gebärdensprachdolmetscher als Angebot für gehörlose Menschen immer bei den Plenardebatten einzusetzen, dies also einzuführen. Ich dan­ke im Voraus. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Kollegin! Wir haben darüber mehrfach in der Präsidialkonferenz beraten und haben dann einstimmig die Entscheidung getroffen, dass wir für die gehörlosen Menschen die Plenardebatten mit Untertiteln laufen lassen, sodass sie gelesen werden können. Ich bin aber gerne bereit, Ihre Anregung noch einmal in die Präsidialkonferenz zu bringen.

Bitte, Sie sind am Wort.

 



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Abgeordnete Theresia Haidlmayr (fortsetzend): Zum Arzneimittelgesetz. Mein Kolle­ge Grünewald hat schon viel dazu ausgeführt, ich möchte mich auf einige wenige Punkte beschränken. Ein wichtiger Punkt für mich ist die Arzneimittelprüfung bei einwilligungsunfähigen Personen.

Mir ist schon klar, Frau Ministerin, dass gerade das Problem bei einwilligungsunfähigen Personen im Zusammenhang mit Arzneimitteln ein sehr heikler und auch nicht unum­strittener Punkt ist. Einerseits ist es notwendig, dass Arzneimittel auch einwilligungs­unfähigen Personen zugute kommen, andererseits geht es aber darum, dass der Pa­tient, der Proband in diesem Fall, die Einwilligung nicht selbst geben kann, sondern durch Fremde erfolgen muss, nämlich durch den Sachwalter. Das ist natürlich ein heikles Gebiet und in der Regel auch sehr schwierig umzusetzen.

Das Arzneimittelgesetz, wie es jetzt vorliegt, hat versucht, in einem Dreistufenplan – so möchte ich es nennen – auf diese Situation Rücksicht zu nehmen. Ich glaube, als erster Schritt ist es gut so, wie es im Papier steht, es wird aber unter Umständen not­wendig sein, das innerhalb der nächsten Jahre doch zu novellieren. Ich hoffe, dass man nach dem Beobachtungszeitraum, der jetzt hinsichtlich des Arzneimittelgesetzes notwendig ist, die Schwachstellen bei den Arzneimitteln für einwilligungsunfähige Personen doch noch beseitigt, das ein Stück genauer erklärt und vielleicht noch ver­bessert.

Frau Ministerin! Die klinischen Prüfungen, die bei Arzneimitteln durchgeführt werden, werden in der Regel leider immer nur an Männern gemacht, zu 98 Prozent ausschließ­lich an Männern. (Bundesministerin Rauch-Kallat: Nicht mehr!) Die Situation von Frauen und Gesundheit ist eine wesentlich andere – wir alle kennen die Ergebnisse, die Ursachen und auch die Auswirkungen. Das fehlt mir im Gesetz, aber ich möchte jetzt nicht näher darauf eingehen, das wird meine Kollegin Weinzinger dann machen. Ich möchte jetzt nur erwähnen, dass dieser Bereich leider wieder nicht Eingang in dieses Gesetz gefunden hat, und das ist sehr schade.

Frau Ministerin! Im Bereich der Ethikkommissionen gibt es auch noch einiges, das man nicht nur in den Erläuterungen niederschreiben sollte, sondern direkt ins Gesetz schrei­ben müsste. Die Änderung des Arzneimittelgesetzes ist ein Anfang, und ich bin froh, dass wir sie haben – die Zeit drängt, im Mai soll sie in Kraft treten. Aber der Weisheit letzter Schluss ist das absolut nicht, sondern ein guter Start mit, sage ich jetzt einmal, dem Auftrag, es sehr gut zu beobachten, denn es wird wohl eine Novellierung not­wendig sein – wie wir das ja auch bei anderen Gesetzen regelmäßig machen müssen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Reheis.)

10.11

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. Wunschredezeit: 8 Minuten. – Frau Kollegin, Sie sind am Wort.

 


10.12

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Werte Gebärdendolmetscherinnen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die gegenständliche Regierungsvorlage ist die Umsetzung der Richtlinie 2001/20/EG und bezieht sich im Wesentlichen auf die Durchführung von klinischen Prüfungen – mein Vorredner Dr. Grünewald ist ja schon sehr ausführlich darauf eingegangen.

Letzten Endes geht es darum, dass die Rechts- und Verwaltungsvorschriften damit ver­einheitlicht und geregelt werden. Es werden weitere Anpassungen und Klar­stellungen im Arzneimittelgesetz vorgenommen. Es erfolgen die gesetzliche Absiche­rung des Widerspruchsregisters beim ÖBIG sowie Maßnahmen hinsichtlich von Pro­dukten, die als Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt gebracht werden.


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Frau Bundesministerin! Wir werden, wir haben das ja schon im Ausschuss fest­gehalten, dieser Vorlage unsere Zustimmung geben.

Enttäuscht bin ich aber schon – vor allem wenn ich Kollegen Rasinger vorhin zugehört habe –, dass unsere Anträge betreffend Studien über den Einsatz von „Erwachsenen­medikamenten“ in der Kinderheilkunde und betreffend Prüfung bei der Neuzulassung von Arzneimitteln für Kinder und Jugendliche von Ihnen im Ausschuss abgelehnt wur­den, meine Damen und Herren.

Herr Kollege Rasinger, es hilft herzlich wenig, wenn Sie sich jetzt hier heraus stellen und schöne Worte im Saal verbreiten (Abg. Mag. Molterer: Wichtige Worte!), wenn Sie in Ihrem Stimmverhalten letztlich gegen die Gesundheit und gegen zukunftsorientierte gesundheitspolitische Maßnahmen stimmen. – Von den Worten allein haben wir nicht viel, es geht uns um die Umsetzung, damit die Gesundheit der jungen Menschen tat­sächlich gewährleistet ist. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Kollege Rasinger! Von den Grünen ist gestern der Spruch geprägt worden: Steueramnestie gegen Steueramnesie. Ich möchte nicht persönlich werden, aber offensichtlich scheinen Sie auch vom Vergessen etwas geprägt zu sein. (Abg. Dr. Rasinger: Alzheimer!) – Nein, das würde ich nie beurteilen und nie behaupten. (Abg. Mag. Molterer: Seien Sie vorsichtig! – Abg. Dr. Stummvoll: Keine Beleidigung!) Habe ich ja nicht! Das war seine eigene Interpretation! Herr Kollege Rasinger ist Arzt, ich bin nicht Ärztin, also er muss selbst wissen, wie er sich diagnostiziert.

Kollege Rasinger, mag sein, dass Sie als Mitglied der Ärztekammer das ein bisschen anders beurteilen, aber ich denke, Sie werden sich an das Medikamenten-Stillhalte­abkommen 1996 zwischen dem damaligen Ärztekammer-Präsidenten, der leider schon verstorben ist, Dr. Neumann, und Minister Hums erinnern. Sie sollten, wenn Sie hier herausgehen, schon ein bisschen mehr Redlichkeit walten lassen hinsichtlich der Argumente und nicht nur eine Seite betrachten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Rasin­ger: Ich habe nur gesagt, es ist alles teurer geworden!)

Ganz besonders überrascht, Herr Kollege Rasinger – auf „teurer“ kommen wir auch noch zu sprechen –, war ich allerdings über solche Sager von Ihnen wie „nicht weg­schauen“ und „keine Schnellschüsse tätigen“. – Also das ist schon eine überraschende Geschichte – ich denke an die unsägliche Geschichte der Ambulanzgebühren: Da haben Sie nämlich sowohl Schnellschüsse getätigt, die noch dazu Fehlschüsse waren, als auch permanent nur weggeschaut. Die Ohren haben Sie zugemacht, die Augen haben Sie zugemacht – den Mund nicht. Jedenfalls das Ergebnis war auch klar: Es war eine Katastrophe!

Wenn Sie dann hier herausgehen und sagen „nicht wegschauen“, „keine Schnell­schüsse“, dann ist das eine Frotzelei der ganzen Republik, nicht nur dieses Hohen Hauses! (Abg. Grillitsch: Seien Sie nicht so scharf!) – Ich bin nicht scharf! (Abg. Grillitsch: Sicher!) Herr Kollege Rasinger hat nur sein schlechtes Gewissen unter Beweis gestellt, denn er hat permanent versucht, in den Angriff zu gehen, obwohl die katastrophale Situation, die wir vorfinden, ein Versagen Ihrer Regierungspolitik ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Das erfordert jetzt viel Phantasie!)

Herr Klubobmann Dr. Molterer! (Abg. Mag. Molterer: Ich bin nicht Doktor! Doktor ist der Rasinger! Ich bin nicht Doktor!) Da braucht man keine Phantasie, da braucht man nur die Sachen ernsthaft durchzulesen, Ihre Maßnahmen ernsthaft anzuschauen. Sie müssen wissen, was Sie hier herinnen beschließen, und dürfen sich nicht darauf verlassen, was Ihnen die Regierung vorlegt. Setzen Sie sich ernsthaft mit den Maß­nahmen auseinander! (Beifall bei der SPÖ. – Weiterer Zwischenruf des Abg. Mag. Mol­terer.) Das Einzige, was ich zurücknehme: den akademischen Titel.


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Herr Kollege Molterer, hätten Sie sich das angeschaut: Maßnahmen der Bundes­regierung, die die Krankenversicherung belasten. Wie war denn das beim Budget­begleitgesetz, wo die Verringerung der Zahlungen der Pensionsversicherung an die Kran­kenversicherung erfolgt ist? Wie ist denn das bei der Veränderung in der Arbeitslosenversicherung, wo die Krankenversicherung weniger Geld bekommt? Wie ist denn das mit den zusätzlichen Mitteln an die landesfondsfinanzierten Kranken­anstalten, die wieder die Krankenversicherung zu finanzieren hat? Wie ist denn das mit der Verlängerung der Zahlungsfrist der Sozialversicherungsbeiträge um drei Tage und dem Zinsverlust der Krankenkassen, den diese in Kauf nehmen müssen? Wie schaut es denn aus mit der Neuregelung der Privatkrankenanstalten und den Geldern, die aus der Krankenversicherung dorthin fließen? (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Wie schaut es denn aus mit dem Kinderbetreuungsgeld, wo ebenfalls wieder die Kran­kenkassen weniger Beiträge bekommen? (Abg. Mag. Molterer: Das wissen Sie alles nicht?) – Alles Beschlüsse, die Sie gefasst haben! Sie wissen es offensichtlich nicht! Es ist eine Schande, wenn Sie im Haus Sachen beschließen, von denen Sie nicht ein­mal wissen, welche Auswirkungen sie haben! Das ist keine verantwortungsvolle Politik, Herr Kollege Molterer! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Sie stellen so viele Fragen! Typisch SPÖ: mehr Fragen als Antworten!)

Frau Bundesministerin, ich will Ihnen jetzt zugute halten, dass Sie sich – entgegen dem Beschluss der Volkspartei im Ausschuss – uns dann wenigstens informell zur Verfü­gung gestellt haben. Ich stehe nicht an, mich dafür bei Ihnen zu bedanken, aber schöner wäre es gewesen, wenn wir es geschafft hätten, eine allgemeine Aussprache zu haben, wenn das sozusagen eine offizielle Sache gewesen wäre. Sie hätten uns dort wahrscheinlich auch nichts anderes gesagt, als Sie uns im informellen Gespräch gesagt haben, nachdem es ja zu dem Zeitpunkt auch noch keine schriftliche Vorlage des Erkenntnisses gab.

Frau Bundesministerin! Heute aber liegt es vor – ich habe es auch hier; Sie haben das ja auch in der Fragestunde schon gesagt –, und heute erwarten wir von Ihnen Ant­worten, nämlich welche Vorstellungen Sie haben, um diese katastrophale Situation abzu­wenden. Heute erwarten wir von Ihnen eine Antwort auf die Frage, warum die Gesundheitsreform ständig verschoben wird. Heute erwarten wir von Ihnen eine Antwort darauf, wie das mit der Chip-Karte weitergehen wird. Heute erwarten wir von Ihnen Antworten die Medikamente und die Situation der Medikamentenkosten betref­fend. Wir erwarten uns eine Antwort von Ihnen darauf, wie es mit der Gesund­heits­politik in Österreich weitergehen soll, vor allem darauf, wie sie finanziert werden soll.

Es kann doch bitte nicht so sein, meine Damen und Herren, dass man hier eine Steueramnestie für Leute, die Steuerbetrug gemacht haben, beschließt – das Geld geht letzten Endes uns allen bei den Steuermitteln ab – und die Kranken die Leis­tungen selbst bezahlen müssen, dass das Gesundheitssystem nicht sichergestellt ist, weil Sie eben dort, an der falschen Stelle, den Sparstift ansetzen.

Ich appelliere an Sie: Denken Sie an die Menschen in Österreich, denken Sie an die Gesundheitspolitik, die Sie machen, und setzen Sie nicht permanent falsche Werte in Ihrer Politik! (Beifall bei der SPÖ.)

10.19

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Weinzin­ger. 5 Minuten Redezeit. – Frau Kollegin, Sie sind am Wort.

 


10.19

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Wenn man sich die Praxis in der Gesundheitsversorgung und der medizi-


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nischen Behandlung ansieht, könnte man den Eindruck bekommen, die Intensiv­medi­zin wurde für die Männer erfunden und die Psychopharmaka für die Frauen. – Das kann keine befriedigende Situation sein, wenn man eine gleichberechtigte, gleich gute medizinische Versorgung für beide Geschlechter erreichen will.

Wir haben hier in den verschiedensten Bereichen dringenden Handlungsbedarf – ich sage nur ein paar Schlagworte, weil ich nicht im Detail darauf eingehen kann –: Jeden­falls muss man sich anschauen, wie die Situation in Österreich in der intensivmedizini­schen Betreuung, also zum Beispiel Kardiologie, Organtransplantationen und so weiter, ausschaut und wieweit Frauen dort diskriminiert werden.

Man muss sich jedenfalls auch anschauen, wie die Karrieremöglichkeiten von Frauen im Gesundheitssektor ausschauen. Zum Beispiel werden im medizinischen Bereich noch immer 20 Prozent der Habilitationen von Frauen eingereicht, während bei den Berufungen auf Professuren die Quote der Männer exakt 100 Prozent beträgt, also keine einzige Frau darunter fällt. Ich glaube also, da gibt es jede Menge Handlungs­bedarf!

Ich möchte aber bei einem ganz konkreten Punkt ansetzen, der beim Arznei­mittelgesetz natürlich auf der Hand liegt, nämlich der Tatsache, dass bei der Arznei­mittel­prüfung im Regelfall der Mann das Maß der Dinge ist. Das heißt, Medikamente werden in der Testphase hauptsächlich, wenn nicht ausschließlich an männlichen Test­personen erprobt, weil deren Organismus ein bisschen einfacher strukturiert ist und es keine Verwerfungen durch hormonelle Schwankungen im Laufe des Frauenzyklusses gibt, weil ein geringeres Risiko besteht, dass der Mann während der Testperiode schwanger wird, was bei manchen Frauen noch immer als Hauptgrund angeführt wird, warum man sie nicht nimmt, und weil offensichtlich die Medizin in vielen Fällen auch geschlechterblind ist.

Es gibt einige international bewährte Modelle, wo inzwischen gesagt wird, es ist aber wichtig, dass Medikamente und ihre Wirkung auf Frauen genauso getestet werden, weil man nämlich festgestellt hat, dass sich Medikamente, und zwar schon so einfache wie zum Beispiel Aspirin, auf Frauen und Männer unterschiedlich auswirken können, weil häufig die Dosierungen für Frauen, aber auch für Kinder falsch angegeben wer­den. Das heißt, es ist eindeutig notwendig, in der Erprobungsphase eines neuen Medikamentes seine Auswirkungen gezielt auf Männer, Frauen und Kinder zu testen, was heute nicht gang und gäbe ist.

Ich habe vor nicht einmal einem Jahr die Frau Ministerin im Budgetausschuss gefragt, wie sie denn das in Österreich handhabt, und hatte damals den Eindruck, auf blankes Unverständnis zu stoßen, und zwar derart, was die Frage denn soll, und habe den Hinweis bekommen, dass Hormonpräparate wie die Antibabypille ohnehin an Frauen getestet werden. Jetzt bin ich ziemlich beruhigt.

Das, was nicht passiert, ist allerdings, dass man in Österreich gezielt darauf schaut, dass alle Medikamente auch an Frauen erprobt wurden. Inzwischen hat zumindest ein gewisser Lernprozess eingesetzt. Im Ausschuss – ich glaube, es war vor einer Woche – hat die Frau Ministerin immerhin darauf hingewiesen, dass inzwischen bei den großen Firmen in den Arzneimittelerprobungsphasen meist ohnehin auch schon Frauen zu einem bestimmten Prozentsatz mit ins Sample aufgenommen werden. Mich alleine darauf zu verlassen, dass dies von selbst passiert, ist mir aber auch zu wenig. Ich würde daher gerne sicherstellen, dass wir in Österreich ganz gezielt darauf achten, nur dann Medikamente zuzulassen oder gar pharmakologische Studien zu fördern, wenn gleichermaßen an Männern und Frauen getestet wird. Da könnten wir uns ein Bei­spiel nehmen an den National Institutes of Health in den USA, die pharma­kologische Studien nur noch dann fördern, wenn Männer und Frauen beteiligt sind.


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Ich darf daher folgenden Antrag einbringen und die Ministerin genau in diese Richtung auffordern:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Zulassung von Medikamenten, die in ihrer Wirkung auf Frauen ausreichend getestet sind

Der Nationalrat wolle beschließen:

Gesundheitsministerin Rauch-Kallat wird aufgefordert, bis Ende 2004 sicherzustellen, dass

im Zulassungsverfahren für neue Medikamente immer überprüft wird, dass in den Testverfahren für diese Medikamente deren Auswirkungen auf Frauen in gleichem Ausmaß ausgetestet wurden wie die Auswirkungen auf Männer oder

neue Zulassungsverfahren eingeführt werden, die vorschreiben, dass bei den Test­verfahren für neue Medikamente deren Auswirkungen auf Frauen in gleichem Ausmaß ausgetestet werden wie die Auswirkungen auf Männer.

*****

Frau Ministerin, ich ersuche Sie dringend, sich als Gesundheitsministerin auch Ihrer Aufgabe als Frauenministerin anzunehmen! Sie können da in produktive Verhand­lungen mit sich selber treten und müssen sich nicht an einen anderen Ressortkollegen wenden und dessen Widerstand überwinden. Sie müssen maximal den eigenen Wider­stand überwinden, aber im Überwinden von Schweinehunden innerer und äußerer Art sind Sie sicher inzwischen erprobt. Ich hoffe daher auf Ihre Unterstützung. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.24

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Frau Abgeordneten Weinzinger verlesene und eingebrachte Entschließungsantrag ist hinreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rosenkranz. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Frau Kollegin, Sie sind am Wort.

 


10.24

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminis­ter! Dieser Gesetzentwurf ist eine Konsensmaterie. Das zeigt, dass die Bestimmungen, die hier getroffen werden, von allen als notwendig anerkannt werden. Im Wesentlichen dreht es sich darum, dass wir einer EU-Richtlinie folgend die Schutzbestimmungen über Verfahrensabläufe, Verwaltungsabläufe für die gute klinische Praxis bei der Durchführung von klinischen Bewilligungsverfahren zur Einführung neuer Medikamente vereinheitlichen. Es dreht sich um Schutzbestimmungen für Minderjährige, für Per­sonen, die nicht einwilligungsfähig sind – eine sehr wichtige Sache.

Es werden die Verfahrensabläufe vor der Bewilligung zur klinischen Prüfung festgelegt, es wird die Instanz festgelegt, die prüft. Es ist dies ein notwendiges Gesetz, ein Ge­setz, das die notwendigen, aber natürlich auch mit Gefahren und Risken verbundenen klinischen Prüfungen absichern und verbessern wird.

Es ist angeschnitten worden, und es ist zweifelsfrei so, dass an der Frage, an wem klinische Untersuchungen durchgeführt werden, noch weiter gearbeitet werden muss. Tatsache ist, dass klinische Prüfungen vor allem an Männern durchgeführt werden.


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Erfreulicherweise hat sich – nicht alles, was aus Amerika kommt, ist eo ipso schlecht – das Bewusstsein, dass der Unterschied zwischen Männern und Frauen physiolo­gischer Art und Weise ganz besonders auch in der Reaktion und in der Interaktion mit medizinischer Behandlung und mit Medikamenten zu beachten ist, jetzt entwickelt. Das ist, was „Gender-Based Medicine“ meint. Ohne jede Frage muss man in diese Rich­tung ganz verstärkt weitergehen beziehungsweise hier auch Dinge aufnehmen, die eigentlich in anderen Bereichen der Medizin klar sind. Ohne in den Verdacht kommen zu wollen, in irgendeiner Weise die Schulmedizin kritisieren zu wollen, stelle ich fest, dass in der Volksheilkunde und, soviel mir bekannt ist, auch in der Homöopathie dieser Unterschied selbstverständlich gemacht wird und ganz klar ist, dass nicht nur die Häufigkeit von Krankheiten, das Erscheinungsbild von Krankheiten, sondern vor allem auch die Reaktion darauf – je nachdem, ob man einen Mann oder eine Frau vor sich hat – unterschiedlich sein müssen.

Frau Abgeordnete Weinzinger, dies ist nicht ausschließlich die Schuld der Pharma­industrie, die sich sozusagen mit Männern leichter tut, sondern ich würde das schon auch so sehen – und das trifft dann gerade auch auf das Problem der Kinder zu –, dass sich Frauen einfach weniger für solche Experimente – das sind sie zu guter Letzt doch – zur Verfügung stellen. Ich kenne dieses Problem auch aus der Sicht, dass man sehr wohl wünschen würde, in bestimmte Programme Frauen aufzunehmen, es aber nicht so leicht ist, Frauen zu finden.

Dieses Problem stellt sich natürlich auch – und jetzt bin ich beim nächsten Thema – bei der Prüfung von Medikamenten an Kindern. Es ist absolut notwendig, das zu tun, über­haupt keine Frage. Das Kind ist nicht einfach ein kleiner Erwachsener, sondern der kindliche Organismus ist ein System, das sich im Wachstum befindet und ganz andere Anforderungen erfüllt. Diese Prüfung ist notwendig. Nur, ganz realistisch – viele hier sind Eltern –: Würden Sie Ihr Kind für eine solche Prüfung zur Verfügung stellen? – Wohl nur dann, wenn die Sachlage so ist, dass man sagt, entweder wir probieren als letztes Mittel ein noch nicht erprobtes Medikament oder die Aussichten auf Heilung und Therapieerfolg sind null – nur dann. Das ist auch eine Schwierigkeit, aber man ist sich sehr wohl dieses Problems bewusst.

Die Debatte im Gesundheitsausschuss hat sich diesmal vor allem auf Medikamente und das Kurieren, die kurative Medizin konzentriert. Dennoch zum Abschluss und sozu­sagen auch als Ceterum censeo: Wir werden die Aufgaben, die in Zukunft auf die Gesundheitspolitik zukommen, nur dann bewältigen, wenn wir dazu übergehen, mehr als eine Krankenversorgungspolitik zu machen und in Richtung Gesundheitsförderung zu gehen. Das ist im Interesse der Menschen. Es ist vernünftiger, Schaden zu ver­hindern, als Schaden zu heilen und zu kurieren, und das ist natürlich auch eine ökono­mi­sche Notwendigkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.29

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Frau Bundesminis­terin Rauch-Kallat. – Bitte.

 


10.29

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Hohes Haus! Lassen Sie mich zu Beginn sehr herzlich danken für die konstruktive Dis­kussion dieses Gesetzes beziehungsweise der danach anschließenden Anträge so­wohl im Ausschuss als auch heute hier im Plenum. Wir werden mit diesem Gesetz das österreichische Arzneimittelgesetz an eine europäische Richtlinie anpassen und alle notwendigen Maßnahmen setzen, um hier auch europakonform zu agieren.

Hier geht es vor allem auch um die Anwendung der klinischen Praxis. Lassen Sie mich ganz kurz auf folgende Frage eingehen: Was die Verteilung auf Männer und Frauen in


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den Studien anbelangt, so sagen mir die Beamten und Beamtinnen meines Hauses, dass die klinischen Studien in der Regel bereits gegendert werden. Ich werde das aber selbstverständlich auch gerne zum Anlass nehmen und nochmals all diese Studien auch gegendert ausweisen lassen. Ich denke, dass das in Hinkunft durchaus ein Anliegen sein soll.

Sie haben Recht, in der Vergangenheit war vor allem das Risiko einer möglichen Schwangerschaft Grund dafür, dass manche Medikamente nicht an Frauen oder in einem geringeren Maße an Frauen, vor allem an gebärfähigen Frauen, ausprobiert wurden. Glaubhaft versichert die Industrie, dass dies der Vergangenheit angehört und dass auch schon in den letzten Jahren Frauen und Männer annähernd zu gleichen Teilen an den Studien beteiligt waren.

Was die Anwendung für Kinder anbelangt, so ist das auch mir ein Anliegen, insbe­sondere weil es für Kinder keinerlei oder viel zu wenig klinische Studien gibt, weil die Fallzahlen zum Teil zu gering sind beziehungsweise weil auch die Anwendungs­beobachtung bei Kindern untersagt war. Ich glaube, wir haben hier mit einer Aus­schuss­feststellung Möglichkeiten geschaffen, dass vor allem im St. Anna Kinderspital bei der Krebsheilbehandlung von Kindern die besten Möglichkeiten für die Behandlung von Kindern mit minimalen Risken ausgelotet werden.

Wir haben darüber hinaus in einem Abänderungsantrag auch noch sichergestellt, dass Lücken in der Kontrolle von Dopingmitteln geschlossen werden. Hier geht es vor allem darum, dass zwar die Arzneimittel, die über die herkömmlichen Wege vertrieben werden, kontrolliert werden können, dass es aber zunehmend Mittel oder Nahrungs­ergänzungsmittel gibt, die in Sportgeschäften oder Fitnessstudios angeboten werden. So haben wir hier sichergestellt, dass auch der zuständige Landeshauptmann diese Kontrollen mit übernehmen kann, da er auch für die Lebensmittelkontrollen in diesem Bereich zuständig ist.

Ich möchte abschließend noch ganz herzlich für die konstruktive Diskussion danken und der Frau Abgeordneten Silhavy sagen, dass die Gesundheitsreform nicht ver­schoben wird und nicht dauernd verschoben wird, sondern Gott sei Dank ganz im Plan ist und sehr intensiv diskutiert wird. Der letzte Gesundheitsdialog findet nächsten Mittwoch im Bundesministerium statt, und wir werden dann in die konkrete Verhand­lungsphase eintreten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.33

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hütl. 4 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.33

Abgeordneter Dipl.-Ing. Günther Hütl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Werte Dolmetscherin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Die Bundesregierung und besonders die Frau Bundesminis­terin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat stehen für den unbeschränkten Zugang zu allen hochwertigen Leistungen unseres Gesundheitswesens, unabhängig vom Einkommen und unabhängig davon, ob jemand acht Jahre oder 80 Jahre alt ist.

Wir sprechen heute über ein Bundesgesetz, mit dem unter anderen das Arzneimittel­gesetz geändert wird. Darüber wurde jedoch schon ausreichend referiert, auch über die Europakonformität. Positiv zu bemerken ist, dass es neue Regelungen gibt, neue Fristen, die die Abläufe einfacher und schneller machen. Zum Beispiel hat das Bun­desministerium für Gesundheit und Frauen die Durchführung der klinischen Prüfung innerhalb von 35 Tagen zu untersagen, wenn der Antrag nicht der Leitlinie der Ethik-


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kommission entspricht oder die Relevanz der klinischen Prüfung zweifelhaft ist. Äußert sich das Ressort innerhalb dieser Frist nicht, so gilt der Antrag als genehmigt.

In den letzten Jahren konnte die Zahl der klinischen Prüfungen in Österreich gesteigert werden. Während 1997 etwa 2 500 Patienten an einer klinischen Studie teilnahmen, wurden 2001 264 Studien mit insgesamt 6 300 Patienten durchgeführt, und im Jahre 2002 waren es schon 280 Studien mit 6 500 Patienten.

Ich möchte jetzt jedoch auf ein Thema eingehen, das auch schon die Frau Bun­desministerin angeschnitten hat, und zwar auf die Ausschussfeststellung des Gesund­heitsausschusses, die vor allem das St. Anna Kinderspital und die pädiatrische Hämatoonkologie in Österreich betrifft.

Ich zitiere aus dieser Feststellung: „Der Gesundheitsausschuss geht davon aus, dass die in § 2a Abs. 1 enthaltene Begriffsbestimmung der klinischen Prüfung so zu ver­stehen ist, dass, wie schon bisher, individuelle Heilversuche, die notwendiger Bestand­teil der Therapie ... sind und bei denen der individuelle Nutzen für den Patienten im Vergleich zu dem über den Einzelfall hinausgehenden Erkenntnisgewinn für die Medi­zin so deutlich überwiegt, dass von einem medizinischen Forschungsvorhaben nicht gesprochen werden kann, nicht unter den in dieser Bestimmung definierten Begriff der klinischen Prüfung fallen.“

Ich kann das auch aus meinen persönlichen Erfahrungen mit St. Anna unterstützen und werde nun kurz darauf eingehen.

Da die Mehrzahl der Arzneimittel für den onkologischen Bereich nicht speziell für Kin­der und oft nur für limitierte Altersgruppen zugelassen ist, erfolgt die Behandlung der an Krebs erkrankten Kinder in den meisten Fällen im Rahmen von The­rapie­optimie­rungsstudien, die auf den Erfahrungen und Entwicklungen der letzten 30 Jahre auf­bauen.

Kinder, die vormals keine reale Chance auf ein Überleben hatten, können heute auf Grund dieser langjährigen und bewährten kooperativen Behandlungsstrategien mit Langzeitüberlebensraten von über 80 Prozent bei Leukämien sowie 60 bis 70 Prozent bei soliden Tumoren rechnen.

Wo liegt nun das Problem mit der Zuordnung zur klinischen Prüfung? – Der Grund dafür sind die vielfachen Voraussetzungen, nicht zuletzt wegen der erforderlichen Pro­bandenversicherung und der Notwendigkeit eines Sponsors zusätzlich zur spitals­internen Patientenhaftpflichtversicherung. Somit könnten Therapieoptimierungsstudien nicht mehr durchgeführt werden, da sowohl das erforderliche Geld als auch der Sponsor in den meisten Fällen nicht vorhanden sind. Diese Situation führt dazu, dass zahlreiche Kinder, die an lebensgefährlichen Krebserkrankungen leiden, nicht mehr therapeutisch sinnvoll behandelt werden können. Es ist enorm schwierig, Finanzie­rungen für die Weiterentwicklung einer Substanz bei kritischen Erkrankungen mit schlechter Prognose zu finden.

Aus der Sicht von St. Anna steht bei diesen Therapieoptimierungsstudien nicht die Gewinnung wissenschaftlicher Daten im Vordergrund, sondern die Therapie eines einzelnen Kindes und somit im wahrsten Sinne des Wortes das Leben eines einzelnen Kindes. Würde es sich im vorliegenden Fall tatsächlich um eine klinische Prüfung handeln, wäre die Konsequenz, dass auf Grund der fehlenden finanziellen Mittel viele Kinder nicht mehr internationalen Standards entsprechend behandelt werden könn­ten. – So viel zur Begründung.

Damit wird dieses Bundesgesetz über die Änderung des Arzneimittelgesetzes dazu führen, dass Verwaltungsvorschriften vereinfacht und transparente Verfahren einge­führt werden. Im Hinblick auf die verkürzten Fristen können klinische Prüfungen in


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Österreich früher beginnen als in anderen Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft. Daraus ergeben sich ein Standortwettbewerbsvorteil und positive beschäftigungspolitische Im­pulse. So setzt auch in vielen anderen Bereichen die Regierung unter Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel Maßnahmen, wie zum Beispiel die Steuerreform, um den Standort Österreich für die Wirtschaft und Arbeitnehmer zu sichern und auszubauen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.39

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. 4 Minuten Wunschredezeit. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


10.39

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Dolmetscherin! Die sozialdemokratische Fraktion stimmt den Änderungen im Arzneimittelgesetz zu und begrüßt insbesondere die Neuregelungen bei der Kontrolle und Behördenzuständigkeit in Bezug auf verunreinigte Nahrungsergänzungsmittel, die in Kaufhäusern, Groß­märk­ten, aber auch im Sportfachhandel vertrieben werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Regelung kommt allerdings zu spät. Erin­nern Sie sich: Ende 2001 wurde durch Seibersdorf die erste Untersuchung über verunreinigte Nahrungsergänzungsmittel veröffentlicht. Ich habe sie dann selbst einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht und namens der Sozialdemokratie klare Forderungen aufgestellt.

Heute reden wir nur über einen Teilbereich. Heute wird beschlossen, dass in Zukunft tatsächlich verunreinigte Nahrungsergänzungsmittel, die einerseits eine Dopingrele­vanz aufweisen und andererseits gesundheitspolitisch ein unheimlich großes Risiko gerade für junge Menschen darstellen, beschlagnahmt werden können und dass es eine Behördenzuständigkeit gibt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist zu wenig. Man hätte bereits im Jahre 2002 die Möglichkeit gehabt, eine derartige Regelung zu schaffen. Die Sportler, die im guten Glauben Nahrungsergänzungsmittel zu sich genommen haben und später dann gesperrt wurden, sind Opfer dieser verfehlten Politik dieser Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Großruck: Ach so, jetzt sind wir am Doping auch schuld?!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nahrungsergänzungsmittel werden über normale Vertriebswege vertrieben. (Abg. Großruck: Die Regierung ist schuld am Doping?!) Kollege Großruck, Sie kennen sich hier nicht aus! (Abg. Großruck: Nein, beim Doping kenne ich mich nicht aus!) Ich sage Ihnen in aller Klarheit: Es werden Nahrungsergänzungsmittel illegal vertrieben, Nahrungsergänzungsmittel, die Arznei­mittel sind. Lesen Sie die Anfragebeantwortungen des Herrn Bundesministers für Finanzen, in denen nachgewiesen wird, welche Mengen in gesetzwidriger Weise nach Österreich importiert werden! Das Kompetenzzentrum in der Zollfahndung hat in den Jahren 2000 bis 2002 bei 2 214 Stichproben 444 Warensendungen beanstandet und beschlagnahmen müssen. Im Jahre 2003 waren es von 383 Warensendungen 140.

Und, Frau Bundesministerin, was hören wir jetzt? – Es gibt einen Entwurf des Herrn Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit zur Änderung der Gewerbeordnung. Nach diesem Entwurf soll das Versandhandelsverbot für Nahrungsergänzungsmittel fallen. Ich warne hier an dieser Stelle davor, eine derartige Regelung in diesem Hause zu beschließen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich erlaube mir, den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Maier und KollegInnen betreffend weitere Maßnahmen zur Bekämpfung von Doping im Freizeit- und Leistungssport einzubringen, und ich


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bedanke mich beim Herrn Präsidenten, dass er diesen Entschließungsantrag bereits verteilen hat lassen. Dieser Antrag enthält klare Forderungen, die aus unserer Sicht notwendig sind, wie beispielsweise die Forderung nach regelmäßigen Untersuchungen über Nahrungsergänzungsmittel, die in Österreich legal oder illegal auf den Markt kom­men, weiters die Forderung, die Ergebnisse zu veröffentlichen, damit die Menschen auch wissen, welcher Mist hier verkauft wird, und auch klare Forderungen nach einer Öffentlichkeitsarbeit zu dieser Thematik.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stimmen heute dieser Gesetzes­ände­rung zu, weil sie eine Verbesserung darstellt, aber trotzdem sind wir der Auffassung, dass zusätzliche Aktionen gestartet werden müssen. Wir dürfen Sie daher einladen, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

10.44

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der soeben in seinen Kernpunkten erläuterte Ent­schließungsantrag der Abgeordneten Mag. Maier, Kolleginnen und Kollegen ist hin­reichend unterstützt, wird vervielfältigt, verteilt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Maier und GenossInnen betreffend „Weitere Maßnahmen zur Bekämpfung von Doping im Freizeit- und Leistungssport“

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ausschusses für Gesundheit und Frauen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz, das Bundes­gesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Arzneiwareneinfuhrgesetz 2002 und das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds "Österreichisches Bundes­institut für Gesundheitswesen" geändert werden (440 d.B.)

Mit der vorliegenden Gesetzesänderung wird eine Lücke in der Behördenzuständigkeit und Kontrolle, die von der SPÖ seit Frühjahr 2002 aufgezeigt wurde, geschlossen.

In den erläuternden Bemerkungen wird eingestanden:

„Produkte, die als Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt gebracht werden, die Dopingmittel beinhalten und daher als Arzneimittel einzustufen sind, werden jedoch auch in Sportgeschäften und Supermärkten vertrieben. In diesem Bereich fehlt bislang eine entsprechende Kontroll- und Beschlagnahmemöglichkeit.“

Die vorliegende Regierungsvorlage wird aber nur in einem Punkt dem Ent­schließungsantrag (57/A (E)) der Abg. Mag. Johann Maier und GenossInnen betreffend Nahrungsergänzungsmittel, die als Arzneimittel zu qualifizieren sind, gerecht.

In diesem Entschließungsantrag sind die Probleme mit verunreinigten Nahrungs­er­gänzungsmitteln sehr ausführlich beschrieben und mit internationalen Unter­su­chungs­ergebnissen belegt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat hat beschlossen:

„Die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen wird aufgefordert:

1. gemeinsam mit dem Bundeskanzler eine umfassende Untersuchung der in Österreich erhältlichen Nahrungsergänzungsmittel auf Stoffe (nach § 5a AMG) unter


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Einbeziehung aller bekannten – legalen wie illegalen – Vertriebswege (z.B. Internet) zu veranlassen;

2. dem Nationalrat bis 31. Oktober 2004 über die Ergebnisse dieser Untersuchung zu berichten;

3. aufgrund der bekannten gesundheits- wie auch dopingrelevanten Problemstellungen regelmäßig systematische Kontrollen der am Markt befindlichen Nahrungs­ergänzungs­mittel unter Berücksichtigung aller Vertriebswege durchzuführen, um das Ausmaß der kontaminierten Produkte abschätzen und effektiv bekämpfen zu können;

4. dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit der die gesetzlichen Vor­aussetzungen geschaffen werden, dass bei Nachweis verbotener Stoffe (z.B. Pro­hormonen) in Nahrungsergänzungsmittel öffentlich, und zwar unter vollständiger Na­mens­nennung (Marke, Hersteller, Importeur, Chargennummer etc.), über gesund­heitliche Risken und Dopingrelevanz informiert und gewarnt werden kann;

5. auf europäischer Ebene die Durchsetzung der „Guten Herstellungspraxis“ bei der Herstellung von „Nahrungsergänzungsmittel“ zu ermöglichen, eine koordinierte euro­päische Marktkontrolle umzusetzen sowie für den Aufbau eines gegenseitigen Infor­mationssystems, durch das die europäischen BürgerInnen vor gesundheitlichen und sportlichen Risken gewarnt und geschützt werden, einzutreten;

6. gemeinsam mit dem Bundeskanzler und der Bundesministerin für Bildung, Wis­senschaft und Kultur verstärkt Aufklärungsarbeit über die gesundheitlichen und sport­lichen Risken von Dopingmitteln und von mit verbotenen Stoffen verunreinigten Nah­rungsergänzungsmitteln (z.B. Prohormone) in Österreich durchzuführen.“

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lichtenegger. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.44

Abgeordneter Elmar Lichtenegger (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Sehr verehrte Übersetzerin, die Sie mich heute schon sehr beeindruckt haben! Ich bin neugierig, wie Sie das Wort „Nahrungsergänzungsmittel“ übersetzen. (Die Gebärdendolmetscherin macht die entsprechenden Gesten.) – Das habe ich mir gedacht. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir wissen, 22 Prozent der Nahrungsmittel, die wir zum Verkauf angeboten bekom­men, sind kontaminiert mit Arzneimitteln, die eigentlich nicht hineingehören. Wie diese Dinge hineingekommen sind, ist oft schwer nachvollziehbar; teilweise erfolgt das bewusst, teilweise unbewusst. Fakt ist, dass wir mit der Änderung im Arzneimittel­gesetz zumindest einmal bewerkstelligen können, dass wir auf Verdacht hin Proben nehmen können, auf Verdacht hin geschulte Organe in die Fitness-Center, in die Waren­häuser entsenden können, die dort Produkte beschlagnahmen können. Das ist meines Erachtens schon ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, um dieser Misswirtschaft Einhalt zu gebieten.

Kollegem Maier gebe ich völlig Recht: Wir sind da sicher noch nicht am Ende unserer Möglichkeiten angelangt, denn es geht ja nicht nur um die Dopingmittel, die bei den Leistungssportlern relevant werden – das sind ja „nur“ 200 oder 300 in Österreich –, sondern wichtig ist auch der gesundheitliche Aspekt. Viele Leute nehmen Nahrungs­ergänzungsmittel im Glauben, dass sie sich etwas Gutes tun. Oft wissen sie gar nicht, welchen Schaden sie ihrem Körper zufügen. Dem gehört Einhalt geboten.


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Ich glaube, im Rahmen des Arzneimittelgesetzes haben wir sehr viel getan. Es muss aber natürlich mehr auf dem Gebiet der Vertriebswege gemacht werden; da gebe ich Ihnen völlig Recht. Der Internethandel ist ein großes Problem, das wissen wir. Ich glaube, in Frankreich und in Irland hat sich schon eine Gruppe rund um Interpol ge­bildet, die versucht, die Vertriebswege zu kontrollieren, eine Gruppe, die eigens dafür abgestellt ist.

Auf nationaler Ebene versuchen wir Informationskampagnen mit dem Staatssekretariat zu starten; es werden Flyer und Plakate ausgeteilt, es gibt auch Informations­veran­staltungen. Die Problematik ist aktueller denn je, und ich glaube, man kann auf diesem Wege sehr viel erreichen. Auch ich versuche meinen Teil dazu beizutragen, dass man die Menschen in Bezug auf Nahrungsergänzungsmittel ein wenig sensibilisiert.

Wir sind noch nicht am Ende des Tunnels, aber wir sehen zumindest schon ein kleines Licht. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg.

Wir werden versuchen, auch im Rahmen der Gewerbeordnung diesem Problem stärker Einhalt zu gebieten. Wir haben mit dem Arzneimittelgesetz bewerkstelligt, dass man auf Verdacht Proben ziehen kann; das hat man vorher nicht können. Es gibt geschulte Organe, und diese Organe sind dazu legitimiert.

Ich denke, wir sind dem Ziel, der großen Flut von Nahrungsergänzungsmitteln nicht hilflos ausgeliefert zu sein, schon einen Schritt näher. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.47

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Höllerer für 3 Minu­ten ans Rednerpult. – Bitte, Frau Kollegin.

 


10.48

Abgeordnete Anna Höllerer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! – Auch ich bedanke mich für die Unterstützung durch die Übersetzung in die Gebärdensprache. Ich kann es zwar nicht verstehen, aber es ist auch für mich sehr interessant zu verfolgen, wie diese Zeichensprache funktioniert.

Hohes Haus! Mit der Regierungsvorlage wird vorwiegend die Umsetzung der EU-Richt­linie betreffend Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln geregelt. Wie von den Vorrednern bereits angesprochen, enthält die Vorlage auch den speziellen Schutz von Minderjährigen und nicht einwilligungsfähigen Personen, die in klinische Studien einbezogen werden sol­len.

Ein besonders wichtiger Punkt wurde auch von meinem Vorredner bereits ange­spro­chen: Das Arzneimittelgesetz enthält auch die so genannte Antidoping-Regelung. Ich kann mir gut vorstellen, was es bedeutet, wenn ein Spitzensportler erfährt, dass er auf Grund der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln als Dopingsünder hingestellt wird. Eine wahre Horrorvision, die für den betreffenden Sportler das Aus beim Spitzen­sport bedeutet, denn das Dopingreglement stellt ganz klar fest, dass der Nachweis einer verbotenen Wirksubstanz unmittelbar zur Disqualifikation und zur Sperre des Sportlers führt.

Eine große Problematik sehe ich aber auch darin, dass unsere Konsumentinnen und Konsumenten freien Zugang zu Nahrungsergänzungsmitteln haben, da diese Produkte in Lebensmittelläden, in Supermärkten, in Drogeriemärkten, aber auch im Sporthandel angeboten werden. Wie bereits vom Vorredner angemerkt, können 15 bis 20 Prozent mit den bedenklichen Substanzen kontaminiert sein.


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Frau Bundesministerin Maria Rauch-Kallat hat diese Problematik aufgegriffen und sie einer möglichen Lösung zugeführt, einer Lösung, die verwaltungstechnisch und vor allem auch ökonomisch leicht durchführbar ist, indem sie die Aufgaben der Kontrollen den Landeshauptleuten übertragen hat, wodurch die Lebensmittelinspektoren zukünftig die Möglichkeit haben, Nahrungsergänzungsmittel aus dem Verkehr zu nehmen, wenn der dringende Verdacht besteht, dass eine Kontaminierung vorliegt.

Selbstverständlich ist es immer möglich, Probenziehungen vorzunehmen. Das ist ein wichtiger und richtiger Schritt zum Schutz und zur Sicherheit unserer KonsumentInnen, die ja diese Nahrungsergänzungsmittel einnehmen im Bewusstsein, dass sie etwas für ihre Gesundheit tun, und nicht bedenken, dass auch Substanzen drinnen sein könnten, die ihrer Gesundheit schaden.

Aber auch das Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport hat in Zusam­men­arbeit mit dem Olympiazentrum Südstadt und dem Dopinglabor Seibersdorf bereits im Jahr 2002 eine Aktion „Saubere Nahrungsergänzungsmittel“ gestartet. Auch da ist man bemüht, Nahrungsergänzungsmittel zu veröffentlichen, die wirklich unbedenklich sind und die auch von den Konsumentinnen und Konsumenten genommen werden können.

Dieses Bundesgesetz trägt dazu bei, dass Gesundheitsförderung, Gesundheits­be­wusst­sein und Gesundheitserhaltung in den Vordergrund gerückt werden und dass insbesondere unsere Konsumentinnen und Konsumenten den entsprechenden Schutz und die entsprechende Sicherheit gesetzmäßig verankert bekommen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.51

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


10.52

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ho­hes Haus! (Zur Gebärdensprachdolmetscherin gewandt:) Guten Tag! – Wenn wir dem Herrn Bundeskanzler glauben sollen, meine Damen und Herren, dass Österreich im Jahr 2010 – und das ist ja in naher Zukunft – das kinderfreundlichste Land der Welt sein soll, dann, denke ich, sollte gerade im Bereich der Kinderheilkunde auch einiges getan werden, denn Tatsache ist: Kinder und Jugendliche sollen nicht wirklich als kleine Erwachsene therapiert werden, sie müssen es aber zum Großteil, weil in der Kinderheilkunde fast nur Erwachsenenmedikamente eingesetzt werden.

Aber mit dem Problem des Einsatzes von Erwachsenenmedikamenten in der Kinder­heilkunde ist ja nicht nur Österreich konfrontiert. Kollegin Rosenkranz hat heute schon gesagt: Nicht alles ist schlecht, was aus den USA kommt. In diesem Fall nimmt die USA eine Vorreiterrolle ein, denn schon seit 1997 wurde dort ein Gesetzespaket geschnürt, das die Hersteller innovativer Arzneimittel anhält, die Indikationsstellung auch für die Kinderheilkunde zu beantragen und die entsprechenden Nachweise bei­zubringen, wenn erwartet werden kann, dass das Medikament für die Behandlung kran­ker Kinder und Jugendlicher geeignet ist.

Wenn ich daran denke, was im Regierungsübereinkommen über Kinder- und Jugend­verträglichkeitsprüfungen steht, meine ich, das müsste auch hier Eingang finden, denn Kinder- und Jugendverträglichkeitsprüfung bedeutet, dass man Gesetzesvorhaben darauf überprüfen sollte, ob Kinder- und Jugendverträglichkeit gegeben ist. Und gerade in der Medizin wäre das sehr, sehr wichtig.

Dieses Thema spielt auch eine große Rolle in dem Buch „Weggelegt – Kinder ohne Medizin?“, aus dem ich ganz kurz zitieren darf: Immer häufiger gibt es spezifische Therapien. Oft fehlen jedoch spezifische Medikamente. Die extrem teure Entwicklung


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kausalwirksamer Präparate ist wegen des geringen zu erwartenden Umsatzes oft nicht kostendeckend und wird deshalb von den pharmazeutischen Firmen nicht forciert.

Genau dieser Thematik nehmen sich auch unsere drei Anträge an, die nicht einfach so dahingeschrieben sind, sondern mit ExpertInnen aus der Kinderheilkunde entwickelt wurden. Teile davon stehen sogar im Regierungsübereinkommen. Daher ist es mir wirk­lich unverständlich, warum diese drei Anträge im Ausschuss abgelehnt wurden. Gestern habe ich kritisiert, dass Sie alles vertagen; dieses Mal hätte ich mir gewünscht, dass Sie diesen Anträgen noch eine Chance geben. Aber vielleicht haben wir heute eine letzte Chance und Sie stimmen unseren Anträgen im Interesse der Kinder und Jugendlichen in Österreich zu. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.55

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Huainigg. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


10.56

Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Werter Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Ich möchte mich vorab beim Präsidenten des Nationalrates dafür bedan­ken, dass es immer wieder möglich ist, dass Debatten in Gebärdensprache übertragen werden. Es ist das ein wichtiges Zeichen für die Anerkennung der Gebärdensprache, die im Rahmen des Gleichstellungsgesetzes passieren soll. (Allgemeiner Beifall.)

Es gibt ja auch den Präsidialbeschluss, dass die Debatten mit Untertiteln übersetzt werden sollen, damit sie gehörlose und schwer behinderte Menschen mitverfolgen können.

Zur aktuellen Novelle zum Arzneimittelgesetz gibt es zwei sehr wesentliche Punkte, die mir wichtig erscheinen. Der erste Punkt ist, dass in den Ethikkommissionen erstmals betroffene ExpertInnen sitzen, also die Interessen behinderter Menschen dort sehr stark vertreten sind. Ethikkommissionen müssen auch zustimmen, wenn klinische Ver­suche durchgeführt werden. Und damit kommt diesen Ethikkommissionen und behin­derten Menschen eine wichtige Schlüsselfunktion zu.

Auf der anderen Seite wurde die Forschung an nicht einwilligungsfähigen Personen unter starke Schutzbestimmungen gestellt. Das ist insofern wichtig, als gerade geistig behinderte Menschen oder psychisch kranke Menschen quasi nicht als Versuchs­kaninchen verwendet werden dürfen und es hier wirklich einen guten Schutz gibt. Wie sich dieser dann bewährt, ist natürlich in der Praxis zu evaluieren. Aber sichergestellt ist, dass es nur mehr dann, wenn ein Eigennutzen besteht, wenn ein therapeutischer Erfolg für den Betroffenen nachzuweisen ist, möglich ist und nicht mehr bei Fremd­nutzen. Damit wird das Interesse des Betroffenen über das Interesse der Wissenschaft gestellt. Und das ist ein ganz wichtiger Fortschritt. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Ich habe in meinen bisherigen Diskussionsbeiträgen immer wieder einen kleinen Gebärdensprachkurs durchgeführt, den ich heute fortsetzen möchte, nämlich mit der politischen Farbenlehre. (Die Gebärdensprachdolmetscherin macht nach Nennung der jeweiligen Farbe durch den Redner die entsprechenden Gesten.) Es gibt Grün, es gibt Schwarz, es gibt Blau, es gibt auch Rot (Heiterkeit nach der entsprechenden Gestik), und es gibt interessante Farbmischungen; besonders aktuell: Blau-Rot. (Neuerliche Heiterkeit nach der entsprechenden Gestik.) – Danke. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.59

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Csörgits. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



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11.00

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich kann nahtlos an die Ausführungen meiner Vorrednerin Heinisch-Hosek an­schließen. Auch für mich ist die Vorgangsweise im Gesundheitsausschuss völlig unver­ständlich. Was mich besonders geärgert hat, ist der Umstand, dass unsere Anträge zur Kindermedizin entweder nur halbherzig oder überhaupt nicht diskutiert und abgelehnt worden sind, wobei ich auch kritisch festhalten muss, dass ihre Behandlung in der ver­gangenen Legislaturperiode vom einen zum anderen Mal bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag vertagt worden ist.

Dabei sind gerade die Inhalte dieser drei Anträge von besonderer Bedeutung. Ich darf hier schon feststellen, dass einige unserer Forderungen in Ihren Gesetzen beinhaltet sind, aber leider nicht ausreichend. Daher wäre eine Behandlung und Beschluss­fas­sung dieser Anträge sicher eine sehr günstige und gute Ergänzung gewesen. (Prä­sident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Der Inhalt der Anträge beschäftigte sich einerseits mit der Prüfung bei Neuzulassung von Arzneimitteln für Kinder und Jugendliche und andererseits mit der Verbesserung der Zulassung von Arzneispezialitäten für Kinder und Jugendliche. Nach Einschätzung von ExpertInnen sind 80 Prozent der Arzneimittel, die in der Kinderheilkunde einge­setzt werden, Arzneimittel, die eigentlich für diesen Bereich überhaupt nicht zuge­lassen sind. Für etwa 40 Prozent der in Deutschland verordneten Medikamente, die nach der Klassifizierung der WTO unverzichtbar sind, gilt nach Herstellerangabe für diese Medikamente in der Kinderheilkunde ein prinzipielles Anwendungsverbot. Trotz­dem müssen Kinderärzte diese „Erwachsenenmedikamente“ – unter Anführungs­zeichen – in der Therapie einsetzen, wenn sie einen Heilungserfolg versprechen.

Die Kinderärzte und Kinderärztinnen bewegen sich also auf einem sehr, sehr schmalen Pfad. Einerseits bewegen sie sich außerhalb der Haftung des Schutzes des Arznei­mittelgesetzes, und andererseits stehen die KinderärztInnen natürlich unter einem unheimlichen Druck und Stress, weil sie sich fragen müssen: Soll ich dieses Medi­kament anwenden, oder soll ich es nicht anwenden? Was passiert, wenn ich es an­wende, und was passiert, wenn ich es nicht anwende? Daher ist auch für viele Kinder­ärztInnen die Vorgangsweise, die Sie im Gesundheitsausschuss an den Tag gelegt haben, wirklich unverständlich.

Sie haben sicherlich auch auf die sorgengeplagten Eltern ein bisschen vergessen, denn ich denke, auch hier wäre die Chance gewesen, ihnen zumindest ein bisschen etwas an Sorgen, die Eltern von kranken Kindern haben, abzunehmen. Schade, dass es nicht geschehen ist! Sie haben eine gute Chance verpasst. Ich bin aber sehr optimistisch und hoffe, dass wir uns trotzdem bei nächster Gelegenheit sehr bald die­sem Thema widmen werden.

Abschließend darf ich festhalten, dass meine Fraktion den Entschließungsantrag der Grünen betreffend Zulassung von Medikamenten, die in ihrer Wirkung auf Frauen aus­reichend getestet sind, unterstützen wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.03

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Wöginger. Gleiche freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


11.03

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Es ist erfreulich, dass bei der Umsetzung dieser EU-Richtlinie, welche das Arzneimittelgesetz betrifft, Konsens hier im Hohen Haus herrscht. Diese Gesetzesänderung regelt unter anderem das Ver­fahren vor Beginn einer klinischen Prüfung samt Verfahrensfristen sowie auch die


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Kontrollen durch die Ethikkommission und Behörden. Auch der Schutz der betroffenen Prüfungsteilnehmer wird behandelt.

Einstimmig sind wir der Meinung, dass wir in diesem Forschungsbereich die Ver­waltungsvorschriften vereinfachen und harmonisieren müssen, um damit günstige Voraussetzungen für eine effiziente Koordinierung der klinischen Prüfungen zu schaf­fen. Damit und durch die Verkürzung von Verfahrensfristen stärken wir den For­schungsstandort Österreich und sichern dadurch auch Arbeitsplätze, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ein Schwerpunkt dieser Umsetzung betrifft auch die Aufnahme detaillierter Regelungen über den Schutz von Teilnehmern an solch klinischen Prüfungen. Ich finde es sehr wichtig, dass wir Rahmenbedingungen und Regelungen haben, die diese Gruppe schützt. Ein spezieller Schutz gebührt dabei den Minderjährigen und den nicht einwil­ligungsfähigen Erwachsenen. Diesen Personen müssen wir vermehrten Schutz bieten. Sie sollen grundsätzlich nur dann in klinische Studien einbezogen werden, wenn die begründete Annahme besteht, dass das Verfahren auch einen unmittelbaren Nutzen für die betroffenen Personen hat und der Nutzen die Risken deutlich überwiegt. Diese Voraussetzung wird mit dieser Richtlinie dankenswerterweise erfüllt.

Als einer der jüngeren Vertreter hier im Hohen Haus möchte ich noch kurz auf die Kon­trolle von Dopingmitteln eingehen, welche wir hier mitdiskutieren. Ich bin der Meinung, dass wir insbesondere die jungen und jugendlichen Bürgerinnen und Bürger von Dopingmitteln fernhalten müssen. Gerade sie sind es, die sich oft dem Streben nach mehr und immer besser hingeben und die dem Leistungsdruck durch oft dubiose Mittel gerecht zu werden versuchen. Wir müssen hier ein Reglement schaffen, das dem Doping keine Chance gibt, und wir müssen alles unternehmen, um den Sport sauber und fair zu halten.

Wir schließen hiermit eine kleine, aber nicht unbedeutende Gesetzeslücke. Es werden nun Kontroll- und Beschlagnahmemöglichkeiten für Arzneimittel geschaffen, die Do­pingmittel enthalten, aber eigentlich als Nahrungsergänzungsmittel auch in Sport­geschäften und Supermärkten vertrieben werden. Dies ist ein kleiner, aber aus meiner Sicht sehr wichtiger Schritt in der Dopingbekämpfung. Ich danke für die Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

11.06

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schasching. – Bitte, Frau Kollegin.

 


11.06

Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Geschätzte Damen und Herren! Das Arzneimittelgesetz, dem wir heute un­sere Zustimmung nicht verweigern werden, ist wohl nicht der Weisheit letzter Schluss. Das haben meine Vorrednerinnen und Vorredner bereits sehr detailliert ausgeführt.

Frau Bundesministerin! Ihre Aussagen sowohl im Ausschuss als auch in der Frage­stunde, in denen Sie immer wieder die Bedeutung der Bewegung für die Gesundheit der Jugend, aber auch für die Gesundheit im höheren Alter betonen, motivieren mich nachzufragen: Wie schaut es hier aus mit der Übereinstimmung von Tun und Ankün­digen, wenn Sie in der Vergangenheit zugestimmt haben, dass man die Zahl der Turn­stunden in den Schulen kürzt, und nun meinen, mit Bewegungs- und Motivations­pro­grammen wieder mehr „Bewegung“ in die Schulen zu bekommen? Das kann, glaube ich, nicht zusammengehen. Ich denke, auch im Europäischen Jahr der Erzie­hung durch Sport würde es mehr bedürfen als nur schöner Ankündigungen und Aufklärungs­modelle, nämlich konkreter Maßnahmen.


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Gemeinsam mit meinem Kollegen Erwin Niederwieser haben wir daher ein Forde­rungsprogramm zum Europäischen Jahr der Erziehung durch Sport aufgestellt. Seitens der SPÖ möchte ich Ihnen gerne nur ganz wenige Punkte vortragen, von denen wir jedoch meinen, dass ihre Umsetzung dringend notwendig ist.

Die Einführung der täglichen Turnstunde wäre der erste Schritt in die richtige Richtung. Mehrere „Bewegungsportionen“ über den Tag verteilt, was logischerweise in unserem Ganztagsschulprojekt wesentlich besser umgesetzt werden könnte als in der heute existierenden Halbtagsschule, und viele andere Forderungspunkte mehr haben wir eingebracht. Frau Bundesministerin, ich werde Ihnen dann im Anschluss unseren Forderungskatalog überreichen, weil ich denke, dass das eine wichtige Sache ist, der Sie sich gerade als Gesundheitsministerin auch dringend annehmen sollten.

Der Umgang mit unseren Anträgen sowohl im Ausschuss als auch hier im Plenum dann bei der Abstimmung stimmt mich ein wenig bedenklich: Ablehnungen, Verta­gungen, Verzögerungen. Ich denke, dass gerade im Bereich der Kinder- und Jugend­heilkunde, wie es meine Vorrednerin Gabriele Heinisch-Hosek schon erwähnt hat, Gefahr im Verzug ist. Wir sollten dringend handeln. Arzneimittel, die für Erwachsenen­medikation ausgerichtet sind, sind, was ihre Nebenwirkungen, ihre Risken und ihre Dosierung betrifft, für Kinder wohl wirklich nicht immer geeignet. Daher, Frau Bundes­ministerin, ist es unverständlich, dass gerade diese unsere drei Anträge die Kinder- und Jugendheilkunde betreffend wieder einmal abgelehnt wurden.

Es schadet unser aller Ansehen als Politiker in der Öffentlichkeit, wenn Sie von den Regierungsparteien nur dann Anträgen der Opposition zustimmen, wenn es offen­sichtlich eine unmittelbare persönliche Betroffenheit von Mitgliedern des Hohen Hau­ses gibt. Ich begrüße sehr, dass jetzt durch diese Novelle die Nahrungs­ergän­zungs­mittel endlich untersucht und überprüft werden können. Nur – und seien wir da bitte alle einmal ehrlich –: Hätte es nicht Kollegen Lichtenegger selbst erwischt und er jetzt das Problem einer sechsmonatigen Sperre, dann hätte es wahrscheinlich noch ein paar Ausschusssitzungen bedurft, dass dieses wichtige Gesetz beschlossen wird, obwohl es – oh, wie pfui! – von der Opposition gekommen ist.

Daher, sehr geehrte Frau Bundesministerin, geht es wohl wirklich darum, sinnvolle Gesundheitspolitik für alle Menschen Österreichs zu machen, für die sportbewegte Jugend, für die Kinder zu machen und nicht immer die Augen zu verschließen, wenn die Opposition Anträge einbringt, sondern auch einmal Ihre Zustimmung zu geben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.11

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Sonnberger. – Bitte.

 


11.11

Abgeordneter Dr. Peter Sonnberger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer! Im Zuge der Änderung des Arzneimittelgesetzes soll es auch möglich sein, Nahrungs­ergänzungsmittel, die Dopingmittel beinhalten und daher als Arzneimittel einzustufen sind, in den Vertriebsräumen wie Sportgeschäften und Supermärkten zu kontrollieren und allenfalls auch beschlagnahmen zu können.

Damit wird eine Lücke in der Kontrolle von Dopingmitteln geschlossen, denn die im Jahr 2001 getroffenen Regelungen betreffend Kontrolle von Doping im Sport bezogen sich nur auf Räume von Vereinen, die der Ausübung des Sports oder der Förderung der Gesundheit oder der Fitness gewidmet sind oder wo Sportveranstaltungen oder Wettkämpfe stattfinden. Diese neue Aufgabe soll im Übrigen in Zukunft den Lan-


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deshauptmännern übertragen werden und von Lebensmittelaufsichtsorganen wahrge­nommen werden, um hier nicht zusätzlich Verwaltungsaufwand entstehen zu lassen.

Die Möglichkeit der Beschlagnahme ist für begründete Verdachtsfälle vorgesehen. Das heißt, es wird in der Regel bereits ein Untersuchungsergebnis einer Probe vorliegen. Den besonders geschulten Organen soll auch die Probenziehung von Nahrungs­ergänzungsmitteln obliegen, die im Verdacht stehen, dass sie auf Grund ihrer objek­tiven oder subjektiven Zweckbestimmung Arzneimittel sind. Die Probenziehung wird im Rahmen des vom Gesundheitsressort vorgegebenen Proben- und Revisionsplans nach § 36 Lebensmittelgesetz erfolgen.

Aus fachlicher Sicht ist davon auszugehen, dass nur in einem geringen Anteil aller Nahrungsergänzungsmittel Stoffe nach § 5a Arzneimittelgesetz enthalten sind, nämlich nur in einschlägigen Sportlerprodukten. Eine Untersuchung, in deren Rahmen 72 ein­schlägige Produkte untersucht wurden, hat ergeben, dass nur drei Produkte verbotene Substanzen enthielten, von denen in nur einem Produkt verbotene Substanzen in dopingrelevanter Menge gefunden werden konnten.

Abschließend möchte ich mich bedanken bei der äußerst dynamisch agierenden Ge­sundheitsministerin und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Kabinett und im Ministerium. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

11.13

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kaipel. – Bitte.

 


11.13

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Regierungsfraktionen werden nicht müde, immer wieder die Familie zu strapazieren, und ich unterstelle, dass auch für die Regierungsfraktionen das Kind Teil der Familie ist. Wenn das so ist, dann ist es nicht verständlich, dass gerade dann, wenn es um die Gesundheit der Kinder geht, die Regierungsfraktionen taub sind und gute Anträge der Sozialdemokraten entweder nicht behandeln oder ablehnen.

Laut Expertenschätzungen ist der allergrößte Teil der für Kinder verwendeten Arznei­mittel für diese Indikation nicht zugelassen, das heißt nicht untersucht auf Dosierung, Wirksamkeit und Nebenwirkungen. Etwa die Hälfte der in Deutschland verordneten Medikamente ist laut Hersteller für Kinder verboten. Allerdings müssen Ärzte bei Er­folgsaussicht Erwachsenenmedikamente zur Therapie einsetzen. Damit bewegen sich die Ärzte außerhalb des haftungsrechtlichen Schutzes des Arzneimittelgesetzes, und das, denke ich, sollten wir alle nicht wollen.

Die Arzneimitteltherapie bei Kindern und Jugendlichen ist also angewiesen auf Ex­perimentieren – das bedeutet Fehldosierung, das bedeutet mögliche Nebenwirkungen, das bedeutet erhöhtes Risiko. Und genau diese Gefahren, gepaart mit hohen Ent­wicklungskosten und fehlender Wirtschaftlichkeit, sind verständlicherweise auch wenig Ansporn für die Industrie, Medikamente für Kinder zu entwickeln. Damit, meine Damen und Herren, sollten wir uns aber nicht zufrieden geben.

Wir Sozialdemokraten sind überzeugt davon, dass Kinder das gleiche Recht haben wie Erwachsene, das Recht auf sichere Medikamententherapie. Daher schlagen wir vor, dass wir dem amerikanischen Beispiel folgen und durch Lenkungsmaßnahmen und wirtschaftliche Anreize dieses Ziel verfolgen.

Die Regierungsfraktionen haben im Ausschuss unsere Anträge abgelehnt. Ich emp­fehle Ihnen, meine Damen und Herren, wenn Sie mit Ihrer Familienpolitik ernst ge-


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nommen werden wollen, nicht ständig die Mauer für die Pharmaindustrie zu machen, sondern unseren Anträgen zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.16

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt noch eine Wortmeldung von Frau Bundes­ministerin Rauch-Kallat vor. – Bitte, Frau Ministerin.

 


11.16

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Abgeordnete! Lassen Sie mich ganz kurz noch auf den Einwand zur Kindergesundheit der Abgeordneten Heinisch-Hosek und der Abgeord­neten Schasching eingehen. Sie wissen ja, das Buch „Weggelegt“ hat in Österreich großes Aufsehen erregt. Ich bin mit dieser Kritik, die in diesem Buch geäußert wurde, sehr sorgsam umgegangen. Eine Kommission hat sich sehr umfassend mit der Prob­lematik auseinander gesetzt und unter Einbeziehung internationaler Experten, unter anderem des berühmten Kinderherzchirurgen Castaneda, die dort angeführten Fälle untersucht.

Als Folge dieses Berichtes wird es auch Gespräche mit den betroffenen Kliniken ge­ben, und wir haben uns im Rahmen unserer Gesundheitsreform einen gesamthaften Kindergesundheitsplan vorgenommen. Dafür ist eine Kommission eingesetzt, be­ste­hend aus 25 Ärztinnen, Ärzten, aber auch ElternvertreterInnen und betroffenen Jugendlichen, die sich bis zum Sommer mit diesen Fragen auseinander setzen werden und dann ihre Vorschläge für einen gesamthaften Kindergesundheitsplan vorlegen werden.

Wir haben Ihnen im Ausschuss auch gesagt, dass das unsere Begründung dafür ist, dass wir Ihren Anträgen nicht die Zustimmung geben können. Es ist nicht der Inhalt dieser Anträge, sondern ich halte es für sinnvoll, das gesamthaft im Rahmen der Gesundheitsreform zu beschließen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

11.18

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor. Damit schließe ich die Debatte.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die über die einzelnen Anträge getrennt vor­genommen werden.

Als Erstes stimmen wir ab über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz, das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Arzneiwareneinfuhrgesetz 2002 und das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds „Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen“ geändert werden samt Titel und Eingang in 440 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, um ein Zeichen. – Die Vorlage ist in zweiter Lesung einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zu­stimmen, dies zu bekunden. – Die Vorlage wird in dritter Lesung einstimmig ange­nommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Zulassung von Medika­menten, die in ihrer Wirkung auf Frauen ausreichend getestet sind.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. – Der Antrag findet nicht die Mehrheit des Hauses.

Als Nächstes stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend weitere Maßnahmen zur Bekämpfung von Doping im Freizeit- und Leistungssport.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. – Der Antrag wird vom Nationalrat mit Mehrheit abgelehnt.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekerkammergesetz geändert wird, in 441 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein Zeichen. – Der Ge­setzentwurf wird in zweiter Lesung einstimmig angenommen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf betreffend das Apothekerkammergesetz ist damit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen als Nächstes zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheits­aus­schusses, seinen Bericht 442 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die zustimmen, um ein Zeichen. – Die Kennt­nis­nahme dieses Berichtes erfolgt mit Stimmenmehrheit.

Wir stimmen ab über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht in 443 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Für den Fall der Zustimmung bitte ich um ein Zeichen. – Das Ergebnis der Abstimmung ist, dass dieser Antrag mit Stimmenmehrheit genehmigt wird.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheits­ausschus­ses, seinen Bericht 444 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen. – Ich stelle fest: Dieser Bericht ist ebenfalls mit Stimmenmehrheit zur Kenntnis genom­men.

6. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (369 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem ein Fonds zur Finanzierung der In-vitro-Fertilisation eingerichtet wird, geändert wird (IVF-Fonds-Gesetz-Novelle 2004) (445 d.B.)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit gelangen wir zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Zum Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. Die Uhr steht auf 4 Minu­ten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


11.22

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Die gute Nachricht zuerst: Das IVF-Fonds-Gesetz wird erweitert. Die künstliche Befruchtung auf Krankenschein wird etwa von 10 Prozent mehr Paaren in Anspruch genommen werden können, weil die Diagnose – sperrig so genannt – „Endometriose“ und „polyzystisches Ovar“ jetzt auch erfasst wird, und vieles mehr.

Lassen Sie mich aber heute, fünf Jahre nach Beschließung des Erstgesetzes, einen kleinen Rückblick machen: Es hat einen jahrelangen Streit gegeben, ob ungewollte Kinderlosigkeit eine Krankheit ist – ja oder nein. Für mich als Arzt war das ganz klar,


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für die Weltgesundheitsorganisation war es auch klar – für die österreichischen Krankenkassen war es nicht klar. Wenn Sie damals Stellungnahmen gelesen haben, dann war das fast verwirrend: Seitenlang wurden irgendwelche Abhandlungen dahin gehend geschrieben, dass es zwar laut WHO eine Krankheit ist, aber nach öster­reichischer Krankenversicherungsordnung nicht, und so weiter.

Ich danke daher heute von dieser Stelle aus der damaligen Ministerin Hostasch, die einfach unserem Wunsch oder unserer Initiative nachgekommen ist und pragmatisch gesagt hat: Es hat keinen Sinn, lange zu streiten, sondern es hat einen Sinn, das Anliegen der Patienten in den Mittelpunkt zu stellen.

30 000 Paare in Österreich würden gerne Kinder bekommen, können aber ungewollt nicht Kinder bekommen. Das Privileg, über die künstliche Befruchtung, genannt IVF, Kinder zu bekommen, ist ein sehr, sehr teures Unterfangen. Wir von der ÖVP wollten nicht, dass das nur ein Privileg der Reichen ist, und ich danke deshalb hier noch ein­mal der Ministerin, die damals sehr unbürokratisch und eigentlich sehr weise diesem Anliegen entgegengekommen ist. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Kräuter.)

Heute werden vier Versuche bezahlt. Die Kosten liegen bei zirka 1 500 € pro Versuch plus 700 € für Medikamente. Der Selbstbehalt beträgt 30 Prozent – also es wird keiner das unnötig in Anspruch nehmen, denn die Kosten sind für die Paare immer noch hoch. Die Erfolgsrate lässt sich sehen – ich habe heute noch einmal nachgeschaut –: 27,2 Prozent. Bei etwa 13 000 bisher bezahlten Versuchen sind es knapp 4 000 Kin­der, die wir dadurch in Österreich mehr haben.

Diese Kinder sind die Erfüllung lang gehegter unerfüllter Wünsche. Und deshalb sage ich Ihnen: Dieses IVF-Fonds-Gesetz ist für mich ein Beispiel dafür, wie man ge­meinsam Probleme lösen kann. Für mich ist das IVF-Fonds-Gesetz ein Beispiel dafür, wie man ein Gesetz gut verbessern kann, ein Beispiel dafür, wie man mit Herz und Engagement, aber auch Verstand eine Sachlösung zustande bringen kann.

Wir werden das Gesetz heute noch einmal verbessern, und ich stehe nicht an, hier allen zu danken, die mit dazu beigetragen haben, dass jene Eltern, die verzweifelt sind, weil sie keine Kinder bekommen können, vielleicht doch einen Hoffnungsschimmer haben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.26

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Spindelberger. Die Uhr ist auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

 


11.26

Abgeordneter Erwin Spindelberger (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Frau Ministerin! Ich möchte eingangs erwähnen, dass ich wirklich stolz bin, Abgeordneter für die Menschen in meiner Region sein zu dürfen und Abgeordneter der SPÖ sein zu dürfen, weil wir in unserer Politik nicht nur vor Wahlen die Menschen in den Mittelpunkt stellen. Aber ich frage mich wirklich: Was tun Sie? – Sie stellen bei Ihrer Politik persönliche Egoismen und Eitelkeiten in den Vordergrund, und nicht nur bei mir, sondern auch bei vielen Österreicherinnen und Österreichern entsteht immer mehr der Eindruck, dass Ihnen die Menschen in unserem Land völlig egal sind. (Abg. Steibl: Das müssen Sie gerade sagen – ein Chef der steirischen Gebietskranken­kasse!)

Sie belasten nämlich die Menschen mit Ihrer Gesundheitspolitik, wie zum Beispiel bei der Unfallrentenbesteuerung, bei der unsäglichen Ambulanzgebühr – und gleichzeitig amnestieren Sie Steuerbetrüger. Das, diese Ihre Politik, sage ich auf gut Steirisch, geht auf keine Kuhhaut! (Beifall bei der SPÖ.)


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Aber dieser Politik erteilen wir und auch die Menschen in Österreich eine klare Absage. Wir arbeiten wirklich konstruktiv an der Weiterentwicklung unseres Gesundheits­sys­tems (Abg. Dr. Rasinger: Wir reden über das IVF-Gesetz!), und wir stimmen auch Regierungsvorlagen, wenn sie Sinn machen – wie etwa die heute vorliegende betref­fend die In-vitro-Fertilisation –, zu, in dem Bewusstsein, dass es für die Menschen in unserem Land gut ist.

Wir haben auch eine wirklich umfassende Gesundheitsreform vorgelegt und vorgestellt und unzählige Gesetzesanträge eingebracht. Aber, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, was tun Sie? – Die eigenen Anträge in den Ausschüssen durchpeitschen, und wenn es um Anträge der Opposition geht, fahren Sie drüber, vertagen Sie es! Ich gewinne in diesem Ausschuss immer mehr den Eindruck, dass Sie das deshalb tun, weil Sie fachlich und sachlich gar nicht in der Lage sind, über die Problematik des Gesundheitswesens zu diskutieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Das zeigt für mich auch eines – weil Präsident Khol einmal gesagt hat, der Verfas­sungsgerichtshof solle über die Qualität unserer Gesetze entscheiden –: Das Ergebnis Ihrer Gesundheitspolitik ist kein schmeichelhaftes, denn die Erkenntnisse des Verfas­sungsgerichtshofes über Ihre Politik sind, wie wir wissen, vernichtend, wenn ich nur etwa an die Ambulanzgebühr, an die Unfallrentenbesteuerung und jetzt auch an den Ausgleichsfonds der Krankenkassen erinnern darf. – Ein klares Ergebnis Ihrer verfehlten Politik!

Anstatt die Ärmel aufzukrempeln und gemeinsam in die Debatte über die Finanzierung der Krankenkassen einzusteigen (Abg. Mag. Molterer: Aber nicht so! Aber nicht so wie Sie!), produzieren Sie durch Ihre Scheuklappen-Politik täglich Husch-Pfusch und beschäftigen so den Verfassungsgerichtshof.

Wir haben Ihnen konkrete Gesundheitsziele vorgelegt, denen Sie immer wieder eine klare Absage erteilt haben. Was tun Sie? – Ich sage das hier auch deshalb, weil die Frau Bundesministerin in der Vorwoche im Gesundheitsausschuss gar nicht in der Lage war, über die Belastungen der Krankenkassen durch diese Bundesregierung Auskunft zu geben. Das ist traurig aber wahr, dass die Ressortverantwortliche nicht weiß, was sich dort abspielt!

Sie hungern nämlich die Krankenkassen finanziell aus, und gleichzeitig blähen Sie die Führungsstruktur im Hauptverband auf. Allein dieser Postenschacher – der auch vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde –, hat bewirkt, dass die Kosten von 156 000 € im Jahr auf 1 126 000 € explodiert sind. Aber die Frau Bundesministerin weiß von nichts.

Da gibt es noch mehr: Durch die von Ihnen getroffenen Maßnahmen wurden die Kran­kenkassen mit 709 Millionen € zusätzlich belastet. Dem stehen zwar Mehreinnahmen von 366 Millionen € gegenüber, aber unterm Strich ergibt sich ein Saldo von 343 Mil­lionen €. – Das ist wahrhaft Ihre schreckliche Bilanz der Gesundheitspolitik! (Abg. Mag. Molterer: Sie wissen es besser und reden so ...! Das ist unwahrscheinlich!)

In diesem Zusammenhang muss man aber noch dazusagen, dass durch die Erhöhung der Rezeptgebühr und die Ambulanzgebühr und die Beitragspflicht für Mitversicherte (Abg. Steibl: Das geht einfach schlichtweg zu weit, Herr Kollege! Sie wissen, dass Sie Obmann der steirischen Gebietskrankenkasse waren und dann erst als Abgeordneter wieder einen Job gekriegt haben, weil Sie ...!) den Versicherten 241 Millionen aus dem Taschl gezogen wurden, ganz zu schweigen von Ihren unsozialen Erhöhungen für unsere Pensionistinnen und Pensionisten. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesminister! Wie schaut denn das Aushungern der Krankenkassen wirklich aus? – Durch den Einnahmenverlust bei der Mehrwertsteuer bei Medikamenten:


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138 Millionen weniger an Einnahmen. Arbeitsrechtsänderungsgesetz: 59,8 Millionen weniger an Einnahmen. Für die Arbeitgeber haben wir die Zahlungsfrist verlängert: 21 Mil­lionen weniger an Einnahmen für die Krankenkassen. Und durch die ganze Pauschalierung im Bereich Arbeitslosenversicherung bei den Krankenversicherungs­beiträgen: 144 Millionen weniger an Einnahmen für die Krankenkassen! (Abg. Mag. Molterer: Wie viel haben denn Sie Verluste gemacht in der Steiermark?)

So kann es nicht sein, dass Gesundheitspolitik so betrieben wird, dass es 709 Mil­lionen an Mehrbelastungen für die Gebietskrankenkassen gibt! (Abg. Mag. Molterer: Wie viel Verluste haben denn Sie in der Steiermark gemacht?) So, wie Sie arbeiten, kann man nicht arbeiten! Das sind keine Kleinigkeiten, die man vergessen kann, über die man im Ausschuss sagen kann, ich weiß dazu nichts.

Ich frage mich nur: Wo bleiben die positiven Ansätze für ein finanzierbares Ge­sund­heitssystem? Wo sind die besseren Leistungen für unsere Versicherten? – Diese kenne ich nicht, weil es sie bis heute überhaupt nicht gibt! Ihre Politik ist unverant­wortlich, Frau Bundesminister! (Ruf bei der ÖVP: Ihre Rede auch!) Die Krankenkassen zu belasten, statt sie zu entlasten – das ist keine kluge Entscheidung, die Sie da treffen.

Wir brauchen keine unsinnigen Gesundheitsagenturen! Die Menschen brauchen viel­mehr Krankenkassen, die eine gute finanzielle Basis haben (Abg. Mag. Molterer: Wie viel Verluste haben Sie denn gemacht in der Steiermark? – Das hören Sie nicht gerne, gell?), die Menschen brauchen einen starken Hauptverband, und die Menschen brau­chen auch eine gute Selbstverwaltung – und kein unsinniges Hineinregieren in diese Institutionen!

Da Sie von den Regierungsparteien ja immer sagen: Wir sind die Privatisierungs­par­tei!, erlauben Sie mir als Steirer abschließend noch ein Wort dazu: Würden Sie bei einem Privatunternehmen, zum Beispiel bei der EStAG, im Vorstand tätig sein, dann hätte Sie der Aufsichtsrat schon längst hinausgeschmissen. – Wir können das leider nicht tun; Zeit wäre es aber dafür. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Das war jetzt zur In-vitro-Fertilisation!)

11.32

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rosenkranz. – Bitte, Frau Kollegin.

 


11.32

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Abgeordneter Spindelberger! Jetzt bin ich aber schon überrascht über Ihre Aus­führungen, denn daraus müsste man eigentlich schließen, dass Sie die Regie­rungs­vorlage samt und sonders ablehnen. Das ist aber nicht der Fall. Sie haben vorher erfreulicherweise deren Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit anerkannt und werden auch jetzt in Teilen zustimmen.

Zur Frage der Krankenkassen kann ich Ihnen schon sagen, was das Wichtigste wäre: Transparenz über die Gebarung der Krankenkassen und vor allem auch über die Rücklagen. Das ist das, was wir gerne einmal sehen möchten.

Und zum Dritten: Als Ausschussvorsitzende weise ich den Vorwurf, dass im Ausschuss irgendetwas durchgepeitscht werden würde, massivst zurück. Dieser Ausschuss tagt mit Abstand – denke ich, wenn ich so die anderen Zeiten höre – am längsten. Hier nimmt man sich für jede Angelegenheit – zu Recht natürlich – genug Zeit. Und die Frau Ministerin, die heute ja schelmisch darüber belehrt wurde, dass sie sich zu lange äußere, ist Gott sei Dank auch in den Ausschüssen wirklich hinreichend auskunfts­freudig. Sie sind immer gut bedient worden, wenn es um Anfragen ging.


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Und dass diesmal eine aktuelle Aussprache zu einem Zeitpunkt, als das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes noch nicht schriftlich vorlag, nicht stattgefunden hat, ist ja ganz klar: Man redet eben gerne zur Sache und nicht über irgendetwas, was man aus den Medien erfahren hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Damit komme ich aber jetzt zum Gesetz, um das es hier geht – und auf das Sie in keiner Weise Bezug genommen haben –: Nach einer Zeit, in der man dieses Gesetz beobachten konnte, sind hier jetzt Klarstellungen, Ausweitungen auch in Bezug auf die Diagnosen, die zur Anwendung des Gesetzes und zur Rückerstattung durch die Krankenkassen führen, vorgenommen worden. Kinderlosigkeit ist sicher ein für die Betroffenen sehr schwieriges Problem. Es ist also deshalb sinnvoll und notwendig, es jedem, der diesen Weg wählen möchte, zu ermöglichen, unabhängig von seinen ma­teriellen Möglichkeiten, diesen Weg auch zu bestreiten.

Dennoch möchte ich dazu anmerken, dass jedes Ding zwei Seiten hat – und so auch dieses. Einige von Ihnen haben vielleicht vor drei oder vier Wochen im „profil“ den Artikel zum Thema In-vitro-Fertilisation gelesen, der – und insofern ist es schon gut, dass diese Debatte nun beginnt – auch auf die hohen Risken Bezug genommen hat, die damit verbunden sind. Es geht erstens einmal darum, dass die Unfruchtbarkeit im seltensten Fall eine Primärstörung ist, sondern eine Folgewirkung von Störungen – das muss man eben auch abwägen. Zum Zweiten kann aber dieses Procedere an sich zu Störungen und Behinderungen führen, und zwar was die Methode generell betrifft, diese neue ICSI-Methode, die nachweislich im Entwicklungsprozess des Embryos ver­heerende Folgen anrichten kann. Zum Dritten ist auch die Frage der Mehrlings­schwangerschaften eine, die medizinisch dann relevant wird, nämlich in Bezug darauf, dass die Entwicklungsmöglichkeiten der so gezeugten Kinder mit hohen Risken belegt sind.

Das muss man – und das ist noch nicht hinreichend der Fall – erstens öffentlich debattieren und zweitens auch den Betroffenen sagen, denn sie müssen dieses Risiko abwägen.

Der Mensch ist in der Lage, natürliche Gegebenheiten zu überschreiten, aber natürlich nicht folgenlos. Er muss daher die Risken kennen und abwägen – das ist seine Aufgabe, das ist auch seine besondere Position. Immer ist festzuhalten, dass die Natur vollkommen ist. Selbstverständlich kann man hier trotzdem etwas machen, was nicht dem Sich-Fügen entspricht, aber man muss wissen, dass man es tut. Und diese Aufklärung wird notwendig sein, wenn wir diesen Weg der künstlichen Befruchtung weiter ausweiten, was wir sicher tun werden; wir werden demnächst im Justiz­aus­schuss das Fortpflanzungsmedizingesetz bestreiten.

Das muss man also wissen, und das müssen vor allem auch die Betroffenen wissen, damit sie nicht dann mit Situationen konfrontiert werden, von denen sie sagen: Hätten wir es gewusst, dann hätten wir es nicht getan! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.36

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. – Bitte.

 


11.37

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Auch wenn man nicht wie Rasinger in die Geschichte der Medizin eingeht, ist Befruchtung natürlich etwas Spannendes, selbst wenn sie künstlich ist. Dazu möchte ich jetzt einiges sagen, denn dieser Geschichtsausflug ...


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(Heiterkeit bei den Grünen.) – Ja, Sie schmunzeln, Sie empfinden das als ... – Lassen wir das!

Was Rasinger über die Geschichte gesagt hat, ist natürlich insofern interessant, als er Hostasch einerseits lobt, andererseits aber behauptet, die Kassen wüssten nicht, welcher Leidensdruck durch die Erkrankung oder Störung einer erzwungenen, unfrei­willigen Kinderlosigkeit entsteht, weil sie sich gewehrt haben, zu bezahlen.

Die jetzige Situation – ich möchte das ein bisschen anders aufbauen als der Vor­redner – ist aber eine ganz andere: Es dreht sich nicht darum, ob die Kasse das bezahlen will, ob sie es versteht, dass das Leidensdruck verursacht – ich glaube, das versteht sie schon –, sondern die Frage ist: Wie kann sie das bezahlen? – Das ist eine politische Frage, die zu lösen ist, weil es natürlich schon seltsam ist, hier Gnadenakte zu setzen, Leuten etwas zu versprechen, wohl wissend, dass eigentlich kein nachhaltiges Finanzierungskonzept für die desaströse Lage der österreichischen Krankenkassen gefunden wurde und noch nicht einmal besonders tief schürfend angedacht worden ist.

Ich glaube, dass die In-vitro-Fertilisation keine „Seitenblicke“-Medizin ist, keine Schicki­micki-Medizin, sondern hier wird wirklich Menschen in manchmal für diese verzwei­felten Situationen Hilfestellung geboten.

Wir müssen uns aber anschauen: Was ist jetzt? – Rasinger hat gemeint, früher war es eine ganz enge Indikationsstellung; das heißt, nur bei einer Erkrankung oder bei den häufigsten Erkrankungen des Eileiters zum Beispiel wurde das von den Kranken­kassen bezuschusst beziehungsweise bezahlt. Jetzt hat man es um zwei weitere Er­krankungen erweitert – Rasinger hat sie genannt; ich mag keine lateinischen Aus­drücke und will sie auch nicht ins Publikum werfen.

Das ist aber zu wenig. Es gibt zehn, zwanzig, dreißig Ursachen! Warum werden diese alle ausgeschlossen? Warum werden Erkrankungen gewertet? Da gibt es sozusagen gute, häufige – bei diesen zahlen wir –, und dann gibt es böse, weil sie selten sind, oder unheimliche – da zahlen wir nicht, da sollen sich die Menschen das selbst be­zahlen. – Das finde ich ein bisschen störend.

Störend ist auch, dass da eigentlich schon wieder ein sehr konventioneller Familien­begriff einfloss, indem es heißt: In Frage kommen nur verschiedengeschlechtliche Paare. Man hat das Wort „Ehe“ hier zwar nicht in den Mund genommen; es gibt aber auch andere Lebensformen, und man darf zumindest darüber nachdenken, ob solche Beziehungen nicht auch einzubeziehen sind. (Beifall bei den Grünen.)

Ein weiterer Punkt ist: Bezahlt wird nur bei Frauen bis zum 40. Lebensjahr. Sie wis­sen – ob einem das jetzt gefällt oder nicht, ob man so darüber denkt oder anders, das ist eine andere Sache –, dass sich das Alter von Frauen bei der Erstgeburt in immer höheres Lebensalter hinaufbewegt, weil eben Frauen gleichberechtigt Berufsaus­bil­dung machen, Berufe ausüben wollen, auch an ihren Perspektiven einer Karriere ar­beiten wollen, wie es Männer Jahrhunderte getan haben. Viele Frauen sind dann eben alt beim ersten Kind. Reduziert wird laut Statistik die Chance einer – das sage ich jetzt unter Gänsefüßchen – „Normalbefruchtung“ erst massiv ab dem 40., aber ganz deut­lich ab dem 43. Lebensjahr. Da frage ich mich: Warum kann man bei Frauen für diese Indikationsstellung, dafür, dass Kassen hier etwas bezahlen, die Altersgrenze nicht um zwei Jahre anheben, und zwar bis zumindest zum 52. Lebensjahr? Das hätte die Kassen auch in kein größeres Fiasko mehr gestürzt. Das hätte ich positiv gefunden.

HIV-infizierte Männer und auch andere HIV-Infizierte, aus welchen Gründen auch immer sie infiziert sind – das sage ich nur, um jetzt wieder nicht eigenartige Emotionen auszulösen –, haben dank der modernen Medizin jetzt schon vielfach Überlebens-


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chancen von mehreren Jahrzehnten. HIV-infizierte Männer können aber bei Kinder­wunsch natürlich das Risiko tragen, ihre Partnerin anzustecken. Warum hat man hier die Indikation nicht erweitert? Das sind keine Väter, die wenige Monate nach der Ge­burt ihres Kindes wegsterben, sondern das sind Väter, die wirklich viele, viele Jahre sozusagen dem Kind Vater sein können. Warum hat man das nicht auch noch in das Gesetz mit aufgenommen?

Ganz zum Schluss zur Frage der Finanzierung: Dass das nun auch private Kassen tragen müssen, finde ich positiv. Die sollen auch etwas tun, um den Leidensdruck zu mindern. Nur: Ich würde ganz gerne mit der Frau Bundesminister einmal über die Honorarordnungen diskutieren. Wenn man sich Wochenjournale anschaut und fest­stellt, dass da vereinzelt in „Seitenblicke“-Manier gynäkologische In-vitro-Fertilisations-Praxen mit Marmorböden und Perserteppichen und Springbrunnen angepriesen werden, dann muss man sagen: Das spricht nicht gerade für eine sparsame Mittelausgabe im Gesundheitswesen!

Dass die teilweise an großflächigen Plakaten wie Palmers noch dazu Werbung für ihre Praxis machen, das spricht an und für sich für einen Regelungsbedarf.

Außerdem: Ich verheimliche nicht, dass man mit dem Leid von Menschen, hier im Speziellen von Frauen, auch Geschäfte machen kann. Solche Institute suchen den Erfolg. Man hat mehr Erfolg, wenn mehrere befruchtete Eier eingesetzt werden.

In England gibt es eine strikte Regelung, wonach es verboten ist, die Zahl der be­fruchteten und implantierten Eier über zwei anzusetzen. Warum? – Weil Mehrlings­schwangerschaften – die kennen Sie alle aus den Zeitungen: Drillinge, Vierlinge, Fünflinge – zu massiven Gefährdungen der Kinder und auch zu massiven Gefähr­dungen der Frau durch solche Geburten führen können. Ich glaube, dass beim nächsten Gesetz, das wir hier behandeln werden, nämlich beim Fortpflanzungsmedi­zingesetz, diese Debatte geführt werden soll. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.43

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


11.44

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staats­sekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, eingangs einige Fragen an den Abgeordneten Spindelegger zu stellen. Er war seinerzeit Obmann der steiri­schen Gebietskrankenkasse, bevor er Abgeordneter wurde. (Rufe bei der SPÖ: Spin­delberger!) Verzeihung! Spindelberger. – Ich habe nur getestet, ob Sie aufpassen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Eder: Geh, geh!)

Also: Herr Spindelberger war, wie gesagt, bevor er Abgeordneter wurde, Obmann der steirischen Gebietskrankenkasse. – Herr Abgeordneter, wenn Sie hier „von Miss­ständen in der Gesundheitspolitik“ sprechen, stelle ich Ihnen jetzt einige Fragen.

Erstens: Wie viel Verluste haben Sie als Obmann der steirischen Gebietskrankenkasse gemacht?

Zweitens: Warum sind Sie als Obmann der steirischen Gebietskrankenkasse sozu­sagen zurückgetreten?

Drittens: Wurden nicht da bei einem EDV-Projekt Gelder in Millionenhöhe in den Sand gesetzt?

Ich glaube, dass die Antworten auf diese Fragen sehr, sehr interessant wären. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Herr Kollege Grünewald! Ich möchte Ihnen nur eine Antwort geben: Wir sind den Empfehlungen des Obersten Sanitätsrates gefolgt. Ich denke, dass das ausreichend und auch gut so ist, denn sonst würden wir ja keine Empfehlungen brauchen.

Diese Änderung des In-vitro-Fertilisations-Fonds-Gesetzes aus dem Jahre 2000, die wir heute hier beschließen, ist ein weiterer wichtiger Schritt im Bereich der öster­reichi­sche Familienpolitik. Wir investieren in Familien, um der demographischen Entwick­lung, die dahin geht, dass es immer weniger Kinder gibt, entgegenzuwirken.

Mein Kollege Rasinger hat schon gesagt, dass es in Österreich über 30 000 Paare gibt, die den Wunsch nach einem Kind haben. Wir lassen sozusagen mit diesen finanziellen Mitteln drei Kinder pro Tag mehr zu.

Ich möchte abschließend nur noch sagen: Das ist ein weiterer Meilenstein in der österreichischen Familienpolitik, und ich wünsche allen zukünftigen Eltern, die das Glück haben, über diesen Weg ein Kind zu bekommen, viel Glück und Freude mit ihren Kindern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.46

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Bitte, Sie haben das Wort.

 


11.46

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Frau Bundesministerin, Sie haben während der Rede des Abgeordneten Erwin Spindelberger mehrmals den Vogel gezeigt. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesministerin Rauch-Kallat schüttelt verneinend den Kopf und macht mit zwei Fingern eine verneinende Bewegung.) Frau Ministerin, ich sage Ihnen etwas: Das ist inakzeptabel! (Weitere anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP sowie Gegenrufe bei der SPÖ.) Das ist beschämend! Das ist dieses Hauses nicht würdig! Ich fordere Sie auf: Entschuldigen Sie sich dafür! Das ist ja unglaublich! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber noch ein anderes Beispiel dafür, wie Sie mit diesem Hohen Haus umspringen: In Ihrem Regierungsprogramm, meine Damen und Herren, steht zu den Arzneimitteln, dass der Generika-Einsatz in Österreich dem europäischen Schnitt angepasst werden soll. Na ja! (Abg. Dr. Rasinger: Reden Sie vom IVF-Fonds-Gesetz! Themaverfehlung!)

Ich habe eine schriftliche parlamentarische Anfrage eingebracht, in welcher ich die Frage gestellt habe: Von welchen Unternehmen werden die 20 meist nachgefragten Generika-Produkte hergestellt? Oder: In welcher Höhe haben sich die Umsätze für Generika-Produkte seit dem Jahr 2000 verändert?

Doch was, meine Damen und Herren, antwortete die Frau Ministerin? – Sie antwortete, das ginge mich überhaupt nichts an. Diese Fragen würden keinen Gegenstand der Vollziehung betreffen. – Das ist ja unglaublich! (Abg. Dr. Rasinger: Herr Abgeordneter Kräuter! Themaverfehlung!)

Meine Damen und Herren, wie kann das sein? In Ihren Inseraten loben Sie Generika, und wenn es parlamentarische Anfragen dazu gibt, gibt es keine Antwort darauf! – Das ist ungeheuerlich!

Wahrscheinlich wollen Sie irgendwelche einzelnen Gewinner des Gesundheitssystems schützen, aber ich werde nicht lockerlassen, Sie werden hier antworten müssen, wie das mit den Generika ausschaut. (Abg. Dr. Rasinger: Herr Kräuter! Es geht um das IVF-Fonds-Gesetz!)

Zu den Verlierern bei Ihren Gesetzen, Kollege Rasinger, gehört nämlich die Be­völ­kerung. Sie machen schlechte Gesetze, wie es auch der Herr Verfassungsgerichts-


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hofspräsident Korinek schon seit längerem kritisiert. (Zwischenruf der Abg. Steibl.) Diese Fragen, Frau Steibl, sollten Sie stellen! (Abg. Dr. Rasinger: Es geht um die In-vitro-Fertilisation!)

Kollege Rasinger! Was ist mit der Aufhebung der Ambulanzgebühr, der Unfallrenten­besteuerung, der Neugestaltung des Hauptverbandes, der Krankenkassensanierung? (Abg. Steibl: Tun Sie nicht ablenken von ...!) Bevor Sie hier unqualifizierte Zwischen­rufe machen, schauen Sie einmal hinein in ORF ON! (Abg. Steibl: Das sind keine un­qualifizierten Zwischenrufe, die sind höchst qualifiziert!) Da heißt es: Neue Tur­bulenzen um E-Card-Projekt. – Bei Ihnen geht ja alles in der Gesundheitspolitik schief!

Daher, meine Damen und Herren, stimmt das wohl, was die „Salzburger Nachrichten“ vom 16. März unter der Überschrift „Desaster in der Gesundheitspolitik“ schreiben, nämlich:

„In der Gesundheits- und Sozialpolitik agiert die Bundesregierung wie ein Brandstifter. Kein Wunder, dass es im Gesundheitssystem inzwischen an allen Ecken und Enden brennt. Doch anstatt sich ans Löschen zu machen, tut die Regierung weiter so, als ginge sie der Flächenbrand nichts an.“

Das ist die traurige Realität Ihrer Gesundheitspolitik! (Abg. Dr. Rasinger: Sagen Sie einen Satz zur In-vitro-Fertilisation!) Es ist keine Besserung in Sicht, Herr Rasinger, zumindest nicht bis zu den nächsten Nationalratswahlen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steibl: „Brandstifter“ ist kein Grund für einen Zwischenruf? – Abg. Silhavy – in Richtung der Abg. Steibl –: Das stand in der Zeitung!)

11.49

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Lichtenegger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


11.49

Abgeordneter Elmar Lichtenegger (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundes­minis­terin! Herr Staatssekretär! Offensichtlich wird der Vorsitz des Herrn Präsidenten heute dafür genützt, dass die roten Abgeordneten überhaupt nicht zur Sache sprechen.

Damit die Anwesenden hier wissen, worum es geht: Wir beschließen gerade ein Ge­setz, das es Leuten, die auf natürlichem Wege keine Kinder bekommen können, er­möglicht, mit Hilfe einer finanziellen Unterstützung im Wege der In-vitro-Fertilisation ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Man kann in Krankenanstalten gehen und sich künstlich befruchten lassen. 70 Prozent der Kosten dafür werden von einem Fonds getragen. Das betreffende Gesetz wird jetzt novelliert.

Dieser Fonds wird ausgebaut und verbessert – seit dem Jahr 2000 gibt es diese Finanzierungsform. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) 70 Prozent, wie gesagt, werden finanziert. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy.) – Hören Sie zu, sonst reden Sie dann wieder Blödsinn oder irgendetwas daher! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Mag. Mainoni – in Richtung SPÖ –: Die Wahrheit muss zumutbar sein!)

Seit drei Jahren gibt es diese Kostenbeteiligung schon. 13 300 Versuche hat es schon gegeben; in 27 Prozent der Fälle hat das zum Erfolg geführt. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich sage Ihnen: Unqualifizierte Zwischenrufe waren ja bis jetzt noch das geringste Übel, unqualifizierte Reden hingegen, das ist ein anderes Thema!

Es gibt also einige Neuerungen, so unter anderem, dass auch private Kranken­ver­siche­rungen in den Kreis dieser Fonds finanzierenden Stellen kommen. In Zukunft wird es weniger Differenzierung geben zwischen unterschiedlichen Unfrucht­barkeits­grün­den, und es kommt auch – was ebenso wichtig ist – die Sterilität des Mannes zum Tragen, das wurde bis jetzt nicht berücksichtigt. (Abg. Mag. Mainoni – in Richtung der


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Abg. Silhavy, die mit Präsidenten Dr. Fischer spricht –: Jetzt geht Sie wie ein kleines Schulkind aufs Präsidium, um dort zu petzen! Das ist ein Niveau! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist blamabel! Da würde ich mich genieren!)

Insofern meine ich daher, dass die Neuerungen in diesem Gesetz absolut positiv und unterstützenswert sind. Darüber sind wir uns ja offensichtlich einig, da ja alle dieser Gesetzesvorlage ihre Zustimmung geben wollen.

Wir haben in Österreich rund 22 Stellen und Krankenanstalten, in denen man diese Be­handlung machen lassen kann; natürlich gibt es auch private Anbieter. Vorhin ist ein bisschen kritisiert worden, dass es private Anbieter gibt, die auf „Seitenblicke“-Niveau Werbung machen würden. – Dazu möchte ich sagen: Ja, das gibt es wahrscheinlich auch; es gibt aber auch zahlreiche öffentliche Anstalten, die solche Behandlungen durchführen. Gott sei Dank haben wir in Österreich die freie Arztwahl, ebenso die freie Marktwirtschaft, sodass natürlich verschiedene Kundenschichten auf verschiedene Weise akquiriert werden können. Die Ärzte arbeiten jedenfalls im Dienst einer guten Sache, und daher kann man Werbung auf diesem Gebiete gut und gerne verkraften. Das ist auch, wie ich meine, eine durchaus positive Werbung, die diese Ärzte für diese neue Möglichkeit nutzen.

Positiv ist das jedenfalls auch im Hinblick auf die sinkende Geburtenrate in Österreich zu sehen: eine neue Möglichkeit also für Frauen und Männer, auf diese Art und Weise neue Chancen für den Nachwuchs eröffnet zu bekommen. (Beifall bei den Frei­heitlichen.)

11.52

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

 


11.53

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Ich verstehe den Wunsch, ein Kind haben zu wollen, wirklich zutiefst, und ich weiß, wie es Frauen geht, die Kinder haben wollen, jedoch keine bekommen können. Ich weiß aber auch, welchen Druck die In-vitro-Fertilisation auf Frauen auslöst – das dürfen Sie auch nicht vergessen! –, und diese Seite ist noch überhaupt nicht beleuchtet worden.

Da jetzt immer gesagt wird: Wir müssen die Kinderzahl in Österreich steigern!, muss ich sagen, meine Damen und Herren: Das ist nicht die Intention dieses Gesetzes, sondern dieses Gesetz dient dazu, dass Eltern ihren Kinderwunsch erfüllt bekommen – und nicht, dass es so mehr Kinder in Österreich gibt. Das ist der falsche Ansatz in diesem Zusammenhang! Sie denken da offensichtlich wieder rein wirtschaftlich – und nicht im Interesse der Eltern, nicht im Interesse des Kindes! Das möchte ich hiezu festgehalten wissen. Diese Diskussion hier so zu führen, hat meiner Ansicht nach schon eine eigene Pikanterie; das muss ich hier auch sagen.

Ich verstehe es wirklich aus tiefstem Herzen, wenn heute jemand ein Kind haben will, aber es muss auch die Frage zulässig sein: Warum ändern wir nicht auch das Pfleg­schafts- und das Adoptionsrecht? Bei uns in Österreich gibt es so viele Kinder, die Eltern haben möchten, es aber die Gesetze nicht zulassen, dass Kinder Eltern beziehungsweise Eltern Kinder haben können. Das ist mit zu überdenken, ja darf dabei niemals aus dem Blickfeld geraten. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn heute eine Frau Mutter, ein Mann Vater werden möchte, so bin ich der Meinung: Man soll auch ein Kind, das nicht „sein eigen Fleisch und Blut“ ist, genauso lieben und genauso in die Arme nehmen können; eben auch dann, wenn es ein Kind ist, das man nicht selbst geboren hat. Die Chance, das tun zu können, verweigern jedoch Sie von


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den Koalitionsparteien vielen Menschen, die Kinder haben möchten, Menschen, die nicht unbedingt den Wunsch haben, dass das Kind „ihr eigen Fleisch und Blut“ ist.

Frau Ministerin Rauch-Kallat! Ich ersuche Sie, in diese Richtung weiterzudenken und auch diese Möglichkeiten zu eröffnen, sodass Kinder, die bereits da sind, wirklich Eltern haben dürfen – dass nicht gesetzliche Schranken dies immer wieder unmöglich machen.

Meiner Ansicht nach darf Familienplanung nicht dort enden, wo es nur um eine Stei­gerung der Geburtenrate geht, sondern Familie heißt für mich auch, dass Kinder, die da sind, in Familien integriert werden dürfen, ja integriert werden sollen. Vielleicht, Frau Ministerin, wäre eine Öffnung des Pflegschaftsrechtes, des Adoptionsrechtes auch eine Möglichkeit, von vielen Frauen, die jetzt versuchen, über In-vitro-Fertilisation ein Kind zu bekommen, den Druck zu nehmen – Druck auf Grund dieses ganzen me­dizinischen Aufwandes, und den Druck, den Klinik-Besuche und das Warten et cetera verursachen.

Teilweise stellt das ja für Frauen einen wirklich großen Leidenszustand dar, der unter Umständen dann wieder sozusagen im Nichts endet. Diesen Leidensdruck vieler Frauen könnte man mindern, indem man, wie gesagt, auch die Möglichkeit eröffnet, mehr Kinder zu adoptieren – und dies auf einem Wege, wo selbstverständlich immer der Schutz des Kindes im Vordergrund stehen muss. Jedenfalls darf es nicht so sein: Heute will ich das – und morgen vielleicht nicht mehr!

Noch einmal: Das Recht, dass auch bereits geborene Kinder Eltern haben können, sollte ausgeweitet werden, sodass viele Menschen zu Eltern, zu Vätern, zu Müttern, zu Großmüttern gemacht werden können, ohne dass das eben das „eigen Fleisch und Blut“ sein muss.

Frau Ministerin, ich bitte Sie, in diese Richtung weiterzudenken und eine solche Chan­ce wirklich allen zu eröffnen: sowohl den Kindern als auch den Männern und Frauen, die ernsthaft und mit Liebe Kinder erziehen, Kinder großziehen und Verantwortung übernehmen wollen. In diese Richtung greift jedenfalls die In-vitro-Fertilisation allein viel zu kurz! Da müssen wir weiterdenken, da müssen wir breiter denken. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.58

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Riener. – Bitte.

 


11.58

Abgeordnete Barbara Riener (ÖVP): Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Kollege Kräuter, ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie subjektiv Wahrnehmungen sein können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es freut mich aber – und damit möchte ich wieder zu unserem In-vitro-Fertilisations-Fonds-Gesetz zurückkommen –, dass diese Änderungen eine Vier-Parteien-Einigung darstellen. Dieses Gesetz, das vor drei Jahren neu entstanden ist, bedeutete damals – und bedeutet auch heute noch – für viele Frauen und Paare neue Hoffnung und Erleichterung.

Gerade ich in meiner Arbeit als Sozialarbeiterin habe bei Adoptionserhebungen oft das Leid der Frauen erlebt, das durch unerfüllten Kinderwunsch ausgelöst wurde. Das Gefühl, keine „vollwertige Frau“ zu sein, und das ständige Darauf-angesprochen-Wer­den: Wo bleiben denn die Kinder?!, waren und sind noch immer Ursprung für dieses Leid.


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Frau Kollegin Haidlmayr hat die Adoptionen angesprochen. – Dazu möchte ich nur sagen, dass es von der Gesetzeslage her keine Probleme gibt. Es ist eher so, dass wenige Frauen und Eltern ihre Kinder zur Adoption freigeben. Wir haben immer wieder zu viele Adoptionseltern und viel zu wenige Adoptionskinder gehabt. Das ist, bitte, die ureigenste Entscheidung jeder einzelnen Frau, ob sie ihr Kind zur Adoption freigibt.

Ich habe in meiner Praxis auch erlebt, dass nur wenige der Paare den mühevollen Weg der künstlichen Befruchtung auf sich nehmen und dass neben den Strapazen ebenso die Kosten ein Problem waren. Die psychische Belastung kann den Frauen nicht wirklich genommen werden. Wenn jedoch die finanzielle Belastung um vieles verringert wird, bedeutet das für die kinderlosen Paare Entlastung und Hoffnung.

Wenn nun in diesem Gesetz Änderungen zur besseren Klarstellung erfolgen – wie zum Beispiel die Definition des Paares, des Beginns beziehungsweise des Endes eines für die Fondsmitfinanzierung relevanten Versuches oder einer erfolgreich herbeigeführten Schwangerschaft –, dann ist das zu begrüßen. Vor allem Letzteres ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil vier Versuche unterstützt werden. Ist einer dieser Ver­suche erfolgreich, besteht danach die Möglichkeit der Fondsfinanzierung für vier wei­tere Versuche. Auch wenn eine Schwangerschaft durch einen nicht fondsfinan­zier­ten Versuch mit der IVF-Methode herbeigeführt wurde, werden vier weitere Versuche unterstützt. Diese Klarstellung erhöht für mehr Paare die Chance auf Kinder.

Da ich in meiner psychotherapeutischen Praxis mit einer Klientin, die unter Endo­me­triose litt, gearbeitet habe, freut es mich besonders, dass eine Erweiterung in der Diagnosestellung erfolgt ist. Für meine Klientin kam diese Gesetzesänderung im positiven Sinne zu spät, da sie im vorigen Jahr ein gesundes Kind zur Welt brachte, ohne die IVF-Methode angewandt zu haben.

Doch unabhängig von jedem Einzelschicksal oder von jedem Erfolg für das Paar oder für die Paare gewinnt ebenso die Gesellschaft im gesamten, denn Kinder braucht das Land! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.02

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Rauch-Kallat. – Bitte, Frau Ministerin.

 


12.02

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Lassen Sie mich kurz zu dem vorliegenden Gesetz Stellung nehmen. Wir können mit dieser Novelle zum IVF-Fonds-Gesetz den notwen­digen Anpassungen an die Erfahrungen, die wir mit diesem Gesetz in den letzten Jahren gemacht haben, begegnen, und wir können gleichzeitig auch den Kreis der An­spruchsberechtigten ausweiten. Ich denke, dass das für die betroffenen Frauen und Männer absolut eine Verbesserung darstellt.

Es ist in den einzelnen Redebeiträgen schon sehr klar dargetan worden, wie wichtig es für viele Menschen ganz persönlich sein kann, ein eigenes Kind zu haben, und wie sehr vor allem Frauen unter Unfruchtbarkeit leiden, psychisch leiden – das geht bis hin zu physischen Leidenszuständen –, sodass ich denke, dass wir mit der Unterstützung dieser Maßnahmen durch die Krankenversicherungen einen wesentlichen Beitrag dazu leisten können, dass Familien und Frauen geholfen werden kann.

Das hat nichts mit der Kinderzahl zu tun. Natürlich ist es schön, wenn Österreich Kin­der hat, wir freuen uns über jedes einzelne Kind, aber ich denke, dass es da um Fol­gendes geht: Wenn die medizinischen Möglichkeiten gegeben sind – und die medi­zinische Forschung, der medizinische Fortschritt macht hier vieles möglich, was vor wenigen Jahrzehnten noch nicht anzudenken war –, dann sollen alle in den Genuss


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dieser Maßnahme kommen, und nicht nur diejenigen, die sich das leisten können. Es wurde hier auch angesprochen, dass diese Maßnahmen über viele Jahre hinweg nur elitär jenen Gruppen zur Verfügung standen, die sehr viel Geld hatten und sie damit auch finanzieren konnten. Mit dieser Maßnahme können wir alle Frauen, die einen Kin­derwunsch haben, in der Umsetzung dieses Wunsches unterstützen. Deshalb danke ich Ihnen dafür, dass Sie dieser Vorlage Ihre Zustimmung erteilen werden.

Lassen Sie mich ganz kurz noch zu den Vorwürfen, die Herr Abgeordneter Kräuter hier erhoben hat, Stellung nehmen. Ich weise strikt zurück, dass ich irgendeinem Abgeord­neten oder irgendeiner Abgeordneten den Vogel zeigen würde! (Abg. Dr. Kräuter: Das haben Sie gemacht! – Abg. Mag. Mainoni: Ist ja ungeheuerlich!) Ich würde das nie tun!

Allerdings frage ich mich, in welchem Ausschuss Herr Abgeordneter Spindelberger war. (Abg. Mag. Gaßner – mit der rechten Hand eine kreisende Geste vor dem Kopf ausführend –: Was heißt diese Geste, Frau Ministerin?) Ich kann mich nämlich daran erinnern, dass ich in der letzten Sitzung des Gesundheitsausschusses sehr lange und sehr ausführlich auf alle Fragen, die mir gestellt wurden, eingegangen bin und dass keinerlei Unzufriedenheit, weder von der Ausschussvorsitzenden noch von irgend­einem Mitglied des Ausschusses, über die Beantwortung der Fragen geäußert wurde. Daher verwundert es mich schon, dass ich plötzlich völlig ahnungslos gewesen sein soll und im Ausschuss zu den Fragen nicht Stellung genommen hätte.

Was die Beantwortung parlamentarischer Anfragen anbelangt, Herr Kollege, ist zu sagen: Die Gewinne der Pharmafirmen sind in der Tat nicht Gegenstand des Vollzugs der Bundesministerien. Daher kann ich beziehungsweise können meine Beamten Ihnen darüber auch keine Auskunft geben. (Abg. Dr. Kräuter: Das werden wir dann klären!)

Aber lassen Sie mich noch einen Satz dazu sagen: Pharmafirmen sind wichtig, und es ist mir wichtig, dass es sie auch in Österreich gibt. Gewinne von Pharmafirmen sind letztendlich Arbeitsplätze für österreichische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und darin sehe ich nichts Schlechtes. (Beifall bei der ÖVP.)

Dass die Gewinne nicht zu Lasten der Krankenkassen gehen, hat unser Arznei­mittel­paket, das wir in den letzten Monaten ausverhandelt haben und an dem wir jetzt noch weiterarbeiten, gezeigt. Dieses war nicht ganz unerfolgreich, Herr Abgeordneter, und in diesem Sinn werde ich mich auch weiterhin dafür einsetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Mag. Gaßner – neuerlich mit der Hand eine kreisende Geste vor dem Kopf ausführend –: Was heißt diese Geste?)

12.07

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Franz. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.07

Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren im Hohen Haus! Herr Kollege Grüne­wald, es ist schon eigenartig oder zwiespältig, wenn Sie einerseits die finanzielle Situation der Krankenkassen beklagen, andererseits aber den Kreis der Anspruchs­be­rechtigten ausweiten wollen. Wie soll das gehen? – Ich denke, auch da muss man die Grenzen des Möglichen erkennen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ein unerfüllter Kinderwunsch – wir haben das jetzt in der Debatte schon oft gehört – ist kein seltenes Thema für junge Paare. Die moderne Medizin hat dafür Gott sei Dank die In-vitro-Fertilisation entdeckt, und wir haben in


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Österreich seit Jänner 2000 einen Fonds, um hier eine Mitfinanzierung durch die öffentliche Hand zu ermöglichen. Dieser Fonds hat sich überaus gut bewährt.

Seit drei Jahren gibt es also dieses Gesetz, und es ist jetzt an der Zeit, die Erfahrungen in eine neue Novelle einzubringen. In der nun vorliegenden Novelle werden einige Be­griffe konkretisiert; es hat immer wieder Auslegungsprobleme gegeben, zum Beispiel bei den Begriffen „Paar“ und „erfolgreich herbeigeführte Schwangerschaft“. Weiters gibt es im Wesentlichen Erweiterungen bei den Kostenträgern und den Anspruchs­voraussetzungen sowie eine entsprechende Normierung bei der Verschwiegen­heits­pflicht.

Wir alle kennen Paare, die darunter leiden, dass sie aus unterschiedlichsten Gründen keine Kinder bekommen können. Daher hat man hier bei den Leistungsansprüchen Ergänzungen gemacht. Da aber eine Differenzierung zwischen unterschiedlichen Un­fruchtbarkeitsgründen nicht gerechtfertigt ist, sollen nun die leicht nachweisbaren physischen Sterilitätsursachen bei der Frau einen Anspruch auf Leistungen aus diesem Fonds begründen. Es gibt also 10 Prozent mehr Anspruchsberechtigte.

Wir alle können uns auch vorstellen, dass Daten im Zusammenhang mit einer In-vitro-Fertilisation äußerst sensibel sind. Deshalb soll gerade in diesem Bereich eine ent­sprechende Verschwiegenheitspflicht samt Ausnahmebestimmungen eingeführt wer­den.

Frau Ministerin! Ich bedanke mich herzlich – auch im Namen der vielen Paare, der vielen Frauen, die sehr darunter leiden, eventuell kinderlos bleiben zu müssen – dafür, dass es gelungen ist, diese Erfahrungen einzubringen, dass dieses Gesetz nun ge­ändert worden ist und dass dadurch vielen Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch geholfen werden kann. (Beifall bei der ÖVP.)

12.10

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Grander. – Bitte.

 


12.10

Abgeordnete Maria Grander (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die In-vitro-Fertilisation stellt sich für mich als ein äußerst sensibler Bereich im menschlichen Zusammenleben dar. Ich denke, das muss man sehr in den Vordergrund stellen. Es geht dabei nicht so sehr um all die Abwicklungen, die wir jetzt in den Reden besprochen haben, weil das formal sehr leicht festzulegen ist. Wichtig ist, dass es diese Rahmenbedingungen gibt und dass Paaren bewusst die Möglichkeit der Entscheidung gegeben wird. Ich denke, es ist hier wieder so wie in vielen Bereichen der Medizin: Ich als Betroffener muss einfach Entschei­dungsmöglichkeiten haben, um zu sehen, welchen Weg ich in diesem Bereich gehen kann.

Herrn Dr. Grünewald würde ich bitten, auch Bewusstseinsbildung in seinen eigenen Kreisen zu machen – wenn Sie anführen, dass es Ärzte gibt, die sehr bewusst ihre finanzielle Seite im Äußeren leben. Ich bemühe mich auch immer sehr darum, in meiner eigenen Berufsgruppe Dinge anzusprechen, und ich kann sagen, für mich persönlich ist es so, dass wir sehr viele verantwortungsbewusste Ärzte haben, die mit der entsprechenden Sensibilität mit diesem Thema umgehen.

Ich habe es sowohl persönlich erlebt – da ich auch zu denen gehöre, die kinderlos geblieben sind, wobei dies nicht gewollt war – als auch in meiner beruflichen Laufbahn als Stationsleiterin der Geburtshilfe immer wieder erleben dürfen, was es für Paare bedeutet und welche Wege Paare zu gehen bereit sind, um ihren sehnlichsten


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Wunsch, ein eigenes Kind zu haben, erfüllt zu bekommen. Da braucht es sehr lange, monatelange Wege, und oft dauert es auch Jahre, bis dieser Wunsch in Erfüllung gehen kann.

Ich denke, das ist etwas ganz Menschliches, und da fällt mir immer wieder der Spruch ein, dass man die Schule des Lebens in keinem Bereich einfach schwänzen kann. Da geht es manchen wirklich so, und wenn man es nicht selbst erlebt hat oder hat mit­erleben können, kann man sich da nicht so hineinfühlen. Ich denke, die Bewährtheit dieses Gesetzes kann man wirklich nur feststellen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.13

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.

Frau Abgeordnete Silhavy hat mich gebeten, in das Stenographische Protokoll der Rede des Kollegen Lichtenegger Einsicht zu nehmen; ich habe es jetzt vor mir, Kollege Lichtenegger hat gesagt: „Hören S’ zu, weil sonst reden Sie dann wieder Blödsinn daher ...!“ – Das ist eine Ausdrucksweise, die nicht sehr akzeptabel ist. Aber ich habe das Gefühl, Kollege Lichtenegger würde das nicht noch einmal so wiederholen, daher lassen wir es dabei bewenden.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 445 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Vorlage zustimmen, um ein diesbe­züg­liches Zeichen. – Das ist in zweiter Lesung einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Die Vorlage ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Entschließungsanträge wurden keine eingebracht.

Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

7. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (350 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Durchführung der Richtlinie der Euro­päischen Gemeinschaften über die gegenseitige Amtshilfe im Bereich der direk­ten und indirekten Steuern (EG-Amtshilfegesetz – EG-AHG) geändert wird und ein EU-Quellensteuergesetz (EU-QuStG) erlassen wird (429 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (392 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem ein Pfandbriefstelle-Gesetz – PfBrStG erlassen wird sowie das Sparkassengesetz und das Gesetz betreffend fundierte Bankschuldverschrei­bun­gen geändert werden (430 d.B.)

9. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (405 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das


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Grenzkontrollgesetz, das Prokuraturgesetz und das Punzierungsgesetz 2000 ge­ändert werden (5. Zollrechts-Durchführungsgesetz-Novelle – 5. ZollR-DG-Novel­le) (431 d.B.)

10. Punkt

Bericht und Antrag des Finanzausschusses über den Entwurf eines Bun­des­gesetzes, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 geän­dert wird (432 d.B.)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zu den Punkten 7 bis 10 der Tagesord­nung.

Ein Wunsch nach Berichterstattung liegt mir nicht vor.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Matznetter. – Bitte.

 


12.16

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte zuerst betonen, dass wir den we­sentlichen Teilen dieses Tagesordnungspunktes die Zustimmung erteilen, und möchte kurz jene Gründe erläutern, die uns zur Ablehnung beim Tagesordnungspunkt 9, der 5. Zollrechts-Durchführungsgesetz-Novelle, bewegen, weil wir diesbezüglich gegen­über unserer Haltung in der Ausschussberatung eine andere Position einnehmen. Diese Gründe möchte ich gerne erläutern.

Zum ersten Punkt, EU-Quellensteuergesetz und EG-Amtshilfegesetz: Wir haben hier endgültig die Vollziehung einer Bestimmung vorliegen, bei der sich die Republik Österreich in den zuständigen Organen der Europäischen Union nicht so benommen hat, wie man es von einem Mitgliedstaat erwartet, der großes Interesse an einer ord­nungsgemäßen Abwicklung der Steuern und Abgaben hat. Österreich war damit einer der Hauptbehinderer einer europaweiten Maßnahmensetzung, die gegen Steuer­hinter­ziehung im Bereich der Zinsen und der Kapitaleinkünfte gerichtet ist.

Wir hatten dabei vielleicht – und ich habe das „wir“ in diesem Fall auch darauf bezo­gen, dass das zum Teil noch auf die Zeit vor 1999 zurückgeht – ein bisschen darauf geschielt, dass wir mit unserem Bankenapparat Nutzen aus fehlenden Regelungen ziehen. Aber wir haben heute eine Situation der Verflechtung der Union, in welcher Österreich ein Interesse daran haben muss, dass Steuern in allen Bereichen ordnungsgemäß erklärt und eingehoben werden.

Dass wir in die Peinlichkeit kommen, dass unser Finanzminister gemeinsam mit dem Herrn Premierminister Berlusconi eine entsprechende positive Abstimmung im Rat monatelang blockiert – gemeinsam mit den Italienern, bei denen es nur darum ging, eine Stundung für zu Unrecht bezogene Milchsubventionen zu erreichen –, ist eigent­lich des Ansehens, das wir in Europa haben sollten, nicht würdig. Man sieht auch ein bisschen den Zusammenhang mit der jetzt zu beschließenden Steueramnestie, und ich möchte den nachhaltigen Widerstand gegen jede Form der Durchlöcherung anbringen.

Ganz kurz aber zu dem wesentlichen Punkt im Zollrechts-Durchführungsgesetz: Wir sind nicht einverstanden damit, dass das Instrument des Zolls, die Zollwache, im Sicherheitswachekörper im Bereich des Innenministeriums aufgeht! Eine spezialisierte Finanzwache, in der wir hervorragend qualifizierte Personen hätten, die das Schwarz­unternehmertum, all die fast schon gewerbsmäßigen illegalen Bautrupps, aufspüren und die Steuerhinterziehung auch in Form einer intensiven Untersuchung zurückdrän­gen könnte, wäre dafür das richtige Instrument. Wir werden hier – einer meiner


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Nachredner wird dies tun – einen Entschließungsantrag einbringen, der zum Inhalt hat, dass wir eine solche Finanzwache wollen.

Daher wollen wir in diesem Bereich nicht die Zustimmung dazu geben, dass diese 1 030 hoch qualifizierten Personen, die einen hervorragenden Wachekörper im Bereich der Finanzwache bilden könnten, heute im Bereich des Ressorts Strasser ver­schwinden sollen. Meine Damen und Herren, in diesem Sinne werden wir diesem Be­reich nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.19

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Abgeordneter Ing. Schultes. – Bitte.

 


12.19

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Hinter dem unscheinbaren Namen „Zollrechts-Durchfüh­rungsgesetz“ verbirgt sich in der Tat ein hoch wirksames Sicherheitspaket. Wir wissen, dass im Rahmen der OECD, der G 7, eine spezielle Arbeitsgruppe eingerichtet ist, die Financial Action Task Force on Money Laundering. Es geht dabei um die Bekämpfung der Geldwäscherei. Wir haben da etwas umzusetzen, weil wir uns diesem internationalen Problem nicht verschließen.

Zweitens: Neapel-II-Übereinkommen. – Innerhalb der EU gibt es ein Verwaltungs­über­einkommen, das verbessert wird und in dem wir auch in allen Fragen der gegen­seitigen Amtshilfe der Zollverwaltungsbehörden Verbesserungen zu ratifizieren haben. Wir verbessern heute tatsächlich wesentliche Regelungen zur Bekämpfung von Zollbe­trug und auch von Verbrauchsteuerbetrug.

Es ist so, dass Zölle durch die zunehmende Liberalisierung des Handels ihre Be­deutung verlieren, auch der Anteil an der Finanzierung des EU-Budgets wird laufend geringer, gleichzeitig aber ist die Frage der grenzüberschreitenden Kriminalität immer mehr von Bedeutung geworden.

Es geht darum, effizienter zu werden, und es geht darum, die Befugnisse für unsere Zollorgane zu verbessern. Es geht darum, zu regeln, wie Observation zu erfolgen hat, wie Auskünfte eingeholt werden, wie die Nacheile, auch die grenzüberschreitende Nacheile und Zusammenarbeit zu regeln ist, die Bildaufzeichnungen an bestimmten Stellen, und speziell, wie der Geldwäsche, dem Geldtransport, dem Bargeldtransport, dem Transport von Wertpapierinhaberpapieren entgegengewirkt werden kann.

Wir werden heute viele wertvolle Regelungen beschließen, die wir bisher nicht hatten und die insgesamt zum Ziel haben, unsere Sicherheit zu verbessern. Wichtig ist, dass sich dieses Gesetz an den Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes orientiert und dass die Bürgerrechte im notwendigen und bei uns hohem Maße geschützt sind. Es geht aber darum, Geld krimineller Herkunft, kriminelle Machenschaften ordentlich zu bekämpfen und vor dem Einschleusen in den Wirtschaftskreislauf derartige Machenschaften, derartige Herkünfte von Geldern aufzudecken.

Wir haben in dem Gesetz praktikable Bestimmungen vorgesehen, die sich am letzten Stand der Sicherheitstechnik orientieren, und wir haben auch gegenseitige Informa­tionspflichten eingeführt, um Doppelgleisigkeiten zu vermeiden.

Es ist tatsächlich so – und das ist richtig und wichtig –, dass der Wachekörper durch die Organe der Zollwache verstärkt wird und im Bereich des Innenministeriums angesiedelt wird, weil wir damit einen einheitlichen Sicherheitswachekörper schaffen, der für all diese Bereiche von der Drogenkriminalität bis zur internationalen Geld-


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wäsche immer wieder dasselbe Thema und dieselben Kundschaften hat und daher auch mit entsprechender Effizienz arbeiten muss.

Es ist daher die richtige Entscheidung unserer Regierung, uns vorzuschlagen, dieses Gesetz abzustimmen, und ich ersuche die Sozialdemokraten gerade in diesen Punkten die Sicherheit über die Parteipolitik zu stellen und unserem Vorschlag zuzustimmen.

Es ist unsere Aufgabe, den vielen hoch motivierten Mitarbeitern im Sicherheits­wache­körper die nötigen Mittel an die Hand zu geben. Ich will deren Engagement loben, und ich weiß, dass wir ihnen die besten Instrumente schuldig sind. Mein Dank gilt allen Mitarbeitern in diesem Bereich (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen.)

Mit dem heutigen Beschluss schaffen wir eine effiziente Struktur zur effizienten Arbeit. Wir erfüllen unsere internationalen Verpflichtungen, wir tun das, was die Österreicher von uns erwarten, und das in der besten Weise. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.24

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt als Nächster Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

 


12.24

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Es sind unterschiedliche Punkte unter einem in Dis­kussion. Ich möchte schon auf die Frage der Bemühungen der Steuerharmonisierung auf EU-Ebene eingehen, weil der Tagesordnungspunkt 7 letztlich damit im Zusam­menhang steht. Es ist von der Maßnahme her an sich ein kleiner Punkt, aber durchaus mit großer Wirkung.

Die Frage der Quellenbesteuerung, die Frage der Besteuerung von Einkünften aus Kapital ist auf nationaler Ebene bereits eine zentrale Frage der Besteuerung. Wenn wir das jetzt vor dem Hintergrund sehen, dass gerade diese Art der Besteuerung sehr anfällig ist für, wie wir meinen, negative Steuerwettbewerbe der Länder untereinander, ist es umso hervorhebenswerter, dass durch die vorliegenden Bestimmungen hier zumindest indirekt eine Harmonisierung stattfindet.

Der Spielraum für unser Parlament ist zugegebenermaßen ohnehin nicht sehr groß, weil wir im Wesentlichen einer Richtlinie Folge leisten. Ich will es aber trotzdem er­wähnen, weil das in Wahrheit das Diskutierenswerte an der Sache ist. Die Details haben wir im Ausschuss schon vorliegen gehabt. Sie würden wahrscheinlich das Plenum ohnehin nur langweilen, aber die Zustimmung der grünen Fraktion leitet sich genau aus diesem Titel ab, dass endlich wieder ein, wenn auch kleinerer Schritt in Richtung Vereinheitlichung und Harmonisierung gesetzt wird.

Warum ist das so ein Problem mit dem Steuerwettbewerb nach unten? – Ich kann manchen Zeitungskommentatoren nicht ganz folgen, die immer wieder schreiben, alles stehe im Wettbewerb, so auch die Länder, die Wirtschaftsstandorte zueinander. Das stimmt in gewisser Weise, aber es gibt so etwas wie einen ruinösen Wettbewerb, und es gibt grundsätzlich so etwas wie ein Gefangenendilemma in solchen Situationen. Was ist das? – Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn irgendein Teilnehmer an einer bestimmten Entscheidung aus eigenem und zu seiner eigenen Optimierung eigentlich die Variante A wählen wollte, er aber gezwungen ist, die Variante B zu wählen, weil er annehmen muss, dass alle anderen sich auch ähnlich verhalten. Würde er die Variante A wählen, wäre er am Schluss der Dumme.

Das ist ein klassisches ökonomisches Problem. Mittlerweile haben wir es durch die Internationalisierung der Wirtschaft mit diesem Phänomen auch zwischenstaatlich zu


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tun, und deshalb ist es so wichtig, dass wir uns in zentralen Fragen der Besteuerung – über die Kategorien kann man sich einigen – verstärkt Harmonisierungsbestrebungen zuwenden. Das ist eben genau überall dort, wo es um Kapital geht, um den Bestand von Kapital, aber erst recht um das Einkommen aus Kapital, weil Kapital im Gegensatz zu vielen anderen Produktionsfaktoren in der Wirtschaft nun einmal sehr, sehr mobil ist, wie man technisch sagen könnte. Das bedeutet aber im Endergebnis nichts Gutes, wie ich meine, und insofern widerspreche ich dieser Stimmung, die manchmal herrscht, auch ein Steuerwettbewerb zwischen Staaten sei etwas Gutes.

Es muss natürlich auf nationaler Ebene, aber auch auf EU-Ebene einmal festgelegt werden: Was sind denn überhaupt die Aufgaben der öffentlichen Hand, des Staates, und wie finanzieren wir das? Derzeit ist es so, dass wir diese Frage in Wahrheit gar nicht richtig aufwerfen. Österreichs Rolle in der EU ist da unrühmlich, wir sind immer die Letzten, wir sind in Wahrheit Blockierer, wenn es darum geht, Steuer-Oasen zu beseitigen und Ähnliches mehr. – Aber dazu ein anderes Mal. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es wäre doch längst an der Zeit, sich dem auch als nationale Regierung anders zu stellen, als eine Steuerreform dann damit zu begründen, dass wir jetzt bei der KÖSt von 34 auf 25 Prozent nominaler Satz gehen, wohl wissend, dass der wirkliche, der effektive Steuersatz ohnehin jetzt schon weit unter 20 Prozent liegt. (Zwischen­bemer­kung von Staatssekretär Dr. Finz.)

Na schon, Herr Staatssekretär. Da gibt es serienweise Studien. Wir müssen uns nicht auf eine kaprizieren, aber das Wirtschaftsforschungsinstitut hat – soweit ich weiß, sogar im Auftrag der Bundesregierung – da Dinge erhoben, und dabei ist heraus­gekommen, dass, wenn man eine Vielzahl von Studien vergleicht und ein Durch­schnittsranking bildet, Österreich – und das ist das Perverse an dieser Situation – im nominalen Satz unter den ersten drei ist – da könnte man auch etwas tun, wenn man endlich die Bemessungsgrundlage der Besteuerung verbreitern würde –, aber bei der realen Steuerleistung der Unternehmenssteuer, ist gleich KÖSt im Wesentlichen, unter den letzten drei ist, und das über alle Studien hinweg. – Das sollte Ihnen zu denken geben!

Wenn wir das jetzt hier in Österreich damit begründet bekommen, dass es in Tschechien, in der Slowakei et cetera auch so ist, dann beschreibt das genau das Problem in der Praxis, das ich vorhin aufgeworfen habe, nämlich das Problem, dass bestimmte nationale Maßnahmen damit begründet werden, dass die anderen das ja auch so handhaben und wir hinterhereilen müssten. Das stimmt in diesem Fall insofern nicht, als die Slowakei einen effektiven Satz haben wird, der gar nicht so weit von dem in Österreich weg sein wird. Die haben nominal 19 und werden real auch irgendwo bei 17 liegen. Insofern ist das Argument da nur vorgeschoben.

Ich gestehe zu, dass die Frage des Steuerwettbewerbs, eben eines ruinösen Steuer­wettbewerbs nach unten für die Länder ein Dilemma darstellt, aus dem sie sich manchmal nicht so ohne weiteres befreien können. Deshalb verlangen wir auch, dass Österreich hier einmal ein bisschen eine forschere, jedenfalls eine nachvollziehbarere Position auch auf EU-Ebene einnimmt. Das wird man wohl noch erwarten dürfen. Dann ist aber Schluss damit, dass man sich hierorts dauernd auf den internationalen Stand­ortwettbewerb ausredet, der eigentlich zusätzlich ganz andere Fragen aufwirft. Ich darf Ihnen versichern: Standortfragen sind nicht nur Fragen der Besteuerung.

Insofern ist dies ein kleiner Schritt für eine gute Sache, und deshalb auch unsere Zustimmung.

Ein Letztes – ich kürze das jetzt ab –, und zwar zur Frage der Zollwache, die hier aufgeworfen wurde. An sich: Betrugsbekämpfung ja, auch hinter den Grenzen, auch


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bestimmten Abkommen folgend, aber ich glaube, mit dieser Maßnahme, die hier in dieser Vorlage vorgesehen ist, wurde – wir haben es im Übrigen im Ausschuss er­wähnt – eindeutig über das Ziel hinausgeschossen, weshalb wir betreffend Fragen des Datenschutzes, betreffend Fragen der Menschenrechtskompatibilität et cetera hier nicht zustimmen können. Ich verweise namentlich – jedenfalls einmal für das Protokoll – auf § 7 Abs. 3, § 7 Abs. 5, § 7 Abs. 6, § 8 Abs. 3 und § 8 Abs. 4 ff.

Ich sage Ihnen, hier wird einfach – und die SPÖ hat sich offensichtlich ja jetzt die Sache auch noch einmal genau angeschaut – über das Ziel hinausgeschossen, und es gibt eben, wie immer in diesen Dingen, eine Abwägung. Deshalb lehnen wir diesen Punkt ab. Das wollte ich jetzt noch ausdrücklich erwähnen und die Sache abschließend damit begründen, dass in dieser Materie der Punkt „Rechtsschutzbeauftragter“ offen­sichtlich überhaupt kein Thema mehr ist, jedenfalls anders als bisher. Das ist offen­sichtlich die Konsequenz: Wenn Ihnen der Verfassungsgerichtshof in den Militärbe­fugnisbereichen und sicherheitspolizeilichen Bereichen die Sache zu Recht zurück­schmeißt, dann ist beim nächsten Gesetz, das ähnliche Bereiche tangiert, gleich über­haupt einmal das Ganze ausgespart.

So kann es ja nicht gehen! Alleine das wäre schon ein Grund, diesen Punkt ab­zulehnen. Deshalb unser unterschiedliches Abstimmungsverhalten. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.32

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt als Nächster Herr Abgeordneter Bucher. Redezeitvorschlag: 5 Minuten. – Bitte.

 


12.32

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Wesentlichen geht es in diesen vier Punkten um Richtlinien und die Erfüllung europäischer Zielsetzungen, die wir hier be­sprechen und exekutieren. Es ist, glaube ich, im weitesten Teilen auch eine Über­einstimmung unter den vier Fraktionen gegeben, diese Bereiche gemeinsam umsetzen zu wollen. Ich verstehe, ehrlich gesagt, die Bedenken der SPÖ nicht ganz, was das Zollrechts-Durchführungsgesetz betrifft und die Überführung der Zollbeamten unter die Ägide des Innenministeriums, weil ich denke, dass das auch eine klarere und verwal­tungstechnisch einfachere Lösung ist, wenn wir die Kompetenzen dort bündeln, wo sie gefordert sind. Ich denke, dass das eine sinnvolle Maßnahme ist, wenn wir die Zoll­beamten unter das Dach des Innenministeriums stellen, weil wir ja auch wissen, dass im Bereich der Betrugsbekämpfung auf internationaler Ebene, im Bereich der Geld­wäsche, des organisierten Verbrechens, der Kriminalität immer neue Ausformungen zutage treten, denen wir auch mit entsprechender Kompetenz entgegenzutreten ha­ben, und diese Kompetenzvermittlung auch von einer sehr kompakten Stelle aus geleitet werden sollte. Daher verstehe ich die Position der SPÖ nicht ganz, sie ist für mich nicht ganz nachvollziehbar.

Was die Quellensteuer betrifft, steht es, glaube ich, außer Diskussion, dass das eine sehr sinnvolle Maßnahme ist, mit der gegen Steuersünder – egal, wo diese beheimatet sind, in welchem Mitgliedsland der Europäischen Gemeinschaft – eine klare, ein­heitliche Regelung getroffen wird, um dieser erhöhten Mobilität im Bereich des Waren-, des Geld- und des Kapitalverkehrs Herr zu werden und sich hier in Form einer gegen­seitigen Amtshilfe auch bilateral und multilateral zu unterstützen.

Ein Bereich, der bisher von niemandem angesprochen wurde, ist, dass die Haftung der Landeshypothekenbanken und Sparkassen künftig entfällt und dass es hier eine Überbrückung gibt, die uns einen Zeitraum von vier Jahren offen lässt, um ent­sprechende Maßnahmen auf Länder- und Gemeindeebene zu treffen. Ich halte auch


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das für eine sehr wichtige Maßnahme, mit der im Sinne der Wettbewerbsgleichheit und Fairness ein wesentlicher Sprung nach vorne gemacht wird. Das wird natürlich auch Auswirkungen auf das Rating einzelner Hypothekenbanken haben, die auf Grund der internationalen Bewertung vielleicht eine Schlechterstellung zu verkraften haben wer­den, aber in Summe ist es, glaube ich, ein positiver Effekt, der gewährleistet, dass uns Fälle wie beispielsweise Bank Burgenland in nächster Zukunft erspart bleiben.

In Summe ist das aus Sicht der Freiheitlichen Partei ein Maßnahmenpaket, das Sinn macht und Österreich auch, was den Wirtschaftsstandort betrifft, wieder einen Sprung nach vorne bringt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.36

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hoscher. – Bitte.

 


12.36

Abgeordneter Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ein paar kurze Worte zum EU-Quellensteuergesetz, zu dem Kollege Kogler bereits einiges ausgeführt hat. Ich glaube auch, dass das in der Tat eine jener Harmonisierungen ist, die schon viel früher hätten stattfinden müssen, überhaupt in einem Bereich, wo wir viel zu wenig Harmonisierungen auf europäischer Ebene haben. Aber selbst bei dieser Maßnahme wird in den Materialien noch darauf hingewiesen, Zweck sei unter anderem die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der EU-Finanzmärkte.

Das ist an und für sich ein unterstützenswertes Ziel, das wir nicht von der Hand weisen sollten, es darf aber sicherlich kein Selbstzweck sein. Es darf dabei nicht übersehen werden, dass bereits mit der EU-Richtlinie, mit der die EU den Kapitalverkehr libe­ralisiert hat, gleichzeitig auch vorgesehen wurde, Harmonisierungen im Bereich der Kapitalverkehrsbesteuerung vorzunehmen. Dezidiert wurden Fragen wie Steuerum­gehung, Steuerflucht, Steuerhinterziehung angesprochen, letztlich sicherlich auch Steuer­wettbewerb, aber – nur so nebenbei – sicherlich nicht Steueramnestie.

Diese Richtlinie, meine Damen und Herren, wurde bereits im Jahre 1988 erlassen. Das heißt, 16 Jahre später diskutieren wir in der EU noch immer über derartige Harmo­nisierungsmaßnahmen, sodass ich glaube, dass es wesentlich ist, diesen Diskussions­prozess zu verstärken, verstärkt zu führen und wirklich ernsthaft anzugehen, weil es ansonsten zwangsweise zu dem Punkt käme, den Kogler mit „ruinöser Steuerwett­bewerb“ angesprochen hat. Dieser würde sich nämlich zwangsweise aus Kapitalver­kehrsliberalisierungen ergeben, wenn hier nicht gegengesteuert wird.

Dabei ist es vollkommen egal, ob wir das jetzt zunächst einmal – um den Diskus­sionsprozess wieder verstärkt in Gang zu bringen – unter dem Titel etwa einer Tobin-Tax sehen oder unter dem Titel „Steuer-Oasen-Transaktionssteuer“, den Nauschnigg in die wissenschaftliche Diskussion eingeführt hat. Das ist nicht der Punkt. Auch die konkrete Höhe ist nicht der Punkt, sondern der Punkt ist, dieses Thema endlich anzugehen und sich auf EU-Ebene darüber klar zu werden, dass auch für die Wett­bewerbsfähigkeit des EU-Marktes – auch im Hinblick auf den Lissabon-Prozess – eine Regelung vonnöten ist.

Sogar der IWF, der ja wirklich, glaube ich, noch nicht der Sozialistischen Internationale beigetreten ist, hat letztendlich festgestellt, dass derartige Harmonisierungen bereits mittelfristig kostengünstiger sind als etwa geldpolitische Interventionsmaßnahmen.

Somit zum EU-Quellensteuergesetz: Ein erster wichtiger Schritt, ein kleiner Schritt, weitere Schritte müssen rasch folgen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.38

 



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Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Tamandl ist die nächste Rednerin. Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


12.39

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Auch wenn Herr Kollege Kogler meinte, dass es, wenn wir jetzt auf dieses EU-Quellensteuergesetz näher ein­gehen würden, alle langweilen würde – es ist ohnehin nur mehr die Hälfte da – und vielleicht die Restlichen auch noch einschlafen würden, so sind vielleicht dann vor dem Mittagessen trotzdem alle wach.

Am 3. Juni vergangenen Jahres haben sich die EU-Finanzminister auf diese EU-Zinsensteuer-Richtlinie geeinigt. Ziel dieser Richtlinie ist natürlich – wir haben das ja schon gehört – die Vermeidung der Steuerflucht beziehungsweise auch die effektive Besteuerung von Zinserträgen im jeweiligen Mitgliedstaat. Wir haben das ja schon bei der Umsatzsteuer, und ich finde, dass es auch bei Kapitalerträgen äußerst notwendig ist, dass wirklich der Mitgliedstaat dann auch die Besteuerung hat.

Die Anwendung dieser Richtlinie beschränkt sich auf Zinserträge aus Forderungen, wie zum Beispiel Bareinlagen oder Schuldverschreibungen, und ist eben vom jeweiligen Mitgliedstaat bis Ende 2004 in nationales Recht umzusetzen. Das haben wir damit auch gemacht – vorbehaltlich natürlich der Zustimmung aller Finanzminister der EU, wenn alle Steueroasen, also die Schweiz und Liechtenstein, ebenfalls dement­sprechende Maßnahmen treffen, denn sonst wäre es ja für diese recht „nett“: Innerhalb der EU gibt es dann solche Maßnahmen, solche Regelungen und diese EU-Zinsen­richtlinie, außerhalb aber, in den Steueroasen, ginge es natürlich weiter wie bisher.

Österreich ist es neben Luxemburg und Belgien gestattet, diese Quellensteuer ab 1. Jänner 2005 übergangsweise einzubehalten; das heißt, dass wir vorerst keine Kon­trollmitteilungen an ausländische Finanzbehörden übermitteln müssen.

Im Einzelnen definiert das Gesetz neben vielen anderen Dingen auch die Vorkehrung gegen Doppelbesteuerung. Das bedeutet, dass österreichische Anleger von der Doppelbesteuerung überhaupt nicht betroffen sind und sich alle anderen, die in einem Mitgliedstaat ansässig sind, die Quellensteuer anrechnen lassen können. Es kann natürlich auch zu einer Erstattung kommen, wenn diese Steuer im jeweiligen Mitglied­staat geringer ist.

Meiner Meinung nach stellt dieses Gesetz nun wirklich klar, dass im jeweiligen Mitgliedstaat versteuert wird; es ist dies auch ein weiteres Instrument zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und zur Bekämpfung der Steuerflucht, und zwar trotz Beibe­haltung unseres österreichischen Bankgeheimnisses. Erfreulich ist in diesem Zusam­menhang weiters, dass sich alle vier Parteien darin einig sind und es im Finanz­ausschuss einstimmig beschlossen haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.42


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt als Nächste Frau Abgeordnete Mag. Trunk. Redezeit: 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


12.42

Abgeordnete Mag. Melitta Trunk (SPÖ): Wirklich geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzte Kollegen und Kolleginnen! (Abg. Neudeck: Was ist ein unwirklich geschätzter Präsident?) Ich beziehe mich auf den Punkt der Zuteilung der Zollwachebeamten und -beamtinnen in den Bereich des Innenministeriums (Zwischenruf des Abg. Neuge­bauer), dass also der Finanzminister und der Innenminister das Personal der bishe­rigen Zollbehörde untereinander aufteilen.


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Kollegem Bucher – und ich darf, um nicht in Gefahr zu geraten, die Redezeit zu überschreiten, den Entschließungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion gleich zu Beginn einbringen – sei gesagt: Wenn du mir zuhörst, wirst du draufkommen, dass deine Forderung in unserem Entschließungsantrag enthalten ist. Dazu noch ein ganz persönlicher Rat, Herr Kollege Bucher: Wenn wir das Flugzeug in Klagenfurt verlassen und uns in Richtung Ausgang begeben, dann solltest auch du beziehungsweise sollten auch Sie einmal mit den Zollwachenbeamten oder der einen -beamtin sprechen, dann hätten diese Ihnen beziehungsweise dir nämlich schon vor einem Monat gesagt, auf welcher Reise sie sich befinden: Sie wissen nicht, welchem Ministerium sie letztendlich wirklich zugeteilt werden, was ihre Aufgabenstellung in Zukunft sein wird, wo ihr Dienstort sein wird und dergleichen mehr!

Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Matznetter und KollegInnen betreffend Erhalt des Know-how der Zollwache und Schaffung einer Finanzpolizei

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, raschestmöglich die rechtlichen Grundlagen zu erarbeiten und dem Nationalrat vorzulegen, die nach internationalen Vorbildern eine Finanzpolizei als uniformierten Wachekörper im Bundesministerium für Finanzen einrichten, welche unter anderem Aufgaben im Bereich der Bekämpfung des Förder­betrugs, der Geldwäsche, des Schwarzunternehmertums, der Steuerhinterziehung be­ziehungsweise ganz allgemein der Finanzdelikte wahrnehmen soll. Dabei soll sicher­gestellt werden, dass jedenfalls die Zollwachebeamten und ihr Know-how integriert werden.

*****

Das heißt, die Zielsetzung aller Fraktionen ist in diesem Entschließungsantrag ent­halten. Ich denke, es spricht nichts dagegen, diesem Entschließungsantrag zuzustim­men.

Ich möchte mich ganz bewusst auf die Betroffenen beziehen und habe Ihnen bereits gesagt: Vor zirka einem Monat konnten sich die betroffenen Zollwachebeamten und -beamtinnen melden, wohin sie wollten – in das Finanzministerium, in das Innen­ministerium. Die Sicherstellung, ob sie dort auch wirklich landen, ist aber nicht gege­ben. Es geht dabei um hoch qualifizierte Frauen und Männer im Zollwachebereich, die nun neue Tätigkeiten ausüben sollen: als Gendarmen, Polizisten, Polizistinnen. Sicher­gestellt muss werden, dass nicht hoch qualifizierte Beamte und Beamtinnen umge­schult werden müssen, um dann andere Tätigkeiten auszuüben, das heißt, die Um­schulung viel kostet und andererseits Know-how verloren wäre. (Abg. Lentsch: Le­benslanges Lernen heißt es!)

Der zweite Punkt betrifft den Umgang mit dem Dienstrecht, der – das muss ich zu wiederholtem Male sagen – kein sehr korrekter ist. Es gibt im Dienstrecht Fristen, es gibt Einspruchsrechte. Heute haben wir den 25. März, Deadline ist der 30. April. Das heißt: Heute soll das beschlossen werden, und ab 1. Mai sollen Zollwachebeamte und -beamtinnen ihren neuen Dienst an einem neuen Dienstort mit neuer Aufgabenstellung antreten – nur: die Inhalte sind unbekannt!


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Daher fordere ich Sie im Sinne der Beschäftigten und auch der Effizienz der zu­künftigen Arbeit der Zollwachebeamten und -beamtinnen auf, unserem Ent­schließungsantrag zuzustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.45

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist aus­rei­chend unterstützt, steht mit in Verhandlung und zur Abstimmung.

Der Entschließungsantrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Matznetter und KollegInnen betreffend Erhalt des Know-how der Zollwache und Schaffung einer Finanzpolizei, eingebracht im Zusammenhang mit dem Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage 405 d.B.: Bundesgesetz, mit dem das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Grenz­kon­trollgesetz, das Prokuraturgesetz und das Punzierungsgesetz 2000 geändert wer­den (5. Zollrechts-Durchführungsgesetz-Novelle) (431 d.B.)

Mit der 5. Zollrechts-Durchführungsgesetz-Novelle soll neuen und veränderten Erschei­nungsformen der gewerblich-organisierten Kriminalität im Zoll- und Verbrauchs­steuerbereich Rechnung getragen werden. Es soll damit auch die Anwendbarkeit des Neapel-II-Instrumentariums in diesem Bereich sichergestellt werden. Das wird von der SPÖ im Grundsatz begrüßt.

Allerdings wird mit diesem Gesetz auch die mit der Bundesministeriengesetz-Novelle 2003 vorgenommenen Übertragung der Zuständigkeit für die Zollwache vom Bundes­ministerium für Finanzen in das Bundesministerium für Inneres umgesetzt. Dies wird von der SPÖ abgelehnt, weil damit wertvolles Know-how für die Finanzverwaltung und die Betrugsbekämpfung verloren geht.

Vielmehr wäre es angesichts der zunehmenden Komplexität und Professionalisierung krimineller Aktivitäten im Bereich des Förderbetrugs, der Geldwäsche, des Schwarz­unternehmertums, der Steuerhinterziehung bzw. ganz allgemein der Finanzdelikte er­forderlich, nach internationalen Vorbildern eine Finanzpolizei als uniformierten Wache­körper im Finanzministerium einzurichten. Dabei sollen die bisherigen Zollwache­beam­ten und ihr Know-how jedenfalls integriert sein.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, raschestmöglich die rechtlichen Grundlagen zu erarbeiten und dem Nationalrat vorzulegen, die nach internationalen Vorbildern eine Finanzpolizei als uniformierten Wachekörper im Bundesministerium für Finanzen einrichten, welche unter anderem Aufgaben im Bereich der Bekämpfung des Förder­be­trugs, der Geldwäsche, des Schwarzunternehmertums, der Steuerhinterziehung bzw. ganz allgemein der Finanzdelikte wahrnehmen soll. Dabei soll sichergestellt werden, dass jedenfalls die Zollwachebeamten und ihr Know-how integriert werden.

*****

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Staatssekretär Dr. Finz. – Bitte.

 



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12.45

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Im Zusammenhang mit der Neuregelung der Zollwache möchte ich feststellen, dass sich die Zollorganisation in folgende zwei Bereiche glie­dert: Einen Teil der Aufgaben, vor allem die zollbehördlichen Erledigungen, führen seit jeher zivile Beamte durch; der zweite Teil der Aufgabenstellung, jener der Zollwache, war ursprünglich der, die „grüne Grenze“ zu bewachen, daher war es ja auch ein Exekutivwachekörper. (Abg. Großruck: So ist es!)

Im Jahre 1995 erfolgte bekanntlich der EU-Beitritt. Damit hatten sich schon damals, durch den EU-Beitritt, die Zollaufgaben für die Zollwache quantitativ radikal verändert, da bei einem großen Teil der Außengrenze die Bewachung als grüne Grenze wegfiel. Wir hatten damals 7 000 Zollwachebeamte, die systematisch abgebaut, in andere Be­reiche, in andere Bundesländer – vor allem im Osten und Süden – überstellt wurden. Dieser Bestand von 7 000 Zollwachebeamten wurde in Folge des und bedingt durch den EU-Beitritt auf zuletzt 2 600 reduziert.

Jetzt gibt es wieder ein entscheidendes Datum im Zusammenhang mit der EU, nämlich die Erweiterung der EU Richtung Osten. Österreich wird dann bis auf die Schweiz, Liechtenstein keine EU-Außengrenzen mehr haben, es wir fast zu einem EU-Bin­nenland werden. Daher fallen wieder quantitativ Aufgaben weg, die bisher die Zoll­wache zu erledigen hatte. Auf Grund dieser durch die äußere Konstellation bedingten Änderung war die Entscheidung zu treffen, wie die bisherige Zollwache eingesetzt wird beziehungsweise wie überhaupt die zukünftige Aufgabenstellung der Zollwache sein soll, wenn es fast keine „grüne Grenze“ mehr gibt – es gibt sie nur mehr in sehr be­scheidenem Ausmaß, wie gesagt, zur Schweiz und zu Liechtenstein.

Wir haben monatelang an verschiedenen Konzepten dafür gearbeitet. Die letzte, ak­tuelle Regelung war jene, einen Teil der Zollwache in die zivile Zollwache einzu­gliedern – wobei eigene dienstrechtliche Bestimmungen geschaffen wurden, damit kein Gehaltsverlust eintritt, sodass sogar höherwertige Posten dafür gefunden werden kön­nen –, den anderen Teil, da ja der Aufgabenumfang kleiner wird, in die Sicherheits­wachekörper Gendarmerie, Polizei überzuführen, da in diesen ohnehin auf Grund ei­nes größeren Sicherheitsbedarfs mehr Personal benötigt wird, sodass 1 030 Be­diens­tete bei uns verbleiben und 1 030 Bedienstete in das Innenministerium wechseln.

Zu diesem Zweck haben wir – um weitgehend nach dem Freiwilligkeitsprinzip vorgehen zu können – über die Lage informiert. Wir haben jedem Mitarbeiter mitgeteilt, welche neuen Aufgabebereiche sich an welchen Örtlichkeiten ergeben und ihnen die Möglich­keit geboten, sich frei zu entscheiden, entweder für das Finanzministerium zu optieren oder für den Innendienst. Obwohl insgesamt 2 000 Bedienstete angesprochen waren und wir eigentlich nicht wussten, wie sich die Bediensteten selbst entscheiden werden, ist die Option relativ genau aufgegangen.

Es haben letztendlich nur 80 Bedienstete mehr für das Innenministerium optiert als der Zahl 1 030 entspricht. Wir können also den Anliegen der Bediensteten großteils ent­sprechen; dorthin, wohin sie optiert haben, werden sie auch hinkommen. (Abg. Mag. Wurm: Wie viele sind in Pension gegangen?) Daher sind dem Großteil der Bediensteten der neue Arbeitsplatz und auch dessen Bewertung völlig klar.

Es hat da eine sehr gute Zusammenarbeit mit dem Innenministerium gegeben, auch Gewerkschaften, Personalvertretungen waren in diese Auswahl eingebunden, und es hat sehr gut funktioniert.

In diesem Zusammenhang hatten wir einen Problembereich, nämlich Vorarlberg, weil dort das Optionsverhältnis nicht mit den tatsächlichen Zahlen, was den Bedarf betrifft, übereingestimmt hat – und außerdem dort schon bisher in der Bewachung der


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Außengrenze beziehungsweise der Besetzung der Zollposten eine Mischorganisation zwischen Zollwache und Innenministerium gegeben war. Hätten wir da sozusagen eine saubere Aufgliederung zwischen Innenministerium und Finanzministerium gemacht, hätte es personellen Mehrbedarf gegeben.

Daher übergeben wir in Vorarlberg die gesamte Zollwache dem Innenministerium, allerdings mit der Verpflichtung, dass das Innenministerium die verbleibenden zoll­rechtlichen Aufgaben in Vorarlberg übernehmen muss; das war der Kompromiss.

Auf Grund dieser in den letzten Tagen erfolgten Regelung, die in einem Ressort­über­einkommen getroffen wurde, sind jetzt noch ganz wenige einzelne Dienstposten offen. Wohin diese kommen, wie das geregelt wird, das wird sicherlich in den nächsten Tagen einer Lösung zugeführt werden. Zu diesem Zweck werden jedenfalls kommen­den Freitag – unter meiner Führung – Gespräche mit dem Zentralausschuss Zollwache geführt werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Bucher.)

12.51

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Neudeck. Frei­willige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

 


12.52

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Grundsätzlich ist, glaube ich, zu den drei hier zusammengefassten Tageordnungs­punk­ten und Themen inhaltlich bereits alles gesagt worden. Ich nehme auch an, dass nach den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Finz die sozialdemokratische Frak­tion ihren Entschließungsantrag zurückziehen wird. Zu diesem ist ja an und für sich nicht viel zu sagen – außer, dass mit der Gründung einer neuen „Finanzpolizei“ der Verwaltungsapparat offensichtlich aufgebläht werden sollte.

Meine Damen und Herren! Hinsichtlich dieser drei Tagesordnungspunkte ist die Be­schlussfassung im Ausschuss im Prinzip einstimmig beziehungsweise beim Tagesord­nungspunkt 9 mehrheitlich erfolgt – und das, obwohl an diesem Tag eine Sonder­sitzung der Sozialdemokraten war und es heftige Diskussionen gegeben hat. (Abg. Dr. Einem: Nicht „der Sozialdemokraten“! Das Parlament hat eine Sondersitzung gemacht! Wir können eine solche nur beantragen!) – Ja, die SPÖ hat diese Son­dersitzung beantragt, Herr Kollege. (Abg. Dr. Einem: Das ist ein Unterschied! Sie waren ja auch da!) Ich war auch bei dieser; ich will Ihnen ja nicht die Mehrheit überlassen bei „Ihrer“ Sondersitzung. Da müssen Sie mehr taktieren lernen; so einfach geht das nicht. (Neuerlicher Zwischenruf bei der SPÖ.)

Was den Tagesordnungspunkt 8 betrifft, geht es um die Abschaffung der Haftung der Länder für die Landessparkassen oder Hypo-Anstalten. Es hat ja in Wien das inter­essante Phänomen gegeben, dass diese Haftung jahrzehntelang kostenlos durch die Gemeinde Wien übernommen wurde – und erst dann, als der Wettbewerbsvorteil und die Gleichheitswidrigkeit seitens der Opposition aufgezeigt wurde, wurde dafür ein Entgelt an die Gemeinde Wien entrichtet.

In diesem Zusammenhang ist schon interessant, dass aus dieser Haftung Wien meines Wissens nie ein Schadensfall entstanden ist beziehungsweise Wien Kosten verursacht wurden, dass aber durch das Werden der Zentralsparkasse – durch die Zusam­menlegung mit der Länderbank zur Bank Austria, später zur BA-CA und dann zur HVB Austria – für Wien ein erheblicher Vermögensschaden, eben durch den Aktienverlust, eingetreten ist.

Grundsätzlich nehme ich aber an, meine Damen und Herren, dass die Einstimmigkeit im Ausschuss zu diesen Tagesordnungspunkten auch hier im Plenum ihren Nieder-


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schlag finden wird. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.54

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Eder. Die Uhr ist wunschgemäß auf 3 Minuten gestellt. – Bitte.

 


12.54

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit den Ausführungen des Kollegen Neudeck möchte ich mich jetzt nicht beschäftigen, da dieser das ohnehin schon zum wiederholten Male hier gesagt hat und ganz offensichtlich immer wieder alte Reden auskramt. (Abg. Neudeck: Ich hoffe, dass du es einmal verstehst!) – Ich meine jedenfalls, wir sollten jetzt von dem reden, was Thema ist.

Einer jener Tagesordnungspunkte, die heute hier behandelt werden, ist eben das Kraft­fahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz, und wie ja schon Herr Staatssekretär Finz gesagt hat – ich sage es mit anderen Worten –: In 36 Tagen wird Österreich nur mehr zwei EU-Außengrenzen haben, nämlich die zur Schweiz beziehungsweise zu Liech­tenstein.

Wir in Österreich müssen darauf achten – obwohl Österreich diese EU-Außengrenze nicht mehr hat, wir aber doch sehr viel Verkehr, vor allem Schwerverkehr und LKW-Verkehr, aus dem Osten in die EU haben werden –, dass es nicht so ist, dass bei diesen LKW keine Haftpflichtversicherung für Österreich abgeschlossen wurde.

Es soll nun möglich sein – wir haben ja zuvor schon gehört über die Aufgaben der Zollwachebeamten, die das bisher gemacht haben, jetzt aber von diesen Grenzen abgezogen werden, meines Erachtens sinnvollerweise, weil diese ja dort sonst kei­nerlei großartige Aufgaben mehr hätten –, dass diese Aufgaben auch ÖAMTC und ARBÖ übernehmen können, sodass man auch bei diesen Stellen, selbstverständlich im Einvernehmen mit dem Versicherungsverband, die entsprechenden Haftpflicht­ver­sicherungen abschließen kann.

Anregen möchte ich in diesem Zusammenhang, dass auf Grund dieser großen Ver­änderungen, die sich da jetzt auftun, der Versicherungsverband grundsätzliche Ver­träge mit allen Staaten, die hiefür in Frage kommen, abschließen können sollte, so­dass man eben auch schon infolge des Kennzeichens oder der Grünen Versiche­rungskarte die entsprechende Haftpflichtversicherung hat.

Wichtig wäre auch – das möchte ich noch anmerken –, dass man bei dieser Gele­genheit versuchen sollte, möglichst zu einem einheitlichen Versicherungsrecht zu kommen: nicht nur EU-weit, sondern auch darüber hinaus, damit jeder Kraftfahrer sicher sein kann, dass, sollte es zu einem Schaden kommen, der Unfallgegner auf jeden Fall haftpflichtversichert ist.

Genauso wichtig wäre es, ein einheitliches Verwaltungsstrafrecht zu haben, denn nunmehr wird es doch in größerem Maße als bisher so sein, dass Menschen aus den neuen EU-Ländern, wenn sie durch Österreich fahren und sich nicht an öster­reichische Verkehrsregeln halten, versuchen werden, noch bevor sie angehalten wer­den, wieder in ihr Heimatland zurückzukommen.

Das gilt aber selbstverständlich auch für Italiener, Franzosen oder sonst wen, die das versuchen werden, da sie dafür in ihren Heimatländern eben keinerlei Strafen zu erwarten haben. – Dass das so gemacht wird, merkt man ja daran, wenn man beispielsweise auf der West oder Süd Autobahn fährt, wie rasch einen beispielsweise ungarische, tschechische oder slowakische Kraftfahrer überholen, weil sie eben sicher


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sein können, dass sie, wenn sie gut nach Hause kommen, auch wenn sie bei uns „geblitzt“ werden, in ihrem Heimatland daraus keinerlei Strafe zu erwarten haben.

Daher sollte man meiner Überzeugung nach auch da ein neues und EU-einheitliches Strafrecht schaffen, damit diesen Unsitten – auch im Sinne der Verkehrssicherheit in Österreich – Einhalt geboten wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.57

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt als Nächster Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. – Bitte.

 


12.57

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Einige Überlegungen zu diesen Tagesordnungspunkten möchte ich anstellen und hier insbesondere Stellung nehmen zu Änderungen in Bezug auf die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, die sich nunmehr nur auf die Grenzversicherung ausländischer Kraftfahrzeuge bezieht.

Wie bereits von meinem Vorredner erwähnt, wird nach der EU-Osterweiterung diese Grenzversicherung an den neuen EU-Außengrenzen abzuschließen sein, sodass in Österreich nur mehr, wie wir annehmen, wenige Fälle betroffen sein werden, und diese Versicherung soll dann, eben auf Grund dieser Regelung, auch bei den Automobilklubs abgeschlossen werden können.

Auf Grund des anstehenden Termins dieser Erweiterung stellt dies zweifellos eine dringend notwendige Maßnahme dar. Genauso notwendig ist es jedoch, die anderen Teile der ursprünglichen Vorlage zu erledigen, Teile, die seit nunmehr zwei Jahren seitens des Justizministers verschleppt werden.

Dringend zu erledigen wäre zweifellos auch die Erhöhung der Mindestdeckungs­summen. Wir wissen aus der Vergangenheit, eben infolge von Massenkarambolagen, die auf Österreichs Autobahnen passiert sind, dass die Deckungssummen oft nicht ausreichend sind. In Anbetracht der Tatsache, dass darüber hinaus gehende Schäden die Versicherten aus eigener Tasche zu zahlen haben, ist das zweifellos eine brisante Angelegenheit.

Die Angst vor angedrohten Prämienerhöhungen darf jedoch hier nicht im Vordergrund stehen, zumal heute schon beinahe 80 Prozent der Verträge freiwillig höhere Deckungssummen aufweisen – und dies ohne Prämienzuschläge. Da die Mehrzahl der europäischen Staaten weit höhere beziehungsweise unlimitierte Deckungssummen vorschreiben und auf europäischer Ebene diesbezüglich eine Erhöhung auf 5 bis 10 Millionen € erwogen wird, ist da in Österreich, wie ich meine, längst Handlungs­bedarf gegeben.

Meine Damen und Herren! Wissentlich und jahrelang nicht zu handeln, ist wohl grob fahrlässig! – Das wird aber der zuständige Minister verantworten müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.00

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor. Damit schließe ich die Debatte.

Wir kommen zu den Abstimmungen über die einzelnen Ausschussanträge.

Zuerst stimmen wir ab über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das EG-Amtshilfegesetz geändert und ein EU-Quellensteuergesetz erlassen wird, samt Titel und Eingang in 429 der Beilagen.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Lesung einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, die Vorlage ist in dritter Lesung ebenfalls einstimmig angenommen.

Wir stimmen ab über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Pfand­briefstelle-Gesetz erlassen wird sowie das Sparkassengesetz und das Gesetz be­treffend fundierte Bankschuldverschreibungen geändert werden, samt Titel und Eingang in 392 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Vorlage zustimmen, um ein Zeichen. – Ich stelle die einstimmige Annahme in zweiter Lesung fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Wir stimmen ab über den Entwurf betreffend 5. Zollrechts-Durchführungsgesetz-Novelle, samt Titel und Eingang in 431 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Lesung mit Stimmenmehrheit angenom­men.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung ihre Zustim­mung erteilen, um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Stimmen­mehrheit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Ab­geord­neten Dr. Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhalt des Know-how der Zollwache und Schaffung einer Finanzpolizei.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag Dr. Matznetter zustimmen, um ein Zeichen. – Dieser Entschließungsantrag wird mehrheitlich abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 geändert wird, samt Titel und Eingang in 432 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die der Vorlage zustimmen, um ein Zeichen. – Die Vorlage wird in zweiter Lesung einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Damit ist der 10. Punkt der Tagesordnung erledigt.

11. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (413 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das IAKW-Finanzierungsgesetz geändert wird (5. IAKW-Finanzie­rungsgesetz-Novelle) (433 d.B.)

 



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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (den Vorsitz übernehmend): Meine Damen und Herren! Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Maier. Ihre Redezeit beträgt 4 Minuten. – Bitte.

 


13.05

Abgeordneter Dr. Ferdinand Maier (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Geschäftsstück be­schließen wir eine Finanzierung in der Höhe von 50 Millionen € an die IAKW AG zur Erweiterung von Konferenzräumlichkeiten im Bereich des Vienna International Centre.

Es ist dies eine Einrichtung in meinem Wahlkreis, worüber wir an und für sich recht froh sind. Wir glauben auch, dass dieses vorliegende Geschäftsstück eine wirklich zukunfts­sichere Investition ist, vor allem angesichts der Tatsache, dass dort eine Erweiterung um rund 2 800 Quadratmeter stattfinden soll und somit auch die Möglichkeit gegeben ist, Ersatz für die asbestbedingte Schließung und Sanierung der bestehenden Konferenzeinrichtungen zu schaffen. Das scheint mir sehr sinnvoll zu sein.

Ich glaube auch, dass die Brücke oder die Anbindung an das Konferenzzentrum sehr vernünftig ist, um eine Synergie und Verbesserung der beiden Infrastrukturen herbei­zuführen. (Beifall bei der ÖVP.)

Stichwort Konferenzzentrum: Wir wissen, der Bau des Konferenzzentrums hat im Jahr 1982 ein Volksbegehren ausgelöst. Wir haben momentan wieder ein Volksbe­gehren laufen, zumindest habe ich das da oder dort gehört. Das zeigt, wie Sie von der SPÖ damals und jetzt wussten, mit Volksbegehren umzugehen. Ich sage Ihnen das nur, damit Sie eines wissen: Dieses Volksbegehren war immerhin das größte Volks­begehren, das die Zweite Republik bisher erlebt hat. Es erreichte weit mehr als 1,3 Mil­lionen Unterschriften. Sie haben es damals, als Ihre Kollegen in der Regierung waren, so behandelt, wie Sie es behandelt haben. Ich warte auf Ihre entsprechenden Wort­meldungen nach Abschluss dieses Volksbegehrens.

Ich denke aber auch, dass man aus der Art und Weise, wie man derartige Investitionen managt, ein wenig lernen kann. Sie werden sich daran erinnern, dass das Volks­begehren in Wirklichkeit die Frage der Finanzierung – ich habe mir das kurz ange­sehen, man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen –, aber auch das Thema „billiger Stahl aus Italien für das Konferenzzentrum“ im Vordergrund hatte. Das war 1982 einer der Aufmacher in den „Oberösterreichischen Nachrichten“. Damals waren Sie noch die Verfechter der Voest, aber vor lauter Wichtigkeit des Konferenzzentrums haben Sie auf die Voest ganz vergessen.

Sie haben in Wirklichkeit bei diesem Volksbegehren die Frage der Finanzierung in den Vordergrund gestellt, und man könnte noch heute darüber diskutieren, wie diese Finanzierung tatsächlich war. Aber ich will nun auf die Frage des Managements zurückkommen.

Sie haben damals Herrn Dr. Auracher eingesetzt, der ein gottbegnadeter Manager war, wahrscheinlich kam er aus der Schule von Androsch. Was mich aber freut, ist, dass Ihre Kollegen in Wien aus dieser Malaise gelernt haben. Wir haben vor kurzem die Eröffnung der Reed Messe Wien erlebt, man hat Gott sei Dank ein professionelles Management engagiert und internationales Know-how geholt, sonst wäre es nicht möglich gewesen, einen viel beachteten Kardiologen-Kongress mit 29 000 Teilneh­mern, der vor wenigen Monaten in Wien stattfand, abzuhalten. Es war eine sensa­tionelle Organisation und ganz großartig gemacht. Das verstehe ich unter profes-


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sionellem Management; das haben wir aber bei Ihnen am Beispiel des Konferenz­zentrums und bei Entsendung des Dr. Auracher vermisst.

Gott sei Dank ändern sich die Zeiten. Dr. Auracher ist seit etwa einem Jahr, glaube ich, anderswo tätig. Das heißt, die Chance, dass auch dort wieder ein besseres Konferenz­management möglich ist, ist durchaus gegeben.

Ich will unter dem Strich nur sagen, wir halten diese Investition für völlig richtig, denn gerade Wien braucht zusätzliche Arbeitsplätze. Ich glaube, dieser Impuls seitens der Bundesregierung ist sicher einer, den wir alle, insbesondere unser Wahlkreis nur unterstützen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.09

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Hoscher. – Bitte.

 


13.09

Abgeordneter Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Kollege Maier, es freut mich – auch aus deinem Wahlkreis kommend –, dass du die Liebe für diesen Wahlkreis entdeckt hast, ins­besondere deswegen, weil dieser Wahlkreis vor zwei Jahren im Hochwasser und im Schlamm versunken wäre, wenn wir deiner Fraktion gefolgt wären und die Donauinsel nicht gebaut hätten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Das ist aber bei anderen Sachen auch so!)

Zu Kollegem Auracher, der sich sicher selbst verteidigen kann, möchte ich sagen: Die Grenzen deiner Immunität nützt du schon sehr stark aus. Wenn du deine Äußerung draußen gesagt hättest, so wäre dies eine sehr geschäftsschädigende Aussage und daher einklagbar gewesen, aber wie dem auch sei.

Ich kann mich noch gut an die Eröffnung des Vienna International Centre erinnern, als sich deine Fraktionskollegen auf die Zehen gestiegen sind, um das Band durch­schnei­den zu dürfen. Aber vielleicht bist du deswegen heute hier so markig – ich habe ein bisschen Verständnis dafür – bei einer Novelle, die einstimmig beschlossen wird, weil du wahrscheinlich befürchtest, dass du vielleicht auch von deinem anwesenden Lan­desparteiobmann über die APA eine Rücktrittsaufforderung bekommst, die du dann wie Präsident Nettig dementieren musst. (Abg. Neugebauer: Wieder ein Gerücht!) – Das Gerücht ist schriftlich nachlesbar!

Die Investition in Höhe von rund 9 Milliarden Schilling in das Vienna International Centre hat sich, glaube ich, sehr gut gerechnet. Das haben wir alle gesehen. So viel sei zu dem Management, das dort stattgefunden hat, erwähnt. Ich glaube, dass dies­bezüglich auch noch nachträglich die Worte Bruno Kreiskys volle Berechtigung haben, der damals bezüglich dieses Komplexes gemeint hat: Eine große Armee kostet uns mehr und bringt uns wesentlich weniger.

Ich denke, dass derartige Investitionen zur Ansiedlung internationaler Organisationen der richtige Weg und insbesondere natürlich – das mag einen Tourismussprecher, der ich ja bin, nicht verwundern – auch für den Kongresstourismus eine wesentliche Initiative sind. So ein Geschenk des Bundes zur Kofinanzierung ist es aber auch nicht, denn immerhin lukriert der Bund rund 70 Prozent der Steuereinnahmen, die direkt aus dem Kongresstourismus kommen. Dieser Tourismuszweig mit 435 € pro Teilnehmer und Nächtigung ist der wertschöpfungsintensivste in der Branche.

Ich meine aber, dass es nicht nur um Fazilitäten in diesem Tourismuszweig und im Rahmen des Kongresszentrums geht, sondern natürlich auch um die Infrastruktur, weil die Gäste, die Kongressteilnehmer, die herkommen, anständig anreisen müssen, also über Straßen, über Luftwege und auch über die Schiene. Daher noch einmal – so wie


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im Ausschuss – die Bitte an den Herrn Staatssekretär, sich vielleicht auch als Wiener Landesparteiobmann der ÖVP bei den Finanzausgleichsverhandlungen massivst dafür einzusetzen, dass die Infrastruktur in der Ostregion entsprechend ausgebaut wird, damit wir die Fazilitäten im Vienna International Centre entsprechend nutzen und unsere Stellung behaupten können, insbesondere nachdem die Union of International Associations in Brüssel festgestellt hat, dass wir innerhalb Europas noch – ich betone: noch – die beliebteste Kongressstadt sind.

Im Rahmen der EU-Erweiterung wird hier insbesondere mit Prag und Budapest große Konkurrenz auf uns zukommen. Weltweit liegt Wien derzeit auf dem vierten Platz. Das heißt, nicht nur diese jetzige Investition, diese beschlossenen 50 Millionen € werden von wesentlicher Bedeutung sein, sondern auch die gesamten touristischen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.13

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Bucher. – Bitte.

 


13.13

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann natürlich zu den Wahlkreis-Problemstellungen meiner Vorredner einen Kommentar abgeben, aber es ist wichtiger zu betonen, dass wir Freiheitliche für die Erweiterung der UNO-City und die Investitionen in das Konferenzzentrum sind, weil das eine sehr sinnvolle Maßnahme für den Tagungs- und Kongresstourismus in Wien darstellt, der zweifelsohne in einem ganz anderen Wettbewerb steht als alle anderen österreichischen Landeshauptstädte. Österreich matcht sich hier auf einem internationalen Konferenz- und Tagungsniveau. Daher ist es wichtig, dass auch die entsprechenden infrastrukturellen Investitionen auf internationalem Niveau erfolgen.

Das Konferenzzentrum hat sich, obwohl unter dem Strich kein wirtschaftlicher Erfolg herauskommt, in der Zwischenzeit mehrmals gerechnet im Hinblick auf die Umweg­rentabilität und die Auswirkungen auf die Tourismuszahlen in Wien. Daher ist es eine sinnvolle Maßnahme, die zu unterstützten ist, vor allem wenn man weiß, dass das Tourismusgeschäft, das Konferenzgeschäft eines der wesentlichsten und gewinnbrin­gendsten ist, was die Wertschöpfung und auch die Wertschöpfungskette betrifft, weil es nicht nur direkt den Tourismusbetrieben zugute kommt, sondern darüber hinaus auch indirekt alle anderen Sparten davon unmittelbar positiv betroffen sind.

Daher schließe ich mich auch den Argumenten meines Vorredners an und unterstütze gemeinsam mit meiner Fraktion diesen Antrag. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.14

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

 


13.15

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Mir war bei den Beratungen über diese Vorlage im Aus­schuss ein Schreiben des Amtes der Wiener Landesregierung nicht bekannt. Wenn ich Ihnen allen hier zuhöre, so scheint dieses auch hier nicht besonders bekannt zu sein. Ich wollte es nur der Vollständigkeit halber einbringen, es wird unser Abstim­mungs­verhalten nicht beeinträchtigen.

Da so viel über die Vergangenheit gesprochen wurde, wäre es sicher auch nicht schlecht, sich ein Bild über die behaupteten Finanzierungsverpflichtungen der Zukunft


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zu machen. Das Amt der Wiener Landesregierung teilt mit – ich zitiere nur einen Absatz –:

..., dass die Herbeiführung einer gesetzlichen Verpflichtung des Landes Wien, nämlich zur Beteiligung an den in ... § 2 Abs. 6 angeführten Kosten jeglicher Rechtsgrundlage entbehre. – Und so weiter und so fort.

Wir müssen uns also schon zu Gemüte führen, dass wir hier ein Gesetz beschließen, das einen bestimmten zwingenden Finanzierungsschlüssel, wie mir scheint, vorsieht. Soll so sein, ich stelle aber fest, dass es eine Gebietskörperschaft gibt, die hier per Gesetz – per Bundesgesetz – angehalten ist, einen bestimmten Schlüssel zu übernehmen, und die behauptet, dass sie eine solche Verpflichtung nicht zu erkennen vermag. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.)

Vielleicht ist auch alles nur ein Missverständnis. Ich sage nur, dass ein Teil – Sie, Herr Staatssekretär, rufen mir „Vereinbarung“ zu – derer, die diese Vereinbarung treffen sollen, offensichtlich jetzt nicht mehr so einen konzisen Standpunkt hat. Wie dem auch sei, das ist auf jeden Fall erwähnenswert. So etwas kommt selten vor. An sich möchte man meinen, dass die Fraktionen diese Unterlagen rechtzeitig bekommen. Ich weiß nicht, ob Sie alle das bekommen haben.

Wir stellen fest, die Gemeinde Wien beziehungsweise – ich zitiere es noch einmal genau – das Amt der Wiener Landesregierung hat mit der Eingabe MD/VD/472/1/04 eine derartige Stellungnahme abgegeben. Was immer das für den weiteren Weg bedeutet: Ich hoffe, die Unklarheit, die hier auftaucht, ist der Sache nicht hinderlich. Aber irgendetwas stimmt bei diesem Verfahren nicht. (Beifall bei den Grünen.)

13.17

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist hiezu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 413 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem Gesetz ihre Zu­stim­mung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das Gesetz ist somit auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

12. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (339 d.B.): Protokoll zur Änderung des Internationalen Übereinkommens zur Vereinfachung und Har­monisierung der Zollverfahren (geschehen zu Brüssel am 26. Juni 1999) samt Anhängen (434 d.B.)

13. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (352 d.B.): Abkom­men zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll (435 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zu den Punkten 12 und 13 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.


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Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Debattenredner ist Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. – Bitte.

 


13.18

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­ter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Maier hat sich vorhin – das war offenbar wirklich ein markantes Ereignis – darüber beschwert, dass das Konferenzzentrum im Jahre 1982 nicht mit Voest-Stahl errichtet wurde. Österreich ist allerdings Anfang der siebziger Jahre, nachdem Bruno Kreisky eine Alleinregierung begründet hat, dem EG-Zollabkommen beigetreten. Es war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich, diese protektionistischen Zölle in Österreich aufrechtzuerhalten, die die Leistungsfähigkeit der österreichischen Volkswirtschaft massiv behindert oder jeden­falls gar keinen Bedarf entwickelt haben.

Das hat damals natürlich bei einigen Betrieben zu großen Problemen geführt. Ich den­ke nur an Steyr-Daimler-Puch im LKW- und Traktorbereich. Oder es hat auch dazu geführt, dass die Voest nicht mehr das Monopol hatte, in Österreich Stahl exklusiv zu verkaufen, weil andere nicht liefern konnten.

Wir sind in diesen 35 Jahren einen sehr weiten Weg gegangen. Österreich ist jetzt wieder dabei, dieses Abkommen als nächsten Schritt im Rahmen der WTO, den auch die Beitrittskandidatenländer mitmachen werden, weiterzuratifizieren. Darüber hinaus wird auch Russland diesen Schritt innerhalb der WTO setzen. Das ist auch ein sehr wichtiger Augenblick bei dieser Gesetzesmaterie.

Wenn 40 der rund 60 Partner in den jeweiligen nationalen Parlamenten unterzeichnet, ratifiziert haben werden, wird dieses Abkommen also in Kraft treten. Ich glaube, dass das im Endeffekt eine gute Sache ist, denn der Abbau dieser Schutzzölle, die es gerade in den Reformstaaten auch verhindern, die Leistungsfähigkeit der eigenen Öko­nomie herauszufordern, wird dort zu mehr Wettbewerb, zu mehr Produktivität und zu mehr Effizienz führen, so wie es auch damals in Österreich der Fall war.

In Summe ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Wir Sozialdemokraten werden dem auch zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.21

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Bucher. – Bitte.

 


13.21

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz zur Harmonisierung der Zollverfahren ist eine sehr wichtige Maßnahme, um die Effizienz im Bereich des Zoll­verfahrens zu steigern und sie auf moderne Beine zu stellen. Natürlich werden dadurch auch die Verfahren beschleunigt. Ich glaube, dass es in der Absicht dieser Zielsetzung der Bundesregierung liegt, diese Maßnahmen im Bereich der Verwaltungsreform, im Bereich der Verwaltungsvereinfachungen zu setzen, um auch dort die neuen Techni­ken des Computerwesens effizient einzusetzen.

Es ist dies eine sehr wichtige und moderne Maßnahme, die dazu führt, dass es auch zu mehr Transparenz im grenzüberschreitenden Güterverkehr kommt. Wir wissen, dass hier großer Aufholbedarf besteht und wir uns den modernen Spielregeln auf inter­nationaler Ebene nicht verschließen können. In Summe wird diese Änderung auch dazu führen, dass sehr positive Auswirkungen im Bereich der gesamten Außen­handels­wirtschaft zu erwarten sein werden. Das stellt nämlich eine sehr erfreuliche und vor allem auch sehr effiziente Maßnahme dar, um das Speditions- und Transportwesen


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in Österreich im Bereich des zollüberschreitenden Verkehrs zu modernisieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.22

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Sburny. – Bitte.

 


13.23

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beziehe mich auf das Abkommen zwischen der Re­publik Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Natürlich macht so ein Abkommen, das Regeln für die Steuerleistungen festlegt, grundsätzlich Sinn. Ich möchte das allerdings zum Anlass nehmen, insgesamt ein paar Worte zu diesem bilateralen Abkommen zu sagen. Wir Grüne kritisieren die Welthandelsorganisation WTO sehr vehement auf Grund ihrer undemokratischen Spielregeln und auch auf Grund ihrer Mechanismen, die zu einer Schieflage zwischen den armen Entwick­lungsländern und den reichen Ländern des Nordens beitragen.

Dennoch muss man sehen, dass in vielen Fällen ein multilaterales Abkommen einem bilateralen vorzuziehen ist und dass die multilateralen Abkommen einfach gewisse Vor­teile haben. Wenn man sich jetzt am Beispiel dieses Abkommens zwischen Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten vorstellt, dass auf EU-Ebene jedes Land in­nerhalb der EU ein derartiges bilaterales Abkommen hat, dann kann man sich auch vorstellen, dass der Steuerdschungel durch derartige Abkommen eher verdichtet denn gelichtet wird. Der Aufwand, sich die Steuerleistungen jeweils anzuschauen, ist dann ziemlich groß.

Das heißt: Aus unserer Sicht wäre es sinnvoll, nicht nur, wie heute schon besprochen, die Steuern insgesamt auf EU-Ebene zu harmonisieren, sondern auch im Bereich die­ser Abkommen zwischen den einzelnen Ländern und der EU durchaus einen Schritt zu setzen, damit es zumindest auf EU-Ebene eine gemeinsame Vorgangsweise gibt und dieser Wust an bilateralen Abkommen abgebaut werden kann.

Ähnlich komplexe Zusammenhänge bestehen bei den bilateralen Investitionsschutz­ab­kommen. Wir freuen uns darüber, dass die Regierungsfraktionen auf Anregung der Opposition dazu bereit sind, zu diesem Thema eine Enquete zu veranstalten. Auch wenn es sich um eine schwierige und komplexe Materie handelt, so glauben wir doch, dass es einmal notwendig ist zu diskutieren, wie sich unsere Minister im Bereich der Finanzen und der Wirtschaft auf EU-Ebene verhalten. Wir freuen uns, wie gesagt, darüber, dass das auch die Unterstützung der Regierungsfraktionen findet, und hoffen, dass wir im Rahmen dieser Enquete die Position Österreichs auf EU-Ebene diskutieren können. (Beifall bei den Grünen.)

13.25

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner gelangt Herr Abge­ord­neter Eder zu Wort. – Bitte.

 


13.25

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollegin Sburny, ich kann den Dingen, die Sie hier sagen, schon folgen, aber Entwicklungsländer und Vereinigte Arabische Emirate in einem Satz anzuführen, das ist ... (Abg. Sburny: Habe ich nicht gesagt und habe es auch nicht gemeint! Hätten Sie halt zugehört!) – Das haben Sie nicht gemeint. Dann ist das klar. – Die Vereinigten Arabischen Emirate gehören zu den reichsten Ländern der Welt. (Abg. Sburny: Ich habe von der WTO gesprochen!) Ich bin eigentlich sehr froh –


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und sage das sehr deutlich – darüber, dass Österreich schon vor zehn Jahren ein sehr wichtiges Abkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten abgeschlossen hat.

Ich kann mich noch gut daran erinnern. Ich stehe als Oppositionspolitiker nicht an, es sehr zu loben, dass sich damals Herr Handelsdelegierter Dr. Wolfgang Lanz ganz be­sonders bemüht hat (Abg. Neudeck: Ist das jetzt Aktionärsbetreuung?), dieses Ab­kommen zu unterstützen und mit zu erarbeiten. Jetzt und an dieser Stelle möchte ich Herrn Dr. Nikolaus Seiwald, ebenfalls Handelsdelegierter – es gibt auch Handels­dele­gierte, die ich nicht so loben würde, die ich kritisieren würde –, auch löblich erwähnen. Diese Handelsdelegierten achten doch sehr darauf, dass die bilateralen Handels­be­ziehungen – gerade zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und Österreich, zwischen der gesamten Wirtschaft Österreichs und deren Wirtschaft – dergestalt sind, dass sie nicht einseitig von Österreich in die eine Richtung gehen, sondern dass das eine gegenseitige Befruchtung ist. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben sehr hohe Investitionen in Österreich getätigt und sehr viele österreichische Unternehmen im Bereich Brückenbau, Elektronik, Lebensmittelexport, Stahlbau, Chemie und so wei­ter pflegen da wirklich eine äußerst gute Zusammenarbeit.

Ich glaube auch, dass man als Oppositionspartei froh sein und auch hervorheben muss, dass gerade die Dinge, die Sie kritisieren, Frau Kollegin Sburny, durch diese Abkommen geregelt werden sollen. Genau darum geht es hier! Ich denke, dass dieses Abkommen ein Abkommen ist, dem man nicht nur die Zustimmung geben kann, son­dern aus dem man auch deutlich ersehen kann, dass es, wenn über längere Regie­rungsperioden auch unterschiedlicher Parteienkonstellationen in einem Land gegeben sind, gut ist, wenn auch über diese Regierungsperioden hinweg stabile und vernünftige Wirtschaftspolitik im Ausland gemacht wird.

Das möchte ich wirklich noch einmal betonen und unterstützen, weil ich der Ansicht bin, dass eine mittel- und langfristige Außenpolitik und Wirtschaftspolitik nur so ge­macht werden kann, indem über internes Partei-Hickhack hinweggegangen wird. Da­her können wir von der SPÖ diesem Abkommen gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ, der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.28

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist hiezu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Protokoll zur Änderung des Internationalen Überein­kommens zur Vereinfachung und Harmonisierung der Zollverfahren samt Anhängen in 339 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein dies­bezügliches Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Ich lasse jetzt über den Antrag des Finanzausschusses, wonach der vorliegende Staats­vertrag im Sinne des Artikels 50 Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­spre­chendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Abkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten


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auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll in 352 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

14. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 310/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird (436 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Debattenredner ist Herr Abgeordneter Dr. Matznetter. – Bitte.

 


13.30

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Dieser heutige Antrag hat eine längere Vorgeschichte, bei der die Wogen schon in die eine und die andere Richtung gegangen sind; zuletzt mit einer „Notoperation“ eine Stunde, bevor wir hier abgestimmt haben.

Worum geht es im Kern? – Im Kern geht es um die Umsetzung der Rechtssache Seeling, einer Rechtssache, bei der der EuGH – im Prinzip nicht unüberraschend – seiner Judikatur der Vergangenheit zur 6. EG-Richtlinie folgend, bei der Beurteilung des Eigenverbrauchs eines gemischt genutzten Grundstückes dem Unternehmer die Möglichkeit eingeräumt hat, diesen Teil einerseits USt-pflichtig als Eigenverbrauch, andererseits aber mit Vorsteuerabzug – also unter Abzug der Kosten der Umsatzsteuer bei Baukosten und anderen Ausgaben – im Rahmen seines Rechnungswesens als Unternehmer zu führen.

Darauf hätte es zwei Antworten gegeben: Die Antwort eins wäre gewesen, eine Lösung zu finden, die das Urteil komplett umsetzt. Dazu hätten wir aber eine Regelung umsetzen müssen, dass es bei einem Grundstück keinen Vorteil mehr darstellt, einen vollen Vorsteuerabzug zu haben und dann nur zehn Jahre später unter Nicht-Rück­führung des Vorteils das Grundstück anderen Zwecken zuführen zu können. Statt­dessen soll hiemit eine Behelfsmaßnahme gesetzt werden, indem man in extensiver Auslegung eine mögliche Ausnahmebestimmung des Artikels 6 Absatz 2 der 6. EG-Richtlinie ausnützt, von der wir schon wissen, dass sie nicht halten wird.

Folglich ist hiemit weiters geplant, mit dieser Änderung ein Sicherheitsnetz einzu­zie­hen. Dies soll durch Einführung des Auffangtatbestandes mit der 20-jährigen Vor­steuer­berichtigung für jenen Fall geschehen, dass das Unternehmen die teilweise privat genutzte Liegenschaft mit Vorsteuerabzug unter Anwendung der Judikatur des EuGH in Sachen Seeling in das Rechnungswesen aufnimmt.

Ich halte eine solche Gesetzestechnik nicht für sinnvoll, und zwar aus zwei Gründen: Erstens: Je öfter österreichisches Recht vom EuGH aufgehoben wird, desto mehr erwecken wir den äußeren Anschein, dass wir nicht in der Lage sind, die EU-Richt­linien ordentlich umzusetzen. Zweitens legen wir dadurch eine zweite Sprengfalle, dass wir die 20-Jahre-Regelung nur für einen Teil einführen, sonst aber die Zehn-Jahre-Regelung lassen. Die Frage der Gleichheitswidrigkeit ist also der nächste Punkt dieser Bestimmung.


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In diesem Zusammenhang wäre es gut gewesen zu überlegen, wieso eigentlich ein Vorsteuerabzug bei einem Gebäude einen wirtschaftlichen Vorteil für das Unter­nehmen bringt. – Wir alle wissen, warum es so ist: So laufen ja die vielen Mietkauf­mo­delle, wo man kauft, eine Konstruktion schafft, in der man vermietet, für die USt bei Geschäftsräumen optiert oder überhaupt – noch besser! – bei Wohnräumen mit 10 Prozent verustet und das Objekt nach zehn Jahren auf die Person überträgt, die vorher der Nutzer war, der dann letztlich eine geringere Steuer zu tragen hat als einer, der gleich eine Eigentumswohnung kauft oder eine Genossenschaftswohnung mietet.

Das schmeckt uns nicht! Wir wollen hier eine Gleichbehandlung haben, auch wenn wir wissen, dass es Problemfälle gibt. Besser wäre es gewesen, eine generelle Lösung zu finden und dann vielleicht im Unternehmensbereich dort, wo Härten gewesen wären, nur diese auszubessern. Daher möchten wir diesem Teil nicht die Zustimmung geben. Ich bitte um Verständnis dafür. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.33

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte.

 


13.33

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Matznetter hat bereits darauf hingewiesen, dass das, was uns heute als Novellierung des Umsatz­steuer­rechts vorliegt, eine Vorgeschichte hat – ich glaube sogar, eine Vorgeschichte, wie sie ziemlich einmalig in diesem Haus ist. Wir haben etwas zweimal, und zwar am 7. No­vember und am 27. November 2003, im Finanzausschuss unter Einbeziehung einer Reihe von Experten einstimmig beschlossen, wobei im letzten Augenblick vor der zweiten Lesung andere Experten darauf hingewiesen haben, dass sich da oder dort negative Auswirkungen auf Grund der vorgesehenen legistischen Lösung ergeben könnten. Wir haben daher zweimal die Reißleine gezogen.

Der ganze Vorgang zeigt – darum gehe ich auf diesen Vorgang und weniger auf den Inhalt ein, den Herr Kollege Matznetter schon dargelegt hat –, wie komplex und kompli­ziert das Steuerrecht bis heute insgesamt geworden ist. Es ist ja kein Zufall, dass der Berufsstand der Steuerberater eine Wachstumsbranche darstellt. Dieses Steuerrecht wird zusätzlich durch die Frage erschwert, inwieweit eine Anpassung des nationalen Steuerrechts an EU-Recht erforderlich ist oder nicht. Das ist gleichsam die Poten­zierung der Schwierigkeiten!

Wir haben daher zweimal nach bestem Wissen und Gewissen unter Einbeziehung von Experten Lösungsvorschläge gemacht. Doch im letzten Augenblick mussten wir sagen: Nein. Es ist besser, wir gestehen ein, dass das, was wir einstimmig im Finanz­aus­schuss beschlossen haben, doch nicht der richtige Weg ist, und unternehmen einen neuerlichen Anlauf. – Heute ist es der dritte Anlauf. Ich bedauere, wenn beim dritten Anlauf die Einstimmigkeit nicht mehr gegeben ist.

Dennoch sage ich: Wir haben nach bestem Wissen und Gewissen und unter Einbe­ziehung aller Experten, derer wir habhaft werden konnten – unter Einbeziehung der Experten des Finanzministeriums, von Steuerberatern, von Praktikern aus der Bau­branche –, versucht, eine Regelung zu finden, die für die Zukunft halten wird. Aber ich sage ganz offen, meine Damen und Herren: Wir können noch so viele Gutachten ein­holen. Die letzte Entscheidung, ob etwas verfassungskonform oder EU-konform ist, kann uns kein Experte abnehmen. Die letzte Entscheidung hat der Verfassungs­gerichtshof beziehungsweise der EuGH – und dieses Restrisiko bleibt dem Gesetz­geber immer erhalten.


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Wir haben dann bewusst über den Jahreswechsel eine gewisse Cooling-off-Periode eingeführt. Ich gebe zu, dass in dieser staubtrockenen Materie die Emotionen zwi­schen den Herren der Steuersektion des Finanzministeriums und anderen Experten, die wir herbeigeholt haben, zum Teil hochgegangen sind. Ich glaube, das muss eine Zusammenarbeit zwischen Parlament und Ministerium einfach aushalten. Ich glaube auch, dass wir uns sozusagen wieder gefunden haben, und ich möchte allen Experten danken, die uns hier beraten haben.

Folgendes möchte ich noch sagen: Er sitzt immer bescheiden in der letzten Reihe, ein ruhiger Mandatar: Konrad Steindl. Er war eigentlich der Erste – als Nicht-Mitglied des Finanzausschusses! –, der darauf hingewiesen hat, dass wir da die Notbremse ziehen müssen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Lieber Konrad Steindl, es tut mir Leid, dass die Geschäftsordnung die Ehren­mit­gliedschaft in einem Fachausschuss nicht vorsieht – wenn es die gäbe, würde ich dich zum Ehrenmitglied des Finanzausschusses ernennen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Brosz: Statt dem ersten Redner hätte er reden können!)

Meine Damen und Herren! In diesem Sinne sage ich noch einmal: Es gibt keine Ga­rantie. Ein Restrisiko bleibt vor den Höchstrichtern immer – egal, ob Verfassungs­gerichtshof oder EuGH.

Nach bestem Wissen und Gewissen haben wir das ausgearbeitet, und ich gehe davon aus, dass das auch in Zukunft halten wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

13.37

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Bucher. – Bitte.

 


13.37

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! Von den Vorrednern wurde schon erläutert, um welches Gesetz es sich handelt und welche Umstände es waren, die uns zu dieser aus meiner Sicht sehr weisen Entscheidung geführt haben. Dies ist eine sehr komplexe und komplizierte Gesetzesmaterie, die uns in der Entscheidungsfindung und im Ent­scheidungsfindungsprozess sehr verunsichert hat.

Ich denke, wenn wir dieses Seeling-Urteil des EuGH in Österreich umgesetzt hätten, dann wäre es zu einer krassen Schieflage gekommen. Das ist meine persönliche Beur­teilung. Weiters hätte dies eine gewisse Ungerechtigkeit in der steuerlichen Maßnahme zu Tage gefördert. Unsere Regelung, die wir im Grunde genommen beibehalten, ist eigent­lich der einzige Korridor – nicht ein Ausweg, der einzige Korridor! –, der dem Gleichheitsanspruch gerecht wird. Daher stehen wir vollinhaltlich zu dieser Ent­scheidung, die hier getroffen wurde. Ich denke, dass diese Entscheidung auch halten wird und im Interesse der österreichischen Steuerzahler ist. (Beifall bei den Frei­heit­lichen und der ÖVP.)

13.39

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

 


13.39

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die schwierige Entstehungsgeschichte wurde ja schon gewürdigt. Ich will mich dem nicht verschließen: Es ist ein schwieriges Problem. Es ist ja auch nicht jedes Urteil des Europäischen Gerichtshofes in sich logisch nach­voll-


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ziehbar und bejubelnswert (demonstrativer Beifall des Abg. Jakob Auer), das darf man auch einmal sagen. Es bringt uns alle in Schwierigkeiten. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ausnahmsweise hat er Recht!)

Es hat den Versuch gegeben, knapp vor dem Jahreswechsel etwas zustande zu brin­gen. Es haben sich alle bemüht. In der letzten Ausschusssitzung – ich überspringe gleich alles Weitere, weil mich jetzt tatsächlich noch eine andere Frage beschäftigt, und ich stehe überhaupt nicht an, das hier zuzugeben – wurden mit dem Sanie­rungsvorschlag ein paar Dinge gelöst, bei denen man aus der Intention des Urteils nicht sicher sein kann, ob das anfechtbar ist oder nicht. – Das ist alles richtig.

Das, was mir jetzt erst aufgefallen ist – ich stehe nicht an, das zuzugeben –, ist, dass die Fragestellung, die Kollege Matznetter expliziert hat, dass wir nämlich in bestimmten Steuerbereichen eine Rückfallsposition haben, die dann auf 20 respektive 19 Jahre – was im Prinzip gleich ist – abstellt, so weit von uns begrüßt wurde; was ich jedoch übersehen habe, ist, dass wir an anderer Stelle eine neue mögliche Gleichheits­widrigkeit aufmachen, weil das offensichtlich nicht überall und gleich gilt.

Dieses scheint mir ein gravierenderes Problem zu sein, ich möchte Sie deshalb auch um Verständnis ersuchen, wenn das Abstimmungsverhalten hier im Plenum ein ande­res ist als im Ausschuss. Ich anerkenne aber alle Bemühungen in diesem Bereich, und ich werde sicher nicht den Zeigefinger spöttisch heben, wenn wir da als Republik nicht ganz durchkommen. Ich beziehe mich nicht auf alle Argumente des Kollegen Matz­netter, aber dieses eine erscheint mir gravierend genug. Man könnte das aus meiner Sicht natürlich auch anders formulieren – das würde wieder andere Probleme erzeu­gen, das weiß ich auch, aber möglicherweise wäre das auch nicht so lustig für die SteuerbürgerInnen, das gebe ich auch zu, aber es wäre aus der Perspektive der Nicht-Gleichheitswidrigkeit das Bessere.

Deshalb werde ich in den verbleibenden Minuten versuchen, meine Fraktion davon zu überzeugen, dass wir hier nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.41

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Auer. – Bitte.

 


13.42

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Dass dies ein schwieriger Prozess der Gesetzwerdung war und ist, ist auch aus den Ausführungen meiner Vorredner hervorgegangen und wird letztlich auch durch die sich ständig ändernde Zustimmung verschiedener Fraktionen dokumentiert.

Ich gestehe ganz offen: In meinen 21 Jahren im Nationalrat ist mir noch nie eine derart schwierige Gesetzwerdung untergekommen, dass man drei Versuche braucht, aber auch nicht eine sich völlig ändernde Zustimmungspraxis. Aber sei’s drum.

Ich habe mir genauso aufgeschrieben und möchte ausdrücklich Kollegen Konrad Steindl erwähnen, weil es wirklich ihm zu verdanken ist, dass hier objektiv und ein bisschen schärfer darauf geschaut wurde, als dies vielleicht sonst geschehen wäre. Er verdient wirklich unseren Dank. Ich möchte dies ausdrücklich festhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Vielleicht gerade auch aus der Erfahrung dieses Prozesses: Manchmal ist wohl auch ein externer Expertenblick auf verschiedene Gesetzesvorlagen notwendig, damit ein ausgewogener Blick bei der Beurteilung möglich ist. Ich würde bitten, dass man das auch in Zukunft so handhabt, obwohl ich nicht anstehe, ausdrücklich festzuhalten, dass Dr. Nolz der Erste war, der uns tatsächlich gesagt hat, worum es bei den budgetären


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Auswirkungen geht. Ich würde um diese Offenheit seitens der Beamten auch in Zukunft ersuchen.

Meine Damen und Herren! Ein paar Punkte noch. Der Vorteil dieses Antrages ist: Er ist im Rahmen der österreichischen Gesetzeslage so gemacht, dass er, so meine ich, EU-konform sein wird. Den massiven Steuerausfällen, die unter Umständen zu befürchten waren, wird vorgebeugt. Die Chance auf Spekulationsgewinne wird entsprechend verringert. Nach Auffassung der Finanzbehörden ist diese Lösung bei der Umsetzung des Seeling-Urteils bestens möglich.

Ein weiterer Punkt ist – darauf wird Kollege Großruck sicher hinweisen –, dass der Mietkauf nicht verändert wird. Ich glaube, auch dies ist eine sehr wichtige Bestimmung, die im Sinne von Eigentumsbildung notwendig ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Da heute auch bei anderen Finanzthemen eine ein biss­chen breitere Diskussion zur Steuergesetzgebung geführt wurde, erlaube ich mir auch, darauf hinzuweisen, dass die vorgesehene Steuerreform eine sehr positive Auswirkung haben wird.

Ich zitiere aus der „Presse“ vom 16. Februar Michael Rogowski, deutscher Industrie-Präsident, der, als er gefragt wurde, welche Auswirkungen diese KöSt-Senkung in Österreich auf die Ansiedlungswünsche deutscher Firmen in Österreich und damit auf die Arbeitsplatzsicherung haben werde, meinte, dass es ihn weniger freut, dass das in Deutschland nicht passiert, aber er bewundere die vifen Österreicher, die in dieser Sache so positiv vorausgehen, und er befürchte tatsächlich die Absiedlung deutscher Betriebe, die sich wiederum in Österreich ansiedeln werden.

Meine Damen und Herren! Wenn uns das auch in vielen anderen Bereichen so gelingt, dass österreichische Arbeitskräfte Arbeit finden, dass die österreichische Industrie, österreichische Betriebe gestärkt werden können, dass sogar ausländische Betriebe mit begehrlichen Blicken nach Österreich sehen, dann soll uns das freuen. Es ist wieder ein Beweis für eine hervorragende Finanzpolitik. (Beifall bei der ÖVP.)

13.45

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Großruck. – Bitte.

 


13.46

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Hohes Haus! Es ist ja schon der Begriff „Seeling-Urteil“ gefallen. Nur zur Erklärung: Das ist ein deutscher Bundesbürger, der beim EuGH geklagt hat, und deshalb ist dieses Urteil unter dem Begriff „Seeling-Urteil“ in die Rechtsprechung ein­gegangen.

In Österreich haben wir die Aufgabe, dieses EuGH-Urteil umzusetzen oder dafür zu sorgen, dass auch unsere Rechtsprechung nach diesem EuGH-Urteil unseren Inten­tionen entspricht. Es war der Spagat notwendig beziehungsweise die Kunst erfor­derlich, einerseits dieses Urteil umzusetzen, andererseits aber auch darauf zu schau­en, dass der fiskalische Ausfall, der dadurch entstanden wäre, nicht zu hoch ist bezie­hungsweise abgesichert wird.

Berechnungen des Finanzministeriums hatten ergeben, dass dadurch etwa 600 Mil­lionen bis 800 Millionen Schilling an Steuergeldern ausgefallen wären, was natürlich nicht im Interesse des Staates sein kann.

Es waren in diese Änderung aber auch einige Dinge eingebaut, die uns nicht gefallen haben, und deshalb ist auch dieses Procedere zustande gekommen, dass der Punkt zweimal vertagt beziehungsweise von der Tagesordnung abgesetzt wurde.


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Ein Punkt war, dass auch das Kommunal-Leasing der Gemeinden betroffen gewesen wäre, was natürlich für viele Gemeinden, die ihre Infrastruktur, Schulen, Kindergärten und so weiter, über Leasing finanzieren, auf der einen Seite zu einer finanziellen Schlechterstellung geführt hätte. Auf der anderen Seite wäre auch, Kollege Auer hat es bereits erwähnt, das Modell des Mietkaufs betroffen gewesen. Das heißt, es wäre zu einer massiven Verschlechterung für die Mieter in so genannten Mietkaufswohnungen gekommen. Das entspricht natürlich nicht dem politischen Willen, der damals, im Jahr 1993, zugrunde gelegen ist, als dieses Modell eingeführt wurde.

Es hat geheißen: Wir wollen einerseits – das ist ÖVP-Politik, ÖAAB-Politik – Eigen­tumsbildung in Arbeitnehmerhand schaffen (Beifall bei der ÖVP), andererseits aber auch Flexibilität durch neue Herausforderungen auf dem Wohnungsmarkt garantieren. Wir schaffen also für junge Menschen die Möglichkeit des Mietkaufs, wo nach zehn Jahren die Wohnung gekauft werden kann.

Betroffen wären davon derzeit 50 000 Wohneinheiten gewesen. Es war also not­wendig, hier die Notbremse zu ziehen, um diese sinnvolle Maßnahme nicht durch die legistische Vorlage zu kippen.

Das, meine Damen und Herren, freut mich als Wohnbausprecher der ÖVP natürlich. Da gratuliere und danke ich auch dem Obmann des Finanzausschusses, dass er den politischen Mut, sage ich jetzt, aufgebracht hat, diesen Punkt wieder von der Tages­ordnung absetzen zu lassen, damit wir das ordentlich diskutieren und eine ent­sprechende Lösung finden konnten.

Ich mache es so wie zuvor Kollege Jakob Auer, ich darf natürlich auch auf die momen­tane politische Situation eingehen. Es folgt nachher wieder eine Dringliche Anfrage, bei der es um Pensionen geht, aber die Österreicher und die Zeitungen – das sehen Sie, wenn Sie sie aufschlagen – interessiert ja etwas anderes: nicht mehr die Pensionen, sondern der Sündenfall der SPÖ in Kärnten, der so genannte Sündenfall. (Abg. Neudeck: Eben! Das ist ja eine Normalität!) Für uns ist es ja keiner, für Sie ist es einer.

Ich darf daher mit folgendem zweifachen Vierzeiler enden, meine Damen und Herren:

Vor vier Jahren waren sie sauer,

Fischer, Cap und Gusenbauer.

Schwarz-Blau, das kann und darf nicht sein,

drum fordern wir Sanktionen ein.

Doch aus ist’s nach der Kärntner Wahl

mit der Genossen Scheinmoral.

Blau-Rot in Kärnten, das ist recht –

nur optisch ist’s ein bisschen schlecht.

(Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

13.49

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Steindl. – Bitte.

 


13.50

Abgeordneter Konrad Steindl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist eigentlich schade, dass die Op­positionsparteien bei dieser Abstimmung mit dem Vorschlag, der aus dem Finanz­ausschuss kommt, nicht mitgehen, weil wir uns doch in vielen Fachgesprächen einig waren. Aber sei es drum. Ich glaube, dass hier letztlich doch ein Weg gefunden wurde, den alle hätten gehen können.


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Vorweg zur Ursache dieser Entscheidung: Der deutsche Unternehmer Wolfgang Seeling hatte ein Gebäude, das seiner Firma zugehörte, auch privat genutzt, und er wollte dafür die gesamte Vorsteuer geltend machen. Der EuGH gab ihm in seinem Ansinnen Recht mit der Begründung, eine private Nutzung könnte nicht mit Vermietung und Verpachtung eines Grundstückes gleichgesetzt werden.

Dieser EuGH-Entscheid vom 8. Mai 2003, in Fachkreisen als Seeling-Urteil bekannt, hat natürlich auch das österreichische Umsatzsteuerrecht stark beeinträchtigt. Würde ein dem Unternehmensbereich zugeordnetes Gebäude teilweise auch privat genutzt werden, könnte bei der Errichtung, einer Großreparatur oder sonstigen Investitionen die Vorsteuer dennoch zu 100 Prozent abgesetzt werden. Auf die Details hat Herr Kollege Matznetter eingehend Bezug genommen, ich möchte das nicht weiter aus­führen.

Auf Grund des EuGH-Urteils wäre es auch in Österreich möglich geworden, bei privaten Gebäudeinvestitionen die Inanspruchnahme der Vorsteuerbeträge geltend zu machen. Andererseits ist aber zu bedenken, welche Synergien eine Vorsteuer­verwen­dung, eine Belebung der Bauwirtschaft für die österreichische Wirtschaft und damit auch für den Staat mit sich bringen könnte. Häuslbauer wären vermehrt zu offiziellen Auftragsvergaben veranlasst, und es wäre vielleicht doch die Schattenwirtschaft damit etwas eingedämmt. Aber es ist auch so, dass jedem verantwortungsbewussten und mitdenkenden Volksvertreter klar sein muss, dass damit eine budgetäre Belastung stattfinden würde, die man hier sicher nicht rechtfertigen könnte.

Es gab hiezu eine Regierungsvorlage, welche nun in modifizierter Form vorliegt, und im Wesentlichen alle Strukturen der Wirtschaft, der Bürger und der Unternehmer berücksichtigt. Somit bleibt es bei den Unternehmensentscheidungen umsatzsteuer­rechtlich beim Status quo, und auch die sehr erfolgreichen und beliebten Mietkauf­modelle der Wohnbaugesellschaften für Eigentumswohnungen können den Bürgern weiterhin angeboten werden.

An dieser Stelle darf ich allen Kollegen und speziell meinem Kollegen Günter Stumm­voll herzlich danken, dass sie sich meiner Bedenken und Sorgen angenommen haben, wodurch wir das Ganze doch noch zu einem guten Ende gebracht haben. (Bravoruf bei der ÖVP sowie Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

13.53

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist hiezu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 436 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist das die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

15. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (381 d.B.): Bun­des­gesetz, mit dem ein Gesetz über die Errichtung der Buchhaltungsagentur des Bundes (Buchhaltungsagenturgesetz – BHAG-G) erlassen sowie das Bundes-


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haus­haltsgesetz und das Bundesfinanzgesetz 2004 (BFG 2004) geändert werden (428 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Debattenredner ist Herr Abgeordneter Dr. Matznetter. Ich erteile ihm das Wort.

 


13.55

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Nach dem etwas komplizierten Kapitel über die Umsetzung des EU-Steuerrechts kommen wir zu etwas Handfesterem, nämlich zur Schaffung einer Bundesbuchhaltungsagentur, sprich der Schaffung einer neuen Zentralbehörde, die die Buchführung des Bundes und aller Dienststellen zentral durchführen soll.

Interessant ist, dass wir von den Regierungsfraktionen immer hören, wie sehr Dezen­tralisierung, Flexibilisierung und Liberalisierung greifen sollen – und dann werden im Gegensatz zu dem, was längst Mainstream in der Frage vernünftiger Strukturen ist, Zentralbehörden geschaffen. – Gratuliere zu solch einer Vorgangsweise!

Man hat dann auch große Probleme, bestimmte Dinge darzustellen, wenn man im Ausschuss Banalitäten abfragt, die vorher geklärt werden sollten, wie zum Beispiel: Was passiert eigentlich bei der Buchführung, werden die Belege dann zentral an einen Ort transportiert? – Es gibt unterschiedliche Aussagen dazu. Einerseits verbleibt die Kassenführung in den einzelnen Dienststellen, andererseits setzen sich dort Menschen unterschiedliche Hüte auf, je nachdem, ob sie dann zur Buchhaltungsagentur gehören oder vielleicht doch weiter in der Verrechnungsstelle sind.

Dann gibt man die Zielsetzung vor, dass ein enger Zusammenhang zur Einhaltung der einzelnen Budgetposten, zur Sparsamkeit der Verwaltung, die wir alle wollen, eine hohe Verantwortlichkeit für die Kosten bestehen soll. Man hat in der Vergangenheit längst Maßnahmen ergriffen; mittels eines zentralen EDV-Systems, wo man um teures Geld Lizenzen angeschafft hat, damit im Rahmen dieser Software dezentral, vor Ort, die zuständigen Fachbeamten und die zuständigen Fachabteilungen der jeweiligen Ministerien selbst verbuchen und das Controlling vornehmen, und jetzt wird eine Aufteilung vorgenommen.

Ganz ehrlich: Als wir dann weitergefragt haben, wie viele Dienstposten eingespart wor­den sind, wurden uns vom Herrn Staatssekretär die Einsparungen vor Schaffung der Agentur vorgerechnet. Und all jene, die im Ausschuss waren, werden sich daran erin­nern, dass – man sieht das, wenn man die Zahl anschaut, die für die Zukunft prognos­tiziert wurde – de facto keine Verbesserung durch die Schaffung der Agentur mehr eintritt. Also nicht einmal das Hauptargument stimmt!

Meine Damen und Herren! Das ist unausgegoren, und viel wichtiger als die Schaffung neuer Agenturen mit neuen Dienstposten, wo neue Leiter bestellt werden, wäre es, die Elektronik auszubauen, E-Government auch im eigenen Bereich zu machen, aber nicht immer neue Agenturen mit neuen Leitungen zu bestellen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.58

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Lentsch. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim – in Richtung ÖVP –: Wie ist das jetzt mit dem Rücktritt in Wien?)

 



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13.58

Abgeordnete Edeltraud Lentsch (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Änderung des vorliegenden Buchhaltungsagenturgesetzes ist leider bisher untergegangen, denn die Oppositions­parteien und natürlich auch die Medien haben sich auf „wichtigere“ Dinge gestürzt, wie beispielsweise auf die Frage, wer die Kinderphotos des Finanzministers veröffentlicht hat, oder aber auch darauf, was eine Homepage kosten darf.

Ich freue mich, dass der Finanzminister genauso wie sein Staatssekretär Finz dennoch am Reformkurs festhält. Diese beide Herren mussten nämlich nicht nur das Bud­getdefizit eindämmen, das ihnen die Vorgänger aus der SPÖ hinterlassen haben. (Abg. Dr. Jarolim: Der Herr Nettig hat das anders gesagt!) Es müssen auch die Finanz­strukturen des Bundes dringend reformiert werden. Das ist ein zentrales Projekt der Verwaltungsreform, und das ist eine Tatsache, die auch Ihnen bewusst sein sollte. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Partik-Pablé.)

Derzeit gibt es 30 Buchhaltungen beim Bund, das haben wir vorhin schon gehört, und das muss reformiert werden, das muss vereinheitlicht werden, sonst wird nicht so leicht jemand den Überblick haben.

Geschätzte Damen und Herren! Schön langsam frage ich mich, was die SPÖ-Finanzminister vor Karl-Heinz Grasser gemacht haben (Abg. Dr. Jarolim: Vernünf­tiges!) – außer Schulden, Schulden und noch einmal Schulden? (Zwischenruf des Abg. Reheis.) Ausgekannt hat sich ja da offenbar niemand.

Vielleicht war das einigen SPÖ-Politikern sehr recht, wenn sich niemand ausgekannt hat beziehungsweise wenn niemand wusste, wie schlecht es um die Staatsfinanzen wirklich steht. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Wir stellten nicht den Finanzminister.

Wenn jetzt jemand hergeht und diesen roten Filz aufrollt, wie eben Karl-Heinz Grasser und sein Staatssekretär, dann tut das einigen Leuten weh; das verstehe ich schon. Was ich aber nicht verstehen kann, geschätzte Damen und Herren, ist, dass die SPÖ meint, dass die Industriellenvereinigung möglicherweise versucht hat, den Finanz­minister in irgendeiner Form zu beeinflussen.

Was hat denn die Gewerkschaft jahrzehntelang mit den SPÖ-Finanzministern ge­macht? – Die Pensionsreform, die Steuerreform, alles ist stecken geblieben, weil die Gewerkschaft die SPÖ-Finanzminister beeinflusst hat, beginnend bei Androsch über Edlinger, Lacina bis hin zu Vranitzky. Ich möchte gar nicht reden von der Partei­werbung, die die Gewerkschaft für Sie gemacht hat. Dieselben Leute stellen sich aber da her und fragen: Darf der Grasser denn das?

Nehmen Sie endlich zur Kenntnis, dass es in dieser Causa nichts mehr zu holen gibt, und seien Sie froh, wenn Ihre Finanzierungen nicht durchleuchtet werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.01

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Kogler. (Ruf bei der SPÖ: Ich glaube, dass Kogler jetzt einiges richtigstellen wird!)

 


14.01

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Leicht fällt es einem tatsächlich nicht, das unkommentiert zu lassen. Frau Kollegin Lentsch, Sie tun das so ab, als ob es sich bei der so ge­nannten Homepagediskussion um Kinderfotos handelte. Sie sehen also kein Problem darin, dass die Republik Österreich einen Finanzminister hat, der die Leute in seiner Umgebung, die von den SteuerzahlerInnen finanziert werden, nämlich sein Kabinett,


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bei der Industrie anstellen lässt, damit sie dort die Hand aufheben und Geld be­kommen, ja dieses Geld auch noch zugesteckt bekommen und dann – wie Sie sagen – Kinderfotos veröffentlichen. Das ist ja gar nicht mehr das Problem, sondern das Problem ist, dass jemand hingeht, die Hand aufhält und ein anderer da ist und das Geld zusteckt. Das Ganze spielt sich im Finanzministerium ab. Da dämmert Ihnen nichts? Also wirklich! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Stummvoll: Sie wollten doch zur Sache reden!) – Das ist leider deshalb zur Sache, Herr Vizeklub­obmann Stummvoll, weil viele Finanzgesetze in Österreich sich dann auch in diesem Lichte so ausnehmen, dass man sich schon, jetzt an Ihrer Stelle, die Frage gefallen lassen muss: Was ist denn da los? (Abg. Dr. Stummvoll: Na geh!)

Was ist das für eine Steueramnestie? Das gibt es nirgendwo anders auf der Welt, dass man sozusagen eine Quote von 40 Prozent jenes Betrages, den man schuldet, zurück­zahlt und 60 Prozent ohne Genierer davongetragen werden können. Das scheint mir hinterfragenswert zu sein. Was ist da eine Amnestie? – Das hat nichts mit Amnestie zu tun! Wenn sich das im Wiederholungsfalle einschleicht, ist das die Vorankündigung dafür, dass in Zukunft überhaupt am besten kaum jemand Steuer bezahlt, in der Hoffnung, dass er in ein paar Jahren nur mehr 40 Prozent von dem zahlt, was er vor­her zu 100 Prozent hätte begleichen sollen. Das ist doch völlig absurd!

Da können Sie gleich inserieren, dass Juwelendiebe künftighin auf der Kärntner Straße nicht mehr mit Verfolgung zu rechnen brauchen, wenn sie beim Stephansdom in die Anonymklappe sozusagen 40 Prozent der Beute hineinlegen. Dann kann am Schwe­denplatz schon die Party gefeiert werden. Das ist doch Ihre Logik! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Jetzt frage ich mich: Kinderfotos? – Nein, sondern ein Finanzminister, der nicht den Trennstrich ziehen kann zwischen dem, wo er die Hand noch aufhalten kann, und dem, wo er sie besser zurückziehen soll. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Das ist das Problem, und mit dem werden wir uns offensichtlich zumindest noch ein paar Monate beschäftigen müssen.

Zum Entwurf zur Errichtung der Buchhaltungsagentur – Kollegin Sburny ist da sehr eingearbeitet, die wird das mindestens so gut machen wie ich – sage ich aus zeit­ökonomischen Gründen nicht mehr so viel.

Um nun vom Finanzminister auf dieses Thema zu kommen: Ist Ihnen aufgefallen, Herr Vizeklubobmann, dass dieses Gesetz dieses Institut der Agentur überhaupt erst einmal erschafft, zumindest rein juristisch? Ist Ihnen weiters aufgefallen, dass dort eine Ge­schäftsführung bestellt werden soll? Das ist ja noch nichts Schlechtes, aber diese Geschäftsführung wurde schon ausgeschrieben und bestellt von einer Institution, die erst heute sozusagen mit dem Abstand der Veröffentlichung dieses hier von Ihnen zu verabschiedenden Gesetzes das Licht der Welt erblickt. Fällt Ihnen da nichts auf? Dämmert Ihnen da nichts?

Mir kommt das komisch vor. Es mag rationale Gründe geben, warum die Geschäfts­führer rechtzeitig beim Umstrukturierungsprozess dabei sein sollen, aber eine recht­liche Konstruktion dergestalt, dass schon Geschäftsführer bestellt werden – wo man nie sicher sein kann, wie angetüncht und eingefärbt die sind –, nur damit sie rechtzeitig vorhanden sind, damit ja alles wieder wunderbar zusammenpasst, erscheint mir schon etwas eigenartig. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Das Problem bei diesem Finanzminister ist auch, dass Leute ... (Zwischenruf des Abg. Brosz.) – Leider kann man vielleicht sogar schon von sicheren Prognosen ausgehen. Ich erinnere an den Fall, in dem etwa in einer bestimmten ausgegliederten Institution – und um eine solche geht es auch in diesem Fall wieder – in einem offenen Aus­schrei­beverfahren genau der Bewerber, der es später geworden ist, dem Finanzminister


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einen Brief schreibt, weinerlich, gerührt: Wir sind alle eine Familie, ich bin so beglückt, dass ich mit dir, Herr Finanzminister, diesen und jenen Teil des Weges gehen durfte. – Das ist ein fast wörtliches Zitat. (Abg. Dr. Stummvoll: Wer war das?) Er ist so froh, dass er im Kabinett oder in der Umgebung sein durfte. Jetzt dieser Schritt, jetzt werde ich noch mehr. Ich bedanke mich. – Da ist das Ausschreibeverfahren noch gelaufen. Das sind doch die Zustände in dieser Republik! Das hätte neu Regieren werden sollen? Das haben Sie mit den Roten allemal noch besser zusammengebracht. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Karl-Heinz Grasser ist also doch ein Problem, und deshalb ist das mit der Buchhal­tungsagentur und den Vorkommnissen rund um die Institutionalisierung auch ein Problem, weil es nämlich die behaupteten Einsparungen gar nicht in dieser Form ge­ben kann, wie der Entwurf das dem Haus weismachen will, wenn in den Vorblättern und Erläuterungen entsprechende Einsparungen behauptet werden, weil die nämlich bis jetzt schon erfolgt sind. Die Rechnung hat ergeben, das ist schon passiert, und offensichtlich ohne diese Agentur zu etablieren. Das, was noch kommen soll, ist ein Minimum davon.

Nicht dass ich mich gegen die Einsicht verwehre, dass man manches zentralisieren könnte, aber man muss schon schauen, welche Fässer man gleichzeitig auf der an­deren Seite aufmacht, um das Ganze möglicherweise besonders ineffizient geraten zu lassen. Denn diese Gefahr droht.

Ich darf Ihnen das Schreiben des Rechnungshofes genau in dieser Causa zur Kenntnis bringen und das, was er zum Entwurf dieses in gleicher Form vorliegenden Bun­desgesetzes sagt. Der Rechnungshof bezieht sich auf die – ich nehme nur diesen einen Punkt heraus – an sich ja laufende, aber jedenfalls damit nicht zwingend in Zu­sam­menhang stehende Einführung des elektronischen Aktes. Jetzt sagt aber der Rechnungshof: Wenn diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, dann geht diese Sache relativ schnell baden, was die Effizienz betrifft.

Das Problem ist, dass der ELAK noch nicht so funktioniert, wie es sein soll. Der Rechnungshof sagt jetzt schon: Wenn nicht noch dieses und jenes passiert, haben wir uns jetzt schon darauf einzustellen, dass das hier vorliegende Gesetz relativ rasch novelliert werden muss. – Das ist auch nicht wirklich verheißungsvoll.

Noch ein Letztes, etwas, was wunderbar zum Herrn Finanzminister passt, finde ich. Wir haben hier einen Aufsichtsrat, der unserer Meinung nach zu groß geraten ist. Da sollen offensichtlich wieder Leute aus dem Ministerium, vielleicht aus dem Kabinett hingeschickt werden. Man wird sich mit diversen Diäten eindecken können, und dann wird, wenn Sie nicht rechtzeitig darauf schauen, wieder genau das passieren, was im nächsten Tagesordnungspunkt vom Rechnungshof vernichtend kritisiert wird: die Pos­tenwirtschaft in dieser Republik! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.09

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte.

 


14.09

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Herr Präsident, ich finde Ihre Groß­zügigkeit sehr ausgeprägt, die Sie heute walten lassen. (Abg. Dr. Jarolim: Ich habe eine Rüge bekommen!) Ich nehme an, das gilt natürlich auch für die folgenden Redner, denn das Replizieren des Kollegen Kogler hat sich auf seine offensichtliche KHG-Pho­bie, die er hat, beschränkt, indem er zwar über die Homepage des Finanzministers ge­sprochen hat, aber nur in einigen wenigen Sätzen zum Schluss dann zum eigentlichen


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Thema, nämlich zur Zusammenfassung der Buchhaltung, die als Verwaltungsreform ein durchaus wichtiger und wesentlicher Schritt ist.

Die Einsparungen sind hier hauptsächlich im Personalbereich zu sehen. Die Zahl der Beschäftigten, die ursprünglich 1 100 gewesen ist, soll dann 650 betragen (Abg. Sburny: Sind jetzt schon nur mehr 800!), wobei die Einsparung mit rund 16,6 Mil­lionen € zu beziffern ist. Ein Teil ist schon eingespart, das ist schon richtig, es werden auch Vorbereitungen getroffen.

Zu dem, was Kollege Kogler hinsichtlich einer Anmerkung des Rechnungshofes festgestellt hat: Einerseits verurteilt er, dass Vorbereitungen getroffen werden, weist aber dann darauf hin, dass der Rechnungshof für den Fall, dass keine Vorbereitungen getroffen werden, die Gefahr sieht, dass eine Novelle erforderlich wird.

Man sollte immer das, was man eben braucht und von dem man glaubt, dass es gerade ankommt, anführen. Nach diesem Motto scheint zumindest Kollege Kogler hier seine Reden zu halten.

Ich darf auch noch zum Zentralismus, den Kollege Matznetter angesprochen hat, et­was sagen. Er wollte wissen, ob die Belege dann gesammelt zur Zentralbuchhaltung geschickt werden. Tatsache ist, dass eine zentrale Buchhaltung, eine ausgegliederte Buchhaltung im Outsourcing-Bereich in Österreich insgesamt eine wesentliche Stellung einnimmt. Immerhin sind es 16,5 Prozent der gesamten Betriebsabläufe, die dieses Outsourcing im Bereich der Buchhaltung betreiben. Namhafte Unternehmungen sind ebenfalls für eine zentrale Buchhaltung, wie beispielsweise adidas, das künftig die Buchhaltung von der deutschen Mutter übernehmen lässt. Ich will gar nicht von jenen namhaften österreichischen Unternehmungen sprechen, die ihre Buchhaltung sogar ins Ausland verlagern und dort durchführen lassen.

IBM-Sprecher Jörg Haberl sagt, dass sich beispielsweise zur Auslagerung besonders die Buchhaltung eignet. Oder nehmen Sie Infinion: Der Arbeiterkammerpräsident und Infinion-Betriebsratsobmann warnt davor, dass sich andere von außen gleichsam in die Konzernstrategie einmischen. Die Buchhaltung wird beispielsweise in Portugal durch­geführt. Auch Siemens spricht von einem Zentralisieren der Buchhaltung und Ähn­lichem mehr.

Ich denke, es ist ein wesentlicher und wichtiger Verwaltungsreformschritt, der mit die­ser Agentur und mit der Umsetzung der Ausgliederung dieser Agentur gesetzt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.13

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Finz. – Bitte.

 


14.13

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Die Einrichtung einer Buchhaltungsagentur – übrigens nicht als zentrale Einrichtung, sondern eine Stelle in Wien mit drei Außenstellen verteilt auf die Regionen in Österreich – ist derzeit das größte Verwaltungsreformvorhaben. Warum? – Die Ressortgliederung hat sich in diesem Bereich als äußerst nachteilig erwiesen. Es werden nämlich derzeit gleichartige Aufgaben – die Belegsverarbeitung im Landesverteidigungsministerium oder Bildungsministerium oder im Innen­minis­te­rium ist eine völlig gleichartige Aufgabe – nach dem Ressortprinzip in 32 Buchhal­tungen vollzogen. Dabei ergibt sich das Problem, dass man auf Grund der Haushalts­vorschriften nicht die optimale Betriebsgröße einhalten kann, weil zur Einhaltung der Unvereinbarkeitsbestimmungen mindestens sieben Personen erforderlich sind, egal, ob ich es nach dem quantitativen Aufkommen auch tatsächlich benötige.


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Daher haben wir, diesen Nachteil jahrelang vor Augen habend, gesagt: Wenn wir jetzt ein modernes automatisiertes Rechnungswesen haben, mit einer letztgültigen und wirklich modernen Software, nämlich mit dem Produkt SAP in Verbindung mit dem ELAK, also dem elektronischen Akt, der übrigens ab Herbst dieser Buchhaltungs­agentur zur Verfügung stehen wird, sodass keine Belege mehr übermittelt werden müs­sen – also, Herr Abgeordneter Matznetter, er ist leider nicht da, es müssen keine Belege mehr versendet werden, sie bleiben in den Ressorts, es ist praktisch ein voll automatisiertes Verfahren ohne schriftliche Belege –, ist das eindeutig von Vorteil.

Wir gehen bei der Bemessung bewusst vom Jahre 2001 aus. Damals hatten wir noch über 1 000 Bedienste, verteilt auf die verschiedensten Buchhaltungen, Universitäten, nicht eingerechnet, die zwar formal damals noch dazugehört haben, sonst wären es überhaupt 1 500 Bedienstete. Wir haben bewusst nicht mehr nachbesetzt, weil wir gewusst haben, wir richten eine Buchhaltungsagentur ein. Wir wollten nicht den Blödsinn machen, noch Personal aufzunehmen, wenn wir das Ziel haben, dass am Ende, nämlich bis zum Jahr 2010, nur mehr die Hälfte der Bediensteten eingesetzt werden soll.

Wieso hat dann der Buchhaltungsbetrieb trotzdem funktioniert? – Wir haben uns nur mehr auf das Kerngeschäft der Buchhaltung, auf die eigentliche Buchhaltungsführung und die Kontrolle konzentriert und haben so genannte administrative Hilfsdienste, die eine Buchhaltung machen kann, aber nicht machen muss – zum Beispiel kann sie Ausschreibungsunterlagen durchrechnen oder Statistiken für irgendwelche regionale Gegebenheiten aufstellen –, auf das notwendigste Ausmaß zurückgestellt. Dadurch ist es möglich gewesen, in der derzeit bestehenden Organisation mit weniger Personal auszukommen. Aber jetzt ist die Grenze erreicht.

Wir gehen mit 685 Bediensteten in die Buchhaltungsagentur hinein und werden im Endausbau – das wird bis zum Jahr 2007/2008 sein – nur mehr 500 Bedienstete haben. Allein die Ersparnis zwischen 2004 und 2006 wird 31 Millionen € betragen. Zeigen Sie mir, bitte, ein Projekt, wo Sie so ohne weiteres 31 Millionen € einsparen. Ich glaube, diese Zahlen lassen sich sehen, ich kann sie auch im Detail belegen.

Es werden also, Herr Abgeordneter Matznetter, keine Belege wandern, es wird keine übergroße zentrale Behörde, denn diese zukünftigen 500 Bediensteten werden auf ganz Österreich aufgeteilt, es wird ein reines Fernbuchungsverfahren sein. Die Buchhaltungsagentur wird die eigentlichen Zwecke einer Buchhaltung erfüllen, nämlich die Kontrolle der Einhaltung der Haushaltsvorschriften. Es werden in Zukunft mit einer modernen Software die Zahlungsverpflichtungen zum richtigen Zeitpunkt ausgelöst werden. Wir haben heute das Problem, dass der Bund entweder zu früh oder zu spät zahlt. Zu früh heißt, es tritt ein Zinsenverlust ein. Wenn er zu spät zahlt, kann er keine Skonti ausnützen.

Was die Bestellung der Geschäftsführung betrifft, möchte ich noch festhalten: Es ist bis heute noch kein Geschäftsführer bestellt, es ist nur auf Grund einer Auswahl eine Geschäftsführerin vorgesehen, aber weil wir noch nicht die gesetzliche Grundlage haben, haben wir mit der Vertragsunterzeichnung zugewartet.

Im Übrigen hat die Evaluierung von Ausgliederungen ergeben, dass man bereits im Vorbereitungsstadium Personal oder zukünftige Geschäftsführer auswählen soll, weil sie ja bei der Organisation, bei der Einrichtung der Buchhaltungsagentur, bei den organisatorischen, baulichen Maßnahmen und dergleichen, bei der Auswahl, welche Funktionäre zu bestellen sind, mitarbeiten sollen. Das Bundesministeriengesetz hat für diesen Zweck auch die planende Verwaltung institutionalisiert; das ist rechtlich auch möglich. Wenn man das Legalitätsprinzip so streng auslegen würde, wie Sie es heute getan haben, Herr Abgeordneter Kogler, dann könnten wir in Zukunft ja nicht einmal


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einen Gesetzentwurf für irgendeine Materie ausarbeiten, weil das nicht dem Legalitäts­prinzip entspricht.

Wir beraten deshalb auch besonders im Konventsausschuss 6 eine weitere Auflocke­rung des Legalitätsprinzips, weil auch für die Verwaltung heute die Flexibilität, das rasche Umstellen auf neue Gegebenheiten, ein wichtiger Punkt, ein wichtiges Anliegen ist. Wir können nicht mit einer Verwaltung des 19. Jahrhunderts die Aufgaben des 21. Jahrhunderts erfüllen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Stellungnahme des Rechnungshofes möchte ich nur darauf hinweisen, dass der Rechnungshof in dieses Projekt aufs engste eingebunden war, weil gemäß § 6 des Rechnungshofgesetzes die Ordnung des Rechnungswesens dem Finanzministerium gemeinsam mit dem Rechnungshof obliegt. Hätte der Rechnungshof nein gesagt, hätten wir nicht dieses Buchhaltungsagenturgesetz schaffen können.

Wir haben daher zu diesem Gesetz die ausdrückliche Zustimmung vom Rechnungshof erhalten. Und Sie können ja heute – ich habe heute noch Gelegenheit, mit Herrn Prä­sidenten Fiedler hier auf der Regierungsbank zu sitzen – diese Zustimmung einholen.

Das §-6-Verfahren ist ein eigenes Verfahren zum Begutachtungsverfahren. Da ist es ja nur um die Sorge gegangen, ob der ELAK rechtzeitig kommt – und ich versichere Ihnen, dass der ELAK rechtzeitig kommt. Die formelle Zustimmung gemäß § 6 Rech­nungshofgesetz haben wir erhalten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

14.21

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeord­neter Dr. Bauer zu Wort. – Bitte.

 


14.21

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Der Herr Staatssekretär hat ausgeführt, dass hier die Einsparungspotentiale genau geprüft und auch besprochen wurden. Ich sehe Ein­sparungsmöglichkeiten grundsätzlich positiv, und wenn die Einsparungseffekte wirklich nachgewiesen sind, kann man sich dem nähern. Aber in Wirklichkeit liegen sie hier nicht in der Form vor, wie der Herr Staatssekretär das darzustellen versucht.

Zum Zweiten meine ich, dass es notwendig ist, allen Mitarbeitern in den Ressorts beziehungsweise in der neuen Agentur entsprechende Sozialpläne zu geben, damit es nicht zu Kündigungen kommt. Es steht ja immer die Personaleinsparung im Vorder­grund, die zum Teil schon erfolgt ist, aber man muss sich auch darüber Gedanken machen, was mit den Betroffenen geschieht.

Ich glaube – nächster Punkt –, dass die Agentur nur jene Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter übernehmen soll, die sie für unbedingt notwendig erachtet. Das ist meiner Meinung nach eine wichtige Forderung, damit keine Vorbelastung entsteht.

Einsparungen zu erreichen ist nur möglich, wenn eine tatsächlich effiziente Struktur geschaffen wird und vor allem, wenn für die künftigen Benützer, die Ministerien, kostengünstig gearbeitet wird.

Dazu ergeben sich für mich einige Fragen: Gibt es diese Gesamtkalkulation, Herr Staatssekretär, von der Sie gesprochen haben, zum Beispiel, wie viele Buchungszeilen pro Jahr anfallen und zu welchem Preis diese Buchungszeilen verrechnet werden? Wie hoch sind die Zahlungen, die jedes Ressort leisten muss? Wie stellt sich die Summe im Vergleich zum derzeitigen Aufwand dar? Ich halte das für einen sehr wichtigen Ver­gleich, der nicht geliefert wurde. Wir haben nämlich auch schon in der Vergangenheit gesehen, dass eine Ausgliederung nicht mit einer automatischen Einsparung verbun-


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den ist, sondern durchaus auch Kostenerhöhungen eingetreten sind. Und diese Ver­gleiche sind Sie uns alle schuldig geblieben.

Was die künftige Führung angeht, finde ich es schon eigenartig, wenn man sagt: „noch nicht ausgeschrieben“ oder „bereits bestellt“, „alles im Unklaren“, die Differenz sei ja gering. Ich neige dem zu, dass praktisch schon ausgeschrieben ist; das kann ich aber jetzt nicht so genau beurteilen und daher vor allem nicht akzeptieren.

Ich möchte auch noch hinzufügen, dass es nicht genügt, das Bundeshaushaltsgesetz zu verändern, was im Entwurf vorliegt, sondern es muss auch die Bundes­haushalts­verordnung geändert werden, und diesbezüglich liegt zum Beispiel überhaupt keine Information vor.

Es wurde mit einem großen Werk begonnen, aber es wurde dem Parlament nicht mit den erforderlichen Grundlagen vorgelegt. Daher kann meine Fraktion hier nicht zustim­men.

Ich fordere daher eine Evaluierung nach kurzer Zeit und eine klare Verantwortung, wenn die Reform letztlich nicht jene Erfolge bringt, die angekündigt wurden. Ich habe vielfach die Erfahrung gemacht, dass zwar schon oft große Ankündigungen in Bezug auf Einsparungen gemacht wurden, aber wenn man dann die Ergebnisse betrachtet, muss man viele Veränderungen eher als Misserfolg einstufen.

Ich hoffe, dass das nachgeliefert wird, und ich hoffe auch, dass die Reform, die an sich positiv zu bewerten ist, ein entsprechender Erfolg wird. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.25

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kurzbauer. – Bitte.

 


14.25

Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Damen und Herren! Seit Bestehen der Bundesregierung Schüs­sel I im Jahre 2000 wurde eine Vielzahl von Reformen umgesetzt. Ich denke, dass gerade diese Reformen für unsere Zukunft besonders wichtig sind.

Ich möchte hier drei Beispiele nennen: erstens die Budgetkonsolidierung. Es ist gelun­gen, einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, über den Konjunkturzyklus oder bei­spielsweise die Pensionssicherungsreform, die letztlich die Voraussetzung dafür ist, dass unsere Pensionen in Zukunft gesichert sind. Oder der große Wurf der Steuer­reform, mit der insgesamt 3 Milliarden € bewegt werden: Dadurch wird einerseits der Wirtschaftsstandort Österreich sehr attraktiv gestaltet, besonders im Lichte der EU-Erweiterung, andererseits ist es eine Entlastung unserer Steuerzahler.

Geschätzte Damen und Herren! Im Zuge der Budgetkonsolidierung ist es in den letzten Jahren gelungen, die Ausgaben des Bundes im Verwaltungsbereich erfreulicherweise zu reduzieren. Ein weiterer Schritt einer nachhaltigen Verwaltungsreform ist die Ein­führung eben dieser neuen Buchhaltungsagentur. Mit diesem Projekt werden die bis dato – wir haben es gerade von Herrn Staatssekretär Finz vernommen – zirka 32 ein­zelnen Buchhaltungen zu einer völligen Neuorganisation des Rechnungswesen zusam­mengefasst.

Ich denke, gerade diese Neuorganisation eines einheitlichen Rechnungswesens, wel­che in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts geführt wird, bringt viele Vorteile. Personalverrechnung, Rechnungswesen, Controlling, Marketing, Personalma­na­ge­ment, all das wird in einer gemeinsamen Stelle „gehandlet“, und es gibt


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selbstverständlich Synergieeffekte und, so haben wir heute auch gehört, Einspa­rungspotenziale bis ungefähr 30 Millionen € bis zum Jahr 2006.

Es ist das also eine transparente und nachhaltige Leistungsverrechnung, aber vor allem geht es um Kostentransparenz.

Zusammenfassend, geschätzte Damen und Herren, möchte ich feststellen, dass durch diese Buchhaltungsagentur schlanke Verwaltungsstrukturen geschaffen werden. Es ist dies ein weiterer wichtiger Schritt hin zu einer zeitgemäßen Verwaltungsreform, zu einem modernen Rechnungswesen.

Wir werden diesem Gesetz selbstverständlich gerne die Zustimmung geben, und es tut uns Leid, dass die Oppositionsparteien diesem modernen Gesetz nicht die Zustim­mung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.29

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Sburny. – Bitte.

 


14.29

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir werden diesem Gesetz tatsächlich nicht zustimmen. Kollege Kogler hat es schon angesprochen: Wir haben mehrere Probleme damit, die unter anderem auch der Rechnungshof aufgreift.

Der Rechnungshof beschäftigt sich seit Jahren mit den Ausgliederungen der Republik. Er tut das zum Beispiel auch in seinem Bericht im Jahr 2002 zum Thema Aus­gliederung von Staatsaufgaben, Voraussetzungen, Grenzen und Nutzen.

Dort wird festgestellt – und ich denke, das ist der wesentliche Punkt –, die einzige und sozusagen letzte Möglichkeit des Parlaments, da etwas zu beeinflussen, ist der Zeit­punkt, wenn das Gesetz errichtet wird. Das ist heute. Und ein zentrales Problem dieser Ausgliederungen ist somit die Frage der parlamentarischen Kontrolle. Es gibt eine einzige Möglichkeit, hier noch einzuschreiten: bei der Errichtung des Gesetzes. Dann ist die Einflussnahme des Parlaments praktisch weg. Es gibt keine Möglichkeiten mehr. Es wird die Finanzschuld dieser Agentur im Rechnungsabschluss nicht mehr aus­gewiesen. Die Aufnahme von Mitteln muss nicht mehr vom Parlament genehmigt wer­den – der Bund trägt allerdings ein Ausfallsrisiko –, und auch der Stellenplan ist nicht mehr wirklich aussagekräftig in diesem Bereich.

Das heißt, wir tun gut daran, wenn wir uns bei der Errichtung dieser Agentur genau anschauen, was wir hier eigentlich beschließen, denn später sind die Möglichkeiten zur Einflussnahme beschränkt, um nicht zu sagen: nicht mehr vorhanden.

Was bieten sich für Punkte an aus dem, was uns in diesem Gesetzesentwurf vorliegt, die genauer angeschaut werden müssten?

Ein wesentlicher Punkt – er wurde schon angesprochen – ist die Frage: Wie wird die­ser elektronische Akt überhaupt funktionieren? Der Rechnungshof hat kritisiert, dass noch nicht klar ist, ob dieser elektronische Akt wirklich durchsetzbar ist. Und man muss sich vorstellen: Der Rechnungshof sagt in seinem Bericht, man soll am besten gleich eine Novelle des Gesetzes in Betracht ziehen, denn wenn das nicht funktioniert, muss man den Bundesstellen die Möglichkeit geben, die Agentur nicht zu verwenden, son­dern die Buchhaltung auch woanders machen zu lassen!

Also bitte, man gründet jetzt eine Agentur, die die Buchhaltung für alle Stellen machen soll, aber der Rechnungshof sagt gleich: Wenn das nicht funktioniert, sollen die diver­sen Dienststellen auch etwas anderes verwenden können. Das heißt, das Vertrauen des Rechnungshofes in diese Agentur scheint nicht wirklich groß zu sein.


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Der zweite Punkt ist die Frage der Wirtschaftlichkeit. Ich würde das nicht so vom Tisch wischen, wie das Herr Staatssekretär Finz gemacht hat. Der Rechnungshof sagt ja klipp und klar, die Wirtschaftlichkeitsrechnung, bei der auch der Aufwand für die Ver­sendung der Belege nicht berücksichtigt wurde, scheint zu optimistisch zu sein. – Also der Rechnungshof geht sehr wohl davon aus, dass die Versendung der Belege not­wendig sein wird, zumindest so lange, als es den elektronischen Akt nicht gibt, und auf diesen Zeitraum bezieht sich ja alles, was hier vorliegt, auch an Einsparungs­maß­nahmen.

Damit komme ich zum dritten Punkt, und das ist das so genannte Personalpaket. Große Einsparungen sollen ja im Bereich des Personals stattfinden, und ich finde es schon fast nett, wenn Sie, Herr Staatssekretär, da sagen: Wir haben ja eh schon so viel abgebaut! Sie können doch nicht einerseits sagen: Ein Ziel der Agentur ist der Abbau des Personals, weil wir dann viel effizienter sind!, und andererseits: Eigentlich haben wir es schon geschafft! 90 Prozent des Personalabbaus schaffen Sie, bis die Agentur 2005 überhaupt in Kraft tritt.

Und das bringt mich zu einem Punkt auch wieder aus einem Rechnungshofbericht, wo bei einem inhaltlich vergleichbaren Fall, nämlich der Ausgliederung der Daten­ver­arbeitung aus dem Bundesrechenamt, seitens des Rechnungshofes auch gesagt wur­de: Eigentlich ist einiges von den Zielen erreicht worden, die angegeben wurden. Allerdings stellt er fest, dass die verwirklichten Ziele auch ohne Ausgliederung und die damit verbundenen Nachteile erreicht worden wären.

Also wozu die Ausgliederung? Sie selber sagen, die Personalangelegenheit ist eigent­lich schon gegessen, den elektronischen Akt könnten wir sowieso einführen, und nicht nur für die Agentur. Das würde eine Verwaltungsvereinfachung bringen. Und Sie wür­den sich die gesamten Kosten ersparen, einschließlich der Ausschreibung für die Ge­schäftsführung. Es geht ja nicht darum, dass das jetzt schon geplant ist. Das erscheint mir einigermaßen logisch. Sie haben aber in Ihrer Aufstellung der Projekterrichtungs­kosten 41 000 € für die Ausschreibung, für die Beratung für die Ausschreibung drinnen, obwohl Sie jetzt schon wissen, wer es sein soll. Und das ist zu kritisieren!

Das heißt, aus unserer Sicht sind die Vorteile nicht ersichtlich, die Kosten sind einigermaßen hoch, und wir werden aus diesem Grund diesem Gesetz natürlich nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

14.34

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Maier. – Bitte.

 


14.34

Abgeordneter Dr. Ferdinand Maier (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ganz interessant, die Argumente der Red­ner der Opposition zu verfolgen. Da gibt es ganz drollige Argumente. Herrn Mag. Kogler beispielsweise ist es nicht recht, dass bei der Gründung einer derartigen Organisation die Geschäftsführung schon bekannt ist. Er hätte lieber, dass man zuerst einmal die Organisation gründet und irgendwann einmal vielleicht eine Geschäfts­führung sucht. Würde man das machen, würde er sicherlich kritisieren, dass man die Geschäftsführung viel zu spät sucht.

In diesem Sinne, glaube ich, muss man ihm ja gratulieren, dass er selbst noch nicht auf die Idee gekommen ist, ein Unternehmen zu gründen. Das ist eine Art Selbstschutz für diesen Herrn. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Und dann kam da dieses drollige Argument vom Herrn Matznetter, der in diesem Zusammenhang von einer Zentralbehörde spricht, ohne zu sehen – und der Herr


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Staatssekretär hat das ja auch, glaube ich, richtigerweise ausgeführt –, dass es ja noch in anderen Regionen zu Außenstellen kommen soll, wie etwa in Graz, Linz und Innsbruck. Die Frage ist: Will man eine Effizienzsteigerung? (Abg. Sburny: Ja!) Eben! Dann müssten Sie ja dafür sein, Frau Kollegin. Oder will man das, was der Kollege Matznetter auf Grund seiner zentralistischen Ideologie meint, eher verschleiern? Der will das nicht, diese Vorgangsweise, dass endlich effizient wird, transparent wird, kos­tengünstiger wird und auch im Sinne der modernen Büroorganisation endlich ein papierloses Büro verwirklicht wird. Der redet nur von den Akten!

Es ist im Übrigen erstaunlich – jetzt schreiben wir 2004! –, dass wir erst heute über­haupt so weit kommen, eine derartige Agentur zu beschließen. Das gehört ja einmal nachdenklich analysiert. Das sollte es an sich ja schon lange geben. Dass es das aber wenigstens ab heute gibt, dafür sind wir, und daher stimmen wir auch diesem Akt zu. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.36

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte.

 


14.36

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Am 17. Juni 2003 hat der Ministerrat be­schlos­sen, dass eine Buchhaltungsagentur sozusagen aufgebaut werden soll. Neun Monate später haben wir eine Regierungsvorlage, aber diese lässt viele Fragen offen, schwie­rige und sehr differenzierte Fragen, die eigentlich bei einer so langen Vorlaufzeit, bis nämlich das Gesetz jetzt tatsächlich beschlossen wird, längst hätten beseitigt werden können.

Stellungnahmen ist zu entnehmen, dass bei dieser Agentur der Finanzminister eine sehr starke Stellung hat. Der Finanzminister hat sozusagen den direkten Durchgriff. Es gibt aber einen Aufsichtsrat, der auch verantwortlich ist. Wer schafft denn nun wirklich an? Das ist nicht geklärt und ist in den Stellungnahmen sehr oft und sehr kritisch an­gemerkt.

Ein Zweites, weil der Kollege vorhin gesagt hat: kostengünstig. Es wird ja eine neue, eine, zumindest in Wien, völlig neue Agentur aufgebaut. Und es sind in der Regie­rungsvorlage auch die Miet- und Raumkosten von Juli 2004 bis Dezember 2004 aufgelistet: 540 000 €, sprich: 7 560 000 S in der alten Währung! Dagegen steht – und das ist auch in den Stellungnahmen zu finden –, dass es in den Ministerien leere Räumlichkeiten gibt, und dass die Ressorts künftig bei der Agentur für die Leistung, die die Agentur für die einzelnen Ressorts bringt, für jeden Strich bezahlen müssen. Wo ist denn bitte da – und das wird auch bekrittelt – die Effizienz und die Kosten­güns­tigkeit? – Die lässt sich nicht herauslesen!

Es ist zudem eine Aufgabenverlagerung – das ist schon einige Male angesprochen worden und darf nicht übersehen werden – von der derzeitigen Buchhaltung zu den Ressorts hin, wobei Personal abgebaut wird, aber in den Ressorts muss die Arbeit mit aufgenommen werden.

Ich möchte auch noch das System SAP ansprechen, das da eingeführt werden soll. Es steht nicht drinnen, was das kostet. Wenn ich heute eine völlig neue Agentur aufbaue und nicht weiß – nicht einmal in der Schätzung; so steht es auch in den Stellung­nahmen: nicht einmal in der Schätzung –, was das kostet – bitte, wo ist dann da die Kostengünstigkeit, wo ist die Seriosität? Das bekritteln wir sehr stark.

Es ist noch dazu nicht klar – so heißt es zumindest in der Stellungnahme der Minis­terien –, dass die Ministerien ab 2004 zwar Personal bereitstellen müssen, mit 2005


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sozusagen Personal abgeben, aber die Leistung, die das Personal der einzelnen Ressorts erbringt, und wer die Kosten nach 2004 trägt, das ist auch nicht fest­geschrie­ben. – Daher können wir auch nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.40

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Machne. – Bitte.

 


14.40

Abgeordnete Helga Machne (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Natürlich ist die Einrichtung einer Buchhaltungsagentur der richtige Weg zu einer Verwaltungsreform, mit der die Bundesregierung ja schon begonnen hat. Wie wir vom Herrn Staatssekretär gehört haben, ist es das Ziel, von 1991 bis 2006 immerhin die Hälfte aller Dienststellen einzusparen. Das macht natürlich einen sehr hohen Betrag aus, wenn ich bedenke, dass ... (Abg. Sburny: Ist ja schon fast fertig!) – Nein, es ist noch nicht fertig, das haben wir ganz genau gehört. (Abg. Sburny: Fast, 90 Prozent!)

Es ist doch selbstverständlich, dass man heute die elektronischen Möglichkeiten nützt. Das tun doch alle Firmen auf dieser Erde! (Abg. Sburny: Das könnte das Ministerium auch machen!) Es ist doch selbstverständlich, dass der Bund das auch macht, und es ist nicht richtig, dass das zentralisiert wird. Es gibt auch eine Außenstelle in Innsbruck, in Graz und in Linz. Es ist, glaube ich, auch im Sinne der Überwachung und der Kontrolle eine sehr gute Maßnahme.

Ich kann nur sagen: Weiter auf diesem Weg zur Verwaltungsreform! Einsparungen sind notwendig. Ziel der Bundesregierung ist eine schlanke und effiziente Verwaltung, und ich glaube, das ist mit dieser Buchhaltungsagentur auch zu einem kleinen Teil erreich­bar. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.41

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 428 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Es ist dies die Mehrheit.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Gesetz­entwurf ist somit auch in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

16. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Wahrnehmungsbericht (III-42 d.B.) des Rechnungshofes über Teilgebiete der Gebarung des Bundes (416 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tages­ordnung.

Erster Debattenredner ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. Die Uhr ist wunschgemäß auf 4 Minuten eingestellt. – Bitte.

 



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14.43

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass der Herr Präsident des Rech­nungshofes in wenigen Augenblicken zu uns stoßen wird, und möchte vorweg ein paar allgemeine Betrachtungen anstellen.

Eine zentrale Aufgabe der Abgeordneten ist es, die Regierenden zu kontrollieren. Und da versagen Sie von der FPÖ und von der ÖVP völlig. Sie wollen nichts sehen, Sie wollen nichts hören, Sie wollen nichts sagen, Sie wollen verdrängen, Sie wollen ver­tuschen und verheimlichen. Das ist Ihre Politik! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bringe Ihnen gleich Beispiele dafür, einmal die FPÖ, einmal die ÖVP betreffend. Da ist zum Beispiel der Fall Forstinger, da sind die abenteuerlichen Vorgänge im Ministerbüro. Sie haben seinerzeit jede Ladung der Frau Ministerin Forstinger abge­lehnt, und heute lehnen Sie die Ladung wieder ab mit dem Argument, das sei ja eine Ex-Ministerin. Ja, meine Damen und Herren, das hindert Sie aber nicht, die Frau Hostasch oder den Herrn Hums zu laden, gerade wie es Ihnen in den politischen Kram passt. Also eine unglaubliche Vorgangsweise.

Was die ÖVP betrifft: In dem „kleinen Untersuchungsausschuss“, der sich mit der Landwirtschaft beschäftigt und die Förderungen, Milchkontingente und all diese Dinge durchleuchtet, haben Sie, Herr Grillitsch, doch tatsächlich abgelehnt, dass uns Herr Kommissar Fischler Auskunft gibt. (Abg. Grillitsch: Worum geht es denn dabei? Erklären Sie das! Sie kennen sich ja überhaupt nicht aus!) Ja, ich verstehe schon, dass Sie sich da sehr aufregen.

Ich lese Ihnen da etwas vor vom 17. März zur Landwirtschaft: Österreichs Milch­wirtschaft zittert vor der EU-Erweiterung. – Ja, warum soll man da nicht den Herrn Kom­missar einladen und ihn dazu befragen? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Grillitsch.) – Herr Grillitsch, wenn Ihre Kollegen aus Niederösterreich die Protokolle studiert haben, dann sind Sie wahrscheinlich ohnehin Bauernbundpräsident gewesen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kurz etwas Positives, was die Kontroll­situation betrifft: Es ist gelungen, Kanzler Schüssel zu zwingen, dass es keinen Rech­nungshofpräsidenten Alfred Finz geben wird. Das ist, glaube ich, positiv. Aber, Herr Kollege Großruck, damit ist der Weg nicht frei, irgendeinen anderen Minister oder Regierungskollegen von Ihnen weißzuwaschen. Sie freuen sich aber, glaube ich, so wie ich, dass diese Sache einmal beendet ist und sich die österreichische Öffentlichkeit von der Vorstellung, dass der nächste Rechnungshofpräsident Alfred Finz heißen wird, verabschieden kann. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit Bestellung und Abberufung von Vorständen und Aufsichtsräten in staatsnahen Unternehmen zum größten Skandal in der Geschichte des Landes Steiermark, zur EStAG. Ich möchte Sie, Herr Präsident Fiedler, fragen: Sind die Kapazitäten vorhanden, ist ausreichend Personal für einen Folgeauftrag vorhanden? Es wäre ja jetzt ungeheuer wichtig, die Organhaftung zu untersuchen. Es wird ja massiv diskutiert, daher meine formale Frage, ob der Rech­nungshof hier zur Verfügung stehen könnte.

Ganz allgemein und grundsätzlich gefragt: Ist es wirtschaftlich, zweckmäßig und spar­sam, wenn gefeuerte Manager Abfertigungen und Pensionen in Millionenhöhe kas­sieren, obwohl diese Pensionsverträge unklar und missverständlich formuliert sind und die Aufsichtsratsbeschlüsse zweifelhaft sind?

Meine Damen und Herren! Dieser EStAG-Skandal ist der größte Skandal in der Geschichte des Landes Steiermark! (Abg. Dr. Trinkl: Das hätten Sie gern! – Abg.


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Murauer: Außer „Euroteam“!) Die Frau Klasnic hat noch im März 2001 der Bevöl­kerung eine mindestens 10-prozentige Strompreissenkung versprochen. Aber wie schaut die Wahrheit aus? (Abg. Amon: Wie schaut das in Wien aus? Wie ist das in Wien?) Sie haben die Energiekosten empfindlich hinaufgeschnalzt, es gibt gigan­tische zusätzliche finanzielle Schäden und einen Imageschaden für das Land Steier­mark. Die Manager, die dafür zuständig sind, haben sich mit Millionen aus dem Staub gemacht, und die verantwortlichen Politiker sind für nichts verantwortlich.

Meine Damen und Herren! Die Bevölkerung, die Pensionistinnen und Pensionisten, die sozial Schwachen, sie alle haben hier die Zeche zu bezahlen. Das haben Sie zu verantworten, und darum ist das der größte Skandal in der Geschichte des Landes Steiermark. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich bedanke mich herzlich beim Rechnungshof für die großartige Arbeit. Das ist ein historisches Dokument, eine Dokumentation des Versagens von politischer Verant­wortung.

Nur ganz am Rande: Klasnic-Mann Ramsauer hat sich dazu verstiegen zu sagen – er ist Aufsichtsratsvorsitzender –, er habe kurz diesen Bericht quer gelesen. Das ist unglaublich! Ich hoffe, der Herr Lopatka wird sich dafür entschuldigen.

Meine Damen und Herren! Es ist einfach unglaublich, was in der Steiermark in die­sem Zusammenhang vorgefallen ist! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Amon: Ihre Rede, ja!)

14.47

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Lopatka. – Bitte.

 


14.47

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vermutungen, Behauptungen, Anschuldigungen – die typische „Kräu­ter-Mischung“. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Wir kennen diese „Kräuter-Mischung“, denn es ist ja nicht das erste Mal, dass wir diese Mischung hier präsentiert bekommen. Das, was uns Abgeordneter Kräuter hier aufgetischt hat, ist eine Mixtur, die natürlich eines wieder völlig ausblendet, nämlich die Rolle der SPÖ. Das Ausblenden kommt bei der SPÖ jetzt ohnehin immer mehr in Mode. Wenn es um die eigene Geschichte geht, um die eigene Vergangenheit in der Partei, dann blendet man aus. Wenn es darum geht, wer die Rechtsgrundlagen für die Verträge geschaffen hat, die jetzt zu diesen Abfertigungen führen, dann tut Herr Kräuter so, als ob er niemanden kennen würde.

Wir hatten 1998, als die EStAG geschaffen worden ist, in der Steiermark eine Patt­situation: 21 Landtagsabgeordnete der ÖVP, 21 der SPÖ. Auch in der Regierung hatten wir eine Pattsituation: vier Regierungsmitglieder der ÖVP, vier der SPÖ. Damals sind diese Verträge abgeschlossen worden – und wer war zuständig für diese Ver­träge? – Finanzlandesrat Ressel von der SPÖ! (Lebhafte Oh-Rufe bei der ÖVP.) Wissen Sie, wer sein Nachfolger in der SPÖ Graz-Umgebung ist? – Abgeordneter Kräuter! (Lebhafte Ah-Rufe bei der ÖVP.) Also den Herrn kennt er.

Seit 1998 müsste Kräuter eigentlich auch einen zweiten Herrn kennen, der das Ge­genteil von dem sagt, was Kräuter sagt: „Es gibt gar keinen EStAG-Skandal.“ (Der Red­ner hält ein Schriftstück in die Höhe.) – Wissen Sie, wer das sagt? Der SPÖ-Partei­finanzreferent Heinz Hofer! (Lebhafte Oh-Rufe bei der ÖVP.) Er hat das nicht vor Jahren gesagt. Wissen Sie, wann er das gesagt hat? – Am 5. Februar dieses Jahres. Also lange ist es noch nicht her.


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Heinz Hofer, muss ich Ihnen sagen, ist nicht nur Finanzreferent der SPÖ, sondern Heinz Hofer war auch der Chef des Aufsichtsrates der EStAG, der diese Verträge abgeschlossen hat. (Lebhafte Ah-Rufe bei der ÖVP. – Abg. Dr. Trinkl: Der Herr Kräuter!) Heinz Hofer sitzt seit 1998 mit einem gewissen Abgeordneten Kräuter im SPÖ-Parteipräsidium in der Steiermark. (Lebhafte Oh-Rufe bei der ÖVP.) So schaut es aus, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was sagt nun der Herr Hofer? Ich zitiere den Präsidiumskollegen von Abgeordnetem Kräuter, den Parteifinanzreferenten der steirischen SPÖ – vom jetzigen SPÖ-Partei­chef Voves wiederbestellt, von Schachner-Blazizek, der jetzt im Aufsichtsrat der EStAG sitzt, erstmals bestellt.

Hofer sagte wortwörtlich: „... es gibt überhaupt keinen EStAG-Skandal. ... Wenn etwas falsch gelaufen wäre, hätte ich es als Aufsichtsrat wissen müssen, dazu bekenne ich mich. Aber ich sage Ihnen, es bleibt in Wahrheit nichts übrig.“

So die Sichtweise des Mannes der SPÖ, der immer in der EStAG gesessen ist, der heute noch im Parteipräsidium der SPÖ sitzt und der in Wirtschaftsfragen der Fach­mann der steirischen SPÖ ist.

Anders hat es Frau Landeshauptmann Waltraud Klasnic gesehen. (Abg. Mag. Kogler: Hat die ÖVP schon abgedankt, dass Sie nur zur SPÖ reden? Reden Sie einmal zur ÖVP!) Daher hat sie bereits im Juli des Vorjahres, als der neue Vorstand Hirschmann hier von Malversationen gesprochen hat, sofort den Bundesrechnungshof mit der Prüfung beauftragt und nicht den steirischen Rechnungshof, damit keine Vorwürfe kommen, das sei ja nur der Landesrechnungshof. Sie hat genau den Schritt gesetzt, der notwendig war, um hier maximale Transparenz und Aufklärung sicherzustellen.

Das, was Sie hier sagen, Kollege Kräuter, ist das Gegenteil von dem, was Ihr Mann sagt, der in der EStAG gesessen ist und diese Verträge abgeschlossen hat. Jeder, der sich nur halbwegs im Zivilrecht auskennt, weiß, dass man in rechtsgültige Verträge nicht eingreifen kann. Diese Verträge haben Hofer und Ressel abgeschlossen und sonst niemand! Im Land hatten wir eine Pattsituation. Für die Beteiligungen war aus­schließlich Ihr Landesrat Ressel zuständig.

Daher – und das mögen Sie bitte zur Kenntnis nehmen – hat die Frau Landeshaupt­mann das einzig Richtige gemacht: Sie hat nämlich dafür gesorgt, dass diese Dinge auf den Tisch gelegt werden.

Jetzt sage ich abschließend noch eines zum Abgeordneten Kräuter. Er trifft ja immer eigenartige Beurteilungen. Er hat vor kurzem, am 16. März, zur Entscheidung der Kärntner SPÖ gemeint: Eigentlich eine ganz gute Sache. – Sind Sie auch bei Hofer der Meinung, wenn er sagt, hier liegt kein Skandal vor, das sei eine ganz gute Sache? – Wir sehen beides anders!

Für die EStAG ist ein neuer Boden zu legen, damit dieser Leitbetrieb auch in Zukunft für die Steiermark jene Leistungen erbringen kann, die den weiteren Wirtschafts­auf­schwung für die Steiermark absichern werden. Dafür wird Frau Landeshauptmann Waltraud Klasnic sorgen. Und wir werden uns weder von Ihnen noch von anderen dabei behindern lassen! (Lebhafter Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.53

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte. (Abg. Mag. Molterer – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Kogler –: Der Pflichtverteidiger des Kräuter!)

 



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14.53

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Der Konnex zum vorliegenden Tagesordnungspunkt ist hier über die Verhedderung des Generalsekre­tärs der ÖVP hinaus tatsächlich gegeben. (Rufe bei der ÖVP: Was? Was? – Abg. Dr. Trinkl: Deutlich sprechen!) Der Rechnungshofbericht 342 der Beilagen, der hier zur Beratung steht, beinhaltet nämlich in der Tat sehr viele Passagen zur Bestellung von Organen beziehungsweise von Funktionen in Unternehmen der Republik, namentlich der ÖIAG, aber vieler anderer auch; es sind deren elf.

Eine zentrale Rolle spielt dort die Schablonenverordnung. Eine zentrale Rolle spielt dort, in einem Punkt zumindest, die Ablöse des damaligen ÖIAG-Vorstandes Ditz. Das allein sind genügend Berührungspunkte mit dem nun vorliegenden Thema EStAG in der Steiermark. Ich darf auch einmal fürs Erste darauf eingehen und sagen, dass ich vieles zunächst nicht verstehe, Herr Kollege Generalsekretär.

Wenn hier ein Rechnungshofbericht in seiner Rohfassung vorliegt, der über so viele Seiten wirklich wenig Gutes an der Vorgangsweise in der EStAG seit vielen Jahren lässt, dann verstehe ich nicht, wie Sie 90 Prozent Ihrer Redezeit dazu verwenden kön­nen, um den Nachweis zu führen, dass dort auch irgendwo SPÖ-Funktionäre gesessen sind. (Rufe bei der ÖVP: Ausschließlich! Nur!)

Wenn Sie das glauben, dann haben Sie da auch einen falschen Ratgeber. Ich darf Ihnen sagen, dass selbstverständlich nach dem guten alten österreichischen Proporz SPÖ-Funktionäre, der SPÖ nahe stehende Personen im Vorstand und Aufsichtsrat waren; das ist richtig. Aber Sie werden mir doch – und jetzt kommen wir zum Kern der Sache – nicht erklären wollen, dass die ÖVP nicht nur jetzt schon in der Steiermark im Abdanken begriffen ist, sondern die letzten acht Jahre dort in weiser Voraussicht überhaupt nicht vorhanden war – wupps, weg!

Herr Generalsekretär Lopatka, Sie waren ja derjenige, der die Geschicke der ÖVP in den Jahren, die Sie hier selber thematisiert haben, maßgeblich mitbestimmt hat. Und was da vorgefallen ist, das lässt einen wirklich nach Luft schnappen, das stimmt. In­sofern verstehe ich Ihre etwas aufgeregte Art, hier diese Dinge vorzutragen. Es ist nämlich wirklich so, dass man dreimal hinschauen muss. Man weiß gar nicht, wo man beginnen soll, weshalb ich nur einen kleinen Auszug hier kommentieren werde – nichts aus dem Rohbericht des Rechnungshofes. Ich will mich gar nicht darauf einlassen, ob man das überhaupt darf oder nicht. Gehen wir doch in medias res, um überhaupt einmal zu verstehen, wofür hier politische Verantwortung übernommen werden muss.

Es geht nämlich nicht mehr nur darum, dass es in diesem Bereich – wie auch sonst­wo – Baukostenüberschreitungen bei Repräsentationsgebäuden gab, obwohl sie so hoch waren, dass es einem die Zornesröte ins Gesicht treibt. Die Damen und Herren Vorstände haben sich dort mit Perserteppichen ihre Büros ausgekleidet – wie sonst nur bei den ärgsten Bauskandalen als kleines Entgegenkommen üblich. Es geht nicht nur um die Vorstandsverträge, die hier genannt werden. Die sind natürlich schon ein Problem. Die haben im Übrigen zwei Aufsichtsratsvorsitzende zu verantworten – Rot und Schwarz in trauter Eintracht. Die treiben einem auch die Zornesröte ins Gesicht, das ist richtig.

Aber wissen Sie, was das Allerbeste ist? Dass diejenigen Vorstände, die als Sanierer in die Steiermark – Ditz und nunmehr Ramsauer – mit der Parole: Das ist das Beste, was wir in Österreich haben!, wie Klasnic meinte, in Absprache mit Schüssel geholt worden sind, jetzt mit Millionenabfertigungen – in Euro! – auf die Reise geschickt werden, obwohl sie zuvor fristlos entlassen wurden. Das passt ja überhaupt nicht zu­sammen! Und die Rechtfertigung, die Sie hier wieder vorgebracht haben, lautet, dass


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schlechte Verträge verhandelt wurden, und die müsse man nun einmal ablösen. Das würde ja im Prinzip stimmen.

Nunmehr sind wir aber weiser. Wir wissen mittlerweile, dass es sehr wohl Klauseln in diesen Vorstandsverträgen gibt, die das verhindert hätten, die im Fall von fristloser Ent­lassung sämtliche Rechte der Vorstände zum Erlöschen bringen. Von dieser Klausel ist bislang nicht Gebrauch gemacht worden. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Was darf man aus den Zuständen, die jetzt noch dort herrschen, schließen? Diesen Vorständen, die sehr viel wissen über das segensreiche Wirken des Landesrates Paierl, der Frau Landeshauptfrau, möglicherweise des Vorgängers Ressel, den Sie erwähnt haben, werden Dinge vorgeworfen, die samt und sonders dazu reichen würden, ihnen überhaupt keinen Euro mit auf die Reise zu geben, sondern sie nur in Warteposition zu bringen, ihre allfälligen Ansprüche einzuklagen, arbeitsrechtlich oder auch anders. Davon ist aber keine Rede. Es ist die Rede davon, dass es um Millionen geht.

Wissen Sie, wie ich das qualifiziere und wie groß die Not Ihrer ÖVP in der Steiermark, die das verhandelt hat, schon ist? – In Wahrheit wird dort Schweigegeld gezahlt. (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) Es ist überhaupt nicht anders erklärbar, dass auf Grund solcher Vorwürfe diese Manager auf die Straße gesetzt werden, was richtig ist, und für sie Millionenabfertigungen ausverhandelt werden, während diese Vorwürfe alle recht­lichen Möglichkeiten eröffnen würden, ihnen keine Millionenabfertigungen zu bezahlen. Das müssen Sie den Leuten einmal erklären!

Es gibt keine andere logische Erklärung als Schweigegeldbezahlung – so würde ich das bezeichnen. Wir werden ja nach der vermutlich unterbrochenen Rede dann noch ein paar Minuten Zeit haben, darauf einzugehen, was dort überhaupt passiert ist. Dort könnten wir zum Beispiel einmal der Sache nachgehen, ... (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) – Herr Präsident?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Es ist 15 Uhr, Herr Kollege. Ich will Sie aber nicht unterbrechen. Vielleicht machen Sie ja selbst jetzt einen Satz und sprechen nach der Dringlichen dann weiter.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Ich mache jetzt keinen Satz, son­dern unterbreche einfach meine Rede. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.00

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nachdem Herr Abgeordneter Kogler seine Rede unter­brochen hat, unterbreche ich nunmehr die Verhandlungen über diesen Punkt der Ta­ges­ordnung, damit die verlangte Behandlung der Dringlichen Anfrage der sozialdemo­kratischen Parlamentsfraktion gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Pensionspolitik der Regierung – Der Weg in die Altersarmut (1594/J)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schrift­lichen Anfrage 1594/J.


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Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Als von der Arbeiterkammer am 2. März 2004 die ersten Kürzungs-Opfer der „Pen­sionsreform 2003“ öffentlich gemacht wurden, versuchten Vertreter der Regierungs­parteien noch immer die von Anfang an praktizierte Strategie „Leugnen und Schön­reden“ weiter zu verfolgen.

Mit jedem Tag müssen jetzt aber weitere Pensionsbescheide auf Basis der „Pen­sionsreform 2003“ ausgestellt werden. Das Pensionsdesaster wird dabei immer offensichtlicher. Das Beschwichtigen nützt nichts mehr. Die traurige Wahrheit ist, dass vor allem jene Männer, die mit 14 oder 15 zu arbeiten begonnen haben und ihr ganzes Berufsleben hindurch Pensionsbeiträge bezahlt haben, von den Sofort-Kürzungen am stärksten betroffen sind.

Und dabei geht es nicht um Ausnahmefälle. Sofort-Kürzungen um 10 Prozent oder knapp darunter sind bei Menschen mit sehr langer Versicherungsdauer nicht die Ausnahme, sondern der Regelfall! Und zu diesem 10-Prozent-Minus muss noch der Verlust aus der Streichung der ersten Pensionsanpassung hinzu gerechnet werden!

Von den Sofort-Kürzungen um 10 Prozent sind folgende Gruppen am massivsten betroffen:

Männer, die im Jahr 2004 mit 43 oder mehr Versicherungsjahren in Pension gehen!!!

Männer, die mit 45 Beitragsjahren unter die groß propagierten „Schutzbestimmungen“ für so genannte „Hackler“ fallen und noch mit 60 in Pension gehen können!!!

Frauen mit Kindern und langer Versicherungszeit, die relativ rasch nach der Geburt wieder in das Erwerbsleben eingestiegen sind, aber die geforderten Beitragsjahre für die „Hacklerinnen“-Sonderregelung knapp nicht erreichen!!!

Etwas weniger rasch (aber ebenso sicher) werden auch die anderen Gruppen von den 10-Prozent-Kürzungen erfasst. Voll betroffen sind auch die vielen Kleinpensionen, die es vor allem bei Frauen gibt. In 3 bis 4 Jahren ist die um 10 Prozent verringerte Pension der Regelfall.

Hätte die Regierung von vornherein – so wie bei den Beamten – auf eine rückwirkende Verschlechterung bereits erworbener Pensionsanwartschaften verzichtet, so hätte sie jetzt die Menschen nicht auf einen „Härtefonds“ verweisen brauchen. Einmalzahlungen aus einem „Härtefonds“, auf die nicht einmal ein Rechtsanspruch besteht, sind bestenfalls ein Tropfen auf dem heißen Stein – und wer mehr als 1.015 Euro Pension bezieht, kann nicht einmal eine Einmalzahlung erhalten.

Die „Pensionsreform 2003“ hat aber nicht nur für künftige Pensionisten massive Ver­luste gebracht. Hart in Mitleidenschaft gezogen wurden auch diejenigen, die bereits in Pension sind. Die ursprüngliche Zusicherung der Wertsicherung der Pensionen wurde für die Jahre 2004 und 2005 gleich gebrochen. Nur Pensionen bis zur Höhe der Me­dianpension (derzeit: 667 Euro pro Monat) werden in diesen Jahren mit der Infla­tionsrate angepasst. Als die dadurch (und durch die Erhöhung der Kranken­versiche­rungsbeiträge) erwirkten Nettoverluste sichtbar wurden, war auch hier das „Schön­reden“ allein nicht mehr aufrecht zu erhalten. Letztlich wurden rund 700.000 Pensionisten mit maximal 780 Euro Monatspension einmalige Ausgleichszahlungen in der Höhe von 0,6 Prozent einer Jahrespension zugestanden. Die lebenslangen Verluste durch die unzureichende Inflationsabgeltung werden damit natürlich in keiner Weise wettgemacht.


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Österreich genoss über Jahrzehnte als Land des sozialen Ausgleichs und des sozial­partnerschaftlichen Dialogs weit über unsere Grenzen hinaus eine hohe Wertschät­zung. Die Regierung hat diesen Weg in den letzten Jahren bewusst verlassen.

Mit der Vorlage des Gesetzesentwurfs zur „Pensionsreform 2003“ erreichte diese auf Konfrontation ausgelegte neue politische Ausrichtung im Frühjahr 2003 ihren Höhepunkt. Die gesetzliche Pensionsversicherung hätte nach den Plänen der Bundes­regierung mit einem Schlag drastisch zurückgestutzt werden sollen.

Ein Rückblick auf die ursprünglichen Pläne der Regierung zeigt in aller Deutlichkeit, was da auf dem Spiel stand. Der Gesetzesentwurf von Sozialminister Haupt, der am 31. März 2003 in die Begutachtung ging, enthielt im wesentlichen folgende Punkte:

Dramatische Sofort-Kürzung der Pensionsansprüche von Menschen, die bereits knapp vor Erreichung des Pensionsalters gestanden sind

Die Regierung selbst hat die beabsichtigten Kürzungen in den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf in folgender Weise beschrieben: „Im Jahr 2004 dürfte der kumulative Pensionsverlust bei durchschnittlich rund 13,5 % liegen, im Jahr 2005 bei 14,5 % und im Jahr 2006 bei rund 15,5 %. Im Jahr 2007 wird die durchschnittliche Pen­sions­minderung bei rund 16,5 % liegen.“ Zu beachten ist, dass es sich hier um Durch­schnittswerte handelt – in vielen Fällen wären die Sofort-Verluste sogar noch viel höher gewesen!!!

Kurzfristig angesetzte Verunmöglichung des Pensionsantritts vor 65/60

Alle vorzeitigen Alterspensionen sollten abgeschafft werden. Übergangsregelungen waren nur für 5 Geburtsjahrgänge vorgesehen!!!

Demolierung des Pensionssystems für die Jüngeren

Bei Umsetzung des ursprünglichen Gesetzesentwurfs hätten die Jüngeren mit Pen­sionskürzungen im Ausmaß von 30 bis 40 Prozent rechnen müssen – und in etlichen Fällen wären die Verluste sogar noch krasser ausgefallen!!!

Klar war, dass so etwas von der Mehrheit der Österreicherinnen und Österreichern nicht hingenommen werden konnte. Mit dem Engagement hunderttausender Menschen und unter dem politischen Druck der SPÖ ist es letztlich gelungen, die Regierung zu einem deutlichen Einlenken zu zwingen. Etwas längere Übergangsfristen bei der Anhebung des Pensionsalters und eine 10-Prozent-„Deckelung“ der Verluste wurden zugestanden. Dazu folgte noch eine Absichtserklärung zur raschen Pensionshar­monisierung.

Ruft man sich die ursprünglichen Pläne der Regierung zur „Pensionsreform 2003“ in Erinnerung, so sieht man, dass sich der Widerstand durchaus gelohnt hat.

Wenngleich die Regierung letztlich deutlich zurückstecken musste – die schon im Grundansatz verfehlte „Pensionsreform 2003“ wurde aber dadurch auch nicht akzep­tabel: Sie ist selbst in der „abgespeckten“ Version noch immer in hohem Maße un­sozial, und sie ist auch sachlich nicht begründbar.

Die Finanzierungsperspektive der gesetzlichen Pensionsversicherung ist bei weitem nicht so schlecht wie von den Regierungsparteien immer wieder behauptet wurde und wird.

In den Erläuternden Bemerkungen des Regierungsentwurfs zur „Pensionsreform 2003“ findet sich eine sehr aufschlussreiche Darstellung der Kostenentwicklung der gesetz­lichen Pensionsversicherung in den Jahren 2003 bis 2007:


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Prognostizierte Kostenentwicklung bei den ASVG-Pensionen in den Jahren 2003 bis 2007 auf Basis der Rechtslage vor der „Pensionsreform 2003“! (Kosten in Prozent des Bruttoinlandsprodukts)

 

2003

2004

2005

2006

2007

Entwicklung der Gesamtausgaben

9,3 %

9,1 %

9,1 %

9.0 %

9,0 %

Entwicklung der erforderlichen Bundesmittel

2,0 %

1,8 %

1,8 %

1,8 %

1,8 %

Quelle: BMSG, Finanzielle Erläuterungen zum Gesetzesentwurf zur „Pensionsreform 2003“ vom 31.3.2003

Wie diese Zahlen des Sozialministeriums eindrucksvoll belegen, lässt sich die von Vertretern der Regierungsparteien immer wieder beschworene dramatische Finanzie­rungs­krise der Pensionsversicherung nicht erklären. Selbst wenn die „Pensions­reform 2003“ nicht beschlossen worden wäre, wären die Ausgaben für ASVG-Pen­sionen in den kommenden Jahren zurück gegangen (Wirkung früherer Pensions­reformen). Kurzfristig angesetzte Sofort-Kürzungen von Pensionen um 10 Prozent sind folglich nicht nur in hohem Maße unsozial, sie lassen sich auch mit Finanzargumenten nicht begründen.

Mittel- bis langfristig gesehen ist allerdings tatsächlich ein erheblicher Kostendruck zu erwarten. Der Altenanteil an der Bevölkerung wird in den kommenden Jahrzehnten kräftig steigen und das bleibt nicht ohne Wirkung auf die Kosten der Alterssicherung. Steigende Kosten heißt aber auch in mittel- bis langfristiger Perspektive noch lange nicht Unfinanzierbarkeit, wie uns das viele weismachen wollen.

Im Gegenteil: Die Prognoserechnungen für den „Runden Tisch“ zur Pensions­harmonisierung zeigen, dass die Gesamtkosten für die öffentliche Alterssicherung bis zum Jahr 2030 nur um 0,6 bis 1,3 Prozent des BIP steigen werden. Ein erheblicher Teil der potentiellen Kostensteigerung wird durch den erwarteten Anstieg der Erwerbs­beteiligung abgefangen. Nach 2030 wird sogar wieder mit einem Rückgang des Pen­sionsaufwands gerechnet.

Wirkungsvolle Alterssicherung in Langzeitperspektive setzt aber mehr voraus als bloße Pensionsreformen, dazu gehören auch eine gezielte Beschäftigungspolitik und eine klare Verbesserung der Erwerbschancen Älterer. Unstrittig ist aber, dass auch das Pensionsrecht weiterentwickelt werden muss, um den kommenden Herausforderungen gerecht zu werden und um das System fairer und transparenter zu machen.

Fazit: Die „Pensionsreform 2003“ ist eine unsoziale Geldbeschaffungsaktion zugunsten des Finanzministers, aber keine Reform, die diesen Namen verdient. Dazu kommt, dass die „eingesparten“ Pensionsgelder im Handumdrehen für Steuergeschenke an Großkonzerne und für den Kauf teurer Abfangjäger ausgegeben wurden. Wie eine sinnvolle Reform ausschauen könnte, wird in dem von der SPÖ vorgelegten „Fairness-Pensions-Modell“ aufgezeigt.

Die Rücknahme der „Pensionsreform 2003“ ist nicht nur deshalb erforderlich, weil nur dadurch die unzumutbaren sofortigen Pensionskürzungen vermieden werden können, diese Rücknahme ist auch eine Grundvoraussetzung für eine faire Harmonisierung. Auf Basis der „Pensionsreform 2003“ ist ein gerechter Übergang in ein faires, für alle gleiches Pensionssystem nicht möglich. Man kann nicht zuerst den Arbeitern und den Angestellten ihre Pensionsansprüche zusammenstreichen und dann „harmonisieren“.

Hinsichtlich genau dieser Harmonisierung der Pensionssysteme ist die Regierung mehr als säumig und den ASVG-Versicherten wortbrüchig. Die von den Regierungsparteien


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gesetzte Frist für die Einführung eines einheitlichen Pensionssystems, der 31.12.2003, ist längst verstrichen. Auch zahlreiche Zitate von Bundeskanzler Schüssel gingen in Richtung rasche Harmonisierung: So hat er etwa am 4. Mai in der ORF-„Pressestunde“ angekündigt, „bis zum Jahresende dem Parlament einen solchen Beschluss, einen solchen Antrag vorzulegen“, am 4. Juni erklärte er dem Parlament, „die Zeit ist reif für ein einheitliches, harmonisiertes Pensionssystem“, am 29. Juli kündigte Schüssel im ORF-„Mittagsjournal“ immer noch an, „bis Jahresende wird dann dem Parlament ein Gesetzesentwurf vorgelegt“, und am 13. September erklärte der Kanzler, dass er zu Jahresbeginn die Pensionsharmonisierung „und anderes“ vorlegen werde.

Lediglich, es gibt noch nicht einmal Anzeichen für einen Entwurf eines derartigen Gesetzeswerkes.

In einem Artikel der Tageszeitung Der Standart vom 3.3. heißt es:

Khol kündigt Pensionslösung bis Ostern an

Wien - Nationalratspräsident Andreas Khol stellt ein fertiges Konzept für die Pen­sionsharmonisierung bis Ostern in Aussicht, "sonst spielt es Granada".

Allerdings in der Fernsehpressestunde vom vergangenen Sonntag meinte Bundes­kanz­ler Schüssel, dass die Harmonisierung nicht wie angekündigt bis Ostern zustande komme.

"Ich fürchte Nein", sagte er.

Man(n) und Frau darf auf das „Granada spielen“ gespannt sein!

Bundeskanzler Schüssel versuchte am vergangenen Sonntag in der ORF-"Pres­se­stunde" auch wieder krampfhaft, jegliche Verantwortung von sich zu schieben und alle anderen für das Versagen der ÖVP und der Regierung schuldig werden zu lassen.

Aber: Beim Thema Pensionen hat der Bundeskanzler ganz klar sein Versprechen gebrochen. Während er die unsozialen Maßnahmen für Pensionisten rasch und knall­hart durchgepeitscht hat und diese noch durch reale Verluste für die Bezieher kleiner Pensionen verschärft wurden, ziert er sich bei der längst fälligen Harmonisierung der Pensionssysteme und hat dies, wie er in der Pressestunde angekündigt hat, auch noch für die Zukunft vor. In seiner altbekannten Manier versuchte Bundeskanzler Schüssel, die Schuld für dieses Versagen anderen in die Schuhe zu schieben, was ihm aber nicht gelingen wird.

BK Schüssel hat auch mehrmals öffentlich behauptet, mit der „Pensionsreform 2003“ seien bereits wesentliche Schritte in Richtung Harmonisierung der verschiedenen Systeme gesetzt worden. Dies ist eine glatte Lüge, denn in Wirklichkeit bewirkt die „Pensionsreform 2003“ fürs erste eine dramatische Auseinanderentwicklung der Systeme zu Lasten der ASVG-Versicherten. Diese müssen schon in Kürze mit lebens­langen Pensionskürzungen um 10 Prozent (+Anpassungsverluste) rechnen. Beamte, die in den nächsten Jahren in Pension gehen, sind von den Leistungskürzungen der „Pensionsreform 2003“ hingegen in den meisten Fällen nicht betroffen. Der Vertrauens­schutz wurde gegenüber den Beamten in viel höherem Maß gewahrt als gegenüber den ASVG-Versicherten.

Erst die Rücknahme der unsozialen „Pensionsreform 2003“ wie im Volksbegehren ge­fordert, macht den Weg frei für eine echte „Pensionssicherungsreform“ für alle und aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz nachfolgende


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Anfrage

1. Warum haben Sie trotz sinkender Gesamtausgaben im ASVG-Pensionsbereich und trotz sinkendem Bundesbeitrag bis 2007 (laut ihrer eigenen Prognoserechungen) derart drastische Sofortkürzungen bis zu 10 Prozent durch die „Pensionsreform 2003“ vorgenommen?

2. Sie haben in einer Hochglanzbroschüre gemeinsam mit dem Bundeskanzler „Wer­bung“ dafür betrieben, dass im Jahr 2004 die Pensionskürzungen für Neuzugänge für Frauen max. 3 Prozent und für Männer max. 5 Prozent betragen werden. Dabei sind Sie nicht von Durchschnittswerten ausgegangen. Wie beurteilen Sie die nunmehr schwarz auf weiß durch Bescheide vorliegenden Kürzungen von bereits 10 Prozent im Jahr 2004?

3. Sind Sie auch, wie der Herr Bundeskanzler, der Meinung, dass zwei Drittel der NeupensionistInnen 2004 von keinen Kürzungen betroffen sind und nur jeder oder jede 15. NeupensionistIn ein 10-Prozent-Minus zu tragen habe?

Wenn ja, auf welchen Berechnungen beruht diese Annahme und haben Sie auch jene Fälle aus dem Jänner mitgezählt, bei denen die Pensionsreform 2003 noch gar nicht zur Anwendung gekommen ist?

Wenn nein, wie viele NeupensionistInnen sind nach Meinung Ihres Ressorts überhaupt nicht von Kürzungen betroffen und wie viel NeupensionistInnen werden ein Minus von 10 Prozent bereits heuer zu tragen haben?

4. Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass gerade Personen mit 43 und mehr Versicherungs- bzw. Beitragsjahren am meisten Kürzungen schon heuer hinnehmen müssen?

5. Welche Begründung finden Sie für den Umstand, dass Männer, die mit 45 Bei­tragsjahren unter die von Ihnen groß propagierten „Schutzbestimmungen“ für so ge­nannte „Hackler“ fallen und noch mit 60 in Pension gehen können, aber ebenfalls 10 Prozent Kürzungen ihrer Pension erhalten?

6. Sind Sie der Meinung, dass Personen mit 1.015 Euro monatliche Bruttopension zu den reichen Pensionsbeziehern gehören?

Wenn nein, warum können diese dann für die erlittene Pensionskürzung nicht einmal eine Einmalzahlung aus dem Härtefonds erhalten?

7. Warum haben Sie sich nicht an die von Ihnen versprochene Wertsicherung der Pensionen gehalten und für 2004 und 2005 dieses Versprechen – mit Ausnahme für Pensionen bis zur Höhe der Medianpension (derzeit: 667 Euro pro Monat) – gleich zweimal gebrochen?

8. Ist es richtig, dass die Prognoserechungen für den „Runden Tisch“ zur Pensions-harmonisierung zeigen, dass die Gesamtkosten für die öffentliche Alterssicherung bis zum Jahr 2030 nur um 0,6 bis 1,3 Prozent des BIP steigen werden (ausgehend von 13,6 Prozent)?

9. Wurden bisher Prognoserechungen angestellt, in der eine Anhebung der Beitrags­sätze in den kommenden Jahrzehnten unterstellt wird?

Wenn ja, wie sehen diese aus?

Wenn nein, warum nicht?

10. Wie beurteilen Sie die Aussagen des Bundeskanzlers über die Gefahr einer Verdoppelung der Beitragssätze (von 22,8 auf 45,6 Prozent!!!)?


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11. Die Vorschläge von SPÖ und ÖGB zur Pensionsharmonisierung sind bisher die einzigen, die in der Öffentlichkeit bekannt wurden. Welche Vorschläge hat die Re­gierung bzw. haben Sie als ein zuständiges Regierungsmitglied bisher in die Ver­handlungen eingebracht?

12. Wird es im Zuge der Harmonisierung bei den Pensionsansprüchen der Versicher­ten aus den anderen Pensionssystemen auch zu Kürzungen bis zu 10 Prozent kom­men?

13. Wenn Sie Frage 9 mit nein beantworten: Werden Sie im Sinne einer gerechten Harmonisierung die unsozialen und ungerechten Maßnahmen der „Pensions­reform 2003“ im Zuge der Umsetzung der Harmonisierung zurücknehmen oder we­nigstens abschwächen?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 2 GOG dringlich zu behandeln.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als erstem Anfragesteller erteile ich Herrn Abgeord­netem Dr. Cap das Wort. Seine Redezeit beträgt 20 Minuten. – Herr Kollege, bitte.

 


15.01

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte einmal kurz begründen, warum es notwendig ist, dass wir heute die Gelegenheit wahrnehmen, eine Dringliche Anfrage an den dafür zuständigen Minister zu stellen. (Rufe bei der ÖVP: Volksbegehren!) Das sollten Sie in Ihrem Zwischenruf nicht mit so einem gering­schätzigen Unterton bedenken: Ein Volksbegehren ist ein demokratisches Instrument, bei dem sich die Bevölkerung mittels Unterschriften gegen Ihre Politik, die Sie zu ver­antworten haben, zu Wort melden kann. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Haidlmayr. – Abg. Grillitsch: ... dem Herrn Gusenbauer! Der ist nämlich nicht hier! – Abg. Dr. Gusenbauer betritt den Saal und nimmt seinen Platz ein. – Abg. Grillitsch: Er ist schon da!)

Es geht darum, dass es, nachdem wir zur Kenntnis nehmen mussten, dass die Kon­zepte der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zur Pensionsreform, zur Har­monisierung – auch jene des ÖGB, auch jene in den Gesprächen und Verhandlungen im Rahmen der Sozialpartner – seitens der Regierung nicht zur Kenntnis genommen wurden, ja arrogant vom Tisch gewischt wurden, notwendig war, dass es ein Volks­begehren gibt, damit mit dem Gewicht von Unterschriften hier im Haus noch einmal über Ihr Pensionskürzungsprogramm des letzten Jahres und der letzten Jahre ver­handelt werden kann. Daher ist es so wichtig, dass es dieses Volksbegehren gibt, und daher ist es auch so wichtig, dass wir so manche Fragen und Problemstellungen, aber auch Vorwürfe und Kritik, die wir gestern in der Aktuellen Stunde schon äußern konn­ten, auch heute noch einmal im Rahmen dieser Dringlichen Anfrage hier kundtun.

Ich sage Ihnen: Es droht in der Tat Armut für viele Pensionistinnen und Pensionisten in Österreich, vor allem für die Frauen, vor allem für jene mit den kleineren Pensionen, für die Sie kein Herz und kein soziales Gefühl haben und die hier keine Sprecher und keine Vertretung im Hohen Haus haben. Und Sie werden am Ende der Eintragungs­woche noch spüren, dass der Unmut in der Bevölkerung ein realer ist! (Beifall bei der SPÖ.)

Wissen Sie, und natürlich haben Sie ein schlechtes Gewissen – immerhin ein Gewis­sen, aber ein schlechtes –, denn sonst hätten Sie nicht immer auf Druck der Öffent­lichkeit, der Opposition, der Gewerkschaften und vieler, die sich zu Wort gemeldet ha-


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ben, Korrekturen vorgenommen. Es sind nur einmalige Korrekturen, aber es sind Korrekturen. Wir sind hier einmal zusammengekommen, als es darum gegangen ist, dass Sie, nachdem wir eine Sondersitzung initiiert haben, eine einmalige Ausgleichs­zahlung von 0,6 Prozent beschlossen haben. Sie haben damals nicht einmal noch die Inflationsabgeltung erreicht, aber immerhin. Es war vor dem 7. März, also vor Land­tagswahlen, also wahlkampfbedingt, dass Sie hier Ihr schlechtes Gewissen einge­stan­den haben, nachdem in zwei Bundesländern außerdem noch die Differenz der Kür­zungen ausbezahlt wurde, Almosen verteilt wurden.

Sie haben hier – auch einmalig – einen Anspruch auf Zahlungen aus dem Härtefonds eingeführt – wegen der Pensionsreformen, und auch nur einmalig. Aber Sie haben damit gezeigt, dass hier etwas nicht stimmt bei Ihren so genannten – wie Sie in Ihren Broschüren angekündigt haben – sozialen Reformen. Darüber kann man ja nur lachen, wenn Sie das wirklich so gemeint haben!

Sie von den Koalitionsparteien haben außerdem noch einfachgesetzlich einen 10-Pro­zent-Deckel eingeführt, weil Sie geahnt haben, dass es da in den nächsten Jahren zu Pensionskürzungen von bis zu 30, 40 Prozent kommen kann. Das war nämlich auch nicht klar, und das hatten Sie nämlich auch nicht vor, diesen 10-Prozent-Deckel einzuführen. (Abg. Scheibner: Geh, geh!) Erst als wir hier darauf hingewiesen haben, erst als die Gewerkschaften darauf hingewiesen haben, erst als die betroffenen Pen­sionistenverbände darauf hingewiesen haben, haben Sie dann gesagt: Aha, das kann zu Kürzungen im Ausmaß von 30, 40 Prozent führen. Na, dann führen wir halt einmal einen Deckel ein. – Ein drittes Beispiel von schlechtem Gewissen für Ihre unsoziale Politik im Pensionsbereich! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wissen Sie, und dann habe ich mir – da habe ich mir echt die Brille aufsetzen müssen, ich konnte es einfach nicht glauben! – in Ihrer gelben Broschüre über „Sichere Pen­sionen“ die Einleitung, gezeichnet vom Bundeskanzler und von Ihnen, Herr Minister – damals noch Vizekanzler –, durchgelesen. Darin schreiben Sie:

„Das österreichische Parlament hat nach ausführlichen Verhandlungen ...“ – Haben Sie mit „ausführlichen Verhandlungen“ das Herumhudeln mit den Budgetbegleitgesetzen gemeint, wo viele Ihrer Abgeordneten gar nicht gewusst haben, was Sie da mitbeschließen, und dann öffentlich eingestanden haben, dass sie die Gesetze gar nicht gelesen haben, die sie hier beschlossen haben und die zu diesen Kürzungen geführt haben?

Also: „... nach ausführlichen Verhandlungen“ – welcher Zynismus in dieser Bro­schüre! – „mit der Regierung und den Sozialpartnern“ – „mit den Sozialpartnern“! – „nun eine Reform beschlossen, die sozial ausgewogen, gerecht und nachhaltig ist.“ – Also nachhaltig ist sie, aber sie ist nicht gerecht und sie ist unsozial. Und dafür sind Sie zur Verantwortung zu ziehen, das kann ich Ihnen sagen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dann, im Schlusssatz der Einleitung, kommt überhaupt der stärkste Satz – es ist eine starke Broschüre mit vielen starken Sätzen, die zu kritisieren sind, aber der Schluss­satz der Einleitung, gezeichnet vom Bundeskanzler und vom Vizekanzler, lautet fol­gendermaßen:

„Außerdem haben wir für Bezieher von kleinen Pensionen und für Frauen mit Kindern besondere Maßnahmen getroffen, die in Zukunft Nachteile ausgleichen werden.“ (Abg. Mag. Tancsits: Richtig! Richtig! Und Sie haben dagegen gestimmt!)

Nun, das habe ich Ihnen ja vorher dargestellt mit Ihren Einmalzahlungen: Da muss man ein Leben lang verzichten und Kürzungen ertragen, die Sie hier beschlossen haben, und nur damit sozusagen als Placebowirkung so ein bisserl dem sozialen


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Gewissen Genüge getan wird, haben Sie dann Ihre einmaligen Einmalzahlungen beschlossen. Das ist ja in Wirklichkeit ein Eingeständnis, das Sie damit getätigt haben, und das kann man daher nicht oft genug kritisieren!

Aber Sie gehen in der Broschüre noch weiter – und das ist der ideologische Kern Ihrer Weltanschauung, aber zugleich auch Ihrer Veränderung, Ihrer neo-liberal motivierten unsozialen Veränderung unter dem Motto: Weniger Staat, mehr privat!, was übersetzt heißt: Weniger Sicherheit, mehr Risiko für den Einzelnen. – Das heißt es in Wirk­lichkeit, ja! Das ist nämlich das, was Sie meinen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ord­neten der Grünen.)

Sie geben in dieser Broschüre sogar Folgendes zu, Sie sagen – ich zitiere –:

„Diese möglichen Verluste kann man durch eine eigene private Zusatzpension aus­gleichen, die vom Staat gefördert wird. Zusätzlich gibt es auch noch die betriebliche Mitarbeitervorsorge.“

Na, super! Also Sie sagen auf Deutsch: Das Umlageverfahren nach dem Solidarprinzip ist zwar gut, aber das reduzieren wir einmal saftig runter, und ansonsten soll jeder schauen, wie er weiterkommt. Dann soll er sich halt eine private Vorsorge orga­nisieren! – Na das ist ein soziales Gewissen! Da interessiert Sie ja überhaupt nicht die Frage, wer das kann und wer das nicht kann. Das ist für Sie unbedeutend! Die Schwächeren in unserer Gesellschaft, die Benachteiligten in unserer Gesellschaft, die Modernisierungsverlierer – Sie haben früher gesagt: der „kleine Mann“, die „kleine Frau“ –, die spielen bei Ihnen keine Rolle. Bei der Steuerreform hat bei Ihnen auch der Mittelstand keine Rolle gespielt. Ich stelle mir langsam die Frage, wer bei Ihnen überhaupt eine Rolle spielt, außer Sie selbst!

Aber das ist jedenfalls das Credo in dieser Broschüre: Sie geben zu, dass es Verluste gibt, Sie geben zu, dass es Kürzungen gibt, Sie geben zu, dass Sie hier wirkliche Veränderungen in unserem Sozialsystem durchführen wollen, und Sie sagen: Schmeck’s! Kümmere dich selber drum! Lass uns in Ruhe!, verbrämt halt mit dem Satz: „Weniger Staat und mehr privat“. (Zwischenruf des Abg. Dr. Mitterlehner.) – Nun, es stimmt! Geben Sie es doch zu! Ich weiß es ohnedies, dass Sie das vorgehabt haben.

Jetzt sage ich Ihnen ein paar Dinge, die Sie einfach wissen sollten – und die konkreten Beispiele sind immer die besten –:

Ich habe einen Brief bekommen von einer Frau mit zwei Kindern, die am 1. Februar einen Pensionsbescheid erhalten hat, die mit 56 Jahren und vier Monaten mit 41,2 Ver­sicherungsjahren in Pension gegangen ist. (Abg. Mag. Tancsits: Mit 56 Jahren!) Sie ist nach der Geburt ihrer Kinder immer relativ rasch wieder arbeiten gegangen. Sie hat auf Grund dieser neuen Pensionsberechnungen der Bundesregierung heuer bereits eine Kürzung ihrer Pension von 10 Prozent! Statt 1 012 € erhält sie 911 €. Sie verliert damit monatlich 101 €! (Abg. Ellmauer: Das war dem Gusenbauer seine ...! Das hat der Gusenbauer schon ...!) Und Sie wissen ganz genau, dass das einen jährlichen Verlust von 1 417 € bedeutet!

Sie kann vielleicht einmal zum Härtefonds gehen – das ist überhaupt Ihr Almosen­prinzip, das Sie mittlerweile ja generell vertreten, bis hin zu den Landeshauptleuten: das Almosensystem. Dann kommt wahrscheinlich irgendwann noch das „Charity“-Sys­tem, wo sich dann die feinen Kreise ein bisschen zusammentun und ein bisschen Spenden sammeln – meistens ist das vor Weihnachten üblich. (Zwischenrufe der Ab­ge­ordneten Schöls und Dr. Wolfmayr. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist zwar nett und gut und soll unterstützt werden, hat aber mit Sozialstaat und mit


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Anspruch und Anrecht nichts zu tun! In einem modernen Sozialstaat sollte man eigentlich ein Recht auf Sozialleistungen haben! (Beifall bei der SPÖ.)

Na gut, dann kommen 2004 die Belastungen: plus 0,6 Prozent KV-Beitrag – Sie wissen ganz genau, 2005 kommt das noch einmal –; sie verliert durch die hinausgeschobene Anpassung 1,1 Prozent; und, wie gesagt, 2005 kommt dann noch einmal eine Belastung in Höhe von 0,5 Prozent durch Erhöhung des KV-Beitrages. – Das sind im Jahr insgesamt 145 €, macht jährlich 1 000 € lebenslänglich! – Und das ist das Ent­scheidende in dieser ganzen Diskussion: dass Sie dauernd der Öffentlichkeit vor­gaukeln wollen, dies sind keine Einmalzahlungen, sondern das ist eben eine Zahlung, und den Rest vergessen wir. – Auf die restlichen 19, 20, 25 Jahre, die man dann noch lebt, wird man nicht vergessen, wenn jährlich 1 000 € fehlen! Das können Sie mit Ihrem sozialen Gewissen verantworten, was Sie hier beschlossen haben? – Es fehlen also jährlich 1 000 €!

Wissen Sie, und dann haben wir uns Folgendes gedacht: Wir haben gesagt, die KV-Erhöhung und die hinausgeschobene Anpassung und die KV-Erhöhung im Jahre 2005 ergeben ungefähr 10,35 €. Und Ihre Abgeordnete, Frau Silvia Fuhrmann, hat ja einmal so abschätzig gemeint: Mein Gott, 10 €, was sind schon 10 €?! Damit hole ich mir drei Wurstsemmeln! – Einmal abgesehen davon, dass das auch falsch war, denn bei Billa bekommt man um 10 € 17 Wurstsemmeln, wie Sie wissen – mit Polnischer, Krakauer, Gurkerl, und das jeweils in einer Semmel drinnen: macht 17 Wurstsemmeln –, ist das aber gar nicht das Entscheidende:

Wir haben uns im März zu „Hofer“, einer Lebensmittelkette, begeben und haben uns einmal die Frage gestellt, was man für 10 € bekommt – und ich kann und will Ihnen das jetzt nicht ersparen, damit Sie einmal wissen, was man für 10 € bekommt; vielleicht wissen Sie das gar nicht mehr –: 20 Semmeln um 0,98 €, ein halbes Kilo Extrawurst um 1,19 €, ein Glas Essiggurken um 0,35 €, fünf Kilo Erdäpfel um 1,87 € (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Erdäpfel tut man aber nicht in eine Wurstsemmel!), zwei Kilo Mehl glatt um 0,78 €, ein Kilogramm Kristallzucker um 0,99 €, zehn Eier um 1,19 €, einen Liter Haltbarmilch um 0,59 € (Abg. Mag. Tancsits: ... Spargel?), ein Kilo Brot – damals in Aktion, gebe ich zu – um 0,49 € und zwei Kilo Orangen um 1,39 €, macht 9,82 €. (Abg. Schöls: Schade, dass der „Konsum“ eingegangen ist, weil sonst hätte ...!)

Das hören Sie sich ruhig einmal an, wenn Sie in die Cafeteria gehen und dort durch eine mittlere Bestellung 10 € verjuxen! (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Hören Sie sich das einmal an! Das ist so! So lebt man, wenn man in Pension ist und nicht eine hohe Pension hat – außer man hat irgendwann einmal eine Beamtenpension der höheren Ebene ausgefasst, dann sind 10 € nicht so bedeutend. (Abg. Scheibner: Also bei der Pension sind wir ruhig, gell!) – Über die Harmonisierung können wir dann auch gleich reden.

Ich sage nur: 10 € sind das, und um 10 € kann man beispielsweise bei „Hofer“ all das anschaffen. Und das, sage ich Ihnen, ist nicht egal!

Warum habe ich jetzt die Nahrungsmittel angesprochen? – Das kann ich Ihnen sagen: Wir haben uns einmal durchgerechnet beziehungsweise durchrechnen lassen, wie die Entwicklung der Durchschnittspension von 1999 bis 2003 war. (Abg. Dr. Brinek: ... Charly Blecha!) Die Durchschnittspension betrug 1999 780 € und hat sich dann bis zum Jahre 2003 auf 803 € entwickelt. Und wenn wir hier jetzt ehrlich miteinander diskutieren (Zwischenrufe bei der ÖVP – Abg. Prinz: Ein Schauspieler par excellence!), dann sollten wir uns auch Gedanken darüber machen, wie die Ent­wick­lung nicht bloß der Inflationsrate war, sondern wie die Entwicklung der Preise bei den Nahrungsmitteln, bei den Getränken, bei der Bekleidung, bei der Wohnung war, weil


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wir das natürlich alles kumulieren müssen mit den Belastungen, die Sie mit Ihrer Re­gierungspolitik zu verantworten haben.

Tun Sie doch nicht so, als ob es nicht zu einer Erhöhung der Energieabgabe ge­kommen wäre! Tun Sie doch nicht so, als ob es nicht im Bereich des Autofahrens, beim Wasser, bei der Müllabfuhr, beim Wohnen überall zu Veränderungen gekommen wäre, die letztlich ... (Abg. Scheibner: In Wien vor allem! – Weitere Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: In Wien!) – Ja, mit Ihrer „Drangselei“ und „Zwanglerei“, weil Sie sagen: Das rote Wien werden wir jetzt einmal ordentlich aushungern! (Abg. Scheibner: Das ist „fein“! Das gibt man aber jetzt weiter an die Kleinen!) – das ist Ihre Politik! –, damit wir dann nachher sagen können – inklusive Einsparungen im öffentlichen Dienst –: Die kommen mit den Arbeitsplätzen nicht zu Rande!

Diese Doppelbödigkeit, die Sie hier an den Tag legen, ist ja sowieso ein besonderer Skandal: dass Sie hier mit dem Schicksal von Einwohnern der Hauptstadt spielen! Das ist ja noch ein besonderer Skandal! (Beifall bei der SPÖ.)

Während aber – und das ist das Interessante –, früher, etwa 1999, nach Abrechnung all dieser Dinge wie Getränke, Tabak, Bekleidung, Schuhe, Tabaksteuer – auch so etwas –, Wohnung, Wasser, Energie et cetera von den 780 € der Durchschnittspension des Jahres 1999 280 € verblieben sind, sind von den 803 € des Jahres 2003 121 € übrig geblieben. – Schauen Sie, für Sie sind 100 € ... (Zwischenrufe der Abgeordneten Hornek, Dr. Brinek und Murauer. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie schauen mir sowieso so aus, mit diesem Blick, als könnten Sie sich gar nicht vorstellen, wie lange man mit 100 € an einem Tag auskommt. Aber es gibt Mitbür­gerinnen und Mitbürger unter den Pensionistinnen und Pensionisten, für die überhaupt nicht gleichgültig ist (Abg. Prinz: ... Charly Blecha!), ob ihnen von ihrer Pension 280 € bleiben oder 121 €. Diese können eben nicht in der Dimension von Frau Fuhrmann denken, die da sagt: Nun, was „beißen“ mich 10 €?

Ich habe Ihnen ja darzustellen versucht, welche Auswirkungen es hat, wenn man 10 € weniger hat! Es tut mir Leid, dass ich Ihnen das in dieser Deutlichkeit sagen muss, aber das ist jedenfalls von allergrößter Bedeutung, und deswegen habe ich Ihnen das auch hier angeführt und in diesem Sinne darzustellen versucht.

Wir haben heute eine Dringliche Anfrage, bestehend aus mehreren Fragen – 13 Fra­gen –, zusammengestellt. – Herr Sozialminister! Ich hoffe, dass Sie jetzt auf diese Fragen auch im Detail eingehen werden, denn das sind sehr wesentliche Frage­stellungen, die wir hier zusammengefasst haben. Ich möchte vor allem auf die Frage 7 und auf die Frage 11 hinweisen, zwei Fragen, die zwar genauso wichtig sind wie die anderen Fragen, aber bei denen wir vielleicht noch um eine Nuance genauer zuhören wollen als bei den anderen Fragen.

Die Frage 7 lautet: „Warum haben Sie sich nicht an die von Ihnen versprochene Wertsicherung der Pensionen gehalten und für 2004 und 2005 dieses Versprechen – mit Ausnahme für Pensionen bis zur Höhe der Medianpension (derzeit: 667 € pro Monat) – gleich zweimal gebrochen?“

Ich stelle Ihnen diese Frage bewusst jetzt hier noch einmal mündlich, weil wir in letzter Zeit bei den Dringlichen Anfragen feststellen mussten, dass Sie einen sehr lässigen Umgang mit der Beantwortung von Fragen, die Oppositionsparteien hier im Haus stellen, pflegen und wir Wert legen auf unser demokratisches Recht, dass wir auf Fra­gen auch ordentliche Antworten bekommen. Und das würden wir von Ihnen auch einfordern, Herr Minister! Und ich sage das gleich prophylaktisch: Wir werden da sehr genau zuhören, und wir werden Sie weiter mit unseren Fragen behelligen – das kann ich Ihnen gleich sagen.


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Und Sie sollen davon ausgehen: Wenn diese Woche der Einschreibung für das Pen­sions-Volksbegehren vorbei ist, dann ist unser politischer Kampf für ein soziales Pensionssystem in Österreich noch lange nicht vorbei! (Beifall bei der SPÖ.)

Und das Volksbegehren ist natürlich ein wichtiges Signal für Unmut in der Bevölkerung, für Kritik, die es dazu gibt, aber auch dafür, dass es eine breite soziale Sensibilität gibt für unsere Pensionistinnen und Pensionisten, für eine Generation und für Gene­rationen, die es nicht leicht gehabt haben, Herr Minister, die in der Wiederaufbauphase nach 1945 Übermenschliches geleistet haben, die mitgewirkt haben an unserem Aus­bildungssystem, an unserem Wirtschaftswachstum, die viele Entbehrungen auf sich nehmen mussten, die aber nicht locker gelassen haben, die gespart haben, die Werte geschaffen haben und die wirklich für den Aufbau dieses Landes, dieses Gemein­wesens und dieser Republik alles getan haben.

Diese Menschen verdienen Respekt, sie verdienen, dass wir ihre Lebensplanung zur Kenntnis nehmen und respektieren, und sie verdienen aber auch den Einsatz von uns allen dafür, dass sie wirklich in Sicherheit und in Vertrauen auf die Versprechungen des Staates und dessen Einrichtungen leben können.

Wenn Sie glauben, dass Sie da kürzen, eingreifen, verunsichern können, dann werden Sie auf den härtesten Widerstand der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stoßen, das kann ich Ihnen sagen. Das war bis jetzt so, und das wird mit Sicherheit auch weiterhin so sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen, dass damit natürlich auch der 11. Punkt, der gestern auch in der Aktuellen Stunde eine Rolle gespielt hat, von großer Bedeutung ist. Frage 11 lautet nämlich: 

„Die Vorschläge von SPÖ und ÖGB zur Pensionsharmonisierung sind bisher die einzigen, die der Öffentlichkeit bekannt wurden. Welche Vorschläge hat die Regierung beziehungsweise haben Sie als ein zuständiges Regierungsmitglied bisher in die Ver­handlungen eingebracht?“

Nach den bisherigen „Reformen“ – unter Anführungszeichen –, die Sie gemacht haben, ist die Schere noch weiter auseinander gegangen. Die ASVGler werden geschröpft, und der Rest kommt in jeglichen Pensionsreformkonzepten nicht vor.

Das ist nicht in Ordnung! Das ist ein echter wunder Punkt! Sich dann bloß darauf aus­zureden, dass Sie mit den Sozialpartnern oder mit uns nicht zurande kommen, stimmt einfach nicht! (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Letzter Satz: Das stimmt nicht, denn wir haben hier Pensionsreformkonzepte auf den Tisch gelegt, Harmonisierungskonzepte auf den Tisch gelegt, wir haben zu allen we­sentlichen Fragen unsere Konzepte auf den Tisch gelegt. Aber Sie sind einfach arrogant! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist ordnungsrufverdächtig: „arrogant“!) Sie wi­schen es vom Tisch und hören nicht darauf.

Daher gibt es dieses Volksbegehren, und ich hoffe, dass es wirklich ein großer Erfolg wird. (Lang anhaltender lebhafter Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grü­nen.)

15.22

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Cap! Für das Wort „arrogant“ wurden in früheren Zeiten schon Ordnungsrufe erteilt. Wir werden diese Debatte jetzt nicht mit Ordnungsrufen beginnen, aber ich bitte alle, dass sie die Sprache des Hohen Hauses berücksichtigen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Ich bitte jetzt Herrn Bundesminister Mag. Haupt, der sich zu einer Stellungnahme zum Gegenstand zu Wort gemeldet hat, das Wort zu ergreifen. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Minister.

 


15.23

Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Mag. Herbert Haupt: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuseher zu Hause und auf der Zuschauertribüne! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeord­nete! Etwas, Herr Kollege Cap, verwundert mich oder verwundert mich eigentlich schon gar nicht mehr: Die sozialdemokratische Fraktion hat die gleiche Dringliche An­frage, und zwar nahezu wortidentisch, vor knapp einer Woche im Bundesrat gestellt. Offensichtlich war dort die Medienöffentlichkeit nicht so ausreichend, sodass Sie heute diese Anfrage wiederholen müssen. (Abg. Schieder: Oder die Antworten so schlecht!)

Besser ist Ihre Anfrage, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie, nicht geworden und nach einer Woche auch nicht dringlicher. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

Ich gebe Ihnen aber Recht, sehr geehrte Damen und Herren, wenn Sie sagen, dass das Pensionsthema ein Thema ist, das alle Generationen in Österreich nicht nur berührt, sondern auch bewegt.

Sie, Herr Kollege Cap, haben gesagt: Das hat die ältere Generation in diesem Staate nicht verdient! – Ich bin der gleichen Meinung, aber, bitte, wie argumentieren Sie, Herr Kollege Cap, nachdem Sie nahezu 50 Jahre lang das Sozialressort in der Zweiten Republik – mit Ausnahme der Zeit von 1966 bis 1970 – innegehabt haben, dass Sie dieser Bundesregierung und der vorangegangenen Bundesregierung gerade für die Aufbaugeneration nach dem Zweiten Weltkrieg ein Pensionssystem hinterlassen haben, das im Jahre 2000 den Pensionisten im ASVG-Bereich im Durchschnitt Pensionen von 708 € zuerkannt hat?

Sehr geehrter Herr Kollege Cap, wie rechtfertigen Sie das? 50 Jahre haben Sie für die Aufbaugeneration im Sozialministerium in dieser Republik gearbeitet, und heraus kam als Leistungsbilanz eine durchschnittliche Pension von 708 €!

Ich möchte dem nur kurz die Zahlen entgegenstellen: Ich bin nicht zufrieden, aber die heutigen 768 € im Durchschnitt in der gesamten gesetzlichen Pensionsversicherung und die 793 € im ASVG-Bereich sind auf jeden Fall mehr als das, was Sie in 50 Jahren für die Aufbaugeneration hier in Österreich geschafft haben. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

Es ist auffallend, Herr Kollege Cap, dass Sie bei Ihren Beispielen immer das Lebens­alter und die Versicherungszeiten anführen, aber nie die Beitragszeiten, also jene Zeiten, in welchen die Menschen tatsächlich in Arbeit gestanden sind. Dann könnten Sie nämlich nicht mehr so viele Menschen in Österreich verunsichern! Wenn jemand mit langer Lebensdauer nur 15, 16, 17 oder 18 Jahre voll gearbeitet und nur in dieser Zeit die vollen Beitragsäquivalente in die Pensionsversicherung eingezahlt hat, dann kann er keine sehr hohe Pension bekommen. Wir befinden uns nämlich immer noch in einem Versicherungssystem und nicht in einem Wunschsystem von Weihnachten und Ostern zusammen. (Abg. Mag. Lapp: Das ist sehr überheblich!)

Daher hat diese Bundesregierung auch konsequenterweise die Ausgleichs­zulagen­richt­sätze sowohl für Alleinstehende als auch für Ehepaare in den letzten vier Jahren überproportional erhöht. Sie haben in der Zeit, in der Sie die soziale Verantwortung hatten, die Ausgleichszulagenbezieher immer als jene bezeichnet, die die größte so­ziale Bedürftigkeit in diesem Lande hätten und daher als Erste Hilfe bräuchten. In diesem Punkt hat diese Bundesregierung ein Zeichen gesetzt und ist dieser


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Aufbaugeneration entgegengekommen, denn wir wissen, dass Frauen in der dama­ligen Zeit nur sehr schlechte Chancen gehabt haben, 35 oder 40 Beitragsjahre zu errei­chen und nicht nur Versicherungs- und Ersatzjahre. Gerade deswegen haben wir in diesem Punkt gehandelt, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei den Frei­heit­lichen und der ÖVP.)

Ich bin durchaus Ihrer Meinung, sehr geehrter Kollege Cap, wenn Sie sagen, dass ein Volksbegehren eine wichtige Angelegenheit ist. Meine Fraktion vertritt im Österreich-Konvent für Volksbegehren, also für die direkte Demokratie in diesem Staate, eine deutlich bessere Position als Ihre Fraktion. Ich bitte Sie aber, das Instrument der direkten Demokratie nicht dafür zu verwenden, um Ihre Untätigkeit im österreichischen Parlament durch Unterstützungen der Bürger nachzuholen.

In Ihrer Präambel, Herr Kollege Cap, ist Folgendes falsch: Nicht Sie haben mit Ihren Protestmaßnahmen eine Verbesserung des Erstentwurfs erreicht, sondern ausschließ­lich die Abgeordneten der beiden Regierungsfraktionen (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), und da vor allem die Arbeitnehmerfraktion meiner eigenen Partei. Diese haben diese Verbesserungen nicht nur erreicht, sondern auch die 10-prozentige Deckelung für alle Bevölkerungsschichten durchgesetzt und auch vertragsmäßig abgesichert. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Daher ersuche ich Sie dringend, in Ihren Modellen nicht mehr von 20, 30 und 40 Pro­zent Verlust zu sprechen, zumal auch Ihnen so wie jedem anderen hier bekannt ist, dass der maximale Verlust 10 Prozent für alle Bevölkerungsschichten gleicher­maßen betragen kann – nicht mehr, aber sehr wohl in vielen Fällen deutlich weniger. In manchen Punkten gibt es im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern in Österreich auch noch Gewinner der Pensionsreform 2003.

Wenn Sie, Herr Kollege Cap, Ihren Brief hier vorgelesen haben, dann darf ich Ihnen sagen, dass auch mich als Sozialminister sehr viele Briefe erreicht haben. Viele der Briefschreiber haben mich gefragt, ob ich denn vergessen habe, dass das einzige Mal, als es wirklich einen Pensionsraub gegeben hat, dies nach dem Brief Ihres damaligen Vorsitzenden und Bundeskanzlers Vranitzky der Fall war. Man hat mir die damaligen Brutto- und Nettobeiträge mitgeteilt.

Ich bin der Meinung, es nützt den Pensionistinnen und Pensionisten heute nichts mehr, über die Vergangenheit zu richten, aber ich würde meinen, Herr Kollege Cap: Schauen Sie zunächst, dass Sie den Balken im eigenen Auge entfernen, ehe Sie den Sparren der Bundesregierung entfernen! Das wäre nur seriös und für einen Politiker an­gebracht, der für sich die Verantwortlichkeit und die Seriosität zumindest in seinen Reden hier im Parlament gepachtet hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Vergessen Sie nicht, dass Sie, wenn Sie die Pen­sionsreform 2003, so wie es Ihr politisches Vorhaben ist, aushebeln, damit dann der jüngeren Generationen eine deutlich höhere Bürde zur Bewältigung des Genera­tionen­problems aufoktroyieren. Ich habe hier eine Tafel mit Zahlen aus meinem Ministerium, wo es um den Beitrag des Bundes zu den Pensionen geht, und zwar mit Ausnahme jenes für Beamte. (Der Redner zeigt in der Folge mehrere Schautafeln vor, mit welchen er seine Ausführungen veranschaulicht.)

Sehr geehrte Damen und Herren von den Oppositionsparteien, ich bitte Sie, diese offiziellen Zahlen zur Kenntnis zu nehmen: Der Bundesbeitrag für die Pensionen – ohne Beamte – hat im Jahre 1990 3,809 Milliarden € betragen, im Jahre 1995 4,876 Milliarden €, im Jahre 2000 4,865 Milliarden €. – Man beachte dabei den gerin­gen Unterschied zu den insgesamt fünf Jahren Steigerung des Bundesbeitrages in Ihrer sozialdemokratischen Verantwortung! Im Jahre 2005 wird der Bundesbeitrag 7,286 Milliarden € betragen.


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Ich meine, dass jeder, der diese Graphik sieht, erkennen kann, dass dieser Betrag nicht sinken, sondern steigen wird – und dass ausschließlich im ASVG-Bereich. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, für Ihre eigenen Zahlen und jene Ihrer Beamten die Verantwortung zu übernehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe der Abg. Silhavy.)

Sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ, Sie und auch der Österreichische Ge­werkschaftsbund liefern ja in Ihrem Beitrag zur Pensionsreform eine sehr gute Ana­lyse – Kollege Verzetnitsch nickt, und das ist auch klar, denn Herr Kollege Verzetnitsch hat sich als Präsident des Europäischen Gewerkschaftsbundes ebenfalls dafür ein­gesetzt, dass in Europa Menschen über 60 Jahren mehr Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden; diese Ziele wurden ja gemeinsam in Lissabon verhandelt und be­schlossen. Für jedes Jahr: fünf Jahre Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters bis zum Jahre 2010. – Sie, Herr Kollege Verzetnitsch, und auch die sozial­demo­kra­tische Fraktion, wissen daher ganz genau, wie die Rahmenbedingungen aus­schauen.

Ich darf aus einer ÖGB-Broschüre zitieren:

„Ein steigender Altenanteil bedeutet steigende Kosten für die Alterssicherung.

Neue Formen der Erwerbsarbeit und Veränderungen der Erwerbsbiografien, weniger Teilnehmer in der Solidargemeinschaft bedeuten geringere Beiträge für die Alters­sicherung.

Herausforderung ,Alterung der Gesellschaft. Grundsätzlich erfordert eine ,alternde Gesellschaft Systemanpassungen; es sind zunehmend Mittel für die Alterssicherung notwendig. Demografiebedingte steigende Kosten müssen auf ein gesellschaftlich akzeptiertes Ausmaß eingedämmt und innerhalb und zwischen den Generationen gerecht verteilt werden.“ – Zitatende.

Das also ist nachzulesen in einer Broschüre des Österreichischen Gewerkschafts­bundes.

Sehr geehrter Herr Kollege Verzetnitsch! Sehr geehrte Damen und Herren! Weiters heißt es hier – ich lese vor, was da unter der Überschrift „Pensionsalter“ steht –:

„Das faktische Pensionsantrittsalter muss näher an das Regelpensionsalter heran­geführt werden. Ein Hinaufsetzen des gesetzlichen Pensionsalters alleine ist allerdings keine Lösung. Es müssen gezielt Maßnahmen gesetzt werden:“ (Abg. Verzetnitsch: Eben!)

Erstens, Kollege Verzetnitsch: „Eindämmung der hohen Invalidisierungsraten durch erhöhten Gesundheitsschutz.“ (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch.)

Sie, Herr Kollege Verzetnitsch, und wir haben gerade gefeiert, dass die AUVA und der Gesundheitsschutz in Österreich erstmalig die 100 000-Marke unterschritten haben, und wir waren uns auch darin einig, dass gerade mit dem erhöhten Gesundheitsschutz auf dem Arbeitsmarkt in Österreich europaweit beste Ziele erreicht werden konnten.

Gemeinsam, Herr Kollege Verzetnitsch, werden wir auch darauf achten, dass diese erfolgreiche Arbeit weitergeht. (Abg. Verzetnitsch: Weiterlesen!)

Sie sehen das ja auch bereits an den Zahlen bei den Frühpensionen. Von einer Zahl von über 200 000 in diesem Bereich sind wir auf 189 000 heruntergekommen. – Die gesundheitliche Gefährdung ist also gesunken, Herr Kollege Verzetnitsch! (Abg. Verzetnitsch: Weiterlesen!)

Wir waren also – auch im Sinne des Österreichischen Gewerkschaftsbundes – in dieser Zeit bereits erfolgreich. Wir werden aber in Zukunft gemeinsam sicherlich noch erfolgreicher werden; wir arbeiten ja an einem gemeinsamen Ziel. Daher ist es meiner


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Überzeugung nach nicht einmal nachfragenswert, warum man die Reform 2003 wieder aushebeln sollte, wo wir uns doch gemeinsam auf dem richtigen Weg befinden und die Beschäftigungsrate der Menschen über 60 Jahre deutlich erhöhen konnten.

Sie, Herr Kollege Verzetnitsch, ja alle hier im Parlament, kennen die diesbezüglich steigenden Zahlen: 6,9 Prozent mehr bei den Männern; insgesamt 25 000 Ar­beitneh­merinnen und Arbeitnehmer mehr. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) – Frau Kollegin Silhavy, regen Sie sich nicht auf! Das, was ich soeben gesagt habe, ist doch unser ge­mein­sames Ziel: das Ziel des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, das Ziel des internationalen Gewerkschaftsbundes und das Ziel dieser Bundesregierung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Silhavy: Wie schaut es mit der Arbeits­losigkeit aus?)

Wir werden nicht nachlassen, das Sozialste in Österreich zu schaffen: Arbeit für alle österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Kollege Verzetnitsch, Sie wissen, dass ... (Abg. Silhavy: ... die Arbeitslosigkeit!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Abgeordnete Silhavy, Sie kommen dann später als Rednerin zu Wort! Am Wort ist jetzt Bundesminister Mag. Haupt.

 


Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Mag. Herbert Haupt (fortsetzend): Sie wissen, dass Österreich da einen gewissen Nachholbedarf hat. Und Sie wissen auch, Herr Kollege Verzetnitsch, dass wir, die Ar­beitnehmervertreter und die Regierungen, das gemeinsam in Lissabon vereinbart ha­ben: Fünf Jahre Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters bis 2010.

Herr Kollege Verzetnitsch, Sie können in Lissabon nicht „A“ – und in Österreich den Pensionisten und den Arbeitnehmern „B“ sagen! Das ist mit Sicherheit nicht seriös, Herr Kollege Verzetnitsch! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Schie­der: Fragen beantworten!)

Sie wissen, Herr Kollege, dass ich 10 Minuten Zeit dazu habe, und ich werde meine Re­dezeit auch dazu nutzen. Und wenn Sie nicht dazwischenrufen, werde ich auch mit meiner Redezeit innerhalb des Zeitrahmens auskommen. (Abg. Schieder: Sie reden schon 15 Minuten, ohne Fragen beantwortet zu haben!)

Hier auf dieser Tafel können Sie sehen (der Redner zeigt eine Tafel): Pensionen: brut­to 820 €, netto 2003 789,53 €. Durch die Steuerreform werden die in Pension Befind­lichen um 30,47 €, das sind 3,86 Prozent, mehr kriegen. Da geht es um Kleinst­pen­sionisten. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Weiters: Bruttopension 860 €, Nettopension 820,04 €, also um 36,23 € mehr; Brutto­pension 900 €, also 29,78 € oder 3,50 Prozent Gewinn im Jahre 2004; Bruttopension 940 €, 879,59 € im Jahre 2003, also um 25,88 Prozent Zuwachs; 905,47 € in Zukunft.

Genau darauf zielen wir ab: die Bezieher der kleinen, kleinsten und mittleren Pen­sionen jetzt in dieser Etappe einmal zu entlasten. Wir werden uns dabei nicht behin­dern lassen, denn das ist die Generation, von der Sie, Herr Kollege Cap, richtigerweise ge­sagt haben, dass sie zu Recht mehr Geld in ihrer Brieftasche erwarten kann. Dafür werden wir innerhalb dieser Bundesregierung auch in den nächsten Jahren sorgen, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie! (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.)

Lassen Sie mich noch einen kleinen Ausflug zu der Debatte, die es gestern im Rahmen der Aktuellen Stunde gab, machen!


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Herr Kollege Öllinger, ich habe es „wunderschön“ gefunden, dass Sie gestern in der Diskussion um die Höhe der Pension des derzeit amtierenden Bundespräsidenten erstens vergessen haben (Abg. Schieder: Vielleicht werden Sie einmal zu den Fragen kommen!), wie hoch die Pension des zukünftigen Bundespräsidenten oder der zukünf­tigen Bundespräsidentin sein wird, und dass Sie aber auch, zweitens, das Wichtigste vergessen haben, nämlich, dass Sie dieser Pyramidenregelung – Sie, Herr Kollege Öllinger! – zugestimmt haben. (Oh-Rufe bei den Freiheitlichen.) Es gab dafür die Zu­stim­mung der Liberalen, der Grünen, der Sozialdemokraten und der Österreichischen Volkspartei. Man sollte sich, wenn man sich zu einer Einkommenspyramide ent­schlossen hat, die solche Auswirkungen hat, denn doch nicht davon distanzieren!

Herr Kollege Öllinger, ich habe immer gedacht, Sie seien seriöser, als Sie sich gestern verhalten haben. (Abg. Öllinger: Es kommt noch die Antwort!) Ich bin gespannt darauf, wie Sie das heute argumentieren werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen von der Sozialdemokratie, ich weiß, Sie hören es nicht sehr gerne ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister! Wir haben jetzt 15 Minuten all­gemeine Einleitung gehört. Ich darf Sie bitten, irgendwann einmal zur Beantwortung der Fragen zu kommen!

 


Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Mag. Herbert Haupt (fortsetzend): Herr Präsident, keine Angst! – Die Sozialdemo­kratie hat uns in den 30 Jahren Ihrer Politik 6 Millionen Schilling an Schulden pro Stunde hinterlassen, alte Schillinge. Der Schuldenberg macht 2 000 Milliarden – alte – Schil­linge aus.

Sie sollten das nie vergessen, sehr geehrte Damen und Herren! Ich drücke es des­wegen in Schillingen aus, damit die Pensionisten es auch wirklich mitbekommen, weil die Pensionisten in Österreich, wie wir wissen, noch immer lieber in Schilling rechnen als mit dem neuen Euro! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Nun komme ich zur Beantwortung der einzelnen Fragen. (Rufe bei der SPÖ: Auf gehts!)

Meine Damen und Herren, nur mit der Ruhe! (Abg. Nürnberger: Wo sind sie denn, die Fragen?) – Die Antworten bekommen Sie sofort. (Ruf: Vollkommen planlos!)

Zur Frage 1:

Vor der Pensionssicherungsreform 2003 zeigten alle mittel- und langfristigen Progno­sen ein Ansteigen sowohl des Pensionsaufwandes in Relation zum BIP als auch in weiterer Folge des Bundesbeitrages. Ziel der Reform 2003 war es daher, diese stei­gen­den Trends auf einem niedrigen Niveau zu stabilisieren.

Andererseits benötigen gerade schonende und sozial ausgewogene Reformen im Pensionsbereich eine sehr lange Vorlaufzeit, bis sie voll wirken. Daher müssen sie im Sinne einer langfristigen Sicherung des Pensionssystems so früh wie möglich begon­nen werden. Auf Grund der Übergangsfristen kann von „drastischen Sofortkürzungen“ nicht die Rede sein.

Zur Frage 2:

Festzuhalten ist, dass sich die Nettoverluste im angefragten Bereich bewegen. Eine endgültige Aussage ist derzeit nicht möglich, da kaum noch Personen gemäß der neuen Rechtslage in Pension gegangen sind. Eine abschließende Bewertung wird nach Ende des Jahres 2004 möglich sein.


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Aus meiner Sicht ist allerdings zu bemerken, dass derzeit eine nicht unerhebliche An­zahl von Frauen von der neuen Rechtslage profitiert, und zwar vor allem bei Inan­spruch­nahme von vorzeitigen Alterspensionen bei langer Versicherungsdauer.

Zur Frage 3:

Diesbezüglich darf auf die Frage 2 verwiesen werden. In Ergänzung zu den zu dieser Frage getätigten Ausführungen kann Folgendes gesagt werden: Es wird erwartet, dass rund 10 Prozent der Neuzugänge des Jahres 2004 keine Kürzungen beziehungsweise sogar eine Erhöhung ihrer Pensionen erfahren. Letzteres betrifft insbesondere Frauen, die eine vorzeitige Alterspension wegen langer Versicherungsdauer in Anspruch neh­men. (Abg. Dr. Niederwieser: Das war aber keine Antwort!)

Zur Frage 4:

Festgestellt werden muss, dass die Zahl der Versicherungsjahre nichts darüber aussagt, wie lange jemand tatsächlich gearbeitet hat. Die Bundesregierung hat stets betont, dass lange Erwerbstätigkeit auch belohnt werden soll. Die Pensionssiche­rungs­reform geht davon aus, dass männliche Versicherte mit 45 Versicherungsjahren bei Vollendung des 65. Lebensjahres einen Anspruch auf Pension in der Höhe von 80 Pro­zent der Bemessungsgrundlage haben.

Bei einem früheren Pensionsantritt muss mit einem Abschlag gerechnet werden. Der Abschlag wird im Gegensatz zur „Hacklerregelung“ bei der normalen vorzeitigen Alters­pension vom 65. Lebensjahr berechnet. Wenn nicht mehr als 45 Versicherungs­jahre vorliegen, wird der Abschlag von maximal 80 Prozent berechnet und in Abzug ge­bracht.

Für Personen, die viele Beitragsjahre erworben haben – das heißt, lange gearbeitet haben, mindestens 45 Beitragsjahre inklusive bestimmter Ersatzzeiten –, wird der Ab­schlag nur vom individuell angehobenen Anfallsalter für die vorzeitige Alterspension gerechnet. Liegen mehr als 45 Versicherungsjahre vor, gibt es nicht einmal einen 80-prozentigen Deckel, sondern die lange Erwerbstätigkeit wird sich zusätzlich positiv in der Rechnung niederschlagen.

Zur Frage 5: „Welche Begründung finden Sie für den Umstand, dass Männer, die mit 45 Beitragsjahren unter die von Ihnen groß propagierten ‚Schutzbestimmungen für so genannte ‚Hackler fallen und noch mit 60 in Pension gehen können, aber ebenfalls 10 Prozent Kürzungen ihrer Pension erhalten?“ (Abg. Dr. Niederwieser: Fragen braucht man nicht vorzulesen!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Generell muss dazu gesagt werden, dass von der Langarbeitszeitregelung Frauen mehr profitieren als Männer. Das hängt damit zusammen, dass Frauen schon nach der alten Rechtslage selten über 80 Prozent an Steigerungsbetrag gekommen sind. Der Vorteil der „Hacklerreglung“ besteht vielmehr darin, dass weiterhin eine frühere Inanspruchnahme der Pensionen möglich ist und dass der Abschlag nicht vom Regelpensionsalter, sondern vom jeweils gültigen indi­viduellen Anfallsalter für die vorzeitige Alterspension berechnet wird. Es werden be­stimmte Ersatzzeiten – die Zeiten der Kindererziehung und die Zeiten des Militär­dienstes – nunmehr wie Beitragszeiten gewertet.

Zur Frage 6:

Die Pensionshöhe, bei der eine Leistung aus dem Härtefonds möglich ist, richtet sich nach dem sozialrechtlichen Existenzminimum für Ehepaare – das sind 1 015 €. Dieser Wert wurde seit 1990 um mehr als 20 Prozent erhöht. Bei unserem Regierungsantritt im Jahre 2000 betrug die durchschnittliche Pension gerade 708 € in der gesamten


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gesetzlichen Pensionsversicherung. Pensionen von 1 015 € sind daher leider im obe­ren Drittel angesiedelt.

Zur Frage 7:

Die Pensionsanpassungen für die Jahre 2004 und 2005 sehen sehr wohl eine wert­sichernde Pensionsanpassung für alle Pensionsleistungen bis zur Höhe der Media­npension vor. Die Tatsache, dass die darüber liegenden Pensionen nur einen Fixbe­trag von rund 10 € pro Monat erhalten, ist als Solidarbeitrag dieser Personengruppe zum Gesamtpaket der Pensionsreform 2003 zu sehen. Ab 2006 werden alle Pensionen mit der vollen Inflationsrate angepasst – eine Regelung, die von allen Pensionisten­organisationen verlangt wurde. Eine Rücknahme der Pensionsreform würde das leidige System der Nettoanpassung, das bis dato noch keiner richtig verstanden hat, weiter perpetuieren.

Zur Frage 8:

Die Aussage zu dieser Frage ist nicht richtig. Im Rahmen der Langfristszenarien, die für den Runden Tisch zur Pensionsharmonisierung erstellt wurden, finden sich sehr wohl Berechnungen, die ein deutlich stärkeres Ansteigen der Pensionsaufwendungen mit sich bringen.

Zur Frage 9:

Ja. Infolge der Prämisse, dass jeder Beitrags-Euro zu einer gleichen Pensionsleistung führen soll, wurden natürlich verschiedenste Szenarien berechnet. Ich möchte betonen, dass rund 70 Prozent der Berechnungen zur Harmonisierung auf Grund von Wünschen der Arbeitnehmervertreter im Verhandlungsteam, Arbeiterkammer und ÖGB, erfolgt sind.

Zur Frage 10:

Da ich nicht weiß, welche Annahmen dieser Aussage des Herrn Bundeskanzlers zugrunde liegen, werde ich sie auch nicht kommentieren.

Zur Frage 11:

Ich habe bereits wiederholt meine Vorstellung zur Pensionsharmonisierung öffentlich dargelegt. Wie Sie wissen, habe ich mich unter anderem hinsichtlich des Übergangs­rechts für eine Stichtagsregelung ausgesprochen. Unstrittig ist, dass die Leistungen mit 45 Versicherungsjahren zum 65. Lebensjahr 80 Prozent der Bemessungsgrundlage ergeben sollen.

Außerdem besteht in etwa 50 Prozent der Fragen, die die Experten als Eckpunkte diskutieren, auf Expertenebene bereits Einigung. Ich erachte es nicht für sinnvoll, dass einzelne Gruppen ihre Ideen und Meinungen vor den Verhandlungen als das einzig Wahre darstellen, sich damit einzementieren und den Verhandlungsspielraum er­schweren. Ich setze alles daran, dass die Harmonisierung, die von breiten Kreisen der Bevölkerung dringend gefordert wird, auch am Verhandlungstisch möglichst bald, mög­lichst umfassend und möglichst konsensual mit den Sozialpartnern gelöst wird.

Zur Frage 12:

Seriöserweise kann diese Frage erst nach Abschluss der Verhandlungen beurteilt werden. Jedenfalls gilt der 10-Prozent-Deckel heute bereits für nicht in der gesetz­lichen Pensionsversicherung Versicherte.

Zur Frage 13:

Wenngleich ich die Frage 9 mit Ja beantwortet habe, möchte ich dazu noch eindeutig festhalten, dass ich nicht daran denke, die Pensionsreform 2003 zurückzunehmen.


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Das würde in erster Linie erheblich zu Lasten der jüngeren Generation gehen und im Jahre 2010 einen Mehrbedarf und einen Mehrhandlungsbedarf von rund 2 Milliarden € auf Kosten der jüngeren Generation erzeugen. Das halte ich nicht für vertretbar! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Silhavy: Und die „Eurofighter“?)

15.47

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Danke dem Herrn Bundesminister für seine Stellung­nahme.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. 10 Minuten Wunsch- und gesetzliche Redezeit. – Bitte, ich erteile Ihnen das Wort. (Abg. Mag. Molterer: Am Wort ist die Nummer zwei der SPÖ! – Weitere Zwischenrufe. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

 


15.47

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! (Abg. Scheibner: Wie war es in Brüssel?) Vielleicht einige Klarstellungen zu dem, was der Sozialminister uns hier zu erzählen versucht hat. Ich beziehe mich nur auf die offiziellen Zahlen aus Ihrem Ministerium.

Sie sprechen immer wieder die Pensionskürzungen in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre an. Nun halten wir einmal fest, Herr Bundesminister: Zwischen 1996 und 1999 betrug die Inflationsrate akkumuliert 4,7 Prozent, die allgemeinen Pensionserhöhungen in dieser Zeit betrugen 5,13 Prozent. Das heißt, in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre gab es noch immer einen realen Wertzuwachs bei den Pensionen.

Wenn wir nun die Periode zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2003 hernehmen, dann stellen wir fest, dass es eine akkumulierte Inflation von 7 Prozent und eine all­gemeine Pensionserhöhung von 3 Prozent gegeben hat. (Abg. Ellmauer: Da gibt es nicht ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das heißt, der reale Wertverlust betrug unter Ihrer Regierungsägide 4 Prozent, und das trifft die Pensionisten wirklich ganz deutlich! (Beifall bei der SPÖ. – Widerspruch bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich verstehe Ihre Aufregung. (Abg. Ell­mauer: Drei Jahre 7 Prozent ...!) Diese Art von Pensionskürzungen verantworten zu wollen, gelingt nicht einmal Ihnen. (Abg. Ellmauer: Die letzten drei Jahre: 1,8 Prozent Erhöhung!) Es ist verantwortungslos, die Pensionen der Ärmsten in unserem Land laufend zu kürzen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Im Übrigen sage ich Ihnen dazu, Sie sollten sich auch einmal eine Untersuchung des Wifo anschauen, die herausgefunden hat, dass die Teuerungsrate, die die Pen­sionis­ten trifft, in Wirklichkeit höher als die allgemeine Teuerungsrate ist. Das Wifo hat näm­lich herausgefunden, dass die Preise für die Güter des täglichen Bedarfs ungefähr doppelt so stark gestiegen sind wie allgemein die Inflationsrate in unserem Land. Das heißt, Pensionisten, die von ihrem geringen Einkommen in erster Linie Güter des täg­lichen Bedarfs zu kaufen haben, sind von der Teuerungsrate stärker betroffen als der Rest der Bevölkerung. (Abg. Neudeck: Cap hat aber gesagt, beim „Hofer“ ist alles so billig!)

Wenn diese Pensionisten jetzt zusätzlich noch Kürzungen der Pensionen erfahren, dann heißt das nichts anderes als eine laufende Senkungsstrategie für die Pensionen in unserem Land. Das halten wir nicht für fair, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


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Sie weisen darauf hin, dass Sie die Pensionssicherungsreform – ich sage: Pen­sionskürzungsreform – vor allem für die Jungen gemacht haben. Es gibt viele unter 35-Jährige, die sich inzwischen die Mühe gemacht haben, nachrechnen zu lassen, wie viel sie nun an privater Pensionsvorsorge leisten müssen, damit das ausgeglichen wird, was sie durch Ihre Pensionskürzungsreform verlieren werden. Ich habe erst vorige Woche mit zwei von ihnen gesprochen.

Einer, der ein recht gutes Einkommen hat – ein junger Techniker, 25 Jahre alt, der im Monat 1 100 € verdient –, hat sich Folgendes ausrechnen lassen: Nur um die Kür­zungen auszugleichen, müsste er eine private Pensionsvorsorge von über 200 € pro Monat durchführen – damit nur das ausgeglichen wird, was Sie ihm weggenommen haben! („Unglaublich!“-Rufe bei der SPÖ.) Das heißt, jemand, der 1 100 € pro Monat verdient, muss 18 Prozent seines Nettoeinkommens dafür verwenden, diese Pen­sionskürzungen in Zukunft auszugleichen. (Widerspruch bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist nicht Pensionssicherung für die Ju­gend, sondern ein ganz klarer Kahlschlag unseres sozialen Pensionssystems! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dabei habe ich jetzt bewusst das Beispiel eines jungen Menschen genommen, der über ein gutes Einkommen verfügt. Die Arbeiterkammer Oberösterreich hat vor kurzem festgestellt, dass 57 Prozent aller unter 29-Jährigen große Schwierigkeiten haben, überhaupt ihren Lebensunterhalt mit dem Einkommen, das sie durch Arbeit verdienen, abzudecken. Das heißt, 57 Prozent der heute Jungen sind schon darauf angewiesen, dass sie, selbst wenn sie arbeiten gehen und eine Arbeit haben, Eltern oder Großeltern haben, die ihnen bei den wesentlichsten Dingen unter die Arme greifen. Dieser Ge­neration sagen Sie: Leistet gefälligst private Vorsorge, dann werdet ihr irgendwann auch eine anständige Pension bekommen!

Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Wie sollen diese 57 Prozent der unter 29-Jährigen, die heute schon Schwierigkeiten haben, ihren Lebensunterhalt zu finan­zie­ren, pro Monat noch 100 oder 200 € zur Seite legen, damit sie irgendwann eine an­ständige Pension bekommen? – Ich habe die große Befürchtung, Herr Bundesminister: Mit dieser Pensionssicherungsreform machen Sie die heutige Jugend zu einer Ge­neration der Armut im Alter. Genau das muss verhindert werden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Haupt.)

Es ist leider so, dass Sie in Bezug auf das ÖGB-Konzept ganz gut begonnen haben, Sie haben die erste Seite vorgelesen. Ich frage mich, wieso Sie nicht das gesamte Kon­zept vorgelesen haben. Das wäre eine bedeutend bessere Beantwortung der Dring­lichen Anfrage gewesen als das, was Sie uns hier geboten haben, Herr Minister! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesminister Mag. Haupt: Für Sie schon!)

Sie haben im Übrigen darauf hingewiesen, dass Sie das „sozialste“ Österreich bauen wollen, mit „Arbeit für alle“. (Bundesminister Mag. Haupt: Richtig!) Ich halte das für eine unterstützenswerte Zielsetzung. (Bundesminister Mag. Haupt: Danke!) Aber, Herr Bundesminister, seit Sie im Amt sind (Abg. Ellmauer: Mit Demonstrationen ...!), steigt die Arbeitslosigkeit in Österreich dramatisch an und hat im heurigen Jahr den Höchststand seit 1945 erreicht. (Abg. Dr. Partik-Pablé: ... keine Kausalität! – Zwi­schen­rufe bei der ÖVP.) Mit Ihrer Politik wird nicht Arbeit geschaffen, sondern die Arbeitslosigkeit erhöht, und das ist das Problem Ihrer Politik, meine Damen und Her­ren! (Beifall bei der SPÖ.)

Hier kommt es nicht zu einer Vermehrung ... (Bundesminister Mag. Haupt: Wien al­leine ist daran schuld, Herr Kollege, und das wissen Sie genau!) – Jetzt kommt er wieder mit Wien: Sozusagen Wien ist das einzige Problem, alles andere ist wunderbar!


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Soll ich Ihnen etwas sagen? (Bundesminister Mag. Haupt: Nein, Wien alleine ist an dem Zuwachs schuld!) – Ihr Zynismus in Bezug auf die Bundeshauptstadt Wien wird bei der nächsten Landtagswahl abgerechnet. Sie werden sich noch anschauen, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesminister Mag. Haupt: ... wie Wien zu helfen ist ...!)

Ihre Hilfe für die Wienerinnen und Wiener? – Sie müssen wissen, er gibt mir hier immer die Stichworte ins Ohr. (Bundesminister Mag. Haupt: Richtig!) Die können Sie leider nicht hören. Herr Präsident, vielleicht können Sie ihm auch ein Mikrophon geben, dann können wir eine Doppelconference durchführen (Bundesminister Mag. Haupt: Wäre eh gut!), damit die Menschen gleich mitbekommen, wie dünn und flach die Argumente des Sozialministers sind, der nicht imstande sein wird, hier die hohe Arbeitslosigkeit wegzureden. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Pensionsfrage ist an sich zu ernst, um sich auf die Ebene Ihrer Antworten bei der Dringlichen Anfrage zu begeben, denn was hier geschieht, ist nicht nur, dass die Menschen, die jetzt in Pension gegangen sind, bis zu 10 oder 12 Prozent an Pensionskürzungen hinzunehmen und die Jungen mit ganz dramatischen Einbrüchen zu rechnen haben. Das wirkliche Problem dahinter ist, dass der Generationenvertrag aufgekündigt wird! Die große Sorge, die man haben muss, ist doch die Folgende: Wenn die heute unter 35-Jährigen draufkommen, dass sie zwar alle in ein Pensionssystem einzahlen dürfen, dass sie zusätzlich auch private Vorsorge leisten müssen, aber am Ende des Tages keine Pension bekommen werden, von der man vernünftig leben kann, dann wird das politisch ein unhaltbarer Zustand werden!

Ich sage Ihnen, Herr Minister: Nehmen Sie die Chance wahr, wenn das Pensions-Volks­begehren hier ins Haus kommt, eine vernünftige Überarbeitung der Pensions­kürzungsreform des Jahres 2003 vorzunehmen! Mit dem, was Sie beschlossen haben, führen Sie die Jugend in die Armut im Alter, gefährden den Generationenvertrag – und damit das soziale Pensionsversicherungssystem.

Meine Damen und Herren! Das Anliegen der Bevölkerung und das Anliegen der So­zialdemokratie ist, unser soziales Pensionsversicherungssystem zukunftssicher zu machen und nicht, so wie Sie, zu demontieren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeord­neten der Grünen.)

15.56

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. Wunschredezeit: 8 Minuten. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.56

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! (Abg. Parnigoni: Entschuldigen Sie sich zuerst bei den Pensionistinnen und Pensionisten für Ihre Aussage wegen der Euthanasie! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Parnigoni! Sie können sich in der Debatte zu Wort melden, nicht aber pausenlos Zwischenrufe machen! Ich erteile Ihnen das nächste Mal einen Ordnungsruf. (Empörte Zwischenrufe bei der SPÖ. – Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Am Wort ist der Redner! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen. – Abg. Dr. Wittmann: Unglaublich! – Abg. Parnigoni: Erst soll er sich entschuldigen! – Abg. Nürnberger: Er soll sich entschuldigen!)

 


Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (fortsetzend): Meine Damen und Herren! Einen schönen Nachmittag, vor allem Herrn Dr. Gusenbauer! Er hat es trotz seiner inter-


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nationalen und österreichischen Schwierigkeiten geschafft, in der zweiten Hälfte des Sitzungstages auf eine Wortspende vorbeizukommen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Schade, dass Sie sich nicht die Mühe gemacht haben, eine tatsächliche Dringliche Anfrage auszuarbeiten (Abg. Parnigoni: Entschuldigen Sie sich zuerst einmal! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), sondern hier den dritten Aufguss nach Bundesrat und der gestrigen Aktuellen Stunde zum Thema Pensionen vorgelegt haben! Schade, denn meiner Meinung nach wäre es an der Zeit, über die Frage von Altersvorsorge und Pension ernsthaft zu diskutieren! (Abg. Verzetnitsch: Tun wir die ganze Zeit!)

Ich bin gerne bereit, Ihnen dabei mit einigen Fragen nachzuhelfen. Zum Beispiel könn­te man fragen: Wie würde sich die verlangte Rücknahme der Pensions­re­form 2003 auf die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Aktiven und Pensionisten auswirken? Wann wäre das Verhältnis dann 1 : 1? – Oder: Wie wirkte sich ein unge­bremster Anstieg der Bundesausgaben und des Bundesbeitrags für die Pensionen auf das Budget, auf die notwendige Steuerentlastung und auf die Sicherung von Ar­beitsplätzen aus?

Oder, Herr Dr. Gusenbauer, wenn Sie schon aus Studien zitieren: Warum haben wir nie die Empfehlungen des Wirtschafts- und Sozialbeirats der Sozialpartner aus dem Jahre 1991 befolgt? – Dieser hat damals geschrieben: Der Beirat stimmte auch darin überein, dass eine massive finanzielle Belastung der arbeitenden Generation in Zukunft vermieden werden könne, wenn das effektive Pensionsantrittsalter dem ge­setzlichen angenähert würde. Das gesetzliche Pensionsalter soll nicht erhöht, es soll aber tendenziell möglichst ausgeschöpft werden.

Meine Damen und Herren! Warum hat die SPÖ, als sie den Bundeskanzler, den Finanzminister und den Sozialminister gestellt hat, genau diese Forderung der Sozialpartner nicht ernst genommen, hintertrieben und verhindert? (Abg. Verzetnitsch: Herr Tancsits! Was ist die Lösung der Pensionsreform 2003 zu dieser Frage?) Das ist die Frage, die wir uns heute tatsächlich zu stellen hätten.

Herr Dr. Gusenbauer und Sie von der sozialdemokratischen Fraktion! Haben Sie das aus Unwissenheit oder in Verantwortungslosigkeit gegenüber den arbeitenden und den älteren Menschen in diesem Land getan? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es liegt doch völlig auf der Hand, dass gegengesteuert werden muss, wenn wir drei Jahre später in den Beruf eintreten, sechs Jahre kürzer arbeiten und zwölf Jahre länger in Pension sind. Wer da eine Gegensteuerung verweigert, der kündigt den Gene­rationenvertrag auf! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Meine Damen und Herren! Dafür sind wir nicht zu haben!

Wir sind für eine solidarische Pensionsversicherung mit dem notwendigen sozialen Aus­gleich und der Hilfe für all jene, die auf dem Versicherungsweg nicht zu einer Pension kommen. Ich konnte Ihnen das gestern darlegen, etwa mit der Entwicklung der Ausgleichszulagen, die deutlich über der Inflationsrate gelegen ist – seit 2000, vorher nicht, meine Damen und Herren! –, und mit einer notwendigen Begrenzung der Verluste bei einer Pensionsreform.

Wir sind aber auch dafür – was Sie immer verhindert und hintertrieben haben –, dass es die Möglichkeit gibt, über Betriebspension und Eigenvorsorge Eigenleistungen ein­zubringen. (Abg. Verzetnitsch: Wer kann sich das leisten?) Nehmen Sie das den Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmern nicht wieder weg! Stellen Sie das für die Jungen nicht in Frage! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie von der SPÖ behaupten hingegen, es gebe Kürzungen von Pensionen. Sie be­zeichnen es sogar als „Pensionsraub“ und als „Kürzungen“, wenn Erhöhungen des


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Krankenversicherungsbeitrages aus dem Pensionstopf abgegolten werden. Das ist doch ungeheuerlich! Sie legen uns hier Beispiele von Menschen vor, die mit 56 Jahren in Pension gehen, und behaupten, dass das Kürzungen wären, obwohl jeder, der im Jahr 2004 seine Pension antritt, gewusst hat, dass er keinen Abschlag und keinen Pensionsverlust hat, wenn er ein Jahr oder zwei Jahre länger arbeitet. (Abg. Ver­zetnitsch: Was ist mit dem, der mit 61 gegangen ist?) Meine Damen und Herren! Das ist die unseriöse Darstellung der Tatsachen.

Wir haben Maßnahmen gesetzt: Kündigungsschutz für die Älteren, massive Lohn­nebenkostenentlastung für die Älteren. Nehmen Sie es ernst, wenn die Menschen sagen, sie nehmen eine geringere Pension dafür in Kauf, dass sie früher in Pension gehen können. (Abg. Mag. Prammer: Das ist ja nicht wahr, was Sie da sagen! – Abg. Parnigoni: Entschuldigen Sie sich!) Das ist das Pensionskontomodell, und das werden wir so einführen, um auch in diesem Bereich Wahlmöglichkeit zu schaffen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Noch etwas zu Ihrer Anfrage und Ihren ständigen Behauptungen, man hätte das Geld eben aus dem Bundesbeitrag und aus dem Steuerbeitrag nehmen sollen. Ist Ihnen eigentlich nicht bewusst, dass die 3,8 Millionen Erwerbstätigen in diesem Land nicht nur für die Pensionsbeiträge aufzukommen haben, sondern auch für die Steuer? (Abg. Verzetnitsch: Auch für die Abfangjäger! – Abg. Dr. Stummvoll – in Richtung des Abg. Verzetnitsch –: Das Argument ist zu billig! Das ist unter Ihrem Niveau, Herr Präsi­dent! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Ist Ihnen nicht klar, dass das die gleichen Menschen sind, die das zu erarbeiten haben, dass der Bundesbeitrag nicht vom Himmel fällt und nicht aus dem Ausland kommt? Auch bei Ihrem „Champagnisieren“ haben Sie von der Sozialistischen Internationale relativ wenig Geld nach Österreich mitgebracht! Aber vielleicht versuchen Sie es wie­derum. – Herr Dr. Gusenbauer ist ja schon wieder weg, nachdem er uns mit einer zehn­minütigen Wortspende beglückt hat. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Dr. Trinkl: Der ist nach Brüssel gefahren!)

Nein, meine Damen und Herren, ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Geld, das andere Leute erarbeiten, ist das nicht. Der ist eindeutig auf unserer Seite. Die SPÖ will den Generationenvertrag mit ihrer „Hinter-uns-die-Sintflut“-Mentalität aufkündigen. Sie glauben offenbar, dass Sie kurzfristig politischen Erfolg damit haben.

Ich sage Ihnen: Das wird nicht der Fall sein, denn Sie beweisen damit nur, dass Sie nicht bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, und dass Sie nicht regierungsfähig sind. Wir sagen ja zur Verantwortung, zur Zukunft dieses Landes und zur Zukunft künftiger Generationen. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.05

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Dr. Bleck­mann. Auch sie möchte 8 Minuten sprechen. – Frau Abgeordnete, Sie sind am Wort. (Abg. Dr. Jarolim: Herr Kollege Tancsits! Mit Einfalt ist kein Staat zu machen! – Abg. Mag. Molterer: Der Jarolim hat sich in den Spiegel geschaut!)

 


16.06

Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Warum ist diese Dringliche so notwendig? Was ist denn der aktuelle Anlass? (Abg. Parnigoni: Pensionskürzungen sind der Anlass!) – Der einzige aktuelle Anlass ist Ihr Volksbegehren, das Sie ins Leben gerufen haben. Das ist die einzige Aktualität, von der man vielleicht sprechen kann.


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Wären Sie in den letzten Jahrzehnten, in den letzten 15, 20 Jahren in dieser Frage so aktiv gewesen wie jetzt, hätten wir uns sehr viel und hätten sich auch die Menschen in Österreich viel erspart. Hätten Sie ordentliche Aktivitäten gesetzt, dann hätten wir vieles nicht notwendig gehabt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie von der SPÖ haben es verabsäumt, eine langfristige Sicherung des Pen­sions­systems in Österreich herbeizuführen. Sie haben seit 1985 alle drei Jahre eine Re­form – ein „Reförmchen“ – gemacht. Diese Reformen haben vielleicht kurzfristige Bud­getsanierungen herbeigeführt, aber langfristig haben Sie nichts erreicht und nichts geschaffen, denn wäre das so, gäbe es heute schon die Ersten, die nach einem neuen System in Pension gehen könnten. – Sie haben es aber nicht getan. Sie haben es ver­absäumt. Sie haben Ihre Hausaufgaben schlicht und einfach nicht gemacht! (Abg. Dr. Puswald: ... Hausübung ist eine falsche!) Wir stehen nun einmal hier und heute vor diesem Problem, weil Sie das nicht rechtzeitig getan haben.

Wenn Sie den Text Ihres Volksbegehrens einmal genau durchlesen, dann werden Sie bemerken, dass das Wort „Solidarität“ – darum sollte es ja eigentlich auch gehen – kein einziges Mal vorkommt. Es wäre ja der Generationenvertrag, um den es ei­gentlich geht, dass sich Jung und Alt gegenseitig hilft. Die Wörter „Solidarität“ oder „solidarisch“ kommen in Ihrem großen Volksbegehren kein einziges Mal vor. Das ist meiner Meinung nach schon sehr bedenklich. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Weil sie es nicht kennen!)

Für uns geht es nämlich genau um diesen Generationenvertrag: dass er gesichert wird, dass er langfristig ermöglicht wird, dass die Älteren ihre Pensionen erhalten und halten, dass aber auch die Jungen die Sicherheit einer zukünftigen Pension haben. Das ist das, wofür wir auch stehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Kollege Cap, Sie sprechen jetzt so groß von „Belastungen“. Das ist meiner Meinung nach schon fast unverschämt, wenn man nämlich dort, wo man die Möglichkeiten hat – wie in Wien, wo ja die SPÖ herrscht und mächtig ist –, in den letzten Jahren eine Belastung nach der anderen geschaffen hat. 20 Punkte habe ich aufgelistet, ich zähle nur ein paar auf. (Ruf bei der SPÖ: Mehr!) – Es sind mehr, ja. Ich höre „mehr“. Sie wissen es selbst: Wahrscheinlich sind es mehr. Ich zähle Ihnen aber nur ein paar auf: Einführung einer neuen Wiener Stromsteuer, Einführung einer neuen Wiener Müllsteuer, Erhöhung der Städtischen Kindergartengebühren, Erhöhung der Gaspreise und, und, und. (Abg. Scheibner: Da ist überall die Regierung schuld?)

Und da sprechen Sie über 10 € weniger für Pensionisten und sagen, dass das schrecklich ist! Ich sage Ihnen: Es ist schrecklich, vor allem für die Wiener und Wie­nerinnen und für die Pensionisten aus Wien! (Abg. Dr. Fasslabend: Das ist Pensions­raub!)

Diese 20 Punkte bedeuten nämlich für jeden Wiener und jede Wienerin mehr als 10 € weniger. Das ist um vieles mehr, und wir werden dann – so wie Sie es bei der letzten Wahl gesehen haben – bei der nächsten Wiener Landtagswahl sehen, wie die Wie­nerinnen und Wiener sich für diese Herrschaft erkenntlich zeigen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich lese Ihnen drei Zitate vor, und Sie können dann raten, von wem sie sind. (Abg. Dr. Puswald: Das heißt „Rede“ und nicht „Vorlesung“!) – Die Zitate muss ich lesen, damit es dann nicht nachher heißt, ich habe etwas Falsches gesagt.

„Notwendigkeit einer Konsolidierung des Pensionszuschusses: Eine Milliarde Euro bis 2006 einsparen.“ – „Oberösterreichische Nachrichten“ vom 30. Jänner 2003.

„Auslaufenlassen der Frühpensionen“ – „Kurier“ vom 17. Jänner 2003.


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„Einführung einer lebenslangen Durchrechnung zur Berechnung der Pensionshöhe“ – „Oberösterreichische Nachrichten“ vom 30. Jänner 2003.

Von wem, glauben Sie, sind diese Zitate – alle aus dem Jänner 2003? (Abg. Scheib­ner: Puswald! – Abg. Steibl: Gusenbauer!) – Ja. Sie selber wissen es nicht, aber sie stammen von Ihrem Vorsitzenden, Klubobmann Gusenbauer. Im Jänner 2003 spricht er sich genau für das aus, was die Regierung gemacht hat (Abg. Scheibner: Ein kurzes Gedächtnis!): eben für Einsparungen, für das Auslaufenlassen der Früh­pensionen und dafür, einen lebenslangen Durchrechnungszeitraum einzuführen. (Abg. Dr. Puswald: Sie haben es falsch verstanden!)

Es ist genau das, wofür er sich eben auch ausgesprochen hat, als er noch gedacht hat, dass er Verantwortung übernehmen muss und dass es vielleicht gut ist, verant­wortungsvolle Politik zu machen. Doch davon haben Sie sich gänzlich verabschiedet. Sie betreiben Polemik pur auf dem Rücken der Österreicherinnen und Österreicher, Sie machen Panik, und Sie verunsichern die Bevölkerung mit Ihrem Volksbegehren, anstatt sich auf das zurückzubesinnen, was Ihr Obmann, Ihr Vorsitzender noch im Jänner 2003 gesagt hat. Erinnern Sie sich lieber an das, was Sie einmal gesagt haben, als Sie gemeint haben verantwortungsvoll zu sein! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Eine Sache, die ja angeblich auch für Sie so wichtig ist, ist die Harmonierung, für die wir uns jetzt alle einsetzen und durch die endlich das beseitigt wird, was Sie in jahrzehntelanger Arbeit aufgebaut haben, nämlich unterschiedliche Pensionssysteme mit Privilegien für Einzelne wie ein Extradienstrecht bei den ÖBB oder auch für die Sozialversicherungsbediensteten.

All diese unterschiedlichen Pensionshöhen haben Sie ja geschaffen. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik der Ungerechtigkeiten. Und jetzt – Sie schreiben es in Ihrem Volksbegehren – wollen Sie ja auch eine Harmonisierung der Systeme. Na wunderbar, nur sollten Sie es dann nicht mit Ihren Sozialpartnern ständig verhindern. Schauen Sie nicht immer, dass es nicht gemacht wird, sondern beteiligen Sie sich einmal konstruktiv an diesem zweiten Schritt der Pensionssicherung auch für die Jungen! Beteiligen Sie sich konstruktiv an der Harmonisierung und helfen Sie mit, dass wir all die Un­gerechtigkeiten, die Sie geschaffen haben, beseitigen können, damit wir zu einem gerechten System der Pensionen in Österreich kommen!

Wie „ernst“ Sie es mit dieser Harmonisierung meinen, haben Sie ja immer wieder gezeigt: Immer dann, wenn Sie – wie neulich in Kärnten – die Möglichkeit haben, über einen Antrag abzustimmen, der zum Beispiel lautet, umgehend einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen die ASVG-Versicherten und die Gemeinde- und Landes­beamten ein einheitliches harmonisiertes Pensionssystem erhalten sollen und durch den weiters sicherzustellen ist, dass die Pensionen der Politiker um bis zu 20 Prozent gekürzt werden, kommt ein „Njet“, ein Nein. Diese Harmonisierung im Gemeinde- und Landesbedienstetenbereich wollen Sie nicht.

Wir sind sehr gespannt, wie Sie sich in der Zukunft verhalten werden, wenn es darum geht, eine Harmonisierung der Pensionen in Österreich zu erreichen. Wir sind ge­spannt, wie ernst Sie es wirklich meinen, ob Sie nur schöne Worte sprechen oder aber, wenn es darum geht, Taten zu setzen, diese auch wirklich setzen.

Wir werden Sie an das erinnern, was Ihr Vorsitzender immer wieder gesagt hat, und wir werden Sie auch daran erinnern, dass es wichtig ist, die Systeme, die Sie ge­schaffen haben, zu beseitigen und ein gerechtes, faires und einheitliches Pensions­system in Österreich zu schaffen, das die Österreicherinnen und Österreicher verdie­nen. Nach der Harmonisierung muss endlich Schluss mit den Pensionsprivilegien sein, die Sie geschaffen haben. Dann muss jeder Euro gleich viel wert sein, und es muss ein


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leistungs- und beitragsorientiertes Pensionskonto geben, wie es sich die Österreiche­rinnen und Österreicher wünschen. – Dafür setzen wir Freiheitliche uns ein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.14

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Auch seine Wunschredezeit beträgt 8 Minuten. – Sie sind am Wort, Herr Abgeordneter.

 


16.14

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister Haupt, Sie haben mich ja per­sönlich angesprochen, aber dieses „Zuckerl“ der Antwort hebe ich mir noch auf. In Ihrem Redebeitrag haben Sie auch einige Behauptungen aufgestellt, die ich nicht gerne so unwidersprochen im Raum stehen lassen möchte.

Herr Bundesminister, Sie haben beispielsweise davon gesprochen, dass es in den letzten Jahren – konkret seit 2000 – eine überproportionale Erhöhung bei den Aus­gleichszulagen gegeben hat. – Das ist nicht richtig, Herr Bundesminister. Es hat eine überproportionale Anhebung bei den Ausgleichszulagen für Paare gegeben, aber das ist nur ein kleiner Prozentsatz der AusgleichszulagenbezieherInnen. Ein großer Pro­zent­satz der AusgleichszulagenbezieherInnen – mit großem „I“, aber eigentlich schon mit kleinem „i“, weil es überwiegend Frauen sind – hat eine Erhöhung in Höhe der Inflationsrate erhalten, aber nicht mehr.

Wenn man weiß – das Beispiel wurde ja genannt –, dass sich bei den kleinen Pen­sionen die Erhöhung der Lebenshaltungskosten überproportional auswirkt, dann bleibt unterm Strich übrig: Die zahlen drauf. Auch die AusgleichszulagenbezieherInnen zahlen drauf!

Ja, Herr Bundesminister, wie weit sind wir denn schon in dieser Republik, dass diejenigen, die eigentlich nur mehr eine Leistung gegen Armut erhalten, schon zu den DraufzahlerInnen in diesem Sozialsystem gehören? – Da hört sich der Spaß doch auf, Herr Bundesminister! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zweiter Punkt: Sie haben in Ihrem Redebeitrag behauptet – und das hätten Sie lieber nicht machen sollen (Abg. Mag. Molterer: Keine Drohungen!) –, dass die Fraktionen von ÖVP und FPÖ, aber vor allem der Arbeitnehmerflügel Ihrer eigenen Fraktion dafür verantwortlich ist, dass die Deckelung auf 10 Prozent beschränkt wurde.

Treten Sie zurück, Herr Bundesminister! Sie waren derjenige, der diesem Parlament einen Entwurf vorgelegt hat, der Pensionskürzungen von 30 bis 50 Prozent vorge­sehen hat, und Sie haben gesagt, das sei ein sozial gerechter Entwurf. Wo war denn der Aufschrei Ihrer Fraktion? – Ich habe nichts gehört von den großen Arbeit­neh­mervertretern in den Fraktionen von ÖVP und FPÖ! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Still sind Sie gewesen, und erst nachdem die Gewerkschaften auf die Straße gegan­gen waren, waren Sie dazu genötigt, nachzubessern und dann diese 10 Prozent-Ein­schleifregelung festzulegen. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Murauer: Unglaublich!) – Das war der erste Punkt.

Ich gebe schon zu, die ArbeitnehmervertreterInnen der FPÖ waren dann am Schluss ganz stolz, weil sie einen Härtefonds herausgeschlagen haben. 10 Millionen € für einen Härtefonds, um die Härten dieser Reform abzufedern – 10 Millionen € für 2004. Was die stolzen ArbeitnehmervertreterInnen der FPÖ nicht gesagt haben, ist, dass es den Chefverhandlern auf ÖVP-Seite gelungen ist, im Abtausch für die 10 Millionen € 300 Millionen € weniger Pensionsanpassung für 2004 und 600 Millionen € für 2005 – also das, worüber wir auch in den letzten Monaten diskutiert haben – noch schnell als


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Abgleich herauszuhandeln. So sind Sie von der FPÖ umgefallen! – Das ist doch die Realität. (Abg. Wittauer: Das ist eine Spekulation, was da wieder gesagt wird! – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Der grüne Geheimdienst hat das gemeldet!)

900, meinetwegen 800 Millionen € gegen einen Härtefonds, der im ersten Jahr 10, dann 14 und dann 16 Millionen € beträgt. Insgesamt 40 Millionen € haben Sie also gegen 900 Millionen € Pensionskürzung bei den bestehenden Pensionen herausge­handelt. – Das ist der tolle Erfolg der freiheitlichen Arbeitnehmervertretung? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Marizzi: Das 20-Fache!)

Da hört sich doch wirklich der Spaß auf! Herr Kollege Dolinschek und Kollege Walch! Bitte notieren! Rechnen Sie zusammen, was da als Erfolg übrig bleibt: 900 Millionen € minus 40 Millionen €. (Abg. Walch: Ich schreibe mit! Ich gebe Ihnen dann eine Antwort! – Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Haupt.) – Herr Bundesmi­nis­ter! Sie sind schon wieder am Kommentieren. Sie können sich dann ohnehin wieder zu Wort melden.

Der Punkt ist doch der – und das haben Sie leider auch nicht beantwortet, Herr Bundesminister, obwohl es eine Frage dazu gegeben hat –, dass der Bundesbeitrag für die Pensionssysteme der Sozialversicherung – also ASVG, GSVG und BSVG – auch ohne Pensionsreform – und das war den ersten Unterlagen auch noch zu entnehmen – bis zum Jahr 2007 mit Ausnahme des Jahres 2003 stabil geblieben wäre. Das konnten Sie nicht erklären, warum Sie eine Pensionsreform machen, obwohl der Pensionsbeitrag über die Jahre hinweg bis zum Jahr 2007 eigentlich stabil bleibt.

Der Grund dafür, warum es im Jahr 2003 zu dieser sprunghaften Erhöhung des Bundesbeitrages gekommen ist – das haben wir auch schon diskutiert, das haben Sie bisher auch immer wieder verschwiegen –, ist, dass Sie die Zahlungen aus den Töpfen, aus denen Ersatzzeiten eigentlich finanziert werden sollten – aus dem Fa­milienlastenausgleichsfonds und aus der Arbeitslosenversicherung –, auf Null gestellt haben.

Natürlich: Wenn keine Ersatzzeiten aus den Töpfen, die dafür vorgesehen sind, finan­ziert werden, dann steigt der Bundesbeitrag logischerweise. Aber das ist nicht die Schuld der PensionistInnen oder jener, die zukünftig in Pension gehen, sondern das ist die Konsequenz der Politik der Bundesregierung, die sagt: Wir geben das Geld lieber woanders aus. – Das müssen Sie auch so beantworten und so sehen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was mich an der Debatte stört, ist, dass Sie das öffentliche Pensionssystem in den Graben fahren, dass Sie das Vertrauen vor allem der jungen Generation ruinieren, dass Sie die Pensionen gekürzt haben und auch in Zukunft kürzen werden, um einige Budgetsteuerzuckerl für Großbetriebe zu finanzieren, dass Sie die Jungen zweimal zahlen lassen wollen und sich dann noch als diejenigen hinstellen wollen, die die Pensionen für die Jungen sichern.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel; ich habe diese Frage heute erhalten: Es geht um einen Haushalt mit fünf Personen, zwei Erwachsenen und drei Kindern im Alter von sieben, fünf und vier Jahren. Sie werden sich vorstellen können, dass die Frau auf Grund des Alters der Kinder, also mit drei Kindern in einem ähnlichen Alter, nicht arbeiten gehen. Der Mann verdient 1 300 € netto. Über 500 € beträgt die Familienbeihilfe für die drei Kinder, das Familieneinkommen beträgt also 1800 € netto.

Mir wurden die Schulden und Tilgungen sowie die Ausgaben für das Auto genau aufgelistet. Für die Lebenshaltung dieser Familie bleiben nicht einmal 200 € übrig! Und dann kommen die ÖVP und die FPÖ daher und sagen dieser jungen Familie, 27 und 31 Jahre: Ihr müsst private Pensionsvorsorge betreiben!


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Herr Bundesminister, können Sie mir die Gretchenfrage beantworten, woher eine solche Familie das Geld dafür nehmen soll? Und das ist eine Durchschnittsfamilie! (Abg. Steibl: Aber dieser Durchschnittsfamilie kommt die Steuerreform zugute!) Solche Familien gibt es Hunderttausende in dieser Republik, das sind nicht die Schlech­testverdienenden in dieser Republik, die müssen schon ordentlich Steuern zahlen für Grassers Steuerreform! Da können Sie nicht daherkommen und sagen: Die bekommen ja ohnehin einen erhöhten Absetzbetrag für ihre drei Kinder! (Zwischenruf des Abg. Wittauer.) Entschuldigung, wenn ich Sie frage: Womit soll diese Familie eine private Pensionsvorsorge für die zwei jungen Erwachsenen finanzieren? Von den Kindern ganz zu schweigen! Diese Politik, die Sie betreiben, ist verantwortungslos! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Das ist extrem verantwortungslos!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich komme zum zweiten Punkt in diesem Zusammenhang: Sie wissen genau, dass Sie dadurch, dass Sie diese Familien in die private Pensionsvorsorge treiben, die Unsicherheit für diese Personen noch erhöhen, denn eines ist ganz klar (Zwischenruf des Abg. Murauer): Ein gutes öffentliches soziales Pensionssystem ist hundertmal besser als jede private Pensionsvorsorge! (Abg. Wittauer: Sie betreiben eine ewige Schlechtmacherei!) Es kann doch nicht angehen, dass wir die jungen Menschen in dieser Republik an die Börse treiben, damit sie ihre Altersversorgung sicherstellen! So viel sei Ihnen gesagt, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Zum Abschluss, Herr Bundesminister, meine Beantwortung der Frage Politiker­pen­sionen. Sie stellen sich her und sagen: Die Grünen haben doch für dieses System gestimmt! – Ich beantworte Ihnen das hier noch einmal: Wir waren im Jahr 1997 für die neue Bezügeordnung, weil sie klare und transparente Regelungen schafft. Wir waren aber gegen die Übergangsregelungen, die für weitere ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter! Die 10 Minuten sind jetzt auch abgelaufen! Bringen Sie aber, bitte, noch den Schlusssatz! (Abg. Wittauer: Er wie­derholt sich eh nur!)

 


Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Wir waren gegen diese Übergangs­rege­lungen, die das alte Politikerpensionssystem für weitere 20 Jahre sicherstellen. Dafür, meine sehr geehrten Damen und Herren, tragen die Regierungsparteien die Verant­wortung, und Sie hätten die Möglichkeit ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich kann Ihnen die Redezeit nicht verlängern! Kein Redner darf 10 Minuten überschreiten! Sie sind in der 11. Minute! (Abg. Wittauer: Das ist ja freiwillig!) Herr Kollege Wittauer, das ist eine gesetzliche Redezeitbeschränkung!

 


Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.25

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Prähauser. Freiwillige Redezeit: 5 Minuten, gesetzliche: 10 Minuten. – Bitte.

 


16.25

Abgeordneter Stefan Prähauser (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Wir haben mehrmals aus dem Mund des Bundes­kanzlers gehört: Es gibt gute Arbeitnehmer, nämlich jene, die bis 65 Dienst machen, und es gibt gute Arbeitnehmerinnen, die bis 60 Dienst machen sollten, wobei später einmal eine Angleichung auf 65 Jahre erfolgen soll.

Dabei vergisst man, dass es unter diesen guten Arbeitnehmern auch Arbeitnehmer gibt, die 51 Dienstjahre mit Stichtag 1. Juni 1948 zuwege bringen und von einem Ab­schlag genauso betroffen wären wie jene, die wesentlich kürzer arbeiten, aber doch bis 65 bleiben.


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Meine Damen und Herren! Der Pensionsdruck, der von der Regierung erzeugt wird, entspricht aber nicht dem, was der Herr Bundeskanzler uns zu suggerieren versucht. In Unternehmungen, zu welchen die Regierung einen langen Ärmel hat, kommt es näm­lich nicht selten vor, dass Mitarbeiterinnen schon im 56. Jahr daran erinnert werden, dass sie doch irgendwann abtreten sollten, wobei Kostengründe angeführt werden. Arbeitnehmer haben oft noch nicht einmal das 60. Jahr erreicht, wenn sie die ersten Aufforderungen bekommen, doch nachzudenken, wann sie in Pension gehen.

Das ist nicht wirklich ehrlich, meine Damen und Herren! Wir sollten uns überlegen, was wir gemeinsam wollen. Und wenn die Regierung immer lamentiert, sie tue ja nur das Beste, um Pensionen für die Zukunft zu sichern, dann muss ich sagen, dass aus meiner Sicht diese oberflächliche Diskussion offensichtlich auch bei einigen Abge­ordneten der ÖVP und der Freiheitlichen für Verwirrung sorgt, und dann kommt es zu Beiträgen, wie sie mir noch in Erinnerung sind.

Ich darf zwei davon zitieren. – Einmal ist Kollege Wöginger hier gestanden und hat gesagt: Diese Reform schafft der Jugend die Chancen der Zukunft! Ich bin heute sicher, dass unsere Pension gewährleistet ist! – Herr Kollege Wöginger durfte dann die ganze Debatte mitverfolgen, er hat die sozialdemokratischen und die grünen Argu­mente gehört, und siehe da, als es zur Abstimmung kam, hat er sich zurückgezogen, weil er eingesehen hat, dass das nicht das ist, was er sich vorstellt. (Zwischenruf der Abg. Steibl.) Er hat es vorgezogen, der Abstimmung nicht beizuwohnen, meine Damen und Herren. (Abg. Scheibner: Er hatte eine wichtige Sitzung! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Frau Kollegin Turkovic-Wendl hat uns hier erzählt, wie gut es die Pensionisten haben und wie gut dieser Staat vorsorgt. – Dazu möchte ich aber auch sagen, dass Kollegin Wendl die Situation der Pensionisten möglicherweise aus der ORF-Versorgungsbrille beobachtet hat. (Abg. Wittauer: Ihr habt eh einen guten Vertreter, nämlich den Blecha!) Meine Damen und Herren! Ich meine, das ist nicht das, was wir für die vielen Menschen brauchen! Wir sollten miteinander eine ehrliche Pensionsdiskussion ab­wickeln! Wir sollten erkennen, worum es geht! (Zwischenbemerkung von Bundes­minister Mag. Haupt.)

Wenn Herr Bundesminister Haupt mir hier souffliert, dann darf ich Sie auf etwas aufmerksam machen: Im Herbst haben wir diskutiert, und ich habe mir erlaubt zu sagen: Wenn der Krankenbeitrag so erhöht wird, wie es jetzt geplant ist, dann wird es auf Grund der Belastungen durch die Pensionsreform keinen Pensionisten geben, der am 1. Jänner noch das Gleiche im Sackerl hat wie vorher, er wird nämlich weniger haben. Darauf hat mir der Souffleur hinter mir mitgeteilt: Herr Kollege! Das Rechnen würde ich den Beamten überlassen! – Ich glaube, man sollte einmal in sich gehen und nachdenken, wer denn Nachhilfestunden im Rechnen nehmen sollte, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Nürnberger.)

Eine Regierung, die für Abfangjäger 4,5 Milliarden € parat hat, tut sich natürlich schwer, in der Öffentlichkeit zu erklären, dass sie sich die Pensionen nicht leisten kann! (Zwischenruf des Abg. Wittauer.) Herr Kollege Wittauer, lernen Sie einmal Geschichte! Dazu darf ich Ihnen etwas zitieren.

Sie dürften wissen, dass die Erste Republik nicht unbedingt von sozialdemokratischer Regierungsverantwortung gekennzeichnet war, da waren andere verantwortlich, und es hat damals sehr viele Ausgesteuerte gegeben. Pensionsversicherung bezie­hungs­weise Rentenversicherung war ein Fremdwort. Die Seniorinnen und Senioren, die auch ihr Leben lang gearbeitet und im Krieg den Kopf hingehalten hatten, mussten von den eigenen Nachkommen im Alter versorgt werden, um überhaupt etwas zu haben. Die Neuerungen, die es ihnen letztlich ermöglichten, eine Pension zu genießen, sind erst


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nach dem Zweiten Weltkrieg gekommen, und da waren die Sozialdemokraten in füh­render Rolle stets dabei!

Jetzt sagen Sie den Leuten: Wir haben kein Geld! Steuergeschenke für die „Besser­verdienenden“ – unter Anführungszeichen – würde ich ja noch verstehen. Aber einer­seits den Leuten sagen, dass kein Geld da ist, andererseits aber der Industrie und den wirklich Reichen Steuergeschenke machen und eine Steueramnestie gewähren, das, meine Damen und Herren, ist eine Umverteilung, die wir niemals gutheißen werden! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Sie haben doch selbst die Senkung der KöSt gefordert!) Da können Sie noch so blumig reden, dafür werden Sie uns nie gewinnen können! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister hat Klubobmann Cap Untätigkeit vorgeworfen. Er hat gesagt, die Sozialdemokratie sei in Sachen Pension untätig. (Abg. Mag. Molterer: Das stimmt!) Wenn Sie Untätigkeit in den Versuchen der Sozial­de­mokratie, Pensionsmaßnahmen jetzt noch zu verbessern, sehen, dann möchte ich gerne weiter untätig sein! Ich frage mich aber, ob es Tätigkeit ist, wenn man Prämien ausschüttet für Arbeiten im Ministerium bei Gesetzeserstellungen, die dann vielleicht nicht beeinsprucht werden können. Dann ist es mir lieber, er ist untätig! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.30

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Steibl ans Red­nerpult. Wunschredezeit: 5 Minuten, gesetzliche Redezeit: 10 Minuten. – Sie sind am Wort, Frau Abgeordnete.

 


16.30

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staats­sekretär! Hohes Haus! „Die Alterung der Gesellschaft lässt sich nicht wegbegehren“. – Das ist die Überschrift eines Leitartikels einer großen „Kleinen Zeitung“ dieser Tage, und es ist schlicht unverständlich, dass sich die SPÖ und die Grünen den gegebenen Umständen verweigern, denn die demographischen Entwicklungen beziehungsweise der globale Alterungsprozess trifft nicht nur Österreich. Diese Problematik reicht von Deutschland über Frankreich bis hinein in die neuen EU-Mitgliedstaaten.

Ich sage Ihnen: Es besteht dringender Handlungsbedarf, aber nicht durch eine Mobi­lisierungsübung seitens der SPÖ. Vielmehr hat die Politik die Aufgabe, Vorhandenes abzusichern und die Zukunft zu gestalten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es geht um unsere Pensionisten, es geht um die Erwerbstätigen und es geht um die jungen Menschen. Gerade die Pensionisten und Pensionistinnen, die uns hier auf der Galerie zuhören, wissen das wahrscheinlich viel besser als die SPÖ-Abgeordneten. (Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch. – Abg. Eder: Sie lassen diese Pensionisten im Stich!)

Was ist eigentlich wirklich Tatsache? Ich finde diese Polemik, die gerade von der Opposition kommt, nicht in Ordnung, denn was ist Tatsache? – Das Regelpen­sions­antrittsalter für Frauen in Österreich ist 60 Jahre, für Männer 65 Jahre, und das wird sich auch bis zum Jahr 2033 nicht ändern, sondern so bleiben. In den meisten euro­päischen Ländern, etwa in Dänemark, Finnland, Deutschland, Schweden oder Spa­nien, beträgt das Regelpensionsantrittsalter für Frauen und für Männer 65 Jahre. Also wovon reden wir?

Das Frühpensionsalter ist lediglich in zwei von 16 europäischen Ländern niedriger als in Österreich. Daher frage ich Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition: Wo sehen Sie hier wirklich eine Benachteiligung? Gerade Herr Abge­ord-


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neter Cap spricht immer wieder davon, dass die Frauen so benachteiligt sind. Ich glaube, jetzt telefoniert er gerade, Herr Präsident, Sie sehen das vielleicht auch! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Abgeordnete Steibl! Die Klubobleute haben alle Telefone, und da sie Telefone haben, dürfen sie auch telefonieren! (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Am Wort ist die Rednerin.

 


Abgeordnete Ridi Steibl (fortsetzend): Danke, Herr Präsident, für diese Aufklärung! Es war aber ein Handy. (Abg. Dr. Cap: Nein!)

Wenn Sie als Oppositionspartei die Regierungsarbeit kritisieren, dann bitte ich Sie: Machen Sie konstruktive Vorschläge! (Abg. Verzetnitsch: Die Vorschläge liegen auf dem Tisch! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Aber die Ignoranz aller unabhängig vom Ressort geäußerten Expertenmeinungen beziehungsweise der entsprechenden Tätigkeiten seitens Ihrer Partei ist unverständlich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte noch einmal zitieren. Meine Kollegin Bleckmann hat das zwar schon getan, aber man sollte das bewusst machen, denn die SPÖ ist ziemlich vergesslich. – Im Jänner 2003 hat zumindest der Vorsitzende der SPÖ, Dr. Gusenbauer, vernünftige Aussagen dazu gemacht, er ist jetzt allerdings wieder nicht da! (Abg. Eder: Da ist er! – Abg. Dr. Gusenbauer: Hier bin ich! – Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich kann nicht reden, Herr Präsident! Es hört mir keiner zu!

 


Präsident Dr. Andreas Khol (das Glockenzeichen gebend): Meine Damen und Herren! Ich bitte um etwas Ruhe!

 


Abgeordnete Ridi Steibl (fortsetzend): Am 17. Jänner 2003 stand im „Kurier“ zu lesen: „Der SPÖ-Chef bekennt sich dazu, die Frühpensionen auslaufen zu lassen“.

Am 30. Jänner 2003 stand in den „Oberösterreichischen Nachrichten“: „Die erste Frage, die wir außer Streit gestellt haben, ist, dass aus dem Titel steigender Pen­sionsaufwand bis 2006 eine Milliarde Euro kommen soll.“ – Und so weiter und so fort.

Ich möchte Ihnen nur sagen, dass wir mit dieser Regierungspartei, mit Wolfgang Schüssel und Bundesminister Haupt, für Mütter viel getan haben, was Sie verdrängen. Zum Beispiel: Abzug von drei vollen Jahren pro Kind aus dem Durch­rechnungs­zeit­raum. Dies gilt auch für die Zeiten der Familienhospizkarenz. – Das wurde von Ihrer Seite vergessen!

Ich zähle weiters auf: Anhebung der Bemessungsgrundlage auf 150 Prozent, An­hebung der pensionsbegründenden Kindererziehungszeiten von 18 auf 24 Monate. (Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer.) Außerdem ist in unserem Regierungspro­gramm ein Pensionssplitting vorgesehen. Sie brauchen nur mitzugehen!

Sie haben gestern gesagt, dass wir nichts für Frauen tun und die Frauen zurück an den Herd gedrängt werden. – Dass Frauen aber immer unabhängiger sind und ihre eigenständige Pension erarbeiten, zeigt eine Statistik der OECD auf, die im „profil“ vom 22. März 2004 zitiert wird. (Abg. Mandak: Ja! Aber wie! In welchem Ausmaß?) In dieser Statistik wird aufgezeigt, dass in Österreich 67 Prozent aller Kleinkind-Mütter berufstätig sind. Vor uns liegen nur mehr Schweden, Norwegen, Portugal und Belgien, also europaweit nur vier Länder!

Abschließend: Wenn Herr Abgeordneter Cap meint, dass wir kein Herz und kein G’spür vor allem für Frauen haben, dann kann ich nur antworten: Wir haben Verstand und


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Verantwortung, aber Sie sind mit Ihrer Polemik weit weg von einer zukunftsorientierten Lösung! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

16.36

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. 6 Minuten Wunschredezeit, 10 Minuten gesetzliche Redezeit. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


16.36

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Alles, was die SPÖ jetzt kritisiert, hätte sie im Jahr 1997 bei der damaligen Pen­sionsreform, die eigentlich nur ein Reförmchen war, umsetzen können. (Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer.)

Frau Kollegin! Ich sage Ihnen das noch einmal. (Abg. Mag. Prammer: Was denn?) Ich habe schon in der Aktuellen Stunde erwähnt, dass diese Reform von 1997 mit dem Ansteigen des gesetzlichen Pensionsalters von 60 auf 61,5 Jahre von der Stadt Wien als Bundesland bis heute noch nicht vollzogen wurde. Sie hätten das machen können, aber es ist bis heute nicht vollzogen! So ist es! (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist un­glaublich!)

Sie bevorzugen das alte System mit geringeren Versicherungsjahren, nach welchem jemand, der weniger Versicherungsjahre und einen Verdienst über der Höchst­bemes­sungsgrundlage hat, bevorzugt ist. (Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch.) Ja selbst­verständlich, Herr Präsident! Das ist ein Wissensmangel, wenn Sie das nicht wissen! Dann kläre ich Sie auf. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Präsident Verzetnitsch, du weißt: Die besten 15 Jahre haben gezählt. Jemand studiert bis zum 30. Lebensjahr, dann verdient er über der Höchstbemessungs­grund­lage, die besten 15 Jahre werden gezählt, und er bekommt eine Bomben-Pension, wobei er nach dem alten System mit 60 Jahren in Pension geht. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Wahnsinn! Unvorstellbar!) Ein anderer „Hackler“, den du zu vertreten hast, Herr Präsident, der mit dem 14. Lebensjahr ins Arbeitsleben eingetreten ist und 45 Jahre bis zum 60. Lebensjahr zusammenbringt, erhält eine Mindestpension, wenn er wenig verdient, die Kollektivverträge schlecht sind und er ein geringes Einkommen hat. Das ist Tatsache! Das ist das Ungerechte an diesem System! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer.)

Frau Kollegin, ich muss jetzt weitermachen, gehe aber voll auf Ihre Kritik ein! Frau Kollegin Prammer, Sie kritisieren, dass jetzt bei der Pensionsreform nur bis zur Höhe der Median-Pension, also bis zu 667 €, angepasst wird. – Für die Zuschauer: Median-Pension heißt, dass 50 Prozent der österreichischen Pensionisten eine Pension über diesem Wert und die anderen eine Pension unter diesem Wert erhalten, das ist genau der Durchschnitt. Das macht mit der Abgeltung der Inflationsrate bei einer Erhöhung um 1,5 Prozent 10,02 € aus. Darüber hinaus bekommen also alle 10,02 € Erhöhung. Das kritisieren Sie!

Wir haben geschaut, dass 700 000 österreichische Pensionisten, die maximal 780 € Monatspension haben, eine Ausgleichszahlung erhalten. Sie sagen, dass das trotzdem ein lebenslanger Verlust ist, weil es sich hiebei nur um eine einmalige Zahlung han­delt. – Nach der Nettoanpassung, die Sie 1993 geschaffen haben, würde jemand, der eine Median-Pension hat, nicht 10,02 €, sondern nur 6,68 € erhalten! So ist es! Wie schaut es dann mit dem lebenslangen Verlust bei dem aus, was Sie gemacht haben?

Sie kritisieren, dass Sofortkürzungen der Pensionsansprüche in der Höhe zwischen 13 und 16 Prozent erfolgt sind. – Wir haben einen Deckel von 10 Prozent eingezogen. Es


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gibt für jene, die in den nächsten Jahren in Pension gehen, keinen höheren Verlust als 10 Prozent. Das haben wir eingeführt! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch – in Richtung des Redners –: Danke, Sigi!)

Herr Kollege Öllinger! Ich sage jetzt, was die freiheitlichen Arbeitnehmer mit dem Koalitionspartner, der ÖVP, Großartiges ausverhandelt haben. Auf der einen Seite gab es einmal im Vorfeld die 10 Prozent Deckelung. Dann kam die Hacklerregelung, lieber Freund, dann wurde der Härteausgleichsfonds für alle Pensionisten geschaffen, die unter 1 015 € Pension erhalten. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch – in Richtung des Redners –: Danke, Sigi!) Wenn diese Personen durch die Pensionierung einen Verlust erleiden, dann wird dieser abgegolten. Das haben wir auch durchgesetzt, und zwar für die Mindestpensionisten und für die Bezieher kleiner Pensionen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sag es ihnen, Sigi!) Die Bezieher höherer Pensionen à la Blecha, die 12 500 € an Pension haben, brauchen das nicht. Der braucht das nicht! Er kann mit 10 € mehr auch auskommen! Das ist doch eine Tatsache!

Wir haben hier Abfederungen eingeführt, und das war für uns einmal das Wichtige dabei. Dafür, dass die Aufwertungsfaktoren in der Vergangenheit so schlecht waren, tragen auch Sie die Verantwortung. Herr Kollege Verzetnitsch, in dem Büchlein von der Arbeiterkammer gibt es auf den Seiten – ich habe mir das aufgeschrieben – 432 bis 435 die Aufwertungsfaktoren, und da sehen Sie, wie schlecht die zurückliegenden Jahre bewertet sind. (Abg. Mag. Prammer: Aber Sie machen jetzt die Lebens­durch­rechnungszeit!) Wir haben jetzt dafür gesorgt, dass ab einem längeren Durchrech­nungszeitraum, der jetzt geschaffen worden ist, die Pensionen nach dem Tariflohn­in­dex erhöht werden und keine Verluste mehr anfallen.

Außerdem haben wir dafür gesorgt – der Herr Bundesminister hat es schon erwähnt –, dass jene Frauen, die lange Versicherungszeiten haben, die Kinder haben, bei der Pensionsreform Gewinne haben und keine Verluste, so wie Sie das schildern. Ja, Kolleginnen, Sie müssen sich das einmal durchlesen. Sie dürfen nicht nur hier herinnen sitzen, sondern Sie müssen diese Materie durchlesen und einsaugen. So ist es! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie sollten keine Fehlinformationen verbreiten, so wie es heute von den Arbeiter­kammern und Sozialversicherungsanstalten geschieht. Da gehen die Frauen des Jahr­ganges 1947, die jetzt in Pension gehen könnten, hin und fragen: Wie viel Pension bekomme ich? Bei drei verschiedenen Stellen erhalten sie drei verschiedene Er­gebnisse mit Verlusten bis zu 15 Prozent, was gar nicht möglich ist. (Abg. Scheibner: Das ist die Arbeiterkammer!) Also das schreit ja zum Himmel, wie falsch die Leute informiert werden. Das schreit zum Himmel!

Sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ! Wenn Sie jetzt verlangen, dass wir diese Pensionsreform zurücknehmen und alles auf neue Beine stellen, dann wären alle diese Abfederungsmaßnahmen mit einem Strich weg. (Abg. Mag. Trunk: Wer wollte denn in Kärnten ein Volksbegehren dagegen machen? Vor der Wahl?) Es wären die Begünstigungen für die Frauen weg, dass pro Kind, Frau Kollegin Trunk, drei Jahre Kindererziehungszeit zur Verkürzung der Durchrechnung angerechnet werden, und zwar für alle Kinder, die nach 1956 geboren sind. Die Familienhospizkarenz wird ebenfalls abgezogen. Das ist ein Vorteil für diese Frauen.

Außerdem wird die Kinderbetreuungszeit berücksichtigt, und zwar verlängert von 18 auf 24 Monate, in der Höhe der Ausgleichszulage plus 50 Prozent. Manche Frauen verdienen das sonst ja nicht einmal. Das ist ein Vorteil, denn diese Frauen werden bis zu 15 Prozent mehr Pension erhalten als früher. Das ist die Tatsache.

Herr Kollege Verzetnitsch! Herr Kollege Cap! Frau Kollegin Trunk! Wissen Sie, was mich am meisten stört? – Dass Sie in der ganzen Dringlichen Anfrage nicht die


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Schwerarbeiter erwähnen, überhaupt nicht, kein Wort von den Schwerarbeitern. Kein Wort! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Privilegienritter!) Das ist ein Armutszeugnis für Sie. Ihnen ist alles Wurscht. Hauptsache, Sie kritisieren die Pensionsreform, aber Sie machen keine Vorschläge, wie für die Schwerarbeiter in der Pension vorgesorgt werden soll.

Wir machen uns Gedanken darüber, denn bisher bestehen kaum pensionsrechtliche Begünstigungen für schwer arbeitende Menschen. In Zukunft sollen Zeiten, in denen unter körperlichen, psychischen und gesundheitlichen Belastungen gearbeitet wurde, in besonderer Weise berücksichtigt werden. Das haben wir hier vor.

Herr Präsident Verzetnitsch, du verwechselst noch immer Beitragszeit mit Ver­siche­rungszeiten. Dort muss das eine Einheit sein, und dafür werden wir uns bei dieser Pensionsreform einsetzen. Wenn Sie im Jahr 2003 bei der Pensionsreform mitge­gangen wären, hätten wir eine Zweidrittelmehrheit gehabt, und es würde auch für alle Länder und Gemeinden gelten, wo wir noch immer hinterherhinken. Das ist die Tat­sache. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch – in Richtung SPÖ –: Verhinderer! – Abg. Wittauer: Verhinderer da drüben!)

Das alte System ist ganz einfach undurchschaubar, und das haben Sie geschaffen. Wir wollen ein System, das transparent ist, mit gleichen Beiträgen und gleichen Leistungen und keine Bevorzugten. Das ist die Wahrheit. (Abg. Mag. Trunk: Ja, Ihre Wahrheit!) Wir wollen, dass es den Leuten mit kleinen Einkommen besser geht und nicht jenen, die hohe Einkommen haben, denn die können für ihre höhere Pension selber vorsorgen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Jawohl! – Abg. Wittauer: Bravo, Sigi! – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das war sehr gut!)

16.44

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Weinzin­ger. 7 Minuten Wunschredezeit, 10 Minuten gesetzliche Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


16.44

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Meinem Vorredner waren offensichtlich die Geschichterl, die er da als schein­bare Wahrheiten aufgetischt hat (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist ja kein Gasthaus, wo man etwas auftischt!), selber so peinlich, dass er vor lauter Peinlichkeit ein ordentliches Tempo an den Tag gelegt hat, weil es ihm unangenehm war. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Im Übrigen kann ich nur sagen, dass offensichtlich die Freiheitlichen vor lauter Wollen, etwas für die Leute zu tun, die wenig Einkommen haben, nie dazukommen, es mit der ÖVP auch auszuhandeln, dass es wirklich passiert, denn Sie stehen immer da und sagen, was Sie wollen, nur Sie tun nichts davon. (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Sie glauben auch, Sie sind die Wichtigste!)

Vielleicht können wir uns einmal auf ein paar Details einigen, Herr Abgeordneter Tancits. (Ruf bei der ÖVP: Tancsits!) Tancsits, pardon, ich entschuldige mich! – Wenn jemand zu Jahresbeginn 2004 im neuen System weniger Pension herausbekommt, als er im alten System mit 1. Jänner 2004 herausbekommen hätte, dann kann ich nur von Kürzung sprechen. Ich weiß nicht, was das bei Ihnen ist. – Die Arithmetik der ÖVP hat mich gestern schon mehrfach gewundert. Ich höre nicht auf, mich zu wundern.


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Wie die wundersame Geldvermehrung im Härtefonds funktionieren soll, ist mir auch schleierhaft. Mein Kollege hat es Ihnen vorgerechnet. Man kürzt auf der einen Seite um die 900 Millionen € heraus, das heißt, man nimmt Pensionistinnen und Pensionisten 900 Millionen € weg und gibt ihnen dann großzügig im Lauf von ein paar Jah­ren 40 Millionen €, und die verteilen die FPÖler dann so um, dass keiner weniger herausbekommt außer dem Herrn Blecha. Ich meine, das machen Sie mir einmal vor, wie Sie die tatsächlichen Einschnitte in die Pensionen von vielen, vielen Menschen in Österreich mit Ihrem in der Summe wirklich läppischen Notfallfonds irgendwie abdecken wollen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Also unter dem Strich ist das eine deutliche Pensionskürzung. Das ist einmal die Variante eins Ihrer Solidarität: Wir kürzen bei denen, die sich ein Leben lang hart etwas erarbeitet haben.

Und wofür? Wofür wir das gemacht? – Wir haben schon in den siebziger Jahren höhere Beiträge des Bundes zu den Pensionen gehabt als heuer. Also die große demographische Katastrophe kann es nicht sein, die uns jetzt plötzlich zwingt, sondern das, was Sie dazu gezwungen hat, eine Pensionskürzung vorzunehmen, sind Ihre bud­getären Pläne. Sie wollten statt der Pensionen eine Steuerreform finanzieren. Sie wollen eine Steueramnestie für jene, die ihre Steuern nicht gezahlt haben, finanzieren. Sie wollen Ihre Abfangjäger finanzieren, und ich weiß nicht, was noch alles. Sie haben Ihre teuren Regierungsvorhaben, die vor allem Ihrer Klientel nützen werden, aber bezahlen müssen das die Pensionisten und Pensionistinnen von heute, von morgen und von übermorgen.

Ihr Generationenvertrag schaut so aus, dass man heute versucht, die Generationen auseinander zu dividieren, und den Jungen heute sagt, am besten macht ihr es doppelt: Ihr zahlt einerseits im Umlageverfahren ein, damit die heutigen Pensionen gesichert sind, ihr sichert euch aber bitte die eigene Pension mit eurer privaten Vorsorge. Und wie das jemand machen soll, der in einem Supermarkt an der Kasse sitzt, der irgendwo am Fließband steht, der am Bau arbeitet, der wegen Arbeitslosigkeit oder sonstiger Gründe immer wieder längere Pausen in der Erwerbsarbeit hat, das sa­gen Sie mir. Wie jemand, der vielleicht immer wieder nur Teilzeitbeschäftigungen hat, der gerade einmal geringfügig beschäftigt ist, der in zwei oder drei atypischen Verhältnissen steht, damit er irgendwie zu Geld kommt – und das werden immer mehr Leute in Österreich –, sich dann noch locker 100, 200, 300 € pro Monat Pensions­vorsorge leisten kann, mögen Sie mir bitte auch vorrechnen, die Damen und Herren Mathematikkünstlerinnen und -künstler. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Eine klitzekleine Anmerkung noch zu Ihrem Pensionskonto. Wer wenig verdient, nichts vorsorgen kann, weil kein Verdienst da ist, wird am Schluss auch nichts rauskriegen können. Das ist Ihr Vorsorgemodell, das Sie den Leuten ins Stammbuch schreiben. Herzlichen Dank! Das brauchen wir nicht. (Beifall bei den Grünen.)

Es haben Rednerinnen und Redner vor mir auch noch erklärt, dass die Frauen die großen Gewinner bei dieser Pensionsreform sind. Statt der 15 besten Jahre – häufig genug sind es nur mit Mühe 15 Jahre, auf die Frauen kommen – 40 Jahre Durch­rechnungszeitraum. Mit großen Pausen, Erwerbslücken und häufig genug gar keinen 40 Jahren Erwerbstätigkeit – da ist man wirklich eine große Gewinnerin Ihrer Reform. Wenn man jahrelang Teilzeit arbeitet, wenn man in der Einkommensschere zu den zu kurz Gekommenen zählt – da muss Frau noch gar nicht Kinderbetreuungspflichten haben, es reicht ganz simpel, dass man eine Friseurlehre macht, dass man sonst irgendwo in einem schlecht bezahlten Job steckt, wobei Männer im Schnitt in Öster­reich in einem gleichwertigen Arbeitsbereich noch immer um ein Drittel mehr ver­dienen –, wenn man das kontinuierlich macht, dann sammeln sich in so einem Leben


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ganz schöne Einkommensverluste an. Und für die wird man dann auch noch bestraft, indem diese in voller Härte, in voller Länge zur Pensionsberechnung herangezogen werden.

Sie reden dann schon gar nicht einmal mehr darüber, dass Frauen schon heute nicht einmal die Hälfte der Pension bekommen, die Männer bekommen. Und in Zukunft wird sich das noch verschlechtern.

Das ist eine Politik, die Sie sozial nennen?! Sie glauben wirklich, für sich den Anspruch auf soziale Politik erheben zu können? Sie betreiben eine kaltherzige und eiskalte Privatisierung sämtlicher Risken, die ein Mensch in seinem Leben haben kann. Sie geben keine Sozialabsicherung, denn da sagen Sie, das mögen sich die Leute privat organisieren, privat vorsorgen, privat zukaufen, privat einheiraten, wie auch immer. Aber sozial ist das nicht!

Wir stehen eindeutig für eine klare soziale Absicherung, für ein umlagefinanziertes Pen­sions- und Sozialsystem und fordern Sie auf, sich darauf zurückzubesinnen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.50

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Gross­mann. 5 Minuten Wunschredezeit, 10 Minuten laut Gesetz. – Bitte.

 


16.50

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Pensionen berührt wohl alle Österreicherinnen und Österreicher – die ÖVP wahrscheinlich weniger, wenn man sich die Präsenz hier im Haus und vor allem auf der Regierungsbank ansieht. (Abg. Prinz: Da schauen Sie einmal in Ihre eigenen Reihen, wie es da aussieht! – Abg. Mag. Mol­terer: Wo ist der Herr Gusenbauer? – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP.) Herr Bundesminister Haupt muss das wieder alleine ausbaden, aber das ist er ja mittlerweile schon gewohnt.

Wenn sich auch in erster Linie die ältere Generation betroffen fühlt, so kann nicht oft genug betont werden, dass Pensionssicherung wie kaum ein anderes Thema ein Jugendthema ist. (Präsident Dr. Khol gibt wegen des anhaltend hohen Geräusch­pegels das Glockenzeichen.)

Bisher hat jede Österreicherin und jeder Österreicher darauf vertrauen dürfen, dass die Gemeinschaft für sie/für ihn im Alter sorgt, so wie jeder Berufstätige mit den Steuern und Sozialabgaben für die heutigen Pensionistinnen und Pensionisten sorgt.

Das ist das Prinzip des Generationenvertrages, das Prinzip des verantwortungsvollen Umganges der Generationen miteinander, und zu diesem Prinzip bekennen wir So­zialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns voll und ganz. Darauf beruht das Vertrauen der Generationen zueinander. Doch dieses Vertrauen in ein bewährtes System, das über Jahrzehnte unter schwierigsten Bedingungen aufgebaut worden ist, wird von dieser Bundesregierung mit einem Handstreich im Schnellverfahren mutwillig zerstört. Zumindest bei den ASVG-Versicherten ist das sehr rasch gegangen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Mainoni: Na endlich! „Tosender“ Applaus!)

Junge und Alte werden systematisch gegeneinander ausgespielt. (Abg. Mag. Molterer: Durch das Volksbegehren! – Abg. Mag. Mainoni: Ja, das trägt Zwietracht in die Republik!) Den Alten, die ein hartes Erwerbsleben hinter sich haben, wird gesagt, dass man sie sich einfach nicht mehr leisten kann, und die Jungen werden auf den un­sicheren Markt der börseabhängigen Privatversicherungen verwiesen. Wenn Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, junge Menschen heute befragen, glaubt kaum mehr jemand, eine den Lebensstandard sichernde Pension zu erhalten (Abg.


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Mag. Mainoni: Ja, 50 Jahre Sozialismus!), denn den Jungen nimmt die Pensions­re­form jedes Vertrauen in die staatliche Altersversorgung.

Die geplante Einführung eines beitragsorientierten Pensionskontos für unter 35-Jährige ohne Verlustdeckelung bedeutet für junge Menschen eine doppelte Belastung: Sie müs­sen einerseits die Beiträge für die Pensionen der heutigen PensionsbezieherInnen zahlen, ohne selbst annähernd in den Genuss dieser Leistungen zu kommen – immerhin werden bei einem rein beitragsorientierten Pensionskonto, so wie es Ihnen vorschwebt, laut IHS-Berechnungen Kürzungen der Männer-Pensionen von rund 42 Prozent und der Frauen-Pensionen von rund 48 Prozent zu erwarten sein; das sollten Sie sich einmal vor Augen führen –, andererseits müssen sie von ihrem Aktiveinkommen auch noch die Beiträge für die mehr als unsichere private Vorsorge aufbringen, und zwar allein, nämlich ohne Arbeitgeberbeiträge. Auf Grund der Gesetze des Marktes sind zusätzliche Verluste zu erwarten. Wenn ab etwa 2030 die dann Pen­sionsberechtigten ihre angesparten Wertanlagen in Summe verkaufen müssen, um sich die Privatpension finanzieren zu können, und nur wenige Junge da sind, die diese Anlagen kaufen können, verfällt naturgemäß der Preis und damit die erhoffte Pension.

Sie sind ja sonst so marktgläubig, meine sehr geehrten Damen und Herren von der rechten Seite dieses Hauses. Ist Ihnen das nicht bewusst, oder nehmen Sie diese Auswirkungen bewusst in Kauf? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist Realitäts­verweige­rung!)

Also Partys und Häuser in Lech werden sich die jungen Leute von heute eher nicht leisten können, aber auch die von der Frau Unterrichtsministerin vorgeschlagene Alter­native dazu, nämlich Kinder, auch nur mit einschneidenden Entbehrungen, denn die Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes von den 15 besten auf 40 Jahre trifft vor allem jene, die ihre Erwerbstätigkeit einschränken, um sich der Kinderbetreuung zu widmen. Und vielfach geschieht das nicht freiwillig, sondern schlicht und ergreifend einfach deshalb, weil ausreichende Kinderbetreuungseinrichtungen fehlen.

Die Reduktion von drei Jahren pro Kind, Frau Kollegin Steibl – Sie sind jetzt wieder da (Abg. Steibl: Ich war immer da, Frau Kollegin!) –, haben wir nicht vergessen, sondern sie ist angesichts der zu erwartenden Gesamteinbußen eine reine Pflanzerei. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steibl: Was Sie sagen, ist eine Pflanzerei!) Die Menschen, vor allem die Frauen, werden von Ihnen systematisch in die Armutsfalle getrieben, und das nehmen wir nicht widerspruchslos hin.

Natürlich ist es ein Faktum, Frau Kollegin Steibl, dass die Menschen erfreulicherweise immer älter werden und auch später ins Erwerbsleben einsteigen, aber es ist auch eine Tatsache, dass die Produktivität steigt, das heißt die Leistung pro Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer. (Abg. Großruck: Maschinensteuer!) Und genau das sollte den sonst so oft zitierten Leistungsträgerinnen und Leistungsträgern auch zugute kommen. Darin liegt auch der konsequente Lösungsansatz. Wir brauchen eine Verbreiterung der Beitragsgrundlagen. Es gehören in die Berechnungen der Arbeitgeber- beziehungs­weise Unternehmerbeiträge gesamtbetriebliche Kennzahlen einbezogen, damit man auch jene erfasst, die Gewinne machen, ohne für Beschäftigung zu sorgen.

Langfristig wird auch ein reformiertes – oder in Ihrem Fall demoliertes – Pensions­system nur dann finanzierbar sein, wenn die Menschen Arbeit haben (Abg. Steibl: Und wer schafft Arbeit? – Ich glaube, die Wirtschaft!), und zwar nicht nur irgendwelche Jobs, sondern vollwertige Arbeitsplätze, von denen man auch leben und Beiträge zah­len kann.

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren: Eine offensive Beschäftigungs­po­litik ist die beste Pensionssicherung. Ich hoffe, die Bundesregierung erkennt das


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irgendwann einmal. Bei dieser habe ich allerdings wenig Hoffnung, dazu muss schon eine andere her. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.57

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pack. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


16.57

Abgeordneter Jochen Pack (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Kol­legin Grossmann, bevor man die anderen Reihen kritisiert, sollte man zuerst einmal in die eigenen schauen und dann erst Kritik üben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Freiheitlichen.)

Der ehemalige englische Premierminister Edward Heath hat einmal gemeint: Ich wün­sche mir ein Regierungssystem, in dem die, die etwas tun wollen, an der Macht sind und die, die gerne reden, die Opposition bilden.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Österreich braucht sich solch ein Regierungssystem Gott sei Dank nicht zu wünschen, denn wir haben so eines. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Diejenigen, die etwas tun wollen, nämlich die ÖVP und die FPÖ, sind in der Regierung, und diejenigen, die ständig nur reden wollen, sind in der Opposition.

Wenn wir ehrlich sind, sehr geehrte Damen und Herren, müssen wir sehen, dass es ja schon lange vorher viele Regierungen gegeben hat, die daran gescheitert sind, das Pensionssystem zu sichern. Und was ist passiert? – Nichts! Das Problem wurde immer wieder aufgeschoben, aufgeschoben, bis es akut wurde. Und jetzt, wo diejenigen an der Macht sind und das Sagen haben, die für Österreich nicht nur etwas tun wollen, sondern auch wirklich etwas tun, machen Sie nichts anderes als kritisieren. (Abg. Öllinger: Ihre Rede hat einen hohen Unterhaltungswert!)

Stellvertretend für viele Jugendliche kann ich sagen: Wir wollen ein sicheres Pen­sionssystem, wir sind für ein Pensionskonto und das Drei-Säulen-Modell. Wir wollen einmal wissen, was unter dem Strich für uns herauskommt und womit wir rechnen müssen, und das nicht so, wie Sie sagen, einfach über den Daumen, rein spekulativ, was einmal sein könnte, wir wollen es genau wissen. (Abg. Öllinger: Ja, so schauen Sie aus!)

Sie werfen der Regierung zum Beispiel beim neuen Abfertigungssystem oder beim soliden Vorsorgemodell (Abg. Öllinger: Wie? Solid?), das bereits über eine Million Österreicher angenommen haben, vor, dass das reine Spekulation sei. Aber ich frage mich: Was wäre eine Zurücknahme aller notwendigen Maßnahmen? – Das ist Spe­kulation, das geht zu Lasten aller Österreicher und Österreicherinnen und vor allem zu Lasten der Jugend. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

In Ihrem Text zum Pensionsvolksbegehren steht, dass die Pensionskürzungen über­fallsartig, radikal kommen und so weiter. Ich habe mir heute zu Mittag Frau Knoll ange­hört. Sie hat das wieder im Radio gesagt, aber sie hat da schon auf etwas We­sentliches vergessen. Sie hat nämlich übersehen, dass die Pensionsreform sozial, gerecht und vor allem planbar ist. (Beifall bei der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)

Offensichtlich hat Frau Knoll auch übersehen, dass es einen dringenden Reformbedarf gibt. Frau Knoll hat auch noch gemeint, es sind so viele finanzmathematischen Flos­keln in diesen Formulierungen drinnen, aber ich sage: Um sich ausrechnen zu können, dass sich das System bei einer immer älter werdenden Bevölkerung, bei immer längerer Ausbildungszeit, einer kürzeren Lebensarbeitszeit und einer längeren


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Pensions­bezugszeit nicht ausgehen kann, dafür braucht man nur vier Grundrech­nungsarten. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn man nichts tut, dann weiß man genau, was passieren wird, das hat die Ar­beiterkammer eh genau gesagt: Die Beitragssätze müssten um 53 Prozent erhöht werden, die Pensionen müssten um 45 Prozent gekürzt werden oder das Pensions­antrittsalter um fast 11 Jahre erhöht werden. (Zwischenrufe der Abgeordneten Lentsch und Dr. Brinek.)

In diesem Sinne fordere ich Sie, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, auf: Kehren Sie zur Sachpolitik zurück! Und nehmen Sie das Wort „Finanzierbarkeit“ wieder in Ihr Wörterbuch auf!

Kehren Sie zur Sachpolitik zurück, arbeiten Sie für Österreich und für dieses Land! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.00

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter Walch zu Wort. Redezeit: 6 Minuten. – Bitte.

 


17.01

Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! (Abg. Dr. Wittmann: Wie war das Wahlergebnis in Oberösterreich?) Heute wurde von der SPÖ eine Dringliche Anfrage gestellt, aber Interesse dafür ist intern nicht viel vorhanden, denn Ihre Sitzreihen sind leer. Es stimmt also wirklich, dass es eigentlich nur eine Anfrage ist, um das Pensions-Volksbegehren anzukurbeln. Die Methode, wie Sie das machen, ist auch interessant. (Abg. Dr. Wittmann: Wie war Ihr Wahlergebnis?)

Ich habe einige Anrufe bekommen, dass sich ein Tonbandgerät meldet und jemand sagt: Ich bin der Abgeordnete ... (Rufe bei der SPÖ: Walch!) – nein, der Abgeordnete von der SPÖ. Gehen Sie zum Volksbegehren, gehen Sie dorthin, es ist ganz wichtig! – Und wenn dann der Bürger reden will, ist es auf einmal aus, es ist nämlich ein Tonband.

Ja, traut ihr euch wirklich nicht mehr mit den Leuten zu reden, oder wie ist das? (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich sage euch auch, wessen Stimme das ist: von Broukal! Aus Oberösterreich haben mich heute einige Leute angerufen und gesagt, dass dieser Anruf gestern Abend ge­tätigt worden ist. Also ist die Situation schon schwach!? (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Mag. Mainoni: Tonband-Broukal!) Da müsst ihr euch ein bisschen mehr einfallen lassen! (Abg. Dr. Wittmann: Wie war das Wahlergebnis in Oberösterreich?) Das war halt noch Oppositionsarbeit, als sie noch die FPÖ gemacht hat. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Kollegem Gusenbauer möchte ich noch Folgendes sagen: Er kritisiert hier wegen der Arbeitslosenzahlen in Österreich immer wieder, dass wir von einem einzigen Problem, nämlich in Wien, reden. (Abg. Dr. Wittmann: Wie war das Wahlergebnis in Ober­österreich?) Das einzige Problem ist aber das größte Problem für uns: die Arbeitslosen in Wien! Das muss ich schon sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn ich dann in eurem Pensions-Volksbegehren lese, dass es bis zu 60 Prozent Abschläge gibt, dann muss ich euch wirklich einmal ersuchen: Bleibt endlich einmal bei der Wahrheit und sagt der Bevölkerung nicht immer die Unwahrheit! – Es ist nämlich ausdrücklich eine Obergrenze von 10 Prozent verankert. (Rufe bei der SPÖ: Wie lange?) Natürlich wird es so sein, dass, wenn wir Freiheitlichen nicht mehr in der


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Regierung sind, die Pensionisten bis zu 50 Prozent Abschläge kriegen werden (Hei­terkeit bei der ÖVP), denn ihr (in Richtung SPÖ) seid nämlich diejenigen, die gefordert haben: Beitragserhöhungen, länger arbeiten! Dr. Gusenbauer hat schon vom 67. Le­bensjahr generell geredet und von 10 Prozent Abschlag.

Ihr von den Sozialdemokraten wart es auch, die drei ungerechtfertigte Systeme ge­schaf­fen haben: eines für den ASVGler, der vielleicht 900 € bekommt (Abg. Dr. Witt­mann: Wie war das Wahlergebnis in Oberösterreich?), eines für den Beamten – aber für die hohen Beamten, die 2 000 € Pension im Monat bekommen – und eines für Leute wie Karl Blecha und Franz Vranitzky, die über 12 000 € bekommen. (Abg. Lentsch: Ein Wahnsinn! – Abg. Murauer: Unwahrscheinlich!)

Liebe Pensionisten, hört euch das an, das ist der Pensionistenvertreter von der SPÖ: 12 500 € im Monat bekommt Karl Blecha und stellt sich dann hin und unterschreibt dieses Volksbegehren! Wenn er Charakter hätte, dann träte er aus der SPÖ aus. Wenn die SPÖ Charakter hätte, dann hätte sie ihn schon lang hinausgeschmissen, denn mit dem könnt ihr keine Wahlen gewinnen. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Was wollt ihr überhaupt mit der ganzen Rederei vom Aufschnüren? – Ihr wollt mit diesem Volksbegehren die alten Privilegien wieder zurückholen! (Abg. Dr. Wittmann: Wo bleibt denn die Harmonisierung?) Ihr wollt das System des Karl Blecha und von Vranitzky behalten. Ihr wollt keine Harmonisierung – höchstens Kollege Verzetnitsch, dem glaube ich es und traue es ihm zu; allerdings hat er auch ein bisschen ein Prob­lem, denn im ÖGB beziehungsweise in der Gewerkschaft sitzen Sozialdemokraten, die echte Privilegienritter sind, schön abkassieren und sagen: Nehmt es bei allen, aber ja nicht bei mir! – So schaut die Wahrheit rund um die Sozialdemokraten aus! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was mich ärgert, ist: Warum gehen die Sozialdemokraten, die Arbeiterkammer und die Gewerkschaft her und machen immer die Arbeit der SPÖ? – Herr Kollege Verzetnitsch, du weißt, ich bin Betriebsrat einer mittleren Baufirma, wir sind zu fast 100 Prozent gewerkschaftlich organisiert. (Abg. Verzetnitsch: Bravo!) Und ich habe viele Be­triebsräte in Oberösterreich. (Abg. Dr. Wittmann: Wie viele Prozent hast du verloren?) Wenn ihr aber dieses System nicht beendet und nicht endlich einmal überparteilich werdet, dann werde ich mir einmal einfallen lassen, ob es überhaupt einen Sinn hat, bei diesem Verein noch Mitglied zu sein. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Heinzl: Der wird aber „traurig“ sein, wenn Sie austreten! Da gibt es ein Freudenfest!)

17.05

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mandak. 5 Minu­ten Redezeit; Restredezeit der Fraktion: 9 Minuten. – Bitte.

 


17.05

Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Minister Haupt, ich hätte mich wirklich unheimlich gerne auf Ihre Anfragebe­ant­wortung bezogen ... (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und Freiheitlichen. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Herr Minister Haupt! Herr Minister Haupt! (Bundesminister Mag. Haupt: Ich höre!) – Fein! Schön, wenn Sie hören! Ich hätte mich sehr gerne auf Ihre Anfragebeantwortung bezogen, aber Sie rattern sie derart herunter, dass es nicht möglich ist, sich inhaltlich mit den Antworten auseinander zu setzen. Das tut mir sehr Leid.

Was ich mir aber von diesem langen Einleitungstext, den Sie gebracht haben, sehr wohl aufgeschrieben habe, ist, dass es das einfach nicht mehr spielen wird, dass Men-


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schen, die nur 16 oder 17 Jahre voll gearbeitet haben, dann auch – „so wie Ostern und Weihnachten zusammen“ – eine entsprechende Pension bekommen. – Herr Minister, gerade Sie, Ihre Fraktion und die ÖVP, sind es, die immer sagen: Wir Bösen – nämlich die Grünen und die SPÖ (ironischer Widerspruch bei der ÖVP) – verwehren es den Frauen, zu Hause zu bleiben, wir würden sie in die Erwerbstätigkeit drängen.

Aber was, so frage ich Sie, was tun Sie für jene Frauen, die sich für Familienarbeit zuständig fühlen, also für die so genannten Hausfrauen? – Sie lassen sie mit Ihrer Pensionsreform voll im Regen stehen! Diese Frauen bekommen die Keule voll drauf (Abg. Wittauer: Wo denn?), weil auch die höhere Anrechnung von Kinderbetreu­ungs­zeiten oder ein Abzug von drei Jahren pro Kind beim Durchrechnungszeitraum, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, nie und nimmer die Aufstockung der Be­mes­sungsgrundlage von 15 auf 40 Jahre ausgleichen können! (Abg. Murauer: Pen­sions­begründende Zeiten zum Beispiel! Das müssen Sie schon dazusagen!) Da braucht man ja einen ganzen Schippel Kinder, damit das etwas nützt! (Abg. Wittauer: Das wäre ja begrüßenswert!)

Aber der Herr Minister hat es heute sehr klar gesagt: Das wird es nicht mehr spielen! Sie lassen jene Frauen im Regen stehen, die genau das tun, was Sie immer so gern wollen, nämlich die sich um ihre Familien kümmern, die sich um ihre Kinder kümmern, um ihre Männer kümmern. Das ist der Dank, den sie von Ihnen kriegen. – Danke! Super! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es war heute schon die Rede von den Ausgleichszahlungen und von dem „tollen“ Här­tefonds, der im Rahmen der mittlerweile schon Novellierungen zu diesem Gesetz erreicht werden konnte. Bitte, da reden wir aber von Einmalzahlungen, auf die es keinen Rechtsanspruch gibt! Die Frage ist, wie lange es diesen Härtefonds geben wird. Und dieser Härtefonds bewirkt auch, dass es keine Pensionserhöhungen gibt und dass kommende Erhöhungen von einem weit niedrigeren Niveau ausgehen werden. (Präsi­dent Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Das heißt: Sie benachteiligen sie damit noch einmal! Und ich weiß nicht, ob es Ihnen nicht bewusst ist – dann ist es traurig –, oder ob es Ihnen bewusst ist und Sie es trotzdem machen – dann ist das eine ganz, um keinen Ordnungsruf zu bekommen, schlechte Art, Politik zu machen! Ich weiß nicht sicher, welche Variante bei Ihnen zutrifft, das müssen Sie selber beurteilen. Sie ist auf jeden Fall abzulehnen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Großartig verkünden Sie diese 0,6 Prozent, die Sie an Ausgleichszulagenbezieher bezahlen. Ist Ihnen eigentlich klar, dass in den letzten drei Jahren die Lebenshaltungs­kosten um 10 Prozent gestiegen sind? Ist Ihnen eigentlich klar, dass im letzten Jahr die Inflationsrate zwar nur bei 1,3 Prozent lag, dass aber die Preise für den so genannten Mikrowarenkorb, nämlich diejenigen Waren, die man wirklich im täglichen Leben braucht, um 2,6 Prozent gestiegen sind? (Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Haupt.) Und da kommen Sie mit 0,6 Prozent daher und rühmen sich auch noch dafür!

Bei dieser Art von Sozialpolitik wäre ich ganz still, würde kein Wort reden und mich nicht hier herstellen und noch großartig davon reden, welche Erfolge damit erreicht wurden! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Scheibner: Sie müssen eh nicht da draußen stehen! – Abg. Großruck: Tun Sie es! Gehen Sie ...!)

Sie von den Koalitionsparteien erklären – und das ist etwas, was ich Ihnen wirklich vorwerfe – der Bevölkerung auf der einen Seite, das Geld für Pensionen sei nicht mehr da. Sie wissen aber auf der anderen Seite ganz genau, dass die Sicherung der Pen­sionen die wichtigste Zukunftsfrage für die Menschen ist. 62 Prozent der Bevölkerung sagen: Das ist die zentrale Zukunftsfrage für mich.


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Aber Sie verunsichern die Bevölkerung in diesem Punkt völlig. Sie wissen genau, dass die Pensionen sehr wohl finanzierbar sind, denn wenn Sie jetzt hergehen und be­haupten, im Umlageverfahren sei es nicht mehr finanzierbar, und dann auf eine Be­triebspension und auf eine Privatvorsorge pochen, dann frage ich Sie: Wer wird denn das bezahlen? Wer wird die bezahlen?

Kollege Pack hat vorhin groß von den Grundrechnungsarten gesprochen. – Wenden Sie sie doch einmal selber an! Das werden nämlich genau die Gleichen sein, die jetzt das Umlageverfahren bezahlen, nämlich die Bürgerinnen und Bürger, die Arbeitneh­merInnen, die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber – und der Staat mit Budgetgeldern, die wiederum von den Steuereinnahmen kommen. Andere Gelder sind nicht vorhan­den, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Das Einzige, was Sie erreichen ist, dass Sie mit Ihren anderen Staffelungen all jene hinausdrängen, die sich diese Zusatzversicherungen nicht leisten können; Karl Öllinger hat heute schon sehr klar darauf Bezug genommen.

Kollegin Steibl, Sie haben gesagt – ein Zitat –: Wir haben Verstand, wir haben Verant­wortung! – Bitte, nutzen Sie Ihren Verstand! Ich zweifle nicht daran, dass Sie ihn haben. Übernehmen Sie die Verantwortung, die Sie zweifelsohne auch haben, und über­arbeiten Sie diese Pensionsreform, die Sie hier zusammengewurschtelt haben, noch einmal, damit es ein gerechtes System wird! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.11

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Keck. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. Redezeit gemäß Geschäftsordnung: ebenfalls 5 Mi­nuten. – Bitte.

 


17.12

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Durch Ihre Pensionskürzungen haben Sie die Nacht- und Schichtarbeiter aufs Gröbste benachteiligt. Während Sie Pensionen kürzen, schuften tausende Schichtler rund um die Uhr, um den wirtschaftlichen Erfolg unserer Republik sicherzustellen. Und im Ge­gensatz zu Ihnen sind diese Menschen erfolgreich! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

Tageszeitungen berichten nämlich, dass auch in der modernen Informations- und Dienstleistungsgesellschaft noch immer rund ein Drittel der Wirtschaftskraft unseres Landes von Arbeitern der Industrie erwirtschaftet wird. Und ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, dass ein Großteil unser aller Wohlstand auf den Leistungen der Nacht- und Schichtarbeiter aufgebaut ist. Dennoch ist es so, dass gerade diese Gruppe von Schwarz-Blau sprichwörtlich „wie ein Stiefkind“ behandelt wird.

Meine Damen und Herren! Sie tragen die Verantwortung dafür, dass die Nacht- und Schwerstarbeiter unseres Landes heute mit dem Rücken zur Wand stehen, denn Arbeitsmediziner bestätigen, dass Nacht- und Schwerstarbeiter im Durchschnitt lediglich 63 Jahre alt werden, was die Experten mit der Schwere der Arbeit und an­deren lebensbeeinträchtigenden Faktoren begründen. Das ist eine sehr schreckliche Erkenntnis.

In aller Deutlichkeit darf ich Ihnen sagen: Der legendäre Bundeskanzler Bruno Kreisky ist im Jahre 1970 angetreten, um dem Sterben vor der Zeit den Kampf anzusagen. Und Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, haben im Jahr 2003 das Rad der Geschichte zurückgedreht (Abg. Mag. Molterer: Gott sei Dank!), denn die Menschen im Nacht- und Schichtdienst sterben wieder vor dem gesetzlichen Pen­sionsalter. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Herr Sozialminister, Sie kennen noch weit dramatischere Zahlen aus den Auswer­tun­gen der betrieblichen Sterbekasse, ich habe Ihnen gestern wieder Zahlen dazu gege­ben. Und die Realität, die diese Zahlen aufzeigen, sieht noch viel dramatischer aus: Unter mehr als 4 000 recherchierten Fällen beträgt das durchschnittliche Sterbealter der Nacht-, Schicht- und Schwerstarbeiter nicht einmal 60 Jahre. Und unter den un­sozialen schwarz-blauen Rahmenbedingungen bedeutet dies für die Nacht- und Schichtarbeiter den Tod noch vor Erreichen des Regelpensionsalters. (Abg. Scheib­ner: Jetzt halten Sie sich einmal ein bisschen zurück!)

Meine Damen und Herren! Das ist menschenverachtend und zynisch! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner – in Richtung Präsidium –: Was ist denn da los?)

Hinter diesen erschreckenden Zahlen stehen Menschen und ihre Schicksale. (Abg. Lentsch: Seit vier Jahren gibt es diese Regierung!) Und ich sage Ihnen noch einmal ausdrücklich, wie sehr sich normale Arbeit in ihrer Auswirkung von Nacht- und Schwerstarbeit unterscheidet: Während Angestellte in der Tagarbeit ziemlich exakt das statistische Durchschnittsalter erreichen, leben diejenigen unter Ihnen, die Schicht­arbeit leisten, weniger lange; ebenfalls geringer ist die Zahl bei den Arbeitern. Und noch einmal reduziert wird dann bei den Nacht- und Schwerarbeitern die durch­schnittliche Lebenserwartung.

Meine Damen und Herren! Auch die Gründe dafür sind einleuchtend, wenn auch erschütternd: Menschen, die in Schicht arbeiten, müssen selbst bei gleichen Arbeits­vorgängen wie für die am Tag Beschäftigten mehr Energie aufwenden als solche in der Normalarbeitszeit. Und Experten beziffern den Mehraufwand mit 150 und ab dem 45. Lebensjahr sogar mit 200 Prozent. Und dass man dadurch früher ausgepowert und verbraucht ist, ist, glaube ich, sicherlich einleuchtend!

Gerade im Bereich der Nachtarbeit paart sich das mit einer höheren Anfälligkeit für Krankheiten. Alleine Herz- und Kreislauferkrankungen treten hier im Durchschnitt dop­pelt so häufig wie in der Gesamtgesellschaft auf. (Abg. Lentsch: Dafür ist ja die Regierung nicht zuständig!) Bei den Magen- und Darmerkrankungen beträgt die Steigerung sogar noch mehr, nämlich rund 400 Prozent. All das sind wissenschaftlich belegte Zahlen und Daten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann Ihnen nur sagen: Es ist höchste Zeit zu handeln! Sorgen wir doch dafür, dass all jene, die uns in guten Zeiten genehm sind, gerade in schlechten Zeiten, die Sie herbeigeführt haben, nicht im Regen stehen müssen! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Weinzinger.)

Mit Ihrer Pensionsreform sind diese Menschen zum Sterben vor der Zeit im aktiven Arbeitsleben verurteilt. Diese Menschen werden ihre Pension, die sich verdient haben, durch Ihre unsoziale Reform nicht mehr antreten können.

Meine Damen und Herren! Ich schlage Ihnen dazu wieder eine Lösung vor. (Zwi­schenruf der Abg. Lentsch.) Eine Lösung, die sehr schnell umgesetzt werden könnte, wäre die Änderung des Nachtschwerarbeitsgesetzes, wie ich es schon im Juni 2003 hier gefordert habe. Und trotz der Zusage des Herrn Sozialministers ist eben bis heute nichts geschehen.

Reden Sie von den Regierungsparteien nicht nur, sondern handeln Sie doch endlich! Im Sozialausschuss liegt seit Monaten unser diesbezüglicher Entschließungsantrag. Behandeln und beschließen Sie ihn dort schnellstens, und zeigen Sie dadurch, dass Sie wenigstens noch eine Spur an sozialem Gewissen haben! (Beifall bei der SPÖ.)

17.17

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Haupt. Wunschgemäß stelle ich die Uhr auf 5 Minuten. – Bitte, Herr Minister.

 



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17.17

Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte den Ausführungen des Kollegen Keck noch einiges hinzufügen.

Herr Kollege Keck, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie, Kollege Verzetnitsch und andere, mir die Daten der Voestler zur Verfügung gestellt haben, die Besorgnis erregende früh­zeitige Sterbedaten beinhalten. Und ich bin auch der Meinung, dass am Arbeitsplatz sehr vieles verbessert werden muss, um solche Daten in Zukunft nicht mehr verzeich­nen zu müssen. (Zwischenruf des Abg. Keck.)

Aber, Herr Kollege Keck, ich bitte Sie dringend, da Sie ja genau wissen, dass diese Daten der „Erfolg“ der Arbeitswelt der letzten 30 Jahre sind (Abg. Lentsch: So ist es! Genau so ist es!), die Arbeitsbedingen in der Voest nicht dieser Bundesregierung in die Schuhe zu schieben (Abg. Scheibner: Genau!), sondern als Personalvertreter für die­sen Bereich Ihre Mitverantwortung dafür einzuräumen, dass diese Daten heute möglich sind (Widerspruch bei der SPÖ), weil der Arbeitnehmerschutz in der Voest von Ihnen und Ihren Vertretern wahrgenommen worden ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Nürnberger: ... Gefahr ...!)

Ich bin gerne bereit, an einer Verbesserung mitzuarbeiten, und ich werde das auch tun. Und ich habe für die Schwerarbeiterregelung das erste Mal in der Zweiten Republik – Herr Kollege Verzetnitsch weiß das ebenso wie Kollege Tumpel – alle österreichischen Berufe, die es derzeit in der Berufsliste gibt, nach Sterbedaten, nach Berufsanfälligkeit, nach entsprechender Belastung in der Arbeitswelt, nach Nachtschwerarbeit, nach Schichtarbeit alleine sowie nach anderen Kriterien aufarbeiten lassen. Ich habe endlich nach 50 Jahren Zweiter Republik die Gesundheitsdaten zusammenfassen lassen, da­mit wir objektive Entscheidungsgrundlagen für das Schwerarbeitermodell haben.

Ich habe soziales Gewissen, und ich werde auch danach handeln! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.18

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Eßl zu Wort gemel­det. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ: ... war nicht in Ordnung! – Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Haupt. – Abg. Nürnberger: Das war ... sehr billig, Herr Minister!)

 


17.19

Abgeordneter Franz Eßl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Der Weg in die Altersarmut ist Thema dieser heutigen Dringlichen Anfrage, und ich kann Ihnen zwei sichere Wege dorthin sagen: Der erste ist jener Weg, den die Sozialisten mit ihrer Budget- und Schul­denpolitik in den letzten Jahrzehnten beschritten haben, und der zweite ist der Weg, den die Opposition mit ihrer Politik der Reformverweigerung und gleichzeitig Realitäts­verweigerung heute geht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heit­lichen.)

Ich bin auch durchaus dazu bereit, über jene 10,32 € mit Herrn Cap zu diskutieren. Nur sollten wir dann auch über die Zinsen diskutieren, die wir heute bezahlen, weil uns die Sozialisten einen derartig hohen Schuldenberg hinterlassen haben! (Abg. Dr. Witt­mann: Der größte Schuldenmacher war der Schüssel!)

Wir zahlen nämlich pro Einwohner in Österreich 900 € Zinsen pro Jahr, also nicht nur die Pensionisten, sondern jedes Baby, jeder Arbeitende, alle Staatsbürger in unserem Land. Wir sollten auch darüber reden. (Abg. Dr. Wittmann: Schüssel war da nicht dabei?)


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Eine gute Pensionspolitik nimmt auf gesellschaftspolitische Veränderungen Rücksicht. Deshalb gibt es diese Pensionsreform. (Abg. Dr. Wittmann: Wo war Schüssel zu dieser Zeit?) Ich bin mir schon im Klaren darüber, dass diese Pensionsreform 2003 Veränderungen für die österreichische Bevölkerung mit sich bringt, jedoch wissen wir alle, dass gerade jetzt Maßnahmen zu setzen sind, um unser Pensionssystem dauer­haft absichern zu können. (Abg. Dr. Wittmann: Herr Kollege! War Schüssel nicht da­bei?)

Österreich, meine geschätzten Damen und Herren, muss auch im Jahre 2020 und später ein Land lebendiger Solidarität zwischen den Generationen sein. Ich bin für diese Pensionsreform, weil ich Solidarität mit den jungen Menschen in diesem Land zeige. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich bin auch für Nachhaltigkeit in der Wirtschaft und in der Politik. Gerade als Bauer ist es für mich unerlässlich, nachhaltig zu wirtschaften, um die Lebensgrundlagen auch für die künftigen Generationen sicherzustellen. In Generationen denken und danach han­deln, das muss unser Grundsatz sein.

Ich kann als Bauer meinen Kindern nicht garantieren, dass sie aus meinem, aus unserem Wald in 20 oder in 30 Jahren einen Ertrag in einer gewissen Höhe haben werden. Die Kostenfaktoren werden sich ändern, die Holzpreise werden sich ändern. Ich kann nur eines mit Sicherheit sagen, dass dann, wenn ich mit meinem Wald nicht nachhaltig wirtschafte, vorsorglich umgehe und ständig mehr Holz entnehme, als nachwächst, meine Kinder und meine Enkelkinder garantiert keinen Ertrag mehr haben werden. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Wittmann.) Das gilt auch für die Pensionsreform. Sie soll nachhaltig sein, sie soll gerecht und auch finanzierbar sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Vorgangsweise der Opposition ist überhaupt nicht seriös, sondern eher fahrlässig, wenn sie einem heute Zwanzigjährigen, der seit maximal fünf bis sechs Jahren im Arbeitsleben steht, sagen will, welchen Betrag er in 40 oder 45 Jahren an Pen­sionsleistung erhalten wird. Die SPÖ beklagt Verluste über etwas, was fiktiv berechnet wird. Ich sage, es ist höchst unverantwortlich, wenn man mit solchen Beispielen den Menschen etwas vorzugaukeln versucht und den Eindruck erweckt, man bräuchte nichts zu ändern. (Zwischenruf des Abg. Gradwohl.)

Wir wissen genau, dass wir kürzer arbeiten und die Pension länger in Anspruch nehmen können, nämlich um mehr als das Doppelte als noch vor 20 oder 30 Jahren. Eine verantwortungsvoll handelnde Regierung ist gefordert, Maßnahmen zu setzen, und das ist von dieser Bundesregierung tatsächlich getan worden. Sagen wir also un­seren Mitbürgern draußen den wahren Hintergrund dieser heutigen Anfrage und die wahren Hintergründe dieses Volksbegehrens, das sich als reines Parteibegehren der SPÖ entpuppt!

Lassen wir uns also nicht für parteipolitische Interessen missbrauchen, und stehen wir im Interesse der Menschen in unserem Lande zu diesem Reformkurs des Wolf­gang Schüssel und seiner Bundesregierung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

17.24

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Restliche Redezeit: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.)

 


17.24

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Neben den vielen Einzelfragen, die in diesem Zusammenhang aufgeworfen wurden,


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die sicherlich alle sehr wichtig sind, gehen mir insbesondere bei den Darstellungen der Regierungsparteien die gröberen Zusammenhänge ein bisschen verloren, welche Chancen täglich vergeben werden, um sich dem Kern der Sache zuzuwenden.

Mit der grünen Fraktion werden Sie sicher Übereinstimmung darüber finden, dass es mittel- und langfristig Handlungsbedarf braucht. Aber eines werden Sie nicht unter dem Nebel und vor dem Paravent des so genannten Generationenkonflikts wegdiskutieren können: Ich will gar nicht auf die Wurstsemmelfrage eingehen, aber man stellt sich immer nur hin und sagt: die Jungen und die Alten. Sie verschleiern eine Sache ganz bewusst, nämlich dass es auch innerhalb der Generationen – langfristig wird das offensichtlich nicht so schnell wegzubekommen sein – so etwas wie Verteilungsfragen gibt. – Das ist auch ein Aspekt.

Wenn diese Pensionsreform vor ein paar Wochen saniert wurde, und zwar mit einem Bettel für die Betroffenen, die sich in Wirklichkeit almosenartig anstellen mussten, dann muss man sagen, ist es umso schändlicher, dass Sie eine Steuerreform hier ins Haus bringen – sie wurde vorgestern im Ministerrat verabschiedet –, die exakt darauf nicht eingeht. Sie geht selbst auf Probleme, die Sie schon erkennen, wie etwa auf die Min­destpensionisten nicht ein, geschweige denn auf die Frage jener Frauen, die überhaupt keine Alterssicherung haben. Der Bereich der Pensionistinnen und Pensionisten, die einen Anspruch haben, ist sehr klein.

Sie schaffen es, mit der letzten Steuerreform 2,5 Milliarden € zu verteilen, davon kommt 1 Milliarde dem so genannten Wirtschaftsbereich zugute, aber darüber streiten wir jetzt nicht. Wenn man nur jene Teile hernimmt, die im Zuge der Lohn- und Ein­kommensteuerreform gesenkt werden sollen, dann kommt man darauf, dass entweder keine Einsicht in die akute Verteilungsproblematik gegeben ist oder dass Sie ideolo­gisch etwas anderes wollen.

In diesen Bereichen wäre es relativ einfach und leicht gewesen, die Reform, wie Sie es nennen, so zu gestalten, dass gerade die niedrigeren PensionsbezieherInnen oder überhaupt die EinkommensbezieherInnen entsprechend besser gestellt werden. (Zwi­schenruf der Abg. Mag. Hakl.) Aber das unterlassen Sie! Sie plakatieren in sauteuren Inseraten – entschuldigen Sie den Ausdruck! –: Entlastung für alle! – Davon kann keine Rede sein.

Sie verweigern sich der simplen Einsicht, dass das Instrumentarium des österreichi­schen Steuerrechtes schon längst die Möglichkeit hergäbe, die Absetzbeträge für alle auszuzahlen, also auch für jene, die sozusagen im niedrigen Einkommensbereich liegen, also auch bei den Pensionisten. Eine einfache Umverteilungsmaßnahme wird von Ihnen unterlassen, und deshalb ist Ihnen bezüglich der anderen Vorhaben, die Sie hier verkünden, relativ wenig zu glauben.

Sie von ÖVP und FPÖ wollen das akute Verteilungsproblem nicht sehen, und deshalb müssen Sie sich, so glaube ich, zu Recht den Vorwurf der Sozialdemokraten gefallen lassen, dass Sie mit Ihren Reformen mit langem Anlauf als Ergebnis für die Betrof­fenen Armutsfallen produzieren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Gehen Sie in sich und lösen Sie sich ideologisch ein bisschen von ein paar Sachen! Es gibt staatliche Aufgaben der Sicherung, und es gibt private Aufgaben für Zusätze. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.28

 



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Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. Die restliche Redezeit der Freiheitlichen beträgt 5 Minuten. – Bitte.

 


17.28

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Meine Damen und Herren! Die Rede des Herrn Keck hat mich dazu animiert, das Wort zu ergreifen. (Abg. Lentsch: Er ist schon weg!) Es ist natürlich das Recht – er ist schon weg, jetzt kommt er wieder, wunderbar – der Opposition, hier mehr oder weniger lustlos Dringliche Anfragen einzubringen. (Abg. Dr. Fekter: Uns die Zeit zu stehlen!) Man muss sich auch nicht der Mühe unterziehen, Anfragen, die man schon einmal eingebracht hat, zu verändern. All das ist das Recht der Opposition, und das haben Sie auch heute in Anspruch genommen. (Ruf: Das haben Sie lange gemacht!)

Aber eines, meine Damen und Herren, sollte nicht unwidersprochen bleiben, nämlich dass man in die unterste Schublade greift und sogar die Schwerstarbeiter missbraucht, um parteipolitische Polemik zu betreiben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Silhavy: Das ist doch unglaublich!)

Das ist wirklich unglaublich, was Sie hier machen. Ich sage Ihnen eines, meine Damen und Herren: Es ist richtig, wir brauchen eine Schwerstarbeiterregelung, und wir werden auch dafür sorgen, dass diese kommt, und zwar bald. (Abg. Silhavy: Minister Haupt ist säumig!)

Meine Damen und Herren! Es geht nicht um die Pensionsfrage (lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ), und das läge auch in Ihrer Verantwortung. Schreien Sie nicht herum, sondern arbeiten Sie einmal etwas für Ihre Leute in der Voest, Herr Keck in der letzten Reihe! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es geht darum, dass wir mittels Gesundheitsvorsorge und mittels Verbesserung der Arbeitsbedingungen diese wirklich bedenklich niedrige Lebenserwartung erhöhen und nicht Parteipolemik machen, um Ihr lustlos vorgetragenes Volksbegehren zu unterstüt­zen. (Abg. Silhavy: Das ist ungeheuerlich, wie Sie mit Menschen umgehen!)

Ungeheuerlich ist das, was Sie machen! Sie verunsichern, Sie spielen die Genera­tionen gegeneinander aus (Abg. Silhavy: Der Minister ist säumig!), Sie spielen die wichtigen Aufgaben des Staates gegeneinander aus. Das machen Sie Woche für Woche, Monat für Monat. Das ist das Skandalöse, meine Damen und Herren! Frau Silhavy! Das kreiden wir Ihnen an, und dafür werden Sie sich auch verantworten müssen.

Sie brauchen sich gar keine Hoffnungen zu machen, die Bevölkerung durchschaut Ihre Strategie (Abg. Lackner: Arbeiterkammer-Wahlen!), denn nicht umsonst, meine Da­men und Herren, waren die Freiheitlichen in Kärnten bei der Landtagswahl trotz Ihrer Parteipolemik und Ihrer Kampagne bezüglich Pensionisten die stärkste Partei. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Glauben Sie nicht, dass die Bevölkerung in Österreich Ihrer Propaganda und Ihrer Polemik weiter auf den Leim gehen wird! Die Leute wissen ganz genau, was sie von Ihrer Politik in den letzten Jahrzehnten – es wurde heute schon angesprochen –, für die Sie verantwortlich waren, gehabt haben. Wie hoch oder wie niedrig die Pensionen sind, das haben Sie zu verantworten, wie hoch oder wie niedrig die Kollektivverträge sind, das haben Sie zu verantworten, meine Damen und Herren! Sie haben eine Pen­sionsreform nach der anderen zu Lasten auch der Niedrigstpensionisten gemacht, aber nicht, um eine Strukturreform zu machen, um die Pensionen nachhaltig zu sichern, sondern nur um Ihre Wahlzuckerln zu finanzieren. Ihnen ging es nicht einmal darum, das Defizit zu senken, sonst hätten wir heute mehr Spielraum.


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Uns geht es darum, meine Damen und Herren – da wird man die Nagelprobe machen können –, nicht den Kampf der Generationen gegeneinander zu fördern, sondern, ganz im Gegenteil, die Solidarität in der Gesellschaft weiter zu fördern. (Zwischenruf des Abg. Gradwohl.) Das ist anscheinend für Sie mittlerweile ein Fremdwort, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie!

Wir wollen auch den Jüngeren signalisieren, dass wir gemeinsam mit ihnen, ge­mein­sam auch mit der älteren Generation dafür sorgen werden, dass sie auch noch ihren Lebensabend in sozialem Wohlstand verbringen können, aber dazu sind Maßnahmen notwendig. Sie haben es jahre- und jahrzehntelang verabsäumt, etwas zu tun. Sie wissen ganz genau, dass schon Ihr Sozialminister Dallinger vor 30 Jahren gesagt hat, wir müssten eigentlich das Pensionssystem reformieren. Sie haben es sich nicht ge­traut, Sie waren nicht mutig genug und nicht fähig dazu. Wir, diese Bundesregierung, haben den Mut, weil es notwendig ist, und wir sind auch fähig dazu, das Pen­sions­system nachhaltig zu reformieren und die Pensionen für die Zukunft zu sichern. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir werden uns anschauen, ob Sie wirklich bereit sind, alle Pensionsprivilegien in Ihrem Bereich abzuschaffen, auf Länderebene und auch auf Gemeindeebene, wo zum Teil nicht einmal die Pensionsreform von 1997 bis jetzt umgesetzt ist. In Ihrem Bereich ist alles nur schön und gut, Sie wollen für Ihre Personalvertretungswahlen alles beim Alten lassen. Aber mit uns nicht, meine Damen und Herren, mit uns nicht!

Es ist schön, dass wir jetzt auch mit dem Koalitionspartner eine einheitliche Linie ha­ben. Wir werden das Stichtagsmodell, ein verfassungskonformes Stichtagsmodell unterstützen und umsetzen. Wir werden die Schwerarbeiterregelungen mit einbezie­hen, und wir werden auch dafür sorgen, dass es in Zukunft für gleiche Beiträge gleiche gerechte Pensionen gibt, meine Damen und Herren!

Sie sind dazu eingeladen, jetzt nicht wegen der Arbeiterkammerwahl zu verzögern, son­dern dynamisch und rasch diese Reform vorzubereiten und dann auch umzusetzen und mit einer Zweidrittelmehrheit dafür zu sorgen, dass sie auf die Länder und auf die Gemeinden übergreift. Wir werden die Nagelprobe machen, und ich hoffe, dass Sie dann nicht wieder polemisieren, sondern gemeinsam mit uns endlich einmal etwas Konstruktives zusammenbringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.33

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Molterer. Restliche Redezeit: 3 Minuten. – Bitte. (Abg. Silhavy: Sie sollten sich schämen! – Abg. Scheibner: Zu schämen brauchen nur Sie sich!)

 


17.33

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Diese Dringliche bringt ja manches an den Tag. Im Wortschatz der SPÖ kommt das Wort „Finanzierbarkeit“ nicht mehr vor. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Im Wortschatz der SPÖ kommt nur mehr Schulden machen und Beiträge erhöhen vor, das ist inzwischen die politische Realität. Im Wortschatz der SPÖ kommt das Wort „Solidarität“ nicht mehr vor, nicht einmal im Volksbegehren selbst, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wo ist denn die Solidarität zwischen Alt und Jung? Wo ist denn die Solidarität zwi­schen den Erwerbstätigen in diesem Land und den Pensionisten? – Bei Ihnen ist das schon lange kein Thema mehr. Sie haben das abgeschrieben, meine Damen und Her­ren! (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.)


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Bei der SPÖ kommt das Wort „Eigenverantwortung“ überhaupt nicht mehr vor. Bei der SPÖ gibt es wieder den Rückfall in alte Positionen: Der Vater Staat soll alles, kann alles und wird alles. Meine Damen und Herren! Wissen Sie, wo wir damit hinge­kom­men sind? – Heute müssen junge Menschen Milliarden Schulden zahlen, die Sie mit Ihrer Politik des Schuldenmachens (Abg. Silhavy: Herr Molterer, waren Sie nicht ein­mal zufällig Minister?), der reinen Staatsverantwortung zu verantworten haben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: Waren Sie nicht einmal in der Regierung?)

Sie machen ein Partei-Volksbegehren, obwohl Sie Jahrzehnte Zeit gehabt hätten, zu handeln. Sie haben Jahrzehnte nicht gehandelt, daher müssen wir das jetzt tun, was Sie über Jahrzehnte nicht getan haben, meine Damen und Herren!

Sie von der SPÖ reden heute von Harmonisierung. Wissen Sie, was ist: In Wien ist bis heute die Pensionsreform im öffentlichen Dienst nicht gemacht, nicht nachvollzogen. Warum reden Sie von Harmonisierung, wenn Sie es in Ihrem eigenen Verantwor­tungs­bereich nicht ansatzweise tun?

Meine Damen und Herren! Das Volksbegehren führt von der Wahrheit weg, das ist die Realität. Sie sagen den Menschen mit dem Volksbegehren nicht die Wahrheit, Sie sa­gen ihnen nicht, was Not tut. Not tut nämlich Reform, damit wir die Zukunft gewinnen. Wir wollen ein nachhaltiges, ein gerechtes und ein finanzierbares Pensionssystem.

Meine Damen und Herren! Ein Partei-Volksbegehren der SPÖ – und der Parteivor­sitzende macht ein kurzes Gastspiel, und dann geht er wieder. So ist es mit der Wahr­heit! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.36

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Antrag wurde keiner gestellt. – Damit schließe ich diese Debatte.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 1182/AB

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nunmehr zur Kurzdebatte über die Anfra­ge­beantwortung der Frau Bundesministerin für Gesundheit und Frauen, 1182/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verle­sung durch die Schriftführer erübrigt.

Bevor wir in die Debatte eingehen, darf ich nur höflich darauf hinweisen, dass ich vom Ordner der SPÖ darauf aufmerksam gemacht wurde, dass noch eine andere schrift­liche Anfragebeantwortung, auf eine Anfrage der Frau Abgeordneten Gabriele Hei­nisch-Hosek, vorliegt. Die Anfragebeantwortung wurde an den Abgeordneten „Hein­rich-Hoschek“ erteilt, und das ist offenbar ein Missverständnis und ein Irrtum. Ich bitte den zuständigen Bundesminister, das dann in geeigneter Weise zu korrigieren, weil die Anfrage schon verteilt ist und die Parlamentsdirektion daher keinen Einfluss mehr darauf nehmen kann.

Was nun die Debatte über die Anfragebeantwortung betrifft, so mache ich darauf auf­merk­sam, dass zunächst Herr Abgeordneter Dr. Pirklhuber das Wort zur Begründung erhält. Er hat eine Redezeit von 10 Minuten. – Bitte, Herr Kollege Pirklhuber.

 


17.39

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Meine Damen und Herren! Nach dieser hitzigen Abschlusssalve der Regierungsfraktionen, die die Aushöhlung der sozialen Sicherheit im Alter zu verant­worten haben, geht es jetzt in dieser Anfragebesprechung der Grünen um die Sicher-


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heit der Lebensmittel, und zwar um die Sicherheit der Lebensmittel im Hinblick auf gentechnisch veränderte Produkte beziehungsweise um die Freiheit von solchen gentechnisch veränderten Organismen.

Frau Bundesministerin! In den letzten Wochen und Monaten ist in ganz Europa eine breite und intensive Debatte über diese Herausforderung, den Konsumenten­ansprü­chen Genüge zu tun, geführt worden. Die Konsumentinnen und Konsumenten haben sich im Rahmen unseres Gentechnik-Volksbegehrens mehrheitlich, und zwar nicht nur in Österreich, dafür ausgesprochen, dass sie gentechnikfreie Lebensmittel kaufen wol­len.

Die Europäische Kommission hat in sehr vielen Diskussionen auf parlamentarischer Ebene, auf Kommissionsebene und in den diversen Räten versucht, ein europäisches Regelwerk zu entwickeln, um den verschiedenen Interessen gerecht zu werden.

Nun gibt es auch eine große Auseinandersetzung auf internationaler Ebene, auf Ebene der WTO. Auf der einen Seite haben die Vereinigten Staaten die Europäische Union geklagt, weil sie dieses Gentechnik-Moratorium seit 1998 aufrechterhält und keine weiteren GVO-Pflanzen zum Anbau in der Landwirtschaft, zur Nutzung im Bereich der Lebensmittelwirtschaft zugelassen hat. Wir sind jetzt kurz davor, dass unter diesem Druck dieses Zulassungsmoratorium fallen wird.

Auf der anderen Seite liegt eine Klage der EU-Kommission beim Europäischen Ge­richts­hof wegen Nichtumsetzung der EU-Freisetzungsrichtlinie vom Juli 2003 vor. Frau Bundesministerin! Da besteht eklatanter Handlungsbedarf.

Besonders aktuell – und das ist wirklich die Kernfrage für die nächsten Wochen – ist, dass die Kennzeichnungspflicht für jene Futter- und Lebensmittel, die gentechnisch veränderte Organismen über dem Schwellenwert von 0,9 Prozent enthalten, mit 18. April 2004 in Kraft tritt.

Weiters müssen wir ab diesem Zeitpunkt die Rückverfolgbarkeit auch bei jenen Lebensmitteln sicherstellen, die nur in gentechnischen Verfahren hergestellt wurden, zum Beispiel Lecithin.

Jetzt stellt sich die Frage, Frau Bundesministerin: Was haben Sie in den letzten Mo­naten getan? – Wir wissen von Bundesminister Pröll, dass er viel getan hat. Er hat einige konkrete Vorschläge unterbreitet. Es gibt dazu eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Aber von Ihrem Ressort haben wir in dieser Frage in den letzten Monaten einfach nichts gehört.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den Entwurf vom 23. Mai 2003 zur Novelle des Gentechnikgesetzes. Ich habe ihn hier, das war vor fast einem Jahr. Seitdem haben wir nichts gehört. Es liegt kein neuer Entwurf vor; vielleicht haben Sie ihn mit, es kann ja sein, das wäre interessant.

Auf jeden Fall ist diese Tatsache höchst brisant, wenn man bedenkt, dass einerseits das Moratorium in den nächsten Monaten fallen wird und andererseits wir diese Kennzeichnungsvorschriften umsetzen müssen.

Sie geben in Ihrer Anfragebeantwortung Antworten, die aus unserer Sicht völlig un­zureichend sind. So geben Sie uns nicht bekannt, was Sie unternehmen werden, damit die Lebensmittel auch wirklich gekennzeichnet werden, damit die Lebensmittel auf gentechnisch veränderte Bestandteile untersucht werden.

Sie sprechen zwar, Frau Bundesministerin, zu Recht von einem Proben- und Re­visionsplan, das heißt, dass die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit entsprechende Pläne für Untersuchungen von Futter- und Lebensmitteln vorlegen wird,


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aber Sie sagen nicht, wie viele Proben gezogen werden, wie diese Probennahmen im Detail aussehen und wann sie durchgeführt werden.

Aus unserer Sicht hätten ja diese Proben und Analysen bereits im Vorfeld, also bevor die Kennzeichnung in Kraft tritt, durchgeführt werden müssen, damit auch die invol­vierten Interessenten, die Firmen auf der einen Seite, die betroffenen Konsu­men­ten auf der anderen Seite, eine gewisse Sicherheit haben, nämlich die Sicherheit, dass die Kennzeichnung ab diesem Datum auch wirklich lückenlos eingehalten werden kann.

Ein weiterer Punkt, der aus unserer Sicht völlig ungeklärt ist und den Sie auch nicht ausreichend beantworten konnten, ist die Frage, wie Sie die Leitlinien zur Umsetzung der Rückverfolgbarkeit legen werden. Welche konkreten Maßnahmen haben Sie hier vorgesehen? – Ich würde Sie ersuchen, darauf ganz konkret einzugehen.

Zur Frage 10 haben Sie etwas mit Hinweis auf das Lebensmittelgesetz festgestellt – aus unserer Sicht gerade in dieser Frage völlig unzureichend –, nämlich dass Verstöße gegen die Kennzeichnungspflicht nicht öffentlich bekannt gegeben werden.

Wir kritisieren seit Jahren, dass gerade in diesem Bereich des Lebensmittelgesetzes die Strafbestimmungen unzureichend sind. Es muss vor allem eines sichergestellt werden: die klare Information der betroffenen Öffentlichkeit (Beifall bei den Grünen), ob das die einzelnen Handelsfirmen sind, ob das die Konsumenten sind oder ob das die Bauern sind, wenn sie Saatgut einkaufen. All diese Gruppen gehören informiert. Das sollte auch entsprechend geklärt werden. Ich ersuche Sie, dazu Stellung zu beziehen, ob Sie etwa vorhaben, das Lebensmittelgesetz abzuändern.

Ganz konkret ergeben sich weitere Probleme, deren Lösung jetzt ansteht, weil Öster­reich in den letzten Jahren eine Vorsorgepolitik betrieben und insbesondere nationale Verbote ausgesprochen hat. Das sind die drei konkreten Verbote für den Import und die Verwendung von Novartis Bt-176-Mais, von MON 810 Bt-Mais und einer weiteren herbizidresistenten Maissorte. Dafür gibt es ganz konkrete Verbotsverordnungen auf Basis des Artikels 16 der Freisetzungsrichtlinie.

Wie werden Sie jetzt damit umgehen, Frau Bundesministerin? – Es besteht Druck von Seiten der Kommission, das aufzuheben. Was werden Sie in der Frage der Koexistenz tun? – Diese Frage ist in Österreich völlig ungeklärt.

So gibt es zwar Initiativen der Bundesländer, wie zum Beispiel das Kärntner Gen­technik-Vorsorgegesetz, das begutachtet wurde, oder das Salzburger Gentechnik-Vorsorgegesetz, das sogar noch ein wenig strenger als das Kärntner Gesetz ist und jetzt auch von der EU-Kommission positiv begutachtet wurde. Aber es fehlt die Rah­mengesetzgebung, damit die Bundesländer bundeseinheitlich akkordiert Maßnahmen treffen können.

Als eine der Kernfragen, Frau Bundesministerin, stellt sich ganz zentral die Frage der Haftung. Seit Jahren klafft im Bereich der Haftung eine äußerst große Lücke. Es gibt dazu gemeinsame Anträge, auch hier im Parlament. Dass die Haftungsfrage eigentlich auf europäischer Ebene zu lösen wäre, ist auch unsere Auffassung, aber solange das nicht geschieht, müssen wir dafür Sorge tragen, dass die Haftung auch auf nationaler Ebene eindeutig und klar geregelt ist, nämlich nach dem Verursacherprinzip, damit jene für Haftungen aufkommen müssen, die auch die Schäden oder Risiken und Ge­fahren verursachen.

Es wird die Herausforderung sein, eine entsprechende Haftungsregelung in dieser Novelle zur Umsetzung zu bringen. Bitte äußern Sie sich dazu, wann diese vorliegen wird!


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Aus umwelt- und gesundheitspolitischer Sicht ergibt sich eine Fülle von neuen Fragen. In den letzten zwei Jahren haben Studien ganz neue Ergebnisse zu Tage gebracht. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an zwei, drei Sachen. Es gibt die erste Lang­zeitstudie aus England – eine Vierjahresstudie, das nennt man im Gentechnikbereich Langzeitstudie –, anhand derer eindeutig gezeigt werden konnte, dass umweltrele­van­te Auswirkungen bestehen, dass zum Beispiel Rapspollen in einer Entfernung von bis zu 26 Kilometern nachweisbar ist.

In einer aktuellen ungarischen Studie konnte betreffend MON 810 Bt-Mais, also jenen Mais, dessen Aussaat in Österreich verboten ist, nachgewiesen werden, dass die Mor­talität von Tagpfauenaugen-Raupen um 20 Prozent erhöht ist, meine Damen und Herren.

Besonders interessant: Selbst der Pestizideinsatz – es war immer das Argument, man könne Pestizide einsparen – ist seit drei Jahren in den Vereinigten Staaten massiv steigend. Trotz großflächigem Gentechnikanbau ist der Pestizideinsatz wieder stei­gend. Aber ich habe hier nicht die Zeit, im Detail darauf einzugehen.

Frau Bundesministerin, abschließend: Das Pollenallergierisiko ist unheimlich groß. In neuen Untersuchungen norwegischer Wissenschafter auf den Philippinen konnte gezeigt werden, dass bei Blutuntersuchungen an dort auf der Insel Mindanao arbeiten­den Bauern (Abg. Scheibner: Wo?) eindeutig intakte Viruspromotoren von gentech­nisch verändertem Mais im Blut nachgewiesen wurden. Das sind kürzliche Studien; also: Fragen über Fragen.

Meine Fragen an Sie in diesem Zusammenhang sind folgende: Wann werden Sie end­lich das Gentechnikgesetz vorlegen? Was werden Sie unternehmen, damit diese human­toxikologischen und chronisch toxischen Fragen auch bei der Zulassung Be­rück­sichtigung finden? Welche Schritte werden Sie setzen, damit wir den Konsu­men­tinnen und Konsumenten auch weiter gentechnikfreie Lebensmittel in Österreich anbie­ten können? Es soll gewährleistet sein, dass die Menschen solche Lebensmittel in ihren Tragtaschen mitnehmen können (der Redner stellt eine Tragtasche, auf der die Abbildung einer Tomate zu sehen und der Text „Genfood? Nein danke!“ zu lesen ist, vor sich auf das Rednerpult), weil die Produkte gekennzeichnet werden. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.49

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Rauch-Kallat. Die Redezeit soll ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

 


17.49

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Ich werde mein Möglichstes tun. – Hohes Haus! Wenngleich es einiges an Maßnah­men zu nennen gibt, die in den letzten Wochen und Monaten gesetzt wurden, Herr Abgeordneter Pirklhuber, so bietet mir diese Besprechung einer Anfragebeantwortung die Möglichkeit, Ihnen dazu all jene Informationen zukommen zu lassen, die Sie in der Öffentlichkeit vermissen, wobei es darum geht, dass tatsächlich etwas passiert und dass entsprechend den Vorstellungen der Österreicherinnen und Österreicher für ein gentechnikfreies Österreich auch innerhalb der Europäischen Union gehandelt und Lobbying betrieben wird.

Österreich nimmt bis heute, und meines Erachtens völlig zu Recht, eine sehr kritische Haltung zur Gentechnik in der Futtermittel- und Lebensmittelproduktion ein. Im Dezem­ber 2003 hat Österreich gemeinsam mit Dänemark, Griechenland, Frankreich, Luxem­burg und Portugal gegen die Zulassung von Bt-11-Mais als gentechnisch verändertes


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Lebensmittel gestimmt, während sich Belgien, Deutschland und Italien der Stimme enthalten haben.

Dieses Abstimmungsverhalten zeigt leider ganz deutlich, dass ein Aufrechterhalten des Moratoriums schwierig werden wird. Um den Erhalt des Moratoriums abzusichern, erging seitens des Landwirtschaftsministers Dipl.-Ing. Pröll ein Schreiben an alle Um­welt- und Landwirtschaftsminister, in dem er auf die noch ungelösten Fragen zur Risikobewertung und zur Koexistenz aufmerksam machte.

Ziel war es vor allem, auch den anderen Ministerinnen und Ministern die ablehnende Haltung Österreichs zur Gentechnik in Lebensmitteln verständlich zu machen und eine Fortführung des Moratoriums zu erlangen. Um die österreichische Position zu stärken, wurde von meinem Haus ein Forschungsprojekt zum Thema „Toxikologie und Allergo­logie von GVO-Produkten“ in Auftrag gegeben. Ziel dieses Forschungsprojektes war die Analyse der EU-weiten Produktanträge für gentechnisch veränderte Pflanzen und Lebensmittel und davon ausgehend die Ausarbeitung von Empfehlungen zur Stan­dardisierung der Sicherheitsbewertung.

Als Studienempfehlung wurde deshalb festgehalten, dass neben der akuten Toxizität und Allergenität insbesondere auch andere Endprodukte wie chronische Toxizität, Kanzerogenität und Reproduktionstoxizität im Rahmen der Sicherheitsbewertung erfasst werden müssen. Damit könnten auch eventuelle sekundäre schädliche Wirkungen der Genmodifikation entdeckt werden.

Die Einwände Österreichs, so auch zum Bt-11-Mais, stützen sich auf die Erkenntnisse dieser Studie. Einem persönlichen Schreiben von mir an EU-Umweltkommissarin Wall­ström wurde auch die gegenständliche Studie angeschlossen, um die Einwände Österreichs zu untermauern.

Über das Dossier betreffend Bt-11-Mais wird voraussichtlich am 27. April 2004 im Agrarministerrat abgestimmt. Dabei werden wir alles daransetzen, dass die qualifizierte Stimmenmehrheit für eine Zulassung nicht erreicht wird. Aber auch wenn es zu keiner qualifizierten Mehrheit für eine Zulassung kommt, könnte die Kommission dieses Produkt trotzdem noch immer einstimmig genehmigen. Eine Genehmigung durch die Kommission würde bedeuten, dass hiemit das Moratorium endgültig beendet wird.

Die Kommission hatte zuvor wiederholt die Mitgliedstaaten aufgefordert, nationale Verbote gegen gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel aufzuheben, da aus ihrer Sicht mit dem ab 18. April 2004 in der EU anzuwendenden Gesetzgebungspaket über gentechnisch veränderte Organismen die Voraussetzungen für das Ende des Moratoriums gegeben sind.

Mit den beiden EU-Verordnungen über die Rückverfolgbarkeit und die Kennzeichnung wird europaweit ein hohes Niveau an Umwelt- und Gesundheitsschutz sichergestellt. Mit diesen Bestimmungen wird auch ein einheitliches Konzept für die Rück­verfolg­barkeit von GVO vom Feld bis zum Teller ermöglicht.

In meinem Ressort wird die Diskussion über notwendige Maßnahmen sowie die ge­setzlichen Grundlagen zur Umsetzung der europäischen Gentechnikbestimmungen bereits seit dem Frühjahr letzten Jahres intensiv geführt. Sie haben es ja schon angesprochen, Herr Abgeordneter.

Bereits vor dem Sommer wurde eine Gentechnikgesetz-Novelle zur Umsetzung der Freisetzungsrichtlinie in Begutachtung geschickt. Es war von mir vorgesehen, im November 2003 dieses Gesetz in den Ministerrat einzubringen.


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Von Seiten des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur sowie auf Grund von Einwänden des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit wurde die Gesetzesnovelle erneut einem interministeriellen Diskussionsprozess unterzogen.

In der Sitzung der Gentechnikkommission im Februar dieses Jahres habe ich den Ge­setzentwurf ebenfalls zur Diskussion gestellt. Nicht nur in der Gentechnik­kom­mission, sondern auch in einer auf eine Initiative der Landesagrarreferentenkonferenz zurückge­henden Expertinnen- und Expertengruppe unter Führung des Landwirt­schafts- und Um­weltministeriums werden Empfehlungen für eine nationale Strategie erarbeitet, um ein einheitliches Vorgehen von Bund und Ländern in der Frage der Koexistenz sicherzustellen.

Die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln ist deshalb von großer Bedeutung, weil sie die Grundlage für den Erhalt der Wahlfreiheit für den Ver­braucher sicherstellt. In Anbetracht der europäischen Entwicklung zur Gentechnik­ge­setzgebung habe ich den Auftrag gegeben, eine Informationsbroschüre für die Ver­braucherinnen und Verbraucher zu erarbeiten, die die Bedeutung der Kennzeichen erläutert. Besonders gefreut hat mich dabei die Zusage der Lebensmittelindustrie, sich an dieser Information ebenfalls aktiv zu beteiligen.

Als Bundesministerin für Gesundheit und Frauen bin ich auch für die von Ihnen angesprochenen Kontrollen der Bestimmungen verantwortlich. Ich habe erst neulich in einer Beantwortung der parlamentarischen Anfrage 1483/J dazu Stellung genommen.

Aber bereits in den vergangenen Jahren, Herr Abgeordneter Pirklhuber, habe ich – ich im letzten Jahr, aber meine Amtsvorgänger schon früher – bundesweit Inspektionen und Kontrollen im Hinblick auf genetisch veränderte Lebensmittel veranlasst. Die Lebensmittelaufsichtsorgane der Länder haben dazu bei Produktions- und Verarbei­tungsbetrieben und im Lebensmittelhandel Probennahmen durchgeführt. Die analyti­schen Untersuchungen erfolgten durch die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit.

Das Gesundheitsressort hat auf seiner Internet-Homepage im Bereich Lebensmittel unter dem Punkt „Neuartige Lebensmittel“ die amtlichen Untersuchungsergebnisse zu genetisch veränderten Lebensmitteln bereitgestellt, sie sind auf unserer Homepage auch ersichtlich. Ich kann Ihnen zusammenfassend sagen, dass im Jahr 2000 etwas mehr als 600 Proben genommen wurden. Davon waren 2,5 Prozent zu beanstanden. Im Jahr 2001 waren 4,6 Prozent zu beanstanden, im Jahr 2002 4,8 Prozent. Die Er­gebnisse des Jahres 2003 sind noch nicht vollständig eingelangt, der Trend bezüglich der Beanstandungsrate, nämlich steigend, bleibt aber gleich.

Im Rahmen der Schwerpunktaktion für 2004, die ich am 4. März dieses Jahres ver­anlasst habe, erfolgt für den Bereich genetisch veränderte Lebensmittel die Unter­suchung und Überprüfung der Kennzeichnung von Sojabohnen, Mais und jeweils daraus abgeleiteten Produkten. Diese Schwerpunktaktion schließt auch Bioprodukte mit ein.

Die Zahl der Inspektionen mit oder ohne Probennahmen wurde auf Grund der Erfah­rungen der Schwerpunktaktionen und Untersuchungen der letzten Jahre sowie der Un­tersuchungskapazitäten der AGES mit 345 festgesetzt. Im Vergleich dazu betrug diese Zahl zuvor 300 pro Jahr.

Ab 18. April 2004 besteht die Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln, die genetisch veränderte Organismen enthalten, daraus bestehen oder daraus hergestellt wurden – unabhängig vom analytischen Nachweis einer genetischen Veränderung. Zusätzlich zu den bereits genannten Probennahmen und Analysen kommt dokumentationsbezo­ge­nen Produktkontrollen vermehrte Bedeutung zu. Darunter zu verstehen ist die Über-


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prüfung von Firmenunterlagen hinsichtlich der Rückverfolgbarkeit kritischer Bestand­teile, zum Beispiel Sojaprodukte oder Maisprodukte bei hoch verarbeiteten Erzeugnis­sen, bei denen kein analytischer Nachweis mehr möglich ist.

Als Orientierungshilfe für die österreichischen Lebensmittelproduzentinnen und –produ­zenten wurde von einer Unterkommission der Codexkommission ein Leitfaden für die Sicherung der Rückverfolgbarkeit erarbeitet und auch zeitgerecht im gestern stattge­funden habenden Plenum der Codexkommission angenommen. Er liegt somit fertig vor. Sie, Herr Abgeordneter, haben entweder einen guten Zeitpunkt gewählt oder ich habe Glück gehabt – ganz so, wie Sie es interpretieren wollen.

Zusammenfassend lassen Sie mich festhalten, dass nicht nur die Unternehmen, son­dern auch die Kontrollbehörden gut vorbereitet sind, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Durch entsprechende Information der Verbraucher- und Verbrau­che­rinnenschaft hat auch die Kundin oder der Kunde die Möglichkeit, die Entwicklung des Lebensmittelsektors zu beeinflussen.

Was die Novelle zum Gentechnikgesetz anbelangt, kann ich Ihnen auch mitteilen, dass sich die Verhandlungen in der Endphase befinden und wir diese Novelle zeitgerecht einbringen werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.00

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich mache darauf aufmerksam, dass nunmehr jede Fraktion Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme im Ausmaß von 5 Minuten hat.

Beginnen wird Herr Abgeordneter Ing. Schultes. 5 Minuten. – Bitte, Herr Kollege.

 


18.00

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Geschätztes Hohes Haus! Nachdem wir zuvor die Stunde „Wer fürchtet sich mit Gusenbauer?“ hinter uns gebracht haben, ist nun die Therapiegruppe für Wolfgang Pirklhuber angesagt. Wie fürchten wir uns mit Wolfgang Pirklhuber?

Ich habe jetzt im Hohen Haus ein wenig über die Schulter geschaut und gesehen, dass die meisten Abgeordneten dieses Thema schon nicht mehr hören können. Interessant war, dass sogar Kollegin Glawischnig die Zeit intensiv genutzt hat, um ihr wunderbares Make-up aufzufrischen – Es schaut perfekt aus! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Rufe bei den Grünen: Was soll das? Armutszeugnis! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) War da irgendetwas falsch? – Das ist eine Tat­sache und wird nicht bestritten.

Jedenfalls sind wir jetzt beim Thema Gentechnik und damit bei einem Thema, das wirklich nichts mehr hergibt, wenn man nicht ein wenig dazu tut. (Abg. Dr. Van der Bellen: Würden Sie es auch ansprechen, wenn ich mir die Krawatte richten würde? – Rufe bei den Grünen: Das ist sexistisch! – Gegenrufe bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Wir wissen, dass die Medizin die Gentechnik täglich mehr braucht und gut nützt und die Landwirtschaft zum Leidwesen der großen Konzerne eben nicht. In Österreich reden wir da über ein Thema, das es bei uns in Österreich nicht gibt. Die Antwort der Konzerne auf Probleme der Landwirtschaft betrifft nur solche, die die österreichischen Bauern dank ihrer kleinteiligen Wirtschaftsweise und Struktur nicht haben. Daher ist die Gentechnik für uns im Wesentlichen kein Thema. Sie ist international ein Thema, sie ist europaweit ein Thema, und sie ist ein Thema, weil das Moratorium unter Umständen tatsächlich beendet wird.


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Wer die Frau Bundesminister gehört hat, weiß, dass Österreich um die Verlängerung des Moratoriums kämpft. Wer Herrn Pirklhuber gehört hat, weiß – er kennt die Renate recht gut, das ist die Frau Künast –, dass er gesagt hat, dass das Moratorium fallen wird. Warum weiß er das? (Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber.)

Pirklhuber weiß das offensichtlich, weil bislang die Grünen Deutschlands die einzigen waren, die unsere Position stark genug hätten machen können, damit das Moratorium hält. Nur war Deutschland leider bei jeder Abstimmung, bei der man die Grünen für eine qualifizierte Ablehnung gebraucht hätte, bestenfalls bei den Stimmenthaltungen dabei, aber sicher nicht dagegen. Ich fürchte, der 27. April wird wieder so ein Lostag sein, von dem Herr Pirklhuber offenbar schon mehr weiß, ein Lostag, an dem Frau Künast den Anbaustopp im Retourgang zu Grabe tragen wird, wie das die Grünen in Deutschland so gerne tun. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich denke, dass wir bei uns in Österreich einen guten Partner haben, und das ist der Konsument. Wir haben bei uns eine gute Deklarationslösung, die wird in Umsetzung sein, sie wird gut kontrolliert, die Frau Bundesminister hat die vielen Punkte deutlich dargestellt. Ich denke auch, dass die österreichischen Handelsketten – der Druck der Konzerne ist schon spürbar – sehr genau darauf schauen werden, dass sie nicht ins Gerede kommen, nicht in die Presse kommen und die Deklaration ordentlich durch­ge­zogen wird. Damit ist das Thema für Österreich für die nächste Zeit wieder erledigt. Keine Aufregung, kein Problem. – Was machen wir mit der Angst des Herrn Pirkl­huber? (Abg. Dr. Pirklhuber: Das ist völlig daneben! 1,2 Millionen Menschen haben das Gentechnik-Volksbegehren unterschrieben! Sie disqualifizieren sich mit dieser Dar­stellung selbst!)

Tatsache ist, dass wir für die nächste Zeit bei uns in Österreich einen guten Rat geben können: Kaufen Sie Produkte österreichischer Bauern! Wir sind bei uns durch die Saat­gut-Gentechnik-Verordnung gut geschützt. (Abg. Dr. Pirklhuber: Österreich ist nicht allein auf der Welt!) Wir haben bei uns in Österreich eine Produktion, die sich mit der Gentechnik nicht auseinander setzt, weil wir das nicht brauchen. Ich als Obmann der Rübenbauern kann Ihnen sagen, dass wir harte und härteste Verhandlungen mit den Kon­zernen führen, um jede Garantie zu haben, weil wir wissen, dass unsere Kunden und Konsumenten das brauchen. Und wenn sich die Kollegen von der grünen Fraktion auch einmal mit den Gesetzmäßigkeiten des Handels auseinander setzen würden, dann würden sie aufhören, sich zu fürchten, und sich über die Produkte der österrei­chischen Bauern freuen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.04

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Sima. Redezeit ebenfalls 5 Minuten. – Bitte.

 


18.05

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Kollege Schultes, bei der letzten Podiumsdiskussion zur Gentechnik, an der wir gemeinsam teilgenommen haben, habe ich mir gedacht, dass wir uns langsam inhalt­lich aneinander annähern. Nach Ihrer heutigen Wortmeldung kann ich ehrlich gesagt nur konstatieren: Wir sind offensichtlich wieder am Start!

Noch eine Bemerkung, ganz kurz: Wissen Sie, wenn die Kollegen auf Ihrer Seite Zei­tung lesen oder irgendjemand am Laptop arbeitet, ist Ihnen das keine Bemerkung wert. Wenn hingegen eine Frau wagt, hier herinnen die Nase zu pudern, dann kann man sich gleich irgendwelche sexistische Bemerkungen und Witzchen anhören, die ich kei­nes­wegs amüsant finde. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Ich halte es schon für sehr bemerkenswert, dass Sie in Ihren Reden den deutschen Kollegen immer so viel Zeit widmen. Was Frau Kollegin Künast tut oder nicht tut, interessiert mich, ehrlich gesagt, weit weniger als das, was die Frau Bundesministerin oder Herr Bundesminister Pröll getan hat und tun wird, denn dazu sind wir nämlich da in diesem Haus, um die Regierung zu kontrollieren und zu besprechen, was Österreich machen wird und wie es sich verhalten wird. Ich halte das Die-anderen-machen-das-auch!-Spielchen schon für ziemlich langweilig und zudem für eine recht phantasielose Ausrede für Nichtaktivitäten in diesem Bereich.

Sie haben auch von einer guten Deklarationslösung gesprochen, die es in Österreich an­geblich gibt. – Wenn ich in den Supermarkt einkaufen gehe und mir auf den Lebensmitteln hinten das Kleingedruckte durchlese, habe ich noch nie irgendwo ein Lebensmittel gefunden, auf dem gestanden wäre: enthält Gentechnik. Dafür gibt es zwei Erklärungen: Entweder wir sind so toll und haben solche Lebensmittel nicht – das wäre schön –, oder es wird einfach nicht gekennzeichnet, und durch mangelnde Kon­trolle wird das auch nicht aufgedeckt. Leider neige ich eher zur zweiten Version, und das halte ich eigentlich nicht für eine besonders tolle und gelungene Lösung, sondern eigentlich für eine schleichende Einführung von gentechnischen Produkten in Öster­reich, die ich nicht will und von der ich mir nicht vorstellen kann, dass Sie sie wollen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich meine auch nicht, dass wir es hier notwendig haben, schwarz zu malen. Das ist überhaupt nicht der Fall. (Abg. Grillitsch: Beim Beifall haben jetzt aber die Grünen die SPÖ mitreißen müssen!) – Ich kann auch damit leben, wenn hin und wieder die Grünen für mich applaudieren, Herr Kollege. Das werden Sie wahrscheinlich eher selten erleben, aber macht nichts. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Gril­litsch: Haben Sie denn in Ihrer Fraktion keine Mehrheit hinter sich?)

Ich verfolge die Gentechnik-Debatte jetzt schon seit sehr vielen Jahren. In der Vergan­genheit sind wir sehr gut damit gefahren, rechtzeitig Aktivitäten zu setzen, und das wäre auch jetzt wieder der Fall. Ich sehe die Zukunft nämlich nicht ganz so rosig, wie Sie sie sehen. Mit dem Moratorium haben wir uns in Europa sehr lange sehr gut über Wasser gehalten. Wir haben Vorbildwirkung gehabt. Der österreichische Widerstand ist anfangs belächelt worden, dann waren wir plötzlich die Vorreiter in Europa. Schön langsam gewinne ich jedoch den Eindruck, das durch das Inkrafttreten dieser Food- und Feed-Verordnungen das Moratorium früher oder später fallen wird. Wir werden es nicht mehr ewig aufrechterhalten können. Nur: Dann müssen wir in Österreich dafür gerüstet sein, und das sehe ich nicht, und das macht mir persönlich relativ große Sorgen. Wir wissen, es gibt eine unglaublich lange Liste von Produkten, die in der EU und dann auch in Österreich zugelassen werden. Die Frage ist: Was tun wir dann damit? Wir wollen sie nicht anbauen, wir können den Anbau dann aber auf Grund von EU-Bestimmungen nicht mehr wirklich verhindern.

Was machen wir dann damit? Diese Frage ist noch völlig offen, und die Antworten, die da immer gegeben werden, dass es beispielsweise eine Länderarbeitsgruppe im Minis­terium gibt, die beruhigen mich nicht gerade besonders. Das klingt nach einem unend­lichen Prozess, dessen Ende nicht abzusehen ist, wo wir doch schon jetzt, eigentlich in diesen Monaten eine gute Regelung bräuchten. Das betrifft vor allem die Saatgut­versorgung, das betrifft die Futtermittelversorgung, mit der wir jetzt schon sehr große Probleme haben, weil in einem Großteil der Futtermittel gentechnisch verändertes Soja enthalten ist. Das wissen Sie sehr gut.

Es betrifft vor allem die Koexistenz. Wir brauchen klare Regelungen zur Koexistenz, weil sonst die Bauern, die Gentechnik nicht einsetzen wollen – und das ist meiner Meinung nach die Mehrheit in Österreich –, sehr große Probleme bekommen werden. Es reicht eine Hand voll Bauern in ganz Österreich, um sehr viele Felder, eben auch


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benachbarte Felder zu kontaminieren. Wenn wir nicht schleunigst eine Regelung be­kommen, wie man das handhaben kann, welche Grenzen dem gesetzt werden können, wie man das in irgendeiner Art und Weise kontrollieren und einschränken kann, dann wird es ein sehr böses Erwachen geben, und das, was wir bis jetzt als „gentechnikfreie Zone Österreich“ gefeiert haben, wird Geschichte sein. Dafür werden dann Sie die Verantwortung zu tragen haben, nicht Sie persönlich, sondern die Regierungsfraktion, weil es leider nicht gelungen ist, rechtzeitig eine geeignete Regelung vorzulegen.

Das Problem ist, dass die Bundesländer jetzt schon damit beginnen, eigene Regelun­gen zu machen. So sehr ich das einerseits begrüße, so möchte ich auf der anderen Seite schon auch davor warnen, dass wir damit irgendwann einmal bei einem Ergebnis landen wie beim Tierschutz: Jedes Bundesland hat eigene Regelungen, die einander teilweise widersprechen, die unterschiedlich ausgestaltet sind. Die Genpollen machen allerdings vor den Bundesländergrenzen nicht halt. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) In diesem Zusammenhang wird es dann zu großen Problemen kom­men, und deswegen fordere ich Sie auf: Treffen Sie jetzt endlich eine klare Regelung für die Koexistenz. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.10

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


18.10

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Minister! Meine geschätzten Damen und Herren! Wir haben uns gerade in unseren Reihen darü­ber unterhalten, dass es auch bei der SPÖ wirklich hervorragende Fachexperten gibt. Frau Kollegin Sima! Vieles, was Sie da gesagt haben, entspricht sicher der Realität. In Wirklichkeit ist es eben dieses Spannungsfeld, in dem wir in diesem Bereich kämpfen müssen: Einerseits ist ganz klar, dass die Gentechnik ein Problem darstellt, anderer­seits – und da stimme ich mit dem Kollegen Schultes überein – muss man natürlich auch aufpassen, dass nicht genau jene Berufsgruppe unter die Räder kommt, auf die es dann wieder abgewälzt wird, nämlich die Bauern.

Ich sehe das natürlich schon ein bisschen diffiziler. Es ist gefährlich, dass die Bauern dann übrig bleiben. Denn eines ist klar: Die Bauern brauchen die Gentechnik im Großen und Ganzen nicht. Das stimmt. Es gibt eine breite Mehrheit dagegen. Nur: Wenn im Rest von Europa wieder anders gehandelt wird, wenn in verschiedenen an­deren Ländern sehr wohl die Aussaat erlaubt wird, wenn die Bauern zum Teil, so wie es letztes Jahr war, gar nicht wissen, was sie ausbringen, wenn dann eingehäckselt werden muss und so weiter, dann ist die Sache natürlich nicht mehr ganz so einfach.

Da Kollege Pirklhuber von Haftung gesprochen hat: Ich denke, an der Haftung wird es im Endeffekt scheitern – hoffe ich zumindest. (Abg. Dr. Pirklhuber: Also doch Deutschland als Vorbild?) In die Haftung lege ich die größte Hoffnung, sage ich einmal, weil sich gerade die Haftungsfrage dreistufig aufbaut. Wenn ich jetzt auf der besten oder schlechtesten Seite, das kann jeder für sich entscheiden, beginne, habe ich einer­seits gentechnisch veränderte Ausbringung, dann habe ich eine konventionelle Aus­bringung, und auf der dritten Ebene habe ich noch die biologischen Landwirte. Wir haben dieses Problem in Kärnten ausgiebig diskutiert, dass genau hier die Koexistenz und die Haftung in Kombination im Endeffekt etwas sein werden, was wahrscheinlich sehr schwer zu lösen ist.

Wenn ich die Haftung als Mechanismus einsetze, dann werden es sich nur sehr wenige erlauben können, mehr oder weniger mit der Gentechnik zu arbeiten, weil – wie ganz richtig gesagt wurde – die Pollen zum Teil kilometerweit fliegen. (Abg. Dr. Gla­wischnig: Dann ist es mit der gentechnikfreien Zone aber vorbei!) – Ich bleibe auch


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dabei. Frau Kollegin, Sie müssen mir zuhören! Hören und dann erst sprechen, das ist ganz wichtig! Ich will jetzt nicht interpretieren, was Sie die restliche Zeit gemacht haben, aber es wäre gut, jetzt aufzupassen, man könnte da etwas lernen.

Ich bleibe dabei, dass die gentechnikfreie Zone wichtig ist. Deshalb sage ich ja, dass die Haftung die größte Chance ist, dass wir gentechnikfrei bleiben, denn es werden sich dann einerseits Organisationen, andererseits die bäuerlichen Betriebe sehr wohl überlegen, ob sie die Gentechnik einsetzen, wenn nicht geklärt ist, ob sie nicht wo­möglich durch eine ungeklärte Haftung oder durch eine Haftung nach dem Verur­sacherprinzip auf einmal zur Kasse gebeten werden. Darin liegt eine Chance.

Kärnten – das wurde heute schon gesagt – hat ja ein ganz gutes Modell dafür vorge­legt. Die Europäische Kommission hat es auch gutgeheißen. Ich bin mir sicher, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind. Ich möchte nur – und das ist wirklich für mich das Wichtigste – sichergestellt haben, dass am Ende des Tages nicht die Landwirtschaft auf einmal als der Buhmann übrig bleibt, der sozusagen der Gesellschaft nicht gerecht wird.

Das ist das gleiche Problem wie beim Bundes-Tierschutzgesetz. Auch dort ist es ja in Wirklichkeit so, dass die Gesellschaft alle Ansprüche, die sie allerdings nicht bereit ist zu bezahlen, auf den Bauern umwälzt. Das gleiche Problem könnten wir bei der Gentechnik bekommen. Der Konsument ist wichtig. Da hat Kollege Schultes schon Recht, der Konsument kann sehr viel regeln, sofern er in der Lage ist, genau zu erken­nen, wo Gentechnik enthalten ist und wo nicht. Das ist klar.

Diesen Regelmechanismus werden wir in irgendeiner Form brauchen. Das kombiniert mit der Haftung wird im Endeffekt Österreich gentechnikfrei halten, zumindest davon frei halten, gentechnisch veränderte Organismen auszusetzen. Man muss ja differen­zieren: Gentechnikfrei sind wir ja schon lange nicht mehr.

Abschließend möchte ich noch einmal auf das zurückkommen, wo ich gestern schon einmal eingehakt habe. Wir haben mit diesem bayerischen Ausschuss diskutiert. Auch dort war die Gentechnik eine zentrale Frage. Auch dort hat uns der Obmann zu ver­stehen gegeben, dass es in Deutschland sehr wohl eine sehr kontroversielle Diskus­sion gibt und dass sie dort auch noch nicht so genau wissen, auf welcher Reise sie sind. Er hat in Wirklichkeit auch darauf gehofft, dass im Endeffekt der Konsument mit dazu beitragen wird, dass sowohl in Deutschland als auch hier in Österreich die Gentechnik nicht derart vormarschieren wird, wie wir alle es nicht haben wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.14

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


18.15

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Nach diesen Redebeiträgen ist es sehr schwierig, noch etwas Ernst­haftes zu sagen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das kann ich mir vorstellen! Alles Wesent­liche ist bereits gesagt!) Wir waren in der Gentechnik-Diskussion schon sehr viel weiter.

Die eine Fraktion kommt mit dem Argument: Was wollt ihr denn? Dieses Thema kann ja keiner mehr hören. Also: nicht nur krass ignorieren, was die Bevölkerung in Österreich von uns erwartet, sondern auch krass desinformiert angesichts der Prob­lemlage, vor der wir dieses und nächstes Jahr stehen. (Abg. Dr. Van der Bellen: Welche Fraktion?) – Das war die ÖVP.


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Die zweite Fraktion, die FPÖ-Fraktion, kommt mit dem Argument: Na ja, wenn irgend­wo anders etwas passiert, auch wenn es der größte Blödsinn ist, dann müssen wir es doch auch tun dürfen! (Abg. Wittauer: Nein, das hat er nicht gesagt!) – Na­türlich, genau das hat er gesagt. Wenn Bauern irgendwo anders gentechnisch verän­derte Pflanzen freisetzen dürfen, dann sollen das die österreichischen Bauern doch auch tun dürfen. Das war die Kernaussage des Abgeordneten Uwe Scheuch. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist absolut nicht richtig!)

Beide Argumente ignorieren völlig, worum es eigentlich geht. Ich bin erschüttert, dass, nachdem wir eine sehr gute Gentechnik-Diskussion in den letzten Jahren auch in diesem Haus hatten, die Inkompetenz und die Desinformation bei Ihren beiden Frak­tionen in dieser Frage so dramatisch Einzug gehalten haben. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Worum geht es denn jetzt, in diesem Moment und in den nächsten Wochen? – Es hat sechs Jahre lang europaweit ein Moratorium gegeben. Es haben sich einige Staaten zusam­mengeschlossen, da war auch Österreich mit dabei. Bei der Frage der Frei­setzung von gentechnisch veränderten Pflanzen und auch bei der Frage, was in die Regale für die Konsumenten und Konsumentinnen kommt, hat es ein Moratorium ge­geben. Dieses Moratorium wird dieses Jahr definitiv fallen. Das bedeutet eine Lawine an Anforderungen, das bedeutet eine Lawine an Freisetzungsanträgen. Insgesamt sind es 21 Anträge, die Hälfte davon betrifft den landwirtschaftlichen Bereich, die andere Hälfte den Lebensmittelbereich. Und Sie stehen da und sagen: Warum kommen Sie denn schon wieder mit diesem Thema? – Das ist wirklich ernüchternd. Sie haben keine blasse Ahnung, vor welchem Problem wir jetzt stehen.

Ich würde Sie bitten, dass Sie hier Antwort geben an all die besorgten Menschen, an all die AllergikerInnen, all die Mütter und Väter, die bei ihren Kindern in vermehrtem Maße Allergien feststellen, wenn im Lebensmittelbereich ein zusätzlicher Unsicher­heitsfaktor einzieht, der sich gewaschen hat.

Es kommt nicht von ungefähr, dass sich alle Handelsketten Österreichs dafür rühmen und sich darum bemühen, dass keine gentechnisch veränderten Produkte in die Re­gale kommen. Ich glaube nicht, dass man aus dieser Handlung schließen kann, dass das für die Österreicherinnen und Österreicher kein Thema mehr ist, im Gegenteil. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was die politische Ebene betrifft, sind wir nach Meinung der Grünen auf die Situation, die jetzt auf uns zukommt, absolut ungenügend vorbereitet. Es reicht nicht, wenn man auf die Kontrolltätigkeiten der letzten Jahre verweist und sagt, das werde man eben irgendwie weiterführen. Es ist jetzt eine Verzehnfachung, wenn nicht eine Verzwanzig­fachung der Dimension der Problemlage. Ich möchte einfach, dass die Leute Sicherheit haben können, wenn sie gewissen allergischen Reaktionen ausgesetzt sind, dass sie das, was auf dem Zettel hinten auf dem Produkt steht, auch glauben können.

Ich persönlich habe ein Verfahren geführt. Ich bin bis zum Europäischen Gerichtshof gegangen wegen dieser absurden Rechtsauffassung in Österreich, dass man, wenn jemand gegen diese Kennzeichnungsvorschriften verstößt und das wiederholt macht, nicht die Information bekommt, welches Unternehmen und welches Produkt das ist. Ich wünsche Ihnen wirklich nicht, dass Ihnen, wenn Sie ein allergisches Kind haben und nicht wissen, was es zu sich nimmt, dann jemand sagt: Nein, das fällt unter den Daten­schutz, das Produkt nenne ich Ihnen nicht, obwohl dieses Unternehmen und diese Produkte nachweislich gegen gentechnische Kennzeichnungsvorschriften verstoßen haben. Ich finde diese Rechtsauffassung beschämend. Und ich finde es beschämend, dass auch die jetzige Konsumentenschutzministerin das nicht geändert hat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Es ist mir ein Rätsel, wie angesichts dieser Lawine wirksam kontrolliert werden soll. Es ist mir auch ein Rätsel, wie die Haftungsfrage gelöst werden soll. Die Vorlage im deut­schen Gentechnik-Gesetz ist meiner Meinung nach vorbildlich, ist eine sehr gute Haftungsregelung. Mir ist völlig schleierhaft, was passieren wird, wenn die Importver­bote fallen werden, also wenn unbeschränkt gentechnisch veränderte Maissorten et cetera importiert werden können.

Ich muss feststellen, dass sich sowohl der Landwirtschaftsminister als auch die Kon­sumentenschutzministerin mit diesem Problem nicht ausreichend auseinander gesetzt haben, ungenügend vorbereitet sind und diesen großen Wunsch der österreichischen Bevölkerung und auch der österreichischen Landwirte und Landwirtinnen nicht ernst nehmen, tatsächlich eine „gentechnikfreie Zone Österreich“ zu behalten und abzu­sichern.

Das ist das nächste Problem. Das wird so sein wie bei der Frage des Transits. Zum Schluss werden Sie dann da sitzen und jammern und in irgendwelchen Klubobleute-Gesprächen versuchen zu retten, was noch zu retten ist. Sie werden sich dann daran erinnern, dass wir Sie heute wieder einmal gewarnt haben. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

18.20

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet, daher schließe ich die Debatte über die Anfragebeantwortung.

Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich kehre zurück zur Tagesordnung, und wir nehmen die Verhandlungen über den 16. Punkt der Tagesordnung wieder auf.

Im Zuge dieser Debatte war Herr Abgeordneter Kogler am Wort, der um 15 Uhr unter­brochen wurde und jetzt das Recht hat, seine Rede fortzusetzen, wenn er dies wünscht. – Bitte, Herr Kogler. Herr Kollege, Sie haben vor der Unterbrechung 7 Minu­ten gesprochen, nur damit Sie sich orientieren können, wie viel Zeit noch zur Verfü­gung steht. (Ruf bei den Grünen: Danke, Herr Präsident!)

 


18.21

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne) (fortsetzend): Herr Präsident! Herr Prä­sident des Rechnungshofes! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die Fra­ge­stellungen, die Kollegen Lopatka so erregt haben, sind ja tatsächlich noch eine kur­so­rische Erwähnung wert, denn das, was sich – leider muss man das in diesem Fall wirklich sagen – im Dunstkreis von öffentlicher Wirtschaft abspielt, ist wirklich unfass­bar, vor allem dann abspielt, wenn man es so macht wie die steirische ÖVP unter Adjutanz der SPÖ; ich möchte das überhaupt nicht verschweigen. Derartige Über­schnei­dungen mit privaten Interessen zuzulassen, ist tatsächlich etwas, was vielen hier, die schon mit Aufklärungsarbeit beschäftigt waren, wahrscheinlich trotzdem noch nicht untergekommen ist.

Was kann ich damit meinen? – Es gibt da den Aufsichtsratsvorsitzenden, der erst unter dem Druck der Ereignisse zurücktreten musste – unter dem Druck der Ereignisse! Ein Aufsichtsratsvorsitzender, der vor ein paar Jahren kapiert hat, dass die steirische Landesregierung in der Lage ist, 400 Millionen € zu jonglieren. Wie macht sie das? Sie nimmt einen Teil und verkauft einen Teil an die EdF – schlecht so, Atomkonzern! 400 Millionen €! Die gehen aber nicht in das Budget des Landes Steiermark, sondern das geht in den Konzern. – Soweit, so normal, könnte man meinen, aber es war die Absicht, dass die Politik in diese Schatulle hineingreift. Und genau so ist es dann auch gekommen.


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Es hat dann umtriebige Private gegeben – es lebe die Privatwirtschaft! –, die gemeint haben, da sei auch für sie etwas drinnen: Wozu sind wir denn die Freunde des Herrn Paierl? Wozu pflegen wir denn schon die ganze Zeit mit der ÖVP so gute Kontakte, wenn jetzt endlich ein Happen da ist, an dem wir uns auch beteiligen können?

Und das geht so: Der Herr Aufsichtsratsvorsitzende gründet ein paar Firmen, Be­teiligungsfirmen – fesch! Der Herr Aufsichtsratsvorsitzende meldet natürlich seinem Unternehmen, für das er als Aufsichtsrat ja eine anwaltschaftliche Rolle übernimmt, nicht, dass er dort Beteiligungen hat. Das müsste er an sich nicht, wenn die irgend­welche Geschäfte machten, die mit der Branche, in der er arbeitet, nichts zu tun hätten. Aber nicht nur, dass er dann in diese Branche hinein operiert hat mit seinen Firmen, nein, er hat auf Tochter- und Enkelebene dieser Holding, in der er den Aufsichtsrats­vorsitz übernommen hat, Geschäfte abgeschlossen! – Es ist so unfassbar, dass das möglich ist!

Jetzt aber stellt sich heraus, wieder unter dem Druck der Ereignisse, dass viele im Aufsichtsrat davon wussten – also alle möglichen colorierten Aufsichtsräte, die mit einem Mandat der steirischen Landesregierung dort drinsitzen –, was der Herr Auf­sichtsratsvorsitzende da treibt, was da los ist. Es hat das auch – wie ich behaupte – der Eigentümervertreter gewusst. Und das ist in erster Linie und in oberer Verant­wortung Herr Landesrat Paierl, der hier mittlerweile nicht mehr ganz unbekannt sein sollte.

Und was geschieht? – Die Frau Landeshauptfrau geht her und ruft aus: Jessas na, wenn es so zugeht, gehört ein Ehrenkodex her! – An sich ist das ja richtig, aber fünf Jahre zu spät. Der Vorwurf ist ja nicht, dass man draufkommt, dass ein Ehrenkodex hergehört, sondern dass man jahrelang wissentlich weggeschaut hat und diesen Schritt nicht schon Jahre zuvor gesetzt hat! Denn dass es so etwas wie Corporate Governance gibt, dürfte sich selbst bei den ärgsten „Åbanehmer“ schon herum­ge­sprochen haben. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Scheibner: Schön sprechen!)

Solch einen Aufsichtsratsvorsitzenden muss man einmal haben, muss man sich leisten, muss man wollen, muss man bestellen – und das hat die Landesregierung in der Steiermark gemacht, wissentlich und willentlich!

Aber damit nicht genug. Die 400 Millionen, die da in dem Unternehmen geparkt waren, waren eine super Kassa zum Hineingreifen für die Politik. Und so kam es auch: Diver­se Projekte, die mit dem Unternehmensgegenstand überhaupt nichts zu tun hatten, sind aus der EStAG heraus finanziert worden. Da ist eigens eine Finanzservice GmbH gegründet worden, aber nicht etwa oben bei der Holding als Tochter angelagert, wohin sie allenfalls gehört hätte, wenn man strategische Beteiligungen kauft. Nein, als Tochter-Tochter-Tochter von irgendeiner Abfallgesellschaft, die gekauft wurde, um das möglichst zu verschleiern.

Wir halten also fest: eine Energie Steiermark Finanzservice GmbH, die die Tochter einer Abfallgesellschaft ist, die zwischengeschoben wurde, auf die die Damen und Her­ren Vorstände und Aufsichtsräte ungeniert Zugriff hatten!

In diesen Vorstand sind Leute gesetzt worden, die vorher ganz eng mit den Wirt­schaftsprüfern dieser Holding zu tun hatten. Es kommt ja noch dicker: Die Wirtschafts­prüfer haben das Unternehmen ursprünglich jahrelang beraten, die Wirtschaftsprüfer haben sogar die Bilanzen erstellt, weil der dortige Vorstand offensichtlich ohnehin un­fähig dazu war, wie sich jetzt herausstellt. Der Wirtschaftsprüfer hat auch andere Verträge abgeschlossen mit der Firma. Der Wirtschaftsprüfer der EStAG kommt exakt auf ein Jahresvorstandsgehalt. „Zufall!“, werden Sie sagen – ein super „Zufall“! Man muss sich einmal vorstellen, wie viel das bei den Gehältern dort ist.


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Aber man muss weit fahren, dass man das findet: dass einer, der das Unternehmen berät, mit dem Unternehmen Geschäfte macht, dann, nachdem er sich endlich davon verabschiedet hat, dort Wirtschaftsprüfer wird! (Abg. Dr. Van der Bellen: Nur nach Graz! – Ruf bei den Grünen: In die Steiermark!) Und das haben Sie – weil Sie jetzt so treuherzig schauen, Herr Kollege Trinkl – und die ÖVP mit zu verantworten! Daran wird kein Weg vorbeiführen. (Abg. Steibl: Was heißt das?)

Solch einen Wirtschaftsprüfer muss man haben, muss man wollen, muss man be­stellen – und das ist geschehen. Der Aufsichtsrat hat das der Landesregierung vorge­schla­gen, und die Landesregierung hat das – wie es sich gehört – abgesegnet. Das ist offensichtlich der steirische Brauch. Gratuliere! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich muss noch einen Namen nennen – ich tue das auch deshalb, weil ich ja schon auf Grund dieser Recherchen und der Teilbekanntgaben dieser Entdeckungen in der Öffentlichkeit – dieser Entdeckungen, die auch Sie jetzt kurzfristig zum Schweigen ge­bracht haben – zum Schweigen gebracht werden sollte, weil ich in dieser Causa schon mit ein paar Klagsdrohungen zu tun habe.

Dieser alte Aufsichtsratsvorsitzende – im Übrigen samt dem Kollegen der SPÖ, ich will das hier überhaupt nicht verheimlichen – droht mir offen mit Klage, wenn ich das weiter thematisiere, denn es gäbe gar keinen EStAG-Skandal, wortwörtlich, und so weiter. Ich glaube, der Rechnungshof-Rohbericht hat uns bestätigt.

Ich möchte nur noch ein Beispiel bringen, damit auch dieser Herr nicht unerwähnt bleibt, denn all das sind Freunde der ÖVP in der Steiermark: Ein gewisser Herr Ho­henberg hat serienweise BeteiligungsGesmbHs mitgegründet und ist dann ein Freund dieses Aufsichtsratschefs geworden oder war es schon. Er hat jedenfalls ein Projekt irgendwo in der schönen Oststeiermark forciert, wo man auf die erwähnte Energie Finanzservice GesmbH gegriffen hat, hat sich dort einen Haufen Geld geholt. Die Kredite sind in keiner Weise besichert, und dieser Herr Hohenberg hält in dieser Firma Anteile. (Zwischenruf des Abg. Scheibner.) – Ich habe nicht auf Sie gezeigt, ich habe nur die Hand so bewegt.

Was passiert? – Dieser Herr Hohenberg hat für diese Anteile keinen einzigen Euro eingebracht, es reicht, dass er Geschäftsführer dort ist, und zwar wegen seines Know-hows – denn der kennt den steirischen Brauch, das ist sein Know-how. Er hat keine Anteile, wird aber am Gewinn beteiligt. Wunderbar! Ein Freund des Herrn Aufsichts­rats, ein Freund des Herrn Landesrats, ein Freund der Frau Landeshauptfrau. – Wir soll­ten diesen steirischen Brauch überdenken! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

18.29

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Bleckmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


18.29

Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Hohes Haus! Eigentlich behandelt dieser Rechnungshofbericht ja die ÖIAG-Auf­sichtsrats- und -Vorstandsbesetzungen, die man ja auch erwähnen sollte, denn die ehemaligen Vorstände Rudolf Streicher und Johannes Ditz bezogen eindeutig mehr Gehalt als die beiden jetzigen Top-Manager. Ich glaube, es ist wichtig, dass man das auch einmal erwähnt.

Ich erinnere Sie daran, dass Sie von der SPÖ auch für die Abfertigung Ihres Kollegen Streicher gestimmt haben, der dadurch natürlich eine besondere Abgeltung erhalten hat, als es dann eben zur Ablöse gekommen ist. – Das sind auch Dinge, die immer totgeschwiegen werden, nämlich wie Sie von der SPÖ in Ihrer Zeit hier vorgegangen


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sind (Abg. Reheis: Das haben Sie aber falsch gelesen im Rechnungshofbericht! Das stimmt so nicht!), dass Sie, wo Sie die Möglichkeit hatten, parteipolitische Posten­beset­zungen vorgenommen haben.

Somit komme ich gleich zur EStAG, eben auch in die Steiermark, denn Herr Ditz sitzt ja jetzt dort als Interimsvorstand, gemeinsam mit dem ehemaligen Herrn Landeshaupt­mann-Stellvertreter, dem ehemaligen Herrn Professor, dem ehemaligen Herrn Stadt­werke-Vorsitzenden Schachner-Blazizek. – Es ist auch nicht unwichtig, das zu erwäh­nen, denn das ist nämlich auch dieser steirische Brauch, den es in der Steiermark schon wirklich lange gibt: dass man alles zwischen Rot und Schwarz aufteilt! Das darf man ja wirklich nicht vergessen. Es wurden ja auch diese Interimsvorstände wieder nach diesem Prinzip besetzt – das muss man hier auch einmal laut sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn wir über die Pensionen sprechen, muss ich den ehemaligen Professor und ehe­maligen Landeshauptmann-Stellvertreter schon auch erwähnen, denn er ist einer der Privilegien-Pensionsbezieher par excellence, der eine Pension als ehemaliger Vorstandsdirektor der Stadtwerke bezieht, der eine Pension als Hochschulprofessor bezieht, als Beamter, die ja sicher nicht gering sein wird, und der eben auch als Lan­deshauptmann-Stellvertreter eine Pension erhält. (Abg. Dr. Kräuter: Was ist mit Götz? – Rufe bei der SPÖ: Götz!) Und da regen Sie sich über Pensionsfragen auf, wenn Sie in Ihren eigenen Reihen Personen haben, die die Möglichkeit für solch rie­sige Pensionen haben?! Erklären Sie das einmal dem „kleinen“ Pensionisten, den Sie immer wieder, wenn Sie hier stehen, so großartig zitieren! (Beifall bei den Frei­heit­lichen.)

Erklären Sie das, Herr Kollege, denn das ist für mich einfach das Wichtige: dass Sie sich in der Steiermark alles aufgeteilt haben!

Wenn Sie, Kollege Kräuter, sagen: Das ist der größte Skandal!, dann sage ich Ihnen: Die SPÖ-Steiermark (Ruf bei der SPÖ: Götz – FPÖ!) – Sie brauchen sich nicht auf­zuregen – hat 50 Prozent Anteil an diesem größten Skandal, den Sie hier nennen – 50 Prozent Anteil! –, denn es wurde alles gemeinschaftlich aufgeteilt, parteibuchmäßig aufgeteilt, freunderlwirtschaftsmäßig aufgeteilt, wie Sie das jahrzehntelang gemacht haben.

Sich jetzt einfach davon zu verabschieden und zu sagen: Das geht mich nichts an, das ist ein riesiger Skandal!, und sich hierher zu stellen als SPÖ-Steiermark-Mann und zu sagen: Das, was da passiert, ist eine große Schweinerei!, so kann es nicht sein, Kollege Kräuter! – Die SPÖ hat einen riesengroßen Anteil daran!

Wir Freiheitliche haben damals gegen den Verkauf an die EdF gestimmt. Das Geld – Kollege Kräuter, nein, Sie nicht, Kollege Kräuter, denn das ist ja Geld, mit dem die SPÖ dann auch sehr nett herumgewirtschaftet hat, sondern Kollege Kogler hat das aufgezeigt –, das im Unternehmen verblieben ist, das es der EStAG ermöglicht hat, hier herumzuspielen, Beteiligungen anzukaufen, wo sich dann doch, wie man vielleicht dann nachlesen wird, der eine oder andere besonders gut bedient hat. Das war Geld, von dem wir gesagt haben: Das muss dem Land Steiermark bleiben! Da hat aber die SPÖ gemeinsam mit der ÖVP beschlossen: Nein, das muss in der EStAG bleiben, denn dort sitzen wir ja gemeinschaftlich drinnen, wo wir uns die Gelder aufteilen kön­nen. – Das war ein Riesenfehler, der passiert ist, gegen den jedoch wir Freiheitliche und auch die Grünen im Landtag gestimmt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber Sie haben hier mitgestimmt, Sie können sich nicht davon verabschieden! Es ist wirklich skurril, dass Sie sich hierher stellen, sich aufregen, obwohl Sie überall mit dabei waren, obwohl Sie alles mit beschlossen haben, im Vorstand sitzen (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Die roten Privilegien-Ritter!), im Aufsichtsrat sitzen, sich alles gemein-


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schaftlich aufgeteilt haben – denn das ist der gute steirische Brauch, der bis heute leider nicht beendet wurde.

Deshalb ist es gut, dass es diesen Untersuchungsausschuss gibt, deshalb ist es gut, dass Sie jetzt vielleicht endlich draufkommen – auch in der Steiermark –, dass diese Parteibuchwirtschaft beendet werden muss, dass es objektive Besetzungen ohne Par­tei­buchwirtschaft geben muss, dass es endlich auch in der Steiermark ein Objekti­vie­rungsgesetz geben muss, das in der Steiermark von den Freiheitlichen ja schon lange gefordert wird, aber nie zur Umsetzung kam – ewig lange Verhandlungen, aber es war nie möglich, dieses Gesetz umzusetzen! Ein Objektivierungsgesetz, Kollege Kräuter: Setzen Sie sich dafür ein, dass es solch ein Gesetz in der Steiermark gibt, dann passieren in der Steiermark nicht mehr solche Dinge, wie sie in der EStAG passiert sind! Da würde ich gerne einmal Ihren Aufschrei hören – den haben wir bisher schwerstens vermisst.

Wir sind froh, dass es den Untersuchungsausschuss gibt (Abg. Dr. Einem: Wir auch!), wo diese Dinge aufgezeigt werden. – Zum Glück seid ihr auch froh. Da wird auch der Anteil seitens der SPÖ mit aufgezeigt werden, denn Sie haben daran einen 50-pro­zentigen Anteil, davon können Sie sich nicht verabschieden. Setzen Sie sich lieber dafür ein, dass es in Zukunft auch in der Steiermark objektive Postenvergaben gibt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.35

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Becher. – Bitte, Frau Kollegin.

 


18.35

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Rechnungshofbericht beschäftigt sich auch mit der Besoldung der Landeslehrer, und es wird ein enormer Anstieg der Kosten im Bereich des österreichischen Schulsystems in den letzten Jahren aufgezeigt.

Frau Ministerin Gehrer hat im Rechnungshofausschuss gesagt, dass bildungspolitische Fragen nicht ausschließlich nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit betrachtet werden dürfen. – Das halte ich grundsätzlich für richtig, aber das Spardiktat und der Sparstift haben auch in diesem Bereich zugeschlagen. Und da seit 2001 enorme Kürzungen bei den Landeslehrer-Dienstposten gerade im Pflichtschulbereich vorge­nom­men wurden, wäre doch eine Grundsatzdebatte über die Zukunft des Bildungs­systems gerade hinsichtlich eines effizienteren Einsatzes der Mittel angesagt.

Die Höhe der Lehrergehälter kann nicht die ausschließliche Ursache für diese enormen Kosten sein, denn laut einer OECD-Studie verdient ein Schweizer Lehrer bis zu 60 Prozent mehr als ein vergleichbarer österreichischer Lehrer.

Auch die PISA-Studie gibt in dieser Richtung genug Diskussionsstoff. Höhere Bildungs­ausgaben sind nicht automatisch für mehr Qualität verantwortlich: Österreich gibt 6,4 Prozent des BIP für Bildung aus, Finnland 5,6 Prozent. – Hier ist ein vernünftiger Einsatz der Mittel angesagt.

Die PISA-Studie sagt zum Beispiel, dass der Sieger Finnland geringere Kosten in der Sekundarstufe hat. Das heißt für Österreich, dass ein wertfreies Andiskutieren der Parallelität zwischen AHS und Hauptschule wichtig wäre und dass man sich im Vergleich dazu auch das finnische Modell der Gesamtschule ansehen sollte. (Beifall bei der SPÖ.)


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Gesamt gesehen zeigt der Rechnungshofbericht Reformbedarf auf, aber handstrich­artige Kürzungen, Stundenkürzungen, sind in einer Welt des Wissens heutzutage unverantwortlich! (Beifall bei der SPÖ.)

18.37

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gahr. Vorge­schlagene Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


18.37

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Der heutige Tagesordnungspunkt betreffend den Rech­nungs­hofbericht III-42 der Beilagen wurde von den Kollegen Kogler und Kräuter eigent­lich nicht dazu genützt, den Bericht zu behandeln, sondern eigennützige Themen hier vorzutragen. Kollege Kräuter mixt drei Worte, nämlich EStAG, Fischler, Forstinger, und zehnmal „Skandal!“, und schon will er wieder einen neuen Skandal produziert haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben heute hier die Gebarung der Grenzgendarmerie für die EU-Außengrenze für den Zeitraum 1998 bis 2001 zu diskutieren. Dieser Bericht ist aus der Sicht des Rechnungshofes ein kritischer Bericht, er stellt aber keine gröberen Mängel fest. Es gibt mehrere Optimierungsvorschläge, Anregungen, Anpassungen, aber auch Anpas­sungen an die neuen Anforderungen unter Berücksichtigung der EU-Osterweiterung.

Konkret festgestellt wurden in diesem Bericht drei wesentliche Dinge: Es gab keine standardisierte Berichterstattung zwischen den Organisationen Bundespolizei, Bundes­gendarmerie, Zollwache, Bundesheer und Bezirksverwaltungsbehörden. Nunmehr wur­de ja durch die Einrichtung des ISIM, des Informationssystems für illegale Migration, dieses Berichtssystem optimiert, und es ist zwischenzeitlich ein interner Datenaus­gleich möglich. Die kritisierten Informationsverluste konnten somit abgebaut werden.

Zweitens gab es die Anregung des Rechnungshofes, dass, um sicherheitspolitische Aufgaben zu erfüllen, die Bediensteten der Zollwache in das Bundesministerium für Inneres übernommen werden. Es wurden mit 1. September 2003 100 Bedienstete über­nommen, und mit 1. Mai 2004 werden weitere 930 Bedienstete überstellt.

Die dritte Anregung des Rechnungshofes betrifft eine getrennte Kosten- und Leis­tungsverrechnung für die Bundesgendarmerie. – Diese wird beginnend mit dem zweiten Quartal 2004 probeweise eingeführt.

Bundesminister Strasser hat zudem im Ausschuss klar festgestellt, dass auch zukünftig die Bezirksverwaltungsbehörden im Bereich der Sicherheit eine zentrale Rolle spielen werden, dass es keine Auflösung der Bezirkskommandos gibt und dass es durch die Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie sehr wohl weitere Verbesserungen im operativen Bereich der Sicherheit geben wird. (Beifall bei der ÖVP.) – So viel zum Kapitel Grenzgendarmerie.

Ein weiteres Kapitel – das wurde heute hier leider nur kurz erwähnt – im Bericht ist die Bestellung und Abberufung von Aufsichtsräten im Bereich der ÖIAG. Da hat der Rechnungshof vier konkrete Mängel festgestellt. Es war die Art der Ausschreibung, es sind die verkürzten Fristen, die geringe Anzahl der eingeladenen Personalberater und die fehlenden Zuschlagskriterien. In diesem Bericht hat Rechnungshofpräsident Fiedler gelobt, dass die Anregungen des Rechnungshofes in Absprache mit dem ÖIAG-Vor­stand eigentlich größtenteils bereits umgesetzt wurden. Es wurde die Schablo­nenverordnung im Sinne des Rechnungshofes angeglichen und adaptiert.

Die Kritik, die Kollege Kräuter im Rechnungshofausschuss geäußert hat, dass es Gehaltsverdoppelungen gegeben hat, steht nicht im Rechnungshofbericht. Das hat der


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Rechnungshof auch überhaupt nicht kritisiert. Bundesminister Grasser hat auch ange­regt oder festgestellt, dass die Vergabeverfahren nunmehr durch eine eigene Kom­mission unter Beiziehung von Experten erfolgen.

Der Rechnungshofbericht trägt dazu bei, dass es bei Postenbesetzungen mehr Trans­parenz und Objektivität gibt. Es wurde andererseits sehr kritisch festgestellt, dass es immer schwieriger wird, geeignete Menschen oder Manager für solche Positionen zu finden. Daher sollten wir auch dieses Thema mit einer gewissen Sensibilität beur­tei­len und die erbrachte Leistung und das Risiko dem gegenüberstellen, was Men­schen leisten, wenn sie sich für Funktionen in solchen Betrieben zur Verfügung stellen.

Wir werden auch zukünftig jeder kritischen Anmerkung Aufmerksamkeit schenken. Wir sind aber nicht bereit, Skandalisierungen, wie sie auch heute hier wieder erfolgten, mitzutragen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.42

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaßner. – Bitte, Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


18.42

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Staatssekretär! Zu den Aus­führungen meines Vorredners: Ihr braucht sie ohnedies nicht mitzutragen, ihr sollt nur Skandale verhindern! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ein Kapitel in diesem Rechnungshofbericht beschäftigt sich mit der Landeslehrerbesoldung. Erster Satz: Ich bedanke mich bei den öster­reichi­schen Landeslehrerinnen und -lehrern dafür, dass sie unentgeltlich und freiwillig sehr viel mehr arbeiten, als sie müssten. Ansonsten wäre die Qualität unserer Schulen nicht so hoch. Die Bildungspolitik dieser Regierung würde alles dazu beitragen, dass diese Qualität nicht mehr gehalten werden könnte.

Zweitens: Der Rechnungshofbericht ist insofern spannend zu lesen, als immer wieder beklagt wird, dass die Datenlage in den Schulen beziehungsweise in diesem Bil­dungsbereich eine sehr verworrene ist. Man weiß eigentlich nicht sehr genau, wie viele Lehrer in welchem Beschäftigungsausmaß und in welcher Funktion beschäftigt sind. Diese Debatte haben wir schon mit der Frau Unterrichtsministerin geführt. Sie hat im­mer gesagt, sie wisse das nicht. Jetzt bestätigt der Rechnungshof, dass das nicht klar nachzuvollziehen ist. Man muss sich vorstellen ... (Staatssekretär Dr. Finz: Landes­schulrat!) – Danke für das Einsagen, Herr Staatssekretär, das weiß ich schon. Aber es gibt ein Bundesgesetz, nämlich das Bundesschulorganisationsgesetz, und da hätten Sie die Möglichkeit einzugreifen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist einfach traurig, im Zeitalter der EDV über keine gesicherte Datenlage zu verfügen. Wir stellen immer nur im Nachhinein fest: Aha, die Lehrer sind wieder teurer geworden, und, pfui Teufel, die Lehrer. – So geht es wohl wirklich nicht!

Ein Letztes noch. Da steht im Rechnungshofbericht sehr interessant drinnen, dass wir aufpassen müssen, dass finanzkräftige Gemeinden zwar in der Lage sind, als Schul­erhalter die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen, aber weniger finanz­kräftige Gemeinden das nicht können und damit eine Bildungschancenungleichheit gegeben ist. Der Rechnungshof weist darauf hin, dass man mit einem so genannten Pflich­tenheft festlegen könnte, was fehlt. Jene Gemeinde, die sich daran hält, hat einen Anspruch auf den Zuschuss, auf Entgelt dafür.

Herr Staatssekretär, das wäre meiner Meinung nach der richtige Denkansatz für den FAG, nämlich der aufgabenorientierte Finanzausgleich. Jene Gemeinden, die etwas


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tun, sollten dafür das notwendige Geld bekommen. Dann hätten wir auch in der Schule Chancengleichheit.

Im Übrigen habe ich mir von sehr vielen Lehrern erzählen lassen, dass sie auch das Pensionsvolksbegehren unterschreiben. Sie wollen nämlich nicht Frühpensionspri­vile­gien, sondern sie wollen gerechte und sichere Pensionen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.45

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Neudeck. – Bitte.

 


18.46

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Nach den ersten Rednern hat man das Gefühl gehabt, dass es hier nicht um den Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes geht, sondern um irgendwelche Landesthemen. Kollege Kräuter hat sofort gesagt, dass bei diesen Themen im Wesentlichen herausgekommen ist, dass es die FPÖ/ÖVP-Regierung der damaligen Zeit hätte besser machen können. – Das stimmt. Es war sicher einiges, das zu verbessern war.

Aber ein Vergleich hat gezeigt, dass die SPÖ es vorher nicht einmal gut gemacht hat. Daher hat man sofort auf das Thema Steiermark, EStAG gewechselt. Das ist typisch, weil es in diesem Ausschuss meiner Ansicht nach nicht um Kontrolle geht, sondern um Kräuter-Profilierung. Ich habe ihm schon mehrmals gesagt, dass ich noch nie einen ehemaligen Minister in den Ausschuss geladen habe. Ich habe damals mit dem Kollegen Feurstein dagegen gestimmt, dass Bundesminister außer Dienst Hums gela­den wurde, und er wurde auch nicht geladen. So weit zur Konsequenz. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Da war ich nicht im Ausschuss. – Der Tradition folgend haben wir auch Frau Bundesminister Forstinger nicht geladen, zumal alle Verfahren gegen sie damals eingestellt wurden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Kräuter, eines frage ich mich schon, nämlich aus welcher Loge sich Bruder Kräuter die ganzen Vorgänge in der EStAG, also in der Steiermark, anschaut. Meine Damen und Herren! Der ehemalige Landeshauptmann-Stellvertreter Schachner-Blazi­zek heißt in der Steiermark nur „Postenschacher-Blazizek“. Da muss auch irgendetwas dahinter sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich verweise nur auf die Aussagen von Bundesminister Grasser, der ja mehrmals bei diesem Ausschuss anwesend war. – So weit zur Verhinderung, dass Minister kommen. Da ist schon festgestellt worden, dass zum Beispiel Streicher und Ditz, die SPÖ/ÖVP-Proporzzwillinge, in der ÖIAG teurer waren als das derzeitige Topmanagement aus der Privatwirtschaft Michaelis und Wieltsch. Selbst inklusive aller international üblichen Sondervereinbarungen kosten die beiden Vorstände jetzt den Eigentümer weniger als ihre Vorgänger. Diese Vorstandsgehälter sind international und national vergleichbar.

Außerdem ist Ihnen auch gesagt worden, dass es keine Umfärbung des ÖIAG-Auf­sichtsrates gegeben hat, denn es wurden die zuvor dorthin zum Teil entsorgten Minis­tersekretäre der SPÖ durch erfolgreiche Spitzenmanager ersetzt, die sich in keiner Weise der österreichischen Parteipolitik verpflichtet fühlen, meine Damen und Herren. Wenn man das in einem Ausschuss erfährt, dann muss man natürlich schnell die Kurve kratzen und sich ein Thema suchen, wo man vordergründig meint, es bringt mehr, wenn man sich auf dieses Thema setzt.

Es war dann Kollege Lopatka, der Ihnen ja gezeigt hat, dass Sie bei der EStAG dabei waren, so wie das in den letzten Jahren überall der Fall war. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter.) – Die „Arbeiter-Zeitung“ nicht mehr, denn diese gibt es nicht mehr, auch nicht den „Konsum“. Andere Zeitungen lese ich schon, aber ich muss ja nicht aus den


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Zeitungen zitieren. Dazu sitzen wir ja in den Ausschüssen, damit wir dort zuhören und etwas lernen.

Das wollen Sie anscheinend nicht, denn wenn es einmal nicht in die Richtung geht, dass Sie skandalisieren können, dann verlassen Sie den Ausschuss. Auch hier sind Sie eigentlich immer nur am Rande daran interessiert. Eingebracht haben Sie zu dieser Thematik noch nichts, Kollege Kräuter. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.50

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kaipel. Er hat das Wort.

 


18.50

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Rechnungshofpräsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Der Rechnungshofbericht zu Grenz­dienst und Grenzgendarmerie bestätigt nicht nur viele Mängel, er bestätigt auch Schlamperei und Dilettantismus zu Lasten der Sicherheit und der Beamten. Er bestätigt auch, dass die Sprüche, die der Herr Innenminister hier im Parlament und auch in der Öffentlichkeit von sich gibt, nicht der Wirklichkeit entsprechen.

Ich darf dazu Beispiele in Erinnerung rufen. Herr Bundesminister Strasser meinte im Zusammenhang mit der Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie, das sei so, als ob man die evangelische und die katholische Kirche zusammenlegen würde.

Oder: Auch der Bundeskanzler schreibt an die Gendarmeriegewerkschaft und die Personalvertretung der FCG: Die Zusammenlegung von Gendarmerie und Polizei ist zwar ein Dauerbrenner der Medienberichterstattung. Die ÖVP kann diesem Vorschlag aber nichts abgewinnen. Die Existenz zweier getrennter Wachkörper steht für mich aber außer Frage. – Was inzwischen geschehen ist, das wissen wir.

Oder: Auch Minister Strasser zur Schließung der Gendarmerieposten: Er werde keinen Gendarmerieposten schließen. – Wahr ist, dass er 119 Posten geschlossen hat.

Auch wird er nicht müde, in letzter Zeit immer wieder zu betonen, dass es in seinem Ressort mehr Personal gibt. – Auch das ist unrichtig. Er hat 3 000 Gendarmen und Polizisten nach Hause geschickt. Wenn man die Zöllner hinzurechnet, bleibt noch im­mer zumindest ein Minus von 1 500. Das Ergebnis können wir im Sicherheitsbericht nachlesen: mehr Verbrechen, weniger Aufklärung. Und trotzdem erklärt der Herr Bun­desminister bei jeder Gelegenheit, dass es mit weniger Personal mehr Sicherheit gibt. (Ruf bei der SPÖ: Ein Skandal!)

Aber der wahre Geist ist auch schon erkennbar, wenn es um einfache Versetzungen geht. Da geht es nicht nach sozialen Aspekten, sondern nach Parteibuch. Nicht anders wäre es zu erklären, dass eine Mutter – offensichtlich ohne schwarzes Parteibuch – mit Zwillingen, aber insgesamt drei Kindern, keine Chance hat, näher zur Familie zu kom­men, während Parteigänger ohne soziale Notwendigkeit rasch und unbürokratisch versetzt werden.

Meine Damen und Herren! Das ist Willkür. Das ist unsozial und frauenfeindlich. (Abg. Dr. Spindelegger: Ist unrichtig!) Das ist Familienpolitik nach dem Muster der ÖVP. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neugebauer: Bravo! Das war qualifiziert! Hervorragend!)

18.53

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Kollege Mag. Donnerbauer. – Bitte, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

 



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18.53

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie heute schon mehrmals erwähnt, war Teil dieses Prüfberichtes auch die Situation der Landeslehrer. Und ich darf das zum Anlass nehmen, auch auf die Schuldebatte, die schon begonnen wurde, mit einzugehen.

Kollegin Becher hat es schon erwähnt, es ist sehr erfreulich, dass auch vom Rech­nungshof bestätigt worden ist, dass wir hier in Österreich entgegen manchen Unken­rufen, die wir in den letzten Jahren von der Opposition immer hören mussten, auch international gesehen sehr viel Geld für das Bildungswesen ausgeben und uns international im Spitzenbereich befinden. Die PISA-Studie hat gezeigt, dass wir uns auch bei den Leistungen im vorderen Bereich befinden, wenngleich vielleicht nicht im selben Bereich wie bei den Ausgaben.

Frau Kollegin Becher hat das erfreulicherweise auch bestätigt, als sie gesagt hat, dass die Ausgaben sehr hoch sind. Es stimmt nur eines nicht: dass es da drastische Ein­sparungen gegeben hat, Sie wissen das ganz genau, auch keine drastischen Stunden­kürzungen und Einsparungen bei den Planposten. Gegeben hat es eine Vereinbarung im Finanzausgleich zwischen den Ländern, und an dieser haben diese Bundes­regierung und die Regierungen der letzten Jahre keinen Punkt und keinen Beistrich geändert. Wie die Länder mit diesen Mitteln, die ihnen zur Verfügung gestellt werden, dann umgehen, das obliegt wohl den Ländern. Dass das unterschiedlich gut funk­tioniert, das sieht man im Vergleich der Bundesländer; in Niederösterreich zum Beispiel vielleicht besser und in Wien schlechter. Es liegt wohl letztlich in der Verantwortung dieser Länder, mit diesen Mitteln entsprechend umzugehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube aber, wir können hier durchaus auch dem Rechnungshof zustimmen und uns gemeinsam bemühen, aus diesen sehr hohen Bildungsausgaben, die wir durchaus richtig finden und gut angewendet in diesem Bereich, noch mehr zu machen. Diese Mittel noch effizienter, noch besser einzusetzen, das sollte auch ein gemeinsames Anliegen sein.

Ich möchte nur Folgendes klarstellen: Etwas, das der Rechnungshof auch aus rein wirtschaftlichen Überlegungen andeutet und wofür es interessanterweise durchaus Sympathien seitens der SPÖ-Vertreter im Ausschuss gegeben hat, ist sicher keine Lösung für meine Fraktion, nämlich: kleine Schulen im ländlichen Bereich, was doch 90 oder 95 Prozent der Fläche unseres Landes entspricht, einfach willkürlich zusam­menzulegen zugunsten großer Schulstandorte. Für uns ist eines schon klar: dass wir den Schwächsten und auch den Wichtigsten für die Zukunft unserer Gesellschaft, näm­lich gerade den Volksschülern, nicht zumuten werden, auch nicht in Zukunft, stunden­lange Anfahrtswege in Kauf zu nehmen. Das wird für die ÖVP, für uns sicherlich kein Weg sein, und dagegen werden wir auch weiterhin auftreten, dass solche Einspa­rungsversuche vorgenommen werden. Bildung ist ein wichtiger Wert. Er soll auch effizient und wirtschaftlich geführt werden. Aber trotzdem steht letztlich die Versorgung der Kinder und der Jugend über rein wirtschaftlichen Kriterien. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.57

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Krist. – Bitte, Kollege.

 


18.57

Abgeordneter Hermann Krist (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungs­hofes! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Hohes Haus! Es ist immer wieder spannend, wenn man hört, wie unterschiedlich ein und derselbe


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Rechnungshofbericht von den einzelnen Parteien interpretiert wird. Ich erlaube mir, zu den ÖIAG-Vorständen meine Version vorzutragen.

Eines kann man Ihnen von Regierungsseite sicher nicht vorwerfen, nämlich dass es Ihnen an Zielstrebigkeit und Konsequenz mangelt: konsequent und zielstrebig beim Ver­sorgen von regierungsnahen Freunden mit lukrativen Posten, unglaublichen Vor­standsgagen und Aufwandsentschädigungen (Abg. Dr. Partik-Pablé: Jessas na, das gibt es doch nicht!), konsequent und zielstrebig beim völligen Ignorieren des mehr als berechtigten kritischen Berichtes des Rechnungshofes, konsequente und beharrliche Missachtung von gesetzlichen Bestimmungen wie zum Beispiel der Vertragsschablo­nenverordnung.

Herr Minister Grasser hat in seiner Rolle als Eigentümervertreter wissentlich und sogar vorsätzlich diese Bestimmungen missachtet und in seiner Verantwortung in Wirklichkeit versagt. (Beifall bei der SPÖ.)

Egal, ob bei Abfertigungsansprüchen, Pensionsvereinbarungen oder Bewerbungs­qualifikationen, Fristen wurden nicht eingehalten, Auswahlverfahren wurden ver­schlei­ert, Gelder wurden gesetzwidrig verteilt. Herr Staatssekretär, Sie wissen das, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, Sie unterstützen das, und der Staats­bürger bezahlt das. Das sollte er auch wissen.

Meine Damen und Herren! Dieses Umgehen und Missachten der Gesetze ist abzu­lehnen. Es ist zu verurteilen und zeigt wie so oft zum wiederholten Mal das Sittenbild dieser Bundesregierung: von den Kleinen nehmen, zu den Großen geben. Unter offensichtlicher Duldung durch unseren Finanzminister verheimlichen die verantwort­lichen Manager gesetzeswidrig sogar vor dem Rechnungshof ihre Vorstandsgagen und Sonderverträge. Einer hat sogar gesagt: Wenn ich die Vorstandsgagen bekannt geben muss, stelle ich meinen Job zur Verfügung.

Nun gut, eine bekannte Redensart sagt: Wanderer soll man nicht aufhalten.

Herr Präsident Fiedler! Herr Staatssekretär! Ich ersuche Sie um Stellungnahme, ob diese unerträglichen Zustände immer noch anhalten beziehungsweise was zwischen­zeitlich dagegen getan wird.

International erfahrene Manager bekommt man nur, wenn man gut bezahlt, sagt einer der Verantwortlichen. Meine Damen und Herren! Auf international erfahrene Manager, die blind und willfährig auf Befehl entgegen jeder volks- und betriebswirtschaftlichen Vernunft unsere österreichischen Leitbetriebe zerschlagen, verscherbeln und jede Menge Arbeitslose hinterlassen, können wir verzichten. (Beifall bei der SPÖ.)

18.59

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Abgeordneter Dipl.-Ing. Mis­se­thon. – Bitte, Herr Kollege.

 


19.00

Abgeordneter Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Geschätzte Damen und Herren! Ich wollte eigentlich zum Thema „ÖIAG“ reden, aber ich glaube, ich habe doch einiges betreffend die EStAG zu klären. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vor­sitz.)

Herr Kollege Kogler! Der Aufsichtsratsvorsitzende ist nicht auf Grund irgendwelcher Ereignisse zurückgetreten, sondern ganz klar deshalb, weil die Frau Landeshauptmann den Ehrenkodex durchgesetzt hat. Das war der Grund, warum der Aufsichtsrats­vorsitzende zurücktreten musste. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Kogler: Elf Jahre zu spät, um Gottes willen!)


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In dieser Zeit habe ich von den Grünen nichts gehört. Dass sie jetzt aufs Trittbrett springen, das ehrt uns und zeigt auch die Richtigkeit der Maßnahme. Die Frau Kollegin Bleckmann ist im Moment nicht da; wenn ein Problem auftaucht, gibt es immer genügend Verantwortungsflüchtige. Ich darf nur der Ordnung halber dazusagen: Natürlich hat auch die FPÖ einen Vertreter im Aufsichtsrat, und zwar den Gerald Raidl. Das ist der Einzige, der in der EStAG Aufsichtsrat ist, und zwar war er es von Anfang an – bis jetzt. Also auch die FPÖ nimmt da durchaus ihre Verantwortung wahr.

Zurückkommend zum Herrn Kogler: Sie unterstellen quasi der Frau Landeshauptmann ein Naheverhältnis zum Herrn Hohenberg. (Abg. Mag. Kogler: Nein!) Na freilich, Sie haben gesagt, das sei ein Freund der Frau Landeshauptmann! Gott sei Dank hat die Frau Landeshauptmann eine kritische Distanz zu allen handelnden Personen. Sie ist derzeit die Einzige in dieser unruhigen Steirerwelt, die ein ruhender Pol ist und auch die richtigen und angemessenen Entscheidungen getroffen hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte aber doch auch noch auf das von Gene­ralsekretär Lopatka angesprochene Netzwerk der roten Brüder zu sprechen kommen, weil ich meine, da gehört eine wichtige Person noch dazu, nämlich der Herr Lan­deshauptmann-Stellvertreter Voves, dessen Verhalten in den letzten Wochen und Monaten aus meiner Sicht beschämend gewesen ist: Führungsschwäche, Vertu­schung, Verschweigen und, wenn es ganz eng wird, auch der Mut zur Unwahrheit vor dem Sonderlandtag. Das ist in Wirklichkeit der Stil der SPÖ in der Steiermark, und das muss man einmal ganz klar und deutlich festhalten! (Abg. Steibl: So sind sie!)

Geschätzte Damen und Herren! Nur in der Westentasche von Gerhard Hirschmann zu sitzen, das ist zu wenig; ich sage das sehr offen. Die SPÖ steckt tief in der EStAG-Affäre, und sie wird sich nicht auf leisen Sohlen davonschleichen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.03

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemel­det hat sich Herr Staatssekretär Dr. Finz. – Bitte.

 


19.03

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Der Herr Abgeord­nete Krist hat angedeutet, dass der Herr Finanzminister Kritik des Rechnungshofes nicht ernst nehmen und sich an Empfehlungen des Rechnungshofes nicht halten würde. Konkret dürfte er die Einhaltung der Vertragsschablonenverordnung meinen.

Ich halte dazu fest: Auf die Kritik des Rechnungshofes hat der Finanzminister um­gehend reagiert. (Abg. Mag. Kogler: Ein Gegengutachten! Steuergeld hinausge­schmissen!) Er hat in einem Schreiben bei allen im Kompetenzbereich des Bundes­ministerium für Finanzen liegenden Gesellschaften auf zwingende, notwendige Anwendung des Stellenbesetzungsgesetzes und der Vertragsschablonenverordnung hingewiesen. Er hat zudem eine Stellungnahme des Aufsichtsratsvorsitzenden der ÖIAG, Heinzl, eingeholt und diese an den Rechnungshofpräsidenten und die Finanz­prokuratur weitergeleitet. Weiters wurde die Stellungnahme und der Bericht mit Prä­sident Fiedler besprochen und auch ein Gespräch zwischen dem Rechnungs­hofpräsidenten Fiedler und dem Aufsichtsratsvorsitzenden Heinzl herbeigeführt.

Heinzl hat nach diesem Gespräch Korrekturen der Verträge zugesagt und auch durchgeführt (Abg. Mag. Kogler: Hoffentlich!); das möchte ich festhalten. Der Herr Rechnungshofpräsident hat auch diesen Fortschritt in der Öffentlichkeit gewürdigt. Als Folge dieser Gespräche hat Aufsichtsratspräsident Heinzl umgehend mit den Vor­ständen der ÖIAG Gespräche über eine Änderung der Verträge im Hinblick auf die


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Einhaltung der Schablonenverordnung geführt. Es wurden auch die Verträge geändert. Das wurde in einem Schreiben von Aufsichtsratsvorsitzendem Heinzl vom 30. September 2003 bestätigt. (Abg. Dr. Kräuter: Das wollen wir sehen! Auf den Tisch damit!)

Damit möchte ich festhalten, dass diese Veränderungen im Sinne der Schablo­nenverordnung vorgenommen wurden. (Abg. Dr. Kräuter: Zeigen Sie das her!) Es ist zu keinen Mehrkosten bei der ÖIAG gekommen. Weiters werden jetzt alle Verträge im Bereich der ÖIAG-Beteiligungen – das ist zwischenzeitlich ebenfalls veranlasst wor­den – ordnungsgemäß vereinbart werden. Wir im Finanzministerium nehmen die Empfehlungen des Rechnungshofes sehr ernst. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.05

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lapp. – Bitte.

 


19.05

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rech­nungshofes! Herr Staatssekretär! Herr Staatssekretär, Ihre Wortmeldung nehme ich jetzt so zur Kenntnis, wie Sie in Wien kommentiert haben, dass der Wirtschafts­kam­merpräsident bald zurücktreten wird. (Staatssekretär Dr. Finz: Na geh! Na bravo!) Er hat das umgehend dementiert und dann auf ein paar Jahre später verschoben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte jetzt zu dem Bereich im Rechnungshofbericht kommen ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Trinkl.) Das tut weh, nicht? Ich hätte eigentlich auch auf den Lippen gehabt. Finz wäscht wirklich weißer, Herr Kollege Dr. Trinkl (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ), aber das wollte ich mir dann doch versagen. Nur haben Sie mich jetzt dazu herausgefordert.

Ich möchte zur Besoldung der Landeslehrer im Rechnungshofbericht Stellung nehmen. Da wurde festgestellt, dass es seit den sechziger Jahren eine Kostenerhöhung gibt. Damit einhergegangen ist aber ein Ausbau an pädagogischen Angeboten und eine Veränderung der Wissensvermittlung. Es wurde ein erfolgreiches Bildungssystem auf die Reihe gebracht. Die Einsparungen der letzten Jahre bringen das System ins Wanken und bedeuten einen Rückschritt in die pädagogische Steinzeit.

Es ist sehr wesentlich, sich Input/Output im Bildungssystem anzuschauen. Wie werden Kinder auf das Leben, auf die Arbeitswelt vorbereitet? Im Rechnungshofbericht steht, dass Kinder in Integrationsklassen doppelt so viel kosten wie in Sonderschulen, also dass da der Aufwand doppelt so hoch ist. Aber auch da gibt es eine Studie, die be­weist, dass in Volksschulen, in welchen Integration stattfindet, hohe soziale Kompe­tenzen der behinderten Schülerinnen und Schüler und der nicht behinderten Schülerinnen und Schüler hervortreten.

Hervorheben aus diesem Teil des Berichts möchte ich, sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsparteien, dass in Wien die sparsamste Verwaltungsführung gegeben war, und das kann sich sehen lassen. Neben den pädagogischen Erfolgen, wie Integration, ist in Wien auch eine sparsame Verwaltungsführung möglich. (Beifall bei der SPÖ.)

19.08

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ledolter. – Bitte.

 



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19.08

Abgeordneter Johann Ledolter (ÖVP): Herr Präsident! Herr Präsident des Rech­nungs­hofes! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Skan­dalisieren, polemisieren, schlechtreden: Das ist die Methode, mit der die Opposition versucht, einen Rechnungshofbericht zu verwenden, um die Situation in den eigenen Reihen zu beschönigen, von eigenen Problemfeldern abzulenken! Das konnte man heute sehr gut nachvollziehen, meine Damen und Herren. (Abg. Dr. Puswald: Wie geht es Herrn Dr. Schüssel, Herr Kollege?)

Tatsache ist auch, dass die Hauptkritik – und Sie melden sich ja gleich zu Wort, liebe Kollegen – aus den Reihen der SPÖ kommt, aus einer Ecke, die über Jahre und Jahrzehnte bewiesen hat (Abg. Dr. Puswald: 2001 waren wir nicht mehr in der Regierung!), dass das Wirtschaften nicht ihre Sache ist, dass sie auch immer wieder nur Skandale und Fehlleistungen produziert hat, vom „Konsum“ über die Bank Burgenland bis zu vielen anderen Pleiten mehr, die sich nahtlos aneinander fügen wie eine Perlenschnur. (Abg. Dr. Puswald: 2001, Herr Kollege, Sie sind im falschen Jahrhundert, eigentlich Jahrtausend!)

An Hand dieses Prüfberichtes des Rechnungshofs in Sachen ÖIAG ist nachweisbar, dass hier schon im Kabinett Schüssel I andere Weichenstellungen erfolgt sind, nämlich eine Entpolitisierung der Verantwortungsebenen, eine Entpolitisierung von Aufsichts­räten und Vorständen, einer Domäne, die früher für Versorgungsposten von Minister­sekretären und ähnlichen Mitarbeitern reserviert gewesen ist. (Abg. Dr. Puswald: Jetzt kommen halt die Freunde! Auch nicht schlecht!) Da hat sich ein Umdenken breit­gemacht. Da sind – und das ist im Rechnungshofbericht nachvollziehbar – grund­sätzliche Weichenstellungen erfolgt, nämlich die Umsetzung der Schablonenver­ord­nung, die Diskussion über die Unvereinbarkeit von Aufsichtsräten, die mit Gutach­ten durchaus als nicht relevant nachgewiesen wurden, ein Diskurs, der sich in den Ausschüssen lange hingezogen hat.

Es war aber all das auch Voraussetzung für die Fortsetzung der erfolgreichen Politik, nämlich, die Schulden, die Sie in der ÖIAG angehäuft haben und die noch im Jahre 2000 6,2 Milliarden € betragen haben, mit Ende des Jahres 2003 auf 1,7 Milliarden € zu reduzieren.

Der Rechnungshof hat übrigens auch festgehalten, dass die Vorstandsgehälter durchaus leistungs- und marktkonform sind, und daher werden wir diesen erfolgreichen Weg weitergehen (Abg. Dr. Puswald: Nicht drohen, Herr Kollege! Bitte nicht drohen!): mit den restlichen Privatisierungen, VA-Tech und Sonstiges (Abg. Dr. Puswald: Die Zeit ist schon aus!) – Kollege, du kommst ohnehin gleich dran! –, und natürlich auch mit der Privatisierung der Telekom, die ja noch ansteht. Ein erfolgreicher Weg also, den die Regierung Schüssel II mit aller Konsequenz fortsetzen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.10

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Reheis. – Bitte.

 


19.10

Abgeordneter Gerhard Reheis (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Kollege Ledolter, wenn ich Sie so höre, glaube ich, Sie haben diesen Bericht des Rechnungshofes nicht gelesen (Abg. Zweytick: Da haben Sie schlecht gehört!), sonst wüssten Sie nämlich, was da drinnen steht: Ein Sittenbild dieser Bundesregierung! Das, was diese Bundesregierung seit ihrem Bestehen aufgeführt hat, ist darin zu lesen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Herr Staatssekretär Finz, da Sie gesagt haben, dass die Verträge nach der Schablo­nenverordnung geändert wurden: Ich bitte Sie darum, diese Verträge auf den Tisch zu legen, sodass wir Einsicht in diese nehmen und den Wahrheitsgehalt hiefür nachprüfen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wenn man diesen Rechnungshofbericht liest, kommt man auf viele Dinge, so zum Beispiel auch darauf, dass bei der Suche nach neuen Auf­sichtsräten bei der ÖIAG in einem nicht-offenen Verfahren Personalberater hinzu­gezogen wurden, obwohl laut Rechnungshof ein offenes Verfahren durchzuführen gewesen wäre. Dabei wurde aus fünf vorgelegten Angeboten einer Personal­beratungsfirma nicht das preiswerteste Angebot ausgewählt, dafür jedoch ein Angebot mit einem Preis von 138 000,078 € – und somit eine Kostenerhöhung von 27,8 Prozent gegenüber dem Zweitgereihten – in Kauf genommen.

Nach Ihrer Regierungsübernahme im Jahre 2000 und dem Auswechseln Ihnen nicht genehmer Manager stiegen die Vergütungen für den Vorsitzenden der ÖIAG um 77 Prozent, jene für seinen Stellvertreter um 85 Prozent und für die übrigen Mitglieder um 100 Prozent.

Meine Damen und Herren! Für die Freunde von Minister Karl-Heinz Grasser und für die „Friends of Prinzhorn“ wurden keine Kosten gescheut – und es wurden ihnen geradezu fürstliche Vergütungserhöhungen zugesprochen. (Beifall bei der SPÖ.)

Zusätzlich aufgefettet wurden die Reisekosten für den Aufsichtsrat von 1 579 € im Jahre 1999 auf 11 572 € im Jahre 2000 und auf sage und schreibe 32 000 € im Jahre 2001! Allein für einen Bewerber wurden Reisespesen in Höhe von 9 872 € bezahlt! Das ist doch geradezu unglaublich!

Nun etwas aus der jüngsten Vergangenheit, und zwar zu Ihrem Postenschacher, den es jetzt auch im Bildungsministerium gibt. Elisabeth Gehrer hat vor einigen Monaten den Posten eines Generalsekretärs im Bildungsministerium ohne Ausschreibung vergeben; mit 1. September wirkt ein Herr Hermann Helm an strategischer Planung und an Steuerungsaufgaben im Bildungsbereich sowie an der Verwaltungsentwicklung des Ressorts mit. – Ohne Ausschreibung! Der Postenschacher geht also weiter! Schwarz-blau wird uns erhalten bleiben, jedoch nur bis zur nächsten Wahl – und dann nicht mehr! (Beifall bei der SPÖ.)

19.14

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Puswald. – Bitte.

 


19.14

Abgeordneter Dr. Christian Puswald (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofs! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Kollege Ledolter hat uns vorhin erfreulicherweise darauf hingewiesen, dass mit dem Kabinett Schüssel I bereits neue Weichen gestellt wurden – und er hat Recht, denn das sagt auch der Rechnungshof. Da gibt es ja ein kleines Beispiel, das geradezu bezeichnend für vieles andere auch ist und für sich selbst spricht. Im Gesundheitsministerium gab es einen Kabinettschef, Herrn Dr. Hrabcik, der „vergessen“ hatte, seine Nebenbeschäftigung anzuzeigen. Wenn man ins Telefonbuch des Jahres 2001 sieht, fragt man sich: Welche Nebenbeschäftigung hat Dr. Hrabcik denn gehabt? – Er war Facharzt für HNO, und zwar hat er Montag bis Freitag vormittags ordiniert und jeden Nachmittag bis 18.30 Uhr – mit Ausnahme von Mittwoch und Samstag. Freunde von uns haben an­gerufen und wollten auch Mittwoch und Samstag in seine Ordination kommen, worauf er gesagt hat: Natürlich, jedoch gegen Voranmeldung. – Auf gut Deutsch: Der Herr Ka-


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binettschef hatte eine Sechs-Tage-Full-Time-Nebenbeschäftigung, jedoch „vergessen“, diese anzuzeigen.

Jetzt weiß man zwei Dinge: Erstens, wie wichtig ein Kabinettschef ist – offenbar völlig überflüssig! Kabinettschef dürfte nämlich in Wirklichkeit seine Nebenbeschäftigung gewesen sein. Das Zweite: Man sieht, wie ernst es dieses Kabinett Schüssel I oder jetzt Schüssel II – und auch die verbündeten Freiheitlichen – mit den Gesetzen nehmen! – So viel zur „neuen Qualität“ dieser Regierung. (Abg. Neudeck: Das glaubst du aber selber nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In diesem Zusammenhang sei überhaupt darauf hingewiesen, wie selbstsicher diese „wunderbare“ schwarz-blaue Regierung arbeitet, wie selbstsicher die ÖVP und Lopatka auf ihre EStAG-hausgemachte Skandalwelle hinweisen – und das den anderen in die Schuhe zu schieben versuchen! Ebenso sei darauf hingewiesen, wie Frau Kollegin Bleckmann „vergisst“, bei ihren Pensionsvorwürfen den freiheitlichen Multi-Pensionär Alexander Götz zu erwähnen! Uns Sozialdemokraten wurde dann zu unterstellen versucht, wir wären die Verursacher des SVA-Systems aus den fünfziger Jahren – und das, obwohl bekanntlich bis 1970 die ÖVP das Sagen hatte!

Erstaunlich ist auch, mit welcher Selbstsicherheit Sie hier behaupten, dass wir Sozialdemokraten jahrzehntelang etwas versäumt hätten – und das, obwohl die ÖVP mitregiert hat und Ministerratsbeschlüsse bekanntlich einstimmig erfolgen! (Zwischen­rufe bei der ÖVP.)

Wenn ich mir all diese Selbstsicherheiten der Regierungsparteien anschaue – das Wort „arrogant“ darf ich ja nicht verwenden (Zwischenrufe des Abg. Ledolter) –, möchte ich gerne einen Denker und Dichter zitieren, nämlich Bertrand Russell, der schrieb, und zwar zum Thema „Selbstsicherheit“, lieber Kollege Ledolter:

„Der Jammer mit der Menschheit ist, dass die Narren so selbstsicher sind und die Gescheiten so voller Zweifel.“

Gratuliere also Schwarz-blau! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Sie sind selbst­sicher, Herr Kollege!)

19.16

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich nun der Herr Präsident des Rechnungshofes Dr. Fiedler. – Bitte, Herr Präsident.

 


19.16

Präsident des Rechnungshofes Dr. Franz Fiedler: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Kräuter hat an mich die Frage gerichtet, ob der Rechnungshof Prüfungskapazitäten vorrätig hätte, um eine Prüfung der Haftung der Organe der EStAG vorzunehmen. – Herr Abgeordneter, der Rechnungshof hat solche Prüfungskapazitäten, und ich habe auch bereits von einigen Seiten aus der Steiermark avisiert bekommen, dass ein gewisses Interesse an einer solchen Prüfung besteht beziehungsweise dass sogar Überlegungen im Gange sind, den Rechnungshof mit einem derartigen Prüfungsauftrag – als Ergänzung zur ersten EStAG-Prüfung – zu betrauen.

Natürlich wird sich der Rechnungshof einer solchen Prüfung stellen, natürlich wird er diese Prüfung durchführen, wenn ihm ein diesbezüglicher Auftrag erteilt wird.

Ihre zweite Frage, Herr Abgeordneter Kräuter, wie der Rechnungshof dazu steht, dass nun Abfertigungen beziehungsweise Abfindungen an ausgeschiedene Vorstands­mitglieder der EStAG bezahlt werden, hängt mit der ersten von Ihnen gestellten Frage, nämlich mit der Frage des Verschuldens der Organe der EStAG zusammen; ich möchte da jedoch nicht vorgreifen.


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Der Rechnungshof hat in seinem Prüfungsergebnis, das sich derzeit noch im Stel­lung­nahmeverfahren befindet und das der Steiermärkischen Landesregierung, aber auch der EStAG selbst zugemittelt wurde, Sachverhaltserhebungen getroffen, davon ausge­hend die rechtlichen Bewertungen vorgenommen und Empfehlungen abgegeben.

Der Rechnungshof hat, was das persönliche Verschulden der Organwalter der EStAG betrifft, keine Einschätzung vorgenommen; dies müsste noch einer weiteren Prüfung überlassen bleiben. Erst dann kann eine endgültige Aussage darüber getroffen werden, ob es nun günstiger ist, gegenüber den Vorständen der EStAG mit Entlas­sungen vorzugehen – mit allen sich daraus ergebenden gehaltsrechtlichen und pen­sionsrechtlichen Konsequenzen –, oder ob es günstiger ist, eine einvernehmliche Regelung anzustreben.

Ich darf daher um Verständnis dafür ersuchen, dass dies einer weiteren Prüfung vorbehalten bleiben müsste.

Hohes Haus! Der Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes, der heute in Behand­lung steht, enthält einen sehr großen Teil, der sich mit der Bestellung und der Abberufung von Aufsichtsräten und Vorständen in öffentlichen Unternehmungen befasst. Bemerkenswert war, dass im Zuge der Prüfung durch den Rechnungshof zahlreiche Verstöße sowohl gegen das Stellenbesetzungsgesetz als auch gegen die Vertragsschablonenverordnung der Bundesregierung seitens des Rechnungshofes festgestellt werden mussten.

Wir haben diese Verletzungen – sei es des Gesetzes, sei es der Verordnung – in unserem Bericht festgehalten, und es gab eine sehr ausführliche Diskussion darüber im Rechnungshofausschuss – eine sehr ausführliche Diskussion, möchte ich betonen, jedenfalls ausführlicher, als dies bei anderen Berichten üblicherweise der Fall ist.

Es ergab sich dadurch für den Rechnungshof die Möglichkeit, seinen Standpunkt nochmals deutlich zu machen, auch in unmittelbarer Diskussion mit den Vertretern der ÖIAG – und natürlich mit den Abgeordneten –, und es ist dem Rechnungshof gelun­gen, nicht nur seinen Rechtsstandpunkt vor allem im Zusammenhang mit der Schablo­nenverordnung den Abgeordneten und den Vertretern der ÖIAG verständlich zu machen, sondern sich auch mit seinem Rechtsstandpunkt durchzusetzen.

Ich darf in diesem Zusammenhang den Abgeordneten des Rechnungshofausschusses, und zwar den Abgeordneten aller Fraktionen im Rechnungshofausschuss, meinen Dank aussprechen, dass von ihrer Seite eine deutliche Unterstützung für die Position des Rechnungshofes zu erkennen war. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Diese Unterstützung hat dann letztlich dazu geführt, dass in weiteren Gesprächen zwischen mir und den Aufsichtsräten der ÖIAG ein Ergebnis erzielt werden konnte, das für den Standpunkt des Rechnungshofes gesprochen hat und mit dem der Rech­nungshof auch zufrieden sein kann. Es kam zu einer Änderung der Verträge mit den Vorstandsvorsitzenden, zu einer Änderung jener Verträge, die mit der Schablonen­verordnung nicht im Einklang standen. Es kam auf Grund der Kritik des Rechnungs­hofes, der Behandlung des Berichtes im Rechnungshofausschuss und auch – das muss ich fairerweise hinzufügen – auf Grund der Einflussnahme durch den Bundes­minister für Finanzen, der sich auch dafür ausgesprochen hat, diese Verträge zu ändern, dann zu einer Angleichung der Verträge an die Schablonenverordnung.

Insgesamt gesehen daher ein durchaus positives Ergebnis, das meiner Ansicht nach sehr klar zum Ausdruck gebracht hat, dass durch das Einvernehmen zwischen dem Nationalrat beziehungsweise dem Rechnungshofausschuss auf der einen Seite und dem Rechnungshof auf der anderen Seite ein Ergebnis erzielt werden konnte, das


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letztlich positiv ist und das dazu beigetragen hat, dass der gesetzmäßige Zustand hergestellt werden konnte.

Ich möchte allerdings Folgendes hinzufügen: Der Rechnungshof hat diese Prüfung in einem bestimmten Bereich der staatlichen Wirtschaft vorgenommen; vor allem hat sie die ÖIAG und einige andere Unternehmungen betroffen. Es sind aber noch wesentlich mehr Unternehmungen, die der Schablonenverordnung unterliegen, und der Rech­nungs­hof kann nicht ununterbrochen nur die Einhaltung der Schablonenverordnung im gesamten Bereich der öffentlichen Wirtschaft prüfen. Ich appelliere daher an die Ressortverantwortlichen in den Ministerien, auch von sich aus ein Auge darauf zu werfen, dass in ihrer Ressortverantwortlichkeit die Schablonenverordnung eingehalten wird.

Ich muss hier hinzufügen: Der Bundesminister für Finanzen hat es für den Bereich der ÖIAG dann letztlich auch getan, was gleichfalls Anerkennung verdient. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Aber insgesamt gesehen hat sich im Laufe der Prüfungen, auch bei der Behandlung des Prüfungsberichtes im Nationalrat gezeigt, dass die Schablonenverordnung noch nicht sehr tief in das Bewusstsein aller Verantwortlichen in den verstaatlichten Unter­nehmungen gedrungen ist. Wenn unser Bericht einen Beitrag dazu geleistet hat, dass diesbezüglich das Bewusstsein geschärft wurde, dann betrachte ich dies als positives Ergebnis, auch im Zusammenwirken mit dem Nationalrat, denn es ist letztlich gelun­gen, doch in einem Teilbereich dazu beizutragen, dass ein gesetzmäßiger Zustand hergestellt werden konnte, und dies ist letztlich Aufgabe des Nationalrates wie auch des Rechnungshofes. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.24

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schönpass. – Bitte.

 


19.24

Abgeordnete Rosemarie Schönpass (SPÖ): Sehr geehrte Herren Präsidenten! Sehr geehrte Herren Staatssekretäre! Hohes Haus! „Die Republik als Selbstbedienungs­laden“ könnte als Überschrift zu unserem aktuellen Tagesordnungspunkt stehen. (Abg. Dr. Mitterlehner: Haben Sie nicht zugehört, was der Präsident gesagt hat, oder was?) Die x Millionen, die von dieser Regierung teilweise gegen die Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes an Berater vergeben wurden, sind auch in meinen Augen ein Skandal, Herr Kollege Auer! (Abg. Jakob Auer: Haben Sie nicht aufgepasst, was der Präsident gesagt hat?)

Wer meint, dass damit wenigstens ordentliche Leistungen geliefert wurden, der irrt. Lassen Sie mich die Tragödie der Irrungen am Beispiel der Personalauswahl für den Bereich ÖIAG kurz darstellen.

Beauftragt mit der Personalsuche wurde die Firma Zehnder. Deren Geschäftsführer ist zufällig ein Freund vom Finanzminister und vom Nationalratspräsidenten Prinzhorn, bei dem übrigens und zufälligerweise die Frau des Geschäftsführers wiederum Büroleiterin ist. (Aha-Rufe bei der SPÖ.)

Der Rechnungshof hält dazu fest, die Ausschreibung habe nicht den vergabe­rechtlichen Vorgaben entsprochen. Der Preis von Zehnder lag auch um zirka 30 Pro­zent über dem des Zweitgereihten. (Abg. Scheibner: Was lesen Sie uns da heute vor?) – Herr Scheibner, ich bin leider nicht so geübt wie Sie!

Wer meint, dass die für sehr teures Geld gefundenen Manager, die für horrende Gagen und Bonifikationen arbeiten, ihren Job professionell verrichten, irrt ebenfalls. Statt-


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dessen fuhrwerken diese Manager, ohne sich einen Deut um zwingende Vorschriften wie die so genannte Schablonenverordnung zu kümmern.

Die Republik leistet sich unter dieser Regierung Manager, die gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen und dies sogar noch positiv argumentieren. ÖIAG-Aufsichts­ratspräsident Heinzel versteht zwar die Vorwürfe, als er mit den Ausführungen des Rechnungshofes konfrontiert wurde, meinte er aber, die Abweichungen von der Schablonenverordnung seien begründet. Bei einem Finanzminister, der in ähnlich gelagerten Fällen ein Unrechtsbewusstsein vermissen lässt, darf einen das auch nicht wundern.

Die SPÖ nimmt den Bericht des Rechnungshofes über derartige Missstände sicher nicht zur Kenntnis. (Beifall bei der SPÖ.)

19.27

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Faul. – Bitte.

 


19.27

Abgeordneter Christian Faul (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungs­hofes! Verehrte Staatssekretäre! Liebe Kollegin Bleckmann, wenn Sie als politische Ziehtochter von Dr. Alexander Götz von Privilegien reden, so ist das schon ein ziemlich starkes Stück (Abg. Dr. Bleckmann: Das ist eine heftige Unterstellung ...!), aber wenn Sie als Kollegin der ehemaligen Abgeordneten Gilbert Trattner, Dr. Moser, Beate Har­tinger von Parteibuchwirtschaft reden, dann haben Sie Recht, hundertprozentig Recht, Frau Kollegin! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Mainoni: Sie ist eine gewählte Ab­geordnete!) – ganz abgesehen vom Kollegen Gaugg, der sich leider selbst „verblasen“ hat.

Aber kommen wir nun auf die Steiermark beziehungsweise auf die EstAG zu sprechen. Ich habe ja in Reminiszenz an den großen Aufdecker eine neue Begrifflichkeit für „EStAG“ gefunden. „EStAG“ steht für mich für den Satz: Ein starker Abgang für Gerhard. – Gemeint ist der Landesrat – Sie kennen ihn ja –, für den ein politisches Ausgedinge gefunden werden musste und der dann letztlich in den Vorstand dieser Gesellschaft entsendet wurde. Was er dort gesehen hat, hat ihn an himmlische Zu­stände erinnert: Supergagen, Sonderzahlungen, Abfertigungsansprüche in Mil­lionen­höhe, Repräsentationsaufwendungen, Diners, Besuche in Salzburg. (Abg. Dr. Bleck­mann: Mit eurer Zustimmung! Alles mit SPÖ-Zustimmung!) Da ist ihm der berühmte Satz ausgekommen: Mensch, was war ich doch für ein Hirsch-mann! Habe ich mich doch als Landesrat mit kleinem Salär abgegeben, während sich die Freunde in der EStAG an Milch und Honig labten!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das war abenteuerlich, was er vorgefunden hat. Kollege Kogler hat es gesagt: Steuerberater mit Gagen in der Höhe von 100 Millionen, die strategische Firmensplittings vorgeschlagen haben, die nur ihren Freunden und deren Strohmännern dienten, oder Aufsichtsratsmitglieder in ganz besonders persönlichen Verflechtungen zur EStAG, die nur ein Motto kannten: So­lange die Gesellschaft Verluste macht, gehört sie der EstAG, doch in dem Moment, in dem sie Gewinne macht, wird sie privatisiert und gehört den Freunden! (Abg. Mag. Molterer: Faul redet von Ressel! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das Netzwerk, das dahinter stand und das Landesrat Paierl trefflich als „Mädchenpensionat“ bezeichnet, hat die nötigen Schienen dazu gelegt. (Abg. Dr. Bleckmann: Die SPÖ hat den Privatisierungen zugestimmt!)

Apropos Herbert Paierl: Liebe Kollegen von der ÖVP, wer diese weinerlichen Erklärungen im Rundfunk und im Fernsehen gesehen hat, der hat erkannt, dass


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Herbert Paierl rücktrittsreif ist. Auch seine Schutzherrin, die Landeshauptfrau, wird ihn nicht mehr unter ihrem Unterrock halten können. (Abg. Großruck: Das ist sexistisch!)

Die politische Verantwortung liegt bei Herbert Paierl. Das sagt auch die „Presse“ – lesen Sie die „Presse“ von heute! Er wird Mühe haben, zu erklären, warum er als Eigentümervertreter nicht gehandelt hat, und er wird auch die Frage beantworten müssen, wie tief er selbst in das Netzwerk eingebunden ist – privat nämlich!

Aber eines kann ich Ihnen versichern: Eine Chance hat er noch: Als Heimleiter des Mädchenpensionats wird er eine Zukunft finden. (Beifall bei der SPÖ.)

19.30

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Rechnungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-42 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Damit ist der Bericht zur Kenntnis genommen.

17. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (391 d.B.): Bun­desgesetz über Leistungen für Privatbahnen (Privatbahngesetz 2004 – PrivbG) (425 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Debattenrednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. Ihre Redezeit ist wunsch­gemäß auf 4 Minuten eingestellt. – Bitte.

 


19.31

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Herr Präsident! Herren Staatssekretäre! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem heute – worüber ich mich freue – einstimmig zu beschließenden Privatbahngesetz stellen wir endlich auf eine dauerhafte Lösung bei den Privatbahnen ab. Die Privatbahnen sind alle jene Bahnen, außer den Österreichi­schen Bundesbahnen, die betriebliche Leistungen im Bahnwesen durchführen. Sie bekommen dadurch die Möglichkeit, 50 Prozent Bundeszuschuss für den Ausbau der eigenen Infrastruktur und für den Erhalt der eigenen Infrastruktur zu lukrieren.

Besonders wichtig ist auch, dass dieses Gesetz die Grundlage dafür legt, dass die gemeinwirtschaftlichen Leistungen, das heißt Sozialtarife für Senioren, für Pendler, für Pensionisten, all diese Vergünstigungen mittels Bundeszuschuss auch bei den Privat­bahnen ermöglicht werden. Herangezogen werden die gleichen Kriterien wie bei den Österreichischen Bundesbahnen.

Wesentlich ist auch, dass dieses Gesetz endlich nicht mehr befristet ist wie die Vor­gängerregelungen und dass wir jetzt eine Planungssicherheit auch für die Privat­bahnen haben.

Für mich als Tirolerin ist es dabei von Bedeutung, dass auch Versäumnisse der Österreichischen Bundesbahnen in der Vergangenheit wettgemacht werden. Ich erinnere daran, dass zum Beispiel die Außerfernbahn von den Österreichischen


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Bundesbahnen betriebswirtschaftlich nicht mehr leistbar zu betreiben war und ein­gestellt hätte werden sollen. Die Deutschen Bahnen sind damals eingestiegen. Mittler­weile ist es eine florierende Bahnlinie. Ich gehe davon aus, dass sich in Zukunft auch Private für diese Linie interessieren werden, weil sie wieder so gut läuft, regional gut beworben wird, die regionale Wirtschaft eingebunden wird und ein exzellentes Konzept vorliegt. Und ich hoffe, dass jetzt nach ÖBB-Reform und mit diesem Gesetz eine ähnliche Erfolgsgeschichte auch für andere Bahnen in Österreich schreibbar wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Sehr bedeutsam sind dieses Gesetz und die Privatbahnen als Ganzes auch für die Lösung anderer Verkehrsprobleme. Wir haben insgesamt 16 Privatbahnen in Öster­reich, und ich gehe davon aus, dass wir in Zukunft noch mehr haben werden. In Tirol wollen wir eine neue Regionalbahn schaffen, die die Pendlergemeinden westlich und östlich der Landeshauptstadt einbinden soll. Hier soll in Verbindung mit dem Straßen­bahnnetz eine neue Regionalbahn geschaffen werden. Das Land und die Stadt werden sich zu 50 Prozent an den Kosten beteiligen. Dadurch wird es uns auch möglich, noch attraktiveren Personennahverkehr anzubieten. Die Stadt Wien, die auf Grund eines Sondervertrages den gesamten Bau und den Erhalt ihrer U-Bahn zu 50 Prozent jeweils immer vom Bund ersetzt bekam, hatte diesen Vorteil schon länger. Jetzt gibt es auch größere Gerechtigkeit für unsere Regionen – auch das eine Erleichterung für die Luftgüte in den transitgeplagten Alpengebieten und in allen Verkehrsballungszentren.

Ich freue mich, und ich freue mich über die Einstimmigkeit. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.34

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Marizzi. – Bitte.

 


19.34

Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir haben 16 österreichische Privatbahnen. Diese befördern rund 22 Millionen Passagiere, 8 Millionen Tonnen Güter – eigentlich ein beachtlicher Anteil am gesamten Güter- und Personenverkehrsaufkommen. Für uns ist dieser Tagesordnungspunkt Konsensmaterie, weil wir glauben, dass das ein gutes Gesetz ist, weil damit etwas für die Bahn getan wird. Es ist jetzt eine Planungs­sicherheit gegeben, der gerade im Umfeld der Liberalisierung bei Privatbahnen eine besondere Bedeutung zukommt.

Aber man muss auch hinzufügen, dass faktisch alle diese 16 so genannten „Privat­bahnen“ in Österreich in öffentlichem Eigentum sind, also so richtige Privatbahnen sind sie nicht. Die Finanzierung wird jetzt mit diesem Gesetz gesichert, sie wird unbefristet prolongiert. Damit können die Bahnen in eine wirtschaftlich abgesicherte Zukunft blicken. Die alte Lösung ist 2003 ausgelaufen. Wir von der Opposition haben im Ausschuss moniert, dass man das früher hätte machen sollen. Jetzt ist es passiert – auch ein Grund dafür, dass wir jetzt Planungssicherheit haben.

Ich möchte an zwei Beispielen festhalten, wie wichtig diese Bahnen sind. Eine ist in meiner Region: die Schneebergbahn. Diese stand vor einigen Jahren fast vor dem Zu­sperren. Man muss sagen, dass alle politisch Verantwortlichen in der Region einen Schulterschluss gemacht haben: Es wurde investiert. Die Bahn wurde ausgegliedert. Die Schneebergbahn zählt heute ungefähr 136 000 Passagiere. Sie ist ein wirtschaft­licher und touristischer Faktor in unserer Region. Im Jahr 2000 noch vom Zusperren bedroht, ist sie heute eigentlich eine sehr gute Sache für unsere Region.


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Das zweite Beispiel ist die Badner Bahn: 7,2 Millionen Fahrgäste 1999, 7,6 Millionen 2002, das sind 445 Millionen Platzkilometer. Man muss sich einmal vorstellen: 7,2 Mil­lionen Fahrgäste – wenn wir im Süden Niederösterreichs die Badner Bahn nicht hätten, dann wären ungefähr um 4 Millionen Pendler-PKWs mehr auf der Süd Autobahn unterwegs. Es wäre das totale Verkehrschaos auf der Süd Autobahn, allein schon durch die Baustellen und was sonst noch alles jeden Tag auf der Süd Autobahn passiert.

Daher soll in die Bahn investiert werden. Sie soll nicht kaputtorganisiert werden. Wir sagen ja zu den Privatbahnen, wir sagen aber auch ja zu den ÖBB. Und wenn man das alles mit Augenmaß und Vernunft macht, dann stimmen wir gerne diesem Gesetz zu. (Beifall bei der SPÖ.)

19.37

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wattaul. – Bitte.

 


19.37

Abgeordneter Anton Wattaul (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Auch für uns ist es natürlich eine Konsensmaterie. Im Wesentlichen handelt es sich um eine Nachfolgeregelung, die nicht befristet ist. Sie bedeutet für die Privatbahnen, dass sie eine Kalkulation machen können, dass sie Finanzierungssicherheit haben. Wichtig ist auch, dass nun die Privatbahnen mit den ÖBB gleichgestellt werden. Auf die zukünftige Bundesbahnreform ist natürlich Rücksicht genommen worden. Wichtig ist auch, dass auf die Trennung von Infrastruktur und Absatz geachtet worden ist.

Es wird damit ein weiterer Schritt in Richtung Liberalisierung und, so hoffe ich, zum Wohle unserer Bevölkerung gesetzt. Ich würde mir wünschen, dass die Eisenbahnen insgesamt nicht ihre Fahrten nach dem Dienstrecht durchführen, sondern tatsächlich ein Angebot schaffen, das es unserer Bevölkerung ermöglicht, die Bahn optimal zu nützen. In diesem Sinne danke! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.38

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. – Bitte.

 


19.39

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Zu später Stunde wieder einmal das Thema Verkehr. Ich möchte vorausschicken: Auch wir werden dieser Regelung zustimmen. Allerdings haben sich schon einige kritische Punkte in der Debatte ergeben, auf die ich jetzt noch hinweisen möchte.

Erstens ist es für mich schon sehr auffällig, dass man im Nachhinein nach Ablauf der Frist das Gesetz sozusagen verlängern muss, damit die Privatbahnen nicht in eine rechtliche Lücke stürzen. Spät, aber doch hat man sich dazu entschlossen.

Zweiter sehr wichtiger Punkt: Immer wieder gab es Diskussionen – ich habe sie immer sehr gerne mit Ihnen zu führen versucht – über die gemeinwirtschaftlichen Leistungen der ÖBB und der Bahnen insgesamt.

Der Bericht darüber lag 1999 das letzte Mal vor. Er ist aber jährlich zu erstellen und jährlich einer Diskussion zu unterziehen, weil es da schließlich um eminente Summen geht.

Ich verlange, dass im Zuge dieser neuen Beschlussfassungen endlich diese Berichte vorgelegt werden. Bei der letzten Anfragebeantwortung vom 10. September 2003 hieß es noch, der Bericht sei derzeit in Arbeit. Ich frage Sie, Herr Staatssekretär: Wie lange


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brauchen Sie noch? Oder wechseln Sie so oft das Personal, dass jeder wieder von vorne anfangen muss? – Irgendetwas ist da faul, weil diese Berichte nicht vorgelegt werden, denn es haben ja schließlich alle Vertreterinnen und Vertreter der Parteien in den Ausschüssen die Auffassung vertreten, dass diese Berichte regelmäßig vor­zu­legen sind.

Eine weitere Kritik: Dieses Gesetz beinhaltet keine Offensivmaßnahmen für die zu­sätzliche Förderung, für die offensive Förderung von Privatbahnen – Maßnahmen, die man dringend brauchen würde, denn alles von den FAG-Verhandlungen abhängig zu machen bedeutet auch, sich darauf einzustellen, dass man verliert. Ich kenne diese Matches nun schon seit einigen Malen und habe noch kein einziges Mal erlebt, dass die öffentlichen Transportmittel, die öffentlichen Verkehre dabei besser ausgestiegen sind als vorher, dass zumindest ihre Notwendigkeiten erfüllt worden wären.

Dieses Gesetz ist notwendig, deswegen werden wir ihm zustimmen. Aber diese Lücken, Herr Staatssekretär, gehören gefüllt! (Beifall bei den Grünen.)

19.41

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hornek. – Bitte.

 


19.41

Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekre­tär! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Das 21. Jahrhundert verlangt einen modernen, betriebswirtschaftlich geführten und leistungsfähigen öffentlichen Ver­kehr. Die Strukturen müssen fit gemacht werden für den Wettbewerb in einem libe­ralisierten Schienenmarkt. Privilegien der Vergangenheit können im Sinne der Wett­bewerbsfähigkeit nicht mehr aufrechterhalten werden. Privatwirtschaftliches Denken muss Einzug halten.

Österreich braucht die Bahn, um die verkehrspolitischen Herausforderungen in der Zukunft zu bewältigen. Eine leistungsfähige und moderne Bahn ist für den Wirt­schafts­standort Österreich und seine Bewohner eine verkehrspolitische Notwendigkeit. Die Europäische Union geht davon aus, dass bis 2010 der Güterverkehr um 38 Prozent, der Personenverkehr um 24 Prozent wachsen wird.

Im Sinne einer nachhaltigen Verkehrspolitik muss eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene stattfinden, damit wir unsere Umwelt schützen und die gute Lebensqualität unserer Heimat bewahren – und unser gestecktes Ziel in Bezug auf das Kyoto-Ziel erreichen.

Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsprogramm ausdrücklich zu einer Weiterentwicklung und Qualitätsoffensive im öffentlichen Nahverkehr bekannt und auch eine entsprechende Effizienzsteigerung gefordert. Besonders auch beim enorm zunehmenden grenzüberschreitenden Güter- und Personenverkehr besteht ein großes Entwicklungspotential für Privatbahnen, wenn entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dieses Gesetz tut das.

Der Fall des Eisernen Vorhanges ermöglicht es, aus Nebenbahnen, die dies- und jenseits an einem Puffer an den Grenzen geendet haben, mit einem Brückenschlag über den ehemaligen Eisernen Vorhang hinweg Verkehrsstrukturen zu schaffen, die ganze Regionen erschließen, wie dies das Projekt der Thayatalbahn beweist, eine Bahn, die vor 100 Jahren errichtet wurde, über ein halbes Jahrzehnt ein Schatten­dasein führte und bei der jetzt mit der angegangenen Reaktivierung eine Möglichkeit besteht, die gesamte Bahnstrecke wesentlich attraktiver zu gestalten.

Geschätzte Damen und Herren! Die öffentliche Hand muss allerdings beachtlich viel Geld in die Hand nehmen, um eine Finanzierung des öffentlichen Verkehrs vorzu-


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nehmen. 2,2 Milliarden € sind jährlich für den öffentlichen Verkehr notwendig. Diese Zahl stellt unter Beweis, dass es unabdingbar ist, dass es zu entsprechenden Effizienz­steigerungen kommt.

Ein gesunder Wettbewerb – sowohl ÖBB als auch Private – ist eine wichtige Voraus­setzung für eine Entwicklung in diese Richtung. Dieses Gesetz ist ein Mosaikstein, der in effizienter Weise dazu beitragen wird, unser gemeinsam gestecktes Ziel zu er­reichen. Es ist ein gutes Gesetz, und ich bitte daher um Ihre Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.45

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Steier. – Bitte.

 


19.45

Abgeordneter Gerhard Steier (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Meine geschätzten Damen und Herren! Die heute zur Diskussion stehende unbefristete Verlängerung des Privatbahngesetzes und, damit verbunden, mehrjährige Instrumente für die Leistungen des Bundes an die Privatbahnen werden zu Planungs­sicherheit, wie schon angesprochen, zur Sicherstellung der Finanzierung und damit zum Fortbestehen dieser Eisenbahnunternehmen, wie zum Beispiel der Raab-Öden­burger Eisenbahn, beitragen.

Mit der Verlängerung des Privatbahngesetzes wird zumindest ansatzweise Wettbe­werbs­gleichheit mit den ÖBB hergestellt – ansatzweise deswegen, weil das Privat­bahngesetz im Gegensatz zum bisherigen ÖBB-Gesetz hauptsächlich Kann-Bestim­mungen enthält: Bund und Länder können abgelten und fördern, müssen es aber nicht tun.

Verkehrsminister Gorbach hat kürzlich im Verkehrsausschuss die Bedeutung der Privat­bahnen hervorgehoben. Wenn ich davon ausgehe, dass diese Aussage selbst­verständlich ernst gemeint war, stellt sich die Frage, warum die Novellierung des Privatbahngesetzes verspätet erfolgt. Warum hat die Regierung die Privatbahnen, was deren finanzielle Grundsicherung betrifft, einfach „dunsten lassen“? – Diese Kritik, meine Damen und Herren, kommt nicht nur von der Opposition, sondern auch von der Wirtschaftskammer.

Meine geschätzten Damen und Herren! Privatbahnen haben – und das haben alle Vorredner mittlerweile bestätigt – nicht nur, was den Personenverkehr anlangt, große Bedeutung. So hat beispielsweise die Raaber Bahn im kombinierten Verkehr, also im Bereich der rollenden Landstraße und des Containerverkehrs, in den letzten Jahren, speziell 2003, ausgesprochen gut Position bezogen und zweistellige Zuwachsraten erzielen können.

Positiv ist die Entwicklung der rollenden Landstraße zwischen Sopron und Wels zu beurteilen. Von den rund 700 000 LKW-Ladungen, die in Österreich im kombinierten Verkehr geführt werden, entfallen allein auf den Güterterminal Sopron jährlich rund 53 000 LKW.

Ich betone dieses Beispiel auch deswegen, weil wir wissen, dass die Schiene im Bereich des Güterverkehrs gegenüber der Straße zunehmend an Marktanteilen ver­liert. In der EU hat das Verkehrsaufkommen in den letzten zehn Jahren insgesamt um 30 Prozent zugenommen; während der Straßenverkehr ein Plus von 38 Prozent zu verzeichnen hat, stagniert der Eisenbahnverkehr mit nur 3 Prozent Steigerung.

Meine geschätzten Damen und Herren! Die Zuwachsraten werden eindeutig fest­gehalten. Bekenntnisse zur Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene gibt es seitens der Regierung in vielfacher Form. Bei der Umsetzung dieses


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Bekenntnisses in konkrete Verkehrspolitik hapert es aber gewaltig (Abg. Wittauer: Könnt ihr auch einmal irgendwas Positives sagen?), wie man am Beispiel rollende Landstraße sieht, einem klassischen Modell, um den LKW von der Straße auf die Schiene zu bringen.

Während die Schweiz bei der rollenden Landstraße kräftig zulegen kann, verliert der Huckepackverkehr in Österreich zunehmend Kunden und meldet Umsatzeinbrüche. Und was passiert? – Anstatt dass jene, die tatsächlich Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern, unterstützt werden, wird ein kleinlicher Streit über die Medien ausgetragen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Dieses Gesetz ist eine Konsensmaterie. Ich bitte um Ihre Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.48

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wittauer. – Bitte.

 


19.48

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Abgeordneter, es ist schon eigenartig, dass man bei einer Konsensmaterie immer wieder – es war ja bei der Frau Abgeordneten Lichtenberger genauso – schauen muss, wo man ein Haar in der Suppe findet. Ich glaube, es ist doch unbestritten, dass gerade die Privatbahnen im regionalen Bereich, im Nahverkehr eine bedeutende Rolle spielen und dass es bei dieser Verlängerung beziehungsweise bei diesem Gesetz um Zukunft und um Planungssicherheit für die Privatbahnen geht und dass damit auch die Gleichstellung gegeben ist.

Wenn man dann im Zusammenhang mit der Umsetzung wieder anfängt, vom Güterverkehr zu reden, dann habe ich dafür überhaupt kein Verständnis. Da muss ich Ihre Kritik vielmehr wieder an Sie zurückgeben, denn diese Fehler liegen in der Vergangenheit. Diese Fehler liegen bei Ihnen, bei den Sozialdemokraten, die lange Jahre hindurch den Verkehrsminister gestellt haben. Hören Sie daher auf, bei einer Konsensmaterie, bei der ein gutes Gesetz beschlossen wird, immer wieder zu probieren, irgendetwas Schlechtes daran zu finden!

Das hier vorliegende Gesetz ist ein gutes Gesetz, die Freiheitlichen werden ihm zustimmen, und ich weiß, dass auch alle anderen diesem Gesetz zustimmen werden. Setzen wir uns mit den Dingen dort auseinander, wo sie hingehören, und nicht im Rahmen einer solchen Materie, bei der wir wirklich froh darüber sind, dass heute diese Beschlussfassung erfolgt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.50

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zum Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

 


19.50

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Staatssekretär! Es trifft sich ja gut, Herr Staatssekretär, dass Sie hier Ihren Platz einnehmen, obwohl natürlich der Herr Minister der Bedeutung des Anliegens des öffentlichen Verkehrs durch seine Präsenz durchaus noch etwas zusätzliches Gewicht verleihen könnte.

Mein Vorredner hat gemeint, dass die Opposition hier irgendwie Haarspaltereien be­treibe oder zumindest ein Haar in der Suppe finde. – Ich muss Sie leider auf Realitäten verweisen, Herr Kollege Wittauer, die wirklich deutlich dokumentieren, dass es nicht


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nur bei der heutigen Beschlussfassung dieses Gesetzes für manche Privatbahnen, bei denen es um die Sicherung ihrer Existenz geht, bereits fünf vor zwölf ist, sondern dass die heutige Beschlussfassung praktisch auch nur eine Notmaßnahme für die Sicherung des Überlebens kleinerer Bahnen ist und bei weitem nicht jene Offensive erkennen lässt, die dringend notwendig wäre, damit wir all den Herausforderungen gerecht werden können.

Das ist für mich das Problem! Sie selbst wissen es ja, glaube ich, besser als so mancher andere, Sie geben es nur wenig zu. Es besteht gerade im Nahverkehrs­bereich der großen städtischen Einzugsbereiche oder im regionalen Bereich eine unbedingte Notwendigkeit, den PKW-Verkehr zusehends auf den öffentlichen Verkehr, sprich auch auf die Privatbahnen zu verlagern. (Beifall bei den Grünen.)

Ich glaube, das Potential dieser Privatbahnen ist unglaublich groß, weil dort sehr viele Mitarbeiter am Werk sind, die wirklich mit Herzblut am Betrieb beteiligt sind und manchmal unter widrigen Umständen Optimales leisten. Damit möchte ich nicht die Leistungen der ÖBB-Bediensteten in den Schatten stellen, sondern ich möchte nur darauf verweisen, dass hier auf Grund des engen Konnexes zwischen Verantwortung vor Ort und Betrieb vor Ort oft größere Leistungen für den öffentlichen Verkehr erbracht werden als in einem Großunternehmen. – Das ist also ein Bekenntnis zum Privaten. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Staatssekretär! Dieses Bekenntnis zum Privaten bei mir persönlich hat natürlich die Dimension der Linzer Lokalbahn. Sie kennen ja, vielleicht sogar aus eigener Erfahrung – Sie fahren ja gerne mit dem Auto, aber ich weiß nicht, ob Sie schon einmal in der LILO gesessen sind –, zumindest aber aus Zeitungsberichten den finanziellen Notstand, der sich jetzt schon über Jahrzehnte dort Jahr für Jahr wiederholt. Sie wissen genau, dass die Werkstätte dort aus dem Jahr 1912 stammt!

Jetzt wird durch dieses Privatbahngesetz zwar nachgezahlt, aber dieses Privatbahn­gesetz konzentriert sich bei den Investitionen auf den reinen Infrastrukturbereich und nicht auf den Betrieb. Wir brauchen aber dringend Betriebsinvestitionen: Wir brauchen Verbesserungen beim Wagenmaterial, wir brauchen Verbesserungen beim Oberbau, bei den Werkstätten, beim Komfortangebot für die Kunden et cetera. Sie wissen genau, das Potential der LILO ist unglaublich! Sie aber lassen sie immer am Hungertuch nagen, sie befindet sich oft sogar in einer Existenzkrise.

Ich wage zu bezweifeln, dass der Finanzausgleich uns entsprechende Mittel zur Verfü­gung stellen wird, die dann über die Länder und Gemeinden den Betrieb abdecken, denn das ist ja Ihre Politik: Auf Bundesebene deckeln Sie und verschieben dann Ent­scheidungen und Finanzierungselemente auf die Länder und Kommunen – und gleich­zeitig nehmen Sie den Ländern und Kommunen Steueranteile, sprich Körper­schafts­teuer. Wie sollen die Länder und Kommunen für die regionalen Betriebe der Privat­bahnen aufkommen können, wie sollen sie Leistungen bestellen und finanzieren können, wenn sie zu wenig Geld haben?

Bitte machen Sie eines – und damit möchte ich gleich zum Schluss kommen –: Bringen Sie insgesamt Transparenz in die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs, verein­heitlichen Sie die Töpfe, und geben Sie den Ländern und Kommunen Geld dafür – genau so wie in der Bundesrepublik, denn dort blüht das Regionalbahnwesen, dort blüht das Privatbahnwesen, und dort blüht auch die regionale DB. Machen Sie es ähnlich, bitte, Herr Staatssekretär! (Beifall bei den Grünen.)

19.54

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus hat sich Herr Staatssekretär Mag. Kukacka zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 



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19.54

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! Zuerst freue ich mich doch, trotz aller kritischen Einwendungen, dass wir in diesem Bereich weitgehend Einstimmigkeit zustande gebracht haben. (Abg. Marizzi: Wir waren ja gar nicht kritisch! Wir waren ja nett!) Das war ja in den letzten Monaten und Jahren nicht immer so. Aber ich hoffe, dass das ein Anlass ist, auch Ihnen zu beweisen, dass wir das, was für den Bund in der derzeitigen Situation finanziell möglich ist, auch tatsächlich für den öffent­lichen Nahverkehr und selbstverständlich auch für die Privatbahnen tun.

Richtig, Frau Kollegin Lichtenberger, ist, dass wir mit unseren Berichten über die gemein­wirtschaftlichen Leistungen in Verzug sind – das konzediere ich. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Fünf Jahre! Ein halbes Jahrzehnt!) Aber ehrlich gesagt, der Herr Bundesminister und ich sind erst im Ausschuss auf diese Tatsache – nicht zuletzt auch durch Sie – aufmerksam gemacht worden, und wir haben veranlasst, dass dieser Be­richt so rasch wie möglich nachgeholt wird. Immerhin geht es hier auch um 16 Privat­bahnen. Das heißt, wir müssen jetzt abwarten, bis wir die endgültige Bilanz des Jahres 2003 von diesen Privatbahnen bekommen, und dann können wir Ihnen auch diesen Bericht erstellen, den wir selbstverständlich nachholen werden.

Frau Kollegin Dr. Moser, ich möchte nur festhalten, dass selbstverständlich die LILO keinerlei Nachteile erlitten hat und keinesfalls schlechter behandelt worden ist als andere Privatbahnen auch und dass sie auch nicht weniger Geld bekommen hat als immer mit der LILO vereinbart war. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Es ist zu wenig!) Aber Sie müssen eben auch zur Kenntnis nehmen, dass wir diese Förderungen nicht nach Gutdünken vergeben können, sondern dass wir hier zum Beispiel auch auf die Förde­rungsrichtlinien der Europäischen Union angewiesen sind. Und der Absatz- und der Infrastrukturbereich müssen eben EU-rechtlich aus Wettbewerbsgründen getrennt werden. Das heißt auch, dass Förderungen für den Absatzbereich – also Fahrbetriebs­mittel, Waggons, Remisen, Werkstätten – eben nicht mehr gewährt werden dürfen. Es darf in diesem Bereich nur mehr die gemeinwirtschaftliche Leistung gefördert werden, und das geschieht für die LILO ganz genauso wie für jede andere Privatbahn auch. Und bei der Investitionsförderung, also beim Ausbau und Betrieb der Schienenwege, finanzieren wir ohnedies 50 Prozent aller Investitionen.

Sie sehen also, dass wir hier alles tun, was möglich ist, und dass uns niemand vorwerfen kann, dass wir unserer verkehrspolitischen Verantwortung in dieser Frage nicht nachkommen würden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es ist ja darauf hingewiesen worden, dass für die österreichischen Privatbahnen mit diesem Gesetz eine Nachfolgeregelung beschlossen wird, aber erstmals unbefristet. Die Privatbahnen wissen nun, dass sie auf dieses Geld einen entsprechenden An­spruch haben und dieses Gesetz nicht Jahr für Jahr oder nach drei oder fünf Jahren immer wieder neu verlängert werden muss.

Das ist ganz wichtig für die Planungssicherheit dieser Unternehmen, gerade weil Schieneninfrastrukturprojekte ja im Regelfall einen mindestens zehnjährigen Vorlauf haben. Wir geben genau so wie bei den ÖBB, nach genau denselben Richtlinien und Kriterien für gemeinwirtschaftliche Leistungen Förderungen – in den vergangenen Jahren jeweils immerhin 38 Millionen €, die die Privatbahnen erhalten haben. Insge­samt wurden der Bahn in den letzten fünf Jahren jährlich rund 55 Millionen € zur Ver­fügung gestellt.


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Darüber hinaus wird es auch jetzt immer fünfjährige mittelfristige Investitionspro­gram­me geben, die genau den Erhaltungszuschuss des Bundes festlegen. Dafür sind jähr­lich rund 17 Millionen € vorgesehen, meine Damen und Herren.

Sie sehen also: Was wir heute beschließen, ist ein wichtiges Gesetz, sowohl für die Bewältigung der Verkehrsprobleme der Zukunft als auch für mehr Gleichberechtigung zwischen der Staatsbahn ÖBB und den österreichischen Privatbahnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.00

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Glaser. – Bitte.

 


20.00

Abgeordneter Franz Glaser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Privatbahnen transportieren in Österreich immerhin einen Anteil von 12 Prozent bei den Passagieren und von 8 Prozent bei den Gütern. Ich glaube, dass das doch ein schöner Anteil ist, und ich bin auch überzeugt davon und hoffe, dass sich dieser Anteil in den nächsten Jahren noch entsprechend erhöhen wird.

Es sind die Privatbahnen, so wie ich es sehe, teilweise aus ganz speziellen Interessen und Notwendigkeiten entstanden, teilweise sind sie heute – so kommt es mir vor – so etwas wie ein Auffangnetz für aufgelassene ÖBB-Linien oder werden es zunehmend, wobei das gar nichts Schlechtes ist.

Nachdem jetzt jeder Kollege beziehungsweise jede Kollegin auch noch seine/ihre eigene Bahn näher beleuchtet hat, möchte ich auch einen Wunsch über eine künftige Privatbahn anbringen. Einige von Ihnen werden es vielleicht wissen, andere nicht: Das wirtschaftliche Zentrum des Südburgenlandes, Oberwart, hat keine Bahnverbindung mit dem wirtschaftlichen Zentrum Westungarns, Steinamanger. Es gab diese Eisen­bahnverbindung natürlich einmal, aber sie wurde zur Kriegszeit gekappt, und die ÖBB haben vor zirka 15 Jahren ihren österreichischen Anteil verkauft.

Ich glaube, dass es jetzt an der Zeit ist, gerade im Hinblick auf die EU-Osterweiterung, dass – in diesem Fall sicherlich auch das Land und andere Private und auch die re­gionalen Verantwortungsträger – darüber nachgedacht wird, wie man die Möglichkei­ten, die dieses neue Gesetz bietet, entsprechend nützen kann, wobei ich natürlich auch noch auf zusätzliche Anreize hoffe.

In diesem Sinne glaube ich, dass wir heute wirklich ein Gesetz beschließen, dass ge­meinsam mit der ÖBB-Reform, mit der Liberalisierung der Österreichischen Bundes­bahnen, dazu beiträgt, dass im Bereich des Schienenverkehrs die Bahn tatsächlich auch Zukunft hat. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.02

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kainz. – Bitte.

 


20.02

Abgeordneter Christoph Kainz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats-sekretär! Hohes Haus! Mit dem vorliegenden Gesetz beschließen wir eine planbare Gesetzesvorlage für die Privatbahnen. Dabei ist klar, dass der Staat da sehr gerne seinem Auftrag nachkommt, dass aber die Privatbahnen mit diesen Zuwendungen auch in Zukunft rechnen können – und nicht so wie bisher bei dem Gesetz, das mit 31. Dezember außer Kraft getreten ist.


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Mit dem heutigen Gesetzesbeschluss zeigt diese Bundesregierung – da vor allem der Verkehrsminister, aber auch Staatssekretär Helmut Kukacka – sehr klar den Weg, bei dem der Bahnkunde im Mittelpunkt steht.

Im südlichen Niederösterreich, woher ich komme, haben wir ein tägliches PKW-Auf­kommen an der Grenze Niederösterreichs zu Wien von 140 000 PKW. 44 000 Pendler fahren jeden Tag mit der Südbahn nach Wien, und 16 000 Pendler fahren täglich mit der Lokalbahn. Ich glaube, dass es wichtig und richtig ist, diese effizienten Verkehrs­verbindungen gerade im öffentlichen Bereich zu unterstützen.

Es zeigt aber auch, dass die Bundesbahnreform der richtige Schritt war, nämlich jene Gesetzesänderungen zu vollziehen, bei denen der Bahnkunde im Mittelpunkt dieser Maßnahmen steht. Die Badner Bahn ist auch ein Zeichen dafür, dass eine Bahn, die in den roten Zahlen war, mit einem effizienten Management und mit einer Veränderung des Fahrplanes in die schwarzen Zahlen kam. Jetzt wird sogar überlegt, den 15-minütigen Taktverkehr auf siebeneinhalb Minuten zu verringern, um die Qualität dieses öffentlichen Verkehrsmittels für die Kunden noch zu steigern.

Es gibt ein mittelfristiges Ausbauprogramm für die Badner Bahn, das eine deutliche Qualitätssteigerung vorsieht, und auch das Bundesland Niederösterreich investiert 966 000 € in dieses gerade für uns im Süden von Niederösterreich wichtige Verkehrs­mittel.

Ich freue mich darüber, dass heute hier alle Fraktionen dieser Gesetzesvorlage zu­stimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.05

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Sonnberger. – Bitte.

 


20.05

Abgeordneter Dr. Peter Sonnberger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Im Gegensatz zu Frau Abgeordneter Moser bin ich mit der Anwesenheit des Herrn Staatssekretär sehr zufrieden. Das Duo Gorbach/Kukacka ist ein Team, das den Reformstau im Bereich des öffentlichen Verkehrs erfolgreich beseitigen wird.

Das künftige Privatbahngesetz, das heute einstimmig beschlossen wird, sichert Zu­kunfts­investitionen und wird nicht mehr befristet sein.

Finanzielle Unterstützung gibt es für die Abgeltung von gemeinwirtschaftlichen Leis­tungen und für die Schieneninfrastruktur von Privatbahnen. Seit 1992 sind EU-rechtlich der Absatz- und der Infrastrukturbereich aus Wettbewerbsgründen strikt zu trennen, und daher dürfen leider Förderungen für den Absatzbereich nicht mehr gewährt werden.

Die Entwicklung der Nachfrage im öffentlichen Verkehr, die seit 1996 um einige Mil­lionen Fahrgäste zurückgegangen ist, und der Modalsplitanteil des öffentlichen Ver­kehrs, der derzeit bei 17 Prozent liegt, sind einfach überlegenswert. Daher kommt fol­genden vier Zielsetzungen wesentliche Bedeutung zu:

Verkehrspolitisch muss der öffentliche Verkehr gestärkt werden, finanzwirtschafts­poli­tisch müssen die Ausgaben stabilisiert werden, unternehmenspolitisch muss der öffent­liche Verkehr zukunftsfähig organisiert werden, und der öffentliche Verkehr braucht auch einen Modernisierungsschub, die verkehrspolitische Effizienz der öffentlichen Mittel muss mindestens um 25 Prozent erhöht werden.

Mehr Wettbewerb ist angesagt. Sehr interessant ist auch der Aspekt der stärkeren Einbindung der Länder.


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Schließen möchte ich mit der Feststellung, dass das im Jahre 2000 abgeschlossene Übereinkommen über die Infrastrukturplanung des regionalen Schienenverkehrs im Großraum Linz mit Beispielen der City-S-Bahn, der Einbindung der LILO im Haupt­bahnhof und einem nahverkehrsgerechten Ausbau der Eisenbahnstrecke ebendort drei positive Entwicklungsschritte für diesen Großraum zum Ziel hat. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.07

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 391 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

18. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (349 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird (426 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Debattenredner ist Herr Abgeordneter Eder mit einem Zeitwunsch von 3 Minu­ten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.08

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten werden dem Eisenbahngesetz nicht zustim­men, aber nicht nur deshalb, weil es um ein Jahr zu spät kommt, sondern auch des­wegen, weil eine Reihe von Regelungen, die wir gerne in diesem Gesetz gehabt hätten, darin überhaupt nicht vorhanden ist. Ich denke da vor allem an den Umstand, dass darin soziale und arbeitsrechtliche Fragen kaum Berücksichtigung finden.

Gleichzeitig ist es auch so, dass der Rahmen, der von der EU vorgegeben wird, eigentlich in einer Form dargestellt wird, wovon wir glauben, dass es nicht unbedingt sein muss. Es ist jetzt zum Beispiel möglich, dass ein Zug von Hamburg bis Budapest durch Österreich geführt wird, aber niemand die Ausbildung und die Arbeitszeiten der Lokführer, die solche Züge führen, prüft. Durch eine solche Politik wird natürlich mittel- und langfristig auch das Gesamtsystem Schiene gefährdet, wenn nicht entsprechende Sicherheiten gegeben sind. Wir wollen diese Form der Politik nicht mittragen!

Im Übrigen sind wir der Auffassung, dass dieses Gesetz unmittelbar mit dem Bundes­bahnstrukturgesetz in Zusammenhang zu bringen ist. Es wäre vernünftiger gewesen, zuerst das Eisenbahngesetz und dann das Strukturgesetz zu machen. Aus all diesen Gründen können wir zu diesem Gesetz nicht ja sagen.

Ich muss aber zum jetzigen Zeitpunkt auch festhalten, dass sich das ÖBB-Struktur­reformgesetz ebenfalls immer mehr zum Desaster entwickelt. Es geht praktisch nichts


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weiter. Im Vordergrund stehen offenbar nur mehr Positionen, Postenschacher et cetera. Das tut mir sehr Leid, nämlich insofern, als es ja Termine gegeben hat, und bei diesen Terminen wäre es so gewesen, dass mittlerweile ein Aufsichtsrat in der Holding hätte bestellt sein sollen. Dort wird herumgestritten, wer in dem Aufsichtsrat Vorsit­zender sein soll und wer die Aufsichtsräte sein sollen. Es ist der Vorstand der Holding eigentlich nicht eingesetzt, es ist noch der alte Bahnvorstand eingesetzt. Es geht also auch da nicht viel weiter.

Es ist so, dass die AGs nicht gegründet sind. Darüber hinaus gibt es auch bei der Post­bus AG eine Ausschreibung, bezüglich welcher ich einer Zeitung entnehmen kann, dass sich Vorstandsdirektor Ott anscheinend wieder bewerben wird. Wenn man da liest, dass dieser Vorstandsdirektor – ich kann mir das gar nicht vorstellen – Rech­nungen für Hemden und Wäscherechnungen als Beleg für Repräsentationsausgaben bei der Firma abgibt, dann muss ich sagen: Das „qualifiziert“ ja einen ohnehin schon von Haus aus! (Abg. Wittauer: Das muss ein Sozialdemokrat sein!)

Ich würde meinen, dass man bei solchen Vertragsverlängerungen doch sehr vorsichtig sein sollte. Wenn man Spesen in der Höhe von 27 000 € pro Jahr verrechnet, dann ist das, glaube ich, nicht gerade eine besondere Auszeichnung.

Ich hoffe, dass es bei den Bundesbahnen rasch zu entsprechenden Weichenstellungen kommt, sodass man überhaupt wieder von einem strukturierten Unternehmen Bahn sprechen kann. Derzeit ist es leider so, dass es von Minister Gorbach fast ein Arbeitsverbot in Form eines Briefes an den Vorstand gegeben hat: Bis die Strukturen stehen, sollen sie eigentlich nichts tun! Die zweite Ebene lehnt sich zurück und schaut zu. Wenn man bei der Bahn mit den Bediensteten spricht, dann tut es einem wirklich Leid ... (Abg. Scheibner: Das sind alles eure Leute! Nicht streiken, sondern mithelfen, dass etwas Gescheites geschieht!) – Na ja, die dürfen nichts tun, und das ist das Problem!

Helft mit, dass die Bahn wieder arbeitsfähig wird, dass die Bahn jetzt in Konkurrenz zu anderen Bahnen bei der Ostöffnung wirklich ein gutes Unternehmen, wie sie es gewesen ist, bleibt! (Beifall bei der SPÖ.)

20.12

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Miedl. – Bitte.

 


20.12

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Eder, so, wie die Bahn gewesen ist, soll sie nicht bleiben! Sie muss sich natürlich verändern, und sie muss sich den neuen Zeiten anpassen.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf haben wir die Umsetzung der ersten EU-Richtlinie in Sachen Eisenbahnliberalisierung vor: Das ist der freie Zugang zum Schie­nennetz. Damit haben wir mehr Wettbewerb auf der Schiene, mehr Effizienz und mehr Kundenorientierung. Und das ist, meine Damen und Herren, höchst notwendig!

Ich weiß nicht, wem ich es hier im Hohen Haus erzählt habe: Ich bin vor zirka zwei Monaten auf Grund eines Umstandes nach langer Zeit, nachdem ich ein sehr intensiver Benützer der Bahn gewesen war, wieder einmal mit der Bahn von Wien nach Graz gefahren. Ich muss sagen, ich bin vor 30 Jahren beinahe regelmäßig von Wien nach Graz gefahren, und ich war bass erstaunt über das, was sich in der Zwischenzeit getan hat, nämlich darüber, wie die Entwicklung da zurückgegangen ist. (Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger.)


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Frau Kollegin Lichtenberger, die Garnituren sind die gleichen geblieben, der Spei­sewagen war abgehängt, die Fahrzeit war sieben Minuten länger. In Wirklichkeit ist die Entwicklung bei der Bahn nicht nur stehen geblieben, sondern die Bahn hat sich sogar zurückentwickelt!

Jetzt sage ich: Hätte die Bahn schon zur rechten Zeit den Druck der Konkurrenz verspüren müssen, hätte sich die Bahn entwickeln müssen! So wird sie das jetzt erst unter dem Druck der Konkurrenz tun. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni.)

Herr Kollege Parnigoni, ich stelle fest: Sie kennen sich auch hier aus, nicht nur im Justiz- und Innenbereich. Wir werden Sie als Sachverständigen zeitgerecht einladen. Ich hoffe nur, dass Sie Ihre Ideologie ablegen, wenn es um die Bahn geht, denn ich denke, dass da Ideologiefreiheit höchst am Platze ist.

Wir haben alles nur Erdenkliche dahin gehend zu unternehmen, dass sich die Bahn entwickeln darf – sie will es ja! Die Bahn hat tüchtige Mitarbeiter. Wie gesagt: Die Bahn hat es höchst notwendig, sich zu entwickeln, weil sie auch gebraucht wird, meine Damen und Herren.

Die Neuerungen, die jetzt kommen sollen, sind im Wesentlichen die Möglichkeit, dass auch Private die Zugtrasse verwenden dürfen, und der Umstand, dass es künftig zu einer strikten Trennung der Infrastruktur- und der Verkehrsbereiche kommen muss, dass Chancengleichheit besteht.

Wir müssen den Zugang zur Schiene gewährleisten, und wir müssen vor allem darauf schauen, dass die öffentlichen Zuwendungen für den gemeinwirtschaftlichen Verkehr alle gleich treffen, dass es da nicht zu Verzerrungen im Wettbewerb kommt. Das Quersubventionsverbot der EU ist ein striktes Gebot; ich denke, das sollten wir einhalten.

Im Wesentlichen geht es bei diesem Gesetz um das Regulativ, unter welchen Voraus­setzungen private und auch andere Betreiber außerhalb der ÖBB das Schienennetz benützen dürfen.

In diesem Sinne ist heute ein Freudentag für die ÖVP, ein Freudentag für die Mobilität in Österreich. – Ich hoffe, Sie stimmen alle, meine Damen und Herren, diesem Gesetz zu. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.15

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. – Bitte.

 


20.15

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Diese vorliegende Gesetzesmaterie hätte durchaus zu einer werden können, zu der die Grünen auch ihre Zustimmung gegeben hätten. Ich habe Abänderungsanträge ausge­schickt, die eigentlich sowohl für die ÖVP als auch für die Freiheitlichen als auch für die SPÖ okay hätten sein müssen, in Ordnung hätten sein müssen, weil sie einem ge­meinsamen Interesse dienen. Ich bringe hier jetzt wieder einen Abänderungsantrag ein, der fünf Punkte umfasst. Er wird zur Verteilung gebracht werden, damit Sie die Zitierungen auch genau anschauen können.

Diese Abänderungsanträge haben sich auf einige Punkte im Gesetz bezogen, in welchen aus meiner Sicht die europäischen Vorgaben zu restriktiv interpretiert und umgesetzt worden sind. Die Regierungsparteien haben Österreich also mit diesem Gesetz stärker des Handlungsspielraums beraubt, als es laut Richtlinie notwendig ge­wesen wäre.


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Ich bringe Beispiele zu einer Frage, die in diesem Gesetz geregelt ist, nämlich zur Frage, welche Art von Verkehr auf der Schiene dann, wenn sehr viele Züge darauf fahren und die Trassenkapazität knapp wird, vorrangig abgewickelt werden soll. – Diesbezüglich hat es im Gesetz eine Regelung gegeben, die sich sehr rigide an dem orientiert, was sich einige Leute in Europa vorstellen, nämlich dass zwar der Regionalverkehr abgewickelt werden darf, aber in Wirklichkeit als nächster schon der Güterverkehr Vorrang – jedenfalls vor dem Personenfernverkehr – haben soll.

Mein Vorschlag war – und ich wundere mich dauernd, warum Sie dem nicht zustimmen können –, einen Passus, der durchaus auch in der europäischen Wortwahl vorkommt, und zwar jenen des „gesellschaftlichen Nutzens“ in das Gesetz mit aufzunehmen, der es uns ermöglicht hätte, stärker auf die jeweils individuell vorliegenden Verhältnisse auf unterschiedlichen Strecken zu reagieren und jeweils situationsangepasstere Bevor­rangungen bestimmter Verkehrsarten vorzunehmen.

Diese Regelung ist übrigens auch von Seiten der Wirtschaft verlangt worden. Mir liegt ein Brief der Wirtschaftskammer vor, aus welchem klar hervorgeht, dass auch die Wirt­schaft selbst verlangt – zwar mit einer etwas anderen Intention, als wir es vorgesehen haben, aber eben doch –, mehr Flexibilität im Gesetz zu ermöglichen, damit man im Zweifelsfall selbst entscheiden kann, ob der regionale Pendlerverkehr, der Güter­verkehr oder der Personenfernverkehr den Vorrang auf einer Strecke bei der Vergabe der Trassen haben soll. Das ist ja total unterschiedlich – sei es nach Schad­stoffsituation, sei es auch nach internationaler Bedeutung und so weiter! Sie waren je­doch nicht bereit, auf diesen doch allgemein verständlichen Vorschlag einzugehen.

In einem weiteren Punkt meines Abänderungsantrages wird verlangt, dass die Be­rechtigung für den Zugang zu der Vergabe diskriminierungsfrei, angemessen und transparent sein muss. Mit dieser Definition hätte man sich wieder ein wenig mehr Handlungsspielraum verschaffen können, als es in Ihrer Formulierung der Fall ist.

Ein weiterer Punkt bezog sich auf die Vergabe der Trassen und darauf, wer sie vergibt. So, wie Sie das geregelt haben, können Sie eine Briefkastenfirma gründen, die diese Trassen vergeben kann, weil es keinerlei Anforderungen an diese höchst wichtige Stelle gibt, die entscheidet, wer auf der Schiene fährt. Wir hätten solche Anforderungen definiert, und das wäre mehr als notwendig und richtig gewesen.

Wir haben auch einen weiteren Punkt in unseren Abänderungsantrag aufgenommen, den ich für extrem wichtig halte, nämlich den Punkt, dass die Strafrahmen für Verstöße gegen die Sicherheit auf der Schiene im Verhältnis zu den Strafrahmen gegen Wettbewerbsverzerrungen so lächerlich gering waren, das man wirklich fürchten muss, dass das sozusagen aus der Portokassa bezahlt und letzten Endes nicht zu einer Änderung des Verhaltens führen wird.

Meine Damen und Herren! Es ist mir vollkommen unverständlich, warum Sie dem nicht zustimmen konnten. Das kann nur Ihr wirklich langsam lächerlicher Reflex sein, dass Oppositionsparteien keine Ideen haben, wenn es um eine Zusammenarbeit geht. Das wären produktive Vorschläge gewesen! Es hat mir sehr Leid getan, und ich habe mir auch erwartet, dass von Seiten der Sozialdemokraten noch etwas Genaueres kommt, was den ArbeitnehmerInnenschutz betrifft. Das habe ich jetzt auch noch nicht gesehen.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie behaupten von sich, den Konsens suchen zu wollen. Sie suchen ihn nicht! Nicht einmal dort, wo wir im Sinne Ihrer Ideen handeln, dürfen Sie auch nur einen Schritt auf die grünen oder roten Ideen zugehen, weil Ihnen das die ideologische Schranke in Ihrem Hirn offensichtlich so stark verbietet, dass Inhalte dabei vom Tisch gewischt werden.


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Wenn Ihre Konsenswünsche so aussehen, dass wir uns auf den Bauch werfen und Ja und Amen zu allem sagen sollen, was Sie uns hinknallen, dann, meine Damen und Herren, haben Sie Demokratie nicht verstanden! (Beifall bei den Grünen.)

20.22

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der in seinen Kernpunkten erläuterte Abänderungsantrag, der von Frau Abgeordneter Dr. Lichtenberger soeben vorgetragen wurde, wird gemäß § 53 Abs. 4 Geschäftsordnungsgesetz an alle Abgeordneten ver­teilt und dem Stenographischen Protokoll beigedruckt; er ist somit eingebracht.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen, eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Verkehrsausschusses (426 d.B) zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird (349 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschussberichtes wird wie folgt geändert:

1. In Z 46 lautet §57a Abs. 1:

„(1) Eisenbahninfrastrukturunternehmen können Anforderungen an Zugangsberech­tigte festlegen, die angemessen, transparent und diskriminierungsfrei sein müssen, die in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen zu veröffentlichen und der Europäischen Kommission mitzuteilen sind.“

2. In Z 46 lauten § 62 Abs. 4, 5, 5a, 5b, 5c und 5d::

„(4) Eisenbahninfrastrukturunternehmen haben abgeschlossene Verträge nach Ab­satz 3 innerhalb eines Monats nach Vertragsabschluß der Schienen-Control GmbH vorzulegen.

(5) Für die Durchführung der im 6. Teil dieses Gesetzes („Regulierung des Schienen­verkehrsmarktes“) festgelegten Aufgaben einer Zuweisungsstelle bedarf es, soweit nicht Abs. 5a Anwendung findet, einer Genehmigung durch die Schienen-Control GmbH.

(5a) Eisenbahninfrastrukturunternehmen, die rechtlich, organisatorisch und in ihren Entscheidungen von Eisenbahnverkehrsunternehmen unabhängig sind sowie die im Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz vorgesehene Schieneninfrastruktur-Dienst­leis­tungs­gesellschaft mbH brauchen keine Genehmigung nach Abs. 5.

(5b) Die Genehmigung ist zu erteilen, sofern

der Antragsteller rechtlich, organisatorisch und in seinen Entscheidungen von den Eisenbahnverkehrsunternehmen unabhängig ist;

keine Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Antragstellers bestehen;

eine entsprechende fachliche Eignung des Antragstellers vorliegt;

eine entsprechende finanzielle Leistungsfähigkeit des Antragstellers vorliegt und

die Deckung einer Haftpflicht zur Versicherung oder gleichwertige Vorkehrungen für die Tätigkeit als Zuweisungsstelle bestehen.


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Diese Voraussetzungen müssen während der gesamten Dauer der Tätigkeit als Zu­weisungsstelle vorliegen.

(5c) In der Genehmigung sind Zeiträume von jeweils höchstens fünf Jahren fest­zusetzen, vor deren Ablauf die Zuweisungsstelle die Voraussetzungen für ihr Fortbe­stehen der Schienen-Control GmbH nachweisen muss. Bei Wegfall oder Änderung der Voraussetzungen der Genehmigung nach Abs. 5 hat die Schienen-Control GmbH die Genehmigung zu entziehen.

(5d) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat die näheren Be­stimmungen über die im Rahmen des Genehmigungsverfahrens vorzulegenden Unte­ragen und zu erfüllenden Voraussetzungen sowie deren Überprüfung durch Ver­ordnung festzulegen.“

3. In Z 46 erhält § 65c Abs. 3 folgenden Wortlaut:

„(3) Wurden Entgelte nach §67 Abs. 2 nicht erhoben oder haben sie nicht zu einem befriedigenden Ergebnis geführt und wurde Schieneninfrastruktur für überlastet erklärt, so hat die Zuweisungsstelle bei der Netzfahrplanerstellung Begehren nach der Reihen­folge der Höhe des gesellschaftlichen Nutzens der ihnen zugrunde liegenden Eisen­bahnverkehrsleistungen zu berücksichtigen. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat durch Verordnung die Klassifizierungen der Eisen­bahn­verkehrsleistungen nach dem gesellschaftlichen Nutzen unter nichtdiskriminie­renden Bedingungen vorzunehmen, wobei dabei die Sicherstellung des öffentlichen Personennah- und -fernverkehrs, die Erbringung gemeinwirtschaftlicher Leistungen und die Entwicklung des Schienengüterverkehrs, insbesondere des internationalen Schie­nengüterverkehrs, zu berücksichtigen sind.“

4. §124 (neu) Abs. 2 lautet:

„(2) Organe oder Bedienstete des Eisenbahnunternehmens, die trotz wiederholter Ermahnung den Bestimmungen der §§ 20 bis 27 und 37 oder den Bestimmungen der gemäß §§ 19 Abs. 4 und 46 erlassenen Verordnungen zuwiderhandeln oder die die auf Grund dieses Bundesgesetzes ergehenden behördlichen Anordnungen nicht befolgen, begehen eine Verwaltungsübertretung und sind hiefür von der Behörde (§ 12) mit Geld bis zu 7 000 Euro oder mit Arrest bis zu zwölf Wochen zu bestrafen.“

5. In Z 69 erhält § 126 Abs. 4 Z 8 folgenden Wortlaut:

„8. der Vorlagepflicht nach § 62 Abs. 4 nicht nachkommt.“

Begründung

Zu Z1 (§ 57a Abs. 3):

Die bisherige, ausführlichere Formulierung beinhaltet offene Begriffe („legitime Erwar­tungen“), die Ansatzpunkte für Diskriminierungspotenzial darstellen.

Zu Z2 (§ 62 Abs. 4 und 5):

Eine Genehmigung der Zuweisungsstelle auf der Basis rechtlich festgelegter Mindest­anforderungen ist nötig, da diese die für den Wettbewerb wesentlichen und verant­wortungsvollen Aufgaben der Trassenzuweisung und der Festsetzung des Infrastruk­turbenützungsentgelts durchzuführen hat. Die Gewerbeordnung sieht für eine solche Stelle keine besonderen Anforderungen vor und bietet im Hinblick auf die Brisanz kein ausreichendes Regulatorium, sondern würde diese Stelle unter die freien Gewerbe einreihen. Dies wäre den zu erfüllenden Aufgaben nicht angemessen.


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Zu Z3 (§ 65c Abs. 3):

Die in der bisherigen Vorlage vorgesehene Regelung wird durch eine flexiblere For­mulierung ersetzt. Diese ist mit den Vorgaben von Art. 22 Abs. 4 der Richtlinie 2001/14/EG, insbesondere der Prioritätensetzung nach „gesellschaftlichem Nutzen“ des jeweiligen trassenwerbenden Verkehrs, konform und enthält mit der Verordnungs­ermächtigung einen Weg zur Festlegung einer differenzierteren rechtlichen Grundlage für die Vorbeugung bzw. Lösung absehbarer Zuweisungskonflikte.

Zu Z4 (§124 (neu) Abs. 2)

Anhebung des Strafrahmens für sicherheitsrelevante Verwaltungsübertretungen, um dem Stellenwert der Sicherheit im Schienenverkehrssystem gerecht zu werden sowie eine bessere Verhältnismäßigkeit von indirekt massiv wettbewerbsrelevanten Ver­stößen in diesem Bereich mit den höheren Strafrahmen für direkt wettbewerbs­rele­vante Verstöße herzustellen.

Zu Z5 (§ 126 Abs. 4 Z 8)

Ergänzung der Strafbestimmung entsprechend der Ergänzung durch Z2.

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wattaul. – Bitte.

 


20.22

Abgeordneter Anton Wattaul (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Diese Novelle ist natürlich unbedingt notwendig. Infolge der Trennung in Infrastruktur und Absatz und des freien Marktzugangs durch die Harmonisierung ist auch der Zugang zu regeln. Was den Zeitpunkt der Umsetzung betrifft, sind wir durch Klage bedroht – wir wissen doch alle, dass neun Staaten, darunter Österreich, mit Klage bedroht sind, wenn sie nicht umsetzen.

Frau Lichtenberger, bei Überlastung der Infrastruktur ist selbstverständlich der gemein­wirtschaftlichen Leistung Vorrang zu geben. Dem Personenverkehr ist dabei ein be­sonders hoher Stellenwert zu geben. Sie können sich vielleicht nicht mehr daran erinnern, aber wir haben im Ausschuss genau wegen der Wirtschaftskammer den Ab­änderungsantrag gemacht. Was Sie jetzt hier erzählt haben, ist ganz einfach nicht die Wahrheit. (Abg. Dr. Lichtenberger: Natürlich ist das die Wahrheit, Herr Kollege! Sie haben meinen Antrag doch in der Hand!)

Dem Schienenregulator ist selbstverständlich über die Trassenzuweisungen zu be­rich­ten. Aber es kann natürlich nicht so sein, dass ein Schienenregulator in Österreich, indem er das Einspruchsrecht hat, den ganzen europäischen Verkehr regelt. Das kann nicht sein, wir brauchen einen europäischen Regulator. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Benützungsentgelte werden grundsätzlich nach dem Grenzkostenprinzip ermittelt. Nur dann, wenn man nicht deckend ist, hat man auch die Möglichkeit, an die Kosten­deckung zu gehen.

Noch kurz zu den Sozialvorschriften, Herr Kollege Eder: Meiner Meinung nach muss man die Frage der Sozialstandards europaweit lösen. Es hat keinen Sinn, wenn wir in Österreich eine Insellösung machen und dann wieder Anpassungen vornehmen müssen. Wenn wir eine Liberalisierung machen – und ich sage, diese haben wir ja auch auf der Straße –, so müssen wir einheitliche europäische Vorschriften haben.


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Wir wissen, dass wir den europäischen Lokführer brauchen. Von Dingen, wie es sie bis jetzt gegeben hat – dass ein Lokführer nur auf der Südbahn oder nur auf der Westbahn fahren darf –, muss man sich verabschieden.

Eines muss ich auch noch sagen, Kollege Eder. Als wir die Eisenbahnreform diskutiert haben, waren wir uns einig, und was die Sozialvorschriften, die Sozialstandards betrifft, hat man gesagt: Diese werden sich die Arbeitnehmervertreter mit dem Dienstgeber ausmachen, das wird nicht durch das Gesetz geschehen. (Abg. Eder: Nein, das ist etwas ganz anderes!) Jetzt sagst du auf einmal, dass das nicht geht und wir jetzt in diesem Gesetz wiederum etwas tun müssen. (Abg. Eder: Das ist das Dienstrecht!) Das ist der Widerspruch! (Abg. Eder: Nein! Aber ich sage es dir nachher!) Ich möchte nämlich genau dort hinkommen: Ich beweise dir, ihr wollt das gar nicht, ihr wollt die Liberalisierung ganz einfach nicht haben! (Abg. Eder: Das stimmt aber nicht!)

Aber diese Dinge sind vorbei. Man muss die Österreichischen Bundesbahnen so aus­richten, dass sie im internationalen Wettbewerb bestehen können. Das bedeutet, dass man zumindest die wirtschaftlichen Voraussetzungen dafür schaffen muss, das heißt, den ÖBB genau dieselben Rahmenbedingungen wie allen anderen europäischen Unternehmen zu geben. Wir können nicht hergehen und eine Insellösung machen, die die Österreichischen Bundesbahnen schlussendlich nicht wettbewerbsfähig macht und unsere Eisenbahn umbringt! Jeder, der für die Österreichischen Bundesbahnen ist, muss dafür sorgen, dass sie im internationalen Wettbewerb bestehen können. Wer das nicht tut, der ist gegen die Eisenbahn! Das muss euch klar sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese ganzen Geschichten, die die Gewerkschafter lieb gewonnen haben, müssen vor­bei sein, sonst werden die Österreichischen Bundesbahnen im internationalen, im euro­päischen Wettbewerb nicht bestehen können. Schreibt euch das einmal auf! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.26

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Binder. – Bitte.

 


20.26

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Da­men und Herren! Kollege Wattaul, Dienstrecht und Eisenbahngesetz sind etwas völlig anderes – das nur zum Einstieg –, die Umsetzung der EU-Richtlinie ist tatsächlich notwendig. Aber, meine Damen und Herren, es gibt viele Kritikpunkte, und ein großer ist, dass zuerst die Einleitung und Zulassung des grenzübergreifenden Eisen­bahn­verkehrs erfolgt und dann erst die Harmonisierung der Sicherheitsstandards vorge­nommen wird. Ich finde, das ist ein völlig falscher Weg.

Das Gesetz weist vor allen Dingen noch wesentliche Mängel und Risiken auf. Wie schauen diese aus? – Es fehlen inhaltliche Anforderungen an die Eisenbahn­verkehrs­unternehmen, und es fehlen konkrete Rahmenbedingungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, zum Beispiel Tauglichkeitsprüfung, Lenk- und Ruhezeiten und Aus­bildungskriterien. (Abg. Wattaul: Wie willst das regeln?)

Die Wirtschaftlichkeit steht im Vordergrund, den sozial- und beschäftigungsrelevanten Belangen wird wenig oder überhaupt keine Bedeutung zugemessen. Damit kommt es zu einer Aushöhlung und Umgehung der derzeit in Österreich herrschenden sehr hohen Sozial- und Sicherheitsstandards.

Ein internationaler Wettbewerb wird auf Kosten und zu Lasten des Personals, der Sicherheit und der Qualität ausgetragen. Der Druck auf die Unternehmen und Mit­arbeiter wird dementsprechend groß sein, bringt insbesondere Risiken und vor allem


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große Gefahren für die Beteiligten mit sich, vor allen Dingen auch für die Kunden und Kundinnen. Ein fairer Wettbewerb auf einem hohen Sicherheitsniveau ist damit sicherlich nicht gegeben.

Das Gesetz lässt auch zu, dass auf Nebenbahnen, zum Beispiel Schmalspurbahnen, Leistungen ohne Konzession und ohne behördliche Prüfung erbracht werden können. Das heißt, dass auf einmal Hobby-Eisenbahner diese Strecken benützen können, und das unter dem Aspekt, dass Herr Staatssekretär Kukacka die Regionalisierung der Bahnen fordert. Das kann tatsächlich nicht im Sinn des Erfinders sein!

Ein letzter Punkt betrifft die Prioritätenregelung, nämlich unter dem Aspekt „Güter­verkehr vor Personenverkehr“. Das würde zu Lasten der Pendlerinnen und Pendler gehen. Wenn man weiß, dass der Güterverkehr zunehmen wird, dann sind meiner Ansicht nach die ÖBB (Abg. Wittauer: ... auf der Bahn, und was ihr jetzt wollt, ist wieder ...!) – Sie schreien wieder einmal, wie bei jeder Rede, wenn jemand am Red­nerpult steht – absolut nicht dafür gerüstet!

Ich denke hier an das Nadelöhr Sankt Pölten. Die Umfahrung Sankt Pölten wird laut Ihren Aussagen, Herr Staatssekretär, wenn sie überhaupt kommt, 2010, 2015 fertig sein – und das unter dem Blickwinkel, dass der Güterverkehr zunehmen wird und Vor­rang hat. Die Umsetzung erfolgt eindeutig zu spät, ein Eisenbahnkollaps ist program­miert!

Was mich ganz zum Schluss noch sehr interessieren würde: Der Privilegienstadel dieser Regierung dürfte anscheinend weitergehen. Denn wie ich „NEWS“ entnehmen kann, wird in dieses Gesetz auch hineingeschwindelt, dass Top-Positionen innerhalb des Eisenbahnunternehmens ohne Ausschreibung besetzt werden können.

In diesem Sinne werden wir diesem Gesetz nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wittauer: Das ist ja ausgemacht worden!)

20.30

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Regler. – Bitte.

 


20.30

Abgeordneter Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Nachdem ich mich in meiner früheren Funktion als Leiter der Verkehrspolitik in der Wirtschaftskammer Österreich mehr als ein Jahrzehnt lang – damals noch vergebens – darum bemüht habe, das Privatbahnunterstützungsgesetz unbefristet gelten zu lassen, ist es mir heute ein ganz besonderes Anliegen, mich beim Herrn Vizekanzler und besonders auch bei dem für das Eisenbahnwesen zuständigen Herrn Staatssekretär Helmut Kukacka dafür zu bedanken, dass wir nun ein unbefristetes Privatbahngesetz haben, zum Wohle unserer Privatbahnen. Danke, Herr Staatssekretär! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zum Eisenbahngesetz 1957: Es ist eines der am wenigsten novellierten Gesetze, die wir in Österreich haben. Fest gefügt wie die Chinesische Mauer, galt hier dieses eisen­bahnrechtliche Gewerberecht. Es ist nun notwendig, die Fenster aufzumachen und Luft hereinzulassen. Heute geht es ja nur darum, dass das EU-Eisenbahn-Infrastruktur­paket umgesetzt wird, mit vier Richtlinien, die umzusetzen sind. Darum verstehe ich auch nicht, warum die Sozialdemokratie nicht zustimmen kann.

Es geht einerseits um die notwendige Trennung von Infrastruktur und Verkehr. Diese haben wir mit dem Bundesbahnstrukturgesetz in Österreich bereits beschlossen, jetzt geht es also nur noch um den gewerberechtlichen Nachvollzug. Es geht zweitens um die Erteilung von EU-Genehmigungen an die Unternehmungen. Diese brauchen wir, sonst können unsere österreichischen Unternehmungen nicht im EU-Eisenbahnnetz


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unterwegs sein. Es geht drittens um eine objektive Zuweisung von Trassen, die Festlegung der Nutzungsentgelte und die Erteilung der Sicherheitsbescheinigungen.

Das, Herr Kollege Eder, ist eigentlich der Sicherheitspunkt. Ich nehme an, dass Sicher­heitsbescheinigungen, wenn sie erteilt werden, so erteilt werden, dass die Passagiere ruhig und sicher in der Eisenbahn sitzen können.

Weiters möchte ich noch zu Frau Dr. Lichtenberger sagen, dass wir bereits durch einen Abänderungsantrag im Ausschuss die im Entwurf vorgesehene Versteigerung von Trassen weggebracht haben. Das war sicher ein ganz wesentlicher Punkt. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist nicht das Gleiche!) Zweitens heißt es betreffend die Zuweisungsstelle im Gesetz, dass das eine geeignete Stelle sein muss. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Verkehrsministerium eine ungeeignete Stelle damit betraut. Eine lange Anführung von vielen Kriterien hätte die Administration nur viel schwerer gemacht. (Abg. Dr. Lichtenberger: ... auch Immobilien verkaufen!)

Der letzte Punkt in der Umsetzung ist die Frage der Interoperabilität auch im Nah­verkehr, im konventionellen Eisenbahnverkehr. Ich glaube, es ist ganz besonders wich­tig, dass es einheitliche Vorschriften für die Eisenbahn gibt, einheitliche Vorschriften für die Ausrüstungen. Denn das, bitte, dient der Sicherheit, wenn nur geprüfte Bauteile et cetera verwendet werden dürfen.

In diesem Sinne möchte ich noch einmal an alle Damen und Herren des Hohen Hau­ses appellieren, diesem ganz wichtigen Gesetz, mit dem vier wesentliche EU-Richtlinien umgesetzt werden, zuzustimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

20.34

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fleckl. – Bitte.

 


20.34

Abgeordnete Anita Fleckl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Natürlich stimmen wir dieser Gesetzesvorlage nicht zu! (Abg. Wittauer: Mit Bauchweh stimmst du nicht zu!) Zu spät, verschlafen, ignorant, und nun zu schnell und unausgereift – und wieder einmal geht es zu Lasten der ÖBB! (Abg. Wittauer: Ihr wollt ja gerne zustimmen, nur dürft ihr nicht!) Man würde ja, wenn man böse wäre, meinen, dass ein wenig Mutwilligkeit dahinter steckt, gerade in einer Zeit, die für Österreich in verkehrspolitischer Hinsicht so wichtig wird, und zwar vor allem aus umweltpolitischer Sicht.

Bereits seit dem 15. März vergangenen Jahres sollten diese Richtlinien umgesetzt sein. Säumigkeit um mehr als ein Jahr – ein Armutszeugnis für die Verkehrspolitik der Bundesregierung! Ich verstehe es nur nicht, weil Sie ja sonst so flott arbeiten – wenn ich daran denke, dass es Ihnen, als es vor wenigen Monaten darum ging, die ÖBB-Strukturreform durchzuziehen, einfach nicht schnell genug gehen konnte.

Nun haben wir folgende Situation: zehn neue Mitgliedstaaten, 70 Prozent an Güter­transportzuwachs, erhöhtes Verkehrsaufkommen auf unseren Straßen. Dem gegen­über steht nun eine Bahn, die durch Sie mehr mit Personaldebatten und sich selbst beschäftigt ist, als sich auf die Marktliberalisierung vorzubereiten. Wieder statten Sie die Österreichischen Bundesbahnen nicht mit durchdachten Regelungen aus, um ihnen ein marktorientiertes Wirtschaften zu ermöglichen. Was kommt von Ihnen? – Ein unausgereiftes Gesetz, das eine Vielzahl an Fehlern und Versäumnissen in sich birgt!

Es wurden zum Beispiel die so wichtigen ökologischen Aspekte völlig außer Acht gelassen. Wo bleibt der Aspekt E-Lok statt Diesel-Lok? – Unsere Umwelt ist durch die Straßen genug belastet: CO2, Lärmbelästigung, Staubbelästigung, und jetzt sollen


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womöglich auch noch Diesel-Loks statt E-Loks durch Österreich donnern. (Abg. Dipl.-Ing. Regler: Nein! Wenn es keine Oberleitungen gibt!) Dabei hat sich der Vizekanzler an einem der letzten Plenartage noch als „heimlicher Umweltminister“ betitelt.

Oder, was noch viel trauriger ist: Einmal mehr haben Sie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vergessen, Regelungen im Arbeits- und Sozialrecht fehlen komplett. Es wäre erfreulich gewesen, hätten Sie es einmal anders gemacht und wäre Ihnen der Schutz der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ein wirkliches Anliegen gewesen. Aber das wird wohl immer ein frommer Wunsch bleiben, denn aus Ihrer Sicht sind es ja angeblich nur Eisenbahner – traurig! Deshalb: ein klares Nein! (Beifall bei der SPÖ.)

20.37

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wittauer. – Bitte.

 


20.37

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Frau Abgeordnete Fleckl, das klare Nein habe ich nicht verstanden. Es wird jetzt so nach außen gebracht, dass es ein halbherziges Nein ist, weil viele gerne zustimmen würden. Davon bin ich überzeugt, weil es ein gutes Gesetz ist, ein gutes Eisenbahn-Infrastrukturpaket, das in Österreich umgesetzt wird. Da ist nun einmal ein bisschen Zwang dahinter, dass man dem momentan nicht zustimmen darf.

Ich möchte dem Abgeordneten Eder Folgendes sagen. Dass in der Umsetzung dessen die Holding oder die AGs jetzt noch nicht gegründet sind, hat nur einen Grund: Der Infrastrukturminister schaut auf Qualität. Das hat er vorher versprochen, und deshalb nimmt er sich Zeit. Deswegen wird in einer Vielzahl von Gesprächen und Über­prüfungen ganz genau darauf geschaut, dass das beste Personal und die besten Manager zum Zug kommen (Abg. Eder: Seine Freunde!), sodass es nicht so ist, dass das sofort und über Nacht gemacht werden muss.

Frau Abgeordnete Lichtenberger – ich kann sie jetzt nur zitieren – hat im Ausschuss kritisiert, dass in diesem Gesetz ihrer Meinung nach der Güterverkehr zu Lasten des Personenverkehrs festgeschrieben wird. Da kann ich Ihnen nur eines sagen: Wir sind froh, dass es so ist. Das zeigt nur das unermüdliche Bestreben unseres Vizekanzlers Verkehrsminister Hubert Gorbach und natürlich auch seines Staatssekretärs, dass die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene wirklich forciert wird, dass dort viel investiert wird und dass geschaut wird, dass das – wie nennt man das klassisch? – auf die Schiene kommt. Das freut uns!

Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie Ihre Äußerungen wären, wenn wir umgekehrt ein Gesetz machen würden, mit dem der Personenverkehr forciert werden würde. Dann gäbe es sofort einen Aufschrei von Ihnen und Sie würden sagen: Das geschieht auf Kosten des Güterverkehrs! – Mit Ihnen kommt man also wirklich nicht klar, und es ist sehr schwierig, die Schulmeisterei, die Sie hier betreiben, anzunehmen.

Wenn dann, nur weil die eigenen Argumente nicht angenommen werden, unser Demo­kratieverständnis angezweifelt wird, dann frage ich mich: Was für ein Demokratie­verständnis haben denn eigentlich Sie? – Ihre Ausgrenzungspolitik haben wir in der Vergangenheit immer wieder erlebt. Ihre Art, Politik zu machen, passt eher in den Kindergarten. Ich werde froh sein, wenn Sie (in Richtung der Abg. Dr. Lichtenberger) in Brüssel sind und dann dort mit solchen Aussagen die Leute tyrannisieren können. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)


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Das ist so, das ist meine Meinung, weil das, was hier vorhin gesagt worden ist, meiner Meinung nach großer Unsinn ist und nichts mit Politik zu tun hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.40

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. – Bitte.

 


20.40

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wattaul, Sozialstandards abzulehnen, von einer Insellösung zu sprechen und davon, dass wir dann wieder anpassen müssten – das ist eine sehr seichte Argumentation. (Abg. Wattaul: Wie willst du es denn machen?) Der gut Teil unserer Arbeit hier besteht eben darin, dass wir Gesetze an geänderte Situ­ationen anzupassen haben. (Abg. Wattaul: Wir brauchen eine einheitliche euro­päische Richtlinie!)

Der Grund, warum ihr gegen Sozialstandards seid, ist aber ein anderer: weil sie ein­fach nicht in euer bürgerliches Weltbild passen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber das ist doch nicht wahr! – Abg. Wattaul: Wieso passt es denn dann zu den LKW-Lenkern?)

Meine Damen und Herren! Die Kerninhalte dieser Änderungen sind von der euro­päischen Vorgabe her getrennte Bilanzen für Infrastruktur und Verkehr, die Regelung der Nutzungsbedingungen sowie das Festlegen der Benutzungsentgelte und der Zu­gangsrechte. Alles andere, meine Damen und Herren, ist eine Fleißaufgabe unserer Bundesregierung mit dem Ergebnis, dass Sicherheit und fairer Wettbewerb durch diese Vorlage nicht gewährleistet sind. (Abg. Wattaul: Ihr wollt keine Umsetzung!)

Einer der Hauptkritikpunkte – er wurde schon angesprochen – ist jener, dass diese Änderung zu spät kommt, weil dadurch wertvolle Zeit für die künftige europäische Anpassung fehlt. Zudem hat die verunglückte Strukturreform die Österreichische Bun­desbahnen operativ gelähmt, und in Summe kostet das natürlich die Österreichischen Bundesbahnen einen Wettbewerbsvorteil.

Das bahnfeindliche Agieren dieser Regierung macht sich in vielen Bereichen bemerk­bar wie zum Beispiel in der Verschleppung des LKW-Road-Pricing, dem missglückten Generalverkehrsplan, den gescheiterte Transitverhandlungen oder dem Scheitern der CO2-Reduktion im Verkehr. Genau diese Politik verhindert eine positive Verkehrs­ent­wicklung auf der Schiene (Abg. Wattaul: Das glaubst du ja alles selbst nicht!), und da­her werden Sie, Herr Kollege, den zu erwartenden Kollaps auf den Straßen auch zu verantworten haben.

Aber nicht nur die späte Vorlage, auch das Fehlen einheitlicher Vorschriften für Bau, Verkehr und Vertrieb, das Fehlen sozial-, umwelt- und verkehrspolitischer Aspekte, die Widersprüche zur europäischen Richtlinie und unzureichende Begriffsbestimmungen machen es uns heute unmöglich, dieser Vorlage zuzustimmen.

Erlauben Sie mir aber abschließend noch eine grundsätzliche Bemerkung: Zug und Schiene sind ein aufeinander abgestimmtes System. Die kompromisslose Trennung mit sehr unsachlichen Begründungen wird zur finanziellen und zur technischen Subop­timierung dieses Systems führen, und das werden Sie zu verantworten haben, Herr Kollege!

Die Motive Ihrer Vorgangsweise allerdings liegen auf der Hand: zum einen die Ver­mehrung der Postenbesetzungsmöglichkeiten für Ihre Freunde, und zum anderen die Zerschlagung der Arbeitnehmervertretung. Die Ausrede auf europäische Vorgaben


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zieht nicht. – Das ist einfach falsch. (Abg. Wattaul: Das glaubt man ja alles nicht!) Das ist ausschließlich Ihre Ideologie und Ihr Egoismus.

Genau diese ideologisch-egoistische Vorgangsweise schwächt die Wettbewerbs­fähig­keit der Bundesbahn, schwächt die Sicherheit der Fahrgäste, und das ist wohl sehr ver­antwortungslos. Meine Damen und Herren! Folgen Sie daher einmal Ihrem Gewis­sen und lehnen Sie gemeinsam mit uns diese Vorlage ab! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wattaul: Das glaubst du aber selbst nicht! Das kann es ja nicht geben!)

20.44

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort ge­meldet hat sich Herr Staatssekretär Mag. Kukacka. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


20.44

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Mit dem heutigen Beschluss des Eisenbahngesetzes schaffen wir die Voraussetzung für mehr Wettbewerb, für höhere Effizienz und für einen freien Zugang zum Schienennetz. Wir schaffen damit die Voraussetzungen dafür, dass die Bahn in Österreich gut ins 21. Jahrhundert fahren kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Mit diesem heutigen Beschluss setzen wir nicht nur europäisches Recht um, sondern wir beschließen in Wirklichkeit auch einen verkehrspolitischen Meilenstein für mehr Wettbewerb, für mehr Effizienz und für mehr Kundenorientierung. Ich bedauere, dass die Opposition nicht in der Lage ist, diesem Gesetz heute zuzustimmen.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Sie reden heute eigentlich sehr wider­sprüchlich. Bei der ÖBB-Reform haben Sie uns noch vorgeworfen, dass es Ihnen viel zu schnell geht. – Heute sagen Sie, wir seien ja längst im Verzug und reklamieren die Sozialstandards. Wir sind genau auf dem richtigen Wege, genau auf dem Weg, den uns auch die Europäische Union mit ihren Richtlinien diesbezüglich vorgibt.

Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, mahnen die Sozialstandards ein. – Vom Kollegen Eder wurde zum Beispiel beklagt, dass keine entsprechenden Arbeits­zeitregelungen vorhanden seien. Es steht auch heute in Ihrer Aussendung. Kollege Eder! Da muss ich leider sagen, dass du den gestrigen Plenartag offenbar etwas ver­schlafen hast, denn genau gestern ist auch die Festlegung täglicher Mindestruhezeiten mit Verkürzungs- und/oder Teilungsmöglichkeiten für Eisenbahn-, Straßenbahn- und Seilbahnunternehmen erfolgt. Genau das, was heute eingemahnt wurde, ist gestern schon zum Teil beschlossen worden!

Meine Damen und Herren! Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang sind die übri­gen Sozialstandards. Das Eisenbahnpaket 1 beschließen wir heute. Das Eisenbahn­paket 2 ist gerade vom Vermittlungsausschuss des Europäischen Parlaments und des Rates verabschiedet worden, und darin kommen all die Punkte vor, die Sie einmahnen: die Richtlinien zur Eisenbahnsicherheit und die Richtlinien zur Interoperabilität – also die technischen Richtlinien für Loks und für Waggons. Im dritten Richtlinienpaket kommt weiters der Lokführerschein.

Meine Damen und Herren! All das, was Sie hier einmahnen und was Ihnen nicht schnell genug geht, machen wir ja, aber Schritt für Schritt, sodass es auch fachlich zu rechtfertigen ist.

Wir sind auch nicht im Verzug mit irgendwelchen Beschlussfassungen bei der Um­setzung des neuen ÖBB-Gesetzes. Meine Damen und Herren von der Opposition! Lesen Sie das Gesetz! Darin steht, dass die ÖBB-Infrastruktur Betriebs AG am 31. Mai konstruiert und errichtet sein muss, ebenso die ÖBB-Infrastruktur Bau AG, die Rail Cargo AG und die Dienstleistungs GmbH; die anderen Gesellschaften erst Ende


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Juni. – Wir sind hier also vollkommen richtig unterwegs und ganz klar auf Kurs, meine Damen und Herren, und von diesem Kurs werden Sie uns auch nicht abbringen können! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich verstehe, ehrlich gesagt, auch die Einwendungen der Frau Kollegin Lichtenberger nicht. (Abg. Sburny: Das hätte uns auch gewundert!) Wir haben eine ganz klare Priori­tätensetzung festgelegt, und dass Sie als Grüne diese nicht akzeptieren, verstehe ich überhaupt nicht, denn Vorrang hat bei kollidierenden Trassenwünschen immer der gemeinwirtschaftliche Verkehr. Meine Damen und Herren! Das ist der öffentlich subven­tionierte Verkehr, der Nahverkehr, der Pendler- und Schülerverkehr in Öster­reich. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das hab ich ja gesagt!)

Sollten wir etwas anderes festlegen? (Abg. Dr. Lichtenberger: Nein!) Ich meine, hier sind wir vollkommen richtig vorgegangen, auch im Interesse der gemeinwirtschaftlichen Verantwortung, die wir alle tragen und die auch die Regierung trägt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich verstehe auch nicht, was Sie an der Trassenvergabe zu kritisieren haben. Wir haben eine ganz klare Entscheidung getroffen. Für die getrennten Bahnen hat die Trassenvergabe durch die ÖBB-Infrastruktur Betriebs AG zu erfolgen. Das ist jene Gesellschaft, die wir selbstständig gestellt haben, die eine eigene Aktiengesellschaft ist, die das zu managen und zu verantworten hat und die auch das größte Know-how in Österreich zu diesem Thema hat. Was hier geändert werden soll, verstehe ich tatsächlich überhaupt nicht.

Dann gibt es noch die Schienen-Control GmbH, die als Kontroll- und Überwachungs­instanz wirkt, wenn sich jemand durch diese Entscheidungen ungerecht behandelt fühlt. Es ist also eine ganz logische Konstruktion, die auch in Übereinstimmung mit den europäischen Regeln steht, meine Damen und Herren.

Wozu sagt die Opposition heute Nein? – Zu einem diskriminierungsfreien Zugang im österreichischen Schienennetz, zu einer Marktöffnung für den grenzüberschreitenden Güterverkehr, zu einer verbesserten Wettbewerbsaufsicht durch die Schienen-Con­trol GmbH, zu klaren Regelungen über die Zugangsbedingungen bei der Trassenver­gabe, zu einer EU-konformen Festlegung des Schienenbenützungsentgeltes, zu einer Verbesserung der Interoperabilität der europäischen Bahnen und damit auch zu einer Beschleunigung des Schienenverkehrs. Meine Damen und Herren! Das sollten Sie sich vor Augen führen. Ich glaube, Sie treffen heute die falsche Entscheidung. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Liberalisierung und der Wettbewerb und damit auch die umfassende Moderni­sierung des Schienenverkehrs gehen weiter, und wir werden diesen Trend auch weiter ganz klar unterstützen und fördern, denn das ist richtig und gut so. Diese Libera­lisierung ist die Voraussetzung dafür, dass die Bahn in Zukunft ein wichtiges und un­verzichtbares Verkehrsmittel in Österreich und in Europa bleibt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.52

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kößl. – Bitte.

 


20.52

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine ge­schätzten Damen und Herren! Die vorliegende Gesetzesnovelle regelt die Übernahme von vier EU-Richtlinien in das innerstaatliche Recht. Im Mittelpunkt dieser Gesetzes­novelle steht die Trennung zwischen den Bereichen Infrastruktur und Verkehr und natürlich auch jene der damit verbundenen Bilanzen. Es ist eine wichtige Entscheidung


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in die richtige Richtung. Die Regierungsparteien stehen hinter einer zukunftsfähigen und zukunftsorientierten Verkehrspolitik und hinter einem leistungsfähigen öffentlichen Verkehr.

Wir alle wissen, dass der Eisenbahnsektor europaweit einem enormen Druck und Struk­turwandel unterliegt. Mit der Erweiterung der Europäischen Union ist im Per­sonenverkehr wie auch im Güterverkehr mit einer Steigerung in zweistelligen Prozent­sätzen zu rechnen.

Durch Maßnahmen, die von dieser Bundesregierung – von Vizekanzler Gorbach und auch von Staatssekretär Kukacka – eingeleitete wurden, sind wir auf dem richtigen Weg und brauchen uns vor dem internationalen Wettbewerb nicht zu verstecken, im Gegenteil: Wenn wir so weiteragieren und -arbeiten, sind wir ausgezeichnet gerüstet, um im Konkurrenzkampf mit anderen europäischen Unternehmen zu bestehen.

Die Regierungsparteien haben also schon vor einem Jahr gegen den massiven Widerstand der Opposition den Vorhaben der Europäischen Union Rechnung getra­gen. Klare Regulierungsstrukturen sind sowohl für die Beschäftigung als auch zur Sicherung des Marktanteiles sinnvoll.

Wir werden nun auch durch die Novelle des Eisenbahngesetzes die Richtlinien gegen den Widerstand von SPÖ und Grünen umsetzen, weil wir für eine zukunftsorientierte und verantwortungsvolle Politik für die Beschäftigten der ÖBB und natürlich auch für die Eisenbahnkunden sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

20.54

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Heinzl. – Bitte.

 


20.54

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Hohes Haus! Der vorliegende Entwurf der Änderung des Eisenbahngesetzes stellt, wie ich meine, ein weiteres Beispiel für eine falsche Schienenverkehrspolitik dieser Regierung dar. Ich möchte das ganz kurz an einem Beispiel belegen.

Die Güterzugumfahrung St. Pölten ist eines der wichtigsten Teilprojekte des Ausbaus der Westbahnachse. Für dieses Projekt wurde – wie bekannt – erstmalig eine positive Umweltverträglichkeitsprüfung für ein Schieneninfrastrukturprojekt durchgeführt. Die GZU ist vor allem auch deshalb so wichtig für den viergleisigen Ausbau der Westbahn, weil der mitten in der Stadt St. Pölten gelegene St. Pöltner Hauptbahnhof bereits jetzt tagtäglich als Nadelöhr für den Güterverkehr fungiert.

Herr Staatssekretär! Wird die Güterzugumfahrung erst dann zur Fertigstellung übertra­gen, wenn die Zuggarnituren östlich und westlich des Hauptbahnhofes St. Pölten Schlange stehen? Wenn das so sein soll, dann müssten Sie den Weiterbau der GZU eigentlich sofort übertragen, weil es bereits jetzt tagtäglich zu Güterzugstaus kommt.

Das Projekt Güterzugumfahrung St. Pölten war bereits geplant, bewilligt, finanziert und sogar teilweise errichtet, bevor der Vorvorvorgänger des amtierenden Infrastruktur­ministers, Herr Dipl.-Ing. Schmid, die Bauarbeiten einstellen ließ. Herr Redakteur Lukas Lusetzky von der „Kronen-Zeitung“ schreibt heute in einem Artikel – ich zitiere –:

„Es führt ein Gleis nach Nirgendwo: 150 Millionen Euro sinnlos verbaut. 150 Millionen Euro sind verbaut, trotzdem wird keine Garnitur über die ‚Güterzugumfahrung St. Pölten’ rattern: Die Bauarbeiten sind eingestellt. Und das, obwohl der Güterverkehr auf der Schiene in den nächsten Jahren um 80 Prozent zulegen soll.“


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Fertige Bauten stehen in St. Pölten in der Landschaft herum als sichtbare Zeichen einer Geldverschleuderung – Brücken und Betonpfeilerbauten.

Herr Staatssekretär, ich ersuche Sie wirklich noch einmal, sich zu überlegen, ob Sie nicht doch dem Weiterbau der Güterzugumfahrung St. Pölten Priorität geben. Es ist unbedingt notwendig. (Beifall bei der SPÖ.)

20.57

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rädler. – Bitte.

 


20.57

Abgeordneter Johann Rädler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekre­tär! Wenn wir heute im Rahmen dieser Eisenbahngesetz-Beschlussfassung von Markt­öffnung reden, von mehr Wettbewerb, von Effizienz, von Leistungsfähigkeit, dann sind das für die SPÖ offensichtlich alles Fremdwörter, denn ich kann ja den Argumen­tationen überhaupt nicht mehr folgen, ob das Herr Hagenauer oder Kollege Eder ist. – Auf einmal geht alles viel zu langsam, obwohl der Herr Staatssekretär den Terminplan für die Umsetzung des Gesetzes der ÖBB-Reform hier vorgelegt hat.

Damals, als wir im ÖBB-Ausschuss diskutiert haben, ist Ihnen alles einfach viel zu schnell gegangen. Da musste man demonstrieren und verhindern, obwohl man ge­wusst hat, dass in Deutschland – dorthin hätte man längst einen Blick werfen können – auf Grund der Umwandlung in eine AG der Umsatz auf einmal um 12 Prozent ge­stiegen ist, während bei uns in Österreich der Bahnkilometer noch immer um 30 Pro­zent teurer ist als im restlichen Europa.

Hinsichtlich der Ostöffnung, über die wir heute gesprochen haben – am 1. Mai wird es so weit sein –, wird genau dieses Eisenbahngesetz, dessen Umsetzung so notwendig ist, für uns eine wichtige Voraussetzung sein.

Das rote Lämpchen hier leuchtet schon, und ich wurde heute dazu angehalten, mich kurz zu fassen. Daher darf ich abschließend feststellen, dass es auch einmal not­wendig ist, positiv nach Deutschland zu blicken. Ich habe das Beispiel genannt, dass durch die Umwandlung in die AG eine Umsatzsteigerung erfolgen konnte. Ich darf jetzt den CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber zitieren, der gemeint hat, es sei nicht wichtig, was die Partei tut, oder ob die Partei gewinnt, sondern es sei wichtig, dass Deutsch­land gewinnt.

Es wäre eigentlich wichtig, dass der Kunde gewinnt, und daher möchte ich Folgendes an die SPÖ richten: Gehen Sie diesen Weg mit uns mit, dann wird der Kunde gewin­nen! Das war auch das Ziel dieser ÖBB-Reform, aber offensichtlich – das muss zum Schluss noch gesagt werden – sind die AK-Wahlen wichtiger, denn wo ist das aus­ständige Dienstrecht, wo ist der Kollektivvertrag? – Da wäre Kollege Haberzettl längst gefordert, aber offenbar wird es vor Mai nichts geben. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Es besteht eine riesige Diskrepanz. Heute wurde vom Kollegen Cap gesagt, dass die Durchschnittspension der Österreicherinnen und Österreicher 803 € beträgt. Bei den Eisenbahnern beträgt sie noch immer 1 450 €. Das ist es, was Sie davon abhält, vor den AK-Wahlen noch eine Entscheidung herbeizuführen. Sie haben hier noch Ihre Haus­aufgaben zu erledigen. Ich hoffe, dass Herr Haberzettl das bald tun wird. – Dan­ke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Eder.)

21.00

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


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Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen daher zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 426 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz­antrag eingebracht, der sich auf Z 46 § 62 und Z 69 § 126 bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Zusatzantrag ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Der Antrag findet nicht die Mehrheit und ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abände­rungsantrag eingebracht, der sich auf Z 46 § 57a, § 65c sowie § 124 bezieht.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür eintreten, um ein Zeichen. – Dieser Abänderungsantrag findet keine Mehrheit und ist daher abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein Zeichen der Bejahung. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein beja­hendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Gesetz­entwurf findet auch in dritter Lesung die Mehrheit und ist damit angenommen.

19. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 358/A der Abgeordneten Mag. Eduard Mainoni, Werner Miedl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (23. KFG-Novelle) (427 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zum 19. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zum Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Pack. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


21.02

Abgeordneter Jochen Pack (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Hohes Haus! Wir werden nun das Kraftfahrgesetz novellieren. Von dieser Ge­setzesänderung sind die Kraftfahrzeughalter mit Wunschkennzeichen betroffen. Von zirka 300 000 Kennzeichen in Österreich werden in diesem Jahr zirka 10 000 ihre


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56. Sitzung / Seite 218

Gültigkeit verlieren, denn die Wunschkennzeichen sind mit 15 Jahren befristet. Das heißt, diejenigen, die ein solches Kennzeichen seit Juni 1989 haben, haben nun drei Möglichkeiten, um nicht mit einem ungültigen Kennzeichen zu fahren:

Erstens: Der Kennzeichenhalter verzichtet auf dieses Kennzeichen und bekommt ein normales.

Zweitens: Das Wunschkennzeichen wird auf 15 Jahre verlängert.

Drittens: Der Kennzeichenhalter kann natürlich auch ein ganz neues Wunsch­kenn­zei­chen beantragen.

Der dadurch entstehende Verkehrssicherheitsbeitrag fällt wieder an die jeweiligen Ver­kehrssicherheitsfonds zurück. Diese Mittel werden natürlich für Maßnahmen zur Verbes­serung der Verkehrssicherheit zur Verfügung gestellt.

Grundtendenz der Novelle ist es, die administrative Abwicklung der Verlängerung zu erleichtern. Die Durchführung wird an die Versicherungsbehörden übergeben. Mit die­ser Novelle steht nun endgültig fest, was zu tun ist, wenn solche Kennzeichen ablaufen.

Wir von der ÖVP werden dieser Novellierung selbstverständlich die Zustimmung ge­ben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.04

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Eder. Auch er nimmt sich 2 Minuten vor. – Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 


21.04

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir werden diesem Antrag die Zustimmung geben, weil wir ihn für sehr vernünftig halten.

1989 wurden die Wunschkennzeichen eingeführt. Damals war noch Minister Streicher in Amt und Würden, und er hatte die geniale Idee, über diese Wunschkennzeichen eine Menge Geld einzunehmen, das man für Verkehrssicherheit ausgeben kann. Ich halte das für etwas sehr Vernünftiges.

Der Abänderungsantrag, der noch zum Antrag hinzugekommen ist, wird ebenfalls un­sere Zustimmung finden. Hiebei ist es letztlich darum gegangen, wer die Kenn­zeicheninhaber auf welche Weise rechtzeitig verständigt, damit sie nicht ohne Ver­ständigung eine Strafe bekommen. Damit das nicht der Fall ist, werden jetzt – so haben wir das verstanden – die Versicherungen, die auch die Abwicklung des ge­samten Kennzeichenaustausches und die Kennzeichenvergabe durchführen, diese Verständigung vornehmen.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit appellieren, dass man gerade im Hinblick auf die Verkehrssicherheit – es bekommen sowohl die Länder als auch der Bund Geld aus diesem Topf; es ist immerhin ein Betrag von etwa 5 Millionen € in diesem Topf – diese Gelder insbesondere für Maßnahmen zum Kampf gegen den Alkohol und gegen den Tod von Kindern auf den Straßen verwenden sollte.

Wir geben somit diesem Vorschlag und diesem Antrag unsere Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

21.05

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wattaul. Redezeit: 3 Minuten; diese müssen aber nicht ausgeschöpft werden. – Bitte, Herr Kollege.

 



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21.05

Abgeordneter Anton Wattaul (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Es geht um den Ablauf dieser Kennzeichen nach 15 Jahren.

Die Entwicklung der Wunschkennzeichen ist durchaus erfreulich. Es sind insgesamt 46 Millionen € hereingekommen. Dieses Geld ist zweckgebunden und dient der Verkehrssicherheit. Die Aufteilung zwischen Bund und Ländern erfolgt im Verhältnis 40 : 60.

Die Abwicklung ist klar. Ich möchte noch erwähnen, dass die Behörden jetzt entlastet werden, denn in Zukunft werden das die Versicherungsstellen handhaben.

Das Erfreuliche für die Wunschkennzeichen-Besitzer: Der Preis wird nicht erhöht. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.06

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenber­ger. 3 Minuten Wunschredezeit. – Sie sind am Wort, Frau Kollegin.

 


21.06

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sprechen jetzt über „Mausi 1“ und über „Präsi 1“ für Präsidenten beziehungsweise jeweils für den Ersten, den Zweiten und den Dritten.

Wir beschließen heute eine extrem wichtige Regelung für die Wunschkennzeichen. Ich sage dazu: Es wäre schön, wenn wir mehrere solche Steuergegenstände hätten, die uns viel Geld bringen und in Wirklichkeit von den Leuten auch noch mit Vergnügen wahrgenommen werden!

Ich schlage heute hier eine weitere Flexibilisierung vor: Wenn jemand zum Beispiel das Kennzeichen „Opa 1“ gewählt hat, dann sollte es eventuell möglich sein, dass er es im Laufe der Zeit, wenn er noch mehrere Enkel bekommt, ohne weitere Gebühren auf „Opa 2“, „3“, „4“ und „5“ anpassen kann! (Abg. Scheibner: Das darf dann aber nicht „Opa 5“, sondern muss „Enkel 5“ heißen! Das wäre ja nur logisch!)

Das würde vielleicht die ganze Geschichte noch ein bisschen attraktiver machen, denn das Geld, das wir auf diese Weise für die Verkehrssicherheit hereinbekommen, können wir sehr, sehr gut anwenden. – Wie gesagt: Ich wünschte, es gäbe noch mehr solche Steuergegenstände! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

21.07

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die drei Nationalratspräsidenten haben keine Kennzeichen „Präsi 1“, „Präsi 2“ und „Präsi 3“! Nur damit da keine Gerüchte entstehen! Aber ich würde mir das Kennzeichen „Opa 5“ jetzt reservieren lassen! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhm. 3 Minuten. – Bitte.

 


21.08

Abgeordneter Franz Xaver Böhm (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Staatssekretär! Es ist im Prinzip alles gesagt worden, was man zum Wunsch­kennzeichen zu sagen hat.

Ich möchte zum Abschluss noch ein paar Zahlen nennen, und interessant ist sicherlich auch die Geschichte, wie die Kennzeichen überhaupt entstanden sind: Die Kenn­zeichen wurden deshalb eingeführt, weil im 19. Jahrhundert die Gesetzeshüter keine Möglichkeit hatten, die ersten schnellen Fahrzeuge zu stoppen, die damals noch mit einer Höchstgeschwindigkeit limitiert waren, nämlich mit der Trabgeschwindigkeit von


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Pferden, also mit zirka 7 bis 8 Stundenkilometern. Fünf Jahre später wurde dann ein Gesetz beschlossen, mit welchem die Kennzeichen eingeführt wurden.

1988 gab es dann die große Auseinandersetzung um die Nummerntafeln. Wie wir wissen, sind damals die Wunschkennzeichen entstanden. Hundertwasser hat sich ein­gemischt, er wollte unbedingt schwarzweiße Tafeln haben. Er ist aber dem damaligen Verkehrsminister Streicher unterlegen, und seit damals haben wir auch die Wunsch­kennzeichen. Zu Beginn kosteten sie 2 200 S, heute kosten sie zirka 160 €.

Das Ablaufdatum wurde bereits erwähnt.

Zu den Kosten: Frau Kollegin Lichtenberger! Sicher ist das, was Sie vorhin betreffend die 316 000 Wunschkennzeichen, das sind zirka 46 Millionen €, gesagt haben, ganz wichtig. Ich schließe mich Ihrem Wunsch an. Natürlich soll man das ein bisschen flexibilisieren, dagegen haben wir überhaupt nichts.

Mein diesbezüglicher Wunsch an die Regierung wäre, dass zusätzlich Sicherheits­vorkehrungen für Baustelleneinrichtungen getroffen werden, weil wir da gerade in den letzten Jahren eine sehr hohe Unfallrate hatten. – In diesem Sinne wünsche ich alles Gute für die österreichische Wirtschaft! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Freiheitlichen.)

21.09

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzte Wortmeldung hiezu: Herr Abgeordneter Wittauer. Wollen Sie auf die Wortmeldung verzichten, Herr Kollege? (Abg. Wittauer: Ganz kurz muss ich schon etwas sagen!) – Bitte, Sie sind am Wort.

 


21.10

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Die Statistik ist auch unglaublich wichtig, wenn man schon darüber redet.

Frau Abgeordnete Lichtenberger, auch ich bin Ihrer Meinung, dass man da flexibel sein kann, wenn man zusätzliche Einnahmen erzielt. Die Idee von Abgeordnetem Eder finde ich recht gut, dass man mit diesem Geld Schwerpunkte setzt – das sind über 40 Millionen €! Auch ich glaube, dass man da Schwerpunkte setzen und ent­sprechende Maßnahmen umsetzen sollte.

Ich kann das unterstützen. Ich bin froh, dass alle zustimmen. Somit wird unsere Fraktion mit allen anderen mit Freude diesem Gesetz zustimmen. (Allgemeiner Beifall.)

21.10

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlusswort wird seitens der Berichterstattung nicht gewünscht.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 427 der Beilagen.

Wer zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig beschlossen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Antrag auch in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Ich sehe wiederum Einstimmigkeit. Damit ist dieser Gesetzentwurf auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.


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20. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (370 d.B.): Bundes­gesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitglied­staaten der Europäischen Union (EU-JZG) (439 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Haben wir eine Information über das Verbleiben des Herrn Justizministers? – Er ist unterwegs und wird bis dahin von Herrn Staatssekretär Kukacka vertreten.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Dobar vecer! – Bitte, Sie sind am Wort.

 


21.12

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar vecer, gospod predsednik! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Es ist mir natürlich immer viel lieber, wenn der Herr Justizminister da rechts von mir sitzt und ich ihn ansprechen darf, aber ... (Abg. Dr. Jarolim: Der Herr Staatssekretär muss auch eine Existenzberechtigung haben!) Die Existenzberechtigung des Herrn Staatssekretärs will ich überhaupt nicht in Frage stellen.

Ich hatte schon zwei Mal oder öfter in dieser Sache mit dem Herrn Justizminister eine Diskussion. Im Jahr 2001, als die EU-Verhandlungen im EU-Hauptausschuss gerade im Gange waren, hat diese Diskussion begonnen. Ich habe damals festgestellt, dass die Frage der justiziellen Zusammenarbeit – dritte Säule, Europäische Union – und die Frage des damals gerade hinter uns liegenden Terroranschlags von New York vom 11. September zwar für die EU zu dieser Zeit in einem sehr unmittelbaren Zu­sammenhang standen, aber nichts mit der Entwicklung der jetzt zu behandelnden Instrumente zu tun haben.

Meine Damen und Herren! Warum lehnen die Grünen die vorliegende Regierungs­vorlage in dieser Form ab? – Weil massive Möglichkeiten, bei dieser Gelegenheit einen rechtsgestaltenden Akt zu setzen, nicht in Anspruch genommen wurden, und damit eine Chance auch außer Acht gelassen wurde.

Die Regierungsvorlage und das Gesetz stellen eine einheitliche Regelung dieser The­matik dar, und die Vorgangsweise ist durchaus zu begrüßen, inhaltlich gibt es aller­dings noch Punkte, bei welchen für uns noch intensiver Bedarf nach sachlich fundierter und vor allem von Fachleuten getragener Diskussion besteht.

Ich möchte Ihnen das jetzt an einem Punkt erläutern, und zwar anhand der Frage der Unzulässigkeit beziehungsweise jetzt Zulässigkeit der Auslieferung eigener Staats­bürger, also Österreicher, die hier zur Diskussion steht. Ich stelle jetzt die Gegenfrage: Gerade bei diesem Gesetz geht es ja um verstärkte europäische Zusammenarbeit, es ist sozusagen ein Prototyp der Aufgabe von Eigenstaatlichkeit und eigener Sou­verä­nität schlechthin im Sinne der europäischen Zusammenarbeit. Warum wird dann gera­de in diesem Punkt vor allem auf den nationalstaatlichen Aspekt, nämlich auf die Betonung, dass es sich um österreichische Staatsbürger handelt, Wert gelegt und nicht auf die Tatsache abgestellt – was in diesem Zusammenhang ja eigentlich logisch wäre –, dass es sich jeweils um Menschen handelt, die in diesem Land leben?

Ich frage Sie ernsthaft: Wen halten Sie für schutzbedürftiger in Fragen der Aus­lieferung: Menschen, die ihr ganzes Leben in Österreich verbracht haben, aber durch einen von uns sozusagen nicht zu bewertenden Grund die österreichische Staatsbür­gerschaft nicht besitzen, aber nie anderswo gelebt haben als hier, oder Menschen, die


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nie anderswo gelebt haben als im Ausland, aber aus welchen Gründen auch immer noch die österreichische Staatsbürgerschaft haben? Warum sind Letztere anders zu beurteilen und zu bewerten als Leute, die hier leben?

Diese Frage der Anwendung auf in Österreich lebende Personen und damit auch die Chance, so etwas wie einen europäischen beziehungsweise internationalen Geist in Regelungen wie diese zu bringen, ist nicht einmal andiskutiert worden. Man hat das geradezu als gedanklich völlig absurde Regelung abgetan. Man ist offenbar so in die­sem Prozess verhaftet, dass man sagt: Ein Österreicher ist ein Österreicher, ganz egal, wo er lebt und ob er jemals schon hier gelebt hat. Er soll sich im Falle des Falles dieses Instrumentariums der Nichtauslieferung – zwischen Anführungszeichen – „eige­ner“ Staatsbürger zunutze machen können. Er ist jedenfalls schutzbedürftig. – Dieser wesentliche Punkt wurde hier in der Diskussion nicht angewandt.

Frau Kollegin Dr. Moser wird die restlichen Aspekte noch erwähnen. Ich möchte noch einen zweiten Punkt bringen, nämlich die Frage des einheitlichen Rechtsschutzes im Sinne vom Zugang zu einem Verfahren mit annähernd gleicher Rechtsqualität. Das ist auch jener Punkt, der auf europäischer Ebene von der European Bar Association, also von der europäischen RechtsanwältInnenschaft, am intensivsten kritisiert wurde und der hier völlig unbeachtet bleibt, wenn dieser Entwurf – und davon gehe ich jetzt aus –demnächst in dieser Form im Hinblick auf österreichische Staatsbürger beschlossen wird.

Ich möchte Ihnen, meine Damen und Herren, nicht wünschen, dass Ihnen das vielleicht einmal irgendwo anders passiert, was Ihnen Frau Kollegin Moser dann an einem Beispiel illustrieren wird! Daran wird sich die Bedeutung dieser Liste von Straftaten, die im Anhang enthalten ist, mit dieser unpräzisen Definition zeigen.

Wir bedauern es sehr, denn gerade in justiziellen Angelegenheiten ist die Koope­ra­tionsbereitschaft und vor allem die Neigung der Grünen zu einheitlichen Lösungen besonders groß, aber dieser Form können wir die Zustimmung nicht geben, tut mir Leid! Sie haben die Chance vertan, nicht wir! (Beifall bei den Grünen.)

21.18

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Dr. Fek­ter. 4 Minuten Wunschredezeit. – Sie sind am Wort, Frau Kollegin.

 


21.18

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Gäste haben wir nicht mehr sehr viele zu später Stunde. Wir beschließen hier ein Gesetz in Umsetzung von EU-Vorgaben. Der Arbeitstitel dieser Regierungsvorlage war: Europäischer Haftbefehl.

Es ist für unser Rechtsschutzsystem doch etwas sehr Schwieriges, wenn wir auf Grund von Vorgaben der EU Grundsätze revidieren oder abändern sollen, wenn es bei­spielsweise um die Strafbarkeit von Taten geht, die von Österreichern im Ausland be­gangen werden, wenn wir österreichische Staatsbürger ausliefern sollen, wenn wo­möglich die Tat in Österreich nicht strafbar ist.

Wir haben einen ausgesprochen hohen Rechtsschutzstandard mit einem strengen Legalitätsprinzip, das heißt, bei uns ist der Ermessensspielraum im Strafrecht sehr gering. Daher war es für uns ausgesprochen schwierig, die Umsetzung auch wirklich verfassungskonform durchzuführen.

Selbstverständlich bekennen wir uns zur justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, selbstverständlich bekennen wir uns zur Terrorbekämpfung, und selbstverständlich sind wir bereit, mit allen europäischen Ländern zusammenzuarbeiten. Wir wollen aber


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den hohen Rechtsschutzstandard, den wir haben, nicht aufgeben, und daher war es notwendig, hier ein sehr umfangreiches Gesetz zu beschließen, das die Form dieses Europäischen Haftbefehles für die österreichische Rechtslage genau normiert.

Damit wir dafür eine Verfassungsmehrheit bekommen – die ist nämlich notwendig, wenn wir österreichische Staatsbürger ausliefern –, wurde das Gesetz in Zusam­menarbeit mit der sozialdemokratischen Fraktion noch einmal abgeändert. Den Abän­derungsantrag wird dann Kollege Jarolim einbringen.

Ich glaube, dass wir die österreichischen Staatsbürger grundsätzlich vor Haftbefehlen des Auslandes gut geschützt haben, weil wir ja selbst auch ein Verfahren einleiten können, und dann wird das Verfahren hier bei uns abgewickelt, dann müssen wir nicht ausliefern.

Terrorbekämpfung angesichts der Anschläge in Madrid, angesichts der Bedrohung halte ich aber doch für eine sehr wichtige Bekämpfungsmaßnahme. Die Bevölkerung in Österreich hat ein Recht darauf, dass Terroristen dingfest gemacht werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.21

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Dr. Moser für 4 Minu­ten Wunschzeit ans Rednerpult. (Abg. Dr. Moser: 3 Minuten!) Restzeit der Frak­tion: 11 Minuten. – Bitte, Sie wollen nur 3 Minuten sprechen.

 


21.22

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese europaweiten Vereinheitlichungen in Rechtsmaterien haben ja durchaus Sinn, das Problem ist nur, dass man jetzt bei dieser europäischen Haft­befehlsangelegenheit sozusagen nicht vereinheitlicht, was die Delikte anlangt, sondern nur die gegenseitige Auslieferung dingfest macht und damit einen Rechtszustand her­beiführt, bezüglich dessen ich Ihnen an zwei konkreten Beispielen zeigen möchte, wie widersinnig er an sich sein kann.

Konkret: Ein Österreicher beliefert ein französisches Unternehmen mit Ersatzteilen. Er stellt diese Lieferungen ein. Nach österreichischem Recht darf er das, nach fran­zösischem Recht ist das Sabotage. Es tritt, wenn Sie heute diesen Europäischen Haft­befehl beschließen, der Fall ein, dass dieser österreichische Staatsbürger, der nach österreichischem Recht keinerlei Delikt begangen hat, nach Frankreich ausge­liefert werden muss, weil er nicht mehr liefert. (Abg. Dr. Fekter: Sie haben den Abän­derungsantrag nicht gelesen!) Das ist Sabotage, und das ist unser Problem bei der Definition der Delikte, die angeführt werden, wo man ausliefern muss. Das ist zu schwammig. „Sabotage“ ist ein Allerweltsbegriff.

Ein zweiter schwammiger Begriff, dessentwegen ausgeliefert werden soll: „Cyber-Kriminalität“. Bitte, sagen Sie mir, Sie von der SPÖ, Sie von der ÖVP: Was ist „Cyber-Kriminalität“? Es könnte unter widrigen Umständen durchaus passieren, dass eine österreichische Staatsbürgerin, ein österreichischer Staatsbürger wegen Cyber-Krimi­nalität ausgeliefert werden muss. Wer weiß, was das ist?

Stellen Sie sich jetzt einmal vor, Sie müssen in einem französischen, in einem spani­schen, in einem portugiesischen oder in einem griechischen Gefängnis auf die Ver­hand­lung warten. Stellen Sie sich vor, Sie sind dort vor Sprachprobleme gestellt, und stellen Sie sich vor, Sie müssen dort wirklich um Ihre Freiheit kämpfen in einer Sprache, der Sie nicht mächtig sind, und wo das Dolmetschen wahrscheinlich auch nicht so einfach ist.

Das sind unsere Bedenken, und diese orientieren sich an der Kritik, die auch Experten in Deutschland festgehalten haben.


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Das zweite Beispiel, andersrum: Eine Irin wohnt seit 20 Jahren in Österreich. Sie ist irische Staatsbürgerin, hat ihren Wohnsitz aber schon sehr lange hier. Sie treibt ab und wird damit nach irischem Strafrecht straffällig. Irland kann die Auslieferung verlangen, obwohl sich die Irin schon lange in einem Lebensverbund bewegt, der eine andere Judikatur kennt, eine Judikatur wie in Österreich, wo das nicht strafbar ist.

Gegen diese Fälle schützt diese rechtliche EU-Anpassung nicht. Der Europäische Haftbefehl kann unter widrigen Umständen dazu führen, dass diese Irin wegen dieses Abtreibungsdeliktes nach irischer Rechtsprechung dann in ihr Heimatland transferiert wird, ausgeliefert werden muss und dort verurteilt wird.

Deshalb war ja auch das Plädoyer meiner Kollegin, dass wir in Europa wirklich generell eine zivilrechtliche und strafrechtliche Vereinheitlichung anstreben sollten und nicht auf der Basis von Austausch und Auslieferungen mehr oder weniger eine Zone schaffen, in der womöglich Willkür auf Grund unscharfer Begriffe – sprich „Sabotage“, sprich „Cyber-Kriminalität“ – ausgeübt wird und Tür und Tor geöffnet sind.

Das sind unsere Bedenken, und deswegen stimmen wir dagegen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

21.25

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


21.25

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Einwendungen, die hier gegen das Gesetz erhoben worden sind, sind Einwendungen, die in der ursprünglichen Diskussion erho­ben und eigentlich im Rahmen der letzten Debatten weitestgehend beseitigt worden sind.

Ich glaube auch – und das war letztlich der Aufwand in der Diskussion, die wir hier geführt haben –, dass die ursprüngliche Konzeption eigentlich eine Groteske gewesen wäre. Und ich muss schon eines sagen: Das, was ich persönlich aus der Diskussion gelernt habe, war, dass es nicht angeht, sich Materien mehr oder weniger mit einer gewissen Scheu zu nähern, nicht mit den europäischen Instanzen zu diskutieren, weil man die Befürchtung hat, vielleicht nicht überzeugend wirken zu können.

Ich darf Ihnen nur sagen – weil in der Diskussion immer wieder kam, der Rat hat beschlossen, es soll offensichtlich so sein –, dass der Rat auch tatsächlich wollte, dass Staatsbürger eines Landes wegen eines Deliktes, das dort kein Delikt ist, also wegen eines Nichtdeliktes, ausgeliefert werden. Das kann ja nicht der Fall sein, und daher haben wir auch – und dass es dazu kam, dafür bin ich dankbar – die Diskussion mit Experten verlangt, um noch einmal die Möglichkeiten durchzudiskutieren und eine Verbesserung herbeizuführen.

In diesem Sinne stellen wir folgenden Antrag:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Jarolim, Dr. Fekter, Dr. Partik-Pablé und Kollegen zur Regie­rungs­vorlage (370 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz über die justizielle Zusammen­arbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG) in der Fassung des Ausschussberichtes (439 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:


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56. Sitzung / Seite 225

Die Regierungsvorlage (370 d.B.) eines Bundesgesetzes über die justizielle Zusam­men­arbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), in der Fassung des Ausschussberichtes (439 d.B.) wird wie folgt geändert:


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56. Sitzung / Seite 226

1. Im § 5 Abs. 2 hat die Wendung „nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar sind und“ zu entfallen.

2. § 5 Abs. 3 hat zu lauten:

„(3) Die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls gegen einen österreichischen Staatsbürger ist unzulässig, wenn

1. der Betroffene keine Taten im Hoheitsgebiet des Ausstellungsstaats begangen hat, und

2. nach österreichischem Recht außerhalb des Bundesgebiets begangene Taten glei­cher Art nicht dem Geltungsbereich der österreichischen Strafgesetze unterlägen.“

3. Im § 7 Abs. 2 hat im Eingang die Wendung „nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar sind und“ zu entfallen.

4. In § 77 Abs. 1 erster Satz wird die Wendung „von Abs. 7“ durch die Wendung „des Zweiten Abschnitts des III. Hauptstücks“ ersetzt.

5. In § 77 Abs. 2 werden nach dem Wort „Staatsbürger“ die Worte „auch dann“ eingefügt.

*****

Der langen Rede kurzer Sinn, meine Damen und Herren: Ich bin froh, dass es gelun­gen ist, eine vernünftige Lösung zustande zu bringen. Ich verstehe nicht, warum man so lange nachhaltig Widerstand geleistet hat, warum man wirklich in Kauf nehmen wollte, dass Staatsbürger wegen solcher Delikte ausgeliefert werden.

Dass wir uns natürlich insgesamt eine internationale Weiterentwicklung und Harmo­nisierung der gesamten Rechtsmaterien in Europa wünschen, ist klar. Der Weg dorthin wird leider noch etwas länger dauern. In der Zwischenzeit ist das sicherlich eine, für uns jedenfalls, akzeptable Übergangsmöglichkeit. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.28

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Herrn Abgeordnetem Dr. Jarolim eingebrachte Abänderungsantrag Dr. Jarolim, Dr. Fekter, Dr. Partik-Pablé ist hinreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Jarolim, Dr. Fekter, Dr. Partik-Pablé und Kollegen zur Regie­rungsvorlage (370 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz über die justizielle Zusammen­arbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG) in der Fassung des Ausschussberichtes (439 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die Regierungsvorlage (370 d.B.) eines Bundesgesetzes über die justizielle Zusam­menarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), in der Fassung des Ausschussberichtes (439 d.B.) wird wie folgt geändert:

1. Im § 5 Abs. 2 hat die Wendung „nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar sind und“ zu entfallen.

2. § 5 Abs. 3 hat zu lauten:

„(3) Die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls gegen einen österreichischen Staatsbürger ist unzulässig, wenn

1. der Betroffene keine Taten im Hoheitsgebiet des Ausstellungsstaats begangen hat, und

2. nach österreichischem Recht außerhalb des Bundesgebiets begangene Taten gleicher Art nicht dem Geltungsbereich der österreichischen Strafgesetze unterlägen.“

3. Im § 7 Abs. 2 hat im Eingang die Wendung „nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar sind und“ zu entfallen.

4. In § 77 Abs. 1 erster Satz wird die Wendung „von Abs. 7“ durch die Wendung „des Zweiten Abschnitts des III. Hauptstücks“ ersetzt.

5. In § 77 Abs. 2 werden nach dem Wort „Staatsbürger“ die Worte „auch dann“ eingefügt.

Begründung

Der Abänderungsantrag zielt auf die Klarstellung, dass zur Einleitung des Verfahrens bloß ein noch zu prüfender Verdacht der gerichtlichen Strafbarkeit nach österreichi­schem Recht vorliegen muss. Daher muss bei der Einleitung des Verfahrens die Straf­barkeit des Verhaltens nach österreichischem Recht nicht als unbedingtes Einleitungs­kriterium von vornherein feststehen. Dieser Abänderungsantrag entspricht zur Gänze der von Univ.-Prof. Dr. Fuchs im Begutachtungsverfahren vorgeschlagenen Änderung dieser zentralen Bestimmungen der Regierungsvorlage. Daher wären auch Verfahren einzuleiten, wenn zweifelhaft ist, ob die Tat nach österreichischem Recht strafbar ist (weil etwa die Auslegung des Gesetzes strittig ist oder der Sachverhalt näher geklärt werden muss). Eine Verfahrensbeendigung kann in der Folge ein Grund für eine zulässige Ablehnung des Haftbefehles sein.

Art. 4 Z 7 lit. b des Rahmenbeschlusses berechtigt zur Ablehnung der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls wegen Taten, die außerhalb des Hoheitsgebiets des Ausstellungsstaats begangen worden sind, wenn die Rechtsvorschriften des Voll­streckungsstaats die Verfolgung von außerhalb seines Hoheitsgebiets begangenen Straftaten gleicher Art nicht zulassen. Dieser Ablehnungsgrund soll österreichischen Staatsbürgern zugute kommen. Im Ergebnis kann eine Auslieferung von österreichi­schen Staatsbürgern nur in jenen Ausstellungsstaat stattfinden, in dem der österreichi­sche Staatsbürger Handlungsunrecht gesetzt hat. Nimmt der Ausstellungsstaat Ge­richts­barkeit nur wegen Erfolgsunrecht in Anspruch und hat der österreichische Staats­bürger im Ausstellungsstaat keine Handlungen gesetzt, ist die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehles gegen ihn unzulässig. Die Vollstreckung eines Euro­päischen Haftbefehls ist im Übrigen immer schon dann unzulässig, wenn die Taten ganz oder teilweise im Inland begangen worden sind.

Der Abänderungsantrag hinsichtlich § 77 Abs. 1 und 2 zielt auf sprachliche Verbes­serungen ab. Das spätere In-Kraft-Treten des Zweiten Abschnitts des III. Hauptstücks am 2.8.2005 wird ausdrücklich in § 77 Abs. 1 aufgenommen. Durch die Formulierung in § 77 Abs. 2 wird unterstrichen, dass bis 1.1.2009 eine Vollstreckung eines Euro-


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56. Sitzung / Seite 227

päischen Haftbefehls gegen einen österreichischen Staatsbürger immer ausgeschlos­sen ist.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


21.29

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Keine Angst! Wir haben schon einen sehr langen Sitzungstag hinter uns, und deshalb möchte ich wirklich nur ein paar Worte sagen.

Vieles von dem, was gestern zur Dringlichen Anfrage bezüglich Terrorismusgefahr, Bekämpfung des Terrorismus und so weiter gesagt worden ist, könnte man eigentlich heute auch sagen, nämlich wie wichtig die internationale Vernetzung ist, die inter­nationale Zusammenarbeit. Wir müssen eigentlich alles daran setzen, dass nicht die Kriminellen ihren Vorsprung noch vergrößern können, sondern dass eben die Verfolger auch noch eine Chance haben, die Kriminellen auch wirklich zu bekämpfen. Und eines dieser Mittel ist der internationale Haftbefehl.

Wir sind uns eigentlich alle einig, dass es notwendig ist, international zusammen­zuarbeiten. Bedenken hat es gegeben – das haben meine Vorredner schon ange­schnitten – bezüglich der Auslieferung österreichischer Staatsbürger. Wir haben da auch einen Konsens gefunden. Ich glaube, das ist befriedigend.

Ein paar Worte noch zu den Ausführungen von Frau Stoisits: Also, wenn sie hier fragt, warum Österreich nur österreichische Staatsbürger schützt, dann muss ich sagen, das ist schon eine Provokation, denn gerade sie als Juristin müsste eigentlich wissen, dass überall auf der gesamten Welt jeder Staat eine bestimmte Verpflichtung hat, seine eigenen Staatsbürger zu schützen, und eben ein Unterschied besteht zwischen einem Staatsbürger und einem Fremden im Staatsgebiet. Und so ist es halt in Österreich auch. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stimmen dieser Umsetzung der EU-Richtlinie zu. Ich glaube, dass es sinnvoll ist, diese internationale Zusammenarbeit zu erweitern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.31

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Miedl. Wunsch­redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


21.31

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehr­en Damen und Herren! Der Europäische Haftbefehl ist notwendig. Der Vorschlag ist gut. Europa und Österreich sind es wert, die dunklen Elemente, die sich darin befinden, mit allen Mitteln zu bekämpfen.

Daher bitte ich Sie, diesem Vorschlag zuzustimmen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Fekter: Super!)

21.31

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. Gleichfalls 2 Minuten Wunschredezeit. – Sie sind am Wort, Frau Kollegin.

 



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56. Sitzung / Seite 228

21.32

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Im Vorfeld zu dieser Gesetzwerdung haben wir heftig darüber diskutiert, wie dieser Europäische Haftbefehl umgesetzt werden sollte, und schon im Vorfeld, sehr geehrte Damen und Herren, mussten wir feststellen, dass der EU-Rah­menbeschluss vom Juni 2002 von der schwarz-blauen Regierung verspätet umgesetzt wird, denn für die gesetzliche Umsetzung wäre eigentlich der 31. Dezember 2003 vorgesehen gewesen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé.) Da ist es schon ver­wun­derlich gewesen, dass es jetzt schludrig passiert ist, dass es mangelhaft passiert ist in Bezug auf die Sprache. Ich zitiere hier, Frau Dr. Partik-Pablé, Professor Fuchs, der uns das im Expertenhearing auch entsprechend dargelegt hat.

Was ich noch gerne gehabt hätte, wäre eine längere Begutachtungsfrist, um die Dis­kussion noch entsprechend zu führen. Ich kann für unsere Fraktion aber sagen, dass durch diesen Abänderungsantrag erstens der Grundsatz im Strafrecht: keine Strafe ohne Gesetz gewahrt bleibt und dass zweitens die österreichischen Staatsbürger auch nicht ausgeliefert werden. – In diesem Sinne stimmen wir zu. (Beifall bei der SPÖ.)

21.33

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Mag. Mai­noni. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


21.33

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Einer der wesentlichen Vorteile dieses Europäischen Haftbefehls ist natürlich, dass es zu einer Beschleunigung der Auslieferung kommt. Es müssen keine Zentralstellen mehr befasst werden, sondern es wird sich so abspielen, dass zwischen den einzelnen Gerichten innerhalb der Europäischen Union tatsächlich diese Auslieferungsanträge gestellt und auch abgewickelt werden.

Vorteil dieser Beschleunigung ist natürlich, dass zum Beispiel bei einem Geldbetrug, wenn ein Täter rasch ergriffen wird, jedenfalls auch schneller die österreichischen Ge­richte darauf zugreifen können und möglicherweise Geldschaden dadurch wesentlich leichter und besser abgewendet werden kann.

Gleiches gilt ebenso für die effektive Verfolgung von Schlepperkriminalität und vor allem für den Handel mit gestohlenen Fahrzeugen, um nur einige Beispiele zu nennen.

Dass die Grünen hier nicht zustimmen, ist bezeichnend, meine Damen und Herren. Be­sonders erfreut zeige ich mich darüber, dass die sozialdemokratische Fraktion diesem Entwurf samt Abänderung zustimmt. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.34

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


21.34

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte mich zunächst ent­schuldigen, dass ich doch einige Minuten zu spät gekommen bin, insbesondere bei jenen Rednern, die gesprochen haben, während ich noch nicht hier war. Es tut mir furchtbar Leid. Es gab auch eine sehr erschwerte Verkehrssituation, da es sehr stark regnet. Es wird hoffentlich nicht mehr vorkommen. Sie haben auch sehr kurz ge­sprochen, sodass meine Planung etwas durcheinander gekommen ist. Jedenfalls bitte ich nochmals um Entschuldigung. – Das ist das eine.


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Das Zweite ist: Es handelt sich hier um eine sehr schwierige legistische Arbeit. Wir haben sie so umgesetzt, dass gegen den Willen Österreichs kein Inländer ausgeliefert werden kann. Es ist die Überlegung im Vordergrund gestanden, dass Österreich diese Situation beherrschen können muss. Wir haben außerdem international eine zusätz­liche Übergangsfrist von fünf Jahren verhandelt, weil wir eine schwierige verfassungs­rechtliche Situation hatten.

Drittens bedanke ich mich beim Leitenden Staatsanwalt Dr. Benner, der diese schwie­rige legistische Arbeit durchgeführt hat. Ich hoffe, Sie werden verstehen, dass ich ihm diesen Dank vor diesem qualifizierten Forum im Hohen Haus ausspreche. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.35

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Kapeller. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


21.36

Abgeordneter Ing. Norbert Kapeller (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Aus kriminalpolizeilicher Sicht ist der Europäische Haftbefehl als ein richtiger und wichtiger Schritt zu begrüßen. Das ist auch eine mögliche Antwort auf den Ter­rorismus, der mitten in Europa Angst, Schrecken und Tod bringt. Schneller und griffiger kann nun gegen grenzenlose Kriminalität vorgegangen werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

21.36

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Parnigoni. Auch er möchte 2 Minuten sprechen. – Bitte, Herr Kollege.

 


21.36

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Mit diesem Europäischen Haftbefehl wird auch eine Maßnahme getroffen, die, wie wir gestern schon diskutiert haben, als eine Maßnahme gesehen wird, mit der man ter­roristische Aktivitäten und auch internationale Kriminalität bekämpfen kann. So ist die Meinung der Europäischen Union.

Wir haben mit dem Antrag Jarolim auch sichergestellt, dass es nicht dazu kommt, dass österreichische Staatsbürger wegen eines Deliktes, das in Österreich nicht strafbar ist, ausgeliefert werden. Damit sind unsere Anforderungen an diese Regierungsvorlage erfüllt worden. Daher sind wir auch gerne bereit, dieser Vorlage zuzustimmen, weil damit auch unser Bekenntnis zur aktiven, gemeinsamen Bekämpfung von terroris­ti­schen Aktivitäten und internationaler Kriminalität manifestiert wird. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.37

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzter Redner hiezu ist Herr Abgeordneter Dr. Pus­wald. Auch er wünscht 2 Minuten zu sprechen. – Herr Kollege, Sie sind am Wort. (Zahlreiche Oje-Rufe. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen. – Zwischenruf des Abg. Mag. Mainoni.)

 


21.37

Abgeordneter Dr. Christian Puswald (SPÖ): Herr Präsident! Herr Justizminister! Werte Damen und Herren! Danke, lieber Kollege Mainoni! Ich bin für diese Schützen­hilfe dankbar! (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Bei den Freiheitlichen sind Sie immer gut aufgehoben!) Danke vor allem Hannes Jarolim, dass du diese Expertenrunde in letzter Minute einberufen hast, deren Erkenntnis es


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ermöglicht hat, dass das Justizministerium einen Abänderungsentwurf vorgeschlagen hat, dem wir nun auch guten Gewissens zustimmen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich danke aber auch dem Herrn Justizminister dafür, dass er diese Anregungen auf­genommen hat, die es uns ermöglichen, dem zuzustimmen. Ich bitte Sie aber auch, Herr Justizminister, dass Sie sich in Zukunft weniger – wenn ich mir diese saloppe Anmerkung erlauben darf – am Gängelband des Herrn Innenministers führen lassen, der ja ursprünglich durch einen Schnellschuss um einen Dialog mit den europäischen Justizbehörden herumkommen wollte.

Herr Justizminister, in diesem Zusammenhang auch die Bitte, dass Sie Ihre Linie beibehalten, was diese von Finanzminister Grasser angedachte unglückselige Steuer­amnestie betrifft. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bitte Sie, auch in Zukunft – wenn Sie mir die Bemerkung erlauben – vorrangig dem Rechtsstaat Ihr Augenmerk zu schenken und weniger den Intentionen des Herrn Innenministers, der unserem Staat ja leider mit seinen absurden Ideen wie einem Europäischen Geheimdienst, wofür er in der EU verlacht wurde, dem Reykjavikschen Überwachungs-TV, wofür er sogar von Armin Wolf in der „ZiB 2“ dem allgemeinen Gespött ausgesetzt wurde, und so weiter, schadet.

Ich bitte Sie also, in Zukunft wirklich mehr diesen eigenständigen rechtsstaatlichen Gedanken zu folgen und nicht den polizeistaatlichen Wünschen des Innenministers. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.39

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 439 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Dr. Fekter, Dr. Partik-Pablé, Kolle­ginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Da der vorliegende Gesetzentwurf und der eben erwähnte Abänderungsantrag Verfas­sungsbestimmungen enthalten, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungs­mäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Da nur diese eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes unter Berücksichtigung des Abänderungsantrags der Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Dr. Fekter, Dr. Partik-Pablé abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, um ein beja­hendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ausdrücklich stelle ich dabei die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch hier liegt eine Annahme mit Mehrheit, und zwar mit der verfassungsmäßig erforderlichen Zweidrittelmehrheit, vor.

Der Gesetzentwurf ist daher in dritter Lesung angenommen.


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21. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (342/A)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zum 21. Punkt der Tagesord­nung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Sie wird von Frau Abgeordneter Bayr eröffnet. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


21.41

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Mit der S 1 hat Wien einen ersten Teil einer südlichen Umfahrungsstraße zwischen Vösendorf und Schwechat. Um die Verkehrswirksamkeit dieser S 1 zu erhöhen, ist es wichtig, auch eine leistungsfähige Schnellstraßenverbindung zwischen der A 23 und der S 1 beim Knoten Rothneusiedl zu haben.

Diese Schnellstraßenverbindung soll mit jeweils zwei Fahrspuren in jede Richtung inklusive Pannenstreifen errichtet werden, und es soll zwei Anschlussstellen geben. Besonders wichtig scheint mir dabei jene beim Güterterminal Inzersdorf zu sein, weil es notwendig sein wird, den Schwerverkehr, der dort zu erwarten ist, auf ein hochrangiges Straßennetz zu bringen und auch die anrainende Bevölkerung vom Schwerverkehr zu entlasten.

Die Verbindungsspange hat aber auch noch eine andere wichtige Funktion. Spätestens im Jahr 2009 muss die Südosttangente – das ist die meistbefahrene Straße Öster­reichs – saniert werden. Im Bereich zwischen Hansson-Kurve und Anschlussstelle Stern­gasse wird es zu einer kompletten Sanierung kommen müssen. Es ist also notwendig, spätestens zu diesem Zeitpunkt quasi einen Bypass zu haben, eine Ver­bindung zur S 1, um eine wirksame Umleitungsstrecke zu haben. Das heißt aber auch, dass diese Verbindungsspange spätestens 2008 – Ende 2008 – verkehrswirksam werden muss.

Es erscheint mir daher unerlässlich, diese Verbindungsspange in das Bundesstraßen­gesetz aufzunehmen. Ich hoffe sehr, dass es so wie auch schon auf regionaler und auf Bezirksebene zu dieser Spange eine breite Zustimmung geben wird. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

21.43

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Preineder. Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


21.43

Abgeordneter Martin Preineder (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Wenn wir über die Errichtung dieser Spange zwischen der Südosttangente und der neuen S 1 dis­kutieren, dann halte ich das für einen sehr interessanten Vorschlag, weil schon einmal die Einbindung der Südosttangente in dieser Richtung geplant war, diese aber dann nach Guntramsdorf verlegt wurde.

Zur Begründung stellen sich für mich schon einige Fragen und Anmerkungen. Diese S 1 bringt eine Entlastung der Südosttangente – das ist wichtig und richtig, das wissen wir –, eine weitere Entlastung sollten wir aber eigentlich erst nach der Inbetriebnahme der S 1 prüfen. Die Einbindung in den Güterterminal in Inzersdorf erfolgt ebenfalls durch diese S 1. Ob es sich bei dieser Straßenspange wirklich um eine Straße mit „Bedeutung für den Durchzugsverkehr“ nach dem Bundes-Verfassungsgesetz han-


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delt – und das ist entscheidend dafür, ob es auf Bundesebene behandelt wird und nicht von der Stadt Wien durchgeführt werden soll –, sollten wir auch diskutieren.

Die Sanierung der Südosttangente ist sicherlich notwendig. Ob diese Entlastungs­straße jedoch wirklich als Sanierungsüberbrückung dienen sollte und ob es hiefür nicht billigere Lösungen geben könnte, wäre auch anzudiskutieren.

In Anbetracht des fortgeschrittenen Abends sollten wir diese Diskussion in den Verkehrsausschuss verlegen. (Ruf bei der ÖVP: Jawohl!) – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.44

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Lich­ten­berger. Redezeit: 4 Minuten.

 


21.44

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Dass dieser Antrag von der Umweltsprecherin verteidigt wird, macht mir schon ein bisschen Sorgen, zumindest habe ich Sie als jemanden, der bis jetzt immer für die Umwelt – Klimaschutz und so weiter und so fort – eingetreten und sehr engagiert in dieser Frage ist, erlebt.

Allerdings ist dieses Projekt, von dem Sie sprechen, die logische Fortsetzung eines Projektes, bei dem mittlerweile schon der Verwaltungsgerichtshof festgestellt hat, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung bei der S 1 – ist gleich B 301-alt – fehlerhaft, mangelhaft war; trotzdem baut man weiter. Und Sie wollen jetzt noch weiter bauen! Sie verschärfen also Fehler, die schon gemacht wurden, noch einmal.

Es macht mir schon ein bisschen Sorgen und irritiert mich sehr, dass man sozusagen nicht einmal mehr von Ihrer Seite her auf diese Dinge reagiert, sondern sagt: Okay, Hauptsache Asphalt – und passt schon!

Meine Damen und Herren! Sie müssen schon die Problematik insgesamt sehen: Ist es nicht ein dramatisches Zeichen für ein Versagen in der Verkehrspolitik, dass man extra eine Straße bauen muss, damit man die andere Straße sanieren kann, weil sonst der Verkehr nach Wien herein zum Erliegen kommt? Ist es nicht ein Totalversagen der Politik, wenn so überhaupt keine Alternativen in Form eines Ausbaus des öffentlichen Verkehrsnetzes geschaffen werden, sodass die Leute auf öffentliche Verkehrsmittel überhaupt nicht umsteigen können und damit die Straßen verstopfen?

Und Sie wollen diese Verstopfung und diese völlig fehlgeleitete Politik weiterführen?! – Meine Damen und Herren, mein Verständnis dafür fehlt völlig, vor allem, weil sich ja mittlerweile erwiesen hat, dass das, was Sie hier dazubauen wollen, noch mehr Verkehr auf die ohnehin schon extrem überlastete Tangente bringen wird! (Zwischenruf des Abg. Wattaul.)

Das ist eine völlige Fehlplanung! Und dass das von Ihrer Seite kommt, macht mich besorgt. Ich hätte das so manchem hier zugetraut! Aber ich weiß, dass Sie in Verkehrsfragen auch in diesem Bereich ab und zu absolut irregeleitet sind. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

21.46

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzte Wortmeldung hiezu: Herr Abgeordneter Neudeck. Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


21.47

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Grundsätzlich ist natürlich nach den Ausführungen von Kollegin Lichtenberger


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56. Sitzung / Seite 233

zu diesem Thema nicht mit 3 Minuten das Auslangen zu finden. Wir haben aber noch die gesetzliche Restredezeit von 20 Minuten. Ich werde mich also diesem Thema sehr genau annähern.

Die Kollegin von der SPÖ hat gesagt, wo es ist. Der Kollege von der ÖVP hat erklärt, wie wichtig es ist. Es ist bereits einmal, im Jahr 2002, ein Antrag an das Verkehrs­ministerium mit diesem Anliegen gestellt worden. Damals wurde festgestellt, dass die Kosten dieser Spange bei 127 Millionen € lägen und auf Grund der mangelnden Wirt­schaftlichkeit eine Teilung der Kosten zwischen ASFINAG und Wien nötig wäre. Es wäre also zur Vorbereitung dieses wichtigen Themas im Verkehrsausschuss einmal zu klären, ob Wien die anteiligen Kosten übernehmen wird. – Danke. (Beifall bei den Frei­heitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.48

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist hiezu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag dem Verkehrsausschuss zu.

22. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (ALVG) geändert wird (343/A)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zum 22. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. Sie wünscht 2 Minuten zu sprechen. – Bitte.

 


21.48

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Wir haben eine erste Lesung verlangt, weil die Regierungsparteien dazu neigen, im Ausschuss alle Anträge, die nicht von ihnen selbst stammen, zu vertagen. Wir glauben aber, dass das Thema so wichtig ist, dass es zumindest hier einmal andiskutiert werden soll.

Faktum ist, dass Leistungsbezieher, Leistungsbezieherinnen aus der Arbeitslosen­versicherung durch die Maßnahmen dieser Bundesregierung immer weniger Einkom­men haben, akut armutsgefährdet sind und damit auch immer stärker in den Sozial- oder Teilsozialhilfebezug gedrängt werden.

Um das zu verhindern, haben wir einen Antrag eingebracht. Dieser Antrag befasst sich einerseits damit, dass Arbeitslosengeldbezug und Notstandshilfe bei laufendem Bezug jährlich valorisiert, das heißt angepasst werden sollen, auf der anderen Seite sollen Leis­tungen, die einen Fortbezug innerhalb von drei Jahren haben, ebenfalls einer bes­seren Anpassung unterliegen, sodass die Leistungen in der Arbeitslosen­versiche­rung letzten Endes wieder einigermaßen dem entsprechen, was sie ursprünglich in der Höhe waren.

Ich denke mir, Armutsbekämpfung und Armutsvermeidung muss ein Thema für uns alle sein. Es ist ja eigentlich eine Schande, dass der Bericht des Sozialministeriums, also der offizielle Bericht und nicht die Argumentation der Opposition, zeigt, dass es bei uns zunehmend Armut von arbeitenden Menschen gibt, Armut von Menschen, die auf Grund von Arbeit eine Geldleistung bekommen.


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Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Ich fordere Sie hiermit gleich bei der ersten Lesung auf, mit diesem Antrag im Sozialausschuss nicht so umzugehen wie mit allen anderen Anträgen, nämlich ihn auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verta­gen, sondern im Sinne der Menschen auch tatsächlich eine Entscheidung darüber zu treffen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.50

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Keuschnigg. Redezeit: 2 Minuten. – Bitte, Herr Kollege.

 


21.50

Abgeordneter Georg Keuschnigg (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Hohes Haus! Bei allem Bekenntnis zu einer solidarischen, einer auf einem hohen Standard befind­lichen Absicherung arbeitsloser Menschen ist zu diesem Antrag doch anzumerken, dass die Erfüllung dieses Antrages in etwa eine Dimension von 0,1 Prozent des Arbeits­losenversicherungsbeitrages hat, dass er also die Lohnnebenkosten steigern und nicht senken würde – und das vor dem Hintergrund eines Abganges in der Arbeitslosenversicherung von aktuell ungefähr 350 Millionen €.

Es ist leider bedauerlicherweise wieder zu kritisieren: Sie machen sich bei diesen An­trä­gen nicht den Funken eines Gedankens über ihre Finanzierbarkeit. (Abg. Silhavy: ... Geld aus der Arbeitslosenversicherung dem Budget zugewiesen!) Und leider kann man nicht davon ausgehen, dass Sie sich zumindest den Anschein geben, bis zu den Ausschussberatungen dieses Manko zu beheben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.51

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dolinschek. Es werden 3 Minuten Redezeitbeschränkung gewünscht. – Bitte.

 


21.51

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu diesem Antrag der Kollegin Silhavy ist zu bemerken, dass mit der im Budgetbegleitgesetz von 2001 vorgenommenen Umstellung der Be­mes­sungsfindung auf eine individuelle Nettoersatzrate erstmalig eine Art von Mindest­standardsicherung in Form des zum Arbeitslosengeld gewährten Ergänzungsbeitrages eingeführt wurde.

Eine Aufwandsschätzung zum gegenständlichen Antrag ist wegen der Komplexität der vorgeschlagenen Änderung in Verbindung mit schwer wiegenden Eingriffen in das bestehende Nettoersatzrate-System sicherlich sehr schwierig. Zur Abdeckung dieses Mehraufwandes müsste der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung mit Sicherheit erhöht werden – wie hoch, ist zu eruieren. (Zwischenruf der Abg. Csörgits.)

Dass Armutsbekämpfung unser aller Ziel ist, die Wege dorthin aber verschieden sind – aber es jedenfalls unser Ziel ist –, ist keine Frage. Wir werden uns das ansehen und dann im Ausschuss behandeln. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.52

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Öllinger. 4 Minuten gewünschte Redezeit. Restredezeit der Fraktion: 5 Minuten. – Bitte.

 


21.52

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Wir alle wollen wahrscheinlich nicht, dass Arbeitslose und Notstandshilfebezieher so lange im Bezug bleiben, dass diese jährliche Valorisierung über mehrere Jahre notwendig wird. Aber es gibt diese


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Fälle von Arbeitslosengeld- und Notstandshilfebeziehern, die auf diesen Bezug ange­wiesen sind. Und es ist absolut nicht einzusehen, dass die Verweigerung der Valo­risierung, der Wertanpassung ausgerechnet bei Arbeitslosengeld- und Notstands­hilfe­beziehern – also jenen, die sehr wenig zum Leben haben – gerechtfertigt sein soll.

Deshalb ist dem Antrag und dem Begehren der sozialdemokratischen Fraktion auf alle Fälle Rechnung zu tragen – es ist ein sinnvolles Korrektiv! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.53

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 343/A dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft. Wir haben aber noch eine weitere Sitzung.

Einlauf

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 367/A bis 375/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 1594/J bis 1634/J eingelangt.

Schließlich ist die Anfrage 20/JPR der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser an den Präsidenten des Nationalrates eingebracht worden – und wurde auch schon beant­wortet: 19/ABPR.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betrifft, berufe ich für 21.54 Uhr – das ist jetzt – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 21.54 Uhr

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