Stenographisches Protokoll

27. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 13., und Freitag, 14. Juni 1996

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier

Stenographisches Protokoll

27. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode

Donnerstag, 13., und Freitag, 14. Juni 1996

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 13. Juni 1996: 9.02 – 24.00 Uhr

Freitag, 14. Juni 1996: 0.00 – 1.30 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über die soziale Lage 1994

2. Punkt: Antrag 8/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Neudefinition der unselbständigen Erwerbsarbeit und Vereinheitlichung aller Pensionsrechte

3. Punkt: Antrag 55/A (E) der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend umfassende Maßnahmen gegen die steigende Arbeitslosigkeit

4. Punkt: Antrag 103/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urlaubsgesetz geändert wird

5. Punkt: Antrag 25/A der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) vom 11. Dezember 1969, BGBl. Nr. 22/1970, zuletzt geändert durch das BGBl. Nr. 27/1994, geändert wird

6. Punkt: Bericht über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion im Jahre 1994

7. Punkt: Bericht betreffend das auf der 80. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz angenommene Übereinkommen (Nr. 174) über die Verhütung von industriellen Störfällen und Empfehlung (Nr. 181) betreffend denselben Gegenstand

8. Punkt: Antrag 9/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Umstrukturierung der Transferleistungen im Familienbereich

9. Punkt: Erste Lesung des Antrages 140/A der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, BGBl. 1979/139 i. d. F. BGBl. 1993/800, (WGG) geändert wird

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung der Beziehungen im Bereich der Sozialen Sicherheit im Verhältnis zur Provinz Quebec geändert wird


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 2

11. Punkt: Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und Kanada im Bereich der Sozialen Sicherheit

12. Punkt: Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika im Bereich der Sozialen Sicherheit

13. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit

14. Punkt: Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit

15. Punkt: Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit

16. Punkt: Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Republik Bosnien-Herzegowina weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit

17. Punkt: Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über Soziale Sicherheit

18. Punkt: Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Türkischen Republik über Soziale Sicherheit

19. Punkt: Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tunesischen Republik über Soziale Sicherheit

20. Punkt: Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über Soziale Sicherheit

21. Punkt: Antrag 182/A der Abgeordneten Friedrich Verzetnitsch, Fritz Neugebauer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Post-Betriebsverfassung (Post-Betriebsverfassungsgesetz – PBVG)

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz) geändert wird

23. Punkt: Antrag 27/A (E) der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger und Genossen betreffend Gründung von Gruppenpraxen durch Angehörige von Gesundheitsberufen

24. Punkt: Antrag 62/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Einführung einer PatientInnen- und Pharmaversicherung nach dem Prinzip einer verschuldensunabhängigen Haftung

25. Punkt: Antrag 115/A (E) der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend Psychologenausbildung

*****


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 3

Inhalt

Personalien

Verhinderungen 21

Geschäftsbehandlung

Unterbrechung der Sitzung 21

Antrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 109/A betreffend die Bezügegesetznovelle gemäß § 43 der Geschäftsordnung eine Frist bis 9. Juli 1996 zu setzen 42

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 2 der Geschäftsordnung 42

Redner:

Dr. Peter Kostelka 189

Dr. Jörg Haider 190

Dr. Andreas Khol 191

Mag. Thomas Barmüller 192

Mag. Terezija Stoisits 192

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 194

Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 105/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bezügegesetz und weitere Gesetze geändert werden, gemäß § 43 der Geschäftsordnung eine Frist bis 11. Juli 1996 zu setzen 42

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 2 der Geschäftsordnung 42

Redner:

Mag. Johann Ewald Stadler 194

Andreas Wabl 195

Dr. Ilse Mertel 196

Dr. Hans Peter Haselsteiner 197

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 197

Antrag der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 101/A (E) betreffend Bezügegesetz und Beamten-Dienstrechtsgesetz gemäß § 43 der Geschäftsordnung eine Frist bis 11. Juli 1996 zu setzen 42

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 251

Feststellungen des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend die von den gegenständlichen Fristsetzungsanträgen berührte Rechtslage 197

Absehen von der 24stündigen Frist für das Aufliegen der schriftlichen Ausschußberichte 178 bis 187 d. B. gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung 42

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 43


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 4

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung betreffend die terminliche Festsetzung der Sitzung des Landesverteidigungsrates:

Dr. Alexander Van der Bellen 80

Dr. Andreas Khol 80

Feststellungen des Präsidenten Dr. Heinrich Neisser in diesem Zusammenhang 80

Aktuelle Stunde (3.)

Thema: "Gewerbeordnung: Wirtschaftshemmnis für Österreich im gemeinsamen Markt"

Redner:

Mag. Helmut Peter 21

Bundesminister Dr. Johannes Ditz 24

Dr. Hans Peter Haselsteiner 26

Dr. Kurt Heindl 27

Mag. Dr. Josef Trinkl 29

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn 30

Dr. Alexander Van der Bellen 31

Mag. Thomas Barmüller 32

Ing. Leopold Maderthaner 34

Günter Kiermaier 35

Helmut Haigermoser 36

Andreas Wabl 38

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 21

Rechnungshof

Verlangen gemäß § 99 Abs. 2 der Geschäftsordnung im Zusammenhang mit dem Selbständigen Antrag 228/A betreffend Gebarungsüberprüfung 252

Ausschüsse

Zuweisungen 39, 41, 214, 220, 251

Unvereinbarkeitsangelegenheiten

Fünfter Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses 39

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend "kranke" Kassen (700/J) 118

Begründung: Dr. Alois Pumberger 123

Bundesminister Franz Hums 131

Debatte:


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 5

Mag. Johann Ewald Stadler 140

Annemarie Reitsamer 144

Dr. Gottfried Feurstein 14


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 6

6

Mag. Johann Ewald Stadler (tatsächliche Berichtigung) 150

Bundesminister Franz Hums 150, 178, 188

Dr. Volker Kier 151, 186

Karl Öllinger 154

Dr. Brigitte Povysil 158

Rudolf Nürnberger 161

Dr. Erwin Rasinger 165

Theresia Haidlmayr 168

Mag. Herbert Haupt 170

Mag. Walter Guggenberger 173

Dr. Helene Partik-Pablé 175

Dr. Jörg Haider 179

Mag. Johann Ewald Stadler (tatsächliche Berichtigung) 182

Karl Donabauer 182

Eleonora Hostasch 184

Mag. Karl Schweitzer 186


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 7

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend Gesamtverträge für Heilbehelfe – Ablehnung 161, 189

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen betreffend die Vergabepraxis bei den gesetzlichen Krankenversicherungsträgern – Ablehnung 178, 189

Entschließungsantrag der Abgeordneten Eleonora Hostasch, Karl Donabauer und Genossen betreffend die Vergabepraxis der gesetzlichen Krankenversicherungsträger – Annahme (E 12) 184, 189

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales betreffend den Bericht des Bundesministers für Arbeit und Soziales (III-4 d. B.) über die soziale Lage 1994 (157 d. B.)

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 8/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Neudefinition der unselbständigen Erwerbsarbeit und Vereinheitlichung aller Pensionsrechte (158 d. B.)

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 55/A (E) der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend umfassende Maßnahmen gegen die steigende Arbeitslosigkeit (159 d. B.)

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 103/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urlaubsgesetz geändert wird (160 d. B.)

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 25/A der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) vom 11. Dezember 1969, BGBl. Nr. 22/1970, zuletzt geändert durch das BGBl. Nr. 27/1994, geändert wird (161 d. B.)

Berichterstatterin: Dr. Elisabeth Pittermann 45

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales betreffend den Bericht des Bundesministers für Arbeit und Soziales (III-15 d. B.) über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion im Jahre 1994 (162 d. B.)

Berichterstatterin: Heidrun Silhavy 46

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales betreffend den Bericht der Bundesregierung (III-5 d. B.) betreffend das auf der 80. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz angenommene Übereinkommen (Nr. 174) über die Verhütung von industriellen Störfällen und Empfehlung (Nr. 181) betreffend denselben Gegenstand (163 d. B.)

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 9/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Umstrukturierung der Transferleistungen im Familienbereich (165 d. B.)

Berichterstatter: Mag. Dr. Josef Trinkl 47

Redner:

Dr. Jörg Haider 47

Annemarie Reitsamer 56

Dr. Volker Kier 59

Karl Donabauer 64

Karl Öllinger 68

Bundesminister Franz Hums 76

Rudolf Nürnberger 80

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (tatsächliche Berichtigung) 84

Dr. Harald Ofner 85

Ridi Steibl 87

Mag. Helmut Peter 88

Winfried Seidinger 90

Theresia Haidlmayr 93

Ute Apfelbeck (tatsächliche Berichtigung) 97

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 97

Mag. Herbert Haupt 99

Mag. Walter Guggenberger 102

Klara Motter 104

Dr. Sonja Moser 105

Dr. Alexander Van der Bellen 108

Sophie Bauer 109

Sigisbert Dolinschek 110

Mag. Dr. Josef Trinkl 112

Dr. Helene Partik-Pablé 113

Erhard Koppler 1


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 8

15

Elfriede Madl 117

Helmut Dietachmayr 200

Josef Meisinger 202

Heidrun Silhavy 204

Dr. Elisabeth Pittermann 206

Anton Blünegger 208

Kenntnisnahme der Berichte III-4, III-15 und III-5 d. B. 209

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 158, 159, 160, 161 und 165 d. B. 209

Zuweisung des Antrages 9/A (E) an den Familienausschuß 210, 214

Entschließungsantrag der Abgeordneten


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 9

Karl Öllinger und Genossen betreffend umfassende Erweiterung der Liste der Berufskrankheiten (223/A) (E) 74, 11

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend die Erfüllung der auf der 80. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz angenommenen Übereinkommen (Nr. 174) über die Verhütung von industriellen Störfällen und Empfehlung (Nr. 181) betreffend denselben Gegenstand (163 d. B.) – Ablehnung 75, 210

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend die Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeit für Behinderte – Ablehnung 105, 210

9. Punkt: Erste Lesung des Antrages 140/A der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, BGBl. 1979/139 i. d. F. BGBl. 1993/800, (WGG) geändert wird

Redner:

Mag. Reinhard Firlinger 211

Kurt Eder 214

Franz Kampichler 216

Hans Schöll 218

Karl Öllinger 219

Zuweisung des Antrages 140/A an den Bautenausschuß 220

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (20 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung der Beziehungen im Bereich der Sozialen Sicherheit im Verhältnis zur Provinz Quebec geändert wird (164 d. B.)

Berichterstatter: Mag. Dr. Josef Trinkl 222

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (103 d. B.): Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und Kanada im Bereich der Sozialen Sicherheit (178 d. B.)

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (104 d. B.): Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika im Bereich der Sozialen Sicherheit (179 d. B.)

13. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (105 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit (180 d. B.)

Berichterstatter: Helmut Dietachmayr 223

14. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (118 und Zu 118 d. B.): Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (181 d. B.)

15. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (119 und Zu 119 d. B.): Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (182 d. B.)

16. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (120 und Zu 120 d. B.): Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Republik Bosnien-Herzegowina weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (183 d. B.)

17. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (121 und Zu 121 d. B.): Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über Soziale Sicherheit (184 d. B.)

18. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (122 und Zu 122 d. B.): Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Türkischen Republik über Soziale Sicherheit (185 d. B.)

19. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (123 und Zu 123 d. B.): Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tunesischen Republik über Soziale Sicherheit (186 d. B.)

20. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (124 und Zu 124 d. B.): Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über Soziale Sicherheit (187 d. B.)

Berichterstatter: Dr. Gottfried Feurstein 224

Redner:

Dr. Volker Kier 225

Edeltraud Gatterer 227

Karl Öllinger 228

Annahme des Gesetzentwurfes in 20 d. B. 230

Genehmigung der Staatsverträge in 103, 104 und 105 d. B. 230

Genehmigung der Kündigung der Staatsverträge in 118 und Zu 118 bis 124 und Zu 124 d. B. 230

21. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 182/A der Abgeordneten Friedrich Verzetnitsch, Fritz Neugebauer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Post-Betriebsverfassung (Post-Betriebsverfassungsgesetz – PBVG) (166 d. B.)

Berichterstatterin: Sophie Bauer 232

Redner:

Josef Meisinger 232

Heidrun Silhavy 233

Dr. Volker Kier 235

Dr. Gottfried Feurstein 236

Karl Öllinger 237

Eleonora Hostasch 238

Anton Blünegger 238

Annahme des Gesetzentwurfes 239

Gemeinsame Beratung über

22. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (113 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz) geändert wird (170 d. B.)

23. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 27/A (E) der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger und Genossen betreffend Gründung von Gruppenpraxen durch Angehörige von Gesundheitsberufen (167 d. B.)

24. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 62/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Einführung einer PatientInnen- und Pharmaversicherung nach dem Prinzip einer verschuldensunabhängigen Haftung (168 d. B.)

25. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 115/A (E) der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend Psychologenausbildung (169 d. B.)

Berichterstatter: Manfred Lackner 240

Redner:

Dr. Brigitte Povysil 241

Heidemaria Onodi 243

Klara Motter 244

Dr. Günther Leiner 245

Dr. Alois Pumberger 246

Mag. Johann Maier 248

Dr. Michael Krüger 249

Dr. Erwin Rasinger 250

Annahme des Gesetzentwurfes in 113 d. B. 251

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 167, 168 und 169 d. B. 251

Zuweisung des Antrages 115/A (E) an den Ausschuß für Wissenschaft und Forschung 251

Eingebracht wurden

Volksbegehren 40

171: Volksbegehren zur Schaffung eines Bundes-Tierschutzgesetzes

172: Volksbegehren: Bundesverfassungsgesetz über die Sicherung der Neutralität Österreichs

Petitionen 41

Petition betreffend Aufhebung des Fahrverbotes für Fahrräder auf Forststraßen (Ordnungsnummer 9) (überreicht von den Abgeordneten Mag. Johann Maier, Rudolf Anschober und Mag. Helmut Peter )


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 10

Petition betreffend "Stopp der Gesetzesflut" (Ordnungsnummer 10) (überreicht vom Abgeordneten Ing. Leopold Maderthaner )

Petition betreffend "Abschaffung des § 188 des StGB" (Ordnungsnummer 11) (überreicht von der Abgeordneten Hannelore Buder )

Petition betreffend "Erhaltung der Akutversorgung im Krankenhaus Waiern" (Ordnungsnummer 12) (überreicht von den Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Edeltraud Gatterer und Georg Wurmitzer )

Bürgerinitiativen 41

Bürgerinitiative betreffend "Aufhebung der Immunität aller Abgeordneten, Richter und Beamten wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt, Unterdrückung von amtlichen Beweisen, Vernachlässigung der Amtspflicht, Verletzung der Menschenrechte" (Ordnungsnummer 4)

Bürgerinitiative betreffend "Ärzte-Arbeitszeitgesetz" (Ordnungsnummer 5)

Regierungsvorlagen 40

111: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Französischen Republik über die filmwirtschaftlichen Beziehungen samt Anlage und Briefwechsel

112: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Südafrika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

Zu 118: Änderung der Regierungsvorlage betreffend Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit

Zu 119: Änderung der Regierungsvorlage betreffend Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit

Zu 120: Änderung der Regierungsvorlage betreffend Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Republik Bosnien-Herzegowina weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit

Zu 121: Änderung der Regierungsvorlage betreffend Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über Soziale Sicherheit

Zu 122: Änderung der Regierungsvorlage betreffend Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Türkischen Republik über Soziale Sicherheit

Zu 123: Änderung der Regierungsvorlage betreffend Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tunesischen Republik über Soziale Sicherheit

Zu 124: Änderung der Regierungsvorlage betreffend Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über Soziale Sicherheit


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 11

125: Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtgiften und psychotropen Stoffen samt Anlage und Erklärungen

127: Übereinkommen über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten samt Erklärungen

147: Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe samt Anhängen und Erklärung

153: Bundesverfassungsgesetz über den Verlauf der Staatsgrenze zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien in den Grenzabschnitten II, IV bis VII und in Teilen der Grenzabschnitte IX und X (regulierter Glanzbach) sowie XIX (regulierter Rischbergbach)

155: Bundesgesetz, mit dem das land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985 geändert wird

174: Bundesgesetz über die Strukturbereinigung in der Binnenschiffahrt

175: Seeschiffahrts-Erfüllungsgesetz – SSEG

Berichte 41

III-30: Bericht betreffend das Österreichische Konvergenzprogramm gemäß Artikel 109 e EG-Vertrag; BM f. Finanzen

III-32: Bericht über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion auf dem Gebiet des Bundesbedienstetenschutzes im Jahr 1994; BM f. Arbeit und Soziales

III-33: Bericht des Fachhochschulrates gemäß § 6 Abs. 2 Z. 7 FHStG über die Tätigkeit des Fachhochschulrates im Jahre 1995; BM f. Wissenschaft, Verkehr und Kunst

Anträge der Abgeordneten

Dr. Ilse Mertel und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (220/A)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Emissionen von Anlagen zur Herstellung von Holzspanplatten begrenzt werden (221/A)

Dr. Volker Kier und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einreise und den Aufenthalt von Fremden (Fremdengesetz, BGBl. 838/1992), in der geltenden Fassung, geändert wird (222/A)

Karl Öllinger und Genossen betreffend umfassende Erweiterung der Liste der Berufskrankheiten (223/A) (E)

Robert Elmecker, Paul Kiss und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdengesetz geändert wird (FrG-Novelle 1996) (224/A)

MMag. Dr. Willi Brauneder und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz geändert wird (225/A)

Edith Haller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz zugunsten der Tagesmütter (Tagesväter) geändert wird (226/A)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 12

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend Auflösung der beiden noch bestehenden Straßenbausondergesellschaften (227/A) (E)

Dr. Alois Pumberger und Genossen betreffend die Durchführung einer Sonderprüfung des Rechnungshofes gemäß § 99 GOG-NR (228/A)

Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das EGVG und die Gewerbeordnung geändert werden (229/A)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeit für Ausgebildete des Lehrberufs Recycling- und Entsorgungstechniker (230/A) (E)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Entwicklung und Abstimmung der Lehrberufe im Umweltbereich (231/A) (E)

Georg Schwarzenberger und Genossen betreffend Verbesserung der Tierschutzstandards (232/A) (E)

Jakob Auer, Kurt Eder und Genossen betreffend Verordnungen zur Schaffung von Ausnahmeregelungen für Einsatzfahrzeuge bei der fahrleistungsabhängigen Maut und der Vignette (233/A) (E)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend Beitrag Österreichs zur Reform der Vereinten Nationen (234/A) (E)

Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem die Vorschriften des Bundes-Verfassungsgesetzes betreffend die Zuständigkeit in Angelegenheiten des Tierschutzes geändert werden (235/A)

Zurückgezogen wurde der Antrag der Abgeordneten

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Reform der Spitalsfinanzierung (59/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Karlheinz Kopf und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verlagerung von Führungsfunktionen bei der Vorarlberger Finanzlandesdirektion nach Tirol (696/J)

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend die Ausschreibung eines Flächenecholotsystems mit satellitengestützter Positionierung (697/J)

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Flug-Funkprüfungen (698/J)

Dr. Ilse Mertel und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Inserat in der "Kleinen Zeitung", Ausgabe Klagenfurt vom 1. Juni 1996 (699/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend "kranke" Kassen (700/J)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 13

Robert Elmecker und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Einberufung der Präsenzdiener aus dem Baugewerbe (701/J)

Robert Elmecker und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Errichtung eines Bundesgymnasiums in Gallneukirchen (702/J)

Robert Elmecker und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Tätigkeit und Kontakte mit Medienmitarbeitern der Angehörigen des Heeres-Nachrichtenamtes und des Abwehramtes (703/J)

Johann Schuster und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend strukturelle Entwicklung der Einzelrichtmengen bei Milch (704/J)

Dr. Andreas Khol und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Schikane polnischer Touristen durch österreichische Zöllner (705/J)

Mag. Dr. Josef Höchtl und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend "Tips für’s Leben" von einem Landesschulsprecher in der AKS-Zeitschrift "Explosiv" (706/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verbesserung des Schuldenmanagements (707/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend durchschnittliche Pro-Kopf-Belastung durch das Sparpaket (708/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Aufhebung der Sparbuch-Anonymität (709/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend die Gebarung der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (710/J)

Peter Rosenstingl und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Auswahl der zu realisierenden Bahninfrastrukturprojekte (711/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend dramatische Steigerung bei Frühpensionierungen (712/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Teilnahme Italiens an der Währungsunion (713/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Teilnahme Italiens an der Währungsunion (714/J)

Peter Rosenstingl und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Anfragebeantwortung 240/AB, Bewilligungen für den internationalen Straßengüterverkehr zwischen Österreich und der Türkei (715/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verbindlichkeiten verschiedener Ostländer (716/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend die mißbräuchliche Inanspruchnahme von Leistungen der österreichischen Krankenversicherungsträger durch Personen nichtösterreichischer Staatsangehörigkeit (717/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Vereinfachung der Intrastatbürokratie (718/J)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 14

Dr. Sonja Moser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Kartenvergabe der Österreichischen Bundestheater (719/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verwaltungsaufwand (720/J)

Johann Schuster und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Kennzeichnung von Fleisch und Fleischprodukten (721/J)

Mag. Walter Posch und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend schulische Integration behinderter Kinder (722/J)

Mag. Walter Posch und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Kleingewerbekreditaktion der BÜRGES-Förderungsbank (723/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Verpflegung von Zivildienern durch Warengutscheine (724/J)

Peter Marizzi und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Fördergesetze und -richtlinien (725/J)

Peter Marizzi und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Änderung der Fördergesetze und -richtlinien (726/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Verwendung von Zivildienern in landwirtschaftlichen Einrichtungen (727/J)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Neubau der Veterinärmedizinischen Universität (VMU) (728/J)

Manfred Lackner und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Dotierung des Katastrophenfonds (729/J)

Manfred Lackner und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend die Verwendung von Geldern aus dem Verkauf der Autobahnvignetten (730/J)

Manfred Lackner und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend die Gebührenbefreiung Behinderter bei ISDN-Anschlüssen (731/J)

Manfred Lackner und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die katastrophalen Zustände bei den ÖBB in Zusammenhang mit den "Neuerungen" am 2. Juni 1996 (732/J)

Manfred Lackner und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend die katastrophalen Zustände bei den ÖBB in Zusammenhang mit den "Neuerungen" am 2. Juni 1996 (733/J)

Manfred Lackner und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Verwendung von Geldern aus dem Verkauf der Autobahnvignetten (734/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Wachzimmer Salzburg-Lehen (735/J)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 15

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Budgetdefizit und Konvergenzkriterien (736/J)

Franz Lafer und Genossen an den Bundeskanzler betreffend das Arbeitszeitmodell des Staatssekretärs Mag. Schlögl (737/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Adelsgesetz (738/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundeskanzler betreffend den Slogan "Österreich zuerst" (739/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Bezugszettel der Bundesbediensteten (740/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Einsparungen in der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (741/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend den Vorstand des Finanzamtes Leoben (742/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundeskanzler betreffend die Einmalzahlung für den öffentlichen Dienst in den Jahren 1996 und 1997 (743/J)

Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Nichtvorlage des Verteilungsberichtes (744/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Abschluß eines Assoziationsvertrages mit Euratom im Bereich der reaktorrelevanten Kernfusionsforschung (745/J)

Ing. Monika Langthaler und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend fehlende Kennzeichnung von Kühlgeräten mit dem "EU-Label" (746/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Maßnahmen der Bundesregierung bezüglich Sekten und destruktiver Kulte (747/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Maßnahmen der Bundesregierung bezüglich Sekten und destruktiver Kulte (748/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Maßnahmen der Bundesregierung bezüglich Sekten und destruktiver Kulte (749/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend probeweise Einführung von Bauarbeiterausweisen (750/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Höhe des Arbeitslosengeldes (751/J)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 16

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Verfahren zur Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen (752/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Vorsorgemaßnahmen nach dem Gentechnikgesetz (753/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Besetzung der Gentechnikkommission und ihrer wissenschaftlichen Ausschüsse (754/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Verlängerung des Selbstbehaltes bei Schulbüchern (755/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend angenommene Übereinkommen und Empfehlungen der Internationalen Arbeitskonferenz (756/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Einsparungsmöglichkeiten bei Schulbüchern (757/J)

Andreas Wabl und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Jubiläumsbroschüre Martinekkaserne (758/J)

Andreas Wabl und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Schmuggel von Pestiziden nach Österreich (759/J)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 17

Rudolf Anschober und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Entsorgung radioaktiver Molke nach Moldawien (760/J)

Rudolf Anschober und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Nachbarschutz gegen Lärmbelästigung von seiten religiöser Vereinigungen (761/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Neustrukturierung des Straßenbaus in Österreich (762/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Befreiung von behinderten AutobahnbenutzerInnen von der Mautgebühr (763/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Benützbarkeit der ÖBB für behinderte Menschen (764/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Licht ins Dunkel fragwürdiger Stromimportverträge (765/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Bau der vierten Linzer Donaubrücke (766/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Speisewaggons der ÖBB (767/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verletzung der VRV (768/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Vorlage des aktuellen CPT-Berichtes (769/J)

Rudolf Anschober und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Jedidja-Sekte (770/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Zeitschrift "Offizier" und die Österreichische Offiziersgesellschaft (ÖOG) (771/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend österreichische Waffengeschäfte – SCOTT-Report/Exporte nach Saudi-Arabien (772/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend österreichische Waffengeschäfte – SCOTT-Report/Exporte nach Saudi-Arabien (773/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend österreichische Waffengeschäfte – SCOTT-Report/Exporte nach Saudi-Arabien (774/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend die Förderung des Filmes "Ich gelobe" (775/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend "Leitlinien zur Verhinderung von Störungen der öffentlichen Ordnung bei Fußballspielen und zur Eindämmung dieser Störungen" (776/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Ökonomierichtlinien des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger für die Verordnung wirkstoffidentischer Fertigarzneimittel (Generika) (777/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Ökonomierichtlinien des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger für die Verordnung wirkstoffidentischer Fertigarzneimittel (Generika) (778/J)

Franz Koller und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend die Schließung steirischer Krankenhäuser (779/J)

Franz Koller und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend die Schließung steirischer Krankenhäuser (780/J)

Ing. Mathias Reichhold und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Herkunftsnachweis bei Rindern (781/J)

Ing. Mathias Reichhold und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Herkunftsnachweis bei Rindern (782/J)

Dr. Friedhelm Frischenschlager und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend die Situation am Institut für Computerwissenschaften der Universität Salzburg (783/J)

Otmar Brix und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Kaserne in Wien Simmering (784/J)

Otmar Brix und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Postamt 1113 Wien, Mühlsangergasse 6 (785/J)

Ute Apfelbeck und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Kauf der Liegenschaft KG Jakomini, EZ 27, Graz, Friedrichsgasse, durch die steirische GKK (786/J)

Irmtraut Karlsson und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Innovationspolitik der Europäischen Union (787/J)

Irmtraut Karlsson und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Innovationspolitik der Europäischen Union (788/J)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 18

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mares Rossmann und Genossen (365/AB zu 546/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen (366/AB zu 549/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Elfriede Madl und Genossen (367/AB zu 364/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen (368/AB zu 366/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Susanne Preisinger und Genossen (369/AB zu 363/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Parnigoni und Genossen (370/AB zu 561/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (371/AB zu 379/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (372/AB zu 384/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (373/AB zu 385/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen (374/AB zu 371/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen (375/AB zu 534/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (376/AB zu 548/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Willi Brauneder und Genossen (377/AB zu 506/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Walter Murauer und Genossen (378/AB zu 369/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Karl Maitz und Genossen (379/AB zu 480/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Nürnberger und Genossen (380/AB zu 443/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Brigitte Tegischer und Genossen (381/AB zu 393/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (382/AB zu 532/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Franz Steindl und Genossen (383/AB zu 423/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (384/AB zu 413/J)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 19

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (385/AB zu 573/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Ernst Fink und Genossen (386/AB zu 595/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen (387/AB zu 450/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (388/AB zu 381/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen (389/AB zu 387/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Dietachmayr und Genossen (390/AB zu 490/J)

des  Bundesministers  für  Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen (391/AB zu 518/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (392/AB zu 436/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen (393/AB zu 453/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Marianne Hagenhofer und Genossen (394/AB zu 389/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (395/AB zu 463/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen (396/AB zu 372/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Hlavac und Genossen (397/AB zu 390/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler und Genossen (398/AB zu 460/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Cordula Frieser und Genossen (399/AB zu 459/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen (400/AB zu 582/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Parnigoni und Genossen (401/AB zu 456/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Verena Dunst und Genossen (402/AB zu 442/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Klara Motter und Genossen (403/AB zu 438/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Manfred Lackner und Genossen (404/AB zu 437/J)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 20

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Marianne Hagenhofer und Genossen (405/AB zu 388/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (406/AB zu 375/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (407/AB zu 377/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (408/AB zu 373/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (409/AB zu 380/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (410/AB zu 378/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter und Genossen (411/AB zu 370/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (412/AB zu 383/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Gerfried Müller und Genossen (413/AB zu 445/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (414/AB zu 374/J)

des  Bundesministers  für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen (415/AB zu 451/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Haigermoser und Genossen (416/AB zu 484/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen (417/AB zu 580/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen (Zu 294/AB zu 499/J)

 


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 21

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 27. Sitzung des Nationalrates und darf Sie alle herzlich begrüßen. (Im Sitzungssaal ist zunächst nur ein Teil der Abgeordneten anwesend.)

Ich möchte bei der Tradition bleiben, die einberufenen Sitzungen des Nationalrates zu der Zeit zu eröffnen, zu der sie einberufen wurden.

Die Amtlichen Protokolle der 23. Sitzung vom 22. und 23. Mai sowie der 24., 25. und 26. Sitzung sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Für den heutigen Sitzungstag als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dr. Mock, Neugebauer, Anna Huber und Dr. Fuhrmann.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Entschließungen des Bundespräsidenten betreffend Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilungen gemacht:

Herr Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Scholten wird durch Frau Bundesministerin Dr. Krammer vertreten. Frau Bundesministerin Dr. Helga Konrad wird durch Herrn Sozialminister Franz Hums vertreten und Herr Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Bartenstein durch Herrn Bundesminister Mag. Molterer.

Aktuelle Stunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

"Gewerbeordnung: Wirtschaftshemmnis für Österreich im gemeinsamen Markt"

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Peter, aber ich erteile ihm erst in wenigen Sekunden das Wort. – Ich unterbreche die Sitzung für eine Minute. (Da sich Bundesminister Dr. Ditz von der Regierungsbank wegbegeben hat, wird die Sitzung für kurze Zeit unterbrochen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und darf nunmehr Herrn Abgeordneten Mag. Peter das Wort erteilen. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte sehr.

9.04

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundesminister Dr. Ditz! Zwischen dem Antrag auf Abhaltung dieser Aktuellen Stunde und dem heutigen Tag sind Sie uns offensichtlich abhanden gekommen. Wir betrachten die Tatsache, daß wir heute mit Ihnen über die Gewerbeordnung diskutieren, als ein kleines Abschiedsgeschenk an einen Wirtschaftsminister, der sich mit dieser Frage auseinandergesetzt hat, von dem aber in den Annalen nur übrigbleiben wird – leider! –, daß er ein kluger, engagierter Mann war, der sich jedoch in wesentlichen Fragen der Liberalisierung von Gewerbeordnung und Ladenschluß nicht durchsetzen konnte. – Ich halte das für Ihren Abgang eigentlich für schade,


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 22

Herr Bundesminister Dr. Ditz. Mir wäre es lieber gewesen, Sie hätten diesbezüglich – außer Vorschlägen – konkret politisch etwas zustande gebracht.

Zum Schüssel-Ditz-Kurs. (Abg. Wabl: Was ist das bitte?) Wer erinnert sich nicht an den Schüssel-Ditz-Kurs? – An dem sollte Österreich genesen, es sollte besser werden.

Der Schüssel-Ditz-Kurs, Freund Wabl, war: Wir müssen 40 000 neue Unternehmungen gründen – und das auf Befehl. Unternehmungen gründet man ja von oben herunter und nicht von unten hinauf; aber immerhin gibt es die Erkenntnis, daß nur Unternehmer produktive Arbeitsplätze schaffen.

Es wurde also über ein Jungunternehmersparen diskutiert, über Förderungen, über Beratungen. Und wenn man dann endlich den Jungunternehmer an der Angel hat, wenn er endlich anbeißt und sagt: "Ich will selbständig werden!", dann beginnt der bürokratische Hürdenlauf: Er gerät in die Fänge der Bürokratie, in die Verstrickungen der Gewerbeordnung.

So geht es etwa einer Blumenverkäuferin, die die HAK-Matura hat und keinen richtigen Job findet – immer nur Beschäftigung für ein halbes Jahr – und die dann sagt: Wie wäre es denn, wenn ich mich als Blumenverkäuferin selbständig mache? – Sie geht zu ihrer Kammer, bei der sie dann Pflichtmitglied sein wird, und fragt: Was muß ich denn tun? – Die Antwort: Sie müssen da mindestens zwei Jahre lang arbeiten und Prüfungen ablegen, damit sie Zyklamen von Rosen unterscheiden können.

Meine Damen und Herren! Selbständigkeit schafft Arbeit, Selbständigkeit schafft neue Befriedigung von Kundenbedürfnissen – aber nicht bürokratische, kamerale Hemmungen der Gewerbeordnung. Lassen wir doch diese Blumenverkäuferin Blumen verkaufen! Was soll sie denn anstellen dabei? Warum soll man denn prüfen, ob sie Blumen verkaufen darf oder nicht?

Meine Damen und Herren! Diese Gewerbeordnung, die wir heute in Österreich haben, die gültiges Recht ist, ist doch eine Zunftordnung aus dem 19. Jahrhundert. Sie war aber im 19. Jahrhundert viel liberaler als heute. Sie wurde jedoch im Laufe der zwanziger, dreißiger und fünfziger Jahre immer rigider, ja sie wurde allmählich zu einem Instrument des Schutzes vor Konkurrenz!

Stellen Sie sich doch einmal vor, meine Damen und Herren, was passieren würde, wenn ein Bäcker auch eine Torte verkauft – oder noch "schlimmer": wenn ein Konditormeister ein Kipferl verkauft! – Das darf er nämlich nicht! (Abg. Ing. Maderthaner: Es geht um mehr als um ein Kipferl!) Herr Präsident Maderthaner wird ja nicht müde mit seinen Schutzbehauptungen und sagt immer wieder: Man muß doch die Qualität schützen! – Herr Präsident, ich weiß schon: Ein Konditor darf keine Kipferln verkaufen... (Abg. Ing. Maderthaner : Ich bitte Sie! Es geht doch um mehr als um ein Kipferl!)

Herr Präsident! Das sind doch "Argumente" aus dem tiefsten 19. Jahrhundert! Wann werden Sie endlich aufwachen und sehen, daß wir uns fast schon im 21. Jahrhundert befinden? (Beifall beim Liberalen Forum sowie Beifall des Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn .)

Meine Damen und Herren! Ein Blumenhändler – wir waren ja heute schon beim Thema Floristen – darf zwar eine Vase verkaufen, aber das Stockerl, auf das man die Vase stellt, darf er nicht verkaufen! Das ist doch skurril! Damit macht sich doch ein so schönes und modernes Land wie Österreich international lächerlich!

Wenn sich der von uns allen so geschätzte Landeshauptmann Pröll heute ein Zweitbuch kaufen will – "Der Schatz im Silbersee II" (Heiterkeit) –, dann darf er das nur in einem gewerblich und handelsmäßig autorisierten Geschäft tun. – Ich könnte mir vorstellen, es wäre ganz fein, dürfte er das auch an einer Tankstelle kaufen: Vielleicht würde der Herr Landeshauptmann dann doch eher zu einem Zweitbuch kommen.

Meine Damen und Herren! Dasselbe ist doch im Gewerbe: Wenn jemand von uns sein Bad umbaut, wenn jemand von uns seine Küche umbaut, braucht er dazu acht Professionisten, muß


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 23

zu acht Meistern gehen. "Verachtet mir die Meister nicht und ehret ihre Kunst." – Er muß zum Fliesenleger gehen, zum Maurer, zum Installateur, zum Elektriker, zum Isolierer, zum Tischler, zum Tapezierer und zum Spengler! Meine Damen und Herren, das alles ist doch skurril, bitte! Warum gibt es nicht einen Unternehmer, der für dieses eine Projekt alle Probleme löst?

Wir in der Wirtschaft müssen lernen, nicht Produkte zu verkaufen und Dienstleistungen anzubieten, sondern Probleme zu lösen! Und das Problem des Konsumenten ist – um bei diesem Beispiel zu bleiben – eben das neue Bad, Herr Wirtschaftsminister! Sie, Herr Minister, werden ja jetzt eine neue Wohnung beziehen – und ich hoffe, Sie haben schon ein schönes Bad, denn sonst müßten Sie mit acht verschiedenen Professionisten verhandeln! Achtmal müßten Sie Baustelleneinrichtung bezahlen, achtmal die Overheads der ganzen Firma mitzahlen! Das heißt, das Bad kostet dann sicher um 20, 30 oder sogar 40 Prozent mehr. – Eine reaktionäre Gewerbeordnung verhindert, daß Unternehmer wirklich im Sinne des Kunden auf dem Markt auftreten und erfolgreich sein können.

Qualität, meine Damen und Herren, sind nicht irgendwelche Kriterien der Vergangenheit, sondern Qualität, Herr Präsident Maderthaner, ist ausschließlich die Erfüllung von Kundenerwartungen. Der Qualitätsbegriff ändert sich mit den Menschen, mit der Zeit. Die Prüfungen der Vergangenheit, die Prüfungen des Jahres 1955, 1958 oder 1962 stellen doch keine Garantie für die Qualität des Jahres 1997 dar! Strenge Haftung und Verantwortung, das müssen Unternehmer für ihre Kunden tragen.

Wir Liberalen haben bereits vor einem halben Jahr ein neues Gewerbegesetz eingebracht, nachdem wir festgestellt hatten, daß die alte Gewerbeordnung nur noch einen Platz in dieser Republik hat: Sie gehört ins Gewerbemuseum und dort aufbewahrt wie ein heiliges Buch der Vergangenheit. Wir Liberalen haben am 15. Jänner einen Entwurf bezüglich eines neuen Gewerbegesetzes ins Parlament eingebracht, und zwar mit nur mehr 56 Paragraphen; ein schlankes, in sich durchdachtes Gesetz, ein Initiativantrag, der es in sich hat.

Was Sie von den Koalitionsparteien tun, ist der übliche Reflex: Sie lassen solche Anträge in den Ausschüssen sozusagen verschimmeln, weil Sie nicht bereit sind, über konstruktive Initiativanträge der Opposition hier mit uns zu verhandeln. (Demonstrativer Beifall des Abg. Wabl .)

Wir hören vor allem von seiten der Wirtschaftskammer Schutzbehauptungen statt Argumente.

Erste Schutzbehauptung: Es handelt sich um ein bewährtes System. – Meine Damen und Herren! In der Vergangenheit hat es sich schon bewährt, das glaube ich auch, nur: Wir wollen die Zukunft gewinnen. Wir wollen in Zukunft mehr Arbeit schaffen, wir wollen in Zukunft produktiver sein, wir wollen bessere Dienstleistungen für die Konsumenten bieten.

Das zweite Argument: die Sicherheit. – Natürlich, das ist ein wesentliches und schwerwiegendes Argument. Wir müssen die Garantie geben, daß bei gewerblicher Tätigkeit der Schutz von Mensch, Tier und Umwelt gewährleistet ist. Die Frage ist nur, ob man das durch Prüfungen machen kann und wo man konkrete Haftungsbestimmungen mit einem entsprechenden Versicherungsschutz haben soll. Wir haben klar definiert, daß jemand, der mit geringem Wissen heute als Fliesenleger beginnen will, selbstverständlich mit einer privaten Haftpflichtversicherung und mit einer höheren Einstiegsprämie arbeiten wird als jemand, der eine Meisterprüfung, also eine hochqualitative Ausbildung, hat. Dieser wird eine niedrigere Prämie haben. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das ist das, was Professor Lukesch nicht versteht. Das ist Privatwirtschaft, das versteht er aber auf seiner Universität nicht. Das ist Wettbewerb, das ist ihm fremd. Ich verstehe das schon. Wir müssen es ihm zumindest begreiflich zu machen versuchen. (Abg. Ing. Maderthaner : Soviel Unsinn habe ich schon lange nicht gehört! Das darf doch nicht wahr sein! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es geht um eine Haftpflichtversicherung, die ganz klar dem Konsumenten gegenüber die Verantwortung übernimmt. Kommen Haftpflichtfälle zustande, gibt es einen Malus, kommen keine


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 24

zustande, gibt es einen Bonus. – Es ist ganz lustig, zu beobachten, wie das Präsidenten Maderthaner amüsiert. Es freut mich, wenn man auch mit kleinen Sachen einen Präsidenten zum Lachen bringen kann. (Abg. Ing. Maderthaner: Ich muß ja lachen, wenn Sie soviel Dummheit daherreden!)

Meine Damen und Herren! Die Lehrlingsausbildung ist davon überhaupt nicht berührt. Sie können nach wie vor ein Feststellungsverfahren machen, nach wie vor sagen, Lehrlingsausbildung hat eine Meisterprüfung bindend zur Voraussetzung. Nicht jedes Unternehmen bildet Lehrlinge aus. Das Feststellungsverfahren kann jederzeit bleiben. Das ist eine reine Schutzbehauptung, Herr Präsident! Die Meisterprüfung ist nicht abzuschaffen. (Abg. Ing. Maderthaner : Wer wird die Leute dann ausbilden?) Sie ist eine wichtige, freiwillige Voraussetzung. Wer in der Lage sein will, ein Unternehmen zu führen, kann sich entscheiden, ob er sie macht oder nicht. Wenn er Lehrlinge ausbilden möchte, dann muß er sie machen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Ing. Maderthaner .)

Die vierte Schutzbehauptung, die Präsident Maderthaner nicht müde wird, von sich zu geben: der Schutz der Kleinbetriebe. – Hochverehrter Herr Präsident! Sie haben nichts verstanden! Kleinbetriebe darf man nicht schützen. Kleinbetriebe muß man flexibel sein lassen. Das ist ihre Chance gegenüber den großen, aber nicht der kamerale Schutz des "Vaters", der Gewerbeordnung. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn Sie, Herr Präsident Maderthaner, mehrfach – fast drohend – meinten: "Wir sind kein Hemmschuh, bei uns steht die Qualität im Vordergrund!", dann sollten Sie wirklich dazusagen, daß es Ihnen um die Zunftordnung geht. Ihnen geht es um Machtausübung. Ihnen geht es darum, überall die Finger drinnen zu haben und zu bestimmen, wer ein Gewerbe ausübt. Das ist doch die Wahrheit. Sagen Sie das doch auch – dann wissen es wenigstens alle!

Meine Damen und Herren! Das Gewerbegesetz stellt eine Chance dar, die Diskriminierung von Inländern zu begrenzen, die wir haben, seitdem Österreich Mitglied der Europäischen Union ist. Jemand, der drei Jahre lang ein Strandbuffet in Portugal betrieben hat, kann morgen in Österreich ein Großhotel führen. Es ist eine Chance für den Bürokratieabbau, es ist auch eine Chance für neue Beschäftigung, denn die Menge an Arbeit in dieser Gesellschaft ist nicht definiert. Es gibt viel Arbeit, die nicht getan wird – aus dem ganz einfachen Grund, weil sie nicht gewerblich ausgeführt werden kann und daher in den Pfusch abgedrängt wird.

Mehr Wettbewerb, mehr Ideen, mehr Arbeitsplätze, mehr Unternehmen durch Liberalisierung der Gewerbeordnung! – Sire, geben Sie Gewerbefreiheit! (Beifall beim Liberalen Forum.)

9.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Abgabe einer Stellungnahme gelangt der Herr Bundesminister zu Wort. Auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundesminister.

9.14

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Johannes Ditz: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Zunächst darf ich festhalten, daß in meinem Haus die Vorarbeiten für eine große Gewerberechtsreform abgeschlossen sind und daß wir jetzt an die politische Umsetzung gehen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben dabei nicht einfach willkürlich gehandelt, und ich halte es auch für völlig falsch, alles aufzulösen und zu sagen, die gesamte Gewerbeordnung brauchen wir nicht. Wir haben eine Studie gemacht und festgestellt: In jedem Land Europas gibt es gewisse Kriterien für den Zugang zu selbständiger Tätigkeit. Das ist zur Sicherung der Qualität notwendig. Das ist sinnvoll, um den Wettbewerb zu fixieren, aber auch die Qualität zu sichern. Und daher glaube ich, daß ein Mittelweg gefunden werden muß. (Beifall bei der ÖVP.)

Die EU zwingt uns – auch das muß man offen sagen – sicherlich nicht zu einer Änderung. Wir müssen nichts ändern. Aber ich erkenne sehr deutlich, daß es aufgrund des Prinzips der Gegenseitigkeit in der österreichischen Wirtschaftspolitik nicht sinnvoll wäre, dem österreichischen


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 25

Unternehmer den Zugang wesentlich schwerer zu machen als einem möglichen ausländischen Unternehmer in Österreich. Und daher werden wir in einer großen Gewerberechtsreform diese Punkte ändern.

Diese Gewerberechtsreform hat drei Zielsetzungen. Erste Zielsetzung: Erleichterung des Zugangs zur selbständigen gewerblichen Tätigkeit. Zweite Zielsetzung: Maßnahmen zur Verwaltungsvereinfachung und Entbürokratisierung. Dritte Zielsetzung: Förderung des Wettbewerbsgedankens. – Ich möchte den Mitarbeitern meines Hauses wirklich dafür danken, daß sie diesbezüglich einen umfassenden, sicherlich einen Maximalentwurf fertiggestellt haben.

Dieser Maximalentwurf beinhaltet sieben Regelungsschwerpunkte. Erster Schwerpunkt: Wir glauben, daß der Zugang zum Handwerk erleichtert werden sollte, daß aber gleichzeitig die Meisterprüfung aufzuwerten ist. Verpflichtend würde ich sie allerdings nur für gewisse Berufe vorsehen, wo etwa eine Gesundheitsgefährdung oder andere Dinge vorkommen können. Ich würde außerdem Anreize zur Ablegung der Meisterprüfung setzen, weil ich davon überzeugt bin, daß sie ein Qualitätssiegel ist, das uns helfen kann und helfen wird, österreichische Produkte optimal zu vermarkten. (Beifall bei der ÖVP.)

Der zweite Schwerpunkt dieses Entwurfs ist die Umwandlung von gebundenen Gewerben in freie Gewerbe, also in Gewerbe ohne Befähigungsnachweis. Und da ist es sicher sinnvoll, möglichst großzügig vorzugehen. Ich glaube, daß es im Handel viele neue Ideen gibt und daß man daher ein freies Gewerbe schaffen sollte. Ich glaube, Tankwarte, Unternehmensberater, Vermögensberater sind eigentlich Tätigkeiten einer modernen Dienstleistungsgesellschaft, bei denen der freie Zugang sinnvoll ist und die Qualität auch die Nachfrage sichert.

Der dritte Schwerpunkt ist sicherlich der erleichterte Zugang zu gebundenen Gewerben für Hochschul- und Fachhochschulabsolventen. Wenn jemand eine Hochschule oder eine Fachhochschule absolviert hat, dann müssen wir annehmen, daß er ein Unternehmen führen kann. Garantieschein gibt es trotzdem keinen. Aber ich glaube, das wäre sinnvoll.

Vierter Schwerpunkt: volle Supplierungsmöglichkeit. Das heißt: Ausübung eines Gewerbes durch eine physische Person auch ohne Erbringung des erforderlichen Befähigungsnachweises, wenn ein den gesetzlichen Vorschriften entsprechender gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt ist. Auch damit wird Flexibilität gewonnen.

Fünfter Schwerpunkt – dieser ist sicherlich umstritten, und man muß ihn diskutieren – ist der Entfall der Unternehmerprüfung für Absolventen kaufmännischer Lehrberufe sowie für Personen, die ihre unternehmerische Fähigkeit bereits nachgewiesen haben. Ich glaube, daß wir auch anerkennen müssen, daß sich die Leute von sich aus kaufmännisch ausbilden, damit sie reüssieren können. Und ich denke, der Nachweis eines diesbezüglichen Kurses sollte genügen.

Der sechste Schwerpunkt – er wurde hier bereits angesprochen, und es gibt so manche groteske Situationen, die nur dazu führen, daß die Tätigkeiten dann nicht mehr in der offiziellen Wirtschaft, sondern in der grauen Wirtschaft ausgeübt werden – ist die Erweiterung des Gewerberechtsumfanges. Das ist notwendig und sinnvoll. Das gilt sowohl für das Handwerk als auch für den Handel, also daß der Handel auch Montage machen kann und andere Dinge mehr – und auch, daß der Bäcker und der Konditor sozusagen im Tortenbereich nicht auf Dauer getrennt sind. Das ist sicher eine Forderung, die zu erfüllen ist – und erfüllt wird.

Ich habe auch nichts dagegen, wenn Tankstellenbesitzer ihr Handelssortiment erweitern, wir müssen aber auch unbedingt die Ladenöffnungszeiten zumindest für Kleinbetriebe ohne Beschäftigte freigeben. (Beifall bei der ÖVP, dem Liberalen Forum und den Grünen.) Das habe ich immer gefordert, das war immer eine sinnvolle ÖVP-Forderung, denn es kann ja nicht so sein, daß Tankstellen zu Handelsbetrieben mutieren müssen, während die Handelsbetriebe selbst, für die aber die neue Monopolsituation gilt, am Sonntag nicht aufsperren dürfen. Hier müssen wir dazu beitragen, daß sich die Dinge bewegen, verändern, und wir sollten uns bemühen, eine großzügigere Lösung zu finden. (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 26

Der siebente Schwerpunkt beinhaltet Maßnahmen zur Verwaltungsentlastung und Entbürokratisierung. Gebundene Gewerbe sind sicher notwendig – Gas-, Wasserleitungsinstallateure, Elektrotechniker –, aber ich glaube, daß die Bewilligungspflicht überdacht werden muß und daß eine Umreihung in Handwerke sinnvoll ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Gewerberecht zu liberalisieren ist notwendig, ist sinnvoll. Ich würde aber meinen, daß dies allein nicht jene Arbeitsplätze schafft, die wir dringend benötigen. Ich glaube, es ist dringend notwendig, auch die Liberalisierung in anderen Bereichen voranzutreiben, ganz genau zu überprüfen: Wie sieht denn zum Beispiel unser Arbeitsinspektoratsgesetz aus? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.) Ist es nicht so, daß im Laufe der Zeit immer mehr Bestimmungen angehäuft wurden, die heute keinen Schutz mehr bringen, sondern nur mehr Schikane und Bürokratie bedeuten?

Daher sollten wir eine sachliche, fachliche Diskussion darüber führen, welche anderen Materien diesbezüglich mitbearbeitet werden sollen, auch im Umweltrecht. In allen anderen Ländern hat man längst erkannt, daß man die Umweltauflagen für einen Industriebetrieb nicht auf einen Kleinbetrieb übertragen kann. Es ist notwendig, in diesem Bereich zu differenzieren und zu überprüfen, ob nicht in der ersten Euphorie Fehler passiert sind, die im Endeffekt verhindern, daß sich Jungunternehmer im Dschungel der Bürokratie zurechtfinden.

In diesem Sinne wünsche ich für die politischen Beratungen der Vorlagen alles Gute, viel Erfolg, und ich bin überzeugt, daß die Diskussion zu einem guten Ende für Österreich gebracht werden kann. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

9.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. Alle Redezeiten in dieser Debatte betragen ab jetzt 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

9.23

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, Herr Dr. Ditz, was Sie sagen würden, wenn ich Sie als liberales Feigenblatt der Wirtschaftspolitik der ÖVP bezeichne. Aber das sind Sie für mich. Ihre Aussagen sind, seit ich Sie kenne, immer so, daß ich mich schwertue, Ihnen sozusagen zu replizieren und zu sagen: Da sind Sie im Unrecht, da irren Sie. – Sie sagen das alles so schön, und ich glaube, viele Menschen in diesem Land haben Ihnen auch vertraut.

Für viele, insbesondere für die Unternehmer, waren Sie sozusagen die Hoffnung, daß es eine Kraft innerhalb dieser Regierung und innerhalb der ÖVP gibt, die die Unternehmeranliegen zum Besseren steuern könnte. Ich habe aber immer feststellen müssen, daß es eine deutliche Diskrepanz gibt zwischen dem, was Sie hier sagen, und dem, was in Ihrer Fraktion umgesetzt beziehungsweise was Gesetz wurde. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Eines möchte ich heute – an dem Tag, an dem Herrn Dr. Schüssel dieses Feigenblatt entrissen wird – einmal klarstellen: Herr Dr. Ditz, es ist bedauerlicherweise zuwenig, einer Meinung zu sein oder lediglich die richtigen Ansätze vorzutragen, es ist zuwenig, wenn Sie sagen, Sie hätten etwas vorbereitet und das gilt es jetzt umzusetzen.

Ich glaube, Sie wissen, daß die Umsetzung nicht in jenem Umfang oder in jener Qualität möglich sein wird, wie Sie es sich selbst vorstellen und wünschen. Für mich ist das einer der wesentlichen Gründe Ihrer Resignation und Ihres Rücktrittes. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sie wissen aus leidvoller Erfahrung, Herr Bundesminister, daß Ihre guten und zukunftsweisenden Vorschläge in diesem Haus mit den Stimmen Ihrer eigenen Fraktion niedergestimmt wurden. Sie selbst haben uns – ich war schon hier, also kann es noch nicht allzu lange her sein – gesagt, spätestens vor Weihnachten – ich glaube, Weihnachten 1995 war es wohl, es könnte auch 1994 gewesen sein – wird es keine Ladenöffnungszeiten mehr geben. Das war ein Strohfeuer. Einmal gesagt, der Herr Höchtl ist aufgestanden und hat gesagt: Njet, und ein paar


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 27

andere von der SPÖ auch, und die Sache war wieder schubladiert, es wurde nicht mehr darüber gesprochen. Und solche Beispiele, Herr Bundesminister Ditz, gibt es leider Gottes viele.

Zur Gewerbeordnung: Ich glaube, wir wären mit unseren Anliegen ja nicht so weit voneinander entfernt: den Zugang erleichtern – auch das wollen wir –, der Zwang entfällt – auch das wollen wir –, Anreize für das Meistersystem schaffen – auch das wollen wir, das hat Kollege Peter schon betont.

Die Parallelität zwischen freien und gebundenen Gewerben ist uns bewußt. Auch wir glauben, daß, sobald menschliches Leben oder auch Tiere betroffen sind, es eine Gewerbe- und eine Qualifikationsbeschränkung geben muß. Auch wir wollen, daß die Unternehmerprüfungen fallen, und wir wollen, wie Sie, eine Erweiterung im Umfang, wenn es überhaupt noch gebundene Gewerbe in diesem Bereich gibt.

Selbstverständlich, Herr Bundesminister, fordern auch wir Maßnahmen zur Verwaltungsvereinfachung. Sie haben für Ihren Hinweis Applaus bekommen, daß wir wohl auch darüber nachdenken müssen, ob das Arbeitsinspektionsgesetz und andere Gesetze – ich erinnere da an mein Lieblingsgesetz, das Arbeitnehmerschutzgesetz – bei der Umsetzung in die Praxis außer mit Kosten überhaupt mit positiven Effekten verbunden sind.

Wir haben sicherlich die Verpflichtung, darüber nachzudenken, ob diese Gesetze und Vorschriften überhaupt noch zeitgemäß sind. Aber alles, was wir tun, und alles, was wir hier vorbringen, ist unglaubwürdig, wenn wir das Problem nicht an der Wurzel packen. Herr Präsident Maderthaner! Das muß man Ihnen noch einmal sagen: Sie werden den Geruch des Kameralisten, des Kämmerers im schlechten Sinne des Wortes, des Schützers der Habenden, des Schützers einer kleinen, mächtigen Clique nicht loswerden, wenn Sie sich nicht einmal dazu durchringen, von dieser Unglaubwürdigkeit – das gilt auch für Sie, Herr Dr. Stummvoll – Ihres Ministers, der jetzt resigniert hat, der Ihrer Partei das größere Loch reißen wird, wegzukommen, sondern in dieser Unglaubwürdigkeit weiter agieren.

Einerseits treten Sie nach außen, Herr Dr. Stummvoll, und sagen: Ich werde nie einer Verfassungsregelung zustimmen, das ist gegen meine Überzeugung. Und dann stehen Sie hier im Plenum auf und haben nicht einmal die Courage, wenigstens hinauszugehen. (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das, meine Damen und Herren von der ÖVP, sollten Sie sich am heutigen Tag, an dem Herr Bundesminister Dr. Ditz zum letzten Mal hier sitzt, hinter die Ohren schreiben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

9.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Heindl. Er hat das Wort.

9.29

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Jawohl, Herr Kollege Peter, natürlich wollen auch wir die Blumenhändler Blumen verkaufen lassen, aber es geht ja um viel mehr. Wir sollten uns mit dieser Sache intensiver auseinandersetzen. Die Aktuelle Stunde ist aber leider zu kurz, um alle Probleme besprechen zu können.

Vieles Ihrer kritischen Auffassung teile ich, dennoch darf man den Hintergrund nicht außer acht lassen, denn die Gewerbeordnung war und ist einer der wesentlichsten Bausteine des legistischen Fundaments unserer gesamten Wirtschaft, sie war und ist der Rahmen für zirka 1,5 bis 1,6 Millionen Beschäftigte, sie war und ist letztlich auch die Basis für die Kollektivverträge. All das ist für das gesamte soziale Klima, für ein gutes Wirtschaftsklima in diesem Land notwendig. Wir können nicht glauben, daß, wenn wir etliche Paragraphen weglassen, bereits ein gesunder Wettbewerb entsteht und wir damit schon die Probleme gelöst haben. Es wäre schön, wenn es so einfach wäre.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 28

Das Erfordernis einer rechtlichen Erlaubnis, meine Damen und Herren, ein Unternehmen zu gründen, ist ja nicht nur für Unternehmer selbst, sondern logischerweise auch für die Schaffung von Arbeitsplätzen von Bedeutung. Ein rigoroser Zugang zum Gewerbe ist – diesbezüglich bin ich ganz Ihrer Meinung – ein ungerechtfertigter Konkurrenzschutz in den verschiedensten Branchen. Er betrifft letztlich auch wieder die Schaffung von Arbeitsplätzen, sei es für gut oder weniger gut qualifizierte Arbeitskräfte. Dies stellt aber primär ein Problem für die Gewerbebetriebe im engeren Sinn dar. Zu den Handelsbetrieben in anderen Bereichen haben wir letztlich heute schon den erleichterten Zugang.

Das Liberale Forum hat nun einen Vorschlag eingebracht, der – fürs erste betrachtet – durchaus attraktiv ist. Ich frage mich nur, ob alle etwaigen Folgen bedacht wurden, und freue mich schon auf die heutige Diskussion. Denn es ist sehr einfach, zu sagen: Wir ersparen uns Hunderte, vielleicht sogar Tausende Paragraphen und Bestimmungen, wir regeln nämlich alles in den Bedingungen bei Versicherungsverträgen und ähnlichem mehr. Ich frage mich, ob Sie nicht einen Fehler begehen, wenn Sie sagen: Weg mit all diesen Paragraphen, wir regeln das in privaten Verträgen.

Ich kann das jetzt in der mir zur Verfügung stehenden kurzen Zeit nur anreißen – ohne daß Sie das zu sehr als Kritik empfinden sollen, aber für mich ist eines wichtig: Was bedeuten die Vorschläge des Liberalen Forums bei genauerer Betrachtung wirklich? – Die Versicherung wird de facto zur Gewerbebehörde. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Versicherungen würden zum Großteil die Paragraphen der Gewerbeordnung ersetzen, welche den Zugang zum Gewerbe regeln – das können wir dann in der Diskussion im Detail durchdenken.

Der Konsumentenschutz wird total abgeschafft, weil die entsprechenden Verordnungsermächtigungen aufgehoben werden. Das bedeutet eine Gefährdung der Berufsausbildung, da das Berufsausbildungsgesetz auf die Gewerbeeinteilung der Gewerbeordnung aufgebaut ist. Der Entwurf kokettiert mit der Abschaffung von Paragraphen, übersieht aber, daß diese abgeschafften Paragraphen letztlich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Versicherungen und anderen Gesetzen wieder auferstehen würden.

Hat man nun mehr Vertrauen zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Versicherungen oder zu staatlichen Regelungen – sei es für den Unternehmer, sei es für den Konsumenten? – Das sind Fragen, die man bei diesem Ihrem durchaus attraktiven Vorschlag bedenken sollte.

Um es vorweg zu sagen, meine Damen und Herren vom Liberalen Forum: Wir Sozialdemokraten sind für eine weitestgehende, tiefgreifende Reform. Diesbezüglich teilen wir Ihre Auffassung. Die Zielrichtungen, die Herr Minister Ditz angeführt hat, gelten für uns auch. Es stellt sich nur die Frage, wie man sie dann tatsächlich im Detail umsetzen kann.

Wir sollten nicht so tun, als wäre die bisherige Gewerbeordnung lediglich der Hemmschuh schlechthin gewesen. Wie sonst – und das wissen Sie genauso gut wie wir – wäre es zu erklären, daß gerade die Klein- und Mittelbetriebe im Zuge der Westerweiterung, des EWR- und EU-Beitritts, Exporterfolge verzeichnen konnten? Wäre das ganze System wirklich so schlecht, dann wären doch diese Erfolge nicht möglich gewesen.

Ich betone noch einmal: Durch den rasanten Wandel und aufgrund des verstärkten Wettbewerbs, dem wir jetzt gegenüberstehen, ist vieles zu ändern, um die notwendige Flexibilität möglich zu machen. Außerdem ist es notwendig – und dazu bekennen wir uns ganz besonders –, daß der Qualitätsgedanke verstärkt forciert wird.

Ich sehe zum Beispiel überhaupt nicht ein – auch wenn das Sozialprestige der Meisterbetriebe und der Facharbeiter gehoben werden soll –: Warum soll nicht ein Meister freien Zugang zur Universität haben? – Wer neun Jahre gelernt hat, wer so viele Prüfungen abgelegt hat, dem kann doch dieser Zugang auch gewährt werden. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Tichy-Schreder und Dr. Stummvoll. ) Wir müssen das Sozialprestige der Handwerker heben, der Meisterbetrieb muß ein Gütesiegel darstellen. Aber das darf uns nicht hindern, gleichzeitig einen erleichterten Zugang zur Gründung von Gewerbebetrieben zu schaffen, sei es Ihr Beispiel der


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 29

Gärtnerin oder Hunderte andere, die ich nennen könnte, wo man nicht unbedingt Meister sein muß.

Wir fordern eine Reduktion, eine Vernetzung der verschiedenen Gewerbe, einen erleichterten Übergang in "verwandte" Gewerbe. Wir sind der Meinung, daß man insbesondere für den Betrieb von kleineren Gewerben, für leichtere Tätigkeiten, nicht unbedingt Meister sein muß. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. Er hat das Wort.

9.34

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Hauptproblem in Europa ist heute tatsächlich die Sicherung der Arbeitsplätze. Und wenn diese Koalitionsregierung die Gründung von Unternehmen in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen gestellt hat, so deshalb, weil sie erkannt hat, daß nur Unternehmen Arbeitsplätze schaffen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir müssen daher tatsächlich alles tun, um Unternehmensgründungen in Österreich zu fördern. Ich warne aber vor dem Trugschluß, man brauche nur die Gewerbeordnung abzuschaffen beziehungsweise zu ändern, und schon werden neue Unternehmen nur so aus dem Boden schießen. Aus meiner täglichen Arbeit weiß ich, daß die Frage des Gewerberechtes und hier im speziellen des Befähigungsnachweises in den meisten Fällen lösbar und daher überhaupt kein Problem ist.

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen insgesamt sind es, die sogar Unternehmerkinder davon abhalten, Betriebe zu übernehmen; sie sagen: Wir wissen, was uns erwartet. Nein danke, das tun wir nicht. – Da müssen wir ansetzen!

Im Prinzip ist es aber für viele nur diese Qualifizierungsordnung, die heute oft in Frage gestellt wird. Man meint, man müsse den Zugang zum Unternehmertum von jeder Qualifikation unabhängig machen und ihn so erleichtern. Warum eigentlich nur für Unternehmer und nicht auch für andere Berufe, wie zum Beispiel Lehrer, Polizisten, Pfarrer, Rechtsanwälte, Schilehrer? Ja sogar die Tagesmütter fordern heute eine Qualifizierung, um zu ihrer Gruppe gehören zu können. – Keine Angst, ich fordere keine zusätzliche Qualifikation für Politiker. (Abg. Dr. Haselsteiner: Die wäre aber notwendig!) Wahrscheinlich wäre sie notwendig; ja, Sie haben recht.

Unabhängig davon, daß es in fast allen Ländern der EU Regelungen für den Gewerbeantritt gibt, frage ich: Glaubt denn wirklich jemand, daß man heute mit geringen bis keinen Voraussetzungen in der Wirtschaft Erfolg haben kann? – Mit einer Goldgräbermentalität, so nach dem Motto: soll halt jeder mal sein Glück versuchen, wird man die Herausforderungen des europäischen Marktes nicht bestehen. Ich darf hier meinen Parteiobmann Wolfgang Schüssel zitieren, der gestern in einem ganz anderen Zusammenhang gemeint hat: The new economy is an economy of knowledge. (Beifall bei der ÖVP.)

Dies belegt leider auch die jüngste Studie des Kreditschutzverbandes über die Ursachen für Insolvenzen aus dem Jahre 1995. Mehr als drei Viertel aller Insolvenzfälle des Jahres 1995 sind auf kaufmännische Fehlleistungen zurückzuführen, nur 15 Prozent davon sind sozusagen fremdverschuldet. Das müssen wir leider zur Kenntnis nehmen. Ich glaube nicht, daß der Vorschlag des Liberalen Forums, der als einzige Voraussetzung für den Gewerbeantritt lediglich den Abschluß einer Haftpflichtversicherung vorsieht, ernst gemeint ist. Sie mißtrauen den Prüfungskommissionen der Gewerbebehörden, aber Sie trauen der Versicherung zu, diese mangelnde Qualifikation über die Höhe der Prämie auszugleichen. (Abg. Mag. Peter: Das ist Marktwirtschaft!) Das ist Marktwirtschaft, aber diese Marktwirtschaft ist eine tödliche Marktwirtschaft, Herr Peter, und damit werden Sie die Qualifikation unserer Wirtschaft nicht heben können. (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 30

Sie können einen Konsumenten dazu bringen, daß er jahrelang um sein Recht streitet, um seinen Auftrag endlich erfüllt zu bekommen. Sie können amerikanische Verhältnisse in unser System zaubern. Ich glaube aber nicht, daß dieses System unsere Wettbewerbsposition innerhalb der Europäischen Gemeinschaft verstärkt. (Beifall bei der ÖVP.)

Noch eines: Ihr Bad-Problem ist kein Problem der Gewerbeordnung, sondern einzig und allein eine Frage der Qualifikation. Welche Qualität hat der Unternehmer? Diesbezüglich gibt es heute schon so viele Möglichkeiten, nur manchmal reden die Leute von einer Farbe, die sie gar nicht kennen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Gewerbeordnung soll nicht den Wettbewerb beschränken, sondern einen fairen Wettbewerb unter Qualifizierten sicherstellen. Man soll auch dort, wo sie keinen Sinn macht, die Gewerbeordnung ändern. (Abg. Mag. Barmüller: Zum Beispiel?) Die Liste der Möglichkeiten ist unbegrenzt. Es gilt aber nicht, das System als Ganzes über Bord zu werfen, sondern es an die Herausforderungen unserer Zeit anzupassen. (Beifall bei der ÖVP.) Renovieren, nicht demolieren ist daher die Devise der Volkspartei! (Beifall bei der ÖVP.)

9.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Prinzhorn. Er hat das Wort.

9.39

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ich bin sehr froh, daß wir die Gelegenheit haben, diese Aktuelle Stunde auch während des Abgangs oder noch vor dem Abgang des Herrn Wirtschaftsministers abzuführen.

Ich glaube, es steht uns als Opposition auch einmal ganz gut an, Meinungen von Herrn Peter und Herrn Haselsteiner hier sehr zu würdigen, weil ich glaube, daß die Liberalisierung der Gewerbeordnung leider Gottes viel zu spät in Angriff genommen wird. Sie wissen ganz genau, Herr Minister Ditz, daß Ihr Vorgänger, Minister Schüssel, im Jahr 1992 noch ein Schäuferl draufgelegt und diese Gewerbeordnung noch weiter mit Einschränkungen und Erschwernissen belegt hat. Sie selbst haben von Ihren Kollegen der Kammer ja gehört, welche Argumente schon wieder gegen eine Reform sprechen. Sie führen schon wieder neue Prüfungen gegen Insolvenzen ein, "Insolvenzprüfungen" werden diese von Herrn Präsident Maderthaner genannt. Daß die Prüfungen nicht ausreichend sind, soll der Grund sein, warum wir die Insolvenzen nicht endlich eindämmen können. – Das ist ja skurril. Es geht schon wieder in die falsche Richtung! Und von Ihnen, Herr Minister, hört man dann gleich eine sozialpartnerschaftliche Antwort: Wenn Sie von der SPÖ einmal anfingen, bei den Arbeitsinspektoratsgesetzen etwas zu machen, dann hätten wir bei der Gewerbeordnung auch schon viel früher etwas gemacht! – Das ist ja dasselbe Verhaltensmuster wie immer – wieder und wieder und wieder! Ich frage mich: Wann wird man daraus lernen? (Beifall bei den Freiheitlichen und beim Liberalen Forum.)

Das ist es, was wir Freiheitlichen kritisieren, auch wenn wir über die EU reden. Wir haben uns nicht "fit gemacht". Wir haben hier 1992 unter Wirtschaftsminister Schüssel noch Dinge beschlossen, die uns von der EU weg entwickeln. Die Niederlassungsfreiheit in Österreich ist zum Beispiel heute für EU-Einwohner viel größer als für uns Österreicher selbst! Wir bekommen noch zusätzliche Prüfungen aufgebrummt, wenn es nach Ihnen, den Herren und Damen von der Kammer, geht! Das halten wir für einen Unsinn.

Es ist absolut richtig, daß man den liberalen Vorschlag da und dort durchforsten muß. Es muß das Qualifikations- und Schulungselement natürlich immer wieder berücksichtigt werden. Man muß auch sehen – das steht in diesem Vorschlag auch drinnen –, daß man nicht alles freigeben kann. Von einer Goldgräbermentalität, Frau Abgeordnete Fekter, sind wir weit entfernt! Aber es können nicht nur die Blumenbinder und ähnliche Bereiche liberalisiert werden, sondern es muß schon mehr... (Abg. Mag. Stadler: Schottergräberin!) Richtig! Ich sage das zwar nicht, ich verstehe das ja. – Ich glaube, dort liegt der Hund begraben! Dieses jetzt scheinheilige Freimachen in Richtung gebundene Gewerbe und sie nicht mehr konzessioniert zu nennen, das ist auch wieder eine Finte, mit der wir demnächst konfrontiert werden. Aber wir werden gleich


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 31

wieder die Gegenrechnungsgeschichte zu hören bekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und beim Liberalen Forum.)

Diese Gegenrechnungsgeschichte schaut doch wahrscheinlich wieder so aus: Ihr macht etwas bei den Arbeitszeitgesetzen, dann werden wir die Blumenbinder liberalisieren. – Das ist das Schneckentempo, in dem wir uns Europa und der Globalisierung der Welt stellen! Da muß ich sagen, das kann nur irgendwelchen Kammergehirnen entspringen, aber nie von Unternehmern stammen, die wirklich auf dem Markt, und zwar nicht nur in Floridsdorf oder Simmering, sondern auf einem etwas größeren Markt tätig sind. Das fehlt Ihnen doch!

Glauben Sie uns: Wir reden uns doch hier nicht den Mund fusselig, weil wir Sie sekkieren wollen, sondern weil wir Österreich von der letzten oder vorletzten Stelle des Anteils der Selbständigen von 6,3 Prozent einmal ein Stückchen weiter bringen wollen, nicht gleich dorthin, wo Italien und Holland sind, nein, aber wenigstens ein bißchen weiter bringen wollen! Frau Fekter, das muß Ihnen doch auch ein Anliegen sein, oder nicht? – Sagen Sie das doch bitte auch dem Herrn Puttinger und dem Herrn Maderthaner, die sind ja auch noch Unternehmer, und zwar sehr sympathische Unternehmer. Vielleicht werden sie auch sympathische Politiker, indem sie uns eurofit machen! (Demonstrativer Beifall der Abg. Dr. Stummvoll und Dr. Trinkl .) Jetzt applaudiert er endlich, der Stummvoll, jetzt haben wir es endlich geschafft! Bravo, Stummvoll! Er schließt sich dem an. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber das Ganze ist leider sehr traurig. Ich muß Ihnen sagen, ich finde es überhaupt nicht lustig. Die Position, die Sie nämlich damit dem Unternehmer in Österreich attestieren, ist eine Schande! Das muß ich Ihnen von der Kammer sagen, sosehr ich auch Kammermitglied bin und einen Haufen Geld bei Ihnen zahle. Es ist eine Schande! Sie hätten uns eurofit und Selbständigen-fit machen sollen, aber das haben Sie nicht getan! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Tichy-Schreder. )

9.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. Er hat das Wort.

9.44

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich die Liberalen beglückwünschen, daß sie dieses Thema für die Aktuelle Stunde gewählt haben. Es ist natürlich so: Mit der Gewerbeordnung liegt man grundsätzlich nie falsch, das als aktuelles Thema zu wählen. Zumindest in den letzten 30 Jahren ist man damit nie falsch gelegen. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Das hier (der Redner hält ein gelbes Heft in die Höhe) ist auch schon eine Zeitlang her, das war der Wirtschaftsbericht der OECD über Österreich von 1990. Das ist dieses harmlos aussehende Heftchen in der deutschen Übersetzung. Der Schwerpunkt der Berichterstattung waren die Wettbewerbsbeschränkungen in Österreich, und ein wesentlicher Teil davon waren die Auswirkungen der Gewerbeordnung. Dabei ging es weniger um die Wettbewerbsbeschränkungen innerhalb der Wirtschaft, sondern um die Marktzutrittsbeschränkungen. Was die Ideen für Marktzutrittsbeschränkungen betrifft, hat Österreich in der Vergangenheit einiges geleistet. Insofern ist es dann auch kein Wunder, wenn man in den internationalen Statistiken zum Schluß feststellt, daß Österreich ein Hochpreisland ist. Das ist die natürliche Folge solcher Marktzutrittsbeschränkungen.

Herr Minister Ditz! Ich habe Ihre Erklärungen darüber, was in der Zukunft bald kommen kann, gehört. Es wird natürlich schon ein bißchen überschattet dadurch, daß Sie – wie sagt man? Abeundi? Was ist das richtige lateinische Wort dafür? – uns leider verlassen. Ich kann nicht sagen, daß ich Ihren Optimismus darüber teile, daß diese Dinge in naher Zukunft in die Praxis umgesetzt werden. Dafür haben wir in der Vergangenheit viel zu viele schlechte Erfahrungen gemacht.

Ich glaube, daß die Liberalen einen durchaus interessanten Vorschlag zur Liberalisierung der Gewerbeordnung vorgelegt haben. Ich bin zwar nicht ganz überzeugt, daß in den Schnittstellen


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 32

zum Umweltschutz alles klar genug geregelt ist, aber darüber kann man noch diskutieren. Insbesondere beunruhigen mich die vagen Bestimmungen zum Betriebsanlagenrecht etwas. In der Vergangenheit sind diese Bestimmungen zum Teil durch die sogenannten Versuchbetriebsgenehmigungen mißbraucht worden, denen dann keine Berufungsmöglichkeit gegenüberstand. Kurz gesagt: Wir Grünen wünschen uns ein einheitliches Umweltanlagenrecht, und zwar, wie ich glaube, in weiten Bereichen gemeinsam mit der Industrie. Das kann durchaus zusammengehen mit einer Verfahrenskonzentration und einem Abbau bürokratischer Vorschriften, solange die Anforderungen des Umweltschutzes beziehungsweise die Rechte der Anrainer gewährleistet bleiben.

Ich habe schon gesagt: Die heutige Aktuelle Stunde wird außerdem noch aktualisiert durch den Rücktritt des zuständigen Bundesministers. Ich bedaure das, denn Bundesminister Ditz hat doch über Jahre den Eindruck vermittelt, sich auch in dieser Hinsicht, nämlich in der Liberalisierung, in der Förderung des Wettbewerbsgedankens, unermüdlich zu bemühen. Und da stocke ich natürlich schon, denn irgendwann einmal hat das eine Grenze, und er ist anscheinend doch ermüdet im Laufe der Zeit. Aber er hat sich bemüht! Von seinem Vorgänger, Minister Schüssel, würde ich das nicht sagen. Dieser war sehr lange Wirtschaftsminister, und in dieser ganzen Periode ist in bezug auf Liberalisierung so gut wie nichts geschehen. (Abg. Tichy-Schreder: Eine ganze Menge! Gerade Minister Schüssel! Er hat begonnen, zu liberalisieren!) – Vielleicht können Sie mir bei Gelegenheit erklären, was diese "ganze Menge" sein soll.

Jetzt stehen wir jedenfalls vor einer etwas merkwürdigen, skurrilen Situation. Minister Ditz war hauptbeteiligt an der Schnürung eines Budgetpakets, das – einmal rein technisch gesprochen – Respekt verdient. Ich möchte hier nicht mißverstanden werden: Es mußte geschnürt werden, weil vorher die Budgetsituation explodiert ist. Nichtsdestoweniger: Dieses Klima-Ditz-Paket verdient rein technisch gesprochen Respekt. Diese Aufgabe konnte bewältigt werden. Aber der Ladenschluß und die Liberalisierung der Gewerbeordnung können nicht bewältigt werden. Das gibt einen eigenartigen Einblick in die politischen Realitäten Österreichs.

Im Koalitionspakt und in der Regierungserklärung wurden uns Tausende, Zehntausende von Arbeitsplätzen versprochen sowie Tausende von neuen Firmen, die berühmte Gründerwelle, die demnächst über uns hereinbrechen soll. Ich frage: Wann bricht sie herein? (Zwischenrufe der Abg. Dr. Frischenschlager und Wabl. ) – Hunderttausend – ich weiß nicht mehr, wie viele das waren.

Heute haben wir schon gehört: Bitte überschätzt das nicht! Von der Liberalisierung der Gewerbeordnung werden kaum Effekte ausgehen, hat mein Vorredner von der ÖVP hier am Rednerpult gesagt. – Bitte, woher werden die neuen Arbeitsplätze kommen? Wo ist die Gründerwelle? Warum stockt die Liberalisierung der Gewerbeordnung schon wieder? (Abg. Tichy-Schreder: Sie stockt nicht!) – Ich wünsche dem Nachfolger...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte die Redezeit zu beachten, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (fortsetzend): Ich wünsche dem Nachfolger von Herrn Minister Ditz in dieser Beziehung alles Gute! Vor dem Hintergrund der Persönlichkeit und der Qualifikation des scheidenden Wirtschaftsministers bin ich allerdings pessimistisch. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

9.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster ergreift Herr Abgeordneter Mag. Barmüller das Wort. – Bitte.

9.50

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wenn Sie, Herr Abgeordneter Trinkl, sehr markige Worte gefunden und gemeint haben, die Marktwirtschaft sei tödlich, dann sage ich Ihnen, das ist schon richtig, wenn Sie es in so harte Worte fassen wollen: Die Marktwirtschaft ist der politische Tod für unflexible Kammerstrukturen! (Beifall beim Liberalen Forum.) Aber seien Sie uns bitte nicht


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 33

böse: Der Mitleidseffekt, den Sie damit vielleicht erreichen wollen, geht bei den Liberalen nicht rein, da hält sich unser Mitleid sehr in Grenzen.

Es ist auch bezeichnend, daß Sie sehr wohlüberlegt mit den Worten geschlossen haben: Der Standpunkt der ÖVP ist, wir müssen renovieren, nicht demolieren. – Genau das ist es! Wenn Sie von einer Gewerbeordnungsreform reden, dann sprechen Sie in Wahrheit von einer neuen Fassade für die Wirtschaftskammer (Abg. Dr. Puttinger: Wer sagt das? – Beifall beim Liberalen Forum), aber Sie reden nicht von neuen Strukturen in diesem Bereich. Ich weiß auch, woher Sie das Geld dafür nehmen, Herr Abgeordneter. Das Geld dafür werden Sie wahrscheinlich von jenen 3,5 Milliarden Schilling nehmen, die Sie bis heute noch nicht den Unternehmen in Österreich zurückgegeben haben, obwohl um diese Summe im Zusammenhang mit der Außenhandelsförderung zuviel eingehoben worden ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Opfer dieser mangelnden Reformfähigkeit, meine Damen und Herren, sind täglich die Unternehmer außerhalb dieses Hauses. Heute sitzt ein sehr prominentes Opfer hier, das ist Herr Bundesminister Ditz, der auch schon hier im Hause das Opfer Ihrer eigenen Politik geworden ist. Das einmal zur Kenntnis zu nehmen, meine Damen und Herren, wäre notwendig! Es sollte dies eigentlich der Anlaß dafür sein, daß es wirklich einmal die Bereitschaft gibt, etwas Neues in dem Zusammenhang zu machen.

Wenn zum Beispiel bei der Reform der Gewerbeordnung davon die Rede ist, daß es Verwaltungsvereinfachungen geben muß, meine Damen und Herren, dann ist das zwar schon gut. Aber es sollten Verwaltungsvereinfachungen sein, die insbesondere eine Verkürzung der Verfahrensdauern bedeuten, denn das ist ein ganz entscheidendes Problem! (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Dr. Puttinger und Dr. Trinkl .) – Leider nur vereinzelt Applaus aus den Reihen der ÖVP, aber das macht nichts, es ist ein echter Anfang, Herr Abgeordneter!

Was Herr Abgeordneter Van der Bellen zu Recht angeschnitten hat, ist, daß die Gewerbeordnung ein ganz wesentlicher Bestandteil auch des Umweltrechtes und des Umweltschutzes ist. Dabei sind die Betriebsanlagengenehmigungen angesprochen worden. Wenn immer wieder behauptet wird, daß in Österreich das hohe Umweltschutzniveau ein Argument für Firmen wäre, abzuwandern, daß es eine Gefährdung des Wirtschaftsstandortes Österreich bedeute, dann sage ich Ihnen: Die hohen Umweltschutznormen, die wir in vielen Bereichen haben, hindern eine wirtschaftliche Entfaltung wesentlich weniger als die bürokratischen Verfahren, die damit verbunden sind, und zwar insbesondere deshalb, weil einfach die zeitliche Dauer dieser Verfahren nicht abschätzbar ist.

Meine Damen und Herren! Wenn wir schon bei der zeitlichen Dauer sind: Was in der gesamten Diskussion nie expressis verbis angesprochen wird, ist der Zeitfaktor, der für Unternehmer mit dem bürokratischen Aufwand verbunden ist. Es ist eine extreme Belastung für Unternehmer und Freiberufler, meine Damen und Herren, daß es zum Beispiel keine Prüfungskonzentration gibt. Es ist einfach in Österreich nicht möglich, eine Prüfungskonzentration zu erreichen. Wenn schon von staatlicher Seite – das gehört nicht unmittelbar zur Gewerbeordnung – etwa die Lohnverrechnung in Betriebe ausgelagert wird, damit der Staat das nicht machen muß, dann wäre es doch wirklich ein Leichtes, herzugehen und jene Prüfungen, die im Bereich des Steuerrechts noch zu machen sind, zu komprimieren, sodaß der Unternehmer in seiner Zeit, in der er wirtschaften muß, um die Kosten zu decken, nicht dadurch gebunden ist und kein Geld erwirtschaften kann, sondern de facto für den Staat Gewehr bei Fuß stehen muß. Das, meine Damen und Herren, ist einfach der falsche Zugang!

Es ist auch völlig falsch, daß hier stets übersehen und niemals ehrlich angesprochen wird, daß Bürokratie uns nicht schützen kann. Wir haben etwa im Bereich der Gentechnik gesehen, daß bürokratische Vorschriften überhaupt nicht dazu geeignet sind, irgend jemanden zu schützen. So ist es auch im Umweltbereich: Sie werden weder die Gesundheit der Menschen schützen, noch werden Sie Tiere oder Pflanzen schützen, indem Sie bürokratische Hürden errichten. Das, was wir vielmehr brauchen, ist ein zeitgemäßes Umwelthaftungsrecht. Dabei werden auch Haftungsbestimmungen und Haftpflichtversicherung eine wesentliche Rolle spielen, aber das werden keine unzeitgemäßen Prüfungen sein, die von der Kammer durchgeführt werden.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 34

Selbiges gilt auch für den Bereich der Qualität. Das ist ein vorgeschütztes Argument, und jeder von uns, meine Damen und Herren, weiß das! Denn es ist doch so, daß jene Personen, die letztlich die Berechtigung haben, eine bestimmte Tätigkeit auszuüben, und die die Qualifikation haben, ja nicht vor Ort die Arbeit erledigen! So lange das der Fall ist, wird man zur Kenntnis nehmen müssen, daß derjenige, der einen Schaden erleidet – wenn das schon einmal passiert –, doch besser dran ist, wenn es eine verpflichtende Haftpflichtversicherung gibt, mit der dieser Schaden ersetzt wird. Das ist ein Zugang, der eine sinnvolle Schadensbereinigung im Auge hat – und nicht bürokratische Strukturen und nicht politische Machtsicherung für eine Partei. Meine Damen und Herren! Dafür, daß das endlich anders wird, stehen die Liberalen! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

9.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Reder ist Herr Abgeordneter Maderthaner. Er hat das Wort.

9.55

Abgeordneter Ing. Leopold Maderthaner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mag. Peter redet vom Aufwachen. Lieber Herr Mag. Peter! Diese Aufforderung sollten Sie an sich selbst richten! Herr Mag. Peter hat die letzten Reformen sicher verschlafen, sonst könnte er nicht so reden. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Haselsteiner .)

Mit Halbwahrheiten und falschen Darstellungen versucht er, die österreichische Qualität schlechtzumachen. Wir haben nämlich bei der letzten Reform, meine Herren – das gilt auch für Sie, Herr Dr. Haselsteiner –, die Anzahl der freien Gewerbe verdoppelt. Glauben Sie, daß dort jetzt mehr Zugang ist? – Die Gründe dafür liegen anderswo und nicht bei den Prüfungen. (Beifall bei der ÖVP. – Weitere Zwischenrufe der Abg. Dr. Haselsteiner und Mag. Peter .)

Natürlich darf ein Konditor Kipferln verkaufen. Natürlich darf ein Bäcker eine Torte verkaufen, er darf sie auch herstellen, Herr Mag. Peter (Abg. Dr. Haselsteiner: Er muß eine Zusatzprüfung machen! Und der Prüfungskommissär ist der Bäckermeister! Das wirkt sich für alle Konsumenten aus!), nur muß er eine Zusatzprüfung über die erforderlichen Kenntnisse ablegen. Warum, glauben Sie, konnten wir in Österreich uns wirtschaftlich so gut entwickeln? (Neuerliche lebhafte Zwischenrufe beim Liberalen Forum.) Meine Damen und Herren! Die Qualität ist für uns etwas Wesentliches, und das gilt auch für die Torte! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Mag Peter .)

Die Ausführungen des Herrn Mag. Peter über die Blumenhändlerin... (Zwischenruf des Abg. Dr. Haselsteiner .)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Haselsteiner! Ich bitte Sie!

Abgeordneter Ing. Leopold Maderthaner (fortsetzend): Die Ausführungen über die Blumenhändlerin waren überhaupt grotesk. Wir alle wissen und sehen jeden Tag, was in einer Blumenhandlung verkauft wird, nämlich all das, was im engsten oder weitesten Sinne mit Floristik zu tun hat. Aber alte Möbel können Sie dort nicht kaufen, dazu gehen Sie in einen Antiquitätenladen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Auch das ist Qualität, daß wir wissen, daß wir Fachgeschäfte haben und keine solchen Ramschläden! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.) Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Österreich ist groß und stark geworden als Wirtschaftsland mit Qualität, aber nicht mit irgendwelchen minderen Erzeugnissen oder Dienstleistungen. Qualität wird auch in Zukunft gerade im großen Markt gefragt sein. Das gilt besonders für ein kleines Land. Wir können uns nur mit Qualität durchsetzen! (Beifall bei der ÖVP.)

Wer die Qualitätsebene und die -normen verlassen oder sozusagen die Qualität niederreißen will, meine Damen und Herren, wird keinen einzigen Arbeitsplatz schaffen, sondern die Arbeitsplatzsicherheit gefährden. (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 35

Meine Damen und Herren! In einer Zeit, in der richtigerweise noch mehr Qualität in der Ausbildung verlangt wird, in der die Qualitätsnormen für bestehende Betriebe ständig verstärkt werden, in der Qualitätszertifikate verteilt werden, in der auch der Konsumentenschutz weiter verschärft wird, können Sie nicht mit dem Abbau von Qualität die Zukunft sichern. (Beifall bei der ÖVP.) Sie können dies auch nicht, wie zum Beispiel Herr Kollege Barmüller das jetzt wieder ausgeführt hat, mit Versicherungen und mehr Gerichtsprozessen lösen.

Meine Damen und Herren! Das ist nicht der Weg, den wir gehen wollen. Wir wollen in Österreich auch in Zukunft Qualität erzeugen und Qualität in der Dienstleistung anbieten. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Was wir brauchen, um neue Arbeitsplätze zu schaffen, meine Damen und Herren – und da würde ich Sie bitten, mitzuwirken –, ist eine neue Unternehmergesinnung in der Form, daß man grundsätzlich dem Unternehmer wieder mehr Beachtung schenkt, daß man grundsätzlich ein Klima schafft, in dem das Unternehmersein Freude macht! Das ist wesentlich, daran können Sie mitwirken. Was wir weiters brauchen, sind eine Straffung, eine Entbürokratisierung und eine Beschleunigung bei den Betriebsgenehmigungen. Auch das ist wesentlich. Daran werden wir arbeiten, und ich bitte Sie, auch dabei mitzutun. Das ist der Weg in die Zukunft! (Beifall bei der ÖVP.)

9.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiermaier. Er hat das Wort. Die Redezeit ist bekannt.

10.00

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gewerbeordnung ist keine heilige Kuh, die man nicht angreifen darf – sie gehört aber auch nicht ersatzlos gestrichen. Ich glaube, wir sollten diese ganze Diskussion ein bißchen beruhigen und in geordneten Bahnen abführen und nicht von einem Extrem in das andere fallen. Das ist auf jeden Fall falsch. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gewerbeordnung ist auch nicht isoliert zu sehen. Es gibt eine Menge Gesetze und Bestimmungen, die da mit hineinspielen, und ich möchte mich mit einigen von ihnen auseinandersetzen.

Da ist zum Beispiel die Lehrlingsproblematik. Es ist einfach wichtig, daß wir auch da neue Gedanken entwickeln. Wenn man sich heute in der Kammer mit jenen Leuten unterhält, die viele Jahre Lehrlinge ausgebildet haben, merkt man, daß ein gewisser Frust da ist. Immer weniger wollen Lehrlinge ausbilden. Das zeigen ja auch die offenen Lehrstellen.

Es ist ganz wichtig, mit neuen Ideen zu kommen. Und ich sage etwas, was vielleicht nicht unproblematisch ist: Es ist einfach notwendig, daß jene Betriebe, die keine Lehrlinge ausbilden, einen Obolus leisten (Zwischenrufe bei der ÖVP), und jene Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, und zwar gut ausbilden, die einen Ausbildungsplan erfüllen, der sehr schwierig ist und Geld kostet, unterstützt werden.

Die öffentliche Hand, die Gemeinden, die Kommunalwerkstätten, die Gärtnereien in den Gemeinden, die Betriebe, alle greifen nach ausgebildeten Facharbeitern, wollen aber keine Lehrlinge ausbilden und dafür auch nicht aufkommen. Nach wie vor ist das duale Ausbildungssystem richtig. Da wird man sich etwas überlegen müssen.

Noch eine andere Überlegung: Die höheren Schulen werden vom Staat gar nicht so wenig gestützt und gefördert – und auch da wäre einmal ein Umdenken hinsichtlich Lehrlingen notwendig. (Beifall bei der SPÖ.)

Zur nächsten Problematik, nämlich die Frage Landwirtschaft. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Immer härter wird die Konkurrenz der Landwirtschaft zum Gewerbe – egal, ob in der Direktvermarktung, beim Buschenschank und all diesen Dingen. Wir haben ja schon oft genug darüber gesprochen. Da muß es zu mehr Steuergerechtigkeit kommen. Es kann nicht so sein,


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 36

daß die einen die Steuern voll zahlen, den sozialen Verpflichtungen voll nachkommen müssen – die anderen hingegen nicht. Das führt zu Wettbewerbsverzerrungen, die in letzter Zeit immer problematischer werden und die die kleinen und mittleren Betriebe im Tourismus, im Handel, aber auch im Gewerbe immer mehr in Schwierigkeiten bringen, Schwierigkeiten, die allmählich zu einer Existenzbedrohung werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Existenzgründung, zum Beispiel die Übernahme eines Betriebes durch den Sohn, ist eine ausgesprochen schwierige Sache. Es gibt Auflagen über Auflagen, sodaß sehr oft junge Leute sagen: Ich tue mir das gar nicht an, ich übernehme den Betrieb nicht, denn wenn ich das alles jetzt berappen muß, bin ich für die nächsten Jahrzehnte total verpflastert, und das will ich mir nicht antun. Es wäre wichtig, lange Fristen einzuführen, öfter nachzusehen – und nicht alles auf einen Schlag vorzuschreiben.

Ein neues Insolvenzrecht wäre wichtig, meine sehr geehrten Damen und Herren. Im Bereich der Insolvenzen ist eine dramatische Entwicklung feststellbar. Auch da wäre es wichtig und notwendig, ein Fangnetz aufzubauen.

Zur Bürokratie: Zum Beispiel nimmt sich die Kammer jetzt endlich einmal die Lehrverträge vor und vereinfacht diese, denn einen Lehrvertrag auszufüllen, das ist mir bald so vorgekommen wie der alte Frachtbrief bei der Bundesbahn; das war genauso kompliziert und schwierig. Jetzt wird da reformiert, und man wird zeitgerecht vorgehen.

Ich möchte folgendes schon sehr klar sagen: Wenn wir uns jetzt mit der Gewerbeordnung beschäftigen, meine Damen und Herren, dann sind es aber auch die Kammern, die da mitzureden haben. Es haben jene mitzureden, die mit der Gewerbeordnung leben müssen. Es kann nicht so sein, daß all jene hineinreden, die damit nicht leben müssen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Die Kammern haben eine hohe Zustimmung im ganzen Bundesgebiet erhalten, und das berechtigt sie, da auch etwas zu sagen. (Neuerlicher Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wir wollen die alte Gewerbeordnung nicht abschaffen, sondern erneuern, wir wollen eine moderne Gewerbeordnung für die Zukunft schaffen, aber man soll dabei nicht – wie ich bereits gesagt habe – von einem Extrem ins andere fallen.

Im übrigen möchte ich Ihnen, Herr Bundesminister Dr. Ditz, alles Gute für Ihren weiteren Lebensweg wünschen. Es war eine nette Zusammenarbeit mit Ihnen, über die Parteigrenzen hinweg. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.04

Präsident Dr. Heinz Fischer : Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haigermoser. (Rufe bei der ÖVP: Oje!) Er hat das Wort.

10.04

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! "Oje" könnte man sagen über die Gewerbeordnung, die Sie in den vergangenen Jahren verpfuscht haben, denn die unendliche Geschichte der Gewerbeordnung verfolgt uns ein weiteres Mal.

Alpträume verfolgen mich, wenn ich daran denke, wie Frau Tichy-Schreder bei den letzten sogenannten "Reformen" als Vorsitzende des zuständigen Ausschusses agiert hat. Meine Damen und Herren, das war eine Katastrophe! Sie ist – neben Maderthaner – mitverantwortlich dafür, daß in Sachen Gewerbeordnung nahezu nichts weitergegangen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich weiß schon: Heindl ist einer der Triebkräfte, eine Gewerbeordnung seitens der Koalition auf die Beine zu stellen, die es möglich macht, neue Zugänge zu schaffen, nur: Bis dato ist er damit auch nicht durchgekommen.

Die letzte "Reform", Kollege Maderthaner, war das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt war. (Abg. Ing. Maderthaner: Sie haben es nicht gelesen! Das ist das Problem!) Es waren das nur kosmetische Operationen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 37

Wenn jetzt über die Konditoren, über die Bäcker gesprochen wird und Präsident Maderthaner sich darüber alteriert, würde es mich nicht wundern, wenn er ab heute der "Punschkrapferl-Jäger der Nation" genannt würde, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Maderthaner: Das ist typisch für Ihre Art, Herr Kollege!)

Jetzt zu fordern, Herr Präsident Maderthaner, da muß sich endlich etwas ändern, dazu kann ich nur sagen: Da müßte man einmal nachschauen, was in Österreich der Zugang zum Gewerbe kostet. Das ist nämlich ein weiteres Moment. (Abg. Ing. Maderthaner: Macht gescheite Vorschläge! Das wäre gut!) Bei vergleichbaren Betrieben: In Österreich kostet eine GesmbH-Gründung über 100 000 S, in Deutschland hingegen 8 000 S, Herr Kollege Maderthaner! Und wissen Sie, warum sich 100 000 S zu Buche schlagen? – Weil dabei die Kammer mitnascht, und zwar mit exorbitanten Summen.

Man müßte einmal darüber nachdenken, ob man nicht die sogenannte Einverleibungsgebühr abschaffen könnte, Kollege Maderthaner! (Beifall bei den Freiheitlichen und beim Liberalen Forum.) Da bräuchten Sie, Herr Präsident Maderthaner, nicht einen Appell an das Christkind zu richten, einen Brief abzusenden, sondern da könnten Sie vor der eigenen Tür kehren und dort die Bürokratie abbauen. (Abg. Ing. Maderthaner: Reden Sie nicht von etwas, was Sie nicht verstehen!) Sie sind heute entlarvt worden, daß Sie nicht bereit sind zu reformieren, sondern daß Sie weiter zementieren wollen, Kollege Maderthaner. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diesbezüglich bin ich auch nicht guter Hoffnung, denn Ditz ist gegangen – beziehungsweise geht in Kürze. Ob das ein Unglück ist, um mit der Tante Jolesch zu reden, oder ein Segen, das wird sich weisen. Das werden andere an anderer Stelle zu beantworten haben. Aber es ist das jedenfalls ein Mosaikstein der Resignation ob des Betons, den Maderthaner täglich ausschüttet, meine Damen und Herren. – Aber nicht nur Maderthaner, sondern auch andere sind auf dieser schrecklichen Wegstrecke unterwegs. Die Verzopftheit dieses Systems hat ja auch Abgeordneter Peter heute hier einmal mehr dargestellt.

Zur Gewerbeordnung selbst. Wir haben zahlreiche Anträge gestellt; Sie haben alle abgelehnt. Sie waren nicht bereit, über Reformen zu reden. Und jetzt haben Sie wieder in das Koalitionsübereinkommen, und zwar auf Seite 11, hineingeschrieben: Gewerbeordnung reformieren, Deregulierung. Also ein weiteres Mal hat man da abgepaust, Seiten herausgerissen, eine andere Jahreszahl draufgeschrieben, und frisch-fromm geht es wieder weiter. (Abg. Ing. Maderthaner: Er weiß überhaupt nichts!)

Ditz ist gegangen, weil er gescheitert ist. Er hat resigniert. Er ist müde geworden. Er ist gestolpert. Ich möchte das weder bedauern noch ihn dazu beglückwünschen, aber Sie mit Ihrem Bestemm, Herr Maderthaner, sind mit schuld daran. Daher ist das jedenfalls – ich möchte nicht sagen, es ist Pharisäertum, wenn Sie jetzt bedauern, daß Ditz geht – zu hinterfragen. (Abg. Ing. Maderthaner: Um Ditz und mich machen Sie sich keine Sorgen! Es wäre gescheiter, Sie zerbrechen sich darüber nicht den Kopf!)

Meine Damen und Herren! Es gibt – zugegebenermaßen – verschiedene Denkschulen in bezug auf die Gewerbeordnung. Der Zugang zum Gewerbe gehört jedoch zweifelsohne erleichtert. Ich sage auch aus persönlicher Diskussion mit den Betroffenen: Der Weg, den das Liberale Forum vorschlägt – heute schon diskutiert –, mit dieser Versicherung, ist ein falscher Weg, meine Damen und Herren (Abg. Ing. Maderthaner: Ja! Bravo! Das ist ein falscher Weg!) , weil so der Zugang zum Gewerbe nicht erleichtert, sondern erschwert werden würde. – Das ist wirklich ein katastrophaler Vorschlag!

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitliche sind der Meinung, daß Flächenberufe zu schaffen sind, wobei es möglich sein soll, daß darüber hinaus die Gebühren gesenkt werden, daß eine ordentliche Steuerpolitik im Zusammenhang mit der Gewerbeordnung zu machen ist und daß das duale Ausbildungssystem, das bei Verwirklichung des Vorschlags der Liberalen auch zertrümmert werden würde, verbessert und ausgebaut werden muß. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Dieses System hat zwar zugegebenermaßen Pferdefüße, aber es ist noch allemal besser als die


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 38

staatlichen Lehrwerkstätten, die eine Folge des Antrages der Liberalen wären, wenn dies umgesetzt werden würde.

Das ist der Bocksfuß Nummer zwei bei diesem deinem Antrag, Helmut Peter. Daher ist der Weg der Freiheitlichen der bessere, nämlich zu reformieren, ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Helmut Haigermoser (fortsetzend): Herr Präsident, zum Schlußsatz kommend: Das Ganze soll unbürokratisch sein – mit Sicht nach Europa, denn wir wollen Europa mitgestalten, aber nicht ohne Wenn und Aber, sondern mit österreichischer Qualität. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wabl. Ich erteile es ihm.

10.10

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Haselsteiner steht bei der Regierungsbank und spricht mit Bundesminister Dr. Ditz. ) Herr Bundesminister, Sie haben allen Grund, sich trösten zu lassen vom Kollegen Haselsteiner, denn wenn das stimmt, was in der Zeitung steht und was von obersten ÖVP-Repräsentanten gesagt wird, nämlich, daß Sie, Herr Bundesminister Dr. Ditz, ein sehr sensibler Mensch sind, dann müssen Sie in der letzten Zeit furchtbar gelitten haben. (Abg. Dr. Khol: Er schaut nicht so aus! – Abg. Ing. Maderthaner: Er lacht!)

Herr Wirtschaftsminister! Ich habe allerdings auch ein bißchen gelitten bei Ihren Ausführungen hier. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ich hätte mir erwartet, daß Sie im Zusammenhang mit der Gewerbeordnung nicht nur von Bürokratievereinfachung reden, denn immerhin ist das Betriebsanlagenrecht das wichtigste Umweltrecht überhaupt.

Da gibt es einen Ansatz, den die Liberalen in ihrem Antrag angeführt haben – wenn das überzogen ist, dann wird sich das in den Verhandlungen wohl herausstellen –, nämlich auf der einen Seite die Bürokratie zu verringern, Vereinfachungen durchzuführen, aber auf der anderen Seite die Haftpflicht zu verbessern, den Schutz des Konsumenten zu erhöhen. Aber darüber haben Sie kein Wort gesagt, Herr Bundesminister!

Das Bedenkliche daran ist folgendes – und da hat sich Ihr Vorgänger "ausgezeichnet" –: Wir haben hier im Jahre 1988 einen der umfangreichsten Gesetzentwürfe eingebracht, den die Grünen jemals erarbeitet haben, und zwar betreffend Umweltschädenhaftpflichtgesetz. Das wurde jedoch nicht verhandelt, wie übrigens die meisten Anträge der Opposition nicht.

Es hat aber löblicherweise eine Arbeitsgruppe hiezu im Justizministerium gegeben. Wir haben uns daran beteiligt, weil wir gedacht haben: Wunderbar, unser Antrag wird aufgenommen, um einerseits ein Zusammenlegen dieser schwierigen Materien durchzuführen und andererseits die persönlichen Schutzbestimmungen, die Haftung zu verbessern.

Bis 1991 wurde im Justizministerium verhandelt, und dann hat Ihr Vorgänger, der große Steuermann des Schüssel-Ditz-Kurses, gesagt: nein! – Und so ist Michalek mit seinen wunderbaren Vorschlägen baden gegangen; ein solches Gesetz kam nicht.

Meine Damen und Herren! Präsident Maderthaner erzählt hier, daß das ein Schutz für die Klein- und Mittelbetriebe wäre. – Schauen Sie sich das doch an, Herr Maderthaner, wie sieht es denn aus mit dem Schutz? Wo sind denn die vielen kleinen Betriebe, wo sind denn die vielen kleinen lokalen Versorger? – Die alle haben Sie vergessen! Sie haben sie alle den großen Ketten ausgeliefert, die andere Infrastrukturkosten haben – und die für die anderen die Bedingungen erhöhen. (Abg. Dr. Fekter: Da gibt es doch keine Beschränkungen mehr!)

Frau Abgeordnete Fekter, Ihr Gewerberecht hat längst versagt! Ihr Gewerberecht ist längst überflüssig! Sie haben in dieser wichtigen Sache versagt. Der Vorwurf, daß es sich dabei nur


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 39

mehr um Schutzbestimmungen für Ihre Kammer handelt, ist wirklich berechtigt. (Beifall bei den Grünen sowie beim Liberalen Forum.)

Herr Abgeordneter Maderthaner! Ich habe mir die Mühe gemacht, im Zusammenhang mit der Konzession im Gastgewerbe zu schauen: Wie ist denn das in Österreich? Wenn man keine Konzession hat, schlägt man die Zeitung auf, schaut in die Rubrik "Verschiedenes" und liest: Konzession zu vergeben, zu verpachten und und und. Dann muß man Gesellschaftskonstruktionen finden, damit das irgendwie funktioniert. – Das ist Ihre "Schutzbestimmung"!

Ein Freund, der schon seit zehn Jahren in München arbeitet, hat zu mir gesagt: Du, ich bin arbeitslos geworden, ich war Drucker, ich möchte mich jetzt weiterbilden, ich habe mich bei einem Kurs der Handelskammer München angemeldet, willst du nicht auch herauskommen? – Ich habe gesagt: sehr interessant! Wie lange dauert das denn? – Einen Tag, war die Antwort. Ich bin hinausgefahren, habe zuerst ein Fax geschickt, habe mich angemeldet. Man hat mir mitgeteilt, um 9 Uhr muß ich pünktlich dort sein; fünf nach neun darf ich nicht mehr hinein.

Ich bin dort gesessen, habe mir stundenlang Juristen, Hygieniker, Buchhalter, Leute aus allen möglichen Bereichen, die in der Gastwirtschaft relevant sind, angehört. Um 16 Uhr habe ich einen Test gemacht – und um 17 Uhr habe ich schon einen Schein in der Hand gehabt, EU-fit, mit einer Stempelmarke der Handelskammer München drauf, und kann in ganz Deutschland einen Gastgewerbebetrieb aufmachen. – Das sind die "Beschränkungen", die man diesbezüglich in Deutschland hat. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Dr. Fekter: Können Sie auch eine Bilanz lesen?)

Jetzt habe ich mir gedacht: Das kann nicht sein! Herr Maderthaner, ich habe mir gedacht: Das kann nicht sein! Ich habe den dafür Zuständigen in der Handelskammer gefragt: Sagen Sie mir, haben Sie einen signifikanten Unterschied zwischen jenen Betriebsinhabern gemerkt, die so einen Schein haben, beziehungsweise jenen, die möglicherweise die schwierige Konzessionsprüfung abgelegt haben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Wabl, bitte die Redezeit zu beachten! (Abg. Koppler: Essen ginge ich nicht zu dir! – Heiterkeit.)

Abgeordneter Andreas Wabl (fortsetzend): Der Zuständige für diesen Kurs der Handelskammer Deutschland hat gesagt: Wissen Sie, ob mit Konzessionsprüfung oder ohne: Wenn einer ein Schwein ist, bleibt er eines, und wenn er ein guter Gastwirt ist, ist er ein guter Gastwirt! (Beifall bei den Grünen.)

10.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich teile mit, daß der Fünfte Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses vervielfältigt und an alle Abgeordneten verteilt wurde.

Was die eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung betrifft, verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung – jedoch mit der Maßgabe, daß mir der Vorschlag gemacht wurde, das Übereinkommen über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten samt Erklärungen (127 der Beilagen) nicht dem Justizausschuß, sondern dem Gesundheitsausschuß zuzuweisen.

Wird gegen diese Zuweisungen ein Einspruch erhoben? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 40

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 696/J bis 699/J.

2. Anfragebeantwortungen: 365/AB bis 417/AB.

Ergänzung zur Anfragebeantwortung: Zu 294/AB.

3. Initiativanträge:

Zurückziehung: 59/A (E).

4. Volksbegehren:

Volksbegehren zur Schaffung eines Bundes-Tierschutzgesetzes (171 der Beilagen),

Volksbegehren: Bundesverfassungsgesetz über die Sicherung der Neutralität Österreichs (172 der Beilagen).

5. Regierungsvorlagen:

Bundesverfassungsgesetz über den Verlauf der Staatsgrenze zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien in den Grenzabschnitten II, IV bis VII und in Teilen der Grenzabschnitte IX und X (regulierter Glanzbach) sowie XIX (regulierter Rischbergbach) (153 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985 geändert wird (155 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Strukturbereinigung in der Binnenschiffahrt (174 der Beilagen),

Seeschiffahrts-Erfüllungsgesetz – SSEG (175 der Beilagen).

6. Ergänzung oder Änderung von Regierungsvorlagen oder Berichten:

Änderung der Regierungsvorlage betreffend Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (Zu 118 der Beilagen),

Änderung der Regierungsvorlage betreffend Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (Zu 119 der Beilagen),

Änderung der Regierungsvorlage betreffend Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Republik Bosnien-Herzegowina weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Förderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (Zu 120 der Beilagen),

Änderung der Regierungsvorlage betreffend Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über Soziale Sicherheit (Zu 121 der Beilagen),

Änderung der Regierungsvorlage betreffend Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Türkischen Republik über Soziale Sicherheit (Zu 122 der Beilagen),

Änderung der Regierungsvorlage betreffend Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tunesischen Republik über Soziale Sicherheit (Zu 123 der Beilagen),

Änderung der Regierungsvorlage betreffend Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über Soziale Sicherheit (Zu 124 der Beilagen).


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 41

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 29a, 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuß für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 9 betreffend Aufhebung des Fahrverbotes für Fahrräder auf Forststraßen, überreicht von den Abgeordneten Mag. Johann Maier, Rudolf Anschober und Mag. Helmut Peter,

Petition Nr. 10 betreffend "Stopp der Gesetzesflut", überreicht vom Abgeordneten Ing. Leopold Maderthaner,

Petition Nr. 11 betreffend "Abschaffung des § 188 des StGB", überreicht von der Abgeordneten Hannelore Buder,

Petition Nr. 12 betreffend "Erhaltung der Akutversorgung im Krankenhaus Waiern", überreicht von den Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Edeltraud Gatterer und Georg Wurmitzer,

Bürgerinitiative Nr. 4 betreffend "Aufhebung der Immunität aller Abgeordneten, Richter und Beamten wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt, Unterdrückung von amtlichen Beweisen, Vernachlässigung der Amtspflicht, Verletzung der Menschenrechte",

Bürgerinitiative Nr. 5 betreffend "Ärzte-Arbeitszeitgesetz".

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Bericht des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion auf dem Gebiet des Bundesbedienstetenschutzes im Jahr 1994 (III-32 der Beilagen);

Budgetausschuß:

Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend das Österreichische Konvergenzprogramm gemäß Art. 109 e EG-Vertrag (III-30 der Beilagen);

Finanzausschuß:

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Südafrika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (112 der Beilagen);

Gesundheitsausschuß:

Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtgiften und psychotropen Stoffen samt Anlage und Erklärungen (125 der Beilagen),

Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe samt Anhängen und Erklärung (147 der Beilagen);

Justizausschuß:

Übereinkommen über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten samt Erklärungen (127 der Beilagen); (siehe S. 39)

Kulturausschuß:

Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Französischen Republik über die filmwirtschaftlichen Beziehungen samt Anlage und Briefwechsel (111 der Beilagen);


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 42

Ausschuß für Wissenschaft und Forschung:

Bericht des Fachhochschulrates gemäß § 6 Abs. 2 Z. 7 FHStG über die Tätigkeit des Fachhochschulrates im Jahre 1995, vorgelegt vom Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst (III-33 der Beilagen).

*****

Ankündigung einer dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 700/J der Abgeordneten Dr. Pumberger und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend "kranke" Kassen dringlich zu behandeln.

Das Verlangen ist darauf gerichtet, die dringliche Behandlung zum frühestmöglichen Zeitpunkt durchzuführen. Ich setze daher die Behandlung dieser dringlichen Anfrage für 16 Uhr fest.

Fristsetzungsanträge

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich vor Eingang in die Tagesordnung mit, daß Frau Abgeordnete Mag. Stoisits beantragt hat, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 109/A der Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen betreffend die Bezügegesetz-Novelle eine Frist bis zum 9. Juli 1996 zu setzen.

Es liegt darüber hinaus das ordnungsgemäß unterfertigte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen. Diese kurze Debatte wird nach Erledigung der soeben bekanntgegebenen dringlichen Anfrage stattfinden. Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird nach Schluß dieser Debatte stattfinden.

Weiters teile ich mit, daß Abgeordneter Mag. Stadler beantragt hat, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 105/A der Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bezügegesetz und weitere Gesetze geändert werden, eine Frist bis zum 11. Juli 1996 zu setzen.

Auch hier liegt das ordnungsgemäß gestellte Verlangen vor, eine kurze Debatte durchzuführen. Diese kurze Debatte wird nach Erledigung der dringlichen Anfrage beziehungsweise der daran anschließenden soeben erwähnten kurzen Debatte stattfinden. Die Abstimmung über den Antrag erfolgt gleichfalls nach Schluß dieser Debatte.

Schließlich hat auch Herr Abgeordneter Mag. Peter beantragt, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 101/A betreffend Bezügegesetz und Beamten-Dienstrechtsgesetz eine Frist bis zum 11. Juli 1996 zu setzen.

Eine zusätzliche Debatte wurde nicht verlangt. Dieser Fristsetzungsantrag wird daher nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gelangen.

Absehen von der 24stündigen Aufliegefrist

Präsident Dr. Heinz Fischer: Was die eigentliche Tagesordnung der heutigen Sitzung betrifft, ist es, um die Punkte 11 bis 20 in Verhandlung nehmen zu können, gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung erforderlich, von der 24stündigen Auflagefrist der Ausschußberichte Abstand zu nehmen.

Bei diesen Punkten handelt es sich um die Berichte des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlagen


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 43

103 der Beilagen: Zusatzabkommen zum Abkommen mit Kanada (178 der Beilagen) und

104 der Beilagen: Zusatzabkommen zum Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika (179 der Beilagen) – beide im Bereich der Sozialen Sicherheit – sowie

105 der Beilagen: Abkommen mit der Bundesrepublik Deutschland (180 der Beilagen),

118 und Zu 118 der Beilagen: Kündigung des zwischen Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien weiterangewendeten Abkommens mit der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (181 der Beilagen),

119 und Zu 119 der Beilagen: Kündigung des zwischen Österreich und der Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien weiterangewendeten Abkommens mit der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (182 der Beilagen), weiters

120 und Zu 120 der Beilagen: Kündigung des zwischen Österreich und der Republik Bosnien-Herzegowina weiterangewendeten Abkommens mit der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien in (183 der Beilagen),

121 und Zu 121 der Beilagen: Kündigung des Abkommens mit der Republik Slowenien (184 der Beilagen),

122 und Zu 122 der Beilagen: Kündigung des Abkommens mit der Türkischen Republik (185 der Beilagen),

123 und Zu 123 der Beilagen: Kündigung des Abkommens mit der Tunesischen Republik (186 der Beilagen) und

124 und Zu 124 der Beilagen: Kündigung des Abkommens mit der Republik Kroatien (187 der Beilagen)

– alle über Soziale Sicherheit.

Ich bitte jene Damen und Herren, die mit der Abstandnahme von der Auflagefrist für diese Ausschußberichte ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 bis 8, 10 bis 20 sowie 22 bis 25 der heutigen Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über Gestaltung und Dauer der Debatten zur gesamten Tagesordnung erzielt.

Demgemäß wurde für die gemeinsame Debatte zu den Punkten 1 bis 8, für die Debatte zu Punkt 9 sowie für die gemeinsame Debatte zu den Punkten 10 bis 20 eine Blockredezeit von insgesamt 9 "Wiener Stunden" vereinbart, sodaß sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 135, ÖVP 126, Freiheitliche 117, Liberales Forum und Grüne je 81 Minuten.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 44

Weiters wurde für die Debatte zu Punkt 21 festgelegt, daß maximal zwei Redner pro Fraktion mit einer Redezeit von 15 Minuten für den Erstredner und 10 Minuten für den Zweitredner das Wort erhalten.

Die gemeinsame Debatte zu den Tagesordnungspunkten 22 bis 25 soll auf 2 "Wiener Stunden" beschränkt werden, sodaß sich als Redezeiten ergeben: SPÖ 30, ÖVP 28, Freiheitliche 26, Liberale und Grüne je 18 Minuten.

Bestehen gegen diese Vorschläge Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das einhellig und erst recht mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit so beschlossen.

1. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales betreffend den Bericht des Bundesministers für Arbeit und Soziales (III-4 der Beilagen) über die soziale Lage 1994 (157 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 8/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Neudefinition der unselbständigen Erwerbsarbeit und Vereinheitlichung aller Pensionsrechte (158 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 55/A (E) der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend umfassende Maßnahmen gegen die steigende Arbeitslosigkeit (159 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 103/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urlaubsgesetz geändert wird (160 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 25/A der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) vom 11. Dezember 1969, BGBl. Nr. 22/1970, zuletzt geändert durch das BGBl. Nr. 27/1994, geändert wird (161 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales betreffend den Bericht des Bundesministers für Arbeit und Soziales (III-15 der Beilagen) über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion im Jahre 1994 (162 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales betreffend den Bericht der Bundesregierung (III-5 der Beilagen) betreffend das auf der 80. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz angenommene Übereinkommen (Nr. 174) über die Verhütung von industriellen Störfällen und Empfehlung (Nr. 181) betreffend denselben Gegenstand (163 der Beilagen)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 45

8. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 9/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Umstrukturierung der Transferleistungen im Familienbereich (165 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 1 bis 8 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Es sind dies die Berichte des Ausschusses für Arbeit und Soziales betreffend

den Bericht des Bundesministers für Arbeit und Soziales (III-4 der Beilagen) über die soziale Lage 1994 (157 der Beilagen) sowie

über die Anträge

8/A (E) der Abgeordneten Dr. Kier und Genossen betreffend Neudefinition der unselbständigen Erwerbsarbeit und Vereinheitlichung aller Pensionsrechte (158 der Beilagen),

55/A (E) der Abgeordneten Dr. Haider und Genossen betreffend umfassende Maßnahmen gegen die steigende Arbeitslosigkeit (159 der Beilagen),

103/A der Abgeordneten Mag. Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urlaubsgesetz geändert wird (160 der Beilagen) und

25/A der Abgeordneten Haidlmayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Behinderteneinstellungsgesetz geändert wird (161 der Beilagen),

über den Bericht des Bundesministers für Arbeit und Soziales (III-15 der Beilagen) über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion im Jahre 1994 (162 der Beilagen),

den Bericht der Bundesregierung (III-5 der Beilagen) betreffend das auf der 80. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz angenommene Übereinkommen (Nr. 174) über die Verhütung von industriellen Störfällen und Empfehlung (Nr. 181) betreffend denselben Gegenstand (163 der Beilagen) und

über den Antrag 9/A (E) der Abgeordneten Dr. Kier und Genossen betreffend Umstrukturierung der Transferleistungen im Familienbereich (165 der Beilagen).

Berichterstatterin zu den Punkten 1 bis 5 ist Frau Abgeordnete Dr. Pittermann.

Ich darf sie bitten, die Beratungen einzuleiten.

Berichterstatterin Dr. Elisabeth Pittermann: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales betreffend den Bericht des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die soziale Lage 1994 (III-4 der Beilagen).

Der gegenständliche Bericht enthält neben einem Vorwort des Bundesministers, der sozialpolitischen Vorschau und einer Zusammenfassung die Abschnitte

Sozialbericht,

Tätigkeit des Bundesministers für Arbeit und Soziales,

Beiträge der Interessenvertretungen.

Die statistischen Daten zur Arbeitsmarktlage, zur Sozialversicherung sowie zur Einkommensverteilung sind in einem eigenen Datenband enthalten. Dieser enthält auch einen Anhang betreffend das Sozialbudget, Behindertenangelegenheiten und die Krankenhausfinanzierung.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 46

Der Ausschuß für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Bericht des Bundesministers für Arbeit und Soziales in seiner Sitzung vom 29. Mai 1996 in Verhandlung genommen. Nach einer ausführlichen Debatte hat bei der Abstimmung der Ausschuß für Arbeit und Soziales mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Nationalrat die Kenntnisnahme des Berichtes zu empfehlen.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Ausschuß für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle den Bericht des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die soziale Lage 1994 (III-4 der Beilagen) zur Kenntnis nehmen.

Weiters bringe ich die Berichte des Ausschusses für Arbeit und Soziales über vier weitere Anträge:

den Antrag der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Neudefinition der unselbständigen Erwerbsarbeit und Vereinheitlichung aller Pensionsrechte [8/A (E)],

den Antrag der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend umfassende Maßnahmen gegen die steigende Arbeitslosigkeit [55/A (E)] – dieser Entschließungsantrag wurde am 31. März 1996 im Nationalrat eingebracht –,

den Antrag der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend Novellierung des Urlaubsgesetzes (103/A) – dieser Initiativantrag wurde am 27. Februar 1996 im Nationalrat eingebracht –,

den Antrag der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Behinderteneinstellungsgesetz geändert wird (25/A) – dieser Initiativantrag wurde am 30. Jänner 1996 im Nationalrat eingebracht.

Der Ausschuß für Arbeit und Soziales hat die gegenständlichen Anträge in seiner Sitzung am 29. Mai 1996 in Verhandlung genommen und ausführlich debattiert.

Bei der Abstimmung fanden die gegenständlichen Anträge keine Mehrheit.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuß für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle die gegenständlichen Berichte zur Kenntnis nehmen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke für die Berichterstattung zu den Punkten 1 bis 5.

Zu Punkt 6 berichtet Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte, Frau Abgeordnete.

Berichterstatterin Heidrun Silhavy: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales betreffend den Bericht des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion im Jahre 1994 (III-15 der Beilagen).

Gemäß § 10 Abs. 1 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974, BGBl. Nr. 143, haben die Arbeitsinspektorate über jedes Kalenderjahr dem Bundesminister für Arbeit und Soziales Bericht über ihre Tätigkeit und ihre Wahrnehmungen auf dem Gebiet des Arbeitnehmerschutzes zu erstatten.

Der Ausschuß für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Bericht in seiner Sitzung am 29. Mai 1996 in Verhandlung genommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuß für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle den Bericht des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion im Jahre 1994 (III-15 der Beilagen) zur Kenntnis nehmen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Berichterstatterin.

Ich darf jetzt noch Kollegen Dr. Trinkl um die beiden restlichen Berichte ersuchen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 47

Berichterstatter Mag. Dr. Josef Trinkl:
Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales betreffend den Bericht der Bundesregierung betreffend das auf der 80. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz angenommene Übereinkommen (Nr. 174) über die Verhütung von industriellen Störfällen und Empfehlung (Nr. 181) betreffend denselben Gegenstand (III-5 der Beilagen).

Der Ausschuß für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Bericht in seiner Sitzung am 29. Mai 1996 in Verhandlung genommen und mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Nationalrat die Kenntnisnahme des Berichtes zu empfehlen.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Ausschuß für Arbeit und Soziales somit den Antrag , der Nationalrat wolle den von der Bundesregierung vorgelegten Bericht betreffend das auf der 80. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz angenommene Übereinkommen (Nr. 174) über die Verhütung von industriellen Störfällen und Empfehlung (Nr. 181) betreffend denselben Gegenstand (III-5 der Beilagen) zur Kenntnis nehmen.

Ich erstatte weiters den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Umstrukturierung der Transferleistungen im Familienbereich [9/A(E)].

Die Abgeordneten Dr. Volker Kier, Klara Motter und Genossen haben diesen Entschließungsantrag am 15. Jänner 1996 im Nationalrat eingebracht.

Der Ausschuß für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Antrag [9/A(E)] in seiner Sitzung am 29. Mai 1996 in Verhandlung genommen und traf mit Stimmenmehrheit die Feststellung, daß der gegenständliche Antrag zuständigkeitshalber im Familienausschuß vorberaten werden soll.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Ausschuß für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Herr Präsident! Für den Fall, daß Wortmeldungen vorliegen, bitte ich, in die Debatte einzugehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. Damit ist die Berichterstattung abgeschlossen.

Die beschlossenen Redezeiten sind bekannt.

Die erste Wortmeldung liegt mir von Herrn Abgeordneten Dr. Haider vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.32

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung weist schon darauf hin, daß eine große Zahl von Sachinitiativen zu behandeln ist, Sachinitiativen, die leider nicht die Zustimmung der Regierungsparteien gefunden haben, obwohl jedermann klar sein muß – insbesondere Ihnen, Herr Bundesminister für Soziales –, daß sich der Sozialstaat in einer tiefgreifenden Veränderung befindet und daß es in Anbetracht der nicht zu leugnenden großen Probleme einen dringenden Handlungsbedarf gibt.

Eines der großen Probleme ist sicherlich die wachsende Arbeitslosigkeit in unserem Land. Die Arbeitslosigkeit ist gegenüber dem Vorjahr – trotz aller Beschönigungen, die Sie in letzter Zeit in Meldungen über die Pressedienste veröffentlicht haben – weiter im Ansteigen begriffen. Gegenüber dem Jahr 1995 gibt es weitere Verluste des Angebotes an Arbeitsplätzen. Es ist einerseits – wie Sie selbst in einer Aussendung mitgeteilt haben, Herr Bundesminister – ein Einbruch bei den Lehrplätzen für junge Menschen feststellbar, und zwar gibt es gegenüber dem Vorjahr rund 35 Prozent weniger Angebot an verfügbaren Lehrplätzen im heurigen Jahr. Auf der anderen Seite gibt es einen Zuwachs der Zahl von Lehrstellensuchenden von mehr als


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 48

20 Prozent. All das veranlaßt Sie, Herr Bundesminister, offenbar noch immer nicht, tätig zu werden.

Auch die warnenden Kommentare, die von Wirtschaftsforschern abgegeben werden, veranlassen Sie nicht, tätig zu werden. So hat Ihnen beispielsweise der Chef des Institutes für Höhere Studien, Professor Felderer, vor einigen Wochen dringend ans Herz gelegt, schon jetzt die Pfeiler des Generationenvertrages und damit das Pensionssystem auf eine neue Grundlage zu stellen, weil man langfristig, so meint er, in Österreich von einer stärkeren Nivellierung der staatlichen Pensionen auszugehen haben werde. Das ist eine sehr dramatische Situation: wenn jenen, die jetzt unter 50 sind und die Beiträge für eine sehr komfortable Pension zahlen, der Wirtschaftsforscher bereits jetzt mitteilt, sie würden trotz der hohen Beiträge nicht mehr in den Genuß dieser von ihnen geleisteten Altersversorgung kommen.

Ist all das noch immer kein Grund für Sie, entsprechende grundlegende Reformen in diesem Lande durchzuführen, anstatt zuzuschauen, wie jetzt eine neue Welle von Frühpensionierungen Ihre Prognosen und Erwartungen wieder durcheinanderbringt? – Der Generaldirektor der Österreichischen Bundesbahnen, der offenbar überfordert ist, schickt jeden, der bereit ist, zu gehen, in die Frühpension. So werden vom Staat die Probleme der ÖBB saniert, weil der Generaldirektor dazu nicht in der Lage ist. Ist das Ihr Modell, das Sie uns hier im Parlament einzureden versucht haben?

Sie kommen aus diesem Schlamassel nicht mehr heraus, und ich sage Ihnen hier ganz offen: Sie werden über die grundlegenden Reformen dieses Sozialstaates endlich Antworten geben müssen, anstatt Feuerwehr hinter der Front zu spielen und zu sagen: Wenn es irgendwo brennt, dann lösche ich! Sie tun dies leider meistens mit untauglichen Mitteln. Ein Beispiel dafür ist das Modell, das Sie bei der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer eingeführt haben, daß es nämlich dann, wenn Beschäftigte über 50 Jahre gekündigt werden, einen Malus gibt. Damit haben Sie nichts anderes bewirkt, als daß man jetzt schon mit 49 gekündigt wird und nicht mehr mit 50, wenn sich der Betrieb von seinen Arbeitskosten entlasten will. Außerdem haben Sie dabei nicht bedacht, daß dadurch die Frauen ganz massiv zum Handkuß kommen, denn Frauen, die ja meist für die gleiche Tätigkeit weniger Einkommen erzielen, zu kündigen, ist billiger, für Frauen macht der Malus weniger aus. – All das sind Dinge, wo ich sage, da haben Sie nicht einmal den Brand, der vorhanden ist, gelöscht, sondern Sie haben das Unglück noch vergrößert, anstatt Lösungen herbeizuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist Ihnen, Herr Bundesminister, aber auch der Sozialstaat in seinen Aktivitätsformen ein bißchen außer Kontrolle geraten. Sie selbst philosophieren, Sie werden per Gesetz sicherstellen, daß die Krankenstandsfinanzierung, die Entgeltfortzahlung im Krankenstand auf alle Fälle für ein Jahr gesichert wird. Gleichzeitig sagen Ihnen die Krankenkassen: Lieber Minister, du kannst tun, was du willst, wir senken es jetzt einmal! Die Wiener Gebietskrankenkasse in ihrer Finanzierungsnot reduziert von 78 Wochen auf 26 Wochen. Aber der Herr Minister redet von einer gesetzlichen Regelung, davon, das auf ein Jahr ausdehnen zu wollen – wissend, daß die Kassen, für die er ein Aufsichtsrecht hat, für die er unmittelbar als Minister verantwortlich ist, vor einer riesigen Pleite stehen; – mit mehr als 3,5 Milliarden Schilling ist ein unfinanzierter Bedarf gegeben –, wissend, daß man jetzt die Leistungen für die Arbeitnehmer, die dort versichert sind, kürzt, aber keiner denkt daran – auch Sie nicht, Herr Bundesminister –, da einmal einzugreifen und zu fragen: Warum zahlen wir denn eigentlich im österreichischen Sozialversicherungssystem bei den Krankenkassen 2,2 Milliarden Schilling für Sonderpensionsrechte der dort tätigen Mitarbeiter und Funktionäre? Warum greifen Sie dort nicht ein, anstatt die Leistungen für die fleißigen Leute dieser Republik zu kürzen? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Warum finden Sie keine Antworten auf das Debakel II, das bei den Krankenkassen ab 1. Jänner 1997 droht? Dort ändert sich das Mehrwertsteuersystem. Die Umwandlung einer echten Mehrwertsteuerbefreiung in eine unechte Mehrwertsteuerbefreiung bedeutet nach den Prognoserechnungen des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, daß die Krankenkassen keine Vorsteuerabzüge mehr geltend machen können, daß sie Vorsteuerabzüge für Gebäudeinvestitionen, die sie lukriert haben, rückwirkend zurückzahlen müssen. Das macht eine Summe von ungefähr 4 Milliarden Schilling an zusätzlichem Finanzierungsbedarf im nächsten Jahr aus.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 49

Herr Bundesminister! Ich meine, es ist wirklich an der Zeit, zu handeln. Sie können nicht monatelang herumsitzen und mit beschwichtigenden Erklärungen so tun, als würde das alles schon wieder ins Lot kommen. Die Phantasielosigkeit, mit der heute die Sozialpolitik in diesem Land gemacht wird, indem Sie sagen: Wenn wir kein Geld mehr haben, dann kürzen wir die Leistungen oder erhöhen die Beiträge!, ist höchst fehl am Platze, denn damit ruinieren Sie die letzte Motivation in unserer mittelständischen Wirtschaft, Leute einzustellen und unternehmerisches Risiko tragen zu wollen. Sie werden sich nicht mehr über Beitragserhöhungen retten können, sondern Sie werden die Strukturen dieses Sozialstaates endlich reformieren müssen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was ist das für eine Strukturreform, Herr Bundesminister, wenn Sie auf der einen Seite allen Bürgern in Österreich ein riesiges Belastungspaket zumuten und in den Krankenkassen das Geld fehlt – es gehen Ihnen heuer 360 Millionen Schilling für die Finanzierung ab –, aber auf der anderen Seite die Gebietskrankenkasse Steiermark ein neues Verwaltungsgebäude um 300 Millionen Schilling baut? Aber Sie als Aufsichtsorgan sitzen da und schauen zu und sagen: Denken wir nach, ob wir nicht die Beiträge erhöhen oder ein paar Leistungen kürzen könnten, die dann der Kranke selbst finanzieren muß! – Sie tun das doch schon laufend. Es werden laufend Leistungen, die bisher die Gebietskrankenkassen finanziert haben, gekürzt oder eingestellt, weil dieselben mit der Finanzierung nicht mehr zu Rande kommen. Selbst die Organisation, aus der Sie kommen, nämlich der Österreichische Gewerkschaftsbund, spürt das.

Es sagte etwa der Kärntner ÖGB-Präsident Unterrieder vor einigen Tagen: "Das Maß ist voll!" – Ich kann Ihnen das nicht vorenthalten, weil das eine wirklich unwahrscheinlich dramatische Aussage ist: "Das Maß ist voll!", sagte der ÖGB-Chef von Kärnten. Der Gewerkschaftsbund habe das Sparpaket mitgetragen, weil die Regierung Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt versprochen habe. Die Praxis schaue jedoch anders aus und bringe einseitige Belastungen für die Arbeitnehmer.

Das ist interessant! Ihre eigene Gewerkschaftsorganisation sagt: Das Maß ist voll!, und sie kündigt einen heißen Sommer an. Man hat ihr nämlich etwas versprochen, wenn sie still ist beim Belastungspaket, aber auch das wird nicht gehalten.

Das ist so typisch für die Regierung Vranitzky: Man erklärt: Wir machen alles! – und ein paar Wochen später, wenn alle mitgespielt haben, schaut es wieder ganz anders aus.

Der Herr Gewerkschaftsbundpräsident Verzetnitsch regte sich vor einigen Tagen im "Kurier" auf. Er sagte, die Regierung solle mehr für die Schaffung von Jobs tun. – Heute beteiligt er sich gar nicht mehr an der Debatte, damit er der Peinlichkeit entgeht, dieser Regierung einmal die Leviten lesen zu müssen, weil sie das, was sie versprochen hat, seit Monaten nicht einzuhalten bereit ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.) – Vor einigen Tagen aber sagte Herr Verzetnitsch: Bisher waren Arbeitsplätze bei der Regierung nur Nebenthema. Auch auf dem letzten ECOFIN-Gipfel – einem Treffen der Finanzminister der EU – waren die Arbeitsplätze wieder nur ein Nebenthema, sagte der ÖGB-Präsident weiter.

In Österreich aber höre ich es immer anders: Sie kämpfen um jeden Arbeitsplatz, eine "Offensive" jagt die andere, die Regierung kündigt stets Offensiven an: eine Beschäftigungsoffensive, eine Sozialoffensive, eine Lehrlingsoffensive, eine Kostensenkungsoffensive, eine Arbeitsplatzoffensive. Ich frage mich nur: Wo ist sie, diese Offensive, die Sie da angekündigt haben? Wo sind sie denn alle geblieben, diese Offensiven?

Sagen Sie uns hier einmal ganz offen, wie Sie den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit führen wollen! Sagen Sie uns hier ganz offen, woher Sie das Geld nehmen wollen, um eine Dynamisierung der Wirtschaft zu erreichen! Sagen Sie uns einmal offen, wo Ihre Gründerinitiativen sind!

Wo sind diese vielen Jungunternehmer? Wo ist die Motivation, neue Arbeitsplätze zu schaffen? – Das alles bleibt im dunkeln. Außer der Ankündigung von Offensiven tut sich überhaupt nichts.

Daher schrieb Roland Barazon in den "Salzburger Nachrichten" zu Recht: Offensiven, die diese Bezeichnung verdienen, sollte der Staat viele setzen. Vor allem wäre die Wirtschaft zu entlasten,


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 50

damit sie mehr Gelder zur Verfügung hat, um die geschilderte Krise zu bewältigen. Mit dem Sparpaket geschieht jedenfalls das Gegenteil. – Zitatende.

Das ist die Realität, und daher frage ich Sie, Herr Bundesminister: Wie werden Sie die immer dramatischer werdende Situation wirklich bewältigen? – Wir diskutieren da den Sozialbericht 1994, der ja überhaupt nicht mehr aktuell ist. Die Regierung lehnt alle Anträge der Oppositionsparteien betreffend Strukturreform, betreffend Reform des Sozialstaates, betreffend Schaffung von mehr Arbeitsplätzen, betreffend den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit einfach ab – hat aber selbst keine Alternative.

Ja wäre es nicht vernünftig, doch einmal darüber zu reden, ob man nicht steuerrechtlich einen Absetzbetrag für die Lehrlingsausbildung einführen sollte, damit die Betriebe bereit sind, unseren jungen Menschen wieder eine Berufsausbildung zu ermöglichen? Das ist doch viel billiger, als Arbeitslose zu finanzieren!

Deshalb auch unsere Initiative zum Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, daß wir sagen: Wenn jemand eine Einstellungszusage in einem Betrieb hat, die für den Saisonbetrieb getätigt wird, und er bereit ist, sich bis dahin auf eine schlechtere Stelle vermitteln zu lassen, soll er wenigstens nicht benachteiligt sein. Dann soll ihm die Differenz zwischen Arbeitslosengeld und dem, was er dort verdient, gegeben werden, und das, was er in der Zwischensaison verdient, soll nicht voll auf die Arbeitslosenunterstützung angerechnet werden.

Dann sparen Sie sich Arbeitslosengeld, schaffen zusätzlich Beschäftigungseffekte und haben gleichzeitig auch den Arbeitsmarkt entlastet. Was hindert Sie daran, einen solchen vernünftigen Vorschlag endlich aufzugreifen und damit auch einen Beitrag zu leisten, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was hindert Sie, Herr Bundesminister, in anderen Bereichen tätig zu werden und zu sagen – wie wir es in unserem Antrag festgehalten haben –, daß jemand, der sich nicht bemüht, einen Arbeitsplatz zu finden, so wie in der Schweiz degressives Arbeitslosengeld bezieht? Dann wird er sich bemühen, einen Arbeitsplatz zu finden. Und jene, die sich bemühen, sollen auch Vorteile haben davon. Wer hindert Sie? (Abg. Hagenhofer: Wer wird das kontrollieren?) Was heißt: Wer wird das kontrollieren? – Sie kontrollieren ja alles in diesem Staat! Bei allem kommt immer die Frage nach der Kontrolle. Befreien Sie sich einmal von der Vorstellung, daß diese Menschen Tiere sind, die Sie im Sozialstaat an der Leine führen müssen! Befreien Sie sich davon! Gehen Sie davon aus, daß die Mehrheit der Österreicher anständig ist, arbeitswillig ist und rechtschaffen ist – dann brauchen Sie nicht zu kontrollieren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister, es wird nämlich jetzt folgendes passieren: Ohne entsprechende offensive Maßnahmen zur Entlastung der Wirtschaft und im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, die Sie ja angekündigt haben, nur mit dem Spar- und Belastungspaket kommt es zu einem weiteren negativen Effekt bei den zusätzlichen Arbeitslosen. Wenn Sie sich das ausrechnen – ich habe das von einem Betriebs- und Steuerberater einmal durchrechnen lassen –:

Ein durchschnittlicher österreichischer mittelständischer Betrieb mit 5 Millionen Schilling Jahresumsatz – 700 000 S beträgt in etwa der Gewinn – zahlt allein aufgrund der Belastungen, die aus der Streichung des Verlustvortrages, aus der Streichung der Begünstigung beim Firmen-Kfz resultieren, und aufgrund der Belastungen durch die neue Energiesteuer monatlich etwa 30 000 S mehr. 30 000 S!

Wenn Sie das jetzt umrechnen, Herr Sozialminister – Sie sind ja ein sehr gevifter Sozialpolitiker und wissen das ganz genau –: 30 000 S betragen in etwa die Lohnkosten eines durchschnittlichen Mitarbeiters inklusive der Lohnnebenkosten. Das ist ein Einkommen von 16 000, 17 000 S, plus Lohnnebenkosten macht es etwa 30 000 S aus.

Das heißt, viele mittelständische Betriebe ziehen die Konsequenz aus dieser Belastung und sagen: Wenn mir die Regierung ohne gleichzeitige entsprechende Entlastungsmaßnahmen eine neue Energiesteuer "aufbrummt", mir mehr Belastungen "aufbrummt", werde ich – ich habe derzeit elf Mitarbeiter – eben einen abbauen und ihn dem Staat zur Verfügung stellen. Dann


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 51

habe ich meine Kosten wieder herinnen und arbeite mit den zehn weiter, die dann halt ein bißchen mehr arbeiten müssen.

Wollen Sie, daß Tausende Betriebe so reagieren? – Die Tendenz geht ja in diese Richtung: jedes Jahr ein Stück mehr Sockelarbeitslosigkeit! Das ist in Wirklichkeit das Ende der Sozialdemokratie, daß sie nämlich resigniert hat im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Aber das kann nicht so sein! Wir müssen offensiv werden, um Arbeitsplätze zu schaffen, Arbeitslosigkeit abzubauen, um in Österreich wieder eine Zukunft zu ermöglichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wo sind sie also, die Offensiven? Es wurde von einer Senkung der Lohnnebenkosten und der Arbeitskosten gesprochen; es gibt viele Vorschläge. Warum geschieht das nicht?

Was ist mit dem Bürokratieabbau? Es war ja rührend, als Kammerpräsident Maderthaner heute sagte: Da muß eine Bürokratiereform gemacht werden, da muß es eine Beschleunigung der Verfahren geben! – Wer hindert denn diese Regierung daran, das endlich zu machen?

Sie von der ÖVP stellen in fast allen Bundesländern die Gewerbe- und Wirtschaftsreferenten. Wer hindert Sie daran, diese Reformen zu verwirklichen? Sie stellen alle Präsidenten in den Handelskammern. Wer hindert Sie daran, endlich einmal darauf zu verzichten, daß die Kammern bei jeder Konzession, ja sogar bei der Zulassung zur Konzessionsprüfung mitreden? Die Nachsicht von den Voraussetzungen zur Zulassung zur Konzessionsprüfung entscheidet nämlich auch die Kammer. – Lassen Sie doch die Leute eine Prüfung machen, wenn sie sie machen wollen; sie bezahlen ja ohnedies dafür. Aber auch da mischt sich die Kammer hinein!

Das sind Dinge, die Sie beseitigen sollten, meine Damen und Herren, anstatt hier leeres Stroh zu dreschen und zu keinen Maßnahmen zu kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und wie verhält es sich mit der Gleichbehandlung unserer Betriebe? – Wir leben in Österreich immer noch vom mittelständischen Unternehmertum, dieses sichert die Masse der Arbeitsplätze. Die Großen kassieren bei uns die Subventionen und verduften dann wieder, wenn sie die Subventionen verbraucht haben. Die Kleinen zahlen auch heute noch Steuern, das ist nachweisbar. Die Großkonzerne in Österreich, ob sie in österreichischer Hand sind oder nicht, zahlen schon lange keine Steuern mehr in Relation dazu, was sie an Subventionen und Förderungen kassieren. Der kleine Betrieb hingegen bringt die Steuern auf, und er gewährleistet mehr als 80 Prozent aller Arbeitsplätze in unserem Land.

Und wie hilft man nun dem Kleinen? – Wir haben einen Betriebsbesuch bei einem Bäcker gemacht. Dieser Bäcker produziert für einen großen Einzugsbereich, bis nach Wien; er ist im Burgenland beheimatet. Ein tüchtiger Bursche! Er beschäftigt 30 Leute, darunter viele Frauen. Er sagt: Wir müssen von Montag bis Donnerstag neun Stunden am Tag arbeiten. Ich muß meine Produkte ja dann auch ausliefern können, da habe ich meine Termine.

Alle im Betrieb sind einverstanden – nur der Arbeitsinspektor nicht. Der Herr Arbeitsinspektor kommt und sagt: Bruch des Arbeitszeitgesetzes!, erstmals 50 000 S Strafe. Jetzt war er das zweite Mal da, und wieder: Bruch des Arbeitszeitgesetzes! – 240 000 S Strafe. Und wenn er das nächste Mal kommt, wird die Strafe 1,5 Millionen Schilling betragen.

Wie soll das bitte ein mittelständischer Betrieb, der in einer wirtschaftlich ohnedies schwachen Region für 30, 40 Leute Dauerarbeitsplätze sichert, verkraften? Warum wird der bestraft, und warum dürfen etwa die Firma BMW, die Firma Siemens oder die Firma Philips, nur weil sie groß und einflußreich sind, das Arbeitszeitgesetz mißachten? Da wird auf betrieblicher Ebene alles "ausgepackelt"; der kleine Betrieb muß aber die Härte eines völlig unpraktikablen Arbeitszeitgesetzes mitvollziehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wo sind denn die Maßnahmen zur Sicherung der Arbeitsplätze etwa im Kampf gegen den Pfusch? Da gibt es ein sogenanntes Luxemburger Modell. Immer wieder lese ich, daß irgendwelche Politiker von Rot und Schwarz jetzt das Luxemburger Modell anwenden wollen. Wir haben das bei der Sondersitzung beantragt und gesagt: Geben wir jenen, die im geförderten Wohnbau mit Förderungsmitteln Eigenheime und Wohnungen errichten,


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 52

wenn sie Professionisten einsetzen, wenn sie den Gewerbebetrieb einsetzen, wenn sie legal Handwerker in Anspruch nehmen, einen Bonus von 15 Prozent Mehrwertsteuerrückvergütung für jede nachgewiesene Unternehmerleistung!

Dadurch werden Arbeitsplätze gesichert, wird die Legalität garantiert, und die von uns vorgeschlagene Maßnahme ist noch immer billiger als der Pfusch, der 150 Milliarden Schilling illegale, in der Grauzone befindliche Umsätze tätigt. Allein dadurch muß der Staat 50 Milliarden Schilling an Steuer- und Abgabenverlusten pro Jahr in Kauf nehmen.

Das ist alles nicht mehr sehr logisch, was Sie da machen, und daher frage ich Sie, Herr Bundesminister: Wo ist bitte Ihr Konzept? Wie wollen Sie jetzt endlich einmal aus diesem Dilemma herauskommen? Wo werden Sie endlich aktiv in der Form, daß bei öffentlichen Aufträgen darauf geschaut wird, daß österreichische Arbeitskräfte beschäftigt werden?

Es ist doch kein Ruhmesblatt in der Geschichte der Beschäftigungspolitik Österreichs, wenn man im Burgenland, in Heiligenkreuz, einen neuen Betrieb fördert, der mit EU-Geldern ohnedies in eine falsche Richtung gefördert wird, und dann sind dort bei der Montage – die VÖEST hat den Auftrag – unter den 70 Arbeitskräften 60 portugiesische Bauarbeiter!

Jetzt frage ich Sie wirklich: Wozu vergeben wir dann noch öffentliche Aufträge? Damit wir die Österreicher stempeln schicken, aber die Portugiesen bei uns beschäftigt sind? – Ich habe nichts gegen Portugiesen, aber wir haben ja die Verantwortung für die Österreicher zu tragen, für jene Menschen, die hier leben, hier Steuern zahlen und hier ihre Familien haben. Für diese Menschen haben wir Politik zu machen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und was ist die Konsequenz aus all dem? – Die Konsequenz aus all diesen ungelösten Problemen, Herr Bundesminister, ist, daß die Betriebe, weil sie so hohe Kosten haben, durch eine Reduzierung der Arbeitskosten die Probleme lösen. Arbeitskostenreduktion aber heißt, entweder Leute freizusetzen, zu kündigen – oder den Leuten Lohnverzicht zuzumuten, und das ist ja bereits gang und gäbe.

Das ist gang und gäbe durch die Neuregelung bei den Überstunden. Ja glauben Sie wirklich, daß einer, der 15 000, 16 000 S verdient und ein paar Überstunden macht, schon zu den Reichen dieser Republik gehört? – Lassen Sie ihn doch ein paar Überstunden machen!

Entsteuern Sie die Überstunden, damit die Betriebe flexibler sein können! Dann haben die Leute Einkommen, dann wird auch der Konsum entsprechend funktionieren. Aber nicht alles abschaffen, über einen Leisten ziehen und sagen: Wir brauchen jetzt das Geld, und jetzt muß der Staat den Gürtel bei allen Bürgern enger schnallen! – Das wird nicht funktionieren.

Das ist auch gang und gäbe im Bau, wo man jetzt den Leuten die Zulagen streicht. Die Trennungszulage für die, die tagelang nicht nach Hause kommen, die große Trennung, wird einfach gestrichen. Die Regie- und Akkordzulagen werden einfach gestrichen, obwohl sie im Kollektivvertrag vereinbart sind, obwohl das in den Betriebsvereinbarungen steht. Da höre ich nichts von der Gewerkschaft!

Da treten die Herren bei den Gewerkschaftstagen auf – wie Herr Nürnberger – und sagen: Wir werden keinen Lohnverzicht zulassen!, dann aber schweigen sie angesichts dessen, was tatsächlich geschieht. Sie schweigen zu den täglichen Meldungen darüber, wie in den Betrieben die Leute "abmontiert" werden, wie ihnen Lohnbestandteile weggenommen werden. Die Gewerkschaft schweigt, weil sie froh ist, daß man irgendwie über die Runden kommt.

Diese Art des schleichenden Einkommensverzichtes werden wir Freiheitlichen nicht mitmachen, sondern wir werden das aufzeigen, weil wir der Meinung sind, daß der, der etwas leistet in diesem Land, auch die Möglichkeit haben soll, etwas verdienen zu dürfen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Jene aber, die sich nicht an die Spielregeln halten, werden entsprechend zur Verantwortung zu ziehen sein.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 53

Das alles hat uns bewogen, Herr Bundesminister, Sie wirklich ernsthaft zu ersuchen, endlich ein Konzept auf den Tisch zu legen. Es ist ja bitte nicht so, daß die Österreicher so wohlhabend wären. Da gibt es sicher viele, die sehr gut leben, aber gleichzeitig haben wir auch 330 000 Menschen, die – trotz Beschäftigung! – nicht einmal 8 000 S verdienen. Schauen Sie sich einmal die verschiedenen Firmen an: Elektrounternehmen etwa, die für die Autoindustrie Kabelsätze fertigen, wo über 1 000 Frauen tätig sind, die, obwohl sie schichtarbeiten, nicht einmal 9 000 S verdienen. (Abg. Hagenhofer: Das stimmt aber nicht!) – Fahren Sie halt einmal zu Packard Electric ins Burgenland! Ich empfehle Ihnen, dort einmal einen Betriebsbesuch zu machen. Nicht einmal 9 000 S verdienen diese Frauen – trotz Schichtbetrieb, trotz erheblicher Belastungen, denen sie dort ausgesetzt sind. Bitte, sagen Sie nicht immer: Das stimmt nicht!, sondern fahren Sie hin und schauen Sie sich das einmal an, wenn Sie schon bisher keinen Lokalaugenschein gemacht haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das Sparpaket belastet ja gerade diese Frauen, meine Damen und Herren! Was glauben Sie, wie es einer Frau geht, die 9 000 S verdient und der jetzt, mit 1. Juni, eine neue Energiesteuer "aufgebrummt" wird? Das spürt sie ja bei den monatlichen Kosten: der Miete, den Betriebskosten im eigenen Haus. Was glauben Sie, was die Leute denken, wenn Sie ihnen jetzt bei der Familienbeihilfe etwas "herunterräumen", wenn Sie die Leistungen für die Familien verschlechtern? Diese Leute treffen Sie, aber das ist im übrigen etwas, was Ihnen mit Ihrem gesamten Sparpaket passiert ist: Es trifft die Falschen!

Sie kürzen den Behinderten das Taschengeld – aber Sie haben nicht die Größe, vielleicht auch einmal die Mehrfachverdiener auch in diesem Haus zur Kasse zu bitten. Es sitzen viele Doppel- und Dreifachverdiener da herinnen, und dafür haben die Leute kein Verständnis mehr. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Selbstverständlich, aber machen wir es doch einmal! Schaffen wir doch eine klare Regelung, daß Beamte, die in die Politik gehen, die im Parlament sitzen, unter Entfall der Bezüge zu karenzieren sind! Das ist die einzige Lösung, die glaubwürdig ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es kann doch nicht Doppelverdienste geben für einmal gearbeitet zu haben. Das ist doch eine falsche Symmetrie, die da entsteht: Im Parlament sitzen Leute, die für einmal arbeiten zwei- oder dreimal verdienen, und gleichzeitig machen wir Gesetze, aufgrund derer die Österreicher dreimal arbeiten müssen, damit sie einmal leben können. Das ist eine Amerikanisierung des Systems, und das ist falsch, meine Damen und Herren! Daher wäre es halt an der Zeit, auch dort einmal entsprechend hineinzufahren.

Wir haben in unserem Initiativantrag auch eine weitere Schwerpunktsetzung vorgenommen. Herr Bundesminister! Auch diesbezüglich sind Sie – einer politischen Auster gleich – verschlossen und wissen nicht, was Sie tun sollen. Ich meine die Frage der Ausländerpolitik.

Wir haben in unserem Antrag gesagt, wir sind für eine Absenkung der Ausländerhöchstzahlen in der Beschäftigung, bis die hohe Arbeitslosigkeit in Österreich unter 5 Prozent gedrückt ist. Der Herr Bundesminister für Soziales sitzt da, schaut einen lieb an – aber er macht nichts, es fällt ihm dazu nichts ein. Aber abgelehnt ist der Antrag, und die "Auster" sitzt da und ist politisch nicht handlungsfähig. Sie ist vor allem dort nicht handlungsfähig, wo Gefahr in Verzug ist.

Gefahr in Verzug ist etwa, was die Gleichstellung der türkischen Staatsbürger mit den EU-Bürgern anlangt. Da haben Sie bis heute noch nicht sagen können, wie das wirklich funktioniert. Sie wissen aber ganz genau, daß Österreich mit dem EU-Beitritt akzeptiert hat – und das ist ja die Gemeinheit, daß das bei den Verhandlungen überhaupt akzeptiert worden ist (Abg. Mag. Stadler: Man hat es abgestritten!) –, daß auch bei uns die Vereinbarung des Jahres 1980 betreffend die Beschlüsse der EU-Kommission mit der Türkei in Kraft tritt, wonach die türkischen Bürger, wenn sie mehr als drei Jahre lang in einem EU-Land beschäftigt sind, EU-Bürgern gleichgestellt sind: sozialpolitisch, wirtschaftlich und familienrechtlich.

Und jetzt haben wir da eine interessante Situation. Wir haben in Österreich alleine 40 000 türkische Gastarbeiter, die bereits länger als drei Jahre bei uns sind, das heißt, die sind jetzt eigentlich aus der Quote herauszunehmen. Aber bis heute haben Sie die Quote nicht gesenkt!


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 54

Das ist aber unsere Forderung, denn wenn die gleichgestellt sind den EU-Bürgern, dann haben Sie die verdammte Verpflichtung, die Quote sofort um diese 40 000 zu senken. Sonst holen Sie sich ja noch mehr aus dem Ausland herein, obwohl wir in Österreich eine hohe Arbeitslosigkeit haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie müssen uns auch eine Antwort darauf geben: Wie schaut es aus, wenn die Türken den EU-Bürgern rechtlich gleichgestellt sind? Dann ist nach unserem Verständnis der Vereinbarung und der Beschlüsse der EU-Kommission nichts anderes gegeben, als daß auch der Familiennachzug ohne Widerspruch organisiert werden kann. Das heißt, die Drohung der Frau Botschafterin und der Türkei ist ja gar nicht so wichtig. Die können einfach kommen, die können 25 000 türkische Kinder schicken, dann kommt die Mutti auch noch dazu – und dann sind es schon 50 000. Und nachdem türkische Familien in der Regel nicht Ein-Kind-Familien sind, sondern Mehr-Kind-Familien, werden wir nicht ein Kind hereinkriegen, sondern es werden drei und vier Kinder kommen. Dann werden es halt 100 000 und 120 000, vielleicht auch 150 000 sein – und da müssen Sie mir erklären, wie Sie das alles finanzieren wollen.

Den Österreichern wird ein Sparpaket aufgezwungen, und man sagt: Leider kann der Sozialstaat nichts mehr leisten. Familienbeihilfen werden gekürzt, Geburtenbeihilfen werden gestrichen, ebenso das Karenzgeld. Viele Dinge werden eingespart, werden den Familien gestrichen, weil der Staat kein Geld mehr hat.

Die Frau Ederer philosophiert schon in die Richtung, ob man bei der Mitversicherung der Ehegatten nicht eine Ausnahme machen soll, ob die jetzt nicht auch selbst zahlen sollen. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Und dann holen dieselben Leute, die sagen: Wir haben kein Geld!, aus dem Ausland Tausende Leute herein, die auch mitversichert werden. Oder glauben Sie, Herr Bundesminister, daß eine türkische Familie mit ihren Kindern, wenn sie nach Österreich nachzieht, nicht mitversichert werden muß? – Na selbstverständlich müssen sie mitversichert werden!

Selbstverständlich müssen sie mitversichert werden! Erklären Sie mir, wo Sie die 400 Millionen Schilling hernehmen wollen, die das zusätzlich an Mitversicherungskosten verursachen wird!

Daher sagen wir Ihnen ganz offen: Sie haben die Verpflichtung Nummer eins, mit der EU Verhandlungen darüber aufzunehmen, daß dieses Abkommen zwischen der Türkei und der EU modifiziert wird, weil es unter den derzeitigen Bedingungen des Arbeitsmarktes in Europa – fast 20 Millionen Menschen sind arbeitslos – einfach unsozial gegenüber den Europäern beziehungsweise den Österreichern ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben die Verpflichtung Nummer zwei, die Quote zu senken, und zwar in dem Ausmaß, in dem türkische Staatsbürger automatisch den EU-Bürgern gleichgestellt werden.

Und Sie haben drittens die Verpflichtung, auch darüber nachzudenken, insgesamt einer weiteren Senkung der Gastarbeiterquote entgegenzukommen, vor allem der Quote jener Gastarbeiter, die erst kurz in Österreich sind, aber auf dem Arbeitsmarkt keine Chance haben, damit wir jene, die schon lange da sind, nicht diskriminieren und damit wir den Versuch machen, einen Abbau der Hunderttausenden ausländischen Beschäftigten, die zum Teil bereits arbeitslos sind – 36 000 arbeitslose Ausländer gibt es derzeit in Österreich –, vorzunehmen. Es wäre viel einfacher, zu sagen: Wir zahlen jedem, der in seine Heimat zurückkehrt und sich dort eine Existenz aufbaut, ein Jahr lang Arbeitslosenbezug, weil das mittelfristig für uns billiger ist, als hier in Österreich Ausländer als Arbeitslose zu finanzieren, während sie in ihrer Heimat wichtige Aufbauarbeit leisten könnten.

Das wäre aus unserer Sicht ein Schritt, den Sie zu überlegen hätten, damit wir von der hohen Ausländerbeschäftigung wegkommen und nicht den Illusionen des Herrn Einem und des Herrn Khol erliegen, die eine abenteuerliche zusätzliche Einwanderungswelle für unser Land organisiert haben. Aber sie haben ohnedies schon Fracksausen bekommen, weil sie merken, daß die Situation in der Praxis eine andere ist. Ich nehme zumindest an, daß der des Lesens mächtige Klubobmann Dr. Khol die Stellungnahme der Vorarlberger Landesregierung eingehend studiert


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 55

hat (Abg. Mag. Stadler: Caspar Khol!), die genauso wie wir Freiheitlichen zum Ausdruck bringt, daß das Gebot der Stunde ein Einwanderungsstopp, ein absoluter Zuwanderungsstopp ist. Zuerst müssen wir jene, die hier leben, ausreichend mit Arbeit und sozialen Bedingungen ausstatten, bevor wir die Grenzen aufmachen und neue Zuwanderungen akzeptieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist ja die Doppelzüngigkeit dieser Politik. Dieser "Caspar Khol" hat uns da ein Kuckucksei ins Nest legen wollen, ein Kuckucksei erster Ordnung. Es wird gesagt, es kämen ohnehin keine Arbeitskräfte, sondern nur Familienmitglieder nachgezogen. – Daß das 24 000 in den nächsten vier bis fünf Jahren sein werden und daß über 100 000 zusätzlich aus Nicht-EU-Ländern zuwandern werden, haben Sie schamhaft verschwiegen. Das heißt aber auch, mehr Kindergartenplätze, mehr Wohnungen werden notwendig sein, das heißt mehr Schulaufwand. Ich bin neugierig, wie man das bedecken wird. Da ärgert sich die Gewerkschaft, Frau Schmidleithner sagt, 220 000 Kindergartenplätze fehlen – aber wir holen noch ein paar tausend ausländische Kinder herein, die auch Kindergartenplätze brauchen! 4,3 Milliarden Schilling geben wir allein im Pflichtschulwesen für ausländische Lehrer aus. Wollen Sie diese Summe noch einmal erhöhen? Aber gleichzeitig muten Sie den österreichischen Kindern im Unterricht Selbstbehalte zu und verkürzen die Unterrichtsstunden, weil wir angeblich kein Geld mehr haben, um uns die Lehrer leisten zu können. Tausende Leute warten in Österreich auf eine Wohnung, aber wir machen die Grenzen auf, und es kommen neue Familien nach Österreich, für die wir gar keine Wohnungen haben und die dann in Konkurrenz um die Wohnungen treten werden.

Der Wiener Bürgermeister Häupl hat in einem lichten Moment die Wahrheit gesagt: Es muß eine anständige Ausländerpolitik gemacht werden. – Das läßt den Schluß zu, daß Sie bisher eine unanständige Ausländerpolitik gemacht haben und daß eine anständige Ausländerpolitik auch bei Ihnen eine Kurskorrektur erforderlich macht.

Meine Damen und Herren! Auch in Wien muß die Integrationspolitik anständig werden. Gerade die Wiener SPÖ sagt, es darf niemand mehr herein, aber Herr Bürgermeister Häupl als Zuständiger für die Staatsbürgerschaftsverleihung verleiht bereits jedem, der drei, vier Jahre hier lebt, die österreichische Staatsbürgerschaft, obwohl man normalerweise laut Gesetz zehn Jahre warten müßte. (Abg. Mag. Stadler: Damit er Stimmen kriegt!)

Das führte dazu, daß in den letzten fünf Jahren allein in Wien fast 50 000 Personen die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen haben. Das sind dann jene, die bei den Gemeindewohnungen auf einmal auch drankommen. Es ist ja heutzutage schon fast attraktiver, als Türke die Staatsbürgerschaft anzunehmen und sich beim Magistrat Wien um etwas zu bewerben, als das als Österreicher zu tun.

So kann es nicht gehen! Daher fordern wir Sie auf, Herr Bundesminister: Legen Sie Ihr Konzept zur Sozialstaatsreform endlich auf den Tisch, drücken Sie sich nicht um die Zukunftsentscheidungen, sagen Sie, wie Sie das finanzieren wollen, und erklären Sie uns, warum Sie nicht bereit sind, den vernünftigen Vorschlägen der Freiheitlichen zum Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, zur Sicherung zusätzlicher Arbeitsplätze und zur Entlastung des Arbeitsmarktes durch eine Reduktion der Gastarbeiterquoten, durch eine Reintegration der Gastarbeiter in ihre Heimatländer das Ohr zu leihen und die Unterstützung zu geben!

Was hindert Sie denn daran, zu sagen: Ehrlicherweise machen wir das, was andere Staaten auch machen. Wenn wir zu viele ausländische Arbeitskräfte da haben, dann müssen wir sie wieder in ihre Heimat integrieren. Es ist einfach ein Humbug, zu sagen, es gibt das Recht auf Familienzusammenführung, das ist in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert. – Das ist falsch. Familienzusammenführung heißt in erster Linie, in der Heimat wieder zusammenleben zu können. Nur wenn es politische Hindernisse gibt, dann besteht das Recht des Nachzuges, sonst überhaupt nicht. Dieses Märchen, das da verbreitet wird – auch von der Regierungsbank aus –, das ist gründlich zu zerstören, um letztlich zu verhindern, daß die Interessen der österreichischen Bevölkerung durch diese Bundesregierung weiter geschädigt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.06


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 56

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Reitsamer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

11.07

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einerseits hat Herr Abgeordneter Haider einen wahren Schmutzkübel über unseren Herrn Sozialminister ausgeschüttet, auf der anderen Seite kann ich nur überrascht feststellen, wie hoch er ihn einschätzt. Er hat ihm nämlich überhaupt die alleinige Regierungsgewalt zugebilligt; er macht ihn jetzt sogar für Innenangelegenheiten zuständig und für was nicht noch alles. (Abg. Dr. Haider: Für das Karenzgeld ist er schon zuständig!)

Ich denke, er hat auch ein bißchen das Thema verfehlt: Eigentlich wollten wir den Sozialbericht 1994 diskutieren, aber es spielt keine Rolle. (Beifall bei der SPÖ.) Ich werde schon, wenn Sie gestatten, Herr Abgeordneter Haider ... (Zwischenruf des Abg. Haigermoser .) Vielleicht beruhigen Sie sich ein bißchen, Herr Haigermoser, damit ich reden kann. Regen Sie sich nachher auf, das ist gescheiter. (Abg. Haigermoser: Ich bin überhaupt nicht aufgeregt!) Ich werde mich zuerst mit dem Sozialbericht des Jahres 1994 auseinandersetzen und mir dann noch einige Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Haider gestatten.

Trotz allem, was Sie hier gesagt haben, meine Damen und Herren: Der heute hier diskutierte Bericht über die soziale Lage 1994 ist einmal mehr Beweis für Österreichs verantwortungsbewußte Sozialpolitik. Da ich annehmen kann, daß dieser Bericht von allen gelesen wurde, möchte ich aus Zeitgründen nur auf einige wenige Details eingehen.

Da heißt es: Die Zahl der unselbständig Beschäftigten stieg um 0,5 Prozent an. Es gab mit Ausnahme von Wien überall Beschäftigtenzuwächse. Trotzdem, meine Damen und Herren, heißt es aber auch bedauerlicherweise im gegenständlichen Bericht: Die Zahl der Arbeitslosen ist nahezu konstant geblieben, es gab ein leichtes Plus von 600. (Abg. Dr. Graf: Reden Sie nur über die Vergangenheit!) Wir diskutieren ja einen Bericht! Ich kann doch einen Bericht nicht vorausschauend diskutieren! Wenn Sie das noch nicht kapiert haben, dann lernen Sie Deutsch! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen: Reg dich nicht auf!) Ich rege mich überhaupt nicht auf! (Ruf bei den Freiheitlichen: Du, Annamirl ...!)

Herr Präsident! Ich suche mir normalerweise die Menschen, mit denen ich über Vornamen und in der Du-Form verkehre, selbst aus. Ich empfinde es als Infamie und als eine Beleidigung, wenn hier jemand zu mir sagt: "Annamirl, was regst dich denn auf?" Ich bitte, daß Sie hier einschreiten! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich will nicht von den Freiheitlichen mit dem Vornamen angesprochen werden. Das möchte ich ein für allemal klargestellt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete! Ich habe diesen Zwischenruf auch gehört. Ich wollte Sie nur nicht unterbrechen. – Herr Abgeordneter, ich möchte wirklich bitten, diese Form der Zwischenrufe in Zukunft zu unterlassen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Haider! Diese Aufforderung gilt für jede Fraktion im Haus; das war nur ein konkreter Anlaßfall. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Haigermoser: Annemarie, warum regen Sie sich auf?)

Herr Abgeordneter Haigermoser! Ich bitte jetzt wirklich um etwas mehr Haltung. – Frau Abgeordnete, Sie sind am Wort.

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (fortsetzend): Ich danke vielmals, Herr Präsident.

Ich möchte hier die Lage keineswegs beschönigen oder rosiger darstellen, als sie ist, denn mir ist jeder einzelne Arbeitslose ein Arbeitsloser zuviel. Trotzdem darf nicht unerwähnt bleiben, daß wir innerhalb der letzten zehn Jahre 300 000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen haben, vorwiegend im Dienstleistungsbereich. Im internationalen Vergleich stehen wir immer noch her


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 57

vorragend da. Aber Berichte haben es eben so an sich, daß sie, wenn sie diskutiert werden, schon überholt sind.

Im Falle der Arbeitsmarktsituation sind sie leider im negativen Sinn überholt. Wir haben es mit steigenden Arbeitslosenzahlen zu tun – trotz des sehr hohen Beschäftigtenstandes von 3,04 Millionen Beschäftigten.

Wir müssen alles daransetzen, meine Damen und Herren, diese steigende Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen. In diesem Sinne möchte ich auch die Beschäftigungsinitiative der Europäischen Union, die vorwiegend von unserem Bundeskanzler und unseren Regierungsmitgliedern ausgegangen ist, nicht unerwähnt lassen. Dank sozialdemokratischer Initiativen kommt der Beschäftigungspolitik in der Europäischen Union jetzt endlich ein anderer Stellenwert zu.

Wenn es Einbrüche auf dem Arbeitsmarkt gibt, ist, meine Damen und Herren, immer wieder in der Diskussion festzustellen, daß man sich in erster Linie auf die Behauptung zurückzieht, Arbeit wäre zu teuer, die Arbeitnehmer müßten verzichten können. Über Lohnnebenkosten wird gejammert, internationale Vergleiche werden angestellt, die auf Nichtkenner der Materie freilich Eindruck machen. Der Vergleich der Lohnnebenkosten zum Beispiel mit jenen in Kanada und die Behauptung, sie wären bei uns doppelt so hoch als dort, hinkt gewaltig. In Kanada kennt man keinen 13. und 14. Monatsbezug. – Wenn man dieses Thema seriös diskutieren will, dann darf das einfach nicht verschwiegen werden. Diese Diskussion ausschließlich auf dem Rücken der Arbeitnehmer zu führen, das können wir nicht hinnehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte nun auf den Bericht zurückkommen. Dem Kapitel "Entwicklung und Verteilung des Volkseinkommens" ist zu entnehmen, daß Bruttoentgelte für unselbständige Arbeit real nur um 0,5 Prozent gestiegen sind, Kapitaleinkünfte aber um 3,7 Prozent und Einkünfte aus Gewinnen gar um 9 Prozent. Die Nettoverteilung des Volkseinkommens hat sich also zugunsten von Ertrag und Vermögen verlagert. Ich denke, das wirft auf diese Diskussion, so wie Sie sie führen, ein anderes Licht.

Lassen Sie mich noch etwas zu den Einkommensunterschieden sagen – sowohl bei Aktiveinkommen als auch bei Pensionen zwischen Männern und Frauen. Männer verdienen um 42 Prozent mehr als Frauen, und für gut ein Drittel dieses Unterschiedes ist die höhere Teilzeitbeschäftigung von Frauen verantwortlich. (Zwischenruf des Abg. Meisinger. ) Teilzeit heißt auch Teillohn, Teilsozialleistungen und so weiter. Frauen wissen das und entscheiden sich trotzdem für diese Variante, um Betreuungspflichten und Berufstätigkeit unter einen Hut bringen zu können. Solange wir den Frauen über Kinderbetreuungseinrichtungen nicht die Möglichkeit geben, andere Arbeitsverhältnisse einzugehen, werden diese großen Unterschiede nicht wegzubringen sein. Als von den Sozialdemokratinnen anläßlich der Diskussion um Kinderbetreuungseinrichtungen gefordert wurde, Tagesmütter entsprechend auszubilden sowie arbeits- und sozialrechtlich abzusichern, gab es sofort Widerstände, und die Wahlmöglichkeit zwischen ordentlichen Dienstverhältnissen und Wertverträgen wurde über Presseaussendungen angepriesen.

Meine Damen und Herren! Es trifft schon zu, daß Werkverträge aufgrund der jüngst beschlossenen Strukturanpassungsgesetze jetzt anders zu behandeln sind. Was das aber in bezug auf Krankengeld, Mutterschaftsleistungen, Wegfall des 13. Und 14. Monatsgehaltes und anderes mehr zu bedeuten hat, wird den Frauen – es sind mehrheitlich Frauen, die davon betroffen sind – erst bewußt, wenn der Vertrag unterschrieben ist und das Ereignis heransteht. Daß das so ist, weiß ich aus vielen Diskussionen mit Frauen im Bereich der Altenbetreuung. In diesem Bereich fordere ich zum wiederholten Mal die Schaffung von ordentlichen Arbeitsverhältnissen. Solange einzelne Trägervereine aus finanztechnischen Gründen das Ziel durchbrechen, werden wir hier nicht weiterkommen. (Beifall bei der SPÖ.) Es sei denn, man koppelt daran die Förderungen seitens der öffentlichen Hand. Das wäre übrigens auch für jene Firmen, die ihre Produktion ins Ausland verlagern oder zumindest immer damit drohen, eine denkbare Variante: zuvor konsumierte Förderungen zurückzahlen zu müssen, möglichst mit Zinsen. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 58

Aber zurück zur Frauenbeschäftigung. Hier sehe ich eine entsprechende Verpflichtung aller politisch Tätigen, Bewußtseinsarbeit dahin gehend zu leisten, daß für Frauen ein lückenloser Versicherungsverlauf und somit auch eine eigenständige Alterssicherung unabdingbar ist. Die Pensionsreform 1993 mit der Anrechnung der Kindererziehungszeiten macht es möglich. Längerfristig würde sich das auch rechnen. Wir hätten nicht mehr so viele Frauen, die Sozialhilfe und Ausgleichzulage beziehen.

Besonders betroffen hat mich gemacht, meine Damen und Herren, daß der Anteil der Frauen an den geringfügig Beschäftigten immer noch bei 73 Prozent liegt. Wissen Sie, was das Hauptmotiv für Frauen ist, solche Beschäftigungsverhältnisse einzugehen? – Der Alleinverdienerabsetzbetrag und der bessere Zugang zu Wohnbauförderungsmitteln. Wir müssen diesen Frauen vorrechnen, was sie sich damit antun. Ich werde da sicher nicht untätig sein. Dazu sage ich aber eines ganz klar: Eine Einbeziehung dieser atypischen Beschäftigungsverhältnisse ohne Wenn und Aber in das Sozialversicherungssystem kann nicht das Rezept sein.

Ich möchte mich noch mit ein paar Anträgen auseinandersetzen, die gleichzeitig mit dem Sozialbericht abgehandelt werden. Zum Antrag des Kollegen Peter: Novellierung des Urlaubsgesetzes. Herr Kollege Peter! Nur weil es Probleme in den Saisonbranchen gibt, kann man das Urlaubsgesetz nicht für alle nachteilig verändern. Da muß man sich etwas anderes einfallen lassen. Vielleicht wäre ein Jahresarbeitszeitmodell, ähnlich wie in der Baubranche, ein Rezept.

Mit Frau Kollegin Haidlmayr habe ich im Ausschuß schon diskutiert; sie wünscht eine Änderung des Behinderteneinstellungsgesetzes. Die Ausgleichstaxe mit 1 920 S ist uns zugegebenermaßen zu niedrig, diese aber mit einem Bruttodurchschnittsgehalt anzusetzen, Frau Kollegin Haidlmayr, halte ich für verfehlt – ich habe es Ihnen schon gesagt –, denn auch soziale Hilfsdienste, die sich Behinderter annehmen, müssen die Ausgleichstaxe zahlen, und da wäre diese zu hoch, denn ich kann mir nicht vorstellen, daß Behinderte Behinderte betreuen. (Abg. Haidlmayr: Nein, aber im Verwaltungsbereich!) Im Verwaltungsbereich ist man sehr kostensparend, sehr schonend. Wenn zum Beispiel – wie bei mir – von 140 Angestellten drei Personen im Verwaltungsbereich tätig sind, könnte kein Behinderter eingestellt werden. Denn selbst wenn das Arbeitsmarktservice eine entsprechende Eingangstür finanziert, können Rollstuhlfahrer nur ins Vorhaus, aber nicht in den zweiten Stock gelangen, da es in diesem Haus keine Möglichkeit gibt, einen Lift einzubauen. Ich sage Ihnen das nur noch einmal, sosehr ich diesem Ihrem Wunsch, die Ausgleichstaxe zu erhöhen, teile, aber dies muß maßvoll und vernünftig geschehen.

Zum Schluß kommend, meine Damen und Herren, möchte ich noch einen Bereich ansprechen. Kollege Nürnberger hat sich bei der Diskussion über den Sozialbericht 1993 intensiv mit den Unterschieden zwischen Arbeitern und Angestellten auseinandergesetzt. Bedingt durch eine Fülle parlamentarischer Arbeit, die notwendig und wichtig war, aber auch durch gewisse unnötige und zeitraubende Zeremonien hier in diesem Haus sind wir in dieser Sache nicht sehr viel weitergekommen. Das muß und soll jetzt schnellstens in Angriff genommen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Allein die Unterschiede bei den Krankenversicherungsbeiträgen, der Entgeltfortzahlung, den Kündigungsfristen und anderem mehr bedeuten eine massive Ungleichbehandlung. In einer Zeit, in der durch geänderte Rahmenbedingungen permanent Reformen und Anpassungen erforderlich sind, entwickelt sich bei ungleicher Ausgangsposition die Schere stark auseinander – das kann nicht der Wille des Gesetzgebers sein!

Dazu möchte ich ganz kurz auf den Antrag des Kollegen Kier betreffend Neudefinition der Erwerbsarbeit eingehen und darauf, warum dieser Antrag keine Mehrheit gefunden hat. Herr Abgeordneter, Sie haben darin mehrere Forderungen aufgestellt, unter anderem die Vereinheitlichung aller Pensionssysteme. Sie wissen, daß an der Harmonisierung gearbeitet wird. Deshalb war es nicht möglich, einer Verquickung von so vielen Wünschen in Ihrem Antrag zuzustimmen. Aber bezüglich der Angleichung von Arbeitern und Angestellten haben Sie uns sicher als Verbündete – das können wir, und ich würde es mir wünschen, sicher gemeinsam bewältigen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 59

Herr Kollege Haider hat heute mit seinem Antrag bezüglich Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit etwas sehr Gefährliches zum Ausdruck gebracht. Ich wäre mit ihm einer Meinung, würde es der Arbeitsmarktverwaltung Einsparungen bringen, wenn Arbeitnehmer dafür, daß sie nicht arbeitslos sind, geringere Löhne beziehen und die Differenz vom Arbeitsmarktservice bezahlt wird. Glauben Sie aber nicht, daß wir es dann nur mehr mit solchen Arbeitsverhältnisssen zu tun hätten? Ich glaube das schon! (Beifall bei der SPÖ.)

Dann haben Sie sich noch mit dem Pfuschertum auseinandergesetzt. Pfusch ist nicht gleich Pfusch, und da Sie doch sosehr der Anwalt des kleinen Mannes, der kleinen Frau sind, müssen Sie auch an die Häuslbauer denken, die Nachbarschaftsleistungen erbringen. (Abg. Dr. Haider: Da haben Sie nicht zugehört!) Ich habe schon zugehört. Ich möchte aber noch einmal erwähnen, daß wir uns wünschen, daß das ausgeklammert wird. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Haider: Das wäre ja ein Vorteil für die Häuslbauer!) Sie sagen immer nur die eine Hälfte, die andere wird schamhaft verschwiegen. (Abg. Dr. Haider: 15 Prozent weniger wäre ja ein Vorteil für die Häuslbauer! Oder etwa nicht?) Es gibt andere Möglichkeiten, trotzdem kann man so nicht Häuslbauen, das sage ich Ihnen. (Abg. Dr. Haider: Sagen Sie mir, was Ihre Alternative ist, Frau Kollegin!) So wird jemand nicht Hausbauen können. (Beifall bei der SPÖ.) – Das geht jetzt auf Kosten der Redezeit meiner Kollegen. Wir können das ein andermal ausdiskutieren, falls ich Ihnen nicht die Hand geben muß. Denn das lehne ich ab! (Abg. Dr. Haider: Sie haben keine Alternative!)

Sie haben gesagt, 330 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer würden unter 8 000 S verdienen, und haben dazu Beispiele aus dem Burgenland herangezogen. Nicht nur, daß ich Ihnen das nicht glaube – was ich aber in der Kürze der Zeit nicht mehr recherchieren konnte –, frage ich Sie eines: Warum loben Sie dann das amerikanische Modell so hoch, wo es so viele working poors gibt, nämlich arme Arbeitnehmer, die mit ihrer Arbeit nicht einmal ihren Lebensunterhalt bestreiten können und mehrere solche Berufe ausüben müssen? (Abg. Dr. Haider: Das haben Sie von mir noch nie gehört! Das müssen Sie geträumt haben!) Das haben Sie schon des öfteren gelobt, nicht heute, aber ich wollte das gegenüberstellen, denn Sie bringen bei einer Rede die eine Hälfte und nächste Woche die andere Hälfte, in der Hoffnung, daß man sich an die erste Hälfte nicht mehr erinnern kann. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte zum Schluß kommend es nicht versäumen, allen Beamten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales für den ausgezeichneten und übersichtlichen Sozialbericht zu danken. Er sollte, wie ich meine, eine Pflichtlektüre für alle an der Sozialpolitik interessierten Menschen sein. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

11.23

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.23

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die eben ablaufende Debatte ist dadurch gekennzeichnet, daß mehrere Materien zusammengefaßt sind, die durchaus einen Zusammenhang haben, die aber teilweise – jede für sich genommen – von größter Tragweite sind. Daher ist es leider nur beschränkt möglich, sich im Rahmen der zur Verfügung stehenden Redezeit wirklich allen Aspekten so ausführlich zuzuwenden, wie man es gerne tun möchte. Das finde ich deswegen sehr unangenehm, weil dadurch unter Umständen auch der Eindruck entstehen kann, daß man einzelne Gesichtspunkte nicht so ernst nimmt wie andere.

Ich werde mich daher bemühen, Schwerpunkte zu setzen und aus liberaler Sicht wesentliche Gesichtspunkte herauszuarbeiten. Ich beginne gleich einmal mit dem Bericht über die soziale Lage – ich betone ganz ausdrücklich – 1994 , und wir schreiben jetzt 1996.

Es gibt objektive Gründe, warum das so ist, diese objektiven Gründe sind aber nur sehr beschränkt akzeptabel, denn einer davon ist die im Vorjahr doch relativ abrupt und mutwillig ausgebrochene Neuwahl gewesen. Ich meine, daß sich auch hier wieder einmal zeigt, daß aus taktischen Aspekten verkürzte Legislaturperioden zur Folge haben, daß wichtige Themen


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 60

stellungen eben nur mit großer Zeitverzögerung diskutiert werden können. Daher hat dieser Bericht zur sozialen Lage eigentlich schon eher den Charakter eines sozialhistorischen oder wirtschaftshistorischen Dokuments. In diesem Sinne wird er von uns durchaus anerkannt, aber für den politischen Tag, für heute und für die Probleme der Zukunft ist er nur sehr beschränkt aussagekräftig. Dazu benötigen wir die aktuelleren Daten, dazu benötigen wird die aktuellen Trends, und diese sind in diesem Bericht nicht erkennbar.

Wenn Kollegin Reitsamer sich gegen einen Zwischenruf gewehrt hat, der auf diesen Gesichtspunkt eingegangen ist, dann verstehe ich das zwar aus ihrer Sicht, aber ich muß sagen, das war natürlich objektiv richtig. Es nimmt sich merkwürdig aus, wenn man sich vor dem aktuellen Hintergrund einer wachsenden Strukturkrise, vor dem Hintergrund einer tendenziell ständig weiter steigenden Arbeitslosigkeit und vor dem aktuellen Hintergrund einer sozialbürokratischen Ratlosigkeit dieser Regierung über das Jahr 1994 unterhält.

Daher meine ich, aus dem Bericht über die soziale Lage nur zwei Gesichtspunkte herausgreifen zu sollen, die zeigen, wie stimmig diese Kritik ist. Schon im Bericht 1993 haben wir gelesen, daß es im Bereich der Arbeitslosigkeit keine Teilleistungen gibt. Ich knüpfe damit ganz bewußt an die Ausführungen des Kollegen Haider an, der dieses Thema – wenn auch vielleicht mit einem anderen Zugang, aber völlig richtig – herausgearbeitet hat.

Im Bericht 1994 lesen wir wiederum, daß es nach wie vor leider keine Teilleistungen im Bereich von Invaliditätspensionen gibt, obwohl das nicht grundsätzlich so ist, denn im Bereich der Arbeitsunfälle gibt es das, nur im Bereich der sonstigen Invalidität gibt es das nicht. Wenn Sie sich die Zahlen anschauen, sehen Sie jedoch, daß Zigtausende teilinvalide Menschen sehr gerne arbeiten würden, wenn sie es sich dadurch auf der sozialen Ebene nicht dramatisch verschlechtern würden, auf der Pensionsseite aber in keiner Weise gedeckt wären durch die Pensionen, die sie bekommen würden. Hier entsteht eine Schere, die ständig weiter aufgeht, die teuer, unsozial, unmenschlich und für die Arbeitswelt unerträglich ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Noch ein zweiter Aspekt sei aus diesem wirtschafts- und sozialhistorischen Bericht herausgegriffen und an einem Beispiel beleuchtet: die Frauen. Man kann sie aus diesem sozialhistorischen Bericht herausgreifen, weil sich leider der Befund seit Jahrzehnten nicht wirklich verändert hat. Es stellt sozusagen eine Durchgangskonstante aller Sozialberichte dar, daß aus ihnen hervorgeht, daß die Frauen nach wie vor dramatisch schlechtergestellt sind, was man leicht erkennt, wenn man sich nur die Einkommen ansieht. Nach wie vor sind die Einkommensunterschiede so dramatisch groß und so konstant gleichbleibend, daß man eigentlich nur von einem tragischen Versagen der Rahmenbedingungen sprechen kann. Ich glaube, das ist, als Beispiel herausgehoben, deutlich genug.

Nach wie vor sind aber auch die Möglichkeiten für Frauen, zu verdienen, dramatisch geringer, und unter den Einkommensbeziehern, die weniger als 12 000 S brutto verdienen, ist die überwiegende Mehrzahl Frauen. Aber nicht deswegen, weil sie schlechter qualifiziert sind, sondern weil sie schlechter qualifiziert eingesetzt werden und weil sie außerdem dann noch schlechter bezahlt werden als Männer, wenn diese dieselbe Arbeit machen würden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Jetzt würde man meinen, daß man, wenn schon dieser unbefriedigende Befund vorliegt – ich bin mir sicher, alle Fraktionen sind sich in diesem Punkt einig, es geschieht nur nichts von der Regierungsseite her –, wenigstens die richtigen Erkenntnisse daraus zieht. Aber welche Erkenntnis ist daraus gezogen worden? – Es wurde ein Bonus-Malus-System für ältere Dienstnehmer eingeführt, das genau dieses Element benützt, um Frauen rascher aus der Arbeitswelt "hinauszuregeln", denn wenn man diesen Befund hat, dann weiß man: Das Pensionsantrittsalter ist niedriger, die Einkommen sind niedriger, der Malus ist niedriger. Und umgekehrt: Das Pensionsantrittsalter der Männer ist höher, das Einkommen ist höher, der Bonus ist höher.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 61

Daher hat man nicht nur den Effekt, daß die unter 50jährige Frau jetzt vorsichtshalber spätestens mit 49 Jahren gekündigt werden wird, damit das Bonus-Malus-System überhaupt vermieden werden kann. Wenn es einer aber nicht vermeiden kann, dann kündigt er selbstverständlich die über 50jährigen Frauen und nicht die über 50jährigen Männer, weil das einen niedrigeren Malus bewirkt, und stellt die über 50jährigen Männer an und nicht die über 50jährigen Frauen, weil Frauen einen niedrigeren Bonus bringen würden.

Dieser Effekt ist aus dem Sozialbericht glasklar erkennbar, und vor dem Hintergrund dieses Berichtes hat die Bundesregierung dieses Bonus-Malus-System eingeführt. Und das – ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen – ist unerträglich! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es kann jetzt niemand behaupten, das sei sozusagen zufällig passiert. Und dieser und andere Gründe sind es, warum wir der Meinung sind, daß es zwar durchaus richtig ist, diesen Bericht hier zu diskutieren, ihn zustimmend zur Kenntnis zu nehmen, ist aus liberaler Sicht aber leider nicht möglich.

Ein zweiter, noch viel wesentlicherer Aspekt, weil er eine Zukunftsorientierung enthält, ist unser liberaler Antrag zur Neudefinition der unselbständigen Erwerbsarbeit und zur Vereinheitlichung der Pensionsrechte. Kollegin Reitsamer ist kurz darauf eingegangen, und ich muß ihr ganz massiv widersprechen: Dieser unser Antrag hat keine taxative Aufzählung von unmittelbar umzusetzenden Forderungen enthalten, sondern dieser Entschließungsantrag war daraufhin orientiert, die Bundesregierung aufzufordern, einen Operationskalender vorzulegen mit dem Ziel, die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Vereinheitlichung der Arbeitnehmerrechte im Bereich der unselbständigen Erwerbsarbeit und für eine Vereinheitlichung der Pensionsrechte zu schaffen.

Auch wir von der liberalen Fraktion wissen, daß das ein Großprojekt ist, daß das kein Projekt ist, zu dem man einfach einen Antrag vorlegt und sagt: Bitte, ein bisserl diskutieren und dann – friß, Vogel, oder stirb! – beschließen!, sondern daß es hierbei darum geht – selbstverständlich auch in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern –, einen Operationskalender zu erstellen, um endlich das Dienstnehmerrecht in Richtung eines vereinheitlichten Arbeitnehmerrechtes zu entwickeln.

Der ÖGB selbst hat einschlägige einstimmige Beschlüsse gefaßt, allerdings unter Ausklammerung des öffentlichen Dienstes. Wir hingegen möchten den öffentlichen Dienst in diese Reform miteingebunden wissen, aber das ist doch wirklich nur ein bescheidener Unterschied, wenn man um die Mächtigkeit des Problems weiß. Es ist schon verständlich, daß der ÖGB das so gemacht hat. Offensichtlich wollte er sich mit seiner eigenen Gewerkschaft Öffentlicher Dienst nicht anlegen, das kann schon sein, denn sonst hätte er vielleicht die Einstimmigkeit nicht zustande gebracht, aber es geht um die Grundfrage dahinter, und die Grundfrage heißt: Wir brauchen das!

Wir hätten beispielsweise diese schwachsinnige Werkvertragsdebatte überhaupt nicht führen müssen, wenn wir uns endlich dort hineinbewegt hätten. Es hätte sich nämlich herausgestellt, daß dort, wo es sich tatsächlich um unselbständige Erwerbsarbeit im Sinne eines Mitarbeiters, den man anstellt, handelt, der Werkvertrag gar nicht mehr denkmöglich gewesen wäre, dort allerdings, wo es sich tatsächlich um freie Dienstverträge oder um Werkverträge handelt, wäre das bei der Gesamtkodifizierung völlig klar auf den Tisch gekommen. Wir hätten nicht eine sehr komplizierte Rechtsfrage in die subjektive Beurteilung von Meldepflichtigen gestellt, die wir noch dazu bestrafen, wenn sie sich bei der Meldung vielleicht irren.

All das steckt hinter dem Anliegen, das die liberale Fraktion eingebracht hat und das zwar einer Diskussion im Ausschuß unterzogen, aber unter Angabe von Gründen abgelehnt worden ist, die einfach fadenscheinig waren. Kollege Feurstein hat gemeint, das gehe nicht, weil die Arbeitswelt so vielfältig sei. Wir haben geantwortet, daß, wenn es um die grundsätzlichen Rechte von Dienstnehmern geht, die Vielfalt ein sekundäres Argument ist.

Selbstverständlich ist ein einheitliches Dienstnehmerrecht nicht darauf abgestellt, in taxativer Form jeden einzelnen individuellen Arbeitsfall zu regeln, aber offenbar ist es in der Welt der Menschen, die aus Kammern kommen und die in Zünften und Ständen denken, nicht anders


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 62

vorstellbar. Natürlich muß man ausdifferenzieren, aber die Ausdifferenzierung ist keine Frage der grundsätzlichen Regelung für die Dienstnehmer, sondern das ist eine Frage, die vor Ort in Betrieben, in Betriebsvereinbarungen, in Interaktion mit Gewerkschaften, in Interaktion mit Betriebsräten ausdifferenziert werden kann. Der gesetzlich Regelungsbedarf tritt erst dann allenfalls auf, wenn sich herausstellen sollte, daß unsere Gewerkschaften unfähig sind, so etwas auszuverhandeln, daß unsere Unternehmen unfähig sind, zu vernünftigen Vereinbarungen zu kommen. Erst dann könnte es vielleicht sein, daß ein gesetzlicher Regelungsbedarf über Details auftritt. Ich hoffe nicht, daß es dazu kommt, denn ich glaube fest an den eigenverantwortlichen und mündigen Bürger und insbesondere an eine leistungsfähige Gewerkschaft. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn daher unser Antrag mit der Begründung, er sei zu weitreichend gewesen, deswegen müsse er leider abgelehnt werden, im Ausschuß keine Mehrheit gefunden hat und, ich fürchte, auch in diesem Hohen Haus keine Mehrheit finden wird, dann zeugt das von der Unwilligkeit, einen Operationskalender für eine Reform vorzulegen. Und das sagt über die Bundesregierung wesentlich mehr aus als manches andere. Denn wenn man nicht einmal bereit ist, sich einen Arbeitsplan für eine Reform zurechtzulegen, dann ist man offenbar auch nicht bereit, diese Reform wirklich in Angriff zu nehmen.

Daher kann ich den Worten der Kollegin Reitsamer, die davon sprach, sie sei inhaltlich ganz in der Nähe unserer Anliegen, nicht wirklich Glauben schenken. Es wäre ganz einfach gewesen. Sie hätte im Ausschuß für den Entschließungsantrag zur Entwicklung eines Operationskalenders zur Neudefinition der unselbständigen Erwerbsarbeit stimmen können. Sie hat es nicht getan, möglicherweise aus Fraktionsdisziplin, aber das ist kein guter Grund für jemanden, der ein freies Mandat hat. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Nun zu den Pensionsrechten: Auch wir wissen, daß die Reform und die Vereinheitlichung der sozialen Pensionsrechte – ich lege großen Wert auf das Beiwort "soziale" Pensionsrechte – ein Projekt von großer Reichweite, aber von enormer Dringlichkeit ist, denn die demographischen Zahlen sprechen eine ganz deutliche Sprache, die Aufkommensentwicklung der Beiträge spricht eine klare Sprache, die Bedarfsentwicklung auf der Auszahlungsseite spricht eine klare Sprache.

Wenn der Herr Bundesminister betont, er sehe die Pensionen bis zu diesem oder jenem Zeitpunkt finanzierbar, dann sage ich ihm: Ja sicher – über Schulden! "Finanzierbar" heißt ja nicht, daß sie im System gedeckt sind, das heißt nur, daß man irgendwie das Geld wird darstellen können, und das nähert sich dem, was man in der Wirtschaft fahrlässige Krida nennt. Wenn man behauptet, man werde die Zahlungen schon leisten können, denn irgendwer werde es einem borgen, dann ist das nicht wirtschaften, sondern nur Liquidität darstellen.

Wir haben den Vorschlag gemacht, eine sofortige Umstellung anzudenken, indem man eben mit einer Vierzigstelregelung operiert und sagt: Wir stellen alle sofort um. Alle bisher erworbenen Rechte bleiben den Anspruchsberechtigten erhalten, und was sie noch bis zum 65. oder bis zum 60. Lebensjahr zurückzulegen haben, wird in ein neues System übergeführt. Aber nicht einmal die Diskussionsbereitschaft dafür ist vorhanden. Daher meine ich, daß es schon wirklich bewegend und beunruhigend ist, wenn diese Reformunfähigkeit auch durch das Abstimmungsverhalten so klar zutage tritt.

Ein weiterer Gesichtspunkt in diesem Konglomerat von Materien, die wir unter einem diskutieren, ist der Familientransfer: Es kam im Sozialausschuß auf kurzem Wege dazu, die Zuweisung an den Familienausschuß zu beschließen. Das wird auch so geschehen, und wir werden heute hier im Plenum dieser Zuweisung an den Familienausschuß durchaus auch zustimmen, denn wir wollen, daß die Diskussion endlich weitergeht, daß sie nicht wieder steckenbleibt. Aber in der politischen Dimension wurde unser Antrag nicht verstanden. Unser Antrag war nämlich kein familienpolitischer Strukturantrag, sondern er war ein sozialer Antrag zur Sicherung der Existenzminima für Kinder. – Und das ist zu allen Zeiten eine sozialpolitische Frage. (Beifall beim Liberalen Forum.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 63

Dieser Antrag sollte nicht dazu dienen, ein bestimmtes gesellschaftspolitisches Familienmodell herzustellen, sondern er sollte bewirken, Kinder vor Not zu schützen, ihnen ein auskömmliches Existenzminimum zu sichern und ihnen Chancengleichheit zu gewähren, und zwar durchaus unter Inanspruchnahme der Eltern und unter subsidiärem Einsatz von öffentlichen Mitteln. Selbstverständlich. Eigenverantwortung sollte nämlich auch bei der Familienplanung ein Element sein. Kinder in die Welt zu setzen sollte auch ein bewußter Vorgang sein und nicht nur ein zufälliger.

Wir meinen, daß dieses Element der Eigenverantwortung in unserem Modell sehr klar abgebildet und übrigens im geltenden Unterhaltsrecht voll gedeckt ist, daß aber gleichzeitig nennenswerte Entlastungen im sogenannten Karenzurlaubszuschußgesetz entstünden, daß nennenswerte Entlastungen im Bereich der Familienzuschläge zur Arbeitslosenversicherung entstünden, daß nennenswerte Entlastungen in anderen sozialen Transfers entstünden. – Das heißt, daß die soziale Dimension unsere Antrages vollkommen unübersehbar ist für jemanden, der ihn gelesen hat.

Das ist auch der Grund, warum wir verdrossen sind, daß er nicht im Sozialausschuß diskutiert wurde, sondern in den Familienausschuß kommt. Er soll dort diskutiert werden, wohin er jetzt kommt, seine soziale Dimension verliert er deswegen allerdings nicht, und wir werden nicht zulassen, daß er vielleicht mißbraucht wird als ein Instrument für: Frauen zurück an den Herd! Ich spüre geradezu schon, welche Argumente da kommen werden, ich spüre schon, wie man wieder versuchen wird, Familien- und Sozialpolitik so zu vermischen, damit die konservativen Strukturen unserer Gesellschaft weiter erhalten bleiben, damit die Emanzipation der Frauen weiter behindert und erschwert wird, statt ihnen den freien, chancengleichen Zutritt auch in die Arbeitswelt zu ermöglichen. Denn darum geht es hier ebenfalls: um eine permanente Herstellung von Chancengleichheit. – Das wurde nicht verstanden! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es wurde aber auch nicht verstanden, daß es nach unserer Überlegung, die auf Existenzabsicherung, auf Existenzminima für Kinder abzielt, überhaupt nicht notwendig gewesen wäre, in dieser verqueren Art Sozialabkommen zu kündigen – wir werden heute zu einem anderen Tagesordnungspunkt noch Gelegenheit haben, uns im einzelnen darüber zu unterhalten –, nämlich die Sozialabkommen mit Slowenien, mit Kroatien, mit Bosnien-Herzegowina und so weiter, nur um dort keine Familienbeihilfen zahlen zu müssen. "Existenzminimum" heißt nämlich, auf die existentiellen Notwendigkeiten des Betroffenen vor Ort abzustellen. Nach unserem Familientransfermodell hätte das geheißen, daß Kinder, die in der Türkei leben, aufgrund der dortigen Lebensstandardverhältnisse selbstverständlich ein niedrigeres Existenzminimum benötigen, daß daher nennenswerte Entlastungen im Budget aufgetreten wären, ohne daß man einseitig Sozialabkommen mit Staaten kündigen hätte müssen.

Aber ich sage noch einmal: Das weiß natürlich nur jemand, der unseren Antrag gelesen hat. Und das macht so verdrossen, denn man hat das Gefühl, es wird geschaut, wer den Antrag gestellt hat, und danach entschieden, ob man dagegen oder dafür ist. Wenn er nicht von der eigenen Fraktion oder von der Regierungsfraktion 2 ist, dann wird er jedenfalls abgelehnt und nicht für eine echte Diskussion benützt. Das ist etwas, was eine Krise des Parlamentarismus bedeutet, und ich sage das laut und öffentlich, weil ich meine: Wenn wir nicht wirklich diskutieren, werden wir die gemeinsame Innovationskraft im sozialpolitischen Feld nicht haben, die wir aber dringend brauchen, denn daß unser Sozialsystem in einer Krise ist, das bestreitet ja wohl niemand. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es ist in einer Krise, und zwar insofern, als die Ansprüche, die wir damit erfüllen wollen, nicht mehr einheitlich definiert sind und sich kein Mensch mehr auskennt. – Mein Kollege Barmüller hat das anläßlich der Budgetdebatte sehr klar hervorgehoben.

Es geht um einen menschenwürdigen Umbau des Sozialstaates, es geht um eine Umfinanzierung des Sozialstaates, es geht um eine Finanzierung des Sozialstaates weg von den Köpfen der unselbständig Erwerbstätigen hin zu anderen Finanzierungsmechanismen – in einem ande


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 64

ren Jargon heißt das: um die Entlastung der Lohnnebenkosten! Aber das bedeutet, daß man eben andere Wege finden muß. (Ruf: Wertschöpfung!)

Wenn da jemand jetzt den Zwischenruf "Wertschöpfung!" macht, dann ist das schon wieder eindimensional gedacht. Wir müssen uns über die Steuerbemessungsgrundlagen, auf die das abgestellt sein soll, einigen: zum Beispiel Ressourcen, selbstverständlich Energie, aber nicht einseitig, so wie das jetzt der Fall ist. Jahrelang haben wir gehört, man kann Energiesteuern nicht einseitig einführen, obwohl damals noch die Entlastung der Lohnnebenkosten die Parallelaktion gewesen wäre. Jetzt werden die Lohnnebenkosten nicht entlastet, das heißt, der Sozialstatus wird verschlechtert, und die Energiesteuern sind trotzdem einseitig eingeführt worden. Das ist keine Umfinanzierung – das ist Fassadenrenovieren! Mein Kollege Barmüller hat das heute schon einmal gebracht.

Aber hinter der Fassade wird das Sozialsystem ausgehöhlt, es wird entkernt. Die Fassade wird regelmäßig gestrichen, die Fenster werden regelmäßig geputzt, aber dahinter werden ganze Stockwerke abgetragen, anstatt daß man sich darüber im klaren ist, daß eine neue Architektur her muß. Diese neue Architektur heißt aber ein neuer großer Grundkonsens, und da muß man zum Beispiel auch die Arbeitslosigkeit neu definieren. Aber das wäre ein Element dieses Operationskalenders gewesen, der abgelehnt wurde. Wir müssen nämlich überlegen: Ist jemand nur dann arbeitslos, wenn er vorher gearbeitet und diese Arbeit verloren hat, oder ist jemand arbeitslos, wenn er eine Arbeit sucht, aber keine findet? – Wir stellen in unserem System nach wir vor darauf ab, daß jemand, der eine Arbeit sucht, aber keine findet – wenn er vorher nicht gearbeitet hat, nicht lange genug gearbeitet hat –, als Arbeitloser nicht anerkannt und als solcher daher von uns auch nicht unterstützt wird. Und das sind die Dinge, die versäumt werden, wenn man sich nicht einmal darauf einläßt, eine Diskussion über einen Operationskalender der Bundesregierung zu eröffnen.

Lassen Sie mich noch eine abschließende Bemerkung zu den Überlegungen des Kollegen Haider machen, was die Ausländerhöchstzahlen, die Beschäftigung und die Frage der Rechtsstellung der Türken im Hinblick auf die Assoziationsübereinkommen mit der EU anlangt. Es wird bei einem anderen Tagesordnungspunkt ausführlich Gelegenheit dazu sein, darüber zu sprechen, aber eines muß ich heute und jetzt hier schon sagen: Das ist die Aufrechnung "Arbeitslose gegen Ausländer" durch die Hintertüre. Wenn ich nämlich sage: Wenn man die Ausländerhöchstzahlen einfriert oder um irgendwelche Prozentsätze im Sinne der "Türkenproblematik" senkt, die Quote senkt, einen absoluten Einwanderungsstopp verfügt, dann wird sich wie von selbst die Arbeitslosigkeit verflüchtigen, dann ist das die Aufrechnung durch Zwangsmechanik, nur funktioniert das nicht. Die Nachfrage der Wirtschaft wird eine andere als die strukturelle Arbeitslosigkeit sein, und wir würden ein total unmenschliches Ausländerrecht brauchen. Es war mir ein Bedürfnis, das jetzt hier zu sagen und es nicht unwidersprochen bleiben zu lassen, denn ich kann nicht dulden, daß unter dem Anschein, soziale Anliegen zu vertreten, die Menschenwürde von anderen mit Füßen getreten wird. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das hat doch nichts mit Menschenwürde zu tun!)

11.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

11.45

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren, die Sie uns auf der Galerie Ihre Aufmerksamkeit schenken! Hohes Haus! Da ich an das Gute glaube und für das Bessere arbeite, verstehe ich nicht ganz, warum einige Debattenredner zum Sozialbericht uns heute eine Stimmung hereintragen, die geradezu jammervoll ist. Diese werden wir nicht annehmen können, uns sie kann auch nicht hingenommen werden. Ich bin weder blauäugig noch leichtgläubig, aber ich glaube, wir haben jeden Grund, diesen Tätigkeitsbericht über die soziale Lage mit Freude und Zufriedenheit anzunehmen, und ich danke allen, die daran mitgearbeitet haben – nicht nur den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium, die dieses Werk aufgearbeitet haben, sondern allen Bürgerinnen und Bürgern, die


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 65

sich in die soziale Arbeit und in die soziale Aufgabe im Jahr 1994 – dieses Jahr umfaßt der Bericht – eingebracht haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn ich mir den Debattenbeitrag von Kollegen Haider in Erinnerung rufe, dann möchte ich ihn so umschreiben: Also sprach der Herr: Hätte ich die Gestaltungsmöglichkeiten, gäbe es all das nicht mehr! – Er würde alle Leistungen erhalten, er würde alle Steuern deregulieren, er würde alles anders machen. Ich frage mich: Wie würde er all das finanzieren? Es ist doch nicht möglich, auf der einen Seite alles so zu belassen, wie es ist, und auf der anderen Seite gleichzeitig alles zu verändern. Das ist doch nicht möglich! (Abg. Dr. Graf: Dein Gehalt kürzen wir!)

Wenn demagogischerweise hier gesagt wurde, daß die Regierung den Behinderten Geld wegnimmt, dann müssen wir das Ganze ins richtige Lot bringen. (Abg. Dr. Haider: Systemverteidiger!) – Ich bin kein Systemverteidiger, Herr Dr. Haider, ich bin nur einer, der die Sache kennt – zum Unterschied von Ihnen, obwohl Sie doch auch einen Einblick hätten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Ein alter Sozialversicherungsfunktionär bist du!)

Wir haben beim Pflegegeld in der alten Form bei Anstaltsaufenthalten 20 Prozent der Pflegestufe III als sogenanntes Tag- und Taschengeld gewährt und meinten – da alle Leistungen während dieser Anstaltspflege zu erbringen sind –, daß auch 10 Prozent zumutbar sind. Deshalb haben wir im Rahmen des Strukturanpassungsgesetzes das um 10 Prozent herabgesetzt. Herr Dr. Haider! Sie werden eine Leistung von dieser Qualität nirgendwo in Europa oder sonstwo finden. (Abg. Dr. Haider: 500 S Taschengeld für Behinderte! Das ist eure menschliche Qualität!)

Wenn Sie behaupten, daß wir die Abkassierer der Familien sind, dann ist das eine demagogische Darstellung, Herr Dr. Haider! Sie können das behaupten, es ist aber nicht richtig. Darum bin ich froh, daß Sie hier zwar das Wort ergreifen können, aber draußen keinen Auftrag haben, etwas zu gestalten. Das freut mich und erfüllt mich mit Genugtuung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die letzte Wahl war im Burgenland. Das Burgenland wurde heute hier oft angesprochen; es war davon die Rede, welche Zustände dort herrschen würden. Dadurch ist klar geworden, daß Sie sehr oft unten waren. – Na ja, Sie haben sich dort halt auch mehr erwartet, als Sie bekommen haben. (Abg. Dr. Ofner: Ihr aber auch!) Ich habe gesagt: Sie haben sich halt auch mehr erwartet. Hören Sie mir zu, Herr Dr. Ofner!

Der soziale Bereich berührt die Menschen eigentlich in allen Lebenslagen, die Jugend genauso wie die Berufstätigen und auch die Menschen, die bereits aus dem Erwerbsleben ausgetreten sind, die Gesunden und die, die es weniger leicht haben im Leben, nämlich die Kranken und die Behinderten. Und wir können uns wirklich darüber freuen und darauf stolz sein, daß es möglich ist, daß wir in Österreich 29,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes oder 699 Milliarden Schilling – ich glaube, das ist bei Gott keine Kleinigkeit, oder meinen Sie? – für den sozialen Bereich aufwenden. Das ist herzeigbar, und darauf können wir stolz sein. Aber wir dürfen uns nicht zurücklehnen, sondern wir müssen uns weitherhin bemühen, weiterarbeiten und das Ganze weiterentwickeln. Das ist die Herausforderung!

Die Grundlage dafür, daß wir all das erbringen können, ist, daß wir eine gute Beschäftigungslage hatten. Zurzeit haben wir – wir im übrigen Europa – diesbezüglich Probleme, und deswegen macht es keinen Sinn, wenn wir uns hier gegenseitig bejammern, sondern wir haben darüber nachzudenken, wie wir diese Probleme gemeinsam lösen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist klar, daß die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft gestärkt werden muß, und zur Wirtschaft gehören Unternehmer, Arbeitnehmer, Bauern, Angehörige der freien Berufe, wir alle. Da haben wir einigen Handlungsbedarf. Und wenn in diesem Bericht auch auf Arbeitnehmerschutz und Arbeitsrecht eingegangen wird, dann ist das ganz richtig, aber ich glaube, daß wir auch in diesem Bereich manche Entwicklungen haben, wo wir vielleicht etwas zu sehr überzogen haben. Wir haben aber natürlich auch Bereiche, wo wir nachjustieren müssen, nicht zuletzt aufgrund der Integration. Wir sind ja auch dabei, in den Ausschüssen die notwendigen Beratungen zu führen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 66

Wenn Sie Menschen nach ihren Bedürfnissen fragen, dann sagen sie, daß das größte Bedürfnis jenes nach Sicherheit ist, Sicherheit eigentlich in allen Lebenslagen. Es geht um die Sicherheit am Arbeitsplatz. Es geht um die Sicherheit gegen Risken der Krankheit, des Unfalls und des Alters. Und wir haben mit unserem Sozialsystem in Österreich, so glaube ich, eine gute Voraussetzung geschaffen, daß wir auf all die Fragen auch taugliche Antworten geben beziehungsweise vertretbare Leistungen gewähren können.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten mit der Frage Arbeitslosenversicherung, Arbeitslosigkeit und dergleichen viel behutsamer umgehen. Arbeitslosigkeit ist in Wahrheit für jeden Menschen ein schreckliches Schicksal, und deshalb haben wir uns zu bemühen, daß ihm diese möglichst nicht widerfährt, wiewohl ich glaube, daß man Arbeitsplätze nicht anordnen kann, Arbeit nicht verordnen kann, sondern daß man nur Rahmenbedingungen schaffen kann, damit die Menschen Arbeit haben und Arbeit finden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Arbeitslosenversicherung, so gut sie auch ist, ist sicherlich nicht frei von Fehlläufen. Diese zu beseitigen, das, glaube ich, ist unsere Aufgabe. Und die Frage, ob wir die Zumutbarkeitsbestimmungen so lassen oder etwas verschärfen, sollen wir nicht hier vom Rednerpult aus klären, sondern sollen wir eher grundsätzlich miteinander besprechen.

Im Jahr 1994 sind auch die Arbeitsämter neu geregelt worden. Mit 1. Juli 1994 ist das Arbeitsmarktservicegesetz in Kraft getreten. Wir haben in der Arbeitsvermittlung durch das neue Gesetz auch entsprechende Erfolge zu verzeichnen. Ich glaube aber, daß wir uns in diesem Bereich in den nächsten Wochen und Monaten weiter zu bemühen haben werden und auch dort manche Trägheiten und Fehlläufe aufarbeiten müssen. Insgesamt können wir auf eine vertretbare Entwicklung verweisen, die wir tagtäglich noch verbessern können.

Dieser Bericht nimmt auch auf das Pensionssystem Bezug und sagt aus, daß im Jahr 1994 1 805 000 Bürger in Österreich einen Bezug für die Alterssicherung aus dem Pensionssystem erhalten haben. Und es stimmt, Dr. Kier, daß wir hier nachdenken müssen. Ich teile mit Ihnen nicht die Auffassung, daß wir in einer Krise stecken. Ich glaube aber, daß wir alles unternehmen müssen, um auch gewisse Entwicklungen klar zu sehen. Wir müssen sehen, daß auf Dauer das Pensionssystem nicht arbeitsmarktpolitische Aufgaben erfüllen kann. Das wird nicht gehen, das wird nicht finanzierbar sein, da wird der Generationenvertrag nicht stabil bleiben. Hier muß es Änderungen geben. (Beifall bei der ÖVP.)

Genauso brauchen wir Antworten auf eine – Gott sei Dank – höhere Lebenserwartung. Wir brauchen auch Antworten auf die Verkürzung der Lebensarbeitszeit. Im Jahr 1970 betrug die Lebensarbeitszeit 43,2 Jahre, im Jahr 1994 betrug sie 38,4 Jahre – durch längere Ausbildung, durch früheren Pensionsantritt. Das sind Fakten, an denen wir uns zu orientieren haben. Wir haben auch festzustellen, daß die Pensionsleistung von 1970 bis 1994 um 295 Prozent anstieg, die Ausgleichszulagenrichtsätze sogar um 473 Prozent angehoben wurden, während der Verbraucherindex in dieser Zeit nur um 198 Prozent angestiegen ist. Das heißt, wir haben gerade im Alterssicherungsbereich eine enorm gute Entwicklung, und ich meine, daß wir uns darüber freuen sollten.

Was mir aufgefallen ist und was ich kritisch anmerken möchte, sind die Pensionsleistungen beim Pensionstyp "allgemeine Alterspension". Hier haben wir eine durchschnittliche Leistung von 13 400 S, die geringste Leistung beträgt 7 600 S, die höchste 17 500 S, im Bereich ASVG, BSVG und GSVG, im öffentlichen Bereich 30 600 S. Mich plagt nicht der Neid, aber die Sorge, ob wir auf Dauer denen mit einer Pension von 7 600 S erklären können, daß das alles ist, was wir ihnen zu geben haben. Das werden wir auf Dauer nicht drüberbringen. Deshalb werden wir nach mehr Harmonisierung trachten und streben müssen. Das ist eine ungemein schwierige Sache, weil sich niemand hier einbringen möchte, der über dem Mittel liegt, und sich jeder, der unter dem Mittel liegt, ungemein viel erwartet. Es ist aber keine hoffnungslose Aufgabe. Wenn wir wollen, können wir auch hier Verbesserungen erreichen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 67

Die Pensionsreform 1993 hat in beeindruckender Weise schon auf die Veränderungsprozesse Bezug genommen. Ich glaube aber, daß all diese Umbauelemente, daß all diese Maßnahmen eigentlich aufgrund der Veränderungen, die seither stattgefunden haben, zuwenig greifen und wir nachjustieren müssen. Das bleibt uns sicherlich nicht erspart.

Bezugnehmend auf das Pflegegeld. Meine Damen und Herren! Ich habe vor kurzem mit Parlamentariern aus der Bundesrepublik Deutschland gesprochen, und die haben mir gesagt: Lieber Freund! Schätze dich glücklich, in Österreich zu sein. Wir in der Bundesrepublik Deutschland können uns überhaupt nicht vorstellen, ein Pflegegeld von dieser Qualität anzubieten.

Wir haben 310 000 Bürger in der Pflegeleistung. 1 Prozent davon sind in der erbarmenswerten Situation, in der Pflegestufe 7 leben zu müssen, 58 Prozent davon sind in der Pflegestufe 2. Insgesamt, glaube ich, haben wir in diesem Bereich eine Leistungsqualität, die Sie nirgendwo anders finden werden. Auch das sollen wir den Bürgern sagen, auch darauf wollen wir hinweisen, und darüber müssen wir reden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist keine Frage, daß es in der Krankenversicherung Sorgen und Probleme gibt. Aber ich glaube, damit können wir uns am heutigen Tag ohnehin noch beschäftigen. Ich meine, nur darauf verweisen zu müssen, daß wir auch sehen müssen – bei allem Palaver, das es dazu gibt –, daß die Einnahmen in den letzten zehn Jahren im Schnitt um 3 bis 4 Prozent gestiegen sind, während sich die Ausgaben um 10 Prozent und mehr Prozent erhöhten. Wir haben all die zusätzlichen Leistungen mit Freude aufgenommen, aber wir werden heute auch auf diese Dinge Antworten zu geben haben, denn diese Entwicklung können wir so nicht fortschreiben. Persönlich glaube ich, daß weder die neue Spitalsabrechnung das Problem löst, noch bin ich ein Freund von Beitragserhöhungen. Ich sage das ganz offen, und das wissen sehr viele, mit denen ich sprechen durfte. Ich glaube aber, daß einige Vorschläge, wie sie zum Beispiel Minister Hums in den letzten Tagen gemacht hat, etwa Teile der Tabaksteuer für den Gesundheitsbereich einzubringen, vernünftig sind. Und wir sollten uns mit ihnen wirklich beschäftigen und nicht sagen: Das geht nicht, das hat keinen Sinn! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir müssen auch den Mut haben, dieses Konfliktthema ehrlich zu diskutieren. Ich glaube, daß das Krankenversicherungssystem keine Reparatur mehr verträgt, sondern eine Korrektur braucht, eine neue Linie, neue Entwicklungen und mehr Eigenverantwortung des Bürgers braucht. Das bleibt uns nicht erspart. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn jemand glaubt, daß die Unfallversicherung für alles aufzukommen hat, dann soll er sich einmal den Fall vor Augen führen, der gestern abend in der Sendung "help tv" berichtet wurde: Da hat ein Mann einen risikoreichen Sport betrieben und dabei einen schweren Unfall erlitten, und er verlangt jetzt von der gesetzlichen Unfallversicherung alle Leistungen – bis hin zur Versorgungsleistung. Meine Damen und Herren! Wenn wir mit den Geldern der Unfallversicherung, die wir im wesentlichen für die Verhütung von Unfällen und für Arbeitsunfälle eingebracht haben, auch alle anderen Bereiche wie Haushaltsunfälle und Freizeitunfälle eins zu eins abdecken wollen, dann müssen wir uns auch im klaren darüber sein, daß irgendwann einmal die Decke zu kurz wird.

Entweder wir finden Möglichkeiten, Haushalts- und Freizeitunfälle teilweise anders abzudecken, oder wir müssen zu einer neuen Leistungsbetrachtung kommen.

Ich meine, daß wir auch sagen sollen, daß wir ein umfassendes und gutes Sozialsystem haben – ohne Riskenauslese –, ein System, in das nahezu 99,77 Prozent aller Bürger – ohne Ansehen ihres Standes, ihrer Gesundheit, ihres Alters oder sonst irgendwelcher Kriterien – einbezogen sind, und auch alle Leistungen in vollem Umfang erwarten können.

Wir müssen auch sagen, daß die Sozialversicherungen – ein Feindbild mancher – auch nicht so schlecht arbeiten, wie es manchmal dargestellt wird. Der Verwaltungsaufwand dieser Einrichtungen, in denen an die 28 000 Menschen arbeiten, Arbeit finden, ist 2,9 Prozent. Zeigen Sie mir eine Einrichtung, die wesentlich effizienter oder billiger arbeiten würde! Deshalb dürfen wir nicht immer das Kind mit dem Bade ausgießen, sondern müssen selektiv und klar diskutieren: Über


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 68

die Dinge, bei denen es Probleme gibt, reden wir, diese arbeiten wir auf, aber wir dürfen nicht das Ganze in Frage stellen. Das halte ich für untauglich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir haben in diesem Jahrhundert eine gute Entwicklung im Sozialbereich. Sozialpolitik ist nichts Starres, sondern etwas, das man dauernd anpassen muß. Sozialpolitik soll finanzierbar bleiben, und Sozialpolitik muß den Menschen dienen. Daß wir heute einen hohen Standard haben, daß wir heute einen Wohlstand haben, ist kein Geschenk vom Himmel – bei Gott nicht! –, es ist auch nicht die alleinige Leistung – Sie mögen das verzeihen – der Sozialdemokratie, es ist auch nicht das Produkt oppositioneller Polemik, sondern es ist das Ergebnis der Arbeit der Bürger in diesem Lande. Es war eine mühsame Entwicklung bis zum heutigen Tag! Deshalb haben wir diese Leistungen auch entsprechend zu werten und zu honorieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte allen, die hier mitgewirkt haben, Dank sagen, von einem Karl Maisel, das war der erste Sozialminister von 1945 bis 1956, über Grete Rehor, die eine gewaltige Reformerin war, bis hin zu Franz Hums, dem Herrn Minister. Ihnen allen sei Dank gesagt! Ich möchte aber auch allen Sozialsprechern, so auch der Frau Vorsitzenden Annemarie Reitsamer danken, weil ich sie als eine sehr engagierte und willensstarke Frau für diesen Bereich kennengelernt habe. Aber meine besondere Anerkennung gilt dir, Gottfried Feurstein, weil du immer einer jener bist, die mit uns nach Neuem suchen und sich bemühen, all diese Veränderungen gründlich vorzubereiten und auch konsequent umzusetzen.

Wir haben Grund, uns zu freuen! Wir müssen wissen, daß die soziale Sicherheit in diesem Lande weiter gehalten werden muß. Wir haben uns zu bemühen, die Ressourcen bedarfsorientiert einzusetzen. Wir haben die Pflicht, die erworbenen Leistungen zu sichern. Wir alle haben eine große Aufgabe, der wir uns zu stellen haben! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

12.04

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Verehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der Jubelrede des Abgeordneten Donabauer wird es wohl wieder einmal Zeit (Abg. Dr. Khol: Eine gute Rede!), daß man zu den Realitäten zurückkommt, Herr Abgeordneter! Natürlich, ich gebe schon zu, was von allen Fraktionen unbestritten ist, auch von uns: Der Sozialbericht ist gut, aber die soziale Realität ist deswegen noch lange nicht gut, verehrter Kollege Donabauer!

Sie haben sehr ausführlich dargestellt, welch entwickeltes Sozialsystem wir in Österreich haben. Ich stimme Ihnen zu. Nur haben Sie sehr wenig darüber gesagt, was Sie mit Ihrer Politik in diesen Jahren, jetzt, dazu beitragen, um dieses Sozialsystem erhalten, ausbauen beziehungsweise neu orientieren zu können.

Wir sollten eigentlich darüber diskutieren, daß wir im Unterschied zu den Zahlen von 1994, die im Sozialbericht enthalten sind, inzwischen schon wesentlich geänderte wirtschaftliche und soziale Indikatoren haben. Es ist für meine Begriffe einigermaßen absurd, daß wir im Frühjahr 1996 ein Strukturanpassungsgesetz mit gravierenden Auswirkungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen beschließen und im Anschluß daran ein paar Monate später einen Sozialbericht für das Jahr 1994 diskutieren. Also nach dem ersten Strukturanpassungsgesetz diskutieren wir über eine soziale Lage, die es in dieser Republik derzeit nicht mehr gibt.

Das ist einigermaßen absurd, Herr Kollege Donabauer! Es ist deswegen meiner Ansicht nach einigermaßen absurd, denn wenn Sie diesen Bericht, beispielsweise den Verteilungsbericht, etwas intensiver als Grundlage des Handelns für dieses Strukturanpassungsgesetz genommen hätten – wir als Opposition können nur kritisieren –, als Grundlage der Maßnahmen, dann müßten diese Maßnahmen anders aussehen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 69

Als Beispiel die Einkommenssituation der Männer und Frauen. Wir haben noch immer, Herr Kollege Donabauer, im Unterschied zu Ihrer positiven Darstellung auch im Jahre 1994 über 300 000 Personen, die für Vollzeitarbeit – also für 40 oder 38 Stunden Arbeit – unter 12 000 S brutto verdienen. Das ist ein Armutszeugnis für die Sozialpolitik und für die Einkommenspolitik in diesem Land! Das ist tatsächlich ein Armutszeugnis!

Vor zehn Jahren – ich kann gar nicht müde werden, das immer wieder zu sagen – sind Ihre Fraktionskollegen und die sozialdemokratischen Gewerkschafter in Vorarlberg zu ersten Mal übereingekommen, 10 000 S Mindestlohn zu verlangen – 10 000 S! Aber das war im Jahre 1985. Der Sozialbericht 1994 führt diese Kategorie derer, die unter 10 000 S liegen, gar nicht mehr, obwohl es im Jahre 1994 noch Berufsgruppen gegeben hat ... (Abg. Dr. Mertel: Wir sind bei 13 000! 13 000!)

Frau Kollegin Mertel! Es hat Berufsgruppen gegeben, allerdings nicht in Ihren öffentlichen Diensten natürlich, aber in der Privatwirtschaft hat es Berufsgruppen gegeben wie die Taxifahrer, wie die Angestellten im zahntechnischen Bereich, die unter 10 000 S brutto gelegen sind – unter 10 000 S brutto – 1994! Es ist doch einigermaßen deprimierend, daß wir uns noch immer mit dieser Realität auseinandersetzen müssen.

Herr Kollege Nürnberger! Es ist auch deprimierend für die Gewerkschaftspolitik. Ich weiß schon, die Metaller haben schon mehr als 10 000 S. (Zwischenruf des Abg. Koppler. ) Ich weiß schon, diese sind drüber. Aber auch in diesem Bericht ist wieder die Zahl von 300 000 Personen angeführt, die unter 12 000 S brutto verdienen, und das sind ungefähr 10 000 S netto. Das ist deprimierend! Angesichts dessen kann man nicht sagen: Es ist eine sehr zufriedenstellende Lage, und wir haben ein sehr entwickeltes Sozialsystem! – Das kann man dann nicht mehr sagen!

Denn die Konsequenz, Herr Kollege Nürnberger, kennen Sie auch! Die Konsequenz daraus ist doch, daß diese Personen, wenn sie in die Arbeitslosigkeit gehen müssen, 4 000 S, 5 000 S Arbeitslosengeld bekommen. (Zwischenbemerkung der Abg. Hostasch. ) Damit bin ich beim Strukturanpassungsgesetz, Frau Kollegin Hostasch! Ich finde es einigermaßen absurd, daß wir diesen Sozialbericht diskutieren müssen, daß wir über Zahlen und Ziffern beispielsweise beim Arbeitslosengeld und der Notstandshilfe diskutieren müssen, daß wir zur Kenntnis nehmen müssen, daß das Arbeitslosengeld und die Notstandhilfe für die Frauen im Durchschnitt noch immer wesentlich geringer sind als für Männer, daß die Löhne und Einkommen der Frauen noch immer wesentlich geringer sind als die der Männer, daß die Pensionen der Frauen noch immer wesentlich geringer sind als die der Männer, daß aber dann, wenn es um das Strukturanpassungsgesetz 1996 geht, die Frauen eine Gruppe der Hauptbetroffenen sind.

Ich finde es absurd, daß wir einen Sozialbericht diskutieren, daß wir nicht den Verteilungsbericht diskutieren, obwohl in diesem Verteilungsbericht zum Beispiel steht, daß die Umverteilung im Bereich der Arbeitslosenversicherung und der Familienpolitik einigermaßen funktioniert. Was machen Sie mit Ihrem Strukturanpassungsgesetz, das wir vor wenigen Monaten beschlossen haben?

Genau in diesem Bereich werden Maßnahmen gesetzt, die die Schwächsten am meisten betreffen. Genau in diesem Bereich, in dem es wichtig wäre, die bestehende, tatsächlich funktionierende Umverteilung durch Sozialtransfers aufrechtzuerhalten, genau dort werden die Schwächsten bestraft; genau dort wird versucht, an jene mit dem geringsten Einkommen heranzukommen, um ihren Obolus zu verlangen, während diejenigen mit den höchsten Einkommen in dieser Republik nach wie vor – ich betone es, Herr Kollege Nürnberger: nach wie vor! – diejenigen sind – auch wenn Sie vielleicht nicht die Ergebnisse oder die Einschätzungen der Arbeiterkammer Oberösterreich oder der Tiroler Arbeiterkammer teilen –, die am wenigsten durch das Strukturanpassungsgesetz betroffen werden.

Das hat die Arbeiterkammer Tirol festgestellt, das hat die Arbeiterkammer Salzburg festgestellt, das hat die Arbeiterkammer Oberösterreich festgestellt. Vielleicht – ich weiß es nicht – hat die Arbeiterkammer Wien etwas anderes festgestellt; ich glaube nicht. (Abg. Hostasch: Das müßten Sie aber wissen, denn da sitzen Sie ja drinnen!) – Nein, ich sitze jetzt nicht mehr in der


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 70

Arbeiterkammer Wien, Kollegin Hostasch, aber ich glaube, es ist eindeutig, was die Arbeiterkammern im Zuge der Beratungen des Strukturanpassungsgesetzes herausgefunden haben, nämlich daß die Gruppen mit den höchsten Einkommen nicht proportional zu ihrer Leistungsfähigkeit herangezogen werden, um dieses Strukturanpassungsgesetz zu finanzieren.

Ich finde es absurd, daß wir hier und heute darüber diskutieren, wahrscheinlich auch am Nachmittag im Rahmen der Gesundheitsdebatte darüber diskutieren werden – von einigen Seiten wird dieser Vorschlag kommen –, daß diejenigen mit den geringen Einkommen noch mehr Selbstbehalt bezahlen sollen, obwohl beispielsweise aus der Einkommensstatistik, die in diesem Sozialbericht 1994 enthalten ist, ersichtlich ist, daß beispielsweise im Gesundheitsbereich die Gruppe derer mit hohen Einkommen, mit über 2,5 Millionen Schilling offiziell angegebenem Einkommen pro Jahr keine dementsprechende Erhöhung des Selbstbehaltes erfahren soll. Es gibt keinen anderen angeführten Bereich mit solch hohen Einkommen in der Höhe von über 2,5 Millionen Schilling pro Jahr als die im Gesundheitsbereich Tätigen.

Ich denke, wenn wir über Veränderungen im Gesundheitsbereich diskutieren, dann sollten wir uns auch die Einkommenssituation von bestimmten Gruppen, die im Gesundheitsbereich tätig sind, genauer ansehen. Nach wie vor ist das offensichtlich ein heißes Eisen oder ein Tabuthema, über das man nicht sprechen darf, wenn man über das Gesundheitsthema und über die Gesundheitssituation in diesem Land diskutiert, daß es Gruppen gibt, die an dieser Situation im Gesundheitssektor und sogar an den leeren Kassen noch ganz gut verdienen können.

Ich halte es für unmöglich, daß wir, wenn wir die Meldungen der letzten Tage von den Prozessen bezüglich Gesundheitsfragen verfolgen, lesen müssen, daß beispielsweise bei einem Fall, bei dem es um einen Tod im Krankenhaus geht, der herbeigerufene Primararzt, der eigentlich im Krankenhaus hätte sein müssen und Anwesenheitspflicht gehabt hätte, deswegen nicht kommen und ins Krankenhaus geholt werden konnte, weil er zur selben Zeit, in der er Anwesenheitspflicht im Krankenhaus gehabt hat, woanders operiert hat – auf seine eigenen Kosten und auf sein eigenes Konto. Das sind die Dinge, die wir im Rahmen einer Gesundheitsdebatte, einer sozialpolitischen Debatte über das Gesundheitsthema näher beleuchten müssen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)

Herr Abgeordneter Haider! Sie haben ein anderes Thema, das sicher genauso wichtig ist, angesprochen, nämlich die Situation der ausländischen Beschäftigten und die Quote in diesem Zusammenhang. Nur leider, Herr Kollege Haider, haben Sie es wieder falsch thematisiert. Sie haben es deswegen falsch thematisiert, weil das meiner Ansicht nach nicht so einfach ist, wie Sie sich das vorstellen, einfach die Beschäftigtenzahlen bei der Beschäftigtenquote zu reduzieren. Herr Abgeordneter Haider! Das beantwortet nicht die Frage: Was machen Sie mit den Personen? – Diese haben ein gültiges Aufenthaltsrecht in Österreich. Wollen Sie sie "ausschaffen"? Wollen Sie sie in ihre Heimatländer zurückbringen? Was machen Sie mit diesen Personen? (Abg. Dr. Haider: Reintegration in die Heimat!)

Herr Abgeordneter Haider! Wir müssen doch jetzt feststellen, daß genau das das Problem dieser Politik, dieser Beschäftigungspolitik mittels Ausländerbeschäftigungsgesetz ist, daß diese Schere zwischen den Quoten durch das Aufenthaltsrecht und den Beschäftigtenquoten dazu führt, daß sich Ausländer derzeit in Österreich faktisch um jeden Preis verdingen müssen, damit sie nicht unter die Guillotine des Aufenthaltsgesetzes kommen. Genau das Ausländerbeschäftigungsgesetz mit seiner Quote ist der Grund und der Anlaß dafür, daß die Ausländer einen Lohn um jeden Preis, eine Beschäftigung um jeden Preis annehmen müssen.

Herr Abgeordneter Haider! Sie müssen sich deutlicher erklären! Was wollen Sie mit diesen Beschäftigten machen? Ich kann mich noch erinnern, Herr Abgeordneter Haider, als Sie vor wenigen Monaten noch hier an diesem Rednerpult gestanden sind und gesagt haben: Nein, wir wollen die Gastarbeiter, die hier jahrelang gearbeitet haben, nicht nach Hause schicken! (Abg. Dr. Haider: Das habe ich heute auch wieder


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 71

gesagt!) – Aber darauf läuft Ihre Politik hinaus, denn wir diskutieren in Österreich seit Monaten über nichts anderes mehr, Herr Abgeordneter Haider, als nicht mehr neue Beschäftigte hereinzunehmen und die Zuzugsquoten für die Familienangehörigen (Abg. Dr. Haider: Sie müssen mir zuhören! Ich habe das alles heute gesagt!) – nach Ansicht der Grünen hoffentlich human – zu regeln. Über nichts anderes diskutieren wir.

Sie kennen die Zahlen, die wir anläßlich Ihrer dringlichen Anfrage vor wenigen Wochen in diesem Haus behandelt haben. Sie wissen, wie die Zuzugsquoten derzeit ausschauen, wie viele ausländische Beschäftigte derzeit tatsächlich wegen Arbeit nach Österreich hereingelassen werden. (Abg. Dr. Haider: Zu viele!) Nein, es werden nicht zu viele. (Abg. Dr. Haider: Selbstverständlich: Zu viele!) Es wird der Zuzug von Familienangehörigen ermöglicht, darüber hinaus findet auf dem Arbeitsmarkt keine Bewegung statt. (Abg. Dr. Haider: Die Österreicher zahlen ein Belastungspaket, weil wir es uns nicht leisten können, und Sie holen sie herein!)

Herr Abgeordneter Haider! Die einzige Bewegung, die Sie auf dem Arbeitsmarkt erlauben möchten, halte ich für die gefährlichste. (Abg. Dr. Haider: Die Österreicher zahlen das alles!) Sie vertreten ja nach wie vor noch ein Saisonnier-Modell (Abg. Dr. Haider: Österreich zuerst!), das den unbeschränkten Zuzug von saisonal beschäftigten Arbeitskräften nach Österreich ermöglichen würde. Das wäre Lohndruck. Es ist nicht zufällig, daß ausgerechnet ein Landtagsabgeordneter Ihrer Partei, Herr Kollege Haider (Abg. Dr. Haider: So dumm sind nicht einmal Sie, daß Sie es nicht verstehen!), Kollege Stix aus Wien, sagt: Selbstverständlich wollen wir ausländische Arbeitskräfte im Bereich öffentlicher Verkehrsmittel aus Ungarn, aus Rumänien hereinholen, damit sie hier als Lohndrücker tätig werden, denn dann würden endlich die Tarife in öffentlichen Verkehrsmitteln herunterrasseln! (Abg. Dr. Haider: Ein Saisonarbeiter geht wieder nach Hause! Ein Saisonnier geht wieder heim ...!) Das ist die Aussage eines Abgeordneten Ihrer Partei, und man kann eigentlich nicht deutlich und nicht oft genug darauf hinweisen, was Sie sich unter einer Beschäftigungspolitik für ausländische Beschäftigte vorstellen, nämlich die Löhne der Ausländer und die Löhne die Inländer gleichermaßen zu drücken. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Sozialminister! Ich habe darauf hingewiesen, der Sozialbericht ist ein gutes Dokument, die Realität ist eine andere. Sie ist nicht mehr so gut. Sie wird durch die Realitäten, die Sie mit Ihren Strukturanpassungsgesetzen geschaffen haben – ich will nicht sagen, von Woche zu Woche, aber von Jahr zu Jahr –, nicht besser, sondern schlechter.

Herr Sozialminister! Ich möchte Sie ersuchen, daß Sie wenigstens dafür den Mut finden, daß Sie in diesen Sozialbericht, den Sie Jahr für Jahr mit sehr guten Zahlen vorlegen, ein neues Kapitel aufnehmen, nämlich einen Armutsbericht, weil wir hier und heute – aber nicht nur hier und heute – nicht darüber diskutieren können, wo in Österreich und bei welchen Gruppen Armut herrscht. Daß wir das nicht können, hat damit zu tun, daß diese Realität von Armut in Österreich weitgehend aus der sozialpolitischen Debatte ausgespart ist.

Es ist aber auch ein Auftrag an die Sozialpolitik, nicht nur mit Beschäftigung und Versicherung umzugehen, sondern auch mit der Armut umzugehen. Dazu bedarf es aber einer Voraussetzung: Man muß wissen, wo sie stattfindet, man muß wissen, in welchen Winkeln – die Winkel sind inzwischen ganz schön breit geworden – sich in Österreich Armut eingenistet hat, man muß wissen, daß beispielsweise nicht nur die AlleinerzieherInnen gerade durch das Strukturanpassungsgesetz jetzt zusätzlich armutsgefährdet werden, sondern selbstverständlich auch Familien mit vielen oder mit mehreren Kindern. Selbstverständlich sind das armutsgefährdete Bereiche, die gerade durch bestimmte Maßnahmen in diesen letzten Monaten zusätzlich betroffen sind.

Wenn man Armutsdebatten aus anderen Ländern verfolgt, weiß man, Arme müssen ihr Einkommen aus verschiedenen Bausteinen und Bestandteilen zusammensetzen. Und wenn ein kleiner Baustein herausgebrochen wird, dann ist es für diese Gruppe von Personen oftmals sehr schwierig und fast unmöglich, für einen Ersatz zu sorgen.

Die Armutsgefährdung nimmt zu. Natürlich wissen wir, es ist relativ, was wir hier in Österreich als Armut bezeichnen. Aber trotzdem brauchen wir gesicherte Zahlen auch darüber, wo in Österreich und bei welchen Gruppen tatsächlich Armut herrscht.

Ich verweise nur darauf, daß der relativ detaillierte Sozialhilfebericht der Stadtgemeinde Salzburg, aber auch die Unterlagen, die die Gemeinde Wien zur Verfügung stellt, zum Beispiel


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 72

besagen, daß auch eine Billa-Verkäuferin schon beim Sozialamt um Sozialhilfe ansuchen muß. Auch diese Fälle gibt es. Der Sozialhilfebericht der Stadtgemeinde Salzburg sagt: Es finden Armut und die Notwendigkeit zum Einsatz von Sozialhilfemitteln auch schon in Mittelschichtfamilien und dem, was man als Mittelschichtfamilie kennt, statt.

Wir wissen aus allen uns zur Verfügung stehenden Unterlagen, daß Armut nach wie vor ein ländliches Problem ist, hauptsächlich auf dem Land herrscht, daß es gerade durch die Maßnahmen auch im Strukturanpassungsgesetz arme bäuerliche Familien gibt, die stark davon betroffen sind. Wir wissen, daß Armut auch ein Geschlecht hat, nämlich ein weibliches.

Herr Minister! Sie sollten deshalb den Mut haben, auch wenn es natürlich diese positive Darstellung eines Sozialberichtes gibt – sie ist ja nicht durchgehend positiv, wie eben über die Realität –, diesen Sozialbericht durch einen Armutsbericht zu ergänzen. Ich hielte es für einen tatsächlichen Fortschritt, wenn das gelingen würde, und eine Qualität, die uns hier im Hohen Haus in die Lage versetzen würde, ein Stück mehr über soziale Realitäten draußen anhand von Fakten zu diskutieren und tatsächlich Verbesserungen auch dort, wo sie unmittelbar und sehr dringend notwendig sind, vorzunehmen.

Ich habe das schon im Ausschuß angeregt: Was mir in diesem Sozialbericht abgeht, ist der Zeitbericht. Ich möchte Sie, Herr Minister, auch anregen, daß eventuell ein neues Kapitel eingeführt wird, das uns auch einigermaßen detailliert Auskunft gibt über die Arbeitszeiten, die in Österreich tatsächlich geleistet werden, aber nicht über die gesetzlichen Arbeitszeiten, nicht über die, die in der Branche gearbeitet werden, sondern über die tatsächlichen inklusive Überstunden.

Ich habe es auch schon im Ausschuß getan und verweise auch hier auf diese Untersuchung des Familienministeriums. Wenn die Zahlen, die offensichtlich aufgrund einer Mikrozensuserhebung vom Familienministerium publiziert worden sind, stimmen, dann haben wir es in Österreich über einen Zeitraum von zehn Jahren nicht mit rückläufigen Arbeitszeiten zu tun, sondern mit gleichbleibenden beziehungsweise leicht steigenden Arbeitszeiten. Dann haben wir es nach wie vor mit einer geschlechtsspezifischen Verteilung von Hausarbeit zu tun – ein zweiter Bereich, von dem es auch wichtig wäre, in einem Sozialbericht über Arbeitszeiten behandelt zu werden. Und dann haben wir es mit einem Rückgang, wenn auch nur geringfügig, von Ruhezeiten zu tun.

Aus gesundheitspolitischer Sicht – wir werden das heute noch einmal diskutieren – müßte es uns zumindest ansatzweise beunruhigen, daß die eigentliche Erholungszeit – also nicht die freie Zeit im allgemeinen, sondern die Erholungszeit – rückläufig ist. Das müßte uns beunruhigen. Ich denke, es wäre wert, sich dieser Frage zu widmen: Wie entwickeln sich die Zeiten, die Arbeitszeiten, die Haushaltszeiten, die Haushaltsarbeitszeiten, die freien Zeiten, die Erholungszeiten, in einem Land wie Österreich? – Das ließe sich auch untersuchen, und es würde uns weiterhelfen, beispielsweise in der Debatte über Arbeitszeitpolitik, wenn wir tatsächlich feststellen könnten, in welchem Ausmaß in Österreich Überstunden geleistet werden und ob dies angesichts einer steigenden Arbeitslosigkeit verträglich und vertretbar ist oder nicht. Das würde uns in der Debatte weiterhelfen, und darum, Herr Minister, möchte ich das anregen.

Ich muß aber noch einen ganz wichtigen Punkt, der bisher meiner Ansicht nach in der Debatte zu kurz gekommen ist, obwohl es ein eigener Bericht ist, thematisieren, nämlich den Arbeitsinspektionsbericht. Der Arbeitsinspektionsbericht – ich habe das auch im Ausschuß gesagt, Herr Minister – ist meiner Ansicht nach ein schlechter Bericht, weil es ihm nicht gelingt, die Realität einigermaßen einzufangen.

Herr Kollege Koppler weiß nicht so recht, ob er mir zustimmen soll. Ich sage dir ein Beispiel, Kollege Koppler: Heute in der Früh ist im ORF ein Beitrag über den Arbeitsinpektionsbericht gekommen: Die Anzahl der Arbeitsunfälle in Österreich ist rückläufig, sagt der Arbeitsinspektionsbericht. – Öllinger sagt: Falsch! – Nicht nur Öllinger sagt das, sondern auch wieder die Arbeiterkammer. Selbstverständlich haben die Daten, die im Arbeitsinspektionsbericht enthalten


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 73

sind, nichts mit der tatsächlichen Entwicklung zu tun. (Abg. Mag. Guggenberger: Nur sich selbst zitieren ist ein bißchen zu wenig! – Zwischenruf des Abg. Koppler. )

Kollege Guggenberger! Es muß gesagt werden. Ich sage es halt jetzt einmal, daß es tatsächlich so ist, daß diese Daten, die wir Jahr für Jahr im Arbeitsinspektionsbericht über die Entwicklung von Arbeitsunfällen serviert bekommen, von denen es heute geheißen hat, sie seien stark rückläufig in Österreich, falsch sind, schlicht und einfach falsch sind, und zwar in einem unvertretbaren Ausmaß falsch sind. Jetzt nenne ich dir die Zahlen, Kollege Guggenberger, ich habe sie nämlich verglichen mit jenen der Bundesrepublik.

In Österreich haben wir im Jahre 1960 168 000 Arbeitsunfälle gehabt, ich runde die Zahlen. Im Jahr 1994 haben wir 164 000 Arbeitsunfälle, also eine gleichbleibende Anzahl von Arbeitsunfällen. Die Realität in der Bundesrepublik: 1960 gab 2,5 Millionen Arbeitsunfälle, 1994, obwohl sich die Bundesrepublik in der Zwischenzeit um 20 Millionen Menschen vergrößert hat, 1 680 000. – Das ist ein Rückgang! Aber nicht von 168 000 auf 164 000! Wir haben in Österreich in einem Zeitraum von über 30 Jahren eine gleichbleibende Anzahl von Arbeitsunfällen, während die Bundesrepublik um über 25 Prozent reduzieren konnte. Ich sage, diese unterschiedliche Entwicklung ist kein Zufall. Wir spüren den Unterschied auf der anderen Seite bei der Zahl der Frühpensionierung, Kollege Guggenberger! Wir zahlen das dann auch mit unseren sozialen Sicherungssystem, daß wir jahrzehntelang nichts in die Prävention investiert haben, daß wir ein völlig unterentwickeltes, marodes System der Unfallvorsorge haben.

Ich vernehme mit Erstaunen, daß Kollege Donabauer sagt, die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt ist hauptsächlich für die Unfallprävention, für die Verhütung von Unfällen da. Im Gegenteil! Zum geringsten Teil – das weißt du, Kollege Guggenberger – wird in Österreich nicht nur in der Unfallversicherung, sondern allgemein in der Krankenversicherung Prävention betrieben. Die Unfallversicherung betreibt ... (Abg. Mag. Guggenberger: Trotzdem wird im Bereich der Unfallversicherung Vorbildliches geleistet!) – Nein, es wird nicht getan. Wir geben 3 Prozent im Bereich der Unfallversicherung für Unfallprävention aus. Weißt du, Kollege Guggenberger, wieviel die Berufsgenossenschaften, also die Unfallversicherungen in der Bundesrepublik ausgeben? – Zwischen 7 und 10 Prozent. Das ist kein Zufall, das merkt man dann an der Zahl der Arbeitsunfälle. (Zwischenruf des Abg. Mag. Guggenberger. )

Man muß darüber diskutieren, daß diese Realität keine gute ist, aber man muß ehrlich darüber diskutieren. Man kann nicht mit Hilfe von Zahlen, die sozusagen getrennt von der Arbeitsinspektion mit einer anderen Berechnungsgrundlage erhoben werden, so tun, als ob die Realität gut wäre. Das hat nichts mit einer seriösen Diskussion über die tatsächliche Entwicklung im Bereich des Arbeitnehmerschutzes und dem, was sich hier in Österreich tatsächlich nach wie vor an Dramen in den Betrieben abspielt, zu tun.

Wir haben es nicht mit einer sehr schönen Realität zu tun. Wir haben es nach wie vor mit der Tatsache zu tun, daß die Zahl der Frühpensionierungen wegen Invalidität in Österreich sehr hoch ist. Sie ist deswegen hoch, weil die entsprechenden Maßnahmen im vorbeugenden Bereich überall fehlen, weil über Jahrzehnte nichts geschehen ist. Wir bezahlen den Preis für dieses schlechte Gesundheitssystem in diesem Bereich natürlich mit steigenden und sehr hohen Kosten für Frühpensionierungen wegen Invalidität. Es macht aber wenig Sinn, so zu handeln. Es wäre sinnvoller, tatsächlich mehr gesunde Menschen in den Betrieben zu haben, mehr gesunde Menschen aber nicht nur in den Betrieben, sondern insgesamt im Gesundheitssystem. Aber dabei komme ich wieder zu einem Punkt, den wir später behandeln werden.

Ich meine, da sind einfach Defizite vorhanden, und es wäre die Aufgabe eines Arbeitsinspektionsberichtes – mehr als die des Sozialberichtes –, diese Defizite im Bereich Arbeitnehmerschutz sehr kritisch auszuleuchten. Ich sage kein Geheimnis, Herr Minister, aber die Situation betreffend das Arbeitnehmerschutzgesetz und das Arbeitnehmerschutzwesen in Österreich ist unbefriedigend. Wir haben ein Gesetz, das Sie mit Pauken und Trompeten verabschiedet und als großes Beispiel für den Arbeitnehmerschutz in Europa angepriesen haben: das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz. Dieses Gesetz ist ein Torso, ein absoluter Torso mit unzähligen Ermächtigungsverordnungen für Sie, Herr Minister, wovon kaum eine aus Ihrem


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 74

Ministerium kommt, weil der Widerstand der Sozialpartner, der Wirtschaftskammer diese Ermächtigungsverordnungen sofort verhindern würde. Wir haben ein Gesetz, das in keiner Weise wirksam werden kann, weil die entsprechenden Grundlagen fehlen. Wir haben ein Gesetz, das darauf aufbaut, daß Risikobewertungen in den Betrieben stattfinden, aber kein Mensch in Österreich weiß, wie er eine Risikobewertung vornehmen soll. Wir haben ein Gesetz, in dem festgeschrieben ist, daß der Arbeitnehmerschutz von Betriebsärzten und Sicherheitstechnikern überwacht werden soll, aber die entsprechenden Umsetzungsverordnungen, die diese Betreuung, diese präventiven Dienste organisieren sollen, fehlen, weil das Geld dafür fehlt, weil das Geld der Unfallversicherung fehlt und weil es offensichtlich auch Ihnen fehlt, Herr Minister!

Ein solches Gesetz, dem die Grundlagen für seinen Vollzug fehlen, ist nicht operabel. Da kann man gleich sagen, wir haben zwar ein Gesetz gemacht, aber es fehlen uns der Mut und das Geld, um dieses Gesetz durchzusetzen und umzusetzen. Das ist nicht die richtige Art und Weise, wie man Arbeitnehmerschutz in Österreich betreiben soll.

Herr Minister! Das wäre eigentlich wert, intensiver diskutiert zu werden, auch in einer Debatte, die über den Arbeitsinspektionsbericht geführt wird.

Ich möchte aber, nachdem mir die Zeit fehlt, alles zu thematisieren, zum Abschluß zwei Anträge einbringen, die – beide haben wir schon in der letzten Legislaturperiode eingebracht – ein deutliches Licht darauf werfen, wo seit Jahren die Defizite Österreichs sind. Ich habe schon auf den Bereich Unfall- und Berufskrankheitenvorsorge hingewiesen.

Wir stellen deshalb den Antrag, daß die Liste der in Österreich anerkannten Berufskrankheiten auf Europaniveau gebracht wird, Herr Minister! Sie wissen, was ich unter Europaniveau verstehe. Es gibt eine Europäische Liste der Berufskrankheiten, die relativ klar definiert, was darunter zu verstehen ist. Aber in Österreich sagt man: Wir lassen uns Zeit, wir wollen das nicht so schnell, das geht uns alles viel zu schnell. Wir brauchen noch Jahrzehnte, bis wir kapieren, daß wir hier eigentlich einen Auftrag haben. Wenn wir diesen nicht erfüllen, dann werden wir dafür bezahlen müssen, und zwar so, daß in Österreich Leute vermehrt an Berufskrankheiten erkranken werden, die wir dann wieder über unser Gesundheitswesen finanzieren müssen.

Wenn wir diese Berufskrankheiten zum Großteil vermeiden könnten, Herr Minister, dann wäre uns allen damit geholfen, und das Gesundheitswesen wäre nicht so teuer. Sie oder die zuständigen Stellen sagen, wir können uns das derzeit nicht leisten, diese Liste der Berufskrankheiten zu erweitern. Ich sage Ihnen, Sie sparen damit Kosten, und deshalb stellen wir den folgenden Antrag:


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 75

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend umfassende Erweiterung der Liste der Berufskrankheiten

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Arbeit und Soziales wird aufgefordert, eine Regierungsvorlage zum ASVG vorzulegen, durch welche die Berufskrankheiten-Liste an die Empfehlungen der Europäischen Liste für Berufskrankheiten angepaßt und die Generalklausel gemäß § 177 Abs. 2 ASVG zu einer echten Öffnungsklausel umgestaltet wird."

*****

Ich habe aber auch noch einen anderen Entschließungsantrag, Herr Minister, der das Übereinkommen über die Verhütung von industriellen Störfällen betrifft. Ich erspare es mir, das jetzt zu erläutern. Wir haben diesen Antrag schon einmal gestellt und ihn auch ausführlich im Ausschuß behandelt. Ich lese Ihnen den Antrag vor, meine Damen und Herren:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend die Erfüllung der auf der 80. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz angenommenen Übereinkommen (Nr. 174) über die Verhütung von industriellen Störfällen und Empfehlung (Nr. 181) betreffend denselben Gegenstand (163 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird beauftragt, die zur inhaltlichen Erfüllung des Übereinkommens (Nr. 174) über die Verhütung von industriellen Störfällen und Empfehlung (Nr. 181) betreffend denselben Gegenstand erforderlichen gesetzlichen Bestimmungen im Lauf des Jahres 1966 dem Nationalrat zum Beschluß vorzulegen um eine Ratifizierung spätestens per 31. 12. 1996 zu ermöglichen.

*****

Herr Minister! Abschließend: Ich würde mir wünschen, daß, wenn wir den nächsten Sozialbericht hier diskutieren, wenn wir den nächsten Arbeitsinspektionsbericht hier diskutieren, wir – ich weiß, das ist schwierig – ihn etwas früher erhalten, damit wir zeitgerecht beziehungsweise noch vor dem nächsten Strukturanpassungsgesetz diesen Sozialbericht diskutieren können, damit wir dann entsprechende Anleitungen auch an Sie, an die Vertreter der Regierungsparteien geben können und damit wir beim nächsten Strukturanpassungsgesetz gemeinsam einen Sozialabbau verhindern können. Ich ersuche Sie, daß Sie diese Anregungen aufnehmen in diesem Sinn, wie ich sie geschildert habe, aber auch in dem Sinn, wie es voriges Jahr – Kollege Guggenberger wird das sicher noch machen – Herr Kollege Guggenberger angeregt hat, nämlich daß man den Sozialbericht nicht nur aus einem analytischen Teil bestehen läßt, sondern auch aus einem perspektivischen. Denn das, worüber wir hier und heute leider nur unzureichend diskutieren – in der einen oder anderen Wortmeldung schimmert es durch –, ist: Wohin geht unser Sozialsystem? Wohin geht es in den einzelnen Teilbereichen? Welche Maßnahmen wären beispielsweise im Bereich der Pensionsversicherung notwendig, um über das Jahr 2030 hinaus das Pensionssystem zu sichern, und zwar so, daß es nicht nur gleich bleibt, sondern daß es harmonisiert wird – harmonisiert nicht im Sinn von Verschlechterung, sondern im Sinn von Verbesserung für diejenigen, die derzeit schon im Pensionssystem die Schlechtestgestellten sind, weil sie kaum oder unzureichend von diesem erfaßt werden.

Ich erspare es mir, das im Detail zu erläutern, was ich darunter meine, aber das wären Fragen und Aufgaben auch für einen Sozialbericht, die wir nicht scheuen sollten. Selbstverständlich gehören da auch folgende Fragen hinein: Wie ist ein Sozialsystem im Jahr 2020 oder 2030 organisiert? Gibt es dann noch dieses Beitragssystem, dieses personen-, beschäftigtenbezogene Beitragssystem? Kommen wir damit durch? Brauchen wir neue Grundlagen für ein Sozialsystem? Welche Grundlagen sind es? Kann es die Steuer sein, die die Versicherungsbeiträge ersetzt? Welche Probleme, welche Risken gehen wir damit ein? Kann es die Wertschöpfungsabgabe sein, die die neue Grundlage ist? Kann es teilweise auch eine Ökologisierung des Steuersystems sein? – Das wären Fragen, die wir auch im Zusammenhang mit der notwendigen Neuorientierung des Sozialsystems diskutieren sollten.

Ich hoffe darauf, meine Damen und Herren, daß uns zumindest diese gemeinsame Diskussion, wenn schon nicht das gemeinsame Handeln, das nächste Mal gelingt. (Beifall bei den Grünen.)

12.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Öllinger! Ich möchte noch einmal festhalten: Der zweite von Ihnen verlesene Entschließungsantrag, der die inhaltliche Erfüllung des Übereinkommens Nr. 174 und der Empfehlung Nr. 181 betrifft, ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung miteinbezogen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 76

Der erste von Ihnen verlesene Antrag wurde hier nicht überreicht, sondern ich wurde informiert, daß der als Selbständiger Antrag eingebracht wird und daher getrennt parlamentarisch verhandelt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Herr Bundesminister Hums. – Bitte, Herr Bundesminister, Sie haben das Wort.

12.38

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen! Sehr geehrte Herren! Der Sozialbericht 1994 wurde dem Parlament vom Sozialministerium Ende des vorigen Jahres zugeleitet. Dieser Bericht ist ein guter Bericht. Er dokumentiert erneut, daß Österreich im Bereich der Sozialleistungen international eine hervorragende Stellung hat. Das ist in erster Linie natürlich den Österreicherinnen und Österreichern selbst zuzuschreiben, weil sie mit ihren Leistungen die erforderliche Wirtschaftskraft sichern, aber auch ein entsprechendes solidarisches soziales Gefühl haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte aber gleich zu Beginn meinem Vorgänger, Bundesminister Hesoun, der damals noch zuständig war, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums und auch den Abgeordneten dieses Hauses dafür danken, daß sie mit ihrer Tätigkeit 1994 dazu beigetragen haben, daß dieser Bericht so positiv sein kann. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

1994 ist das Jahr, in dem zunächst einmal wesentliche Beschlüsse des Jahres 1993 wirksam geworden sind. Ich erinnere an die Einführung der Pflegevorsorge, an die wesentliche Verbesserung der Anrechnung der Kindererziehungszeiten im Pensionsbereich, an die völlige Neustrukturierung des Arbeitsmarktservice mit einer völlig neuen wirtschaftsorientierten, sozialpartnerorientierten Organisationsstruktur. Ich erinnere daran, daß auch 1994 nach einem Expertengutachten der Rationalisierungsfirma Häusermann, einer Schweizer Firma, ganz besondere Änderungen, strukturelle Maßnahmen, Organisationsreformen im Bereich der Sozialversicherung getroffen wurden, die auch heute in der Sozialversicherung weiterwirken und weitergeführt werden. Diese haben auch dazu geführt, daß die Anzahl der Funktionäre maßgeblich reduziert wurde. All das sind Dinge aus diesem Bericht.

Die Sozialoffensiven dieser Jahre waren seinerzeit abgestimmt auf die gute Wirtschaftsentwicklung, die auch international bessere Prognosen hatte. Ich möchte daher auch nach diesem Bericht darauf hinweisen, daß wir damals bei diesen Beschlüssen international von einer besseren Wirtschaftsentwicklung ausgehen konnten.

Es war daher notwendig, weil sich diese Wirtschaftserwartungen leider nicht in dem Maße erfüllt haben, daß wir die Beschlüsse an diese Wirtschaftsentwicklung angepaßt haben – angepaßt im Sozialbereich, angepaßt im Steuerbereich. Im Sozialbereich sind aber nach gemeinsamen Beratungen mit den Sozialpartnern, mit allen betroffenen Organisationen, angefangen mit den Behindertenverbänden bis zur Jugend, und aufgrund der heuer beschlossenen Gesetze diese Maßnahmen so getroffen worden, daß unser gutes Sozialsystem, wie es auch in diesem Bericht 1994 dargestellt wird, auch in Zukunft ein international herausragendes Sozialsystem sein wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich habe gesagt, daß wir alle diese Korrekturen nach einer guten und vernünftigen Zusammenarbeit, nach entsprechenden Gesprächen mit allen Beteiligten durchgeführt haben, und es geht uns darum, daß wir unser System vernünftig und stetig an die wirtschaftlichen Notwendigkeiten anpassen und gleichzeitig die soziale Komponente voll wahren.

Es hat daher – anders als in vielen anderen europäischen Staaten – im Zusammenhang mit diesen Änderungen, die wir heuer durchgeführt haben, die durchwegs sozial verträglich sind, keine unverständlichen Reaktionen gegeben. Ich verstehe schon, daß die Oppositionsparteien das bedauern und deshalb immer wieder Krisensituationen im Sozialsystem heraufbeschwören wollen.

Es gibt immer wieder Anpassungsnotwendigkeiten, sehr geehrte Damen und Herren, aber sicherlich in keinem der angesprochenen Bereiche, weder im Pensionsbereich noch im Bereich


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 77

der Krankenversicherung noch in den anderen Bereichen. Sie als Oppositionspartei hätten gerne eine Krisenstimmung, die können wir in Österreich aber nicht brauchen und die haben wir auch nicht, weil wir vernünftig – nicht mit Revolutionen, sondern mit Evolutionen – mit Weiterentwicklungen reagieren. Und wenn Ihnen diese zu phantasielos erscheinen, Herr Dr. Haider, dann nur deshalb, weil Sie als Opposition aus diesen vernünftigen Weiterentwicklungen kein oppositionelles Kapital schlagen können. (Abg. Dr. Haider: Milliardenlöcher ohne Phantasie! Beiträge erhöhen, Leistungen kürzen! Das ist keine Alternative!) Das ist der Grund, warum Sie immer wieder dringliche Anfragen zu Themen, die ohnehin diskutiert werden, stellen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich kann Ihnen daher auch jetzt schon zu Ihrem heutigen Thema der dringlichen Anfrage, das Sie hier schon angeschnitten haben – es hätte daher keine neuerliche dringliche Anfrage gebraucht –, erklären (Abg. Dr. Haider: Das glaube ich, daß Ihnen das nicht recht ist!), daß wir im Bereich der Krankenversicherung weiterhin genauso handeln werden, daß die Leistungsqualität der Gesundheitsvorsorge, der Krankenbehandlung voll erhalten bleibt und daß auch in Zukunft allen Österreichern, die unter dieses Sozialsystem fallen, der medizinische Fortschritt zur Verfügung stehen wird. (Abg. Dr. Haider: Kürzung der Lohnfortzahlung!) Das ist die Grundaussage, die für den Bereich der Krankenversicherung gilt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich verstehe auch nicht ganz, warum man vormittag im Rahmen der Debatte über den Sozialbericht das Ganze diskutiert und nachmittag noch eine dringliche Anfrage zu dem Thema Krankenversicherung stellt, obwohl aus der Presse hinlänglich bekannt sein müßte (Abg. Dr. Haider: Das werden Sie unser Problem sein lassen!), daß bereits längst angekündigt ist, daß wir als Regierung vor dem Sommer dem Parlament jene Maßnahmen vorlegen werden (Abg. Dr. Haider: Bis jetzt haben Sie keine Lösung!), die garantieren, daß die Qualität der Gesundheitsvorsorge und die Qualität der Krankenbehandlung erhalten bleiben und daß auch die Finanzierungsmaßnahmen so erfolgen werden (Abg. Dr. Haider: Sie sind dem Parlament verantwortlich, nicht den Medien!), daß es keine sozialen Härten geben wird. Es steht in der Zeitung, wann das kommen wird, und zeitgerecht werden wir auch dem Parlament diese Unterlagen vorlegen. (Abg. Dr. Haider: Sie sind dem Parlament verantwortlich und nicht den Medien!) Daher hätten wir uns heute eines ersparen können: die dringliche Anfrage. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich kann Ihnen aber jetzt schon sagen, daß wir nicht erst jetzt, sondern bereits im Vorjahr kostensenkende Maßnahmen im Bereich der Krankenversicherung getroffen haben, kostensenkende Maßnahmen aber in der Weise, daß es zu keiner Qualitätsverschlechterung für die Versicherten kommen wird. Jene Beträge, die zur Diskussion stehen, werden sicher zu zwei Drittel durch Einsparungen hereinzubringen sein. Wir diskutieren jetzt noch darüber – bevor wir dem Parlament den Bericht vorlegen, bevor wir die 53. Novelle vorlegen, und das wird noch im Juni sein –, welche weiteren Einsparungsmaßnahmen es in diesem Bereich geben wird, aber, wie gesagt, ohne Qualitätsverschlechterung für die Versicherten.

Ich kann Ihnen daher auch zur von Ihnen immer wieder angekündigten Beschränkung des Krankengeldes hier gleich erklären (Abg. Dr. Haider: Das ist schon passiert!), daß bereits in der in Begutachtung befindlichen 53. Novelle zum ASVG enthalten ist, daß der gesetzliche ... (Abg. Dr. Haider: Das ist schon passiert! Sie sind schon gekürzt! Die Wiener haben sie schon gekürzt!) Die Wiener haben einen Beschluß gefaßt, aber nirgendwo ist auf 26 Wochen gekürzt worden. Herr Dr. Haider! In dem bereits in Begutachtung befindlichen Entwurf der 53. Novelle ist enthalten, daß künftig der gesetzlichen Anspruch auf Krankengeld von 26 auf 52 Wochen erhöht wird. Das steht bereits in der Novelle, das wird dem Parlament noch im Juni zugeleitet (Abg. Dr. Haider: Die Krankenkassen haben jetzt einmal Beschlüsse auf Kürzung gefaßt!), und ich gehe als Minister davon aus, daß das auch im Parlament beschlossen wird. Natürlich werden wir auch für die Finanzierung dieser Änderung Vorsorge treffen müssen, das möchte ich dazusagen.

Ich ersuche daher nochmals, die Menschen nicht ununterbrochen durch solche Aussagen zu verunsichern, obwohl ich bereits mehrfach erklärt habe (Abg. Dr. Haider: Das haben Ihre Krankenkassenfunktionäre bekanntgegeben!), daß wir im Gesetz die Anhebung der gesetzlichen Ansprüche von 26 auf mindestens 52 Wochen verankern werden. (Abg. Dr. Haider: Das


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 78

haben die Wiener Gebietskrankenkassen bekanntgegeben, nicht wir!) Aber gleichzeitig habe ich bekanntgegeben, daß das bereits im Entwurf drinnen steht. (Abg. Dr. Haider: Sie brauchen das Parlament, Herr Minister!) Das steht bereits im Entwurf der Novelle, und das Parlament wird den diesbezüglichen Beschluß auch fassen. (Abg. Dr. Haider: Noch haben Sie kein Gesetz!) Gleichzeitig werden wir auch dafür sorgen, daß mit sozial verträglichen Maßnahmen und mit Einsparungsmaßnahmen in anderen Bereichen, die nicht zu Lasten der Versicherten gehen werden, die Finanzierbarkeit gesichert sein wird. Das kann ich Ihnen hier nur nochmals versichern. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Zu Herrn Abgeordneten Kier, der zu einem anderen Punkt der Tagesordnung, zur Harmonisierung der Pensionsrechte, gesprochen hat: Im Bereich der Pensionen haben wir immer wieder zeitgerechte Korrekturmaßnahmen durchgeführt. Die letzte große Novelle war im Jahr 1993, und auch heuer haben wir wieder Korrekturen, verständliche Korrekturen gemacht; beispielsweise wird künftig die Anzahl der Versicherungsmonate besser berücksichtigt werden.

Die Finanzierbarkeit unseres Pensionssystems ist daher auch in Zukunft gegeben, weil wir immer wieder zeitgerecht die entsprechenden sozial verträglichen Korrekturen durchgeführt haben und durchführen werden.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit daran erinnern, daß seit 1985 im ASVG-Bereich die Beitragssätze für die Pension unverändert geblieben sind. Obwohl in der Zwischenzeit die Lebenserwartung eines 60jährigen erfreulicherweise um zwei Jahre gestiegen ist, hat es keine Anhebung der Beitragssätze gegeben.

Trotzdem ist von 1970 bis jetzt der Anteil des Bundes, der zu den Pensionen im ASVG-Bereich zugeschossen werden muß, erheblich gesunken. Ich meine, das ist ein Beweis für die Qualität des Systems und auch für seine Finanzierbarkeit.

Natürlich müssen auch Harmonisierungsschritte gesetzt werden, denn unser Ziel ist es, daß das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz auch tatsächlich für alle gilt. Wir werden auch entsprechende Schritte für neueintretende Beamte setzen. Neueintretende Eisenbahner sind bereits seit zwei Jahren nach dem ASVG versichert.

Das sind Harmonisierungsschritte, die nicht nur angekündigt, sondern auch gesetzt wurden und die die Finanzierbarkeit des Sozialversicherungssystems weit über das Jahr 2000 gewährleisten werden.

Ich möchte hier nicht zum gesamten Bericht Stellung nehmen, sondern nur zur Arbeitsmarktsituation sagen: Aus dem Bericht geht hervor, daß Beschäftigungspolitik auch 1994 in Österreich Priorität Nummer eins hatte, wie in all den Jahren vorher und auch jetzt. Wir haben viele Krisen, die es in der Wirtschaft international gegeben hat, wesentlich besser bewältigt. Ich wurde hier in mehreren Punkten von Abgeordneten Dr. Haider angesprochen, und zwar reichte die Palette von der Steuerpolitik bis zu allen anderen Problemen in der Regierung, die sich mit Beschäftigungspolitik befassen. Dazu kann ich nur noch einmal feststellen: Für die gesamte Regierung hat im Zusammenwirken mit den Sozialpartnern die Sicherung der Beschäftigung Priorität Nummer eins.

Ein Beweis dafür, daß die gesetzten Maßnahmen auch wirksam sind, ist die Tatsache, daß wir in Österreich derzeit saisonbereinigt nach internationalen Kriterien eine Arbeitslosenrate von rund 4 Prozent haben. In der Europäischen Union beträgt die Arbeitslosenrate 11 Prozent.

Wir können damit nicht zufrieden sind, daß wir um so viel besser sind als alle anderen, sondern wir müssen konsequent weitere Maßnahmen setzen. Ich erinnere hier an die Maßnahmen im Bereich der Infrastruktur, an die Investitionsförderungen, an sonstige Maßnahmen, die auch im steuerlichen Bereich gesetzt wurden, und daran, daß wir trotz Budgetkonsolidierung erhebliche Mittel für die Beschäftigungspolitik einsetzen. Auch da sind entsprechende Erfolge zu verzeichnen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 79

Heuer hat es in den ersten Monaten – sicher auch witterungsbedingt – größere Probleme gegeben als in den Vorjahren. Aber inzwischen ist die Zahl der Arbeitslosen, die im Jänner mehr als 290 000 betragen hat, gesunken; sie liegt derzeit bei etwa 191 000, also wieder unter 200 000.

Noch einmal: Da die Tendenz im Vergleich zu den Vorjahren steigend ist, müssen wir noch intensiver als bisher auch im Bereich der internationalen Arbeit und im Bereich der EU Anstrengungen setzen. Aber niemand kann der Regierung und den Sozialpartnern vorwerfen, daß sie dieses Problem geringschätzen. Im Gegenteil, es ist für uns das wichtigste Problem, die größte Herausforderung für die nächste Zeit, der wir uns auch stellen.

Ganz besonders gilt das für den Bereich der Jugend. Wir haben in Österreich die niedrigste Jugendarbeitslosenrate in ganz Europa, und ich habe schon mehrfach betont, wir werden alles daransetzen, daß das auch so bleibt. Wir sind auch jetzt mit den Sozialpartnern dabei, dafür zu sorgen, daß alle, die heuer eine Lehrstelle suchen, auch eine Lehrstelle finden. Wir werden auch aus dem Bereich des Arbeitsmarktservices für diese jungen Menschen zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen. Derzeit ist geplant, daß wir für Sondermaßnahmen im Bereich der Jugendbeschäftigung im Arbeitsmarktservice 600 Millionen Schilling zur Verfügung stellen.

Ich meine, daß wir mit diesen Maßnahmen auch künftig erfolgreich sein werden. Wir dürfen dieses Problem keinesfalls unterschätzen. Es ist die größte Herausforderung. Gemeinsam mit den Sozialpartnern wollen wir dieses Problem auch in Zukunft bewältigen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zur Spezialfrage der portugiesischen Arbeitnehmer. – Dr. Haider spricht hier immer wieder von portugiesischen Arbeitnehmern. Ich kann jetzt nicht feststellen, ob welche und wie viele im Burgenland beschäftigt sind. Ich kann nur eines sagen: In ganz Österreich gibt es derzeit 179 portugiesische Arbeitnehmer. Bei einer Zahl von mehr als 3 Millionen unselbständigen Arbeitnehmern kann doch meiner Meinung nach diese Zahl von 179 portugiesischen Arbeitnehmern kein gravierendes Problem sein.

Ich möchte hier aber nochmals daran erinnern, daß wir immer zeitgerecht handeln und längst vor dem EU-Beitritt festgelegt haben, daß ausländischen Arbeitnehmern, auch jenen aus der Europäischen Union, auch wenn sie bei ausländischen Unternehmungen, auch wenn diese ihren Sitz in der Europäischen Union haben, in Österreich arbeiten, genauso wie den österreichischen Arbeitnehmern in Österreich der österreichische Kollektivvertragslohn zusteht. Ich glaube, damit haben wir zeitgerecht vorgesorgt, daß bei uns nicht ähnliche Probleme entstehen, wie sie beispielsweise in Deutschland konkret mit portugiesischen Arbeitnehmern entstanden sind. Deutschland hat nur für einen Teilbereich eine Regelung getroffen und hat auch wesentlich später reagiert. Wir haben immer zeitgerecht reagiert, und zwar den gesamten Arbeitsmarktbereich betreffend. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zur Frage der türkischen Arbeitnehmer. Ich sehe derzeit keinen Grund, die türkischen Arbeitnehmer aus unserer Berechnung der Ausländerbeschäftigungsquote herauszunehmen. Da sie nach wie vor in dieser Quote enthalten sind, sehe ich auch keinen Grund, diese Quote, die ohnehin vom Gesetzgeber restriktiv bemessen wurde, in irgendeiner Form zu korrigieren. Ich bin aber auch nicht dafür, diese Quote aufzustocken. Die Arbeitsmarktsituation erfordert ein geordnetes und restriktives Vorgehen in diesem Bereich.

Aber nochmals: Es besteht kein Grund, in diesem Falle Korrekturen in irgendeiner Form vorzunehmen, weil diese türkischen Arbeitnehmer auch derzeit auf die Quote voll angerechnet werden.

Ich möchte zum Abschluß nochmals feststellen, daß in den nächsten Jahren die Herausforderung Nummer eins die Beschäftigungspolitik sein wird. Denn von einer hohen Beschäftigungsrate ist in hohem Maße abhängig, wie gut unser Sozialsystem sein kann. Ich gehe aber davon aus, daß wir gemeinsam auch hier im Hohen Haus vernünftig die Weiterentwicklung unserer Sozialsystems betreiben werden, daß wir die Qualität des Sozialsystems auch in Zukunft sichern, wobei derzeit die größte Notwendigkeit darin liegt, für diese Qualitätssicherheit


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 80

gemeinsam auch die Finanzierungssicherheit zu finden. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen hat sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

12.58

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung) : Danke, Herr Präsident.

Herr Präsident! Wie Sie wissen, ist für 13 Uhr vom Bundeskanzler der Landesverteidigungsrat einberufen worden. Ich halte das für geschäftsordnungswidrig. Entsprechend hat auch Abgeordneter Wabl gestern schon Herrn Präsidenten Fischer über dieses Problem informiert.

Die Abgeordneten haben nun einmal das Problem der Bilokation noch nicht gelöst. Man kann nicht gleichzeitig im Landesverteidigungsrat und hier im Plenum anwesend sein. Es ist aber doch wohl selbstverständlich, daß Abgeordnete das Recht haben müssen, an den Sitzungen des Hohen Hauses teilzunehmen.

Ich sehe nur zwei Möglichkeiten: entweder den Landesverteidigungsrat abzusagen oder, was ich bedauern würde, die Nationalratssitzung für eine Stunde zu unterbrechen.

Ich bitte Sie um Ihre Meinung zu diesem, wie ich glaube, nicht ganz unwichtigen Problem.

12.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Ich habe keine Ingerenz auf die Festsetzung der Termine des Landesverteidigungsrates und möchte hier auch nicht die Frage beurteilen, ob die Terminfestsetzung für 13 Uhr geschäftsordnungswidrig ist. Ich werde aber den Bundeskanzler über Ihre Bedenken informieren. Die Nationalratssitzung wird aber weitergeführt.

Als nächster hat sich zur Geschäftsbehandlung Herr Klubobmann Dr. Khol zu Wort gemeldet. – Bitte.

12.59

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Sie haben so entschieden, Herr Präsident, wie ich es auch angeregt hätte. Aber ich trete dem grundsätzlichen Anliegen der grünen Fraktion bei. Es ist eine Unart, parlamentarische Verhandlungen dadurch zu stören, daß man Sitzungen anberaumt, an denen Parlamentarier teilnehmen müssen. (Beifall bei den Grünen.)

12.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Da ich nicht zu den jüngsten Mitgliedern dieses Hauses gehöre, darüber hinaus jahrelang Mitglied des Landesverteidigungsrates war, kann ich bestätigen, daß es eine Usance war, die im Regelfall eingehalten wurde, während Plenarsitzungen keine Sitzungen des Außenpolitischen oder des Landesverteidigungsrates anzusetzen, weil dort auch Vertreter dieses Hauses Mitglieder sind.

Ich bitte Sie, es jetzt bei dieser Vorgangsweise zu belassen. Ich werde den Herrn Bundeskanzler sogleich informieren. Diese Debatte wird weitergeführt.

Als nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Nürnberger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.01

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir vorweg, meinen Dank an die Beamten des Ministeriums für die Erstellung des Berichtes zu richten, der unsere Arbeit in der Praxis erleichtert, weil er ein gutes Nachschlagewerk ist.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 81

Es ist heute hier schon festgehalten worden, daß wir diesen Bericht aus den bekannten Gründen leider zu spät diskutieren, einiges bereits überholt ist und viele Berichtsteile bei anderer Gelegenheit schon diskutiert worden sind. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Lassen Sie mich aber zur Mindestlohnsituation einige Bemerkungen machen. Abgeordneter Öllinger hat mich in seinen Ausführungen einige Male zitiert und angesprochen. Es ist ein bißchen zu viel der Ehre, die er mir hier zuteil werden ließ. Ich konnte zwar in dem Bereich, in dem ich hauptsächlich tätig bin, nämlich im Bereich des Mindestlohnes, einiges verwirklichen, gemeinsam mit den Funktionären unserer Organisation, aber für alles können wir nicht verantwortlich sein. Er hätte seine Worte vielleicht nicht an die Gewerkschaften, sondern eher in Richtung Arbeitnehmer in diesem Lande richten sollen. Denn dort, wo heute eine Handvoll Beschäftigte noch keine 10 000 S bekommt – da verrate ich jetzt kein Geheimnis –, gibt es keine gewerkschaftliche Organisation, und dort, wo es keine gewerkschaftliche Organisation gibt – das sieht man in der Praxis auch sehr deutlich –, gibt es keine Erfolge für die Arbeitnehmer. Ich werde mich im Laufe meiner Ausführungen noch ausführlicher damit auseinandersetzen, daß gewisse Kreise bei vielen Fragen die Gewerkschaft am liebsten ausschalten würden.

Es ist auch die Statistik schon etwas überholt. Es stimmt die Zahl jener Arbeitnehmer, die 12 000 S Mindestlohn haben, heute nicht mehr. Es ist vielen Gewerkschaften gelungen, zu erreichen, daß der Mindestlohn bereits mehr als 12 000 S beträgt, bei vielen liegt er sogar schon über 13 500 S.

Ich darf auch darauf eingehen, daß Herr Abgeordneter Haider in seinem Debattenbeitrag behauptet hat, bei Packard Electric – das Unternehmen wurde von ihm namentlich genannt – liege der Mindestlohn der dort Beschäftigten bei – das hat er zuerst gesagt – 8 000 S, dann hat er von 9 000 S gesprochen. Wie so oft hat er auch in diesem Falle die Unwahrheit gesagt.

Erstens ist dies aufgrund des Kollektivvertrages theoretisch nicht möglich, denn das Unternehmen würde eindeutig den Kollektivvertrag verletzen, was allerdings – ich habe mich erkundigt – nicht der Fall ist. Laut gültigem Kollektivvertrag – die Firma Packard Electric unterliegt dem Industrievertrag der Metallindustrie – beträgt das derzeitige Mindesteinkommen 13 560 S brutto, ohne Zulagen, und das bei einer 38,5-Stunden-Woche. Auf 8 000 S, 9 000 S kommt nur eine Teilzeitbeschäftigte. Also so erfolgreich, meine sehr geehrten Damen und Herren, war auch die Metallarbeitergewerkschaft nicht, daß jemand in Teilzeitbeschäftigung 13 560 S bekommt. Bei einer normalen Arbeitszeit von 38,5 Stunden pro Woche ergeben diese 13 560 S brutto, wenn jemand ledig ist, 10 409 S netto, bei jemandem, der verheiratet ist und ein Kind hat, 11 092 S. – Das zeigt, daß das nicht stimmt, was Herr Abgeordneter Haider behauptet hat.

Die Einkommenssituation bei der Firma Packard Electric ist so, daß eigentlich niemand den Mindestlohn laut Kollektivvertrag erhält, sondern von den 1 000 Beschäftigten, die er genannt hat, haben drei die Lohngruppe 7, bekommen aber auch mehr als das, was der Kollektivvertrag vorschreibt, nämlich 84 S, was brutto 14 028 S ausmacht. Der durchschnittliche Werkslohn liegt bei 92 S pro Stunde.

Wie so oft hat Abgeordneter Haider also auch wieder in dieser Frage im Hohen Haus nicht die Wahrheit gesagt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber lassen Sie mich nun hier einige aktuelle Fragen anschneiden. (Abg. Dr. Khol: Falsche Informationen haben kurze Beine!) Zwei Stunden hat es gedauert, bis ich drangekommen bin, Herr Klubobmann! Herr Haider ist zwar nicht da, aber man wird ihm das sicher mitteilen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: So wichtig sind Sie wieder nicht!) Ich bin auch gerne bereit, ihm den Erhebungsbogen der Firma Packard Electric zur Verfügung zu stellen, darin kann er alles nachlesen.

Lassen Sie mich nun mit aktuellen Fragen, und zwar mit jener der Arbeitslosigkeit, etwas eingehender auseinandersetzen, vor allem auch deswegen, weil vergangene Woche der Gewerkschaftstag der Gewerkschaft Metall, Bergbau, Energie diese Frage in den Mittelpunkt seiner dreitägigen Beratungen gestellt hat. Das Problem Arbeitslosigkeit hat für uns einen sehr hohen


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 82

Stellenwert. Wir haben uns auch gleichzeitig damit beschäftigt, wie neue Arbeit geschaffen werden könnte.

Ich darf in Erinnerung rufen, daß wir an die Spitze ein Bekenntnis zur Sozialpartnerschaft gestellt haben. Wir sind der Überzeugung, daß die Probleme die Gewerkschaften, die Arbeitnehmer, die Arbeitgeber und die Regierung nicht allein lösen können, sondern das Problem können wir nur gemeinsam lösen. Daher haben wir ein Bekenntnis zur Sozialpartnerschaft abgelegt.

Ich habe aber auch deutlich gesagt, diese Partnerschaft bedeutet auch Fairneß und Gegenseitigkeit. Und die Geschäftsgrundlage einer funktionierenden Sozialpartnerschaft muß sein: Vorteile für alle Beteiligten.

Als zweites haben wir eine sehr wichtige Aussage im Interesse und der Verantwortung, die wir unserem Lande gegenüber und den hier arbeitenden Menschen haben, gemacht, und zwar dahin gehend, daß wir jede Kraftprobe zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ablehnen, weil wir an ausländischen Beispielen sehen, wohin das führt – es führt zu nichts!

Wir haben den Arbeitgebern angeboten, in einen fairen Dialog mit ihnen darüber einzutreten, wie wir diese Probleme gemeinsam lösen können. Ich darf erfreulicherweise feststellen, daß wir von sehr vielen industriellen Arbeitgebern positive Signale bekommen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aber – leider ist er jetzt nicht anwesend – wie reagiert der oberste Angestellte der Bundeswirtschaftskammer? Für jene, die nicht wissen, wer das ist, darf ich sagen: Das ist Herr Abgeordneter Stummvoll. Aber vielleicht ist Herr Abgeordneter Feurstein so nett, ihm für den Fall, daß er meine Worte nicht über einen Lautsprecher hört, auszurichten, was ich ihm zu sagen habe.

Ich darf hier wörtlich aus der Mitschrift eines Interviews im "Mittagsjournal" zitieren, das Generalsekretär Stummvoll zwei Tage nach unserem Gewerkschaftstag gegeben hat. Er sagte wörtlich: "Vor allem bei den Lohnnebenkosten müssen wir in den nächsten Jahren etwas tun. Wir können nicht alles über die Lohnnebenkosten finanzieren. Wir finanzieren heute die Sozialversicherung, die Gesundheitspolitik." – Also auch wieder Frage Lohnnebenkosten ... (Abg. Dr. Stummvoll: Bin schon da!) Ich zitiere gerade aus Ihrem Interview, das Sie im "Mittagsjournal" gegeben haben, und gehe darauf ein, wie Sie als oberster Angestellter der Bundeswirtschaftskammer im Gegensatz zu vielen Ihrer Funktionäre stehen, die sich über den Dialog, den wir den Arbeitgebern auf unserem Gewerkschaftstag angeboten haben – viele Anrufe und Briefe bezeugen das –, erfreut zeigen. Jetzt setze ich mich mit Ihrer Reaktion darauf auseinander.

Zuerst bin ich auf die Lohnnebenkosten eingegangen, die Sie angesprochen haben. Sie sagen wieder: Sozialversicherung, Gesundheitspolitik werden finanziert. Wenn Sie das in Zukunft nicht mehr finanzieren wollen, würde das bedeuten, daß die Arbeitnehmer entweder einen höheren Sozialversicherungsbeitrag oder einen höheren Selbstbehalt zahlen müssen. Das ist eine Vorgangsweise, die wir ablehnen, Herr Dr. Stummvoll!

Das zweite bei den Lohnnebenkosten: Sie sagen, Sie wollen die Arbeitskosten nicht senken. Sagen Sie uns, was Sie bei den anderen Teilen der Lohnnebenkosten machen wollen! Wollen Sie den 13. und 14., Abfertigung, Urlaub oder was sonst streichen? Auch das würde eine Reduzierung des Einkommens bedeuten.

Jetzt komme ich zur Arbeitszeit, Herr Dr. Stummvoll, und da sage ich Ihnen schon folgendes: Von keinem unserer Funktionäre, auch nicht in der Diskussion, ist ein einzelner Arbeitgeber diffamiert oder diskriminiert worden, es hat keine Angriffe gegeben. Sie können es im Stenographischen Protokoll nachlesen. Aber wie Sie die Funktionäre pauschal und mich persönlich diffamieren, werde ich Ihnen jetzt in Erinnerung rufen.

Es sagte der Moderator im "Mittagsjournal": "Die Gewerkschaft argumentiert, daß möglicherweise die einzelnen Betriebsräte zu schwach sind" – da geht es um die Arbeitszeit und die Novellierung des Arbeitszeitgesetzes –, "um sich gegen die Unternehmer durchzusetzen. Die Arbeitnehmer brauchen die Gewerkschaft." Dann sagt Stummvoll: "Ich glaube, diese Haltung" –


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 83

so nach dem Motto, die Betriebsräte sind arme Tschapperl; da haben Sie zuerst den Nürnberger zitiert ... (Abg. Dr. Stummvoll: Nein! Nein!) Ja, ja. Zuerst sagte Stummvoll: Der Herr Nürnberger hat ein Modell ... – und dann heißt es: die sich ohne Gewerkschaft nicht durchsetzen können. – Ich gebe es Ihnen dann zum Nachlesen. – Aus dieser Haltung spricht meines Erachtens eine unglaubliche Bevormundung – um nicht zu sagen: Arroganz – von Gewerkschaftsfunktionären. (Abg. Dr. Stummvoll: Ja!)

Nun bringe ich Ihnen ein Beispiel (Abg. Dr. Stummvoll: Wir schätzen die Betriebsräte!), wir kommen zum Thema BMW, ein Paradebeispiel: Sie werden wissen, was sich bei BMW abgespielt hat, als man großartig gesagt hatte, die Investition sei davon abhängig, ob man den 50prozentigen Überstundenzuschlag streicht oder nicht. Wir wissen, wie diese Forderung des Unternehmers zustande gekommen ist. Erst als der Einfluß von Industriellenvereinigung, Bundeswirtschaftskammer nicht mehr vorhanden war, konnten zwischen der Unternehmensleitung, dem Betriebsrat und der Gewerkschaft vernünftige Gespräche geführt werden. Jeder Punkt und Beistrich wurde beim BMW-Modell mit der Gewerkschaft ausverhandelt. Wir sind zu einem intelligenten Arbeitszeitmodell für BMW gekommen, Herr Dr. Stummvoll, das für viele andere Unternehmen richtungweisend sein könnte – unter Mitwirkung der Gewerkschaft wurde das ausverhandelt!

Ich möchte daher wissen, wie Sie aufgrund dessen der Gewerkschaft unterstellen können, da irgend etwas zu blockieren, nicht vernünftig zu sein oder ähnliches.

Das Modell bietet als Vorteil für den Betrieb: längere Laufzeit, sogar Samstags-Arbeitsschicht ist möglich – und dann kommt das, was ich immer gesagt habe, nämlich Flexibilisierung muß ein Gegenverkehr und darf keine Einbahnstraße sein –, und als Vorteil für den Arbeitnehmer: generell mehr Freizeit und länger zusammenhängende Blöcke. Insgesamt werden mehr Arbeitsplätze geschaffen, weil durch die Einführung der zusätzlichen Schicht, die das Modell ermöglicht, da man am Samstag arbeiten kann, mehr Arbeitskräfte benötigt werden. Und all das, für dessen Abschaffung Sie waren, zum Beispiel Überstundenzuschläge, konnte aufrechterhalten werden, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Stummvoll: Nur ein Zwischenruf! BMW ist nicht der klassische österreichische Klein- und Mittelbetrieb!) Ich komme noch darauf zu sprechen. Ich könnte Ihnen noch zig andere Beispiele nennen.

Es gibt zwei Unterschiede zwischen uns, Herr Dr. Stummvoll (Abg. Dr. Khol: Gott sei Dank!) – Gott sei Dank, ich bin eh froh! Herr Dr. Stummvoll! Sie sind Vertreter einer Organisation, die sich auf die Pflichtmitgliedschaft berufen kann, und weil Sie jetzt sehen, daß Sie, da die überwiegende Mehrheit – 80, 85, 90 Prozent – der Arbeitnehmer die Zustimmung gibt, die Arbeiterkammer nicht schwächen können, gehen Sie halt auf die Gewerkschaften los. Ich werde Ihnen Ihre wahre Haltung gegenüber den Gewerkschaften noch in Erinnerung rufen.

Der Unterschied ist, daß wir als Gewerkschafter uns jeden Tag aufs neue behaupten müssen, Mitglieder werben müssen, weil die Mitgliedschaft bei uns auf freiwilliger Basis erfolgt. (Abg. Dr. Stummvoll: Ich war 25 Jahre in einem freien Verband!)

Das zweite, das ich Ihnen sage, Herr Dr. Stummvoll: Die Betriebsräte sind Mitglieder der Gewerkschaft! Bei uns sind die Betriebsräte Funktionäre der Gewerkschaft.

Ich sage Ihnen noch etwas, was uns zwei unterscheidet – Sie können dann sagen: Der Nürnberger ist überheblich!, aber das ist ein wirklicher Unterscheidungsgrund –: Ich habe schon gesagt, daß Sie der höchste Angestellte einer Organisation mit Pflichtmitgliedschaft sind. Und wenn der Nürnberger acht Jahre lang seine Betriebsräte, die Teil der Gewerkschaft sind, als Tschapperl betrachtet hätte, sie bevormundet hätte, sie ihm Arroganz vorgeworfen hätten, dann wäre er nach acht Jahren Tätigkeit nicht mit einem Wahlergebnis von 98 Prozent bestätigt worden! Die Zahlen sprechen für sich! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Gratuliere!)

Herr Dr. Stummvoll! Ich sage Ihnen folgendes mit aller Deutlichkeit: Sie haben schon einmal in einem "NEWS"-Interview leise anklingen lassen, man müsse die Gewerkschaft in Arbeitszeitfragen ausschalten. Vor einigen Monaten hat es eine Presseaussendung gegeben – ich


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 84

suche sie Ihnen heraus; ich habe Ihnen das schon einmal gesagt –, in der Sie die Forderung aufgestellt haben: In Arbeitszeitfragen muß man die Gewerkschaften ausschalten!

Weiters kann ich Ihnen in Erinnerung rufen: Sie haben am 14. März behauptet, in der Kollektivvertragspolitik müsse man die Gewerkschaften ausschalten. – Ich kann Ihnen diese Presseaussendung auch sagen, ich gebe sie Ihnen. (Abg. Dr. Stummvoll: Originalzitat!) Das Originalzitat, 14. März 1996: "Wir müssen von der Kollektivvertragspolitik wegkommen." – So ist das Zitat korrekt wiedergegeben. (Abg. Dr. Stummvoll: In welchem Zusammenhang? Gesamtzitat!) "Wegkommen"!

Ich sage Ihnen noch etwas: Wir werden uns die Mitsprache hinsichtlich der Arbeitszeit nicht nehmen lassen, und wir werden uns auch in der Kollektivvertragspolitik durch Sie nicht verabschieden lassen. (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist selektive Wahrnehmung! – Zwischenruf der Abg. Tichy-Schreder. ) Die Gewerkschaft wird es heute, morgen und in 100 Jahren geben, Herr Dr. Stummvoll! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber ich sage ja: Gott sei Dank gibt es vernünftige Arbeitgeber, Industrielle, Unternehmer, die unseren Vorschlägen positiv gegenüberstehen.

Lassen Sie mich noch, obwohl das auch Kollegin Reitsamer schon getan hat, zur Angleichung der Rechte der Arbeiter und der Angestellten sprechen, vor allem auf den Antrag des Abgeordneten Kier eingehen. Ich könnte mich mit seinem Antrag weitestgehend identifizieren, wenn es nicht einen gravierenden Unterschied durch ein Wort gäbe, auf das es sehr wesentlich ankommt.

Im Antrag des Liberalen Forums wird von einer Vereinheitlichung des Arbeitsrechtes gesprochen. Wenn ich mir in Erinnerung rufe, welche Vorstellungen zum Beispiel der Wirtschaftssprecher des Liberalen Forums hat, nämlich daß die Abfertigung überholt, ein Relikt der Vergangenheit ist, daß wir den 13. und 14. Monatsbezug, Urlaubszuschuß und Weihnachtszuschuß, nicht brauchen, weil auch diese überholt sind, kann ich diesem Antrag nach Vereinheitlichung nicht beitreten, sondern muß die jahrzehntelange gesellschaftspolitische Forderung, die die Gewerkschaften erhoben haben, wiederholen: Angleichung der Rechte der Arbeiter an jene der Angestellten. Die Million Angestellten werden es sich sicher nicht gefallen lassen, daß man sie irgendwo angleicht, daß man ihnen ihre wohlerworbenen Rechte wegnimmt.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich weiß, Sie haben eine Reihe anderer großer Probleme zu lösen – im Koalitionsübereinkommen ist jedoch auch eine Stelle, ein Passus über die Kodifikation, die Angleichung enthalten –, aber ich würde Sie doch bitten, relativ rasch – es ist im Regierungsübereinkommen auch davon die Rede, die Sozialpartner miteinzubinden – die ersten Initiativen, die ersten Schritte zu setzen, um dieses seit Jahrzehnten bestehende Unrecht zu beseitigen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll gemeldet. – Bitte. Die Geschäftsordnung ist bekannt.

13.17

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich berichtige folgende Aussage des Herrn Kollegen Nürnberger: Kollege Nürnberger hat hier erklärt, meine wahre Absicht bestünde darin, die Gewerkschaften von der Kollektivvertragspolitik auszuschalten.

Meine Damen und Herren! Diese Bemerkung ist absurd, da Kollektivverträge nur von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden abgeschlossen werden. Die Behauptung ist daher unrichtig.

Richtig ist vielmehr, daß ich persönlich immer die Auffassung vertreten habe, daß Modelle der flexiblen Arbeitszeit vom Gesetzgeber direkt an die Partner im Betrieb delegiert werden können und daß man für diesen kleinen Bereich keinen Kollektivvertrag braucht. (Beifall bei der ÖVP. –


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 85

Zwischenruf des Abg. Nürnberger. – Abg. Dr. Stummvoll: Aber das ist etwas anderes, als Sie gesagt haben!)

13.18

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Bitte, Herr Abgeordneter.

13.18

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich in meinen Ausführungen lediglich mit einem der zur Verhandlung stehenden Problemkreise auseinandersetzen, und das ist die Frage Neudefinition der unselbständigen Erwerbsarbeit und Vereinheitlichung aller Pensionsrechte.

Mein unmittelbarer Vorredner hat schon darauf hingewiesen, daß es sich bei diesem Kreis um keine neue oder neu diskutierte Problematik handelt. Es ist das ein Problem, das in all den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer wieder aufgezeigt, immer wieder auf den Tisch gebracht worden ist und das eigentlich – dieser Ansicht sind auch wir Freiheitlichen – sehr dringend einer Lösung oder zumindest erster Ansätze in dieser Richtung bedürfte.

Wir haben uns immer zu Verfechtern der Forderung gemacht, diese Dinge nicht länger auf die lange Bank zu schieben, und wir stehen auch heute nicht an zu erklären, daß wir dem Entschließungsantrag, der den entsprechenden Punkt der Tagesordnung bildet, unsere Zustimmung erteilen werden.

Tatsächlich ist es so, daß man niemandem erklären kann, warum gleichartige Tätigkeiten, gleichartige Vorgänge unterschiedliche Beurteilungen nach sich ziehen, je nachdem, ob der betreffende Arbeiter, Angestellter, Vertragsbediensteter, Beamter – oder was einem noch einfallen mag – ist.

Es kommen Leute in die Kanzleien derer, die sich mit solchen Dingen befassen – das wird in der Arbeiterkammer nicht anders sein als bei der Gewerkschaft und ist auch bei den Anwälten so –, und schildern, was sie bedrückt. Sie kommen mit ihren Anliegen, haben Wünsche, haben Probleme. Und die erste Frage, um überhaupt beurteilen zu können, was man durchsetzen kann, ist: Was sind Sie eigentlich? Sind Sie ein Arbeiter, sind Sie ein Angestellter, wenn Sie im öffentlichen Dienst sind, sind Sie ein Vertragsbediensteter oder sind Sie ein Beamter?

Unterschiedliche Rechte, unterschiedliche Möglichkeiten, unterschiedliche Pflichten, unterschiedliche Lasten bei ein und derselben Tätigkeit – je nachdem, welche, oft zufällige, Einordnung der Betreffende in seiner Arbeitswelt gefunden hat. Das ist ungerecht! Und, meine Damen und Herren, die Beseitigung einer Ungerechtigkeit, die, glaube ich, von allen, auch von allen Fraktionen in diesem Haus als solche erkannt wird, muß man zumindest angehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das darf man nicht deshalb, weil es ein komplizierter und umfangreicher Komplex ist, wieder hinausschieben und wieder nicht anfangen, da darf man nicht wieder sagen: Es sind alle dafür!, tut aber eigentlich nichts, sondern da muß man endlich Schritte in Richtung Beseitigung dieser Ungerechtigkeiten in die Wege leiten!

Es ist diese Unterscheidung in einzelne Kategorien von Arbeitnehmern – in gleiche und in gleichere, in gute und in bessere, in berechtigtere und weniger berechtigte – nicht nur eine ungerechte, nicht nur eine über weite Strecken unverständliche, sondern sie ist auch in überhaupt keiner Weise zeitgemäß.

Wir haben in den letzten Jahren gelernt, daß sich der Arbeitnehmer daran wird gewöhnen müssen, mobil zu sein – mobil nicht nur in seinem eigenen Interesse, sondern auch, weil wir alle uns wünschen, daß wir dort Schwerpunkte bilden können, daß sich dort Schwerpunkte von selbst bilden, wo sie gerade gebraucht werden; mobil in sachlich-beruflicher Hinsicht.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 86

Es gibt ganze Berufsgruppen und Berufszweige, die austrocknen, die nahezu aussterben, und es gibt andere, die boomen. Es wird auf die Dauer nicht so sein können, höre ich immer wieder – und die, die das sagen, haben sicher recht –, daß jemand, der einen Beruf erlernt hat, der sich einem Berufsbild zugewendet hat, damit rechnen kann, bis zu seiner Pensionierung in eben diesem Beruf tätig zu sein. Jeder von uns muß damit rechnen, jeder von uns muß sich darauf einstellen, die Allgemeinheit hat einen Anspruch darauf, daß man sachlich und auch räumlich mobil ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der räumlichen Mobilität steht aber leider ein rechtlicher Problemkreis entgegen, an den in diesem Zusammenhang viel zu selten und viel zuwenig gedacht wird: die ganze Wohnrechtsgesetzgebung. Überall auf der übrigen Welt ist es so: Wenn jemand aus wirtschaftlichen Gründen, aus beruflichen Überlegungen anderswohin gehen sollte, weil er dort gebraucht wird, weil er dort einen Posten bekommt, weil er besser verdient, dann tut er das, dann sucht er sich dort eine Wohnung, zieht dorthin und gibt die alte Wohnung auf. Das ist in Österreich undenkbar, denn seit der Notverordnungsgebung im Ersten Weltkrieg – dann ins Mietengesetz einfließend – ist das ausgeschlossen. Wenn jemand einmal irgendwo eine Wohnung sich erwirtschaftet oder ergattert hat, dann ist er an diese angenagelt bis zu seinem seligen Ende. Der pendelt lebenslang, oft über Hunderte Kilometer am Tag, ist stundenlang hin und zurück unterwegs, nur weil er unter keinen Umständen anderswohin ziehen kann, weil er keine Wohnung bekommt. Was das volkswirtschaftlich an vergeudeter Zeit und vergeudetem Geld, an vergeudeter Energie, an Umweltbelastung, an Verkehrsgefahren et cetera bedeutet, brauche ich nicht gesondert zu erläutern.

Aber, wie gesagt, es werden verlangt: beruflich-sachliche Mobilität und räumliche Mobilität. Und gerade dieser Mobilität steht die willkürliche, zufällige und ungerechte Einteilung in die unterschiedlichsten Kästchen an Beschäftigtenkategorien entgegen.

Wenn wir uns, meine Damen und Herren, über Anpassung im Sinne des Antrages, über den wir diskutieren, unterhalten, dann muß es so sein – darauf bestehen wir Freiheitlichen selbstverständlich –, daß die Anpassung nicht eine solche von oben nach unten sein darf, sondern nur eine solche von unten nach oben sein kann – das versteht sich wohl von selbst. Wir werden an allen Bestrebungen in dieser Richtung mitwirken, und wir werden schauen, daß nicht die Bessergestellten schlechtergestellt werden, sondern die Schlechtergestellten schrittweise bessergestellt, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Noch etwas gehört dazu: Ich entnehme dem Antrag, daß sich die vorsichtigen Autoren wünschen, daß für die, die schon berufstätig sind, für die, die schon in Pension sind, alles beim alten bleibt und sich nur für die, die neu ins Berufsleben eintreten, etwas ändern soll. Das ist ein Wechsel, der auf das nächste Jahrtausend gezogen wird. Ich kann mir nicht vorstellen, daß das Gros derer, die heute berufstätig sind, die es zum Teil, wenn sie jünger sind, noch Jahrzehnte lang sein werden, daß auch das Gros der Pensionisten die Ungerechtigkeiten und ihre Folgen austrägt und nur die, die neu anfangen und in Jahrzehnten in Pension gehen werden, in den Genuß der längst fälligen Vereinfachungen und Vereinheitlichungen kommen sollen.

Wir stehen auf dem Standpunkt, daß auch die älteren Arbeitnehmer, die Senioren, und auch diejenigen, die schon im Ruhestand sind, schrittweise in den Genuß der Vorteile der gerechten Vereinheitlichung kommen sollen und nicht nur jene, die jetzt in den Schulen heranwachsen und irgendwann ins Berufsleben eintreten werden! Anderes wäre zuwenig, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dazu wird aber auch gehören, daß man es den älteren Arbeitnehmern ermöglicht, solange beruflich tätig zu sein, als sie können und wollen. Das ist im öffentlichen Dienst heute nicht selbstverständlich, denn dort muß man bekanntlich – auch wenn man pumperlgesund ist und länger arbeiten möchte – spätestens in einem bestimmten Jahr ausscheiden.

Ich habe mehr als einmal erlebt, daß Beamte im höchstmöglichen Bereich ihrer Tätigkeit mit großem Erfahrungsschatz ausscheiden mußten, anderen Platz machen mußten, dabei bittere Tränen vergossen und den Steuerzahler eine Menge Geld kosten. Man wird dafür sorgen müs


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 87

sen, daß Geld auf die Weise eingespart wird, daß Kapazität auf dem Wege frei wird, daß jemand, wenn er will, länger arbeiten kann, daß man ihm die Möglichkeit gibt, seinen Beruf solange auszuüben, wie er nur halbwegs dazu in der Lage ist und sich das auch wünscht.

Mit anderen Worten: Es handelt sich bei der willkürlichen Differenzierung nach einzelnen Arbeitnehmerkategorien um Unrecht. Wir werden uns dafür stark machen und auch heute dafür stimmen, daß diese Ungerechtigkeit endlich behoben wird, daß man zumindest Schritte in diese Richtung unternimmt. Wir sind aber dafür, daß die Anpassung nur nach oben und nicht nach unten stattfindet und daß sie nicht nur sozusagen symbolisch für neu in den Arbeitsprozeß Eintretende gilt, sondern vielmehr auch für die, die schon drinnen sind, und auch für die Pensionisten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.27

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.27

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte, bevor ich auf den Bericht eingehe, noch zwei Anmerkungen machen.

Zuerst wende ich mich an Kollegen Öllinger – er ist zwar gerade nicht hier – und meine, daß es, wenn wir über diesen Bericht diskutieren, kein Krankjammern geben muß. Wir haben das europaweit beste Sozialsystem und auch das europaweit beste Gesundheitssystem – diese müssen wir erhalten; sie dürfen jedoch nicht mißbraucht werden.

Kollegen Nürnberger möchte ich folgendes sagen: Ich war ein wenig verwundert und habe mir überlegt: Ist das jetzt ein Sozialpartnergespräch außer Haus oder ein Gespräch zum Bericht über die soziale Lage? (Abg. Kiermaier: Beides!) Beides, gut. Es war aber meiner Meinung nach letztendlich nicht wirklich bezogen auf den Bericht über die soziale Lage.

Ich komme jetzt zum Bericht über die soziale Lage und möchte drei Bereiche herausgreifen. Der erste Bereich ist die Arbeitsmarktpolitik. In diesem Bericht steht, daß in diesem Bereich drei Schwerpunkte Vorrang haben. Erstens: Aktivierung vor Versorgung, Vermittlung und Förderung vor Administration sowie Sicherung, Schaffung und Verbesserung von Arbeitsplätzen vor Arbeitslosenunterstützung. Ich glaube, daß das gut so ist und daß diese drei Bereiche Vorrang haben müssen.

Daß die Erfüllung dieser Aufgaben Geld kostet, ist klar, was für mich aber ein wenig unverständlich ist, ist, daß die Arbeitsämter Milliarden fordern für die Vermittlung von Arbeitsplätzen, damit sie effizienter vermitteln können. Ich glaube, daß gerade das Arbeitsmarktservice nicht nur die bestehende Arbeitslosigkeit verwalten soll, sondern in Zukunft sehr gezielt aktive Arbeitsmarktpolitik machen muß. Das heißt, hier muß eine Dynamik in den Arbeitsmarkt kommen, um diesen zu erhalten.

Was meine ich damit? – Zum Beispiel sind 85 Prozent der derzeit gemeldeten Arbeitslosen Personen mit nur abgeschlossener Pflichtschulausbildung, und davon sind der Großteil Frauen.

Das heißt, daß wir vermehrt auch im Bereich der beruflichen Weiterbildung, der Umschulung, der Qualifizierung Schwerpunkte setzen müssen. Es muß auch der zweite Bildungsweg mehr denn je verstärkt werden. Wir werden in Zukunft nicht nur einen oder zwei Berufe pro Lebensarbeitszeit haben, sondern wahrscheinlich sogar drei erlernte Berufe. Ich glaube, daß gerade der zweite Bildungsweg forciert und auch anerkannt werden muß. Wir dürfen keine Zweiklassengesellschaft und keine Arbeitslosengesellschaft schaffen. (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Zusammenhang müßten wir auch über den Berufsschutz nachdenken, dessen Wegfall die Vermittlungsmöglichkeiten wesentlich verbessern würde. Wer durchgehende Beschäftigungszeiten hat, soll auch Zeit für eine berufliche Neuorientierung bekommen. Es gibt


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 88

diesbezüglich verschiedene Modelle, die wirklich umgesetzt werden könnten. Wir müßten dies nur auch tun.

Der nächste Bereich ist die Einkommensverteilung. Es wurde heute schon sehr viel über den Mindestlohn und so weiter gesprochen. Es gibt aber einen ganz gravierenden Punkt, hinsichtlich dessen sich noch überhaupt nichts verändert hat: den Bereich gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit. Da ist vieles noch nicht verwirklicht worden.

Tatsache ist, daß Männer für eine vergleichbare Arbeit um 27 Prozent mehr verdienen als Frauen; da ist die Teilzeitbeschäftigung aber nicht eingerechnet. Ich glaube, daß wir dringend eine geschlechtsunabhängige Arbeitsbewertung brauchen. Es gibt schon Modelle in der Schweiz, die sich nicht nur im öffentlichen Dienst bewährt haben. Es wäre an der Zeit, hier Veränderungen herbeizuführen, weil es dann vielleicht auch nicht so leicht wäre – wie das des öfteren behauptet wird, wobei ich mir nicht sicher bin, daß das wirklich immer stimmt –, Frauen eher zu kündigen als ihre männlichen Kollegen.

Ein weiterer sehr wichtiger Bereich ist die EU. Der Herr Minister hat das auch angesprochen, und ich möchte betonen, daß diesbezüglich wirklich sehr viel gemacht wurde, speziell im Bereich der Gemeinschaftsinitiativen und der Aktionsprogramme im Sozial- und im Ausbildungsbereich. Ich möchte aber auch sagen, daß die Genehmigung dieser Projekte – seien es jetzt die NOW-Projekte oder andere – für 1995 erst mit 31. Mai 1996 abgeschlossen wurde. Ich muß sagen, um uns in der Steiermark ist es diesbezüglich gut bestellt, und wir danken auch dafür. Uns wurden an die zwölf Projekte bewilligt, während südlicheren Ländern zum Beispiel nur eines gewährt wurde. Das hängt auch von den Ländern ab.

Ich möchte aber darauf aufmerksam machen, daß die nächste Einreichfrist schon mit 15. Juli 1996 festgesetzt ist – das ist eine sehr kurze Einreichfrist. Wir haben erst ein Leerjahr hinter uns gebracht, vielleicht gelingt es uns, für die Zukunft Vorkehrungen zu treffen, damit die Einreichzeiten nicht so kurzfristig sind.

Eines möchte ich auch noch anregen beziehungsweise darum bitten: daß die Regionalberater, Projektleiter und Projektleiterinnen, aber auch die Frauenreferenten in den Ländern, in den Institutionen in diese Vorarbeiten eingeschlossen werden. Ich weiß, daß es Überlegungen gibt, diese zu den Arbeitsmarktservice-Einrichtungen auszulagern, aber vielleicht kann man noch eine Koppelung erreichen.

Zum Schluß: Die technische Hilfestellung für diese Projekte funktioniert zurzeit sehr gut, nur merkt man, daß diese in Wien verankert ist. In Zukunft wäre aber ein Hinausgehen in die Bundesländer sehr wichtig, um auch dort die Qualität, die jetzt hier schon vorhanden ist, gewährleisten zu können – und darum bitte ich. (Beifall bei der ÖVP.)

13.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.35

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kollege Nürnberger hat offensichtlich Probleme mit der liberalen Position zum 13. und 14. Monatsgehalt sowie zur Abfertigung. Daher sei ihm noch einmal ins Stammbuch geschrieben:

Lieber Kollege Nürnberger! Es ist folgendes nicht zu verteidigen und nicht zu rechtfertigen: Eine Generaldirektorin verdient 200 000 S im Monat – das gönne ich ihr vom Herzen –, für ihren 13. und 14. bekommt sie 400 000 S, davon zahlt sie 6 Prozent Steuern: Das sind 24 000 S. Der Sekretär der Frau Generaldirektorin, der im Vorzimmer sitzt, verdient überhaupt nur 400 000 S im Jahr und unterliegt dabei einem Grenzsteuersatz von 32 Prozent. Was Kollege Nürnberger an dieser sozialen Asymmetrie zu verteidigen hat, verstehe ich eigentlich nicht, denn in Wirklichkeit ist es eine Form der Besserstellung der Bestverdiener in unserem Land, der unselbständigen Besserverdienenden, die absolut unverständlich ist.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 89

Wir Liberale haben mehrfach klargestellt, daß das 13. und 14. Gehalt Bestandteil des Einkommens der Mitarbeiter ist, auf das sie monatlich Anspruch haben, und der Arbeitgeber hat kein Recht, seinen Mitarbeitern durch staatliche Normierungen dieses Geld bis Juni beziehungsweise November vorzuenthalten. Das sind doch Steinzeitpositionen, die Sie in dieser Hinsicht vertreten! (Beifall beim Liberalen Forum.) Lieber Herr Nürnberger! Denken Sie darüber nach, bevor Sie dazu Stellung nehmen.

Die zweite Position ist die Abfertigung. Auch dabei geht es offensichtlich um Steinzeitpositionen. Die Abfertigung ist ein Teil des Lohns der Mitarbeiter, der ihnen in der Zeit der Mobilität vorenthalten wird. Wir brauchen in einer Zeit des mobilen Wirtschaftswandels mobile Mitarbeiter. Der Wechsel von einer Position zu einer anderen darf doch nicht durch mögliche Abfertigungsansprüche gehemmt werden.

Stellen wir doch zum 1. 1. 1997 alle Abfertigungsansprüche fest, zahlen wir sie so aus, wie es bisher gehandhabt wurde, neue entstehen nicht mehr, und die Kollektivvertragspartner haben jetzt den Auftrag, in ihrer Branche gemäß der bisherigen Belastung durch Abfertigungen – das wird bei den Versicherungen anders sein als bei den Bauarbeitern oder sonstigen Branchen – diesen Prozentsatz einmalig zusätzlich aufzuschlagen und ihn direkt an die Mitarbeiter weiterzugeben.

Beide Maßnahmen würden die Arbeitskosten nicht verändern, aber die Lohnnebenkosten verringern und die Löhne erhöhen, und wir kämen in Österreich zu vergleichbaren Gehältern. Daß man an Austriaci wie Abfertigungen oder der Fiktion, daß es in Österreich einen Dezember, Trizember und einen Quatrozember gibt, festhält, ist doch wirklich skurril – aber vielleicht wird es Kollege Nürnberger noch lernen.

Sozialrechtliche Begünstigung, meine Damen und Herren – und das ist der Grund dafür, daß ich als Wirtschaftssprecher mir erlaubt habe, mich zu Wort zu melden –, verkehren sich immer mehr ins Gegenteil. Mitarbeiter mit zusätzlichen sozialen Rechten bringen auf dem freien Arbeitsmarkt ein zusätzliches Kostenpaket mit. Diese höheren Arbeitskosten, die diese Mitarbeiter durch Schutzbestimmungen, die für sie geschaffen wurden, verursachen, verringern ihre Wettbewerbsfähigkeit auf einem umkämpften Arbeitsmarkt.

Was ist denn für den Unternehmer interessant? – Die Arbeitskosten. Wenn ein Mitarbeiter 300 S pro geleisteter Arbeitsstunde kostet und ein anderer 350 S, weil er ein Paket von Schutzbestimmungen mitbekommen hat, wird die Entscheidung für den Mitarbeiter fallen, der einen günstigeren Arbeitskostensatz hat. Das ist die ökonomische Realität, und wer diese ökonomische Realität verweigert, meine Damen und Herren, ist ein Realitätsverweigerer, oder er versteht nichts von Ökonomie!

Ich möchte in diesem Sinne zu zwei Anträgen Stellung nehmen, die wir in diesem umfassenden Punkt verhandeln. Zum Antrag der Kollegin Haidlmayr: Ich halte die Beschäftigung von behinderten Menschen für eine sehr wesentliche soziale und auch humanitäre Frage, aber vorzuschlagen, die Kosten der Ausgleichstaxe auf die durchschnittliche Bruttolohnbelastung zu erhöhen, ist nichts anderes, meine Damen und Herren, als die Erhöhung der Lohnnebenkosten und damit der Arbeitskosten.

Sie müssen vielmehr den Kündigungsschutz aufheben, dann können Sie die Behinderteneinstellungstaxe erhöhen. Wenn wir den Kündigungsschutz wegbringen, bekenne ich mich zu einer Anhebung der Einstellungstaxe. Ich kenne eine Vielzahl von Unternehmern, mit denen ich auch gesprochen habe, unter anderem einen großen Wirtschaftstreuhänder, der über 100 Menschen beschäftigt. Er sagt: Ich könnte in meinem Unternehmen locker fünf oder zehn behinderten Menschen Platz bieten. Aber solange es für sie einen Kündigungsschutz gibt und dieser – wie die Zahlen zeigen – über den Behinderteneinstellungsausschuß nur sehr zögerlich aufgehoben wird, ist mir das Risiko zu groß, eine 27jährige Behinderte, einen 32jährigen Behinderten aufzunehmen, mit dem Risiko, daß ich sie/ihn bis zum 60. Geburtstag beschäftigen muß und nur sehr schwer oder überhaupt nicht kündigen kann.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 90

Sie denken da ganz falsch! Sie bürden diesen Behinderten eine Kostenbelastung durch unvertretbare Kündigungsschutzbestimmungen auf und schließen sie damit eo ipso aus dem Arbeitsmarkt aus. Bitte verstehen Sie doch einmal diese ökonomische Argumentation! Sie können letztlich nicht daran vorbeigehen.

Uns Liberalen ist es wichtig, im Bereich der Behinderteneinstellung eine stärkere Forcierung vorzunehmen. Wir sind bereit, auch über eine Anhebung dieser Ausgleichstaxe zu reden – aber nur dann, wenn gleichzeitig die Kündigungsbestimmungen entsprechend flexibilisiert werden, um zu verhindern, daß ein betroffener Mitarbeiter ausschließlich durch seine eigenen Arbeitskosten auf dem Arbeitsmarkt behindert wird. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich habe im November vorigen Jahres die Frage des Urlaubsgesetzes mit Ihnen diskutiert und habe das jetzt noch einmal probiert. Auch diesbezüglich weiß ich nicht, wem Sie letztlich dienen.

Wir alle reden von Beschäftigungsproblemen und von der Arbeitslosigkeit, die wir bekämpfen müssen. Wir reden davon, daß vor allem die Saisonarbeitslosigkeit ein besonderes Schicksal ist. Saisonarbeitslosigkeit, meine Damen und Herren, entsteht durch Nachfrageschwankungen, sie entsteht nicht aus Jux und Tollerei von Unternehmern, bei denen man nur ein paar Monate im Jahr arbeiten kann, weil das halt lustig ist, sondern weil sie Dienstleistungen anbieten, die nur gewisse Monate, gewisse Zeiten im Jahr nachgefragt werden.

Es ist doch völlig unsinnig, einen solchen Mitarbeiter ab dem ersten Tag nach einem auf sechs Monate befristeten Dienstverhältnis mit einer Kostenposition zu belasten, die drei Wochenlöhnen entspricht. Glauben Sie wirklich, daß ein Betriebswirt, ein Unternehmer sich einen Mitarbeiter leisten kann, der am ersten Tag nach den sechs Monaten des befristeten Dienstverhältnisses für einen einzigen Tag Arbeitsleistung drei Wochenlöhne kassiert? Und das nur, weil Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, das im Nationalrat beschlossen haben und darauf bestehen.

Herr Dr. Stummvoll! Das haben Sie als Funktionär der Wirtschaftskammer mitbeschlossen. Frau Reitsamer! Ich habe es Ihnen deutlich erläutert. Sie beschließen damit eine Steigerung der Arbeitslosigkeit. Sie beschließen damit ein Saisonverkürzungsgesetz. Verstehen Sie doch: Nach sechs Monaten befristeten Dienstverhältnisses sind 15 Tage Urlaub fällig, Urlaubsabfindung. Ein Tag mehr bedeutet Urlaubsentschädigung, das Dienstverhältnis geht weiter über drei Wochen. Das heißt, der erste Arbeitstag nach den sechs Monaten kostet drei Wochengehälter. Es sagt doch die ökonomische Grundvernunft, das ist ein klares Zeichen, ein Befehl an die österreichischen Unternehmer, befristete Dienstverhältnisse nicht über sechs Monate auszudehnen.

Das heißt, daß Sie damit ein Saisonverkürzungsgesetz beschließen und damit Arbeitslosigkeit schaffen. Das muß Ihnen doch einleuchten! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Es klingt fast wie Hohn, wenn ich wörtlich aus dem ÖGB-Nachrichtendienst zitiere – ich zitiere wörtlich! –: "Der Kreis der Betroffenen, der wegen der oben angeführten 6-Monats-Grenze kein über sechs Monate hinausreichendes Dienstverhältnis erhält, kann nicht allzu groß sein." – Sie riskieren also Arbeitslosigkeit, nur weil sie nicht allzu groß ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.44

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Seidinger. Ich erteile es ihm.

13.44

Abgeordneter Winfried Seidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Inmitten der Debatte über den Sozialbericht 1994 hat unser Sozialminister Franz Hums einige wichtige Klarstellungen getroffen: Dieser Bericht aus dem Jahre 1994 ist entstanden, als die wirtschaftliche Situation in unserem Lande nicht die günstigste war, aber auch die Gesetze, die wir 1993 in diesem Hause beschlossen haben, kamen erst erstmals richtig zur Geltung und schlugen zu Buche.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 91

Lassen Sie mich aber auf diesen Sozialbericht 1994 noch mit einigen notwendigen Zahlen eingehen: Im Jahre 1994 gab es im Bereich der österreichischen Sozialversicherung Ausgaben in der Höhe von 360,39 Milliarden Schilling, denen Einnahmen von 358,64 Milliarden Schilling gegenüberstanden. Wir können sagen, daß das ein minimaler Abgang ist. Noch dazu, wo man auch darauf verweisen muß, daß drei Viertel aller Beiträge aus der Kasse der Versicherten stammen. Es gibt 5 Millionen beitragsleistende Krankenversicherte und 2,7 Millionen Mitversicherte. Das bedeutet, in Österreich sind wir im Gegensatz zu anderen Ländern in der glückliche Situation, daß 99 Prozent der Bevölkerung krankenversichert und damit auch geschützt sind.

Die Zahl der Pensionen als solche wuchs stärker als die Zahl der Beschäftigten. Es gibt zurzeit etwas über 3 Millionen Pensionsberechtigte beziehungsweise Pensionsversicherte. 1994 kamen 593 Pensionsempfänger auf 1 000 Versicherte. Diese Zahl ist in den letzten zehn Jahren annähernd gleich geblieben, soll sich aber den Demoskopen zufolge im Laufe der kommenden Jahre im Verhältnis nicht verbessern, sondern unter Umständen verschlechtern.

Zur Höhe der Pensionen nur einige Zahlen: Die höchstmögliche ASVG-Eigenpension beträgt ohne Zulagen und Zuschüsse – allerdings nur nach dem letzten Stand der Dinge; das gilt nicht, wenn jemand vor 10, 15 oder 20 Jahren in Pension gegangen ist – etwas über 26 000 S, die Witwenpension knapp unter 16 000 S. Im Vergleich zur Beamtenpension ist das also sicher niedriger. Denn wenn man die Durchschnittspensionen mit 13 000 S ansetzt – ich habe die Höchstpension gemeint –, so ist das nur ein Drittel der Beamtenpension.

Die Pensionisten – das soll auch einmal in diesem Zusammenhang sehr deutlich gesagt werden – haben durch die Maßnahmen der Pensionsreformen, die ab 1985, 1988 und 1993 gesetzt worden sind, insgesamt zum Konsolidierungsprogramm, das wir im Frühjahr dieses Jahres zu beschließen gehabt haben, sehr viel beigetragen. Es handelt sich um etwa 200 Milliarden Schilling, die durch die verschiedenen Anpassungs- und Harmonisierungsmaßnahmen und zuletzt durch die heuer beschlossenen Maßnahmen zustande kommen.

Wir als Pensionisten – und als deren Sprecher stehe ich auch hier – sagen ja zu den Pensionsreformen. Aber man darf nicht, wie man das immer wieder gerne versucht – die Medien haben das Ihre dazu beigetragen –, einen Generationenkrieg heraufbeschwören. Es muß Solidarität zwischen Jung und Alt bestehen. Man darf nicht heute schon die Überlegung in den Raum stellen: Wer weiß, ob die jetzt Aktiven beziehungsweise die in 10, 20 oder 30 Jahren Werktätigen überhaupt noch bereit sind, für die dann älter gewordene Generation zu bezahlen. Ich glaube, das ist ein Verkennen der Größenordnungen.

Es gibt heute Deckungsbeiträge bei den ASVG-Pensionisten mit 89 Prozent. Der Bundeszuschuß – das hat der Herr Sozialminister in den letzten Monaten immer wieder festgestellt – hat sich nicht erhöht, sondern ist sogar von 22 Prozent auf 11 Prozent gesunken.

Ich glaube auch, daß es notwendig ist – heute kommen ja noch die Krankenversicherungen und Krankenversicherungsbeiträge im Rahmen einer dringlichen Anfrage zur Sprache –, hier zu sagen, daß es Ideen gegeben hat und noch immer gibt, daß man zum Beispiel von den Pensionisten Krankenversicherungsbeiträge einheben sollte, und zwar in einer Größenordnung von 0,5 Prozent, weil das die Lohnnebenkosten der noch Aktiven nicht belastet. Ich glaube, das ist nicht der richtige Weg.

Mit minimalen Beitragserhöhungen diese Defizite abzudecken – das wurde vom Herrn Sozialminister vorgeschlagen – kann ich mir als gangbaren Weg vorstellen, wenn er Arbeiter, Angestellte und Pensionisten in minimaler Form betrifft.

Eines können wir sicher nicht zur Kenntnis nehmen – ich glaube, das wird auch allgemein anerkannt werden können –: daß Selbstbehalte in dem Maß, wie sie gefordert werden, auch von den ASVG-Pensionisten eingehoben werden. Denn wenn man für jede ärztliche Leistung, für jeden Krankenhausaufenthalt und dergleichen dann noch 20 Prozent verrechnet bekommt, dann schaue ich mir an, wie es möglich ist, das auch von denen zu verlangen, die es sicher nicht am dicksten in der Kasse haben.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 92

Herr Abgeordneter Haider hat sich heute auch wieder herausgestellt und viele Dinge gesagt, darunter viele Halbwahrheiten, viele Unwahrheiten. Er hat etwa über die Gebietskrankenkasse Steiermark gesagt, daß diese plant, ein Verwaltungsgebäude um 300 Millionen Schilling zu errichten. Auch das ist etwas, das nicht stimmt. Es hat einmal Pläne gegeben, es hat einen Grundkauf seitens der Gebietskrankenkasse gegeben. Das Projekt wäre bei weitem nicht in der Größenordnung von 300 Millionen Schilling gewesen, aber das ist ausgesetzt, das existiert nicht mehr, weil man aufgrund der angespannten Situation eben andere und wichtigere Dinge zu tun hat.

Mehrfach wurde heute auch schon davon gesprochen, wie man all das, was in unserem Sozialsystem so mustergültig aufgebaut ist, in Zukunft finanzieren kann, wie man neue Formen der Wertschöpfung finden kann. Immer wieder taucht die Wertschöpfungsabgabe auf, immer wieder wird bestätigt, daß immer weniger Menschen eine immer höhere Wertschöpfung erarbeiten, daß es in den Hallen, in denen diese Produkte erzeugt werden, immer weniger Menschen gibt.

Ich glaube, wenn es um die Pensionserhöhungen der letzten Jahre geht, müssen wir auch beachten, daß diese über dem Preisniveau lagen. Der Anstieg der Kaufkraft der Pensionisten ist gestiegen, wenngleich wir nicht verschweigen können, daß bei einem Richtsatz, der heuer für Alleinstehende von 7 500 S auf 7 887 S und für Ehepaare von 10 700 S auf 11 253 S gestiegen ist, noch keine Bäume ausgerissen werden können.

Etwas, was uns Sorgen macht, ist, daß rund 80 Prozent aller Neuzuerkennungen vor Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters erfolgen, Frauen mit 58 Jahren, Männer mit knapp 60 Jahren. Es ist auch ein steigender Trend zur vorzeitigen Alterspension, weniger zur Gleitpension, festzustellen.

Lassen Sie mich auch zur Arbeitsmarktpolitik noch einige Bemerkungen machen.

Die Arbeitsmarktlage: Ende Mai 1996 betrug die Arbeitslosenrate in Österreich – das kann jeder nachlesen – nach den wertberichtigten Methoden der EU 3,7 Prozent. Österreich ist damit eines der führenden Länder. Die EU hat eine Arbeitslosenrate von 11 Prozent, die gesamte OECD 7 Prozent, und das Jobwunder USA, das immer wieder beschworen wird, hat immerhin auch eine Arbeitslosenrate von 5,5 Prozent.

Im Hauptverband der Sozialversicherungsträger waren mit Ende Mai über 3 042 000 Menschen als unselbständig Beschäftigte gemeldet. Gegenüber Ende Mai des Vorjahres ist die Beschäftigung nach wie vor rückläufig, der Beschäftigungsrückgang hat sich jedoch spürbar verringert.

Wir hatten am Beginn dieses Jahres eine Arbeitslosenzahl, die nahezu an 300 000 gegrenzt hat. Sie liegt jetzt bei 200 000, aber auch das ist immer noch zu hoch und zu viel.

Da hier auch schon gesagt wurde, daß sich die Sozialdemokratie von der sozialen Kompetenz verabschiedet hat und sich nicht um die Arbeitslosen kümmert, meine ich, daß es viele Ansätze, viele Vorstellungen und viele Vorhaben gibt, auch gesetzlicher Natur, wieder Arbeitsplätze zu schaffen. Nur ist es nicht die Aufgabe allein des Gesetzgebers, dies zu tun, sondern es ist auch die Aufgabe der Wirtschaft – bei allen möglichen Unterstützungen, die es gibt –, dafür zu sorgen, daß die Arbeitsplatzzahl wieder steigt.

Was der Staat tun kann, das macht er, ob es die Ausbildung ist mit quantitativem und qualitativem Ausbau von Angeboten, ob es Berufsvorbereitungs-, Berufsorientierungskurse, Arbeitserprobungs- und Trainingsmaßnahmen sind. Die "Aktion 8000" wurde fortgesetzt. Seit 1984 haben wir 40 000 Personen befristet beschäftigt gehabt. Wir wissen weiters, daß wir auch mit moderneren Methoden heuer in Form von allgemeinen Arbeitskräfte-Überlassungsgesellschaften gemeinnütziger Natur – nicht gemeint ist hier nur das Leasing von Menschen – Sonderprogramme ins Leben gerufen haben.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 93

Wir haben in den Bundesländern Niederösterreich, Steiermark und Wien allerdings auch den traurigen Rekord an Langzeitarbeitslosen. Er liegt hier bei nahezu 70 Prozent. Die Altersarbeitslosigkeit ist eine Belastung, durch die viele einfach aus der Wirtschaft hinausgedrängt werden in die Invalidität. Sie werden vor die Tatsache gestellt: Wenn du freiwillig auf Lohn- und Gehaltsbestandteile verzichtest, dann werden von deiner Firma nur 10 Prozent oder 15 Prozent der Mitarbeiter entlassen; wenn du nicht darauf verzichtest, dann sind es eben mehr. – Dieses Entlassen in die freiwillige Pension erfolgt ja nicht wirklich freiwillig, sondern ist ein Druck, dem wir ausgesetzt sind und dem viele Menschen unterliegen.

Die Maßnahmen, die das AMS setzt, die Betreuung dieser Menschen, sind wirklich sehenswert. Wir freuen uns, daß es viele arbeitsmarktpolitische Instrumente gibt, um diesen doch in Not Geratenen zu helfen. Pilotprojekte in den Bundesländern gibt es, und ich glaube, man sollte das in Anspruch nehmen.

Etwas, was auch geschaffen worden ist – nur kenne ich keine Erfolgszahlen –, ist das Bonus-Malus-System, sind verschiedene Projekte des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, sichere Arbeitsplätze, länger aktiv sein, ein Entgegenkommen an die Arbeitgeber, sogar auf Beiträge zu verzichten und diese nicht mehr einzuheben, wenn sie bereit sind, den Menschen wieder Arbeit zu geben. Denn nichts kann demotivierender sein und nichts kann schlimmer sein für jemanden, der arbeiten will, als diese Arbeit nicht zu bekommen. Ich glaube, es müßte auch vom Gesetz her dieses Recht auf Arbeit einmal neu definiert, neu festgelegt, neu verlangt werden.

Wir wissen, daß es international immer schwieriger wird, die Menschen auf dem Arbeitsmarkt unterzubringen, und dann kann nicht ein kleines Land allein mit beispielgebender Courage und mit neuen Ideen vorangehen. Nur eines ist Österreich vorbehalten: daß es auch im Rahmen der EU die Beschäftigung, die Arbeitsplätze und die soziale Sicherheit an die Spitze der Bemühungen stellen wird. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.57

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Der Sozialbericht 1994 hat sich in seiner Aussagequalität gegenüber den letzten Jahren wesentlich verbessert. Das bedeutet aber nicht, daß uns der Inhalt, das, was in diesem Sozialbericht aufgezeigt wird, in Freude ausbrechen lassen darf. Ganz im Gegenteil. Ich habe ihn mir angeschaut, ich konnte nicht den ganzen Bereich dieses Sozialberichtes durcharbeiten, aber ich habe mir im Behindertenbereich angeschaut: Was hat sich in den letzten Jahren getan? Wie schaut es jetzt eigentlich aus? Welche Maßnahmen wurden getroffen, um Mißstände, um Rückgänge im Behindertenbereich wettzumachen und zu versuchen, behinderte Menschen wieder als Teil der Gesellschaft zu integrieren?

Ich nehme nun den Punkt "Behindertenpolitik – Behinderteneinstellungsgesetz" des Sozialberichtes her. Bereits seit sieben, acht Jahren wissen wir, daß die Zahl der beschäftigten behinderten Personen Jahr für Jahr rückläufig ist. 1995 hatten wir bereits eine Arbeitslosenrate von über 30 Prozent. Diese Arbeitslosenrate von über 30 Prozent ist nicht 1995 einfach geschehen, sondern es hat sich bereits im Sozialbericht 1994 ganz wesentlich gezeigt, daß die Einstellungspflicht der Betriebe, die Einstellungspflicht von Bund und Ländern mit eine Ursache dafür sind, daß die Behindertenarbeitslosigkeit ansteigt.

Es wäre Ihre Aufgabe gewesen, Herr Sozialminister, schon früher in dieser Richtung tätig zu werden, um die Arbeitslosenrate im Behindertenbereich nicht noch höher ansteigen zu lassen. Es ist aber nichts gegen diese Entwicklung unternommen worden. Die Ausgleichstaxe ist von 1994 auf 1996 um ganze 60 S gestiegen. Wenn Sie ein Unternehmen oder den Bund und die Länder damit bestrafen, daß Sie im Zeitraum von zwei Jahren eine um 60 S höhere Ausgleichstaxe verlangen, dann werden Sie damit keinen einzigen Arbeitsplatz schaffen. Damit


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 94

werden Sie auch keinen einzigen Arbeitsplatz sichern. Damit können Sie nur Behindertenarbeitsplätze radikal abbauen.

Bund und Länder sind nach wie vor nicht bereit, ihre Einstellungspflicht zu erfüllen. 1994 standen knapp 64 000 begünstigte behinderte Menschen in Österreich 69 000 Pflichtstellen gegenüber. Das müßte doch bedeuten, daß eigentlich alle Arbeitsplätze hätten besetzt sein müssen und sogar noch 5 000 Pflichtstellen nicht hätten besetzt werden können, weil es eben nicht mehr begünstigte Behinderte gibt. So hätte das ausschauen können!

Die Realität ist aber eine andere: Von den 69 000 Pflichtstellen waren lediglich 40 000 besetzt. Das heißt, 42 Prozent aller einstellungspflichtigen Dienstgeber haben sich durch die Minimalzahlung von 1 920 S von ihrer Einstellungspflicht freigekauft.

Es ist bis heute zu keiner Änderung bei der Berechnung der Schlüsselzahl gekommen. Bund, Länder und Gemeinden genießen immer noch Ausnahmen, sie müssen nicht pro 25 Dienstnehmer eine behinderte Person anstellen, für Sie gilt ein anderer Schlüssel, und zwar müssen sie pro 40 Arbeitnehmer eine behinderte Person einstellen. Das macht es dem Bund und den Ländern noch viel leichter, sich ihrer Verantwortung zu entziehen.

Herr Minister, ich frage Sie: Was gedenken Sie zu tun, um die Arbeitslosigkeit im Behindertenbereich zu reduzieren? – In den letzten Jahren wurde nichts von dem, was in Sonntagsreden versprochen wurde und was für behinderte Menschen sehr wichtig wäre, gehalten, nämlich Arbeit. Es gäbe genug Arbeit für behinderte Menschen, nur müßte man bereit sein, Gesetze zu schaffen, die die Dienstgeber verpflichten, behinderte Menschen anzustellen. Mit einer Ausgleichstaxe von 1 920 S können Sie einen Dienstgeber niemals motivieren, behinderte Menschen einzustellen.

Ich habe mir angeschaut, wie es eigentlich jetzt bei uns mit der Beschäftigung von Behinderten läuft. Dabei bin ich auf etwas draufgekommen, das ich wirklich für skandalös halte: Unternehmen, die Aufträge an sogenannte geschützte Werkstätten vergeben, erhalten 15 Prozent des Umsatzvolumens wieder zurück. Es wird aber nicht gefragt: Hat dieser Betrieb die Einstellungspflicht erfüllt – ja oder nein?

Herr Minister! Wenn heute ein Unternehmer keinen behinderten Menschen anstellt, dann muß er 1 960 S bezahlen. Gibt er aber einen Auftrag an eine Behindertenwerkstatt weiter, bekommt er 15 Prozent vom Umsatz zurück. Ich glaube, es ist nicht schwierig, zu errechnen, was lukrativ ist: natürlich ein Auftrag an geschützte Werkstätten und keinesfalls die Einstellung eines behinderten Menschen.

Noch etwas, Herr Minister: Es ist auch auffallend, daß bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Behindertenbereich, wo pro Person zirka 500 000 S für einen Ausbildungsplatz dotiert wurden, nur 223 000 S im Schnitt ausgeschöpft wurden. Warum ist das so? Ich kann es Ihnen sagen: Behinderte Menschen sind unterbezahlt gewesen, sie sind es bis heute. Ein nichtbehinderter Dienstnehmer hat im Schnitt einen Sockelbetrag von 500 000 S für eine arbeitsbeschaffende Maßnahme im Jahr erhalten. Bei behinderten Menschen war es nur die Hälfte, weil sie in der Praxis nur die Hälfte von dem verdienen, was nichtbehinderte Menschen verdienen.

Das ist ungerecht, das ist eine gesetzliche Ungleichstellung, und Sie sind aufgefordert, dagegen endlich etwas zu tun! (Beifall bei den Grünen.)

Ich habe in den letzten Tagen Ihre Anfragebeantwortung zum Thema Nationalfonds bekommen. Die Koalition wird ja wissen, warum sie den Nationalfonds mit 1 000 S pro Jahr dotiert hat. Mit 1 000 S pro Jahr ist der Nationalfonds dotiert! In den Jahren davor waren es zwischen 20 und 10 Millionen Schilling. Heuer sind behinderte Menschen in der Gesamtsumme nur mehr 1 000 S wert. (Zwischenruf des Abg. Mag. Guggenberger .) – Herr Guggenberger, unterbrechen Sie mich nicht! – Jetzt bin ich draufgekommen, daß im Nationalfonds noch 22 Millionen Schilling an nicht verwendeten Mitteln aus dem Vorjahr liegen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 95

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie: Wie gibt es denn das? Es gibt noch Geld im Nationalfonds, und Sie haben es nicht an die Betroffenen ausgeschüttet? Entweder Sie haben den Nationalfonds mit irgendwelchen Summen, die völlig entgegen jeder Realität waren, gespeist, oder Sie haben die Ansprüche der Förderungswerber nicht in voller Höhe befriedigt. Letzteres ist der Fall. Ich habe mir die Anträge angeschaut. Sagen Sie mir, was es rechtfertigt, daß Sie Anträge an den Nationalfonds ablehnen, obwohl der Nationalfonds in den letzten Jahren überdotiert war und jedes Jahr Unmengen an Geld im Nationalfonds übriggeblieben sind. Ich erwarte eine Klärung dieses Umstands, meine Damen und Herren!

Ich erwarte auch die Klärung der Frage, wie wir angesichts der Tatsache, daß 1994 17 Millionen Schilling aus dem Nationalfonds ausbezahlt wurden und es jährlich zu einer Steigerung von zirka 21 Prozent kommt, in den Jahren 1996 und 1997 mit 22 Millionen Schilling in der Gesamtsumme auskommen sollen. Ihre Antwort darauf, Herr Minister, lautete: Die behinderten Menschen müssen jetzt versuchen, von anderen Zahlungsträgern Finanzmittel zu erhalten.

Herr Minister! Haben Sie es vergessen, oder wollen Sie es nicht mehr wissen, daß Sie selbst es waren, der immer mitgetan hat, daß alle anderen Leistungen, sei es aus den Krankenkassen oder aus dem Ausgleichstaxfonds, in den letzten Jahren massiv zurückgenommen wurden. Dort gab es in den letzten Jahren keine zusätzlichen Förderungsmittel, die haben Sie uns vor langer Zeit gestrichen. Sie haben den Hilfsmittelkatalog reduziert; und jetzt reduzieren Sie den Nationalfonds. Was das bedeutet, das wissen Sie auch. Behinderte Menschen müssen in Zukunft noch mehr an Eigenleistungen zur Beschaffung von Hilfsmitteln und Heilbehelfen beisteuern, um überhaupt ihren Lebensstandard aufrechterhalten zu können.

Wenn heute ein blinder Menschen keine finanziellen Möglichkeiten hat, sich rein beinderungsbedingte Hilfsmittel zur Ausbildung anzuschaffen, dann kann er eben nicht mehr studieren. Wenn heute eine blinde Frau beziehungsweise ein blinder Mann keinen PC mehr zur Ausübung seines Studiums finanziert bekommt, dann kann er sein Studium vergessen. Das ist in der Praxis bereits so. Ich kenne genug Studenten an der Uni Linz, die seit Jahren dafür kämpfen, daß sie ihre behinderungsbedingten Ausfälle durch entsprechende Hilfsmittel ersetzen können und diese auch finanziert bekommen. Sie bekommen die Hilfsmittel nicht. Es hat sich auch das Studium behinderter Menschen wesentlich verlängert, weil es leider an den notwendigen Rahmenbedingungen fehlt. Herr Minister! Sie nehmen diese Rahmenbedingungen sogar noch ein Stück zurück.

Ich möchte wissen, was es rechtfertigt, Herr Minister, daß zum Beispiel im Ausgleichstaxfonds die Studien- und Lehrlingsbeihilfen um 17,1 Prozent reduziert wurden. Ich möchte auch wissen, was es rechtfertigt, daß die Zuschüsse zur Existenzgründung um 33,3 Prozent zurückgenommen wurden. Ich möchte auch wissen, was es rechtfertigt, daß die Zuschüsse zu orthopädischen Behelfen, zu Blinden- und Hörbehelfen um 20 Prozent zurückgenommen wurden.

Herr Minister! Sie wissen, daß Sie durch diese Reduktionen behinderte Menschen in ihrer Existenz eingeschränkt haben. Wenn Sie sagen, das sei nicht so, dann vermute ich, daß es zum Beispiel bei den Existenzgründungsmitteln nur deshalb zu einer Reduktion gekommen ist, weil sich behinderte Menschen ohnehin ein Leben außerhalb stationärer Einrichtungen gar nicht mehr leisten können. Deshalb brauchen sie auch keine Mittel zur Existenzgründung mehr, weil das Leben außerhalb der Heime ganz einfach nicht mehr möglich ist. Mit diesen Einschnitten kann es sich beinahe niemand mehr leisten, selbstbestimmt in der eigenen Wohnung zu leben, sondern man muß wieder zurück ins Heim. Was das aber heißt und was das bedeutet, hoffe ich Ihnen nicht noch einmal sagen zu müssen. Ich habe das in den letzten Jahren schon sehr oft gesagt.

Andererseits, haben Sie, Herr Minister, jene Förderungen, die ausschließlich in Aussonderungsmaßnahmen, nämlich in stationäre Einrichtungen gehen, enorm erhöht. Für stationäre Einrichtungen haben Sie 1994 41,3 Millionen Schilling ausgegeben, für Maßnahmen zum selbstbestimmten Leben oder für ambulante Betreuungsdienste hingegen lediglich 17,3 Millionen Schilling, dies, obwohl es im 15a-Vertrag der Bundesregierung von 1993 eine Vereinbarung gibt, wonach ambulante Dienste bei der Finanzierung den stationären vorgezogen werden müssen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 96

Das wurde mit 1. 7. 1993 beschlossen. 1994 war es wieder anders. Der stationäre Bereich hat dreimal soviel erhalten wie der ambulante Bereich. Auch damit zeigen Sie ganz klar die Richtung auf: Zurück ins Heim!

Noch etwas, Herr Minister: Sie haben im Sozialbericht einen neuen Bereich erwähnt, und zwar die sogenannte Hilfsmittelberatung. Das klingt ganz gut. Ich habe mir gedacht, das ist eine neue Sache, die bringt es, und habe mir erlaubt, beim Bundessozialamt hinsichtlich dieser Hilfsmittelberatungsstelle einmal nachzufragen, weil ich eine Beratung gebraucht hätte. Da im Bericht steht, daß zum Beispiel auch über Hilfsmittel, Adressen von Vertreibern, über Reparaturstellen, über Preise von Hilfsmitteln et cetera informiert wird, und da man dort auch Prospekte anfordern kann, habe ich angerufen. Jetzt sage ich Ihnen das Ergebnis: Mir wurde bei der Hilfsmittelberatungsstelle erklärt, die Ergotherapeutin sei täglich nur von 8 bis 12 Uhr erreichbar, aber es sei trotzdem kein Problem, ich könne meine Auskunft schon haben. Ich solle – ich nenne jetzt keine Namen – bei dieser und jener Orthopädiefirma anrufen, dort würde man mir sagen, was das Hilfsmittel, das ich brauche, kostet.

Jetzt frage ich Sie, Herr Minister – ich habe nämlich bei dieser Auskunft wirklich lachen müssen –: Haben Sie jetzt sogar schon einen Vertrag mit den Bandagisten gemacht? – Da brauche ich doch nicht die Hilfsmittelberatung anzurufen, damit ich dann die Adresse vom Bandagisten bekomme, um zu erfahren, was der Rollstuhl kostet. Diese Adresse habe ich doch ohnehin! Ich bin vielmehr davon ausgegangen, daß eine Hilfsmittelberatungsstelle jene Stelle ist, wo ich völlig unverbindlich, völlig abgekoppelt von jedem Bandagisten einfach eine österreichweite Preisinformation erhalte. Dann kann ich frei entscheiden, was ich mir kaufen will. Es ist aber nicht so!

Herr Minister! Wenn Sie glauben, daß das eine vernünftige Neuerung ist, dann ist das ein Riesenirrtum! Das, was da gemacht wurde – ich habe es jetzt nur im Hilfsmittelbereich erprobt –, ist nichts anderes als eine zusätzliche Zementierung der Verträge der Bandagisten mit den Krankenkassen. (Beifall bei den Grünen.)

Aber weil das so ist und weil natürlich die Bandagisten jetzt noch mehr Macht haben und ihre Preisgestaltung selbst festlegen können und die Kosten im Hilfsmittelbereich explodieren, versuchen Sie auf der anderen Seite, unsere Leistungsansprüche zurückzunehmen. Es wird jetzt zum Beispiel diskutiert, daß für jeden Rollstuhl einheitlich nur mehr 7 000 S bezahlt werden sollen, egal was der Rollstuhl tatsächlich kostet. Wenn er mehr kostet, muß das der Betroffene selbst zahlen. Ob er es hat oder nicht, ist sein Problem. Hat er es nicht, muß er sich ins Spital legen, bis er das Geld gespart hat. Hat er es vorher schon, braucht er nicht so lange drinliegen. Das ist die Realität, Herr Minister!

Ich sage jetzt nicht irgend etwas Hypothetisches. Wenn zum Beispiel mein Rollstuhl am Wochenende kaputt ist, muß ich ins Krankenhaus gehen. Dort muß ich so lange bleiben, bis mein Rolli wieder repariert ist. Es war nämlich nicht möglich, auch nur einen einzigen Bandagisten in jeder größeren Stadt zu verpflichten, einen Sonntagsdienst einzurichten. Derzeit habe ich nicht einmal die Möglichkeit, mir vom Krankenhaus einen alten Rollstuhl, an den ich überhaupt keinen optischen Anspruch stelle, für zwei Tage auszuborgen, bis meiner wieder repariert ist. Mein Aufenthalt kostet aber das Krankenhaus in dieser Zeit 12 000 S. Das ist die Realität!

Unabhängig davon, daß es nicht lustig ist, daß der Rollstuhl kaputt ist und man sich ins Krankenhaus legen muß – das habe ich auch kundgetan –, hat mir ein Mann vom Roten Kreuz gesagt: Das ist doch nicht so tragisch, dann bleiben Sie eben bis Montag im Fauteuil sitzen. Meine Überlegung war es also, herauszufinden, was mir lieber ist: mich ins Krankenhaus zu legen oder zwei Tage daheim im Fauteuil zu sitzen.

Herr Minister! In dieser Richtung besteht seit Jahren Handlungsbedarf. Da gäbe es ein enormes Einsparungspotential, und diese Einsparung wäre gerechtfertigt, denn sie ginge nicht auf Kosten der behinderten Menschen, sondern zu Lasten der horrenden Preise der Anbieter. Aber Sie machen es umgekehrt, Sie sparen bei den Behinderten ein, anstatt dort, wo gespart werden müßte.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 97

Ich bitte Sie, Herr Minister, meine Ausführungen und einige Details zum Bereich Behinderung im Sozialbericht 1994 zu überdenken. Ich bitte Sie außerdem, in Ihrem nächsten Bericht aus der gesamten Arbeitslosenrate klar herauszufiltern, wie viele behinderte Menschen darin enthalten sind und wie viele behinderte Personen gar nicht als Begünstigte aufscheinen, weil sie nämlich noch nie gearbeitet haben – auch das liegt mir schon lange im Magen.

Herr Minister! Als begünstigte behinderte Person wird man erst eingestuft, wenn man in Arbeit steht. Wenn man keine Arbeit bekommt, wird man nie eine begünstigte behinderte Person und scheint dort auch nie auf. Auch das ist zu überlegen. Ich möchte Sie ersuchen, im Sozialbericht 1996 meine offenen Fragen bereits zu beantworten. – Danke. (Beifall bei den Grünen. )

14.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Apfelbeck gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete. Ich verweise auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung. Drei Minuten Redezeit.

14.20

Abgeordnete Ute Apfelbeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Seidinger hat in seiner Rede gesagt, Herr Dr. Haider hätte zum Neubau der steirischen Gebietskrankenkasse nicht die Wahrheit gesagt. Es sei vor langer Zeit gewesen, und der Bau sei ausgesetzt. Tatsächlich sind – ich berichtige – im Budget der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse vom 13. 3. 1996 15 Millionen Schilling Planungskosten enthalten. Das ist nicht vor langer Zeit, sondern erst vor drei Monaten gewesen.

Zweitens: Am 24. 10. 1995 hat die 9. Sitzung des Bauausschusses der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse stattgefunden, und dabei ist unter Punkt 2 die Erweiterung der Verwaltungs- und Ambulatoriumsgebäude der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse zur Beschlußfassung gestanden. Es wurde einstimmig folgender Beschluß gefaßt: Zur Erweiterung der Verwaltungs- und Ambulatoriumsgebäude der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse wird auf der Liegenschaft KG Jakomini EZ 27 Graz, Friedrichgasse, ein Neubau errichtet. Geschätzte Gesamtherstellungskosten, Schätztoleranz plus/minus 10 Prozent, des geplanten Neubaues betragen mit Stand Dezember 1998 255 970 000 S ohne Mehrwertsteuer. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.22

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.22

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist der Vorteil einer solchen Generaldebatte über die soziale Lage, daß man hier nicht nur über punktuelle Einzelthemen sprechen kann, sondern auch ein bißchen ins Grundsätzliche gehen und auf die Grundlagen der Sozialpolitik eingehen kann.

Meine Damen und Herren! Es ist kein Zufall, daß auch in dieser Debatte von den Vorrednern sehr stark das diskutiert wurde, was eigentlich heute weltweit, europaweit die zentralen Fragen sind, nämlich die Frage nach den Arbeitsplätzen, die Frage nach der sozialen Sicherheit, die Frage, wie wir Arbeit absichern können.

Meine Damen und Herren! Es ist, wie ich glaube, ganz gut, wenn wir uns gerade in einer Sozialdebatte wieder in Erinnerung rufen, daß das Fundament aller Sozialpolitik, die Basis der sozialen Sicherheit letztlich eben Arbeitsplätze, Betriebe und Produktivität sind.

Meine Damen und Herren! Wir müssen zur Kenntnis nehmen – das ist auch die Grundlage aller Reformansätze in der Sozialpolitik –, daß wir heute weltweit einen gigantischen Wettbewerb um Arbeitsplätze haben, einen Wettbewerb wie jenen etwa zwischen dem pazifischen Raum und Nordamerika. Europa versucht, sich als Standort zwischen diesen beiden dynamischen Wirt


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 98

schaftsblöcken zu positionieren. Innerhalb Europas versucht Österreich, sich ebenfalls entsprechend zu positionieren.

Dazu kommt – auch das sollte man in einer sozialpolitischen Diskussion immer wieder sagen –, daß an sich der einmal erarbeitete Wohlstand eines Landes in der Wirtschaft täglich neu erarbeitet werden muß. Das heißt, wenn die Welt in Bewegung ist, wenn ein dynamischer Prozeß der Arbeitsplatzgestaltung weltweit gegeben ist, dann müssen wir auch in der Sozialpolitik flexibel sein.

Meine Damen und Herren! Ich möchte sagen, daß weltweit über die Frage der Arbeitsplätze – ich versuche, es auf den Punkt zu bringen – eigentlich nur drei Faktoren entscheiden, und zwar die Faktoren Qualität, Flexibilität und Kosten.

Qualität reicht von der Qualität der Arbeitskräfte, sprich Qualifikation, bis hin zur Qualität der Infrastruktur.

Flexibilität umfaßt den ganzen Bogen von der Flexibilität im Arbeitszeitrecht bis hin zur Flexibilität bei Behörden und bei Anlagengenehmigungen.

Kosten erfaßt alles, angefangen von Arbeitskosten, Lohnnebenkosten bis hin zu Umweltauflagen und daraus resultierenden Umweltkosten.

Meine Damen und Herren! Wenn es aber so ist, daß das die weltweiten Standortfaktoren sind – noch einmal: Qualität, Flexibilität und Kosten –, dann müssen diese drei Kriterien bei jeder sozialpolitischen Debatte mit einbezogen werden, und zwar insbesondere deshalb, weil – ich habe drei Beispiele genannt – die Qualität der Arbeitskräfte, die Flexibilität in der Sozialgesetzgebung und natürlich auch die Kosten der Sozial- und Arbeitsrechtsysteme maßgeblich beeinflussen, ob wir Arbeitsplätze haben, ob wir Betriebe und Unternehmer haben, die bereit sind, in diesem Land noch zu investieren.

Meine Damen und Herren! Das, was ich jetzt sage, klingt vielleicht ein bißchen überspitzt: Aber bei manchen sozialpolitischen Forderungen, die man auch heute noch gehört hat, müssen wir sehr achtgeben, daß wir nicht womöglich eines Tages auf dem Papier ein schönes Sozialsystem haben, aber in der Praxis keine Arbeitsplätze mehr! Daher hat für mich Arbeitsplatzsicherung absolute Priorität, auch aus sozialpolitischer Motivation heraus. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir sollten auch in der Sozialpolitik – ich spreche das bewußt gerade in der jetzigen Debatte an, auch wenn wir heute im Rahmen einer dringlichen Anfrage noch über die Probleme der Krankenversicherung reden werden – den Mut zur Wahrheit haben und den Mut, auch Dinge auszusprechen, die jedem Einsichtigen zwar klar sind, bei denen in der politischen Debatte aber sehr oft gesagt wird: Das können wir nicht sagen, das ist schon wieder Sozialabbau, man darf den Leuten nichts wegnehmen! Was meine ich damit? Ich meine damit etwa die jetzige Diskussion über die Finanzierung der sozialen Krankenversicherung – ein wesentliches Element der sozialen Sicherheit.

Ich behaupte hier und sage es völlig frei: Im Grunde haben wir in der längerfristigen Perspektive nur drei Optionen, und zwar deshalb, weil wir eine ungeheuer starke Leistungsexplosion in der Medizin haben. Fast täglich erleben wir neue spektakuläre Leistungen. Jeder von uns will natürlich, wenn er es braucht, einen Herzschrittmacher haben, eine künstliche Hüfte haben, eine Niere transplantiert bekommen oder eine Herzklappenoperation haben, meine Damen und Herren. Das ist eine unglaubliche Leistungsexplosion, und diese werden wir nur dann bewältigen, wenn wir ehrlich genug sind, zu sagen, daß es Aufgabe der Versichertengemeinschaft ist, die Großrisken abzudecken, und es nicht Sozialabbau ist, wenn man sagt, finanzielle Kleinrisken – ich sage jetzt einmal als Beispiel: in Höhe von 35 S, 40 S, 60 S – soll der einzelne selbst übernehmen. Ich frage zum Beispiel ganz simpel: Wenn uns ein Rezept derzeit eine Rezeptgebühr von 35 S wert ist, wer kann dann ernsthaft behaupten, daß der gleiche Betrag für den Arztbesuch unsozial ist?


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 99

Wir haben derzeit bei der Rezeptgebühr schon die chronisch Kranken und die Mindestpensionisten ausgenommen. Aber heute zu behaupten, daß eine Erhöhung der Rezeptgebühr sozial, aber eine Minimalgebühr für den Arztbesuch unsozial ist, ist nicht ehrlich.

Ich komme zurück auf die drei Optionen, die wir durch den Fortschritt der Medizin haben. Erste Option: Wir finanzieren all das, was wir heute schon finanzieren, und zusätzlich den ganzen künftigen medizinischen Fortschritt. Das hieße in der längerfristigen Perspektive für den Arbeitnehmer, daß wir irgendwann einen Zustand erreichen würden, bei dem wir am Monatsersten gleich das gesamte Arbeitseinkommen an die Krankenkasse überweisen müßten. Für die Betriebe hieße das, daß wir so hohe Arbeitskosten hätten, daß wir die Arbeitsplätze nicht mehr erhalten könnten. Das ist also eine Option, die niemand haben will.

Es gibt theoretisch eine zweite Option, nämlich zu sagen, wir finanzieren den ganzen teuren Fortschritt nicht. Das wäre die klassische Zweiklassenmedizin, und diese wollen wir auch nicht.

Wenn wir aber die Varianten eins und zwei nicht wollen, weil wir weder die Arbeitsplätze gefährden noch unser Einkommen irgendwann einmal am Monatsersten der Krankenkasse überweisen und auch keine Zweiklassenmedizin haben wollen, dann gibt es denklogisch nur eine Variante, nämlich zu sagen: Wir finanzieren natürlich den ganzen medizinischen Fortschritt, wir wollen keine Zweiklassenmedizin, wir wollen, daß jeder die gleichen Leistungen bekommt, aber wenn wir das wollen, dann müssen wir finanzielle Kleinstrisken zur Sicherung des medizinischen Fortschritts auf den einzelnen übertragen.

Wir dürfen uns da nicht einbetonieren und sagen, das sei Sozialabbau. Das ist grotesk, meine Damen und Herren! Das ist vielmehr eine Sicherstellung der finanziellen Situation, eine Sicherstellung des sozialen und medizinischen Fortschritts, meine Damen und Herren! Seien wir doch so ehrlich, das einmal klar zu sagen! Argumentieren wir nicht demagogisch, und fürchten wir uns nicht länger davor, den Menschen die Wahrheit zu sagen! Die Menschen haben viel mehr gesunden Menschenverstand, sie haben viel mehr gesundes Empfinden, als manche – als manche, Herr Kollege – von uns glauben in der politischen Diskussion sagen zu dürfen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich nenne Ihnen noch ein Beispiel: Als Präsident Maderthaner vor vier Jahren erstmals die Finanzierung des ersten Krankenstandstags zur Diskussion gestellt hat, gab es ein Aufheulen. Ich halte diesen Vorschlag für viel sozialer als das, was jetzt geschieht, nämlich nach 26 Wochen mit der Krankengeldzahlung aufzuhören. (Abg. Mag. Guggenberger: Das wollen wir ja nicht!) Unsere Philosophie ist: Großrisiko abdecken, Kleinrisiko kann der einzelne übernehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir sollten den Menschen die Wahrheit sagen. Wir sollten ehrlich sein und den Menschen nicht vormachen, daß wir in Zukunft all das finanzieren können, was wir bisher finanziert haben. Mein Appell an Sie heute lautet daher: Nehmen wir diese Sozialdebatte zum Anlaß, die Dinge beim Namen zu nennen und Mut zur Wahrheit zu haben. Die Menschen vertragen die Wahrheit! (Beifall bei der ÖVP.)

14.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Haupt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.31

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! In der heutigen Debatte über den Sozialbericht 1994 wurde sehr vieles an Grundsätzlichem in den Raum gestellt.

Ich gebe Ihnen recht, Herr Kollege Stummvoll, wenn Sie meinen, daß dem österreichischen Bürger mehr Wahrheit zumutbar wäre. Ich bin immer schon ein Anhänger der Meinung gewesen, daß man den Leuten nicht mit falschen Paravents die Sicht auf das Wesentliche und auf das Tatsächliche verstellen soll. Ich möchte daher den Kollegen Seidinger bitten, sich in einer ruhigen Minute zu überlegen, ob die Forderung nach einem Selbstbehalt im Bereich der


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 100

Gebietskrankenkassen für ihn wirklich eine Angelegenheit ist, die nicht in Frage kommt, und zwar in einer Zeit, in der die dort Versicherten bereits eine Reihe von Selbstbehalten haben. Bei Rezeptgebühren beginnend über Leistungsbeiträge bei orthopädischen Artikeln, bei der Brille, und beim Zahnersatz bis hin zu den Tageskosten in den Krankenanstalten ist die Form der Selbstbehalte in diesem Bereich doch schon längst gegeben. Sie sind Jahr für Jahr zizerlweise eingeführt worden, jedoch ohne jene Effekte zu haben, die man sich von Selbstbehalten erwarten könnte, nämlich Kostentransparenz und Verständnis für die Belange der Sozialversicherung insgesamt mitzubringen. Ich glaube, die Diskussion über diesen Bereich werden wir in der Debatte zur dringlichen Anfrage ab 16 Uhr führen.

Im Bericht über die soziale Lage 1994 steht in jenem Kapitel, in welchem es um Sozialversicherungen und um Krankenanstalten geht, deutlich zu lesen, daß im Berichtszeitraum 1988 bis 1994 in den Krankenanstalten, die dem KRAZAF unterlagen, bei den Ärzten eine 36prozentige Zunahme, beim Pflege- und Pflegehilfspersonal eine 33prozentige und 31prozentige Zunahme und beim Verwaltungspersonal eine 44prozentige Zunahme zu verzeichnen waren.

Ich sage das deswegen so deutlich, weil ich meine, daß die Krankenanstalten weder ein Hotel noch ein Verwaltungsapparat sind, sondern eigentlich dazu dienen sollten, was ihre ureigenste und originäre Aufgabe ist, nämlich die Österreicher wieder gesund zu machen.

Ich glaube daher, sehr geehrter Herr Bundesminister, daß deutlich und klar festzustellen wäre, daß außerhalb des KRAZAF-Bereichs die Verwaltungsanteile bei jenen, die sich auf dem relativ freien Markt, der im beschränkten Maß unter allen Nachsichten eines freien Marktes vorhanden ist, bewegen, geringer sind. Dort muß man dreimal, viermal überlegen, was man an Verwaltungspersonal braucht, in welcher Form und in welcher Größe. Doch dort, wo überwiegend der Staat der Dienstgeber ist, nämlich bei den Ländern, bei den Gemeinden und beim Bund, sind die Zahlen, die für jeden im Sozialbericht nachzulesen sind, unbestreitbar hoch.

Herr Kollege Öllinger und Herr Kollege Seidinger! Sie haben sich mit der Diktion des Dr. Haider im Zusammenhang mit dem Vergleich der Ausländer mit den Inländern hier beschäftigt und meinten, daß das, was hier in dieser Hinsicht in den Raum gestellt wurde, zu dürr und zu simpel ist. Ich darf Sie diesbezüglich auf Seite 41 des Berichtes über die soziale Lage 1994 verweisen. Da steht folgendes:

"Gemäß der Bevölkerungsfortschreibung 1995 stand einer ausländischen Wohnbevölkerung von 713 000 eine Zahl von ca. 384 000 ÖsterreicherInnen im Ausland gegenüber. Die meisten davon lebten in Deutschland (185 000), Australien (30 000), der Schweiz (29 000), Brasilien (22 000), den USA (21 000), Südafrika (17 000), Argentinien (15 000) und Kanada (8 000).

Von den ÖsterreicherInnen im Ausland hatten 1994 89 000 in Deutschland und 31 000 in der Schweiz ein aufrechtes Dienstverhältnis."

Ich möchte jetzt von Ihnen wissen, worin der Unterschied zwischen der Aussage des Dr. Haider bei der Gegenüberstellung und dieser offiziellen Aussage im Sozialbericht besteht. Dieser Sozialbericht ist zugegebenermaßen ausgezeichnet und bildet eine wirklich gute Arbeitsgrundlage für alle, die in diesem Bereich tätig sind. Es sind darin viele Daten zu finden. Also der Unterschied ist lediglich in der Aufgliederung, nämlich in welchen Ländern Österreicher sind, und in sonst nichts zu finden.

Ich glaube daher, daß es auch in der Diskussion durchaus angemessen wäre, wenn man sich selbst in den eigenen offiziellen Publikationen keiner anderen Diskussionsgrundlage befleißigt. Man soll jenen, die bei einer beschränkten Redezeit mit den gleichen Zahlen dasselbe sagen, nicht eine Simplifizierung vorwerfen und damit unterstellen, zur Verunsicherung der Bevölkerung beizutragen. Ich halte es schlichtweg für unmoralisch, daß man hier mit zweierlei Maß mißt. (Beifall bei den Freiheitlichen.) In einem Bericht, der ein wenig mehr als 340 Seiten umfaßt, ist genug Platz, um in entsprechender Form auch das aufzunehmen, wofür man dem anderen immer unseriöse Verunsicherungspolitik vorwirft.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 101

Nur ein paar Bemerkungen zur "guten sozialen Lage", von der in diesem Bericht die Rede ist. Ich glaube, man sollte sich schon einmal vor Augen führen, wie sich die Arbeitslosigkeit und die Armut im Berichtszeitraum entwickelt haben.

Zum Thema Armut: Die Armutskonferenz 1995 berichtet: Je nach Berechnungsmethode leben im reichen Land Österreich zwischen 700 000 und 1,5 Millionen Menschen an der Armutsgrenze. – Das, sehr geehrte Damen und Herren, sind die Beispiele! Davon sind 50 Prozent der Haushalte mit einem Alleinverdiener und zwei Kindern, aber auch rund 70 000 Besitzer von Kleinbetrieben betroffen. Dann kommt die Ausführung, wer armutsgefährdet ist. Als armutsgefährdet wird bezeichnet, wer ein um mindestens die Hälfte geringeres Pro-Kopf-Einkommen als ein Durchschnittshaushalt hat. 1994 standen diesen Personen pro Kopf und Monat nicht mehr als 6 000 S zur Verfügung. – Soweit der Bericht.

Ich glaube nicht, daß wir daran irgend etwas beschönigen müssen, und wir brauchen daran auch nichts schlechter machen. Es war damals die Situation deutlich besser. Es hat in Österreich damals noch zunehmende unselbständige Beschäftigung gegeben; von dieser sind wir heute leider weit entfernt. Netto sind 37 000 Arbeitsplätze verlorengegangen. Die Insolvenzzahlen, die damals für das gesamte Jahr 1993 ausgewiesen wurden, haben wir zu 82 Prozent – zu 82 Prozent! – in den ersten fünf Monaten des heurigen Jahres erreicht. Sie können diese Zahlen selbst nachlesen, sie werden von den Dienststellen des Bundes publiziert.

Von den 50 000 Arbeitsplätzen mehr ist nichts als die Ankündigung übriggeblieben. Ich gebe dem Kollegen Stummvoll durchaus recht, wenn er meint, daß wir in dieser Situation endlich einmal darangehen sollten, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Leute wieder bereit sind, Arbeitsplätze zu schaffen. Wir sollten nicht politische Reden halten und die Rahmenbedingungen von einem Monat zum anderen dramatisch verändern, sodaß keine Kontinuität gegeben ist und daher auch keine neuen Arbeitsplätze in diesem Lande geschaffen werden.

Nun zu einem Punkt, den Kollegin Haidlmayr hier releviert hat. Wir haben immer gemeint, daß es im Bereich der Pflegebedürftigen einen argen Mißbrauch bei den Heimgebühren gibt. Ich habe jetzt einen aktuellen Beweis gefunden, der nicht als freiheitliche Denunziation dargestellt werden kann, sondern der sich deutlich und klar auf eine legistische Grundlage dieser Republik stützt, nämlich auf die 165. Beilage der Stenographischen Protokolle des Salzburger Landtags von der dritten Session der XI. Gesetzgebungsperiode, die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Vw. Hofer und Blattl an den Herrn Landeshauptmannstellvertreter Buchleitner, 29 der Beilagen des Salzburger Pflegegeldgesetzes. Dort befindet sich unter der Anfrage zu Punkt 4 folgende Passage:

Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß im Jahre 1994 für Schwerstpflegebedürftige höhere Kosten anfielen als im Vorjahr, dies natürlich auch unter dem Gesichtspunkt der Abschöpfung der hohen Pflegegeldleistungen, da 80 Prozent der Heime der Landgemeinden die Bewohner zu hoch eingestuft haben. Durch diese beiden Faktoren entstand der Eindruck, daß die Heimtarife überhöht angehoben wurden. Im Jahre 1995 konnte jedem zweiten öffentlichen Heimträger – jedem zweiten öffentlichen Heimträger! – eine überhöhte Einstufung nachgewiesen werden. Die Überprüfung erfolgte in der Form, daß die durchschnittliche Jahresnettoarbeitszeit den in Rechnung gestellten Pflegezeiten gegenübergestellt wurde. Damit konnte vielen Heimen nachgewiesen werden, daß sie Pflegezeiten in Rechnung stellen, die sie mit dem bestehenden Mitarbeiterstand nie erbringen können. Darunter befanden sich auch Heime, die die Zahl der Mitarbeiterinnen um 100 Prozent erhöhen müßten. – Der sozialdemokratische Landeshauptmannstellvertreter Buchleitner im Originalton, nachzulesen in der Nummer 165 der Beilagen zum Stenographischen Protokoll des Salzburger Landtages aus der dritten Session der XI. Gesetzgebungsperiode. (Bundesminister Hums spricht mit einem Abgeordneten. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Würden Sie das Gespräch, Herr Minister, einstellen!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Das, was wir auch in bezug auf den Bereich der Pflegebedürftigen immer vermutet haben, ist nunmehr zumindest für das Bundesland Salzburg ...


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 102

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Ich bitte, die Unterbrechung zu entschuldigen. Es hat Herr Präsident Fischer schon einmal gebeten, daß man die Gespräche an der Regierungsbank etwas einschränkt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist ungeheuerlich!) Danke schön.

Bitte, Herr Abgeordneter, fahren Sie fort.

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (fortsetzend): Ich hoffe, ich habe auch Herrn Sozialminister Hums die Salzburger Situation so weit erläutert, daß er sie auch als Arbeitnehmervertreter dramatisch findet und endlich dafür sorgt, daß die Heimgebühren auf das Niveau gesenkt werden, auf welches sie tatsächlich zu senken sind. Wir wollen faire Pflegegebühren, Gebühren für Leistungen, die auch tatsächlich erbracht wurden. Es dürfen den Pfleglingen nicht um bis zu 100 Prozent höhere und darüber hinausgehende Pflegegebühren angerechnet werden, und zwar für Leistungen, die nie erbracht worden sind.

Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Vorgangsweise öffentlicher – öffentlicher! – Pflegeanstalten in diesem Bereiche betrachte ich schlicht und einfach als Schweinerei. (Abg. Dr. Ofner: Der Fachausdruck ist Betrug!) Man verzeihe mir diesen Ausdruck, aber ich glaube, daran ist nichts zu beschönigen.

Da werden tatsächlich von diesem Sozialstaat jene, die sich in ebendiesem Sozialstaat in Sicherheit, in Zufriedenheit, in heimiger Atmosphäre und in Geborgenheit befinden sollen, schamlos ausgenützt. (Abg. Dr. Ofner: Ein Betrug ist das!)

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Da besteht für Sie Handlungsbedarf. Die Salzburger haben in ihren Heimen diese Mißstände angeblich abgestellt. Ich ersuche Sie eindringlich, österreichweit da nachzufragen, da nachzustoßen. Das sind keine Lappalien, das ist ein Umgang mit den ärmsten Bürgern dieses Landes, der nicht geduldet werden kann! Ich bitte Sie eindringlich, Herr Bundesminister, werden Sie da tätig, damit wir nicht im Bericht über das Jahr 1996 noch immer lesen müssen, daß die Mißstände der Jahre 1994 und 1995 auf Kosten der Ärmsten dieser Republik weiterhin bestehen blieben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.43

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Guggenberger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.43

Abgeordneter Mag. Walter Guggenberger (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich darf mich im wesentlichen darauf beschränken, im Rahmen dieser Debatte ein paar Bemerkungen zur Behindertenpolitik in den letzten Jahren und insbesondere zu dem Antrag, den Frau Kollegin Haidlmayr hier eingebracht hat, zu machen. Ich darf ihr in einem vorweg recht geben: Behinderte Menschen haben es um vieles schwerer, in diesem Land Arbeit zu finden. Wird ein Behinderter arbeitslos, braucht er wesentlich länger als sein Arbeitskollege, um wieder einen Arbeitsplatz zu finden.

Es muß deshalb unser aller Bestreben sein, so viele Maßnahmen wie nur möglich zu setzen, um behinderte Menschen in Arbeit zu bringen.

Abgeordnete Haidlmayr hat allerdings nicht recht, wenn sie meint, daß sich neben den privaten Dienstgebern auch die Bundesdienststellen dieser Verpflichtung in schäbiger Weise entziehen würden. (Abg. Haidlmayr weist auf den Sozialbericht hin, indem sie ihn in die Höhe hält.) Einige gibt es durchaus, da gebe ich Ihnen recht. Aber Ehre, wem Ehre gebührt, und das sei auch in dieser Debatte erwähnt: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat seine Beschäftigungspflicht zu mehr als 200 Prozent erfüllt, und auch andere öffentliche Dienststellen tun es. Das muß auch einmal gesagt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt eine Reihe von Überlegungen, in vielen Punkten treffen wir uns, in anderen liegen wir beträchtlich auseinander. Auch für mich und für meine Fraktion ist die Höhe der Ausgleichstaxe im Ausmaß von 1 930 S zu niedrig. Es haben schon die Minister Geppert und Hesoun mehrmals


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 103

versucht, da eine spürbare Anhebung zu erreichen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß diese Forderung nicht mehrheitsfähig ist. Wenn Sie aber in Ihrem Antrag, Frau Kollegin Haidlmayr fordern, diese Ausgleichstaxe müsse von 1 930 S auf das durchschnittliche Bruttomonatsentgelt angehoben werden, das heißt also auf sage und schreibe 15 000 S, 16 000 S, 17 000 S im Monat (Abg. Haidlmayr nickt) , dann ist das so irreal (Abg. Haidlmayr schüttelt den Kopf) , dann ist das so weit von jeder Realisierbarkeit, daß wir dieser Ihrer Forderung leider wirklich nicht zustimmen können. Für derartige Forderungen sind wir nicht zu haben. Ja zu einer maßvollen Anhebung, und in diese Richtung würden wir auch gerne argumentieren.

Wir können uns aber vorstellen, daß man die Beschäftigungszahl, die Pflichtzahl reduziert. Sie wissen, daß derzeit Betriebe mit 25 und mehr Beschäftigten pro 25 Beschäftigte einen behinderten Dienstnehmer einstellen müssen. Werfen wir einen Blick in die Bundesrepublik Deutschland: Dort muß man schon pro 16 Dienstnehmer einen Behinderten einstellen. Das ist durchaus eine Zahl, von der ich glaube, daß wir uns daran orientieren könnten.

Es ist auch überlegenswert, die immer noch bestehende Begünstigung der Gebietskörperschaften, der öffentlichen Hand also, im Behinderteneinstellungsgesetz zu beseitigen. Diese ist durch nichts zu rechtfertigen, durch nichts zu begründen.

Es ist auch fraglich, ob die Prämien, die wir an Dienstgeber für Werkverträge, die sie mit Behindertenwerkstätten ableisten, zahlen, tatsächlich effizient sind.

Es gibt also durchaus einigen Handlungsbedarf, und wir sind dabei, darüber Überlegungen anzustellen.

Frau Kollegin Haidlmayr! Sie haben auch nicht recht, wenn Sie meinen, im Ausgleichstaxfonds hätte man in den letzten Jahren überhaupt nichts mehr ausgegeben. (Abg. Haidlmayr: Für Sondermaßnahmen!) Schauen Sie sich einmal diese Statistiken an! Ich darf Ihnen ein paar besonders bemerkenswerte Zahlen daraus nennen. In einem haben Sie aber wieder recht: Sie haben recht, daß die Zahl der Studien- und Lehrlingsbeihilfen, die aus diesem Ausgleichstaxfonds gefördert wurden, rückläufig sind. Doch dafür gibt es eine ganz einfache, plausible Erklärung: Die Zahl der Anträge ist in diesem Bereich schlicht und einfach gesunken.

Schauen Sie sich aber die Zahlen in anderen Bereichen an: Technische Arbeitshilfen: ein Plus von 108 Prozent von 1994 auf 1995. Zuschüsse zur Existenzgründung: ein Plus von 78 Prozent. Sonstige Mobilitätshilfen: ein Plus von 55 Prozent. Ich könnte noch weitere Zahlen dieser Liste anführen.

Liebe Frau Kollegin! Statt sich hier herauszustellen und selektiv ein paar Negativzahlen zu verbreiten, würde ich Sie doch einladen, auch in diesem Bereich der Wahrheit häufiger die Ehre zu geben. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Haidlmayr .)

Weil Sie den Nationalfonds angeschnitten haben, liebe Frau Kollegin Haidlmayr: Sie stellten sich hier heraus und sagten, im Nationalfonds wären 1 000 S für behinderte Menschen vorgesehen. Sie wissen doch genau, daß das überhaupt nicht stimmt.

Im Nationalfonds stehen derzeit Mittel in der Höhe von 22 Millionen Schilling zur Verfügung. Pro Jahr haben wir in den letzten Jahren durchschnittlich 15, 16, 17 Millionen Schilling ausgegeben. Das heißt, wir werden mit diesen 22 Millionen Schilling auch heuer leicht über die Runden kommen. Es wird kein Problem sein. (Abg. Haidlmayr: Und nächstes Jahr?)

Auch für nächstes Jahr sind einige Reserven da. Wir werden uns etwas einfallen lassen, ganz gewiß. Sie können sicher sein, daß wir hier der Phantasie einigen Spielraum geben werden.

Einen letzten Punkt erlauben Sie mir noch anzuschneiden. Kollege Peter hat, bezogen auf den Kündigungsschutz, gemeint, der behinderten Arbeitnehmern eingeräumte Kündigungsschutz sei ein Einstellungshindernis, dieser würde die Betriebe veranlassen, keine Behinderten zu beschäftigen. Ich darf da ein wenig aus der Schule der Praxis berichten; ich kann als Leiter


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 104

eines Bundessozialamtes – die Bundessozialämter sind bekanntlich für diese Kündigungsverfahren zuständig – einiges dazu sagen.

Wir haben in den letzten fünf Jahren in Österreich insgesamt 350 Anträge auf Kündigung von begünstigten Behinderten zu erledigen gehabt. In der weit überwiegenden Mehrheit der Fälle hat man sich innerhalb dieser Ausschüsse geeinigt. Dort sind die Sozialpartner vertreten, dort sind die Behindertenorganisationen vertreten, dort wird nicht aus Jux und Tollerei irgendein Justamentstandpunkt eingenommen, sondern es wird sehr lebensnah, es wird sehr praxisnah verwaltet und Recht gesprochen. Viele, viele Anträge sind auch gegen die Behinderten entschieden worden.

Ich meine, daß jene, die sagen: Wir können keine Behinderten anstellen, weil der Kündigungsschutz verhindert, daß wir die jemals wieder hinausbringen, das aus Selbstschutz tun. Sie täuschen das vor, sie geben das vor, weil sie überhaupt nicht daran interessiert sind, Behinderte zu beschäftigen.

Das, sehr geehrte Damen und Herren, ist leider allzuoft traurige Realität. Aber ich darf durchaus eines konzedieren: Wir sind die letzten, die mauern wollen, wir sind die letzten, die guten Argumenten nicht zugänglich sind. Ich kann mir durchaus vorstellen, daß wir auch über dieses Instrument einmal ein klärendes Gespräch mit den Behindertenorganisationen – und das ist eine ganz wichtige Anmerkung: mit den Behindertenorganisationen – und den Sozialpartnern führen.

Insgesamt sind wir bereit, auch im Bereich der behinderten Menschen weitere Verbesserungen vorzunehmen – mit Ziel und mit Augenmaß, so wie wir das auch in den vergangenen Jahren getan haben. (Beifall bei der SPÖ.)

14.52

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Motter. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.52

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich ganz kurz mit einem Thema befassen, das im Tätigkeitsbericht der Arbeitsinspektion im Kapitel B 5.2 behandelt wird, und zwar mit der Nachtarbeitszeit der Frauen.

1994 wurden laut Bericht für 3 136 Arbeitnehmerinnen Ausnahmegenehmigungen vom Nachtarbeitsverbot erteilt. 1993 waren es noch 2 578. Es geht also klar hervor, daß die Zahl der Sondergenehmigungen im Steigen begriffen ist.

Auch in jüngster Zeit wurde, wie uns allen bekannt ist, eine Ungerechtigkeit im Berufsbild der Bäckerinnen ausgeräumt. Endlich dürfen Frauen in diesem von ihnen selbst gewählten Beruf auch als gleichberechtigt arbeiten, und es ist zu hoffen, daß sie durch diese Regelung auch eine gleiche Bezahlung erfahren dürfen.

Weiters entnehme ich dem Bericht, daß die Übertretungen des Nachtarbeitsverbots von 1993 auf 1994 um 21 Prozent zugenommen haben. Das Arbeitsinspektorat stößt bei der Durchsetzung des Nachtarbeitsverbots für Frauen auf große Widerstände von seiten der Arbeitgeber, aber auch von seiten der Arbeitnehmerinnen. Wir wissen, Herr Minister, daß unser geltendes Nachtarbeitsverbotsgesetz für Frauen dem EU-Gleichheitsgrundsatz widerspricht und daß eine geschlechtsneutrale Regelung spätestens bis zum Jahr 2001 von unserer Seite zu erfolgen hat. Das heißt auch, daß wir bis 1997 der Europäischen Union eine entsprechende Vorlage zu unterbreiten haben.

Herr Minister! Ich weiß, Sie planen eine generelle Lockerung des Nachtarbeitsverbots. Sie wollen gemeinsam mit den Sozialpartnern einen Entwurf des Arbeitsgesetzes erarbeiten. Ihren Aussagen entnehme ich auch, daß ein neues Gesetz, das Arbeitnehmern wie Arbeitgebern gleichermaßen Vorteile bringen soll, ab 1. Jänner 1997 in Kraft treten soll. Herr Minister, ich


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 105

fordere Sie daher heute auf, Ihre Versprechungen wahrzumachen und nicht nur eine Ankündigungspolitik in dieser Sache zu betreiben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es geht nicht an, daß Frauen ihre Arbeitsplätze verlieren, weil sie keine Nachtarbeit verrichten dürfen, obwohl sie bereit wären, Nachtarbeit freiwillig zu leisten. Ich hoffe daher, meine Damen und Herren, daß wir hier im Hohen Haus baldigst eine entsprechende Gesetzesvorlage diskutieren dürfen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch kurz auf die Ausführungen meines Kollegen Helmut Peter zurückkommen, der sich bereits mit dem Behinderteneinstellungsgesetz beschäftigt hat. Herr Kollege Guggenberger, ich glaube, unserem Entschließungsantrag, den ich jetzt dann einbringen, werde, können Sie mit gutem Gewissen zustimmen, denn ich entnehme Ihren Ausführungen, daß das auch Ihnen ein echtes Anliegen ist.

Wir Liberalen begrüßen den im Koalitionsübereinkommen bekundeten Willen zu einer Flexibilisierung der Bestimmungen, möchten aber heute mit einem Entschließungsantrag einen sanften Druck in dieser Richtung ausüben. Aufgrund der zunehmenden Dramatik der Situation der Behinderten in unserer Arbeitswelt möchten wir, daß die derzeitige unbefriedigende Situation bald behoben wird. Wir bringen daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kier, Peter, Motter und Partner/innen betreffend die Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeit für Behinderte, eingebracht im Zuge der Debatte der 27. Nationalratssitzung 1996 zum Tagesordnungspunkt 5

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Arbeit und Soziales wird aufgefordert, bis spätestens Ende 1996 eine Vorlage zu erarbeiten, die in einer einheitlichen Gesetzesnovelle das Behinderteneinstellungsgesetz dahin gehend adaptiert, daß einerseits der zu eng gefaßte Kündigungsschutz gelockert, andererseits eine Erhöhung der Ausgleichstaxe vorgesehen wird. Gleichzeitig soll eine Anpassung der Quotenregelung an ein international übliches Niveau erfolgen."

*****

Ich bitte Sie alle, meine Damen und Herren, diesem Entschließungsantrag heute Ihre Zustimmung zu geben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.57

Abgeordnete Dr. Sonja Moser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Soziale Verträglichkeit, soziale Akzeptanz sind in Österreich keine leeren Schlagworte. Wer wirklich in Not geraten ist, dem kann geholfen werden. Augenmaß ist aber jedenfalls angesagt, und auf dem schwierigen Weg, Familie zu leben, ist gegen strukturelle Rücksichtslosigkeit zu kämpfen.

62 Prozent der österreichischen Frauen zwischen 15 und 60 sind berufstätig, und eine gut ausgebildete Frau hat ein immer enger werdendes, kleines, schmales Fenster der Lebensgestaltung, um zwischen 23 und 35 Jahren sozialrechtliche Absicherung und Karriere in die Wege zu leiten, aber auch um eine Wohnung einzurichten, einen Partner zu suchen und Kinder zu bekommen. Die rückläufigen Geburtenzahlen sprechen eine deutliche Sprache.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 106

Erlauben Sie mir, hier auch einen etwas waghalsigen Gedanken anzusprechen: Die Probleme unserer Zukunft werden nicht darin bestehen, ein noch kleineres Radio, ein noch besseres Handy oder gar eine Kaffeemaschine zu produzieren, die von sich aus erkennt, wann der Besitzer Lust auf Kaffee hat. Die Probleme, die wir in der Zukunft bewältigen müssen, sind sozialer Natur, beginnend zum Beispiel mit der Sicherung unseres Pensionssystems über die Bekämpfung der Suchtabhängigkeit von jungen Menschen, Verhinderung der Zweidrittelgesellschaft bis zu Erziehungsfragen unserer Kinder.

Kinder in ihr Leben zu begleiten gilt heute immer noch als Sache des Hausverstandes, und das Unvermögen, Konflikte partnerschaftlich auszutragen und vor allem das Wohl der Kinder nicht aus den Augen zu verlieren, wird in den wenigsten Fällen zum Anlaß genommen, fachmännische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Die seelische Not ist groß, und es ist offensichtlich, daß die katastrophalen Auswirkungen von innerfamiliären Auseinandersetzungen, über die die Medien wöchentlich berichten, nur der Gipfel des Eisberges sind. Wir müssen es bewerkstelligen, daß Familie und Berufsleben vereinbar werden, daß die Kinder in konstanten und stabilen Verhältnissen heranwachsen können und das Zusammenleben von Mann und Frau partnerschaftlich gelingt.

Darüber hinaus muß unsere Aufmerksamkeit jenen Familien zuteil werden, die besonderen Belastungen ausgesetzt sind, wie zum Beispiel Eltern mit behinderten Kindern oder auch Alleinerzieherinnen. Die Zahl von Kindern aus geschiedenen Ehen steigt, und es ist für uns eine Herausforderung, für diese zukünftige Elterngeneration schon jetzt zu sorgen, ihre Nöte zu erkennen, um diesen Nöten wirksam begegnen zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

Das, sehr geehrte Damen und Herren, sind die dringendsten offenen Fragen, auf die wir Antworten finden müssen.

Aus Statistiken und Umfragen der letzten Zeit wissen wir, daß es heute ein sehnlicher Wunsch der meisten jungen Menschen ist, ein harmonisches Familienleben zu haben. Auf der anderen Seite konfrontieren uns die täglichen Berichte in den Medien, aber auch Erzählungen aus dem unmittelbaren Bekanntenkreis und die Lebensgeschichte vieler Freunde damit, daß dieser Wunsch nur in den seltensten Fällen Wirklichkeit wird. Das ist erschreckend und läßt den Schluß zu, daß die private und die gesellschaftliche Realität nur mehr sehr schlecht in der Lage sind, Fähigkeiten für ein glückliches und zufriedenes Zusammenleben zwischen Mann und Frau zu vermitteln. Um dies zu untermalen, möchte ich hier einige Beispiele anführen.

Der Alltag einer Familie vollzieht sich heute im Spannungsfeld von Arbeit, Ausbildung, Versorgung, Wohnen, innerhäuslicher und außerhäuslicher Freizeit. Nicht immer sind die Familien in der Lage, die Spannungen auszubalancieren: Mütter beklagen zu Recht ihre zwei- und dreifache Belastung durch Haushalt, Beruf und Kindererziehung, die Väter sehen sich nicht in der Lage, am Familienleben teilzuhaben, und die Kinder finden sich nicht zurecht und können im engsten Familienkreis nicht mehr jene Vertrauensbasis aufbauen, die für ein gelungenes Erwachsenenleben unumgänglich ist.

Kinder, die aus erschöpften Familien stammen, weisen mitunter Verformungen der Persönlichkeitsentwicklung beziehungsweise psychosoziale Störungen auf.

Das Austragen von Konflikten macht vielen Familien ungeheuer große Probleme. Die Scheidung als Ausweg führt nicht selten dazu, daß den Partnern kaum noch eine vernünftige Austragung ihrer Konflikte gelingt. Dabei wird viel Porzellan zerschlagen, und die leichte Auswechselbarkeit des Partners trägt das Ihre dazu bei. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Kommunikationsmöglichkeiten und Streitkultur werden nicht gelehrt. In diesem Zusammenhang darf ich noch einmal auf das kommen, was bereits meine Vorgängerin im Familienministerium begonnen hat und was ich dann in einem Drei-Stufen-Plan angelegt habe: die Elternschule, die nichts mit Schulbankdrücken zu tun hat, deren erste Stufe – Kommunikationstraining, Streitkultur, Persönlichkeitsentwicklung et cetera – das Hineinbegleiten in eine Partnerschaft ist.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 107

Entscheidend für eine unideologische Beurteilung der Frage von Familie und Beruf ist, daß die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen wie Männer in allen Phasen des Familienzyklus als allgemeines Leitbild unserer Gesellschaft den geäußerten Bedürfnissen nicht mehr entspricht. Es steht außer Frage, daß Kinder in ihren ersten Lebensjahren ein stabiles und liebevolles Umfeld für ihre Entwicklung brauchen. Ebenso unbestritten ist, daß Kinder heutzutage aus emotionalen Gründen gewollt werden und Eltern sich Sinn und Bereicherung von einem Leben mit Kindern erwarten.

Es ist nur logisch, daß, wie die Familien- und Familienpolitikstudie 1995 von Münz-Hofer zeigt, Frauen selbst klar ihr Bedürfnis artikulieren, bewußt diese frühe Phase im Leben ihrer Kinder erziehend zu gestalten und entweder einer Teilzeitbeschäftigung nachzugehen oder sich gänzlich der Kinderbetreuung zu widmen. Vollzeiterwerb in dieser Phase des Familienzyklus entspringt oft – so die Studie – äußeren Zwängen. Aufgabe der Familienpolitik muß es daher sein, jene Rahmenbedingungen zu schaffen, welche es Müttern wie auch Vätern ermöglichen, sich den Wunsch zu erfüllen, auch Zeiten voll oder teilweise der Betreuung ihrer Kinder widmen zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

Dies ist dadurch möglich, daß einerseits die Leistung, die durch den betreuenden Elternteil erbracht wird, ideell wie materiell anerkannt wird, andererseits befriedigende Modelle der Teilzeitarbeit für Frauen und Männer forciert werden und der erfolgreiche Wiedereinstieg in das Berufsleben wesentlich erleichtert wird. Wir müssen Frauen aber auch Mut machen, sich in Beruf und Karriere hineinzutrauen, und Männern, sich um Kindererziehung und Haushalt zu kümmern.

Lassen Sie mich abschließend noch einige Worte zu einer anderen Studie aus dem Wirtschaftsforschungsinstitut, verfaßt von Alois Guger, berichten. In den Medien fanden sich seit Dezember 1995 Berichte zur Verteilungswirksamkeit von Transferleistungen des Staates und im speziellen der familienpolitischen Leistungen. Es ist mit aller Klarheit festzuhalten, daß dort nur ein sehr kleiner Teil dieser Studie wiedergegeben wurde, und das in tendenziöser Interpretation. Fettgedruckte Schlüsselaussagen wurden einfach nicht wiedergegeben, die Grundaussagen verkürzt und damit verfälscht. Die differenzierten Aussagen des Autors wurden damit einseitig.

Er hat aber deutlichst ausgeführt, daß zwei Drittel der Kinder in der oberen Hälfte der Einkommensverteilung leben und daher auch zwei Drittel der Mittel dorthin fließen. In den untersten Bereichen der Einkommensverteilung finden sich viele Pensionisten, und daher liegt der Anteil der Kinder – und entsprechend auch der Mittelströme – niedrig. Die mediale Wiedergabe verkürzte auf die Aussage, daß nur geringe Mittel in die unteren Einkommensschichten fließen. De facto sind dort aber auch viel weniger Kinder.

Ungeachtet der Mittelaufbringung belief sich die ausgeschüttete Förderung auf monatlich rund 3 900 S und im obersten Drittel auf 3 000 S pro Familie. Beim Karenzgeld wurden im untersten Einkommensdrittel pro Familie statistisch 600 S an Karenzgeld ausgezahlt, im oberen Drittel 100 S.

Betrachtet man die einzelnen Maßnahmen in Summe, so verteilen sich die Familienbeihilfen, also die Summe der ausgeschütteten Gelder, annähernd so wie die Kinder nach Einkommensschichten: Das unterste Einkommensdrittel mit 17 Prozent der Kinder und 17 Prozent Familienbeihilfe geht folgerichtig weiter in mittlere und obere Bereiche: 38,3 Prozent der Kinder erhalten 37,5 Prozent Beihilfe, und 45 Prozent der Kinder erhalten im obersten Drittel, in dem die meisten Kinder sind, 45 Prozent der Beihilfen.

Ein wichtiges Zitat will ich zum Schluß noch herausgreifen: Die Familienförderung wird eindeutig vertikal von oben nach unten umverteilt. Das oberste Einkommensdrittel zahlt 68,7 Prozent in den FLAF und erhält 42,7 Prozent der Leistungen, das mittlere Drittel bezahlt 25,7 Prozent und erhält 39 Prozent der Leistungen, das untere Drittel zahlt 5,6 Prozent und erhält 18,6 Prozent.

Das Drittel mit den höchsten Einkommen ist Nettozahler, die anderen Gruppen bis 40 000 S Bruttohaushaltseinkommen sind Nettoempfänger. Betrachtet man nur die Familien, dann sieht man, rund 90 Prozent sind Nettoempfänger im Vergleich zu den Kinderlosen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.09


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 108

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Professor Van der Bellen. Laut Computer maximale Redezeit: 26 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.09

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Im Rahmen des Sozialberichtes ist selbstverständlich viel von Verteilung der Einkommen, Verteilung der Arbeit, Verteilung von Lebenschancen die Rede, aber dazu gibt es nicht nur den Sozialbericht als Quelle, dazu gäbe es eine weitere wesentliche Studie, die im Auftrag des Nationalrates erarbeitet, diesem bis heute aber nicht zugewiesen wurde.

Diese Studie betrifft die Auswirkungen der öffentlichen Budgets, also der Einnahmen und der staatlichen Ausgaben auf die privaten Haushalte. Ich erlaube mir, hier kurz aus den Stenographischen Protokollen der XVIII. Gesetzgebungsperiode, aus der Sitzung vom 21. März 1991, zu zitieren – ich sage Ihnen dann schon, von wem die Rede ist, aber vorläufig noch nicht. Es handelte sich um die Debatte zum Budget 1991, und ein Abgeordneter sagte damals:

"Und ich glaube, es ist sicher wichtig, daß wir zur Versachlichung unserer Budgetdebatte versuchen, noch mehr Informationen auch von der Wirtschaftsforschung über die Wirkung des Staatshaushaltes zu erlangen, und ich bringe folgenden Antrag ein: (...) Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, die Erstellung einer neuen umfassenden Studie über die Wirkung der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben auf die Verteilung, Allokation und die Erfüllung öffentlicher Aufgaben im Zeitablauf und im internationalen Vergleich in Auftrag zu geben."

Der Abgeordnete setzte fort: "Ich glaube, wenn uns diese Studie bei der nächsten Debatte" – gemeint war die nächste Budgetdebatte – "zur Verfügung steht, wird es möglich sein, einige Irrtümer auszuräumen." Und das Protokoll vermerkt: "(Beifall bei ÖVP und SPÖ.)"

Der Redner war Dr. Johannes Ditz, damals Abgeordneter. Und der Antrag war ein gemeinsamer Antrag von Dr. Nowotny, SPÖ, Dr. Ditz, ÖVP, Mag. Schreiner, FPÖ und Dr. Petrovic von den Grünen über die Verteilungswirkungen des öffentlichen Sektors. Dieser Entschließungsantrag ist naturgemäß damals einstimmig in der gleichen Sitzung beschlossen worden. Das war 1991.

Der Abgeordnete Ditz hat damals gemeint, es wäre schön, wenn die Ergebnisse dieser Verteilungsstudie schon für die nächste Debatte zur Verfügung stünden – also 1992. Das war natürlich etwas kurzfristig. 1992 stand die Studie nicht zur Verfügung. Aber sie stand auch nicht 1993, nicht 1994, nicht 1995 und auch nicht für die Budgetdebatte über die Jahre 1996 und 1997 zur Verfügung – das wäre vor einigen Monaten gewesen.

Sie ist noch halb unter Verschluß, Herr Kollege Trattner. In den Zeitungen konnte man schon einiges darüber lesen, und wenn man sich bemüht, kann man sie auch bekommen. Man kann nur nie ganz sicher sein: Ist es die endgültige oder fast endgültige Fassung, wurden noch Korrekturen vorgenommen oder nicht? – Ich kann mich jedenfalls daran erinnern, daß die Abgeordnete Petrovic im Jahre 1995 bei jeder Gelegenheit den Finanzminister – damals Lacina – ermahnt hat, die Studie doch endlich zu präsentieren. Er war zum Schluß schon ganz grantig über diese ständigen Vorhalte und sagte, sie möge doch zur Kenntnis nehmen, daß die Studie unwiderruflich im Herbst 1995 – nicht einen Tag früher, aber auch nicht später – dem Parlament zugewiesen werden wird.

Das ist nun leider nicht eingetreten, und den ehemaligen Finanzminister Lacina können wir auch nicht mehr dafür prügeln.

Tatsache ist, daß die Studie tatsächlich einigermaßen zeitgerecht abgeschlossen wurde. Hier ist sie. (Der Redner zeigt eine Studie.) Sie ist datiert mit November 1995, aber man weiß nie so genau: Ist das die endgültige Fassung oder nicht? Angeblich hat das Finanzministerium angeregt, den einen oder anderen Passus noch zu ergänzen, zu korrigieren, was weiß ich.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 109

Ich bitte jedenfalls den formal nicht zuständigen Sozialminister – formal ist er nicht zuständig, denn die Studie wurde vom Finanzministerium in Auftrag gegeben und ich nehme an, auch bezahlt, aber inhaltlich muß der Sozialminister wohl an dieser Studie interessiert sein, es handelt sich immerhin um die größte Verteilungsstudie seit bald zehn Jahren, würde ich sagen –, sich dafür einzusetzen, daß diese Studie den üblichen Weg nimmt, also den Ministerrat passiert, dem Nationalrat zugewiesen wird, im Ausschuß und im Plenum diskutiert wird. Das ist nun einmal das übliche, wenn ich mich nicht sehr irre hinsichtlich der Geschäftsordnung, was mit derartigen Studien passiert. Schließlich ist es auch nichts anderes als das, was gerade mit dem Sozialbericht passiert ist. Warum die Himmelpfortgasse ein halbes Jahr sozusagen auf dieser Studie sitzt und sie dort in irgendwelchen Schubladen verstauben läßt, weiß ich nicht; findige Journalisten haben sie ohnedies in der Hand. Es wird ja nichts so Grauenhaftes drinstehen, nehme ich an, daß die Bundesregierung sie nicht hergeben will. – In diesem Sinne viel Glück, Herr Minister! (Beifall bei den Grünen.)

15.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Sophie Bauer. – Bitte sehr.

15.15

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wenn wir uns heute auch mit dem Bericht der Arbeitsinspektion aus dem Jahr 1994 befassen, so möchte ich gleich festhalten, daß eine Kontrolle nur sinnvoll sein kann, wenn diese unangemeldet erfolgt. Wenn auch immer wieder von anderen Fraktionen gefordert wird, daß die Arbeitsinspektoren nur nach Anmeldung in den Betrieb kommen dürfen, so muß ich sagen: Ich verwahre mich nach wie vor gegen diese Forderungen. (Beifall bei der SPÖ.)

Aufgrund meiner täglichen Arbeit im Betrieb konnte ich feststellen, daß eine Kontrolle ober Überwachung zum Schutz der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nur dann sinnvoll ist, wenn diese ohne Anmeldung durchgeführt wird. Wie wichtig unangemeldete Kontrollen sind, veranschaulichen folgende Beispiele. Im Jahre 1995 konnten in der Steiermark insgesamt 575 Beanstandungen bezüglich der Nichteinhaltung der Arbeitsruhe gemacht werden. Des weiteren kam es zu 3 057 Beanstandungen bezüglich der Beschäftigung von Jugendlichen. Die Feststellung dieser Mißstände war aber nur möglich, da die Kontrollen unangemeldet durchgeführt wurden.

Zur Wahrung der Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen gehört vor allem der Schutz vor Berufskrankheiten. Um dem Entstehen von Berufskrankheiten entgegenzuwirken, ist eine arbeitsmedizinische Betreuung erforderlich. Ende 1992 gab es 129 Betriebe mit mehr als 250 Arbeitnehmern ohne Betriebsarzt; Ende 1994 gab es nur mehr 34 Betriebe mit mehr als 250 Arbeitnehmern ohne Betriebsarzt. Es wurde also durch die konsequente Vorgangsweise der Arbeitsinspektion innerhalb von zwei Jahren die Zahl der nicht arbeitsmedizinisch betreuten Betriebe auf ein Drittel gesenkt. Ich hoffe aber, daß diese bald auf den Nullpunkt gebracht werden.

Seit dem 1. Jänner 1995 muß aufgrund der neuen Rechtslage auch eine Reihe von Unternehmern eine arbeitsmedizinische Betreuung einrichten, für die diese Verpflichtung bisher nicht gegolten hat. Während nämlich nach dem bis zum 31. Dezember 1994 geltenden Arbeitnehmerschutzrecht die an auswärtigen Arbeitsstellen Beschäftigten nur dann in die Beschäftigtenzahl einzurechnen waren, wenn für mehr als ein Drittel aller Arbeitnehmer eine besondere Gesundheitsgefährdung bestand, so sind nach dem neuen Arbeitnehmerschutzgesetz ausnahmslos alle Arbeitnehmer mitzuzählen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vergleicht man 1993 mit 1994, so kann man feststellen, daß die Berufskrankheiten um mehr als 20 Prozent zurückgingen. Im Berichtsjahr wurden von den Arbeitsinspektoraten den Trägern der Unfallversicherung 2 702 Anzeigen auf Verdacht einer Berufskrankheit übermittelt. Von Arbeitsinspektoren beziehungsweise Arbeitsinspektionsärzten wurden 143 Erhebungen in bezug auf Berufskrankheiten durchgeführt. Im Jahr 1993 hatten wir 779 Fälle von durch Lärm verursachten Hörschäden, im Jahr 1994 waren es zirka 589 Fälle. Dies bedeutet einen Rückgang um beinahe 200 Fällen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 110

Diese Reduzierung ist darauf zurückzuführen, daß durch die technischen Einrichtungen der Lärmpegel gesenkt wurde. Wenn der Anteil an Gehörgeschädigten auch immer noch sehr hoch ist, nämlich 53,7 Prozent, so werden diese Gehörschäden nicht nur durch das Tragen von Gehörschutz vermieden werden. Daher rate ich auch den Abgeordneten der FPÖ, die sich für eine Bestrafung von Arbeitnehmern einsetzen, wenn kein Gehörschutz getragen wird, sich eher dafür einzusetzen, daß der Lärmpegel mittels technischer Einrichtungen gesenkt wird (Beifall bei der SPÖ), denn ich kann abschätzen, was es heißt, bei großer Hitze sowie bei schwerer Arbeit mit einem Gehörschutz Leistungen erbringen zu müssen.

Abschließend möchte ich aber auch jenen Firmen danken, denen es ein Anliegen ist, gesunde Arbeitsplätze bereitzustellen und zu schaffen und die der Zusammenarbeit mit Arbeitsmedizinern und der Belegschaftsvertretung positiv gegenüberzustehen. Ich sehe den Bericht auch als Beweis dafür, daß nur eine unangemeldete Kontrolle durch die Arbeitsinspektion erfolgreich ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. Er hat das Wort.

15.22

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Der Sozialbericht aus dem Jahre 1994 wurde uns bereits Ende 1995 zur Kenntnis gebracht, und wir führen die Debatte jetzt, Mitte 1996, durch. Verursacht wurde diese Verzögerung natürlich durch die vorgezogenen Nationalratswahlen im vorigen Jahr. Der Sozialbericht war eigentlich zeitgerecht in diesem Haus, wie wir es immer angeregt hatten, dennoch wird er viel zu spät diskutiert. Daran zeigt sich, daß diese Wahlen im Prinzip nichts verändert, sondern die Probleme eher vergrößert haben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Diesen Sozialbericht betrachte ich persönlich als ein Nachschlagewerk über Zahlen und Fakten darüber, welche Gesetze beschlossen wurden, wie sich diese ausgewirkt, welche Kosten sie verursacht und welche Entwicklung sie genommen haben und wie sich die Sozialleistungen im gesamten verteilen, aber auch als ein Nachschlagwerk über die Einkommensentwicklung, die Einkommensunterschiede, die Pensionsentwicklung, die Beschäftigungsentwicklung, die Arbeitslosenentwicklung und natürlich auch darüber, ob sich die Gesetzesänderungen bewährt oder nicht bewährt haben, wo der Hebel für die Zukunft angesetzt werden sollte und wo grundlegende Reformen notwendig sind.

Sehr geehrte Damen und Herren! Heute haben wir hier eine Summe von Anträgen zu behandeln, die im Sozialausschuß vorberaten wurden und keine Zustimmung der Koalition gefunden haben. Wir haben eine steigende Arbeitslosigkeit zu verzeichnen, und es ist mir ganz einfach zu wenig und es kann auch kein Trost sein, wenn immer wieder darauf hingewiesen wird, daß wir in Österreich eine saisonbereinigte Arbeitslosenrate von 4 Prozent haben, aber im europäischen Raum, in der EU, eine Rate von 11 Prozent.

Wir haben auch ein geringes Angebot an offenen Stellen zu verzeichnen, was in der Vergangenheit nicht der Fall war. Warnende Worte von Wirtschaftsforschern, die aufzeigen, daß das Pensionssystem so nicht haltbar ist, werden anscheinend in den Wind geschlagen. Arbeitszeitmodelle werden kreiert, aber die Bundesregierung und die Sozialpartner scheinen hier ganz einfach überfordert zu sein. Wir haben es heute mit einer Welle von Frühpensionierungen zu tun, verstärkt jetzt auch noch durch das neugeschaffene Malussystem im Arbeitslosenversicherungsgesetz, welches erst im Frühjahr in diesem Hause beschlossen worden ist.

Meine Fraktion und ich selbst haben ja aufgezeigt, daß dieses Malussystem kontraproduktiv ist. Den Beweis dafür hat uns auch die Debatte zum Strukturanpassungsgesetz geliefert, als der Generalsekretär der Bundeswirtschaftskammer, Herr Stummvoll, 14 Tage nachdem dieses Malussystem hier im Hohen Hause beschlossen worden war, gesagt hat, daß dieser Malus zu überdenken sei.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 111

Sehr geehrte Damen und Herren! Gesetze im Husch-Pfusch-Verfahren zu erledigen, ohne über deren Auswirkungen nachzudenken, ist eben fatal. Bei diesem Malussystem wurde uns das deutlich vor Augen geführt. Grundlegende Reformen werden im gesamten Sozialbereich notwendig sein, vor allem bei den Pensionen, beim Arbeitsrecht, bei der Arbeitsinspektion und beim Arbeitszeitgesetz. Gleiche Voraussetzungen für im öffentlichen Dienst wie auch in der Privatwirtschaft Beschäftigte sind hier notwendig.

Wenn man sich die Bevölkerungspyramide ansieht, dann weiß man, daß in Zukunft die staatliche Vorsorge für die Pensionen in dem Ausmaß, wie es jetzt gegeben ist, nicht haltbar sein wird. Wir müssen auf andere Modelle hinarbeiten. Wir haben im Jahre 1992 ein Betriebspensionskassengesetz geschaffen, aber es wird in Österreich kaum angenommen, und die private Vorsorge wird jetzt durch die eingeschränkte Abschreibemöglichkeit weiterhin gehemmt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Eine Harmonisierung des Arbeitsrechts, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich, wird unbedingt notwendig sein. Es müssen Privilegien und Ungerechtigkeiten abgebaut werden. Es soll zu einer Angleichung der Rechte der Arbeiter an die der Angestellten kommen. Die Unterschiede bei den Krankenversicherungsbeiträgen sollen aufgehoben werden. (Abg. Koppler: Bravo, Dolinschek!) Freut mich, Herr Kollege Koppler, daß du hier meiner Meinung bist! Ich hoffe, du wirst dies auch dann bekunden, wenn wir einen diesbezüglichen Antrag im Ausschuß einbringen, und dem dann auch zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) In der Vergangenheit, Herr Kollege Koppler, war das nicht so.

Die Unterschiede bei den Krankenversicherungsbeiträgen sind gegeben – es soll auch da zu einer Angleichung kommen. Es gibt aber auch Unterschiede in gewissen Kollektivverträgen. Wir wissen, daß es heute – Kollege Koppler, das wirst auch du als Betriebsrat wissen – sehr viel Arbeitnehmer gibt, die dem Kollektivvertrag der Privatangestellten unterliegen, andere aber dem Kollektivvertrag Metall-Bergbau-Energie. Es gibt viele Arbeitnehmer, die genau die gleiche Arbeit verrichten, am selben Arbeitsplatz, an derselben Maschine, für die aber unterschiedliche Kollektivverträge gelten, und auch in diesem Sinne muß es zu einer Reform kommen. Wir müssen auf gewisse Branchen Rücksicht nehmen, und es ist sicherlich in Zukunft notwendig, dahin gehend zu wirken.

Der Herr Bundesminister für Soziales hat ja heute auch gemeint, daß gemeinsam mit der Sozialpartnerschaft im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes flexible Arbeitszeitmodelle geschaffen werden müssen – selbstverständlich! Längere Maschinenverfügbarkeit, längere durchgehende Freizeit für die Mitarbeiter, längere Durchrechnungszeiträume wären notwendig. Aber ich, der ich in Arbeitskreisen tätig bin, weiß selbst, wie schwer das möglich ist. Denn der Österreichische Gewerkschaftsbund und alle Arbeitnehmervertretungen, auch die Arbeiterkammern, plädieren für maximal 45 und für minimal 35 Stunden in der Woche. Das wird etwas zuwenig sein, um flexibel arbeiten zu können. Die Wirtschaftskammer wiederum will die wöchentliche Arbeitszeit, ohne Ausgleich des Überstundenzuschlags, auf 50 Stunden oder noch mehr hinaufsetzen. So kann es natürlich auch nicht gehen!

Zum Urlaubsgesetz möchte ich ganz kurz noch Stellung nehmen. Es soll zwar keine Verschlechterung für Arbeitnehmer geben, aber ich bin selbstverständlich dafür, daß der Urlaubsanspruch pro Monat aliquot ein Zwölftel des Jahresurlaubs ausmachen sollte. Wir sehen es ja jetzt vor allem in der Saisonbranche, daß es Schwierigkeiten gibt. Die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld wurde auf 26 Wochen erhöht. Wenn jemand vor Ablauf der 26 Wochen gekündigt wird, hat er praktisch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Wenn er um einen Tag länger beschäftigt wird, so ist der Urlaubsanspruch eines ganzen Jahres für den jeweiligen Dienstgeber fällig, was sich auch nicht gerade beschäftigungsfördernd auswirkt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Was die Arbeitslosenversicherung betrifft, so sind umgehende Reformen notwendig. Wir haben einen diesbezüglichen Antrag eingebracht. Viele Leute fristen heute ihr Leben lieber in der Arbeitslosigkeit, weil sie in Österreich vom System her bestraft werden, weil der Staat gewisse Steuerungseffekte vorsieht, die auch einen Arbeitswilligen davon abhalten, eine Beschäftigung anzunehmen, die schlechter bezahlt ist als jene, die er vorher ge


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 112

habt hat, weil er der Gefahr ausgesetzt ist, daß in Zukunft, wenn er wieder arbeitslos wird, eben nach diesem neuen Verdienst berechnet wird. So kann es ja auch nicht sein, sondern hier sollte es zu Regelungen kommen, die rückwirkend greifen, damit es für jemanden, der arbeitswillig ist, zu keinen Einschnitten kommt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Nun zur Ausländerbeschäftigung. Der Familienzuzug ist ja schon angesprochen worden. In Österreich fehlen viele Wohnungen. Wir haben für Österreicher zu wenig Wohnungen auf dem Markt, wir haben zu wenig Kindergartenplätze in Österreich, wir haben sehr wenig Lehrstellen, und wir haben zu wenig Arbeitsplätze, um noch einen weiteren Zuzug – das ist mit dieser Familienzusammenführung natürlich gekoppelt – verkraften zu können. Die österreichischen Familien werden heute durch Beitragserhöhungen, durch Selbstbehalte und durch Leistungskürzungen bestraft. Die Beitragserhöhungen haben jedoch einen Plafond in Österreich erreicht, und sie sind vor allem dann, wenn zugleich Leistungskürzungen ins Haus stehen, besonders tragisch.

Es ist also höchste Zeit, zu handeln, sehr geehrte Damen und Herren, grundlegende Reformen sind notwendig, aber kein Flickwerk. Sie sollten nicht Feuerwehr spielen, wenn der Brand bereits ausgebrochen ist, sondern Sie sollten vorher Maßnahmen setzen, damit eben kein Feuer ausbrechen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. Er hat das Wort.

15.33

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da im Zuge dieser Sozialdebatte heute auch der Bericht der Arbeitsinspektion auf der Tagesordnung steht, sei es mir erlaubt, in diesem Zusammenhang einige Anmerkungen zu machen.

Der Arbeitnehmerschutz berührt die Interessen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer gleichermaßen, sodaß dieses Thema von beiden Parteien des Arbeitsvertrages viel Verständnis voraussetzt. Es gibt nämlich, so meine ich, keinen Arbeitgeber, der Interesse daran hat, daß sein Arbeitnehmer erkrankt oder daß es zu Arbeitsunfällen in seinem Betrieb kommt.

Vor diesem Hintergrund ist der vorliegende Bericht der Arbeitsinspektion tatsächlich ein durchaus erfreulicher. Es ist nicht nur die Zahl der Arbeitsunfälle wesentlich zurückgegangen, sondern es kam auch zu weniger Übertretungen und in der Folge zu weniger Beanstandungen durch die Arbeitsinspektoren. Daraus können Sie ersehen, daß dem Arbeitnehmerschutz in den Betrieben größtes Augenmerk geschenkt wird.

Wir müssen aber aufpassen, denn Arbeitnehmerschutzgesetze sind bisweilen so umfangreich und so kompliziert, daß sie ohne Spezialseminare in der Praxis nicht umgesetzt werden können – es ist schade, daß der Herr Minister im Moment nicht da ist, aber ich hoffe, er wird es dann im Protokoll nachlesen können (Abg. Ing. Reichhold: Das glaube ich nicht!) –, und sie verleiden somit dem Arbeitgeber oft eine bewußte Auseinandersetzung mit diesem Thema. Wir haben Hunderte, ja Tausende Bestimmungen auf diesem Gebiet, die, jede für sich und einzeln, leicht umsetzbar und leicht einhaltbar wären, allein die Menge macht das Gift. Das ist das Problem.

Es ist heute für den einzelnen durchschnittlichen Arbeitgeber nicht mehr möglich, alle Bestimmungen zu kennen, geschweige denn, sie gleichzeitig nebeneinander einzuhalten. Die Summe der Bestimmungen und Überprüfungen ist es, wodurch sich die Leute heute so schwer tun. Hier liegt tatsächlich ein großes Feld von Liberalisierung und Vereinfachung vor uns, das bearbeitet werden könnte, ich fürchte nur, in diesem Zusammenhang wird eine Haftpflichtversicherung allein nicht ausreichen.

Wenn Sie den Arbeitsinspektionsbericht 1994 anschauen – mir ist das aufgefallen, denn ich habe mir das durchgeschaut –, so sehen Sie, daß der Arbeitsinspektor allein 69 Gesetze und Verordnungen zu überprüfen hat; 69 Gesetze und Verordnungen mit Tausenden und Tausen


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 113

den Bestimmungen. Der Staat muß daher meiner Meinung nach aufpassen, daß er nicht dadurch, daß er so viele Vorschriften erläßt, die es dem einzelnen nicht mehr ermöglichen, sich rechtskonform zu verhalten, seine Autorität aufgibt.

Ich darf Ihnen ein kleines Beispiel bringen: Im Gastgewerbe gilt auch für Lehrlinge die 5-Tage-Woche. Das Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz fordert, daß die zwei freien Tage aufeinanderfolgend genommen werden müssen. Weiters muß der Lehrling jeden zweiten Sonntag frei haben. So gut, so schön. Was tun Sie aber jetzt, wenn der Betrieb am Mittwoch einen Ruhetag hat? Dann bleiben nur mehr vier Arbeitstage. Somit wäre die 40stündige Arbeitszeit auf vier Tage zu verteilen. Das geht aber nicht, weil der Lehrling nur acht beziehungsweise neun Stunden beschäftigt werden darf. – Dieses Problem zu lösen, kommt der Quadratur des Kreises gleich. Und solche Beispiele gibt es mehrere.

Ich meine, wir müssen jedem Betrieb die Chance geben, sich im Schnitt anständig zu verhalten. Es darf nicht darum gehen, möglichst viele Arbeitnehmer möglichst streng zu bestrafen, sondern es geht darum, Gefahren für unsere Mitarbeiter zu beseitigen und Unfälle hintanzuhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Niemand will Kontrollen ausschließen, auch nicht, wenn sie unangemeldet sein müssen, sondern es geht darum, den Schwerpunkt ein wenig zu verlagern. Was macht es für einen Sinn, wenn man kräftig darüber streitet, ob eine viertelstündige Pause noch in die Arbeitsbereitschaft fällt oder doch Pause ist oder doch nicht Pause ist? Durch derartige Überprüfungen und Kontrollen wird man wahrscheinlich keine Gefahren vermeiden können.

Mir berichten Arbeitsinspektoren, daß sie tatsächlich Verzeichnisse anfertigen – die sie dann an das Sozialministerium weiterleiten –, worin Bestimmungen aufgelistet werden, die parallel laufen, die heute nicht mehr up to date sind und die man ersatzlos streichen könnte. Vielleicht sollte man diesem Gesichtspunkt auch Rechnung tragen, denn ich bin überzeugt davon: Da wäre ein wenig weniger in der Effektivität oft wirklich mehr.

Was wir wollen, ist, den Dienstnehmern einen sicheren und einen möglichst wenig gesundheitsgefährdenden Arbeitsplatz zu bieten. Durch die beratende Tätigkeit, wie sie das neue Arbeitsinspektionsgesetz vorsieht, wird meines Erachtens mehr erreicht als durch Kontrollen und Strafen. Nur dieser Weg ist geeignet, das Vertrauen zwischen Arbeitgebern und Behörden zu festigen, um so dem Anliegen des Arbeitnehmerschutzes nachhaltig zum Durchbruch zu verhelfen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

15.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Sie hat das Wort.

15.39

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Heute haben wir schon sehr oft von Freude über und Stolz auf die Sozialpolitik gehört. Der Herr Abgeordnete Donabauer war sogar stolz darauf, daß im Sozialbereich 699 Milliarden Schilling ausgegeben worden sind. Ich muß dazu sagen: Erstens stimmen die Zahlen nicht und zweitens muß man sich, glaube ich, schon überlegen, ob es genügt, darauf stolz zu sein, wieviel man ausgegeben hat. Ich glaube, es kommt vielmehr darauf an, wofür man es ausgegeben hat, das heißt, nicht die Quantität, sondern die Qualität soll eigentlich wirklich entscheidend sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Angesichts dessen, daß Sie erwähnt haben, wieviel ausgegeben worden ist, müssen Sie eigentlich auch einmal erkennen und zugeben, daß im gesamten Sozialbereich jahrelang Mißbrauch getrieben worden ist und ungeahnte Privilegien eingeräumt wurden.

Ich ziehe den Rechnungshofbericht heran, in dem darauf hingewiesen wird, daß bei den Gebietskrankenkassen die leitenden Funktionäre wirklich ungeheure Gehälter kassieren. So beträgt beispielsweise das durchschnittliche Monatsgehalt bei der Oberösterreichische Gebietskrankenkasse 307 000 S, bei der Burgenländischen Gebietskrankenkasse sind es "nur"


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 114

228 000 S im Monat, bei der Wiener Gebietskrankenkasse sind es 320 000 S. Also solche horrenden Beträge ... (Abg. Koppler: Wie viele Personen sind das? Das ist doch nicht für eine einzelne Person!) Eine Person bezieht das im Monat. Lesen Sie das durch! (Abg. Nürnberger: Das stimmt ja nicht!) Aber selbstverständlich! Schauen Sie sich das einmal an. (Abg. Nürnberger: Sagen Sie, wer das ist!) Ich stelle Ihnen den Rechnungshofbericht dann zur Verfügung. (Abg. Nürnberger: Das stimmt doch nicht!) Streiten Sie es nicht ab, es stimmt jedenfalls! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Nürnberger: Sagen Sie, wer!)

Solche Gehälter hat nicht einmal jemand in einem Privatbetrieb, und wenn, dann hat er die totale Verantwortung für den Umsatz, für den Verkauf, dafür, daß die Firma weiterbesteht, während bei den Sozialversicherungsanstalten, in einem praktischen geschützten Bereich, solche enormen Gehälter ausbezahlt werden. (Abg. Koppler: Sagen Sie, wie viele Personen das sind! Sagen Sie das einmal!) Sie können es dann nachher anschauen. Es ist ja eigentlich bestürzend, daß Sie das nicht wissen, Sie haben das ja auch bekommen.

Herr Minister! Da gehört gekürzt! Da sollten Sie Ihr Aufsichtsrecht wahrnehmen und den Sozialversicherungsanstalten einmal sagen, daß solche Gehälter ganz einfach nicht tragbar sind. In anderen Bereichen sind Sie ganz locker mit dem Kürzen. Heute ist neuerlich erwähnt worden – und zwar ebenfalls vom Herrn Abgeordneten Donabauer –, daß es völlig in Ordnung ist, daß man bei den Behinderten, die sich in Anstaltspflege befinden, das Taschengeld von 20 Prozent auf 10 Prozent gekürzt hat und daß einem Behinderten nur 500 S übrigbleiben. Ich erwähne es noch einmal: Ich finde, das ist wirklich der größte Skandal, den sich die große Koalition seit den Wahlen geleistet hat! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Unter diesen Behinderten befinden sich teilweise junge Leute. Die brauchen unbedingt mehr Geld als nur die 500 S. Der Herr Sozialminister sagt immer, man darf nicht sagen, daß sie das Geld brauchen, um ins Kaffeehaus zu gehen oder um sich Gewand zu kaufen, aber tatsächlich ist es so. Es gibt sehr viele Behinderte, die nichts anderes zur Verfügung haben als diese 500 S. Damit müssen sie ihre gesamte Freizeitaktivität bestreiten, davon müssen sie ihre Kleidung kaufen! Und dann redet der Herr Donabauer noch davon, daß für jemanden, der in einer Anstalt untergebracht ist, ohnehin komplett gesorgt wird, sodaß er sonst nichts mehr braucht. – Ich wünsche Ihnen, Herr Abgeordneter Donabauer, nicht, daß Sie einmal mit 500 S im Monat auskommen müssen!

Frau Dr. Moser von der Österreichischen Volkspartei hat gesagt, wer wirklich in Not geraten ist, dem wird geholfen werden. Ich kann angesichts dessen, was ich gerade gesagt habe, wirklich nur von einem Witz sprechen, den Sie hier heraußen offenbar erzählt haben. Sind 500 S, die einem behinderten Menschen im Monat bleiben, gerechtfertigt? – Ich muß wirklich sagen: Sie sollten sich für Ihre Einstellung den behinderten Menschen gegenüber schämen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie brauchen wirklich nicht stolz zu sein auf Ihre Sozialpolitik – weder von Rot noch von Schwarz. Und wenn Sie schon stolz sind, dann müssen Sie auch die Mißstände verantworten, dann müssen Sie auch für all das geradestehen, was im Sozialbereich schiefgelaufen ist, aber davon wollen Sie sich immer distanzieren. In Wirklichkeit streuen Sie den Leuten ununterbrochen Sand in die Augen.

Ihr Bundesobmann, Herr Bundeskanzler Vranitzky, ist diesbezüglich der Vorreiter, denn er hat vor den Wahlen den Leuten in einer wirklich herausragenden Weise Sand in die Augen gestreut, indem er gesagt hat, nach der Wahl würden die Sozialisten und werde die Koalition, die sich wahrscheinlich bilden wird, Tausende Arbeitsplätze schaffen. – Nichts ist geschaffen worden! Wenn Sie die Zeitungen aufschlagen, so lautet die Schlagzeile meistens, daß die Arbeitslosigkeit katastrophal hoch ist, wenngleich sie jetzt im Sommer ein bißchen reduziert worden ist. Aber im Verhältnis zum Vorjahr liegt sie immer noch bedeutend höher.

Frau Dr. Piffl, die Arbeitsmarktexpertin vom Wifo, hat festgestellt, daß wir damit rechnen müssen, daß es 1999 in Österreich noch um 64 000 Arbeitslose mehr geben wird; das entspricht einer Arbeitslosigkeit von 8,3 Prozent. Wir erleben es auch pausenlos, daß Firmen Leute kün


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 115

digen, kündigen müssen, weil sie umstrukturieren müssen, weil sie die Lohnnebenkosten nicht mehr tragen können.

Das heißt also, von einer Schaffung von Arbeitsplätzen ist überhaupt keine Rede, ganz im Gegenteil: Tausende Arbeitsplätze sind seit der Wahl verlorengegangen! Wieder einmal hat Bundeskanzler Vranitzky ein Versprechen gegeben, das er nicht eingehalten hat. Er hat von vornherein schon gewußt, daß dieses Versprechen nur ein leeres Versprechen sein wird. Er wollte ganz einfach nur die Wähler ködern, und leider Gottes ist ihm dies auch gelungen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Ich frage Sie: Wie wollen Sie angesichts dieser Beschäftigungslage, wie wollen Sie angesichts dessen, daß Experten sagen, daß es im Jahr 1999 noch um 64 000 Arbeitslose mehr geben wird, das Pensionssystem finanzieren? – Sie sagen zwar immer, das Pensionssystem ist gesichert, aber Sie sagen uns nicht, wie das geschehen soll, denn immerhin leisten ja diejenigen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, den Hauptanteil an den Kosten für die Pensionen.

Aus dem Sozialbericht geht auch hervor, daß 58,6 Milliarden Schilling im Jahr 1994 als Bundesbeitrag für die Pensionen geleistet worden sind. Die Belastungsquote ist wieder gestiegen, das heißt, auf 1 000 Beitragszahler kommen 593 Pensionisten. Vor einem Jahr waren es noch um 20 weniger. Das Verhältnis wird sich immer weiter verschlechtern.

Und angesichts all dessen fehlt von Ihnen jegliches Konzept! Bei einer Veranstaltung hat Ihr Sektionschef, der für die Pensionen zuständig ist, gesagt: Ist es bisher gegangen, so wird es in Zukunft auch gehen! Aber das ist eine Grundlage, mit der wir Freiheitliche uns sicher nicht zufriedengeben werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wir wollen, daß für die Leute, die heute in den Arbeitsprozeß eintreten oder die sich jetzt im Arbeitsprozeß befinden, sichergestellt ist, daß sie ihre Pensionen auch bekommen. Daher bitte ich Sie wirklich, uns einmal Ihr Konzept vorzulegen, und zwar nicht nur für Ihre weitere Amtszeit, für die paar Jahre noch, sondern über die Jahrtausendwende hinaus. Denn das sind Sie den Wählern schuldig, das sind Sie den Österreichern, das sind sie den arbeitenden Menschen schuldig, sehr geehrter Herr Minister!

Wissen Sie, mich stört, daß ununterbrochen nur von Stolz geredet wird, von Freude geredet wird und eine kurzsichtige Politik gemacht wird. Durch die Beweihräucherung allein geschieht überhaupt nichts, sondern man muß einmal die Fakten sehen. Man muß sich eingestehen, daß unserer Situation heute eine sehr schwierige ist. Da genügt es nicht, immer nur zu sagen, es wird schon irgendwie gehen, sondern da ist es eben notwendig, auch Visionen zu haben, wie sie seinerzeit Minister Dallinger gehabt hat. (Abg. Mag. Guggenberger: Das hat sich der Dallinger nicht verdient!) Aber von Ihnen gehen leider weder Impulse aus, noch höre ich irgend etwas von Visionen und schon gar nicht von ernstzunehmenden Programmen. Deshalb können wir dieser Sozialpolitik auch sicher nicht unsere Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Koppler. Er hat das Wort.

15.49

Abgeordneter Erhard Koppler (SPÖ): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Pablé hat in ihrer Rede zum Ausdruck gebracht und dazu den Rechnungshofbericht zitiert, daß ein leitender Angestellter zum Beispiel bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse monatlich 350 000 S verdient. (Abg. Dr. Partik-Pablé: 312 000!) Oder 312 000 S.

Frau Abgeordnete Partik-Pablé! Ich glaube, Sie können den Rechnungshofbericht nicht lesen, denn wenn Sie diesen Rechnungshofbericht genau lesen, dann sehen Sie, daß darin nichts von monatlich 312 000 S steht, sondern da steht "jährlich" drinnen. Außerdem handelt es sich nicht um einen leitenden Angestellten, sondern es handelt sich um die Obmänner der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse, die das jährlich und nicht monatlich verdienen. (Beifall bei der SPÖ.) Ich würde Sie schon ersuchen, Frau Dr. Pablé, daß Sie hier ehrlich und richtig zitieren, und ich würde Sie doch bitten, daß Sie diesen Rechnungshofbericht nicht mit Grimms Märchen verwechseln.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 116

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Haider hat in seinem Redebeitrag zum Sozialbericht (Abg. Böhacker: Verdienst du auch so wenig?) die Arbeitsinspektionen genannt und ein Beispiel eines burgenländischen Bäckers gebracht, und er hat wieder versucht, Großbetriebe, Klein- und Mittelbetriebe gegeneinander auszuspielen. Ich glaube, damit erweist er diesen Betrieben keinen guten Dienst, denn ich meine, daß es sehr wichtig ist, daß wir in Österreich Kleinbetriebe, Mittelbetriebe und Großbetriebe haben, und daß wir zu diesen Klein-, Mittel- und Großbetrieben stehen, weil wir sie brauchen. Und man darf dabei nicht vergessen, daß sehr viele Klein- und Mittelbetriebe im Sog der Großbetriebe sehr viele Geschäfte im Ausland machen und auch im Inland sehr gut damit fahren. Ich glaube, wir sollten nicht versuchen, diese Betriebe gegeneinander auszuspielen, sondern wir sollten als Abgeordnete zu diesen Betrieben stehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist heute schon öfters vorgekommen, daß wir Aussagen von freiheitlichen Abgeordneten in ihren Reden richtigstellen mußten. Wir würden die gesamte Redezeit brauchen, um all das, was hier an falschen Behauptungen vorgebracht wurde, richtigzustellen. Zum Beispiel hat Herr Abgeordneter Haider hier den Auftrag Lyocell in Heiligenkreuz angesprochen. (Abg. Dr. Haider kommt in den Saal.) Ich bin eh froh, daß du da bist. (Abg. Dr. Graf: Ganz Österreich ist froh!) Er hat behauptet, daß die VOEST-ALPINE im Zusammenhang mit diesem Auftrag 60 portugiesische Arbeitnehmer beschäftigt. Diese Aussage, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist deswegen falsch, weil die VOEST-ALPINE nur die Projektleitung und keine einzige Bauarbeit über hat und nur die Montagen liefert. (Abg. Dr. Haider: 60 Portugiesen sind dort beschäftigt!) Und jetzt erst wurden die Aufträge für die Bauarbeiten vergeben, mit denen die VOEST-ALPINE überhaupt nichts zu tun hat. (Abg. Dr. Haider: Du sollst es kritisieren!)

Außerdem: Wenn du von der VOEST-ALPINE sprichst, dann nimm dir das ÖIAG-Gesetz zur Hand und studier die Veränderungen in unserem Bereich. Dann siehst du, welche Betriebe da beteiligt sind, und dann würdest du dich besser auskennen. Deine Rede hat bewiesen, daß du dich überhaupt nicht auskennst. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Haider: Abputzen! Abputzen! Subfirmen beschäftigen im Auftrag der VOEST 60 Portugiesen!)

Wie gesagt: Die VOEST-ALPINE beschäftigt nicht 60 portugiesische Arbeiter! Die VOEST-Technologie hat das Projektmanagement über, und die Bauarbeiten führen Klein- und Mittelbetriebe durch, die du auszuspielen versucht hast gegen die Großbetriebe, Herr Abgeordneter Haider! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich eigentlich gemeldet, um zum Arbeitsinspektionsbericht 1994 und zum Tätigkeitsbericht 1994 Stellung zu nehmen, und ich möchte die Bedeutung der Arbeitsinspektoren im Hinblick auf humanitäre und unfallsichere Arbeitsplätze unterstreichen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihre Aufgaben im technischen und arbeitshygienischen Arbeitnehmerschutz sowie im Bereich des Verwendungsschutzes, wie Mutterschutz oder Arbeitsschutz sind im Bericht umfangreich dargestellt worden. Ich glaube, das kommt in diesem Bericht sehr deutlich zum Ausdruck.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zum Bericht generell festzustellen: Die geringfügige höhere Zahl an Arbeitsinspektoren – es sind nahezu 360 – hat sich mehrfach, wie ich meine, positiv ausgewirkt. Einerseits konnten neue Anforderungen, die durch den EU-Beitritt notwendig wurden, erfüllt werden und andererseits hat die höhere Anzahl an Inspektoren offensichtlich zur Disziplinierung vieler Unternehmer beigetragen.

Im Vergleich zu 1993 reduzierte sich 1994 die Zahl an Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften auf die Hälfte, und die Strafen wurden rund um ein Viertel erhöht. Diese Zahlen, meine sehr verehrten Damen und Herren, bestätigen nachdrücklich, daß die von Betriebsräten, Gewerkschaften und Arbeiterkammern geforderte Personalaufstockung bei der Arbeitsinspektion richtig war und weiterhin auch notwendig sein wird.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 117

Ich möchte, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht auf das vielfältige statistische Zahlenmaterial im Detail eingehen. Wer daran interessiert ist, kann das alles im Bericht nachlesen.

Zweifelsohne ist der Arbeitnehmerschutz in den Betrieben weiter zu verbessern. Nach wie vor passieren viel zu viele Arbeitsunfälle und leiden Arbeitnehmer an Berufserkrankungen.

Geschätzte Damen und Herren! Verschonen wir die Arbeitsinspektionen mit Sparappellen und Einschränkungen in ihrer täglichen Arbeit. Fördern und unterstützen wir ihre Autonomie, vor allem, wenn es um den unangemeldeten, jederzeitigen Zutritt zum Betrieb geht. Dieser ist im Interesse einer konsequenten Kontrolle, wie ich meine, unangetastet zu lassen.

Nach wie vor passieren, wie gesagt, viel zuviele Arbeitsunfälle und leiden Arbeitnehmer an Berufskrankheiten. Diese verursachen neben sozialem Leid enorme betriebliche und volkswirtschaftliche Kosten. Fördern wir mit unserer Unterstützung der Arbeitsinspektorate die Gesundheit der Arbeitnehmer und die Menschlichkeit in österreichischen Unternehmen. Der verschärfte Arbeitsdruck bringt unangenehme Gefahren mit sich – Menschlichkeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, bleibt leider häufig auf der Strecke. Denken wir daran, daß humanere Arbeitsbedingungen sich förderlich auf das Gesundheitswesen auswirken und damit ein wesentlicher Beitrag zur Entlastung der Krankenkassen geleistet werden kann. Diese positiven Effekte tragen ebenfalls zur Erhaltung des bekannten Wohlstandes in Österreich und zur Sicherung des sozialen Netzes bei.

In diesem Sinne, meine sehr verehrten Damen und Herren, danke ich den Beschäftigten der Arbeitsinspektion für ihre Tätigkeit und ermuntere sie, so weiterzumachen wie bisher, und nehme den vorliegenden Bericht wohlwollend zur Kenntnis. (Beifall bei der SPÖ.)

15.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Madl! Ich muß um 16 Uhr unterbrechen. Wollen Sie noch 3 Minuten sprechen? (Abg. Madl: Ja!) – Bitte sehr, dann haben Sie das Wort.

15.57

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Heute hat eine Abgeordnete dieses Hauses, und zwar die Frau Abgeordnete Reitsamer, einen Satz geprägt, der überhaupt für die Arbeit dieser Regierung treffend war. Nach der Rede unseres Klubobmannes Dr. Haider hat sie gesagt: Herr Dr. Haider! Wir diskutieren ja nicht über zukünftige Perspektiven, sondern über den Bericht 1994. – Also das war ein "Hammer" für mich heute, das hat mich direkt aufgeschreckt, und ich habe mir gedacht, das ist ja das Problem, das wir hier in diesem Haus haben, nämlich daß wir eine Regierung haben, die keine Visionen mehr hat, die aus den Erfahrungen der letzten Jahre, so spät sie sie auch gemacht hat, keine Konsequenzen zieht, die nichts bewegt, die für die Zukunft nicht plant! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Abgeordnete Reitsamer gibt das hier auch noch laut und deutlich zu Protokoll. Das ist für mich etwas sehr Schönes.

Dieser Sozialbericht 1994 ist nicht einmal Schnee von gestern, sondern Schnee von vorgestern. Seither hat es beträchtliche Verschlechterungen, was die soziale Lage oder auch die Arbeitsmarktlage betrifft, gegeben. Ich zitiere hier aus einer Presseinformation aus Ihrem Ministerium, Herr Minister, die vom Mai stammt: Weiterhin eine Abnahme der Zahl an Beschäftigten und eine Zunahme der Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vorjahr, gegenüber 1995. – Und wir wollen heute über 1994 diskutieren, und dann kommt jemand her und sagt: Man kann nicht über Zukunftsperspektiven diskutieren, das hat keinen Sinn, wir diskutieren jetzt über 1994! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es wird also mit dem, was Sie selbst herausgegeben haben, die weitere Abnahme der Beschäftigung gegenüber 1995 belegt. Oder: Seit Ende April sind bei den regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice 11,8 Prozent mehr Arbeitslose als 1995 vorgemerkt. Oder: Die Zahl der gemeldeten offenen Stellen ist um 22,3 Prozent geringer als 1995.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 118

Ja, Herr Minister, da muß man doch irgendwelche Konsequenzen ziehen. Da muß man doch irgendwelche Zukunftsperspektiven überlegen. Da kann man doch nicht hergehen und sagen – wie Sie, Herr Minister, das getan haben –: Unser Sozialsystem ist das beste in ganz Europa, wir sind das Aushängeschild, und dies ist eine vernünftige Weiterentwicklung.

Herr Minister! Da stehen mir ja die Haare zu Berge. Wenn Sie die Weiterentwicklung dieses Sozialsystems zwischen 1994 und 1996 als vernünftig bezeichnen, dann kenne ich mich nicht mehr aus! Nein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn wir Freiheitliche hier von Daten und Fakten sprechen, die wirklich belegbar sind, dann reden Sie, Herr Minister, von einer Verunsicherung der Bevölkerung. Man kann über gewisse Tatsachen doch nicht hinwegtäuschen. Es gibt zum Beispiel Probleme auf dem Arbeitsmarkt, Probleme bei den Lehrlingen, Probleme bei den Sozialversicherungen, Probleme bei den Frauen, Probleme bei den Familien – und Sie reden von einer vernünftigen Weiterentwicklung! Ich möchte von Ihnen, Herr Minister, wissen, was bei Ihnen "Vernunft" heißt. Das möchte ich Sie wirklich fragen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! Es ist 16 Uhr. Ich darf Sie jetzt, wie vereinbart, unterbrechen.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend "kranke" Kassen (700/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich rufe die dringliche Anfrage 700/J der Abgeordneten Dr. Pumberger und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Arbeit und Soziales auf.

Frau Abgeordnete Madl erhält wieder das Wort nach Erledigung dieser dringlichen Anfrage und den im Anschluß an die dringliche Anfrage nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung durchzuführenden Debatten und Abstimmungen.

Die dringliche Anfrage muß nicht verlesen werden, da sie bereits verteilt ist.

Die dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Die Gebarung der von SPÖ- und ÖVP-nahen Sozialpartnern beherrschten Träger der gesetzlichen Krankenversicherung hat in letzter Zeit vermehrt Anlaß zu Kritik gegeben. Dies ist deshalb umso bestürzender, weil der gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen des österreichischen Gesundheitswesens allergrößte Bedeutung zukommt.

Im Jahre 1995 hatten acht von neun Gebietskrankenkassen einen erheblichen Gebarungsabgang zu verzeichnen, wobei in Kärnten rund 350 Millionen Schilling in der Steiermark rund 430 Millionen Schilling und in Wien nahezu 700 Millionen Schilling Defizit zu verzeichnen waren. Eine Vorschau auf das laufende Jahr 1996 zeigt, daß der Abgang von nahezu 3 Milliarden Schilling im Jahr 1995 auf rund 3,6 Milliarden Schilling steigen wird. Das für 1997 prognostizierte Defizit wird nach Expertenschätzungen zwischen 5,4 und 7 Milliarden Schilling liegen. Im Hinblick auf diese Entwicklung wird vom Bundesminister für Arbeit und Soziales, den Sozialpartnern und den Funktionären der Sozialversicherungsträger als Ausweg aus der Finanzierungskrise reflexartig eine einnahmenseitige Sanierung durch eine Anhebung der Beiträge der Versicherten und eine Anhebung der Rezeptgebühren gefordert. Auch Leistungskürzungen, wie zum Beispiel eine Verkürzung der Dauer des Krankengeldes oder Einschränkungen des Leistungsangebotes für ältere Patienten, chronisch Erkrankte, Nachbetreuungs- und Rehabilitationsbedürftige, sowie die vermehrte Einführung von Selbstbehalten werden als Heilmittel angepriesen.

Obwohl sogar der sozialpartnerschaftliche Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen ein jährliches Einsparungspotential im Gesundheitsbereich von zirka 13 Milliarden Schilling ortet und die Mobilisierung von Wirtschaftlichkeitsreserven und die Optimierung der Mittel-Ziel-Relation im Zusammenhang mit der Wirksamkeit des Gesundheitssystems verlangt, ist von einem Neubeginn nichts zu bemerken.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 119

Sowohl die in Selbstverwaltung tätigen Sozialversicherungsträger als auch der zu ihrer Aufsicht berechtigte und verpflichtete Bundesminister für Arbeit und Soziales haben es seit Jahren verabsäumt, Maßnahmen zur Kostendämpfung zu setzen. In anderen Ländern gewonnene wissenschaftliche Erkenntnisse der Gesundheitsökonomie wurden – zufällig oder absichtlich – in Österreich nicht angewendet und umgesetzt.

Die hausgemachte Finanzierungskrise der Krankenkassen kann jedoch nicht mit dem Griff in die Taschen der Beitragszahler und der Steuerzahler beantwortet werden.

Es muß zunächst die Gebarung der Kassen selbst unter die Lupe genommen werden. Dabei fällt auf, daß die Sozialversicherungsträger sowohl hinsichtlich der Zahl der Bediensteten als auch hinsichtlich des allgemeinen Verwaltungsaufwandes enorme Steigerung zu verzeichnen hatten. So stieg der Verwaltungsaufwand bei der Krankenversicherung von 1992 bis 1995 von 3,186 Milliarden Schilling auf 3,724 Milliarden Schilling.

Die Entwicklung des Personalstandes seit 1988 zeigt folgendes Bild:

 

1988

1994

+/–

%

Sozialversicherung der Bauern

2 264

2 126

– 138

– 6,1

SV Bergbau

284

271

– 13

– 4,6

SV Eisenbahner

764

737

– 27

– 3,5

Pensionsversicherung Arbeiter

3 839

3 796

– 43

– 1,2

PV Angestellte

2 956

2 948

– 8

– 0,2

GKK Salzburg

547

552

+ 5

+ 0,1

GKK Niederösterreich

1 284

1 344

+ 60

+ 4,7

SV Wirtschaft

1 449

1 527

+ 78

+ 5,4

GKK Steiermark

1 171

1 243

+ 72

+ 6,1

GKK Tirol

585

622

+ 37

+ 6,3

GKK Wien

3 799

4 170

+ 371

+ 9,8

GKK Burgenland

203

228

+ 25

+ 12,3

Hauptverband

199

227

+ 28

+ 14,1

Allgem. Unfallversicherung

3 946

4 502

+ 556

+ 14,1

GKK Kärnten

518

602

+ 84

+ 16,2

GKK Oberösterreich

1 732

2 013

+ 281

+ 16,2

SV öffentl. Bedienstete

1 141

1 381

+ 240

+ 21,0

SV Notare

4

5

+ 1

+ 25,0

GKK Vorarlberg

272

347

+ 75

+ 27,8

gesamt

26 957

28 641

+ 1 688

+ 6,2


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 120

Die Darstellung zeigt, daß die hochdefizitären Gebietskrankenkassen ihren Personalstand von 1988 bis 1994 um mehr als 1 000 Mitarbeiter auf insgesamt 11 121 steigerten. Es ist offenkundig, daß hier ein erhebliches Einsparungspotential besteht.

Laut Auskunft des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger wurden nach vorläufiger Gebarung der Kassen für das Jahr 1995 insgesamt für Heilmittel und für Heilbehelfe rund 17 Milliarden Schilling verausgabt, wovon allein von der Gebietskrankenkasse Wien 3,5 Milliarden Schilling gezahlt wurden.

Der Kostenanteil der Versicherten für Heilbehelfe beträgt ab Jänner 1996 10 Prozent der tariflichen Kosten. Die bei den Gebietskrankenkassen Versicherten haben aber einen Mindestbetrag von 259 Schilling zu entrichten, wodurch bei billigeren Heilmitteln beziehungsweise Heilbehelfen der 10prozentige Anteil des Patienten weit überschritten werden kann.

Vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger werden sowohl mit der Bundesinnung der Bandagisten und Orthopädietechniker als auch mit der Bundesinnung der Orthopädieschuhmacher Gesamttarife ausgehandelt. Obwohl die Verhandlungen für Arzneimittel geringfügige Kostensenkungen nach sich zogen, räumt der Hauptverband der Bundesinnung für Orthopädieschuhmacher zum Beispiel bei Schuheinlagen Tarifanhebungen bis zu 100 Prozent ein.

Laut den für die Wiener, die Niederösterreichische und die Burgenländische Gebietskrankenkasse sowie die BVA und die Bauernkrankenkasse geltenden Vereinbarungen dürfen die im Tarif genannten Produkte in der Folge von Vertragspartnern (zum Beispiel Bandagisten, Orthopädietechnikern) der Krankenkassen gegen eine von einem praktischen Arzt ausgestellte Verordnung abgegeben werden. Vom Vertragspartner wird sodann der ausgehandelte Tarif abzüglich des vom Patienten zu tragenden Selbstbehaltes (259 S beziehungsweise 10 Prozent vom Rechnungsbetrag) rückverrechnet.

Soferne solche Behelfe beziehungsweise Hilfsmittel vom Patienten ohne Verordnung beim Fachhändler gekauft werden, kann dieser mittels Verordnungsschein durch seinen praktischen Arzt bei seiner Krankenkasse um Rückvergütung seiner Kosten ansuchen. Dies aber nur dann, sofern der Fachhändler über eine gültigen Krankenkassenvertrag verfügt.

Auffallend ist, daß von den einzelnen Krankenkassen nur ganz bestimmten Firmen einen Kassenvertrag erhalten und Firmen, welche zumindest gleichwertige Produkte anbieten und deren Produkte anerkannte Prüfzeugnisse aufweisen, nicht einbezogen werden, auch wenn sie ihre Produkte wesentlich günstiger anbieten.

Eine Gegenüberstellung der ausgehandelten Tarife mit den Einkaufspreisen zeigt, daß der Tarif vom Einkaufspreis des Fachhändlers beziehungsweise Bandagisten bis zu 1 000 Prozent abweicht.

Die Verrechnung einer Schaumgummi-Halskrawatte zeigt beispielsweise noch die Absurdität auf, daß es einen Unterschied macht, ob der Patient mittels Verordnungsschein die Halskrawatte beim Bandagisten beziehungsweise beim Apotheker bezieht oder ob er diese selbst kauft. Kauft der Patient die Halskrawatte direkt ohne Verordnung beim Bandagisten, so hat er hiefür 822 S zu bezahlen, wovon er nach Vorlage dieser Rechnung mittels Verordnungsschein von der Wiener Gebietskrankenkasse 511,20 S rückvergütet erhält. Kauft er diese beim Apotheker, betragen die Kosten hiefür 250,30 S. Das Produkt selbst kann vom Bandagisten aber um 60 S beim Erzeuger erworben werden.

Der Kassentarif für ein Paar anatomische Unterarmkrücken beträgt beispielsweise 497 S, der Einkaufspreis 115 S, im Detailverkauf können sie ohne Kassenverordnung um 319 S erworben werden.

Bemerkenswert ist auch, daß in Österreich auch Heilbehelfe ohne Prüfzeichen (Herstellung in Thailand, Pakistan, Korea) abgegeben und zum Kassentarif abgerechnet werden.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 121

In der vorstehenden Darstellung werden unseriöse Praktiken und immens überhöhte Preise für Heilbehelfe aufgezeigt. Obwohl der Bundesminister für Arbeit und Soziales bereits mit Anfrage Nummer 238/J vom 29. 2. 1996 auf diese gravierenden Mißstände zu Lasten der Beitragszahler und Patienten aufmerksam gemacht wurde, zog es der Bundesminister für Arbeit und Soziales vor, in seiner Beantwortung auf seine Unkenntnis und Unzuständigkeit im Einzelfall zu verweisen, anstatt unseriöse Absprachen und Begünstigungen abzustellen. Allein die Auslotung dieses Einsparungspotentials wäre eine weit lohnendere Aufgabe für die Aufsichtsbehörde als das Ersinnen neuer Belastungen für die Beitrags- und Steuerzahler.

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales hat es bisher unterlassen, seinen gesetzlichen Auftrag zur Ausübung der Aufsicht über die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung und den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, wie er sich aus §§ 448 ff ASVG ergibt, wahrzunehmen. Eine entsprechende aktive Ausübung des Aufsichtsrechtes hätte den besorgniserregenden finanziellen Zustand insbesondere der Gebietskrankenkassen längst zum Anlaß nehmen müssen, die offenkundige Verschwendung und den leichtfertigen Umgang mit dem Geld der Beitragszahler abzustellen und den von den sogenannten Sozialpartnern in seltener und seltsamer Einigkeit geschützten Bereich zur Ordnung zu rufen.

Die vorstehenden Ausführungen zeigen, daß seitens des Bundesministers für Arbeit und Soziales ein dringender Handlungsbedarf besteht.

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Arbeit und Soziales nachstehende

dringliche Anfrage:

1. Wie hoch war das Defizit der einzelnen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 1995?

2. Wie hoch wird das Defizit der einzelnen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung voraussichtlich im Jahre 1996 sein?

3. Welche zusätzlichen finanziellen Belastungen werden den Krankenversicherungsträgern durch den Wegfall der unechten Umsatzsteuerbefreiung erwachsen, und welche Maßnahmen werden Sie treffen, um negative Auswirkungen dieser Mehrbelastungen zu verhindern?

4. Was sind die wesentlichen ausgabenseitigen Ursachen für die besorgniserregende Entwicklung der Gebarung der Krankenversicherungsträger?

5. Welche Maßnahmen beabsichtigen Sie zur Sanierung der Gebarung der Krankenversicherungsträger im einzelnen zu treffen?

6. Planen Sie eine Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge?

Wenn ja, in welchem Ausmaß?

7. Planen Sie eine Belastung des Steuerzahlers zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung?

Wenn ja, in welchem Ausmaß und welche Steuern sollen davon betroffen werden?

Wenn ja, aufgrund welcher Überlegungen rechtfertigen Sie die Heranziehung von Steuergeldern zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherungen?

8. Welche Leistungskürzungen planen Sie im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung?

9. Aufgrund welcher Überlegungen rechtfertigen Sie die tatsächliche Verkürzung der Dauer des Krankengeldbezuges?


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 122

10. Planen Sie die Einführung weiterer Selbstbehalte in der gesetzlichen Krankenversicherung?

Wenn ja, in welchen Bereichen und in welchem Ausmaß?

Wenn ja, aufgrund welcher Überlegungen rechtfertigen Sie die Einführung von Selbstbehalten, die naturgemäß Bezieher niedriger Einkommen überproportional treffen?

11. Planen Sie eine weitere Erhöhung der gegenwärtigen Rezeptgebühr von 35 S?

Wenn ja, in welchem Ausmaß?

Wenn ja, aufgrund welcher Überlegungen rechtfertigen Sie eine Erhöhung der Rezeptgebühr, die naturgemäß Bezieher niedriger Einkommen überproportional trifft?

12. Welche sonstigen Vorstellungen haben Sie bezüglich einer Sanierung der betroffenen Gebietskrankenkassen?

13. Werden Sie Maßnahmen setzen, die eine Verminderung der Zahl der Bediensteten und des Verwaltungsaufwandes der Krankenkassenversicherungsträger bewirken werden?

Wenn ja, welche konkrete Maßnahmen werden Sie setzen?

14. Haben Sie geprüft, ob eine Zusammenlegung von Sozialversicherungsträgern zu Kosteneinsparungen führen kann?

Wenn ja, wie lautet das Ergebnis der Prüfung im einzelnen?

Wenn nein, warum nicht?

15. Haben Sie seit Ihrem Amtsantritt vor nunmehr 15 Monaten von Ihrem Aufsichtsrecht gegenüber den Krankenversicherungsträgern jemals Gebrauch gemacht?

Wenn ja, aus welchem Anlaß und in welcher Weise?

Wenn nein, warum nicht?

16. Planen Sie Änderungen hinsichtlich des Aufsichtsrechtes gegenüber den Sozialversicherungsträgern?

Wenn ja, planen Sie Änderungen bezüglich der konkreten Anwendung oder legistische Maßnahmen, und um welche Maßnahmen handelt es sich dabei im einzelnen?

17. Welche Gesamttarifverträge wurden seitens der Krankenversicherungsträger beziehungsweise des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger in den letzten fünf Jahren im Zusammenhang mit Heilmitteln und Heilbehelfen abgeschlossen?

18. Wer waren die jeweiligen Vertragspartner der Krankenversicherungsträger beziehungsweise des Hauptverbandes?

19. Wer hat seitens der Krankenversicherungsträger beziehungsweise des Hauptverbandes die jeweiligen Gesamttarifverträge abgeschlossen?

20. Wer war seitens des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mit den Verträgen und in welcher Funktion befaßt?

21. Welche der abgeschlossenen Gesamttarifverträge wurden seitens der Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in Ausübung des Aufsichtsrechtes ohne Beanstandung genehmigt und welche aus welchen Gründen nicht?

22. Haben die Krankenversicherungsträger beziehungsweise der Hauptverband die Beanstandungen in jedem Fall beachtet?


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 123

Wenn ja, inwieweit?

Wenn nein, in welchen Fällen und warum nicht?

23. Warum haben Sie in Ausübung Ihrer Aufsichtspflicht über die gesetzliche Krankenversicherung niemals bemängelt, daß bei einzelnen Firmen aufgrund eines überhöhten Tarifs mancher Produkte vom Patienten ein höherer Selbstbehalt verlangt wird, als der Abgabepreis nach der Apothekertaxe ausmacht?

24. Warum haben Sie in Ausübung Ihrer Aufsichtspflicht über die gesetzliche Krankenversicherung niemals bemängelt, daß für manche Produkte einzelner Firmen zu Lasten der Beitrags- und Steuerzahler Handelsspannen bis zu 1 000 Prozent akzeptiert werden?

25. Ist Ihnen die ARGE Orthopädie bekannt?

Wenn ja, aus welchen Personen, Firmen beziehungsweise Organisationen setzt sich die ARGE Orthopädie zusammen?

26. Mit welchen Aufgaben ist die ARGE Orthopädie seitens des Hauptverbandes betraut worden?

27. Seit wann ist Ihnen bekannt, daß der Hauptverband einen neuen Gesamttarif ausarbeitet? Welcher Einrichtungen, welcher Firmen beziehungsweise Organisationen bedient er sich hiebei?

28. Wie beurteilen Sie als Aufsichtsorgan das Auftreten der ARGE Orthopädie als Verhandlungspartner des Hauptverbandes im Hinblick auf die gegebene Personen- und Firmenverflechtung vor allem aus Sicht des freien Wettbewerbes der Anbieter und unvereinbarer Tätigkeiten?

29. Haben der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger sowie die Gebietskrankenkassen dem Forschungsinstitut für Orthopädietechnik Aufträge erteilt?

Wenn ja, welche konkreten Aufträge wurden erteilt und welche Kosten sind daraus erwachsen?

30. Wie hoch beziffern Sie den für die Patienten, Beitragszahler, Steuerzahler sowie die Krankenkassen durch überhöhte Tarife entstandenen Schaden in den letzten fünf Jahren?

31. In welcher Weise werden Sie im Rahmen Ihres Aufsichtsrechtes dafür sorgen, daß in allen Bereichen überhöhte Tarife abgesenkt, die Qualität sichergestellt und Insidergeschäfte beziehungsweise wettbewerbsverzerrende und der freien Marktwirtschaft widersprechende Verhältnisse abgestellt werden?

In formeller Hinsicht wird ersucht, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 4 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt dringlich zu beantworten.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Begründung der dringlichen Anfrage erhält Abgeordneter Dr. Pumberger das Wort. – Bitte sehr.

16.02

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche) (Der Redner kommt mit Heilbehelfen zum Rednerpult und stellt eine Tafel mit der Aufschrift: "Halskrause – Einkauf: 60 S, Verkauf: 822 S, Aufschlag: 1 270 %" vor sich auf das Pult. – Rufe: Oje! Oje! – Abg. Dr. Haider: Viel Geld, Freunde! Milliarden!): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Herr Präsident! Heute lese ich im "Kurier" einen ganz kleinen Artikel unter der Überschrift: "Ratlosigkeit über die Kassen-Finanzen". Darin steht, daß sich die Abgeordneten von Rot und Schwarz, die Vertreter des Hauptverbandes der Sozialversicherung wieder einmal geeinigt haben, nichts auszuplaudern. Sie sind nach außen hin ohne Ergebnis wieder auseinandergegangen. Das


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 124

einzige, was sie vereinbart haben, obwohl die Belastungen, die die Österreicherinnen und Österreicher jetzt in dem neuen Belastungspaket III zu erwarten haben, unmittelbar vor der Tür stehen, war, über Details Stillschweigen zu bewahren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses Stillschweigen wollen wir Freiheitliche brechen, umso dringlicher ist die freiheitliche dringliche Anfrage an den Herrn Sozialminister, denn die Österreicherinnen und Österreicher haben ein Recht darauf, zu erfahren, was ihnen an neuerlichen Belastungen bevorsteht. Wir Freiheitliche haben daher heute diese dringliche Anfrage mit 31 Detailfragen an Sie gestellt, und wir warten gespannt darauf, sie beantwortet zu bekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das Krankenkassendefizit ist niemandem mehr neu. Da es viele fette Jahre gab, in denen sie Rücklagen bilden konnten, lebten und leben die Funktionäre heute noch wie die Maden im üppigen Speck. Dort konnten sie sich suhlen, und sie suhlen sich heute noch. Aber Sie sind nicht gewillt, bei den Funktionären, bei der Kasse selbst einzusparen. Das einzige Rezept, das Sie haben, ist, Beiträge zu erhöhen, Rezeptgebühren zu erhöhen und Leistungen zu kürzen. – Dabei machen wir Freiheitliche aber sicher nicht mit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Allein die Wiener Gebietskrankenkasse steht mit minus 700 Millionen Schilling für 1996 in der Kreide. Abgeordneter Schwimmer als Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse – er sitzt zufällig neben dem Abgeordneten Höchtl, der uns auch bekannt ist aus den letzten Medienberichten – wird nicht umsonst von seinen Freunden in der ÖVP als der Zacharias der ÖVP bezeichnet, denn er ist ja mit hauptverantwortlich, daß in der Wiener Gebietskrankenkasse keine Reformen durchgezogen wurden. Er hat alles mitgetragen, und er wird auch heute Rede und Antwort stehen müssen. Ich hoffe, daß er sich auf die Rednerliste setzen läßt.

Die Krankenkasse in Oberösterreich, gerade jene Kasse, der ich schon vor einem Jahr den höchsten Personalstand von allen österreichischen Gebietskrankenkassen – mit Ausnahme von Wien, denn die schlägt sogar noch die oberösterreichische – nachgesagt habe, hat dann in einer unverschämten Art und Weise gegen mich intrigiert. Sie hat gesagt, daß ich als Vertragsarzt der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse besser den Maulkorb umgehängt kriegen sollte. (Abg. Mag. Stadler: Unglaublich!) – Unglaublich. – Sie hat gesagt, ich würde ganz gut leben von der Gebietskrankenkasse und solle daher den Mund halten. Ich solle als Obmann des Gesundheitsausschusses ausgetauscht werden, weil ich den Personalstand der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse kritisiert habe. Dabei habe ich nichts anderes gemacht, als den Rechnungshof zitiert, der diese Kritik in derselben Weise angebracht hat.

Genau jene Kassen, die den höchsten Personalstand haben, die die höchsten Personalzuwächse pro Jahr haben, genau jene Kassen sind es, die die höchsten roten Zahlen schreiben. Da gibt es doch eine Parallele, die nicht zu übersehen ist. Bevor man neue Belastungen auf die Bürger niederprasseln läßt, wäre es daher notwendig, mit der Reform der Krankenkassen bei sich selbst zu beginnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Steirische Gebietskrankenkasse baut, obwohl sie heuer mit 430 Millionen Schilling Defizit rechnen muß und das alte Gebäude noch ausreichend wäre, einen neuen Marmorpalast für ihre Funktionäre, einen Marmorpalast um 300 Millionen Schilling mit zusätzlichen Arbeitsstellen und Bürogebäuden, obwohl sie Arbeitsplätze abgebaut haben will; zumindest spricht sie davon. Gleichzeitig werden die Leistungen für die Patienten gekürzt. Das ist eine Sache, die einfach nicht mehr zusammenpaßt, und die Österreicherinnen und Österreicher werden sich das auf lange Zeit wirklich nicht gefallen lassen.

Herr Bundesminister! Da sind Sie als Ideenfinder gefordert, aber Ihre Ideen, die ich bisher wahrgenommen habe, bestanden aus nichts anderem, als eventuell die Selbstbehalte zu erhöhen, die Rezeptgebühren zu erhöhen – es war schon von einer Anhebung auf bis zu 60 S pro Medikamentenpackung die Rede –, die Krankenversicherungsbeiträge für Pensionisten zu erhöhen. Das ist das einzige, was Ihnen einfällt.

In der Wahlbewegung 1995 hat der Bundeskanzler noch gesagt, daß die Pensionisten – in einem Brief hat er sie verständigt – ja nicht schwarz oder freiheitlich wählen sollen, denn die


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 125

nehmen ihnen vieles weg. Tatsache ist, daß es genau umgekehrt ist. Gerade die Pensionisten, die chronisch Kranken, die Langzeitkranken, die sind es, die durch Ihre Gesundheitspolitik am schwersten geschädigt werden. Die müssen wir unterstützen, und diese Unterstützung finden sie bei uns Freiheitlichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie wollen auch die Krankenversicherungsbeiträge bei den Arbeitern, aber vor allem bei den Angestellten erhöhen, habe ich gehört, und ich glaube, daß das auch in den nächsten Wochen beschlossen werden wird. Sie kürzen die Leistungen, indem Sie das Krankengeld, das bisher bis zu eineinhalb Jahren ausbezahlt wurde, jetzt auf ein Jahr reduzieren. Die Rede war sogar schon von den gesetzlich vorgeschriebenen 26 Wochen Krankengeld pro Jahr. Da trifft es wieder nicht jene, die einen Kurzzeitkrankenstand brauchen, sondern jene, die schwere Verkehrsunfälle, schwere Arbeitsunfälle erlitten haben und oft einen jahrelangen Krankenstand benötigen. Gerade jene werden von dieser Maßnahme getroffen, und Sie als Sozialminister sind auch hier gefordert, das nicht einreißen zu lassen und gegen das Vorhaben der Wiener Gebietskrankenkasse, das Krankengeld nur mehr 26 Wochen auszubezahlen, entschieden einzuschreiten und es zu verhindern.

Es ist in der geplanten 53. ASVG-Novelle noch einiges an Kürzungen geplant. Die Rezepte von Wahlärzten werden nicht mehr bezahlt. Die Patienten müssen mit dem Rezept zum Chefarzt laufen, der bewilligt nicht, und dann müssen sie die hohen Preise in den Apotheken selbst bezahlen. Die Patienten, die Dauermedikamente, oft lebenswichtige Medikamente brauchen, die sozial Schwachen, die Kranken sind wieder die Draufzahler – und Sie mit Ihrer sozialdemokratischen Sozialpolitik sind wirklich einer, der bisher völlig gescheitert ist.

In den 15 Monaten – ich weiß nicht, sind es schon 18 Monate, ich glaube, es sind 15 Monate –, in denen Sie im Amt sind, haben Sie in Ihrer Mentalität als Eisenbahnergewerkschafter weitergewurschtelt. Sie tun nichts anderes, als zu beschwichtigen. Sie sagen immer: Es ist alles nicht so schlimm, es zahlt keiner drauf; die soziale Krankenversorgung ist gesichert, und niemand braucht zu fürchten, daß er zusätzlich belastet wird.

Die Österreicher wissen ganz genau, daß sie das fürchten müssen. Ich erfahre das jeden Tag in meiner Praxis, daß Medikamente nicht mehr bewilligt werden, die vom Krankenhaus, von Spezialisten verordnet werden. Der praktische Arzt, der sich Chefarzt tituliert, geht her und bewilligt das ganz einfach nicht mehr. Die Bauernkrankenkasse, Herr Kollege Donabauer, bewilligt Herzpräparate, etwa Nitropflaster für herzkranke Patienten, die von Spezialisten verordnet werden, nicht mehr. Sie als Obmann der Bauernkrankenkasse sind österreichweit hauptverantwortlich. Sie fahren mit dem dicken bauernkassenfinanzierten Dienstwagen mit Chauffeur herum (Abg. Donabauer: Ja!), und Ihre Zwangsversicherten lassen Sie im Regen stehen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Haselsteiner: Ohne Blaulicht, Herr Pumberger! – Ruf bei den Freiheitlichen: Mit Chauffeur!)

Ich verstehe überhaupt nicht, daß Kassenfunktionäre wie Dr. Schwimmer oder Herr Donabauer zugleich Abgeordnete zum Nationalrat sind, also diese beiden Funktionen ausüben. Ich glaube, daß hier eine deutliche Interessenkollision besteht, denn das ist meines Erachtens nicht vereinbar, daß Sie hier Gesetze beschließen und auf der anderen Seite die Interessen der Kasse und nicht die Interessen der Patienten vertreten, also zur Aufrechterhaltung dieser Mißwirtschaft der Krankenkasse beitragen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hier sollten Sie als Bürgervertreter agieren, und dort agieren Sie als Vertreter der Bonzen und der Funktionären, die mit dicken, fetten Dienstwagen herumfahren und denen die Patienten mittlerweile meines Erachtens schon ziemlich egal sind.

Es gäbe ja genug Einsparungsmöglichkeiten. Alleine der sozialpartnerschaftliche Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen spricht von 13 Milliarden Schilling Einsparungspotential ohne neue Mehrbelastung für die Patienten, ohne Belastung für die Österreicherinnen und Österreicher. Wenn Sie nur einmal anfingen, bei den Sozialversicherungen ordentlich zu reformieren und diese zu durchforsten, dann wäre schon sehr viel getan. Der Herr Minister hat auch schon einmal von der Zusammenlegung der Sozialversicherungen gesprochen. Es freut mich, daß Sie


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 126

einen freiheitlichen Wunsch aufgegriffen haben. Mittlerweile haben Sie ihn jedoch offensichtlich schon wieder verworfen. Aber denken Sie noch einmal darüber nach. In einer meiner Fragen habe ich auch darauf hingewiesen. Vielleicht bekommen wir heute eine Antwort darauf.

Sorgen Sie dafür, daß die Verwaltungskosten abgebaut werden. 4 Milliarden Schilling betragen allein die Verwaltungskosten – 4 000 Millionen Schilling! –, und diese Zahl ist noch immer frisiert. In den Verwaltungskosten sind nämlich die Kosten für die ärztliche Verrechnung für die 40 000 Vertragsärzte nicht enthalten, und das macht noch einmal 2 oder 3 bis 4 Milliarden Schilling aus. Die Verrechnungskosten für die Ärzte werden zu den Honoraren gezählt, aber nicht zu den Verwaltungskosten der Krankenkassen. (Abg. Dr. Haider: So ist es!) Ja, das ist wirklich wahr, Sie können ruhig danach eine tatsächliche Berichtigung machen. Ich glaube, Sie werden es sich aber sehr gut überlegen, Herr Kollege Donabauer!

Ich komme zum Kern der Sache. Sie warten schon alle gespannt darauf. Wo können wir denn einsparen? Wo sind denn große Mißstände? – Wir Freiheitlichen haben in den vergangenen Wochen schon einige Aspekte aufgezeigt. Beispielsweise bei den Heilmitteln. Heilmittel sind Medikamente, da könnten Sie ohne weiteres dafür sorgen, daß vom Hauptverband – und Sie sind ja die oberste Aufsichtsbehörde des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger –, der die Preise mit den Pharmafirmen aushandelt, europagemäße Preise ausgehandelt werden, damit wir in Österreich im Preisniveau bei Medikamenten nicht noch über dem europäischen Durchschnitt liegen. Sorgen Sie einmal dafür, daß wir über die Medikamentenmultis, über die Chemiekonzerne ordentliche Preise bekommen, denn da könnten wir schon ein paar hundert Millionen, vielleicht sogar 1 Milliarde Schilling einsparen!

Ein großer Mißstand – das ist ein Problem für sich – besteht auch bei den Heilbehelfen. Ich habe Ihnen nicht umsonst ein paar Heilbehelfe und auch ein Zetterl mitgebracht – Sie bezeichnen das auch als Taferl, aber für ein Taferl ist es ein bißchen zu wenig stark –, das Sie ruhig lesen können.

Bei den Heilbehelfen gibt es ein ganz kompliziertes System, wie die Patienten dazu kommen. Da werden Tarife ausgehandelt, Tarife zwischen dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger und der Bundesinnung der Bandagisten. Bei dieser Bundesinnung der Bandagisten sind die Hauptverhandler wieder jene, die Vertreter der großen, einflußreichen Bandagistenfirmen sind, denen es darum geht, ihren Markt zu sichern, die Generalimporteure gewisser Produkte sind, die den Markt bei verschiedendsten Produkten in Österreich beherrschen.

Das sind Firmen, die Artikel containerweise aus Thailand oder aus Korea nach Österreich importieren und diese dann ohne Prüfzeichen als solche gegen Verordnung an die Patienten abgeben. (Abg. Seidinger: Sind da Videos aus Hongkong auch dabei?) Es werden Preise ausgehandelt, Herr Kollege, die darauf ausgerichtet sind, daß die Patienten Qualitätsprodukte mit Prüfzeichen bekommen, also Produkte mit hoher Qualität. Darauf basiert der hohe Preis, aber dieser hoher Preis wird eindeutig unterlaufen, indem oft nicht das ausgeliefert wird, oft den Patienten nicht das angeboten wird, was ihnen tatsächlich zusteht.

Da wären Sie wieder gefordert, Herr Bundesminister! Da wären Sie gefordert, Ihre Aufsichtspflicht wahrzunehmen, und beim Hauptverband einmal für Ordnung zu sorgen, damit diese Mißstände abgeschafft werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich kann Ihnen dazu ein paar Beispiele aufzählen (der Redner hält vier Halskrausen in die Höhe), zum Beispiel diese Halskrausen, die Ihnen schon bekannt sind. Halskrausen sind relativ einfache Produkte. Sie werden verordnet, wenn man sich eine Halswirbelverstauchung zuzieht, bei Auffahrunfällen beispielsweise. Das kommt in Österreich pro Jahr Abertausende Male vor, und der relativ geringe Preis hiefür multipliziert sich im Laufe des Jahres auf das Vielfache, auf das Abertausendfache. Diese Halskrausen werden auf dem Markt angeboten, und die meisten Bandagistenfirmen, vor allem die Großkonzerne, die den Markt in Österreich beherrschen, kaufen diese Produkte um sage und schreibe 60 S ein! Einkaufspreis also 60 S, ausgehandelt mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger – Sie, Herr Bundesminister, als oberstes Aufsichtsorgan sind dafür verantwortlich – ist jedoch ein Preis von 822 S. Das ist hier deutlich zu


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 127

lesen. (Der Redner hebt einen Zettel in die Höhe, auf dem diese Zahlen angeführt sind.) Das ist ein Aufschlag von genau 1 270 Prozent! Viele Produzenten diversester Produkte in Österreich würden sich freuen, könnten sie nicht im privaten Bereich, sondern im halbstaatlichen oder im staatlichen Bereich arbeiten, denn da ist es nämlich möglich, solche Gewinne zu lukrieren.

Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger macht es möglich. Er macht es möglich, daß Halskrausen um 60 S um 822 S verkauft werden – anstandslos, ohne jede Prüfung dessen, wie teuer der Einkauf ist. Da gibt es welche, die etwas teurer einkaufen, aber maximal um 90 S. Wenn sich der Patient eine solche Halskrause in der Apotheke selbst kauft, zahlt er dafür 250 S. Wenn er sie sich vom Arzt verordnen läßt und zum Bandagisten geht, zahlt er allein schon einen Selbstbehalt in der Höhe von 259 S, und mehr als 600 S zahlt dann noch die Sozialversicherung dazu.

Ich selbst habe getestet, welche von diesen Halskrausen – ich habe absichtlich mehrere mitgenommen – die qualitativ beste ist. Ich habe das gemeinsam mit einem erfahrenen Orthopäden, Bandagisten gemacht. Wir haben sie abgegriffen, getestet auf ihre Stärke, und wir haben uns auf eine geeinigt, die uns beiden die qualitativ beste schien. Und genau das ist jene, die im Einkauf 60 S kostet.

Meine Damen und Herren! Wenn der Generaldirektor-Stellvertreter vom Hauptverband, über den Sie die Oberaufsicht haben, Herr Bundesminister, anläßlich der Pressekoferenz von Bundesobmann Jörg Haider behauptet, das seien minderwertige Produkte, von denen er spricht, um 60 S kaufe die niemand ein, dann muß ich sagen, ich würde jedem kleinen Bandagisten empfehlen, damit er seine Patienten gut versorgt: Kaufen Sie diese um 60 S ein! Dabei haben Sie nicht nur einen hohen Gewinn, damit haben Sie auch die Patienten bestens versorgt, und dann verkaufen Sie sie am besten privat, verkaufen Sie sie um 250 S, dann belasten Sie die Krankenkasse nicht. Sie haben selbst die guten Einnahmen, und der Patient muß um 9 S weniger bezahlen, als wenn er den Selbstbehalt in der Höhe von 259 S für ein orthopädisches Produkt bezahlen muß! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Reichhold: Wer handelt diesen Wahnsinn aus?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Beispiele dieser Art gibt es in einer Unzahl. Ich verweise beispielsweise auf die Unterarmgehstützen. Das sind auch Produkte, die in Österreich tausendfach verwendet werden. Sie kosten in der Bundesrepublik beim Fachhändler 12,70 DM – das sind grob gerechnet etwa 85 S –, bei uns kosten sie 115 S. Da ist der Unterschied noch nicht so groß. Aber der Hauptverband hat einen Preis festgelegt, wonach die Bandagisten dafür 497 S verlangen dürfen. In Deutschland kostet sie – wie gesagt – 85 S. Also da ist auch wieder eine sehr große Differenz.

Ich weiß nicht, wer Sie da beeinflußt, wer Ihre Preisverhandler, Ihre Tarifverhandler beeinflußt. Ich weiß aber sehr wohl, daß es sehr enge Verflechtungen gibt zu Leuten, die mit dem Hauptverband verhandeln, Leuten, die in der Bundesinnung der Bandagisten sitzen, zum Beispiel Vertreter der Firma Normalia. Da ist ein gewisser Herr Professor Kristen, dieser ist wieder bekannt, weil er der Ehemann der Schwester des Bundeskanzlers Vranitzky ist, welche wieder bei der Firma Normalia beteiligt ist. (Abg. Mag. Stadler: ... hat seine Schwester geheiratet!) Seine Schwester, also eine ganz nahe Verwandtschaft. (Abg. Mag. Stadler: Die Frau Kanzlerin ist mitbeteiligt an dem Unternehmen!) Die Frau Kanzlerin ist direkt daran beteiligt. Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Frau Kanzlerin als Hauptlieferantin für Schuheinlagen beispielsweise für die Wiener Gebietskrankenkasse in Zeiten wie diesen, in denen überall gespart wird, in denen Patienten Medikamente nicht mehr bewilligt werden, in denen Heilbehelfe teilweise, wenn sie bewilligt werden, in mangelhafter Qualität bewilligt werden, in denen die Ärzte so unter Druck gesetzt werden, daß sie die notwendigen Behandlungen oft nicht mehr durchführen können, wenn also diese Firma Normalia beziehungsweise deren Vertreter, Herr Professor Kristen, einen Tarifaufschlag, eine Tarifanhebung für Schuheinlagen, das Hauptprodukt der Firma Normalia der Frau Vranitzky, um 100 Prozent Aufschlag zugesagt bekommt. (Abg. Haigermoser: 100 Prozent?!)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 128

100 Prozent Tarifaufschlag! Das ist ja sonst wirklich nirgends mehr der Fall! Aber Frau Vranitzky schafft es. Ich glaube, es ist nicht übertrieben, wenn ich ihr unterstellen muß, daß ein Naheverhältnis zum sozialistisch dominierten Hauptverband besteht (Abg. Mag. Schweitzer: Jetzt wird der Hums aber unruhig!) und es sich daher viel leichter reden läßt, als wenn einer nicht so einen guten Draht dorthin hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein weiteres Beispiel sind Rollstühle. Für Rollstühle hat der Hauptverband einen Tarif zwischen 11 000 S und 13 000 S ausgemacht. Das ist für ein Qualitätsprodukt, das im Einkauf 6 000 S, 7 000 S kostet, noch akzeptierbar. Jetzt kommen die großen Bandagisten, also jene, die die Verhandlungen geführt und die Preise ausgemacht haben, und führen containerweise Rollstühle nach Österreich ein – in einem Container sind 400 Rollstühle –, containerweise überfluten sie damit den österreichischen Markt. Allesamt ohne Prüfzeichen! Diese Rollstühle werden in Thailand um 2 500 S gekauft, und ohne Prüfzeichen werden der Kasse dann 11 000 S verrechnet. Der Aufschlag macht mehrere 100 Prozent aus.

Ich frage Sie, Herr Bundesminister: Sind Ihnen diese Sachen überhaupt nicht bekannt? – Sie verwalten doch auch Krankenhäuser. Die Krankenkassen betreiben teilweise auch Krankenhäuser, dort werden auch Heilbehelfe eingekauft. Wissen Sie nicht, wie hoch die Preise in Wirklichkeit liegen? Wissen Sie nicht, wie groß die Spannen teilweise sind? Versagen Sie hier nicht offensichtlich völlig hinsichtlich der Aufsichtspflicht, die Sie wahrzunehmen haben?

Ich habe das ASVG mitgebracht und zitiere § 448 – wenn Sie es nicht wissen sollten, Herr Bundesminister –: "Die Versicherungsträger und der Hauptverband samt ihren Anstalten und Einrichtungen unterliegen der Aufsicht des Bundes. Die Aufsicht ist vom Bundesminister für Arbeit und Soziales als oberster Aufsichtsbehörde auszuüben." – Sie ist auszuüben. Es steht nicht, sie kann ausgeübt werden, sie darf ausgeübt werden, nein, sie ist auszuüben, Herr Bundesminister! Haben Sie einmal in den vergangenen 15 Monaten Ihre Aufsichtspflicht ausgeübt? Haben Sie einmal interveniert? Haben Sie einen einzigen Fall aufgedeckt? Haben Sie eine einzige Prüfung veranlaßt? – Mir ist nichts bekannt, aber ich hoffe, Sie können viele von meinen Fragen in unserem Sinne positiv beantworten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie sind als oberste Aufsichtsbehörde nicht machtlos. Das steht im § 449 ASVG. Ich lese Ihnen auch das vor: "Die Aufsichtsbehörden können in Ausübung des Aufsichtsrechtes Beschlüsse der Verwaltungskörper aufheben." – Auch das können Sie machen. Sie sind also gar nicht so machtlos. Sie brauchen sich nicht darauf zu beschränken, Herr Bundesminister, zu beschönigen, indem Sie sagen: Es ist gar nicht so schlimm, die Kassen werden sich schon wieder erholen. Wir werden den Beitrag ein bißchen erhöhen und die Leistung ein bißchen kürzen. – Sie brauchen nichts zu beschönigen. Greifen Sie bei den Sozialversicherungen ordentlich durch, legen Sie diesen Sumpf trocken, dann brauchen die Patienten nicht zusätzlich belastet zu werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich kann in der Produktpalette noch fortfahren. Es gibt beispielsweise Toilettestühle. Diese führt eine Firma praktisch für ganz Österreich aus Tschechien ein, auch aus einem Billiglohnland, auch ohne Prüfzeichen, um 400 S. Die kleinen Bandagisten können sich nicht helfen – woher sollen sie die Produkte, die in Österreich gar nicht erzeugt werden, holen? –, und daher kaufen diese Großbandagistenfirmen auch gleich für die Kleinen ein. Den Kleinen wird ein höherer Preis berechnet, denn die Großen müssen auch von etwas leben. Die Kleinen haben dann nur mehr eine ganz geringe Gewinnspanne, denn sie geben die Produkte um denselben Preis ab wie die Großen. Die Großen sanieren sich nicht nur beim Direktverkauf an die Patienten, sondern sie sanieren sich auch, indem sie den kleinen Bandagisten – das ist die Mehrzahl in Österreich – den Markt zusammenhauen und ihnen die Gewinnspanne kürzen, indem sie den Markt mit Billigprodukten dominieren, die vielfach ohne Prüfzeichen sind. – Das verurteilen wir Freiheitlichen ganz vehement! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dasselbe ist bei den schon vorher zitierten Rollstühlen der Fall. Diese Rollstühle kann kein kleiner Bandagist aus Thailand importieren. Da muß er mindestens einen Container mit 400 Stück auf einmal nehmen. Er muß also beim Großen kaufen. Der Große gibt dem Kleinen den Preis vor. Der Kleine hat nur mehr eine kleine Gewinnspanne. Diese ist gerechtfertigt. Dem


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 129

bin ich es nicht neidig, aber die Großen wollen den Markt beherrschen. Daß sie die Preise diktieren und mit dem Hauptverband verbandelt sind – der Hauptverband spielt ja überall mit –, ist zu verurteilen. Wir sind jene, die das aufzeigen, und das soll auch der Sinn der heutigen dringlichen Anfrage sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es gibt aber nicht nur bei den Heilbehelfen große Mißstände, sondern auch bei den Hilfsmitteln. Unter Hilfsmittel fallen zum Beispiel orthopädische Schuhe. Wenn orthopädische Schuhe, meine Damen und Herren, eine gute Qualität haben sollen, dann muß der Schuster einen Leisten anfertigen und Sonderanfertigungen machen, die er dann in Rechnung stellen kann. Solch ein orthopädischer Schuh ist mit sehr viel Arbeit verbunden und kann schon einmal 7 000 S, 8 000 S, 9 000 S kosten.

Vor kurzem ist eine Patientin zu mir gekommen, welche sagte: Herr Doktor, ich arbeite in einem Altersheim. Alle, die dort arbeiten, haben, weil sie sehr viel auf den Beinen sind und es großteils auch schon älteres Personal ist, Senkfüße oder Spreizfüße. Sie tragen orthopädische Schuhe. – Sie hat sich auch jetzt welche verordnen lassen.

Darauf sage ich: Daran ist ja nichts Besonderes, das steht ihnen allen zu, das ist überhaupt keine Frage. Wenn Sie Senk- oder Spreizfüße haben, wenn Sie beim Gehen Beschwerden haben, dann ist das eine Pflichtleistung der Krankenkasse, die sich nicht davor schrauben kann. Es steht Ihnen ein guter, qualitativer Schuh mit eingebauter Sohle gegen den Senk- oder Spreizfuß zu.

Nach langer Zeit kommt sie wieder und sagt: Herr Doktor, ich habe jetzt die Schuhe. Aber wenn ich gewußt hätte, was sie kosten, dann hätte ich sie gar nicht beansprucht. Ich schäme mich dafür, daß ich der Sozialversicherung wegen dieser Schuhe so viele Kosten verursacht habe.

Darauf sage ich: Zeigen Sie mir einmal die Schuhe, dann kann ich Ihnen sagen, ob sie etwas wert sind, und dann zeigen Sie mir die Rechnung, dann kann ich Ihnen sagen, ob das zusammenpaßt. – Sie sagt, sie hätte gar nicht gewußt, wie hoch der Preis ist, aber sie habe ein Schreiben von der Krankenkasse bekommen, und darin steht:

Sehr geehrte Frau Marianne E.! Wir teilen Ihnen mit, der Antrag auf Gewährung eines Hilfsmittels in Form von orthopädischen Schuhen wurde genehmigt, und wir haben die Kosten in der Höhe von – hören Sie bitte gut zu! – 10 595 S netto übernommen. Das macht dann brutto 12 714 S aus. Wir hoffen, daß wir damit einen kleinen Beitrag zur Erhaltung Ihrer Arbeitskraft leisten konnten.

Darauf sage ich: Das ist aber gut, da haben Sie einen Spezialschuh bekommen. – Dann brachte sie mir auch den Schuh, und freundlicherweise hat sie mir diesen zur Verfügung gestellt, und ich habe ihn heute mitgebracht – einen wohlgemerkt! (Der Redner zeigt einen orthopädischen Schuh.)

Das ist der Schuh mit Klettverschluß und mit eingebautem Fußbett, für den der Patientin Frau Marianne E. 12 714 S verrechnet wurden. Diese Kosten wurden von der Sozialversicherung anstandslos übernommen – anstandslos! (Abg. Mag. Schweitzer: Anstandslos ...!) Aber das betrifft nicht nur eine Person. In dieser sozialen Arbeitsstätte arbeiten zehn Personen, die zweimal pro Jahr Schuhe um einen Preis von 12 714 S bekommen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Da frage ich mich, Herr Bundesminister: Gibt es keine Prüfungen? Sind diese Preise verhandelt? Besteht irgendeine andere Möglichkeit des Irrtums? (Abg. Ing. Reichhold: Eine Verschwendung von Steuergeldern! – Abg. Dr. Haider: Deswegen wollen Sie die Beiträge erhöhen! – Abg. Mag. Schweitzer: Unglaublich!) – Sorgen Sie dafür, daß diese Mißstände abgestellt werden! Dann können Sie an einem einzigen Arbeitsplatz schon Hunderttausende Schilling einsparen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber Sie verhandeln die Preise mit einer Arbeitsgemeinschaft, die sich jetzt gebildet hat! – Ist Ihnen die Arbeitsgemeinschaft Orthopädie schon bekannt? Der Hauptverband putzt sich jetzt


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 130

ganz ab. Er verhandelt gar nicht mehr mit der Innung, sondern nur mit ein paar Mitgliedern der Innung, die sich zur Arbeitsgemeinschaft Orthopädie zusammengeschlossen haben, und zwar mit Herrn Dr. Ivanic, der der Schwiegersohn eines Großbandagisten namens Radl ist, und mit einem anderen Großbandagisten namens Lambert. Diese machen jetzt den Preiskatalog. Wenn sich die kleinen Bandagisten mit ihren Produkten in diesem Katalog wiederfinden wollen, dann müssen sie allein schon für das Zusenden der Formulare, die für die Einreichung ihrer Produkte notwendig wären, 3 000 S an diese Arbeitsgemeinschaft zahlen. Da haben sie aber überhaupt noch nichts. Und dann müssen sie noch pro Produkt, das in diesem Katalog verewigt wird, weitere 5 000 S zahlen. Die kleinen Bandagisten stöhnen unter dieser Belastung. In Zusammenarbeit mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger macht die Arbeitsgemeinschaft Orthopädie diesen Unfug und belastet die kleinen Bandagisten.

Herr Sozialminister! Wissen Sie nichts davon? Haben Sie schon einmal etwas davon gehört? – Sie sitzen hier und staunen. Ihr Staunen ist Ihnen richtiggehend anzusehen. Sie sind verblüfft. Sie haben offensichtlich noch nie etwas davon gehört. Heute wissen Sie es. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Heute haben Sie sich hoffentlich schon darüber informiert, welche Skandale bei diesem Hauptverband und allen damit verbandelten Firmen herrschen. Ich hoffe, daß unsere heutige dringliche Anfrage dazu beiträgt, diese Skandale einmal aufzudecken und auch zu unterbinden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist fast schon grotesk: Diese Firma ARGE Orthopädie teilt diese Medikamente ein – in Zusammenarbeit mit dem Hauptverband, wohlgemerkt – in Ja-Produkte und Nein-Produkte. Ja-Produkte heißt: Die Kosten werden von der Kasse übernommen. Der Patient zahlt, soweit er nicht gebührenbefreit ist, seine 259 S.

Die Nein-Produkte sind jene Produkte, die der Patient erst einmal selbst zahlen muß, bei denen ein Aufpreis von 110 Prozent verlangt wird, während bei den Ja-Produkten ein Aufpreis von 65 Prozent verlangt wird.

Jetzt geht der Patient, wenn er ein Nein-Produkt verordnet bekommen hat, einmal zum Bandagisten, und zahlt den vollen Betrag, der noch dazu erhöht worden ist, weil ein doppelt so hoher Aufschlag als bei den Ja-Produkten genehmigt worden ist. Dieser Betrag wird ihm dann zu höchstens 40 Prozent von der Sozialversicherung refundiert. Er hat also mehr Wege und höhere Kosten.

Wie kommt es zu diesen Ja- und Nein-Produkten? – Ich haben diesen Katalog, den es offiziell noch gar nicht gibt, schon gesehen. Interessant ist wieder eine Feststellung, die ich da gemacht habe, nämlich daß gerade jene Firmen, die in dieser Arbeitsgemeinschaft Orthopädie sitzen, besonders viele Ja-Produkte auf ihr Konto buchen können. Bei den ersten fünf, sechs Produkten einer gleichwertigen Liste steht: Ja, Ja, Ja, Ja, Ja. – Dann schaut man die Firma an und sieht, daß das großteils mit prozentuell gesehen überwältigender Mehrheit Firmen sind, die direkt in der ARGE sitzen oder ein ganz nahes Verhältnis zur ARGE haben, weil diese Firmen großteils wieder untereinander verbandelt sind.

Auf der Strecke bleibt der kleine Bandagist. Er macht gute Arbeit, zahlt aber drauf, denn er bekommt ein Nein-Produkt. Die Patienten können sich das nicht leisten, somit bleibt er auf seinem Produkt sitzen, und das große Geschäft machen wieder jene, die bei dieser Arbeitsgemeinschaft aktiv mitwirken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daher werden wir auch heute einen Antrag auf eine Rechnungshofsonderprüfung einbringen. Wenn mehr als 20 Abgeordnete – das sind wir – das unterzeichnen, dann ist der Rechnungshof quasi schon durch diesen Antrag beauftragt, die Gebarung der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung einschließlich des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger insbesondere hinsichtlich der Heilmittel und Heilbehelfe sowie der Sparsamkeit, der Wirtschaftlichkeit und der Zweckmäßigkeit der Organisationsstruktur und der Bautätigkeit zu prüfen.

Herr Bundesminister! Ich bin schon sehr gespannt auf diesen Rechnungshofbericht. Dabei werden wir noch viel erfahren. Der Rechnungshof hat bisher schon viel kritisiert, beispielsweise


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 131

Mißstände beim Personalstand bei den Gebietskrankenkassen. Wenn uns das Ergebnis dieser Sonderprüfung durch den Rechnungshof vorliegt, dann werden wir sehen, was noch nicht aufgedeckt ist. Es wird noch vieles nicht aufgedeckt sein, denn das, was wir heute berichten – viele freiheitliche Redner, die nach mir noch reden werden, werden Ihnen noch viele Details schildern können –, ist nur die Spitze des Eisbergs. Es ist noch sehr viel im Verborgenen. Daher glaube ich, daß dieser Antrag auf eine Sonderprüfung durch den Rechnungshof ganz wichtig ist. Und ich freue mich schon auf das Ergebnis. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber solange die Abgeordneten von Rot und Schwarz, die bei den Sozialversicherungen führende Positionen ausüben, hier im Parlament sitzen, solange ausgediente politische Funktionäre bei den Sozialversicherungen hochdotierte Zufluchtstätten finden und dort wie die fetten Maden im üppigen Speck leben und sich dort suhlen, so lange wird niemand an diesem System der gesetzlichen Sozialversicherungen mit dem Hauptverband an der Spitze rütteln können. Sie werden doch nicht so blöd sein und am eigenen Ast sägen. Es wird so kommen wie bei der Verstaatlichten: Man wartet zu. Dort ist auch die Mißwirtschaft bis an das Ende getrieben worden, bis das Defizit so groß war, daß einfach die Finanzierbarkeit nicht mehr gegeben war. Und dann ist der Reformwille ein Muß, auch wenn er derzeit noch nicht erkennbar ist.

Dann wird es hoffentlich auch bei den sozialen Krankenversicherungen einen Reformwillen geben. Dann wird es hoffentlich auch dort einen Willen dazu geben, wie es bereits in der Bundesrepublik Deutschland der Fall ist, daß man private Sozialversicherungen abschließen kann, und daß man nicht an die gesetzliche Zwangsversicherung gebunden ist. Denn wenn sich die Österreicherinnen und Österreicher auch in Zukunft noch so viel mehr gefallen lassen müssen wie etwa Leistungskürzungen bei Erhöhungen der Beiträge, dann werden sie nicht mehr mitspielen. Dann werden sie das Angebot, das dann zwangsläufig kommen wird, nämlich sich privat zu versichern, beanspruchen. Und sie werden dort – das kann ich Ihnen versichern – wesentlich bessere Versorgungen bei günstigeren Tarifen bekommen, und sie werden mit den privaten Sozialversicherungen sehr zufrieden sein, die es dann hoffentlich bald, so wie in der Bundesrepublik Deutschland jetzt schon, geben wird.

Bis dahin wird noch viel Wasser die Donau hinunterfließen. Aber ich hoffe, daß uns unsere heutige dringliche Anfrage, Herr Bundesminister, ein kleines Stück weitergebracht hat, daß die Mißstände des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger inklusive der einzelnen Sozialversicherungs- und Krankenversicherungsanstalten einmal aufgezeigt werden, daß Sie als oberste Aufsichtsbehörde von Ihrem Aufsichtsrecht Gebrauch machen und daß Sie auch – das haben wir Freiheitlichen schon mehrmals gefordert – nicht nur das Aufsichtsrecht, die Aufsichtspflicht, sondern daß Sie auch einmal das Durchgriffsrecht bekommen, ein Durchgriffsrecht, Herr Bundesminister, das Sie in die Lage versetzt, Mißstände aktiv abstellen und beseitigen zu können.

Das wäre ein Anliegen der Freiheitlichen. Das soll in nächster Zeit durchgesetzt werden, dann werden in Zukunft die Mißstände, die Skandale der sozialen Krankenversicherungen vielleicht etwas hintangehalten werden, und wir – die Österreicherinnen und Österreicher – werden vielleicht dann doch auch einmal die Möglichkeit erhalten, uns aufgrund dieser Mißstände der sozialen Krankenversicherung, der gesetzlichen Krankenversicherung privat sozial- und krankenversichern zu können. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. Ich erteile es ihm.

16.41

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen! Sehr geehrte Herren! Bevor ich zur Beantwortung der einzelnen Fragen komme, möchte ich zum letzten Satz feststellen, daß grundsätzlich das österreichische Gesundheitsvorsorgesystem, das System der Krankenbehandlung und die Finanzierung im Wege der sozialen Krankenversicherung keinen internationalen Vergleich und keinesfalls einen Vergleich mit privaten Versicherungen zu scheuen brauchen. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 132

Mit unserem System ist es bisher durchaus gelungen, den medizinischen Fortschritt, den es im Bereich der Therapie, im Bereich der Krankenbehandlung gibt, allen Österreicherinnen und Österreichern zugute kommen zu lassen, denn praktisch befinden sich derzeit fast 100 Prozent im Bereich der sozialen Krankenversicherung, und sie sind mit diesem System überwiegend zufrieden. Ich erwähne hier ganz bewußt, daß es dieses System unserer sozialen Krankenversicherung ermöglicht hat und weiter ermöglichen wird, daß alle Österreicherinnen und Österreicher – unabhängig von ihrem Einkommen – an den Fortschritten der Medizin, an den Fortschritten der Gesundheitsvorsorge, an den Fortschritten der Diagnosemöglichkeiten und der Therapiemöglichkeiten teilhaben. Jede weitere Reform in diesem Bereich muß daher als oberstes Ziel haben, daß alle – unabhängig von ihrem Einkommen – an den Fortschritten der Medizin teilhaben können, daß allen in gleicher Weise die guten Möglichkeiten der Diagnose und der Therapie zur Verfügung stehen. Das muß oberstes Ziel sein! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Haider: Ausbeuten tun Sie sie, belasten!)

Selbstverständlich müssen wir, wie in allen anderen Bereichen, natürlich immer bestrebt sein und sind auch immer bestrebt, daß diese Möglichkeiten des medizinischen Fortschrittes auch zu vernünftigen und vertretbaren Kosten zur Verfügung stehen. Daher ist es auch in der jetzigen Diskussion unser erstes und oberstes Ziel, Kostensenkungen in allen Bereichen durchzuführen, in denen sie möglich sind: im Bereich der Verwaltung, im Bereich der medizinischen Versorgung, im Bereich der Heilmittel, im Bereich der Medikamente – auch durch intensivste Preisverhandlungen. (Abg. Ing. Reichhold: Dann fangen Sie einmal an! – Abg. Dr. Haider: 1 000 Prozent Handelsspanne! Das ist ein Betrug am Volk, ein Betrug am Bürger!)

Wir haben daher auch bei der jetzigen Diskussion über die Finanzierbarkeit an erster Stelle über das Kostensenkungsprogramm zu reden, diesbezüglich sind in den letzten Wochen und Monaten sehr intensive Verhandlungen zwischen mir, dem Hauptverband und allen Vertragspartnern gelaufen, die auch zu Kostensenkungen und dazu führen werden (Abg. Dr. Haider: Was heißt: führen werden? Seit Jahrzehnten haben Sie die Mißstände!) , daß der Kostenanstieg nicht mehr in dieser Weise erfolgt – und zwar in allen Bereichen. Aber: All diese Maßnahmen und Kostensenkungen sollen nur in dem Maße erfolgen (Abg. Dr. Haider: Ankündigungsminister!) , daß keine Qualitätsverschlechterung in der Gesundheitsvorsorge und in der Krankenbehandlung eintritt. (Abg. Dr. Haider: Sie denken über Beitragserhöhungen nach, anstatt die Kosten zu senken!) Das ist unser Ziel! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Ihnen glaubt doch niemand mehr! – Abg. Dr. Haider: Warum senken Sie nicht die Kosten? – Abg. Ing. Reichhold: Sie reden und reden!)

Sie haben bisher feststellen können, daß wir auch in allen anderen Bereichen der sozialen Sicherheit in Österreich ein sehr gutes System haben, daß wir anders als in anderen Staaten Europas auch angesichts der Notwendigkeit der Budgetkonsolidierung all unsere Sozialsysteme – beispielsweise das vorbildliche Pflegegeldsystem – aufrechterhalten (Abg. Dr. Haider: Ein gutes System für die Mafiosi!) und daß alle Korrekturen, die zur Budgetkonsolidierung erforderlich sind (Abg. Ing. Reichhold: Das ist doch ein Selbstbedienungsladen!), so erfolgen, daß sie sozial gerechtfertigt, sozial verständlich und verträglich sind. (Beifall bei der SPÖ.) Und nach den gleichen Prinzipien gehen wir auch bei der Konsolidierung im Bereich der Krankenversicherungen vor.

Ich habe heute schon einmal diese dringliche Anfrage zitiert: Wenn sie das Ziel hat, daß Sie wissen möchten, wie jetzt vorgegangen wird, welche Maßnahmen zur Konsolidierung des Budgets getroffen werden, dann verweise ich nochmals darauf: Die 53. Novelle ist derzeit in Begutachtung, und ich habe bereits öffentlich und mehrfach erklärt (Abg. Dr. Haider: Das ist eine schwache Meldung!) , daß nach all den Verhandlungen und Beratungen mit dem Hauptverband, mit den Sozialpartnern, mit der Ärztekammer, mit den Spitalserhaltern, mit der Pharmaindustrie und so weiter die Maßnahmen bis Ende Juni vorgelegt werden (Abg. Ing. Reichhold: Sie müssen durchgreifen, Herr Minister!) und daß diese Maßnahmen noch in diesem Monat in den Ministerrat und ins Parlament kommen werden. – Und das ist auch heute festzustellen.

Es ist daher nicht besonders sinnvoll, wenn Sie 14 Tage vor Ablauf dieser von mir gesetzten Frist erwarten, daß ich die Details, die noch zu verhandeln sind, die noch im Bereich der


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 133

Regierung auszuhandeln und festzulegen sind, hier bekanntgeben werde. (Abg. Dr. Haider: Haben Sie selber keine Ideen?)

Ich möchte Ihnen nur eines sagen: Im Rahmen des Strukturanpassungsgesetzes habe ich hier die umgekehrte Kritik gehört. Es wurde immer wieder von Ihnen kritisiert, daß die Maßnahmen so rasch und ohne Diskussion mit allen Beteiligten – was überhaupt nicht gestimmt hat – durchgeführt werden, alles ist Ihnen viel zu rasch gegangen. (Abg. Dr. Haider: Von uns nicht! Das ist eine Erfindung!) Wir haben in der Frage der Krankenversicherung auch sehr rasch gehandelt, aber diese Verhandlungen, die noch laufen, werden nächste Woche abgeschlossen werden, und dann wird von der Regierung die entsprechende Vorlage zu den einzelnen Maßnahmen im Parlament eingebracht werden. (Abg. Ing. Reichhold: Sie müssen durchgreifen, nicht verhandeln! Mißstände abstellen!)

Aber noch einmal: Oberstes Ziel ist für uns die gute Gesundheitsvorsorge, die gute Krankenbehandlung, den Fortschritt der Medizin allen, unabhängig von ihrem Einkommen, auch in Zukunft zu sichern, und zwar zu vernünftigen Kosten. Und das Ziel werden wir auch einhalten wie bisher. (Beifall bei der SPÖ.)

Einsparungsmaßnahmen erfolgen zunächst einmal im Verwaltungsbereich. Hier wird es zu Rationalisierungen kommen, wie es sie auch bisher schon gegeben hat, diese werden intensiviert und fortgesetzt. Es wird im Bereich der Sozialversicherungen in nächster Zeit einen weitgehenden Aufnahmestopp – der bereits wirksam ist – geben, es wird auch bei den Personalkosten Einschränkungen geben. Und ich danke schon jetzt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in diesem Bereich, die sicher eine schwierige Aufgabe haben, für das Verständnis für diese weiteren Rationalisierungsmöglichkeiten, für das Verständnis, daß auch im Bereich der Krankenversicherungen analog zum öffentlichen Dienst Einsparungsmaßnahmen mit Einmalzahlungen im nächsten Jahr erfolgen werden. Diese Maßnahmen werden im übrigen eine Kostendämpfung um mehr als 300 Millionen Schilling bringen.

Ich möchte nochmals darauf hinweisen: Es ist sehr populär, zu sagen, man soll das alles durch Einsparungen im Verwaltungsbereich der Krankenversicherungen hereinbringen. Das sind Personalkosten, Verwaltungskosten, ja sogar das Porto. Und im übrigen ist in diesen Kosten auch die Abrechnung mit den Ärzten eingerechnet. (Abg. Dr. Haider: Aber als ärztliche Hilfe und nicht als Verwaltungskosten!) Sie sind hier als Verwaltungskosten eingerechnet, Herr Dr. Haider! (Abg. Dr. Haider: Falsch deklariert! Ich habe es ja da! Lesen Sie die eigenen Rechnungsabschlüsse! Das sind ärztliche Kosten!) Das ist ja bereits geändert! Diese Verwaltungskosten für den gesamten Bereich der Gesundheitsvorsorge und Krankenversicherung – Personalkosten und Sachaufwand – betragen insgesamt rund 4 Milliarden Schilling bei Gesamtausgaben in Höhe von 118 Milliarden Schilling. (Abg. Dr. Haider: Das glauben Sie! Das erzählt man Ihnen! Aber noch immer ist es im Rechnungsabschluß drinnen!)

Ich nehme das sehr ernst. Daher: Alle Rationalisierungsmaßnahmen, die möglich und notwendig sind, werden gesetzt. Ich habe diese Maßnahmen dem Hauptverband empfohlen. Der Hauptverband hat sie mit den Belegschaftsvertretungen bereits ausgehandelt. Ich danke von dieser Stelle aus nochmals den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, auf die immer wieder sehr viele neue Aufgaben zukommen, für das Verständnis für die kommenden noch schärferen Rationalisierungsmaßnahmen und für die Einschränkungen im Bereich der Personalausgaben. (Beifall bei der SPÖ.)

Genauso habe ich veranlaßt, daß der Hauptverband mit der Ärztekammer, mit der Pharmaindustrie, mit den Apothekern und mit all den Bereichen, die Sie hier genannt haben – Bandagisten, Heilmittelhersteller und so weiter – intensivste Verhandlungen führt, um kostendämpfende Maßnahmen zu erreichen. Selbst habe ich im Bereich der Ärztekammer, im Bereich der Pharmaindustrie und im Bereich der Apotheker, obwohl ich für diesen Bereich nicht verhandlungsberechtigt bin, einleitende Gespräche geführt und Verständnis dafür gefunden, daß es Einsparungen geben wird.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 134

Es wird im Bereich – nochmals: ohne Qualitätsverlust für die Versicherten – der Medikamente, im Bereich der ärztlichen Leistungen durch entsprechende Tarifmaßnahmen eine Kostendämpfung für das nächste Jahr im Ausmaß von rund 2 Milliarden Schilling geben. Im Bereich der Spitäler wurden die vor Jahren begonnenen Verhandlungen mit den Ländern, mit den Spitalserhaltern jetzt abgeschlossen. Es wurde festgelegt, daß die Kosten für die Sozialversicherungen in den nächsten Jahren mit den Beträgen limitiert sind, die aufgrund der Einnahmensteigerungen hereinkommen.

Das heißt, wir haben in all den Bereichen kostendämpfende Maßnahmen getroffen, und ich weise daher entschieden zurück, daß uns hier unterstellt wird, wir hätten nur und zu allererst einmal daran gedacht, die Einnahmen zu erhöhen. Ganz im Gegenteil! Wie bei der Budgetkonsolidierung war unsere erste Zielrichtung: Wie können wir ohne Qualitätsverlust für die Versicherten die Kosten in allen Bereichen, Verwaltung, ärztliche Leistungen, Spitalsleistungen, Medikamente, Heilbehelfe und so weiter senken? Das möchte ich noch einmal feststellen.

Eines ist allerdings zu beachten: Der medizinische Fortschritt bringt mehr Leistungsmöglichkeiten. Die Möglichkeiten der Therapie, die Möglichkeiten der Diagnose steigen. Daher kann niemand, wenn er ernsthaft ist, bei all den Kostensenkungen versprechen, daß wir die Leistungen, die die Medizin im Jahr 2000 bieten kann, zu den Kosten bekommen können, wie sie zehn Jahre vorher bestanden haben. Wer immer das versprechen will, der verspricht etwas, was nicht haltbar ist. Kostensenkung ja, aber Verständnis dafür, daß man für die beachtlichen Qualitätssteigerungen in der Medizin auch bei all den Kostensenkungsmaßnahmen bereit sein muß, die gesteigerten Kosten zu akzeptieren, die sich aus der Qualitätsverbesserung ergeben. (Abg. Dr. Haider: Ein Patschen um 12 000 S! Das müssen Sie erklären!)

In all den Diskussionen draußen habe ich keine Mühe, zu erklären, daß diese Verbesserungen auch ihren Preis haben, und die Österreicher haben Verständnis dafür (Abg. Dr. Haider: 12 000 S! Kaufen Sie Ihre Patschen auch um 12 000 S? Wo kaufen Sie Ihre Patschen? Das ist unglaublich!) , daß die Gesundheitsvorsorge nicht zum Nulltarif angeboten werden kann. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Schauen Sie den Patschen einmal an! Schlupfen Sie einmal hinein und schauen Sie, was das für ein Klumpert ist!)

Nochmals: Ich selbst bin bei all meiner Aufsichtspflicht natürlich nicht in der Lage – und das ist auch nicht vorgesehen –, jede einzelne Position nachzuprüfen. (Abg. Dr. Haider: Für einen Schlapfen 12 000 S!) Aber nach den Mitteilungen des Hauptverbandes stimmen alle diese Angaben überhaupt nicht. (Rufe bei den Freiheitlichen.) Und wenn Sie Gesundheitspolitik so diskutieren wollen, daß Sie über Einzelpositionen, die nicht nachgeprüft werden können (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen), debattieren, dann tut es mir leid um diese Stunden, die wir hier verbringen. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Wenn Sie hier einen Zusammenhang mit Verwandten oder irgendwelchen Bekannten des Bundeskanzlers herstellen wollen (Abg. Mag. Stadler: Sie kriegen noch mehrere Beispiele heute! Seien Sie nur ruhig!), dann halte ich das für genauso unqualifiziert wie die Form der Diskussion, die Sie führen wollen, weil das überhaupt nicht stimmt. Aber ich glaube, wir sollten die Zeit nützen, um über die Gesundheitsvorsorge zu diskutieren, denn das ist ja angeblich Ihr Ziel. (Abg. Mag. Stadler: Sie kriegen noch bessere Beispiele, Herr Minister! Seien Sie ruhig! Sie kriegen noch bessere Beispiele! Warten Sie ab!) Diskutieren wir über die Qualitätssicherung, die notwendig ist im Bereich der Gesundheitsvorsorge. (Abg. Mag. Stadler: Ein Schlapfen hat seinen Preis: 12 000 S!) Dabei ist an erster Stelle auch in Zukunft nicht die Krankenbehandlung zu sehen, sondern es gilt zu überlegen, welche Maßnahmen wir verstärken müssen, um Gesundheitsvorsorge zu betreiben und das Gesundheitsbewußtsein zu verstärken. – Das sind die Ziele, über die wir hier diskutieren sollten.

Selbstverständlich bin ich jederzeit dafür, daß all diese Maßnahmen auch kontrolliert werden. Ich streite hier überhaupt nicht ab, daß das nicht auch notwendig ist. Keine Frage! (Abg. Dr. Haider: Den können Sie in Caorle als Badepatschen verkaufen!) All diese Maßnahmen sind zu kontrollieren, alle Vertragspositionen. Nur liegt das nicht im Bereich des Sozialministers, im


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 135

Rahmen der Selbstverwaltung jede Position ständig zu kontrollieren. Das kann nicht sein. Und nach den Mitteilungen des Hauptverbandes sind diese Behauptungen (Abg. Mag. Stadler: Jetzt kommt die alte Leier von der Selbstverwaltung! Sie haben das Aufsichtsrecht! Sie haben es wahrzunehmen!) – es wurde auch vom Präsidenten des Hauptverbandes öffentlich dazu Stellung genommen – in keiner Weise haltbar. (Beifall bei der SPÖ.)

Und jetzt möchte ich zur Beantwortung Ihrer einzelnen Fragen kommen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Zur Frage 1: Wie hoch war das Defizit der einzelnen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 1995?

Ich habe bereits eingehend insgesamt zu den Problemen der Finanzentwicklung Stellung genommen. Ich möchte hier nochmals ausführen: Die Entwicklung der Gebarung ist auf zwei Komponenten zurückzuführen, zum ersten auf die Steigerung der Kosten insbesondere im Spitalsbereich, und zum zweiten darauf, daß in den letzten Jahren durch die schlechtere Wirtschaftsentwicklung, die auch international schlechter war, die Beitragseinnahmen nicht im gleichen Maße gestiegen sind wie früher. Und dadurch hat sich für die einzelnen Träger folgendes Ergebnis im Jahr 1995 ergeben:

Nach den vorläufigen Gebarungsergebnissen 1995 betrug der Gebarungsabgang aller Krankenversicherungsträger 2,78 Milliarden Schilling. Im einzelnen beliefen sich die Gebarungssalden auf folgende Beträge: alle Gebietskrankenkassen zusammen 2 170 Millionen Schilling, wobei eine Gebietskrankenkasse, die Vorarlberger Kassa, noch mit einem Überschuß von 19 Millionen Schilling abschließen konnte. Alle Betriebskrankenkassen zusammen haben im Vorjahr mit einem Überschuß von 41 Millionen Schilling abgeschlossen. Die Versicherungsanstalt des österreichischen Bergbaues hatte ein Minus von 12 Millionen, die Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen ein Minus von 15 Millionen, die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter ein Minus von 319 Millionen, die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft ein Minus von 69 Millionen und die Sozialversicherungsanstalt der Bauern ein Minus von 234 Millionen. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Die Frage 2 bezieht sich auf das Defizit im Jahr 1996.

Hier sind noch die Maßnahmen abzuziehen, die bereits gesetzt wurden und wirken, und die Maßnahmen, die noch im heurigen Jahr gesetzt werden. Daher kann man zunächst bei den Zahlen nur davon ausgehen, was prognostiziert war, aber nicht davon, was eintreten wird, weil eine Reihe der kostensenkenden Maßnahmen dieses hier prognostizierte Defizit noch senken werden. Bei den Gebietskrankenkassen, Betriebskrankenkassen und all jenen, die dem ASVG unterliegen, wurde ein Abgang in der Höhe von 2,6 Milliarden prognostiziert, und insgesamt ein Abgang in der Höhe von 3,6 Milliarden Schilling bei allen Krankenversicherungen.

Ich möchte nochmals betonen: Man kann diese 3,6 Milliarden Schilling natürlich nur in Relation zum gesamten Aufwand im Bereich der Krankenversicherungen sehen. Die 3,6 Milliarden Schilling sind als Teil der gesamten Ausgaben in Höhe von 118 Milliarden Schilling zu sehen. Daran ist auch erkennbar, daß dieser Betrag nach den durchzuführenden und bereits durchgeführten Kostensenkungsmaßnahmen bedeckbar ist, und zwar aufgrund von Maßnahmen, die sozial verträglich sind und die der Qualitätssteigerung im Bereich der Medizin entsprechen.

Zu Frage 3: "Welche zusätzlichen finanziellen Belastungen werden den Krankenversicherungsträgern durch den Wegfall der unechten Umsatzsteuerbefreiung erwachsen ...?" – Ich glaube, der Text der dringlichen Anfrage befindet sich ja in Händen aller Abgeordneten. Ich brauche daher die Fragen nicht zu wiederholen, sondern sie nur zu beantworten.

Ich habe bereits mit dem Bundesminister für Finanzen eine EU-konforme Lösung vereinbart, die sicherstellt, daß der Wegfall der unechten Umsatzsteuerbefreiung zu keinen Mehrbelastungen der Sozialversicherung führt. (Abg. Dr. Haider: Wie lautet die Regelung, Herr Minister?)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 136

Zu Frage 4: Ausgabenseitig sind vor allem der überdurchschnittliche Anstieg der Aufwendungen für Spitäler, ärztliche Hilfe und geringere Einnahmen bei den Beiträgen für die Entwicklung der Gebarung verantwortlich. Ich habe dazu bereits in der Einleitung Stellung genommen.

Zu Frage 5: Insgesamt habe ich gemeinsam mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger und durch zusätzliche Gespräche mit der Ärztekammer, den Apothekern und der Pharmaindustrie seit 1995 bereits eine Reihe von Maßnahmen veranlaßt, die bewirken, daß sich die Defizite vermindern und die Kosten sinken und so nachhaltig der hohe Standard der österreichischen Gesundheitsvorsorge und der Fortschritt der Medizin für alle Menschen in Österreich auch in Zukunft gesichert sein werden.

Zum ersten sind hier zu nennen und zu wiederholen die Maßnahmen im Bereich der Krankenversicherungen selbst. Die Verwaltungskostensenkung wurde bereits von mir erwähnt. Gemeinsame EDV-Programmentwicklungen für alle Versicherungsträger sollen weitere Kosteneinsparungen bringen, ebenso wie gleichwertige Einsparungen im Bereich der Personalkosten wie beim Bund, das heißt weitgehender Aufnahmestopp, Überstundenkürzungen, Rationalisierungen der Arbeitsabläufe, Erhöhungen der Beiträge zu den Betriebspensionen. Es wurden also neue Maßnahmen getroffen, die entscheidend wirken. Weiters erfolgte die Installierung eines Cash-Managements für den gesamten Sozialversicherungsbereich.

Außerdem sind die bereits erwähnten Maßnahmen im Bereich der ärztlichen Kosten und Maßnahmen im Bereich der Medikamente vorgesehen. Bei den Medikamenten wurde mit der Senkung der Großhandelsspanne bereits im Jahre 1995 begonnen. Laufende Preissenkungen bei Medikamenten sind Auftragsziel und werden vom Hauptverband auch umgesetzt.

Es hat weiters ein Grundsatzgespräch mit der Pharmawirtschaft über eine einnahmenorientierte Kostenentwicklung gegeben. Wir werden, um das alles umzusetzen, eine zusätzliche Projektorganisation aufbauen. Es ist bereits mit der Pharmaindustrie, mit den Apothekern und mit den Ärzten vereinbart, daß wir unter dem Titel "vernünftiger Umgang mit Medikamenten" in diesem Bereich zu Einsparungen kommen. (Abg. Dr. Haider: Man braucht nur korrekte Preise zu verhandeln!)

Wenn von meinem Vorredner gesagt wurde, daß bestimmte Medikamente nicht genehmigt werden, dann möchte ich eines klarstellen: Die Sozialversicherungsträger genehmigen alle Medikamente, die notwendig und sinnvoll sind. Nur wenn für einen Bereich gleichwertige Medikamente zur Verfügung stehen, dann besteht auch mit den Ärzten weitgehend Übereinstimmung darin, daß von gleichwertigen Medikamenten – natürlich im Sinne einer Ökonomie – das kostengünstigere zu verschreiben ist.

Herr Dr. Pumberger! Das wird von den Ärzten auch verstanden. Denn auch in diesem Bereich müssen wir ohne Qualitätsverlust für die Versicherten ökonomische Ziele akzeptieren. Das wird von den meisten Ärzten, möchte ich hier sagen, auch so praktiziert.

Das zweite: Es ist natürlich auch notwendig, nach zusätzlichen Möglichkeiten einer günstigeren Preisgestaltung bei Generika zu suchen. Es sollten auch die Packungsgrößen richtig sein, sie sollten nicht zu groß und nicht zu klein sein.

Das alles ist eine ganze Reihe von Maßnahmen, von denen Teile bereits verwirklicht sind und andere noch realisiert werden müssen. Dadurch werden wir zu einer weiteren Einsparung in diesem Bereich kommen.

Bei den Heilbehelfen und Hilfsmitteln ist vorgesehen, daß die Ausgaben zumindest auf dem Niveau des Jahres 1995 stabilisiert werden. Sie sehen, auch in diesem Bereich hat es die entsprechenden Weisungen gegeben, und es werden auch die entsprechenden Maßnahmen gesetzt.

Von den gesetzlichen Maßnahmen, die zur Kostenreduktion vorgesehen sind, ist zunächst einmal die Spitalsfinanzierungsreform zu erwähnen. Der zusätzliche KRAZAF-Betrag, der in Höhe von 1 250 Millionen Schilling zu zahlen war, wird künftig durch die Neuregelung wegfallen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 137

Außerdem wird es eine einnahmenorientierte Ausgabenentwicklung bis zum Jahre 2000 aufgrund der Vereinbarungen mit den Ländern über die Spitalsfinanzierung geben.

Zusätzliche, aber gerechtfertigte Einnahmen wird es durch die Beitragspflicht für dienstnehmerähnliche Werkverträge und freie Dienstverträge geben.

Bei der Kostenerstattung für Wahlärzte wird vermehrt der erhöhte Verwaltungsaufwand berücksichtigt. In der 53. ASVG-Novelle, die in Begutachtung ist, ist daher vorgesehen, daß die Erstattung künftig mit 80 Prozent des Vertragstarifes limitiert wird.

Zu Frage 5 möchte ich noch ergänzend bemerken, daß laut unserem Zeitplan die Verhandlungen über Kostensenkungen und Maßnahmen in der nächsten Woche abgeschlossen werden sollen. Erst dann steht endgültig fest, wie groß der Betrag ist, der zur Aufrechterhaltung der Qualitätssicherung erforderlich ist. Und dann wird darüber diskutiert, in welcher Form dieser Betrag hereinzubringen ist. Das Ergebnis wird dem Ministerrat vorgelegt und vom Ministerrat dann dem Parlament übermittelt.

Aber nochmals: Zuerst die Kostensenkungen. Nach Abschluß der Kostensenkungen ist festzustellen, ob es noch einen Differenzbetrag gibt. Und ich sage gleich: den wird es geben. Allerdings wird er in einer vertretbaren Form, in einer sozial verträglichen Form zu schließen sein. Über die Form, darüber, wie wir auch künftig die Qualität in der Gesundheitsvorsorge sichern können, wird in der nächsten Woche noch zu diskutieren sein. Nach dem Zeitplan, der in der Öffentlichkeit mehrfach publiziert wurde, wird die 53. ASVG-Novelle am 25. Juni 1996 im Ministerrat eingebracht werden und dann ins Parlament kommen. Ich bitte daher, noch 14 Tage Geduld zu haben. Der genaue Zeitplan war angekündigt. Das betrifft noch eine Reihe von weiteren Fragen, die Sie hier gestellt haben.

Frage 6 wurde bereits mit der Frage 5 beantwortet.

Zu Frage 7: Ich plane keine zusätzlichen Belastungen der Steuerzahler. Allerdings habe ich in der Frage der Lohnnebenkostensenkungen eine langfristig zu sehende Diskussion eingeleitet, und zwar darüber, ob man Lohnnebenkosten senken und die Qualität der sozialen Sicherheit dadurch aufrechterhalten kann, daß man von bestehenden Abgaben – von keinen neuen! – entsprechende Teile für die soziale Sicherheit dort festlegt, wo es einen sachlichen Zusammenhang gibt.

In der längerfristigen Diskussion denke ich bei der Krankenversicherung etwa daran, daß beispielsweise leider feststeht, daß Rauchen nicht gesundheitsfördernd ist, sondern leider zusätzliche Kosten in der Krankenversicherung verursacht.

Daher ist längerfristig daran zu denken, ob man in der Frage der Lohnnebenkostensenkung auf alternative Einnahmen dadurch kommen kann, daß man beispielsweise, um diese erhöhten Kosten abzudecken, einen Teil der bestehenden Tabaksteuer für die Gesundheitsvorsorge zweckbindet. Ich nehme an, daß das eine Variante für künftige Diskussionen ist. Ich betone aber ausdrücklich, daß diese Frage nicht ad hoc zu lösen ist, sondern eine längerfristige Frage darstellt, der wir uns stellen sollen, so wie wir auch in anderen Bereichen darüber nachdenken müssen, ob man Lohnnebenkostensteigerungen dadurch vermeiden kann, daß man alternative, verständliche und zusammenhängende andere Maßnahmen findet.

Zu Frage 8: Ich habe bereits in der Beantwortung der Frage 5 die beabsichtigten Maßnahmen dargelegt und betone nochmals, daß alle in Diskussion stehenden Maßnahmen die Qualitätssicherung in der Gesundheitsvorsorge nicht beeinträchtigen dürfen.

Zu Frage 9: Ich habe heute bereits einmal erklärt, daß ich den Krankengeldbezug nicht reduzieren will. Im Gegenteil, in dem bereits ausgeschickten Entwurf zur 53. ASVG-Novelle ist vorgesehen, daß der gesetzliche Anspruch auf Krankengeld von derzeit 26 Wochen auf 52 Wochen angehoben werden soll. Das ist bereits in dem ausgesandten Entwurf enthalten.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 138

Natürlich ist es auch notwendig, daß wir die entsprechende Finanzierbarkeit sichern. Aber nochmals: Es wird von mir nicht daran gedacht, den Krankengeldbezug zu verkürzen. Das Gegenteil ist der Fall. In dem in Begutachtung befindlichen Entwurf zur 53. ASVG-Novelle ist vorgesehen, daß der gesetzliche Anspruch auf Krankengeld von 26 auf 52 Wochen angehoben werden soll. Und ich bin der Überzeugung, daß ich dafür hier im Hohen Haus die Mehrheit bekommen werde. (Beifall bei der SPÖ.)

Auf die Fragen 10, 11 und 12 habe ich bereits in den Ausführungen zu Frage 5 geantwortet.

Zu Frage 13: Ich habe bereits mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger weitere Rationalisierungsmaßnahmen sowie einen weitgehenden Aufnahmestopp veranlaßt. Weiters werden, wie bereits berichtet, in Analogie zu den Regelungen für den öffentlichen Dienst gleichwertige Sparmaßnahmen bei den Personalkosten im Bereich der Sozialversicherung gesetzt. Der Hauptverband hat mit der Gewerkschaft bereits Maßnahmen im Dienstrecht vereinbart, die eine Dämpfung des Verwaltungsaufwands von jährlich mehr als 300 Millionen Schilling erwarten lassen.

Zu Frage 14: Die Rationalisierungs- und Betriebsberatungsfirma Häusermann hat bereits in ihrer Analyse über Kosteneinsparungsmöglichkeiten festgestellt, daß nicht die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger, sondern andere Maßnahmen, wie beispielsweise die verstärkte Nutzung von Synergieeffekten im EDV-Bereich oder ein verbessertes Cash-Management, bessere Einsparungsmöglichkeiten bringen. Durch die 52. ASVG-Novelle sowie durch das jüngst beschlossene Strukturanpassungsgesetz wurden die gesetzlichen Grundlagen für die Maßnahmen des Zusammenwirkens in diesen Bereichen bereits geschaffen.

Bei den Krankenversicherungsträgern halte ich nach all den vorliegenden internen und externen Prüfungen – auch durch die genannte Schweizer Rationalisierungsfirma Häusermann – eine Zusammenlegung nicht für sinnvoll. Die heutige Organisationsstruktur, verbunden mit einer Koordinierung durch den Hauptverband, bietet die beste Versichertennähe und Kundengerechtheit in diesem Versicherungsbereich. Ich betone, diese Maßnahme wurde auch von der Firma Häusermann, einem Schweizer Rationalisierungsunternehmen, so gesehen und bestätigt.

Zu Frage 15, zum Aufsichtsrecht: Die Sozialversicherung wird zum einen im Rahmen der Selbstverwaltung vollzogen. Zum anderen bestehen die Aufsichtspflicht, zu der ich mich selbstverständlich jederzeit bekenne, und das Aufsichtsrecht des Sozialministers – ich habe das Aufsichtsrecht in all seinen Formen wahrgenommen – weitestgehend auch darin, daß die Vertreter der Aufsichtsbehörde in den entsprechenden Gremien vertreten sind. Ich habe unter anderem dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger Maßnahmen im Rationalisierungsbereich, über die ich bereits berichtet habe, und Maßnahmen zur Kostensenkung in den einzelnen Vertragsverhandlungen mit der Ärztekammer, den Apothekern und so weiter vorgeschrieben. Selbst habe ich an Verhandlungen über Kostensenkungen bei der Spitalsfinanzierung teilgenommen.

Zu Frage 16: Ich plane keine Änderungen des Aufsichtsrechtes, weil ich die heutige gesetzliche Regelung für ausreichend und das Prinzip der Selbstverwaltung mit der entsprechenden Eigenverantwortung für sinnvoll und bürgernah halte.

Zu Frage 17: Im Heilmittelbereich gibt es keine Gesamtverträge. Die von der Sozialversicherung zu zahlenden Preise werden mit den einzelnen Unternehmungen vereinbart. Die Handelsspannen ergeben sich aus den gesetzlich vorgesehenen Preisregelungsinstrumenten. Im Bereich der Heilbehelfe und Hilfsmittel hat der Hauptverband in den letzten fünf Jahren lediglich prozentuelle Tarifanpassungen vereinbart, wobei in diesem Bereich – bei den Bandagisten beispielsweise – für heuer keine Tarifanhebung vorgesehen war. Sämtliche Vertragsadaptierungen der einzelnen Krankenversicherungsträger sind in der Kürze der Zeit nicht auflistbar. Es war nicht möglich, alle Vertragsadaptierungen festzustellen und somit Ihre Frage entsprechend zu beantworten. (Abg. Dr. Haider: Können wir das schriftlich haben, Herr Minister? Sie sind verpflichtet, es vorzulegen!) Ich werde das vom Hauptverband verlangen und Ihnen schriftlich zugehen lassen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 139

Zu Frage 18: Die Landesinnungen der Bandagisten und Orthopädietechniker sind die Vertragsabschlußpartner der einzelnen Krankenversicherungsträger. Die Bundesinnung der Bandagisten und Orthopädietechniker ist Vertragspartner des Hauptverbandes.

Zu Frage 19: Seitens der Krankenversicherungsträger hat der jeweilige Vorstand und seitens des Hauptverbandes der Präsidialausschuß beziehungsweise die Verbandskonferenz die Gesamtverträge abgeschlossen.

Zu Frage 20: Die Vertreter der Aufsichtsbehörde waren bei den Vertragsverhandlungen, die ja im Rahmen der Selbstverwaltung erfolgen, nicht dabei, sondern lediglich bei den entsprechenden Beschlußfassungen der Verwaltungskörper, also im Vorstand beziehungsweise in der Verbandskonferenz. Darüber hinaus hat keine Befassung der Beamten meines Ministeriums stattgefunden, weil diese Verträge nicht der Genehmigung durch das Bundesministerium für Soziales unterliegen.

Zu Frage 21: Gesamtverträge bedürfen im Sinne des Prinzips der Selbstverwaltung – wie bereits erwähnt – nicht der Genehmigung durch das Sozialministerium.

Zu Frage 22: Auch bei der nachprüfenden Kontrolle durch den Rechnungshof und die Aufsichtsbehörde hat es keine Beanstandungen gegeben.

Zu Frage 23: Ein entsprechender Sachverhalt ist mir nicht bekannt.

Zu Frage 24: Handelsspannen bis zu 1 000 Prozent existieren nach meinen Erhebungen in diesem Bereich nicht. Im Bereich der auf Rechnung der Sozialversicherung abgebbaren Produkte gibt es nach meinen Informationen keine Handelsspannen bis zu 1 000 Prozent. Die Handelsspannen bei den Bandagisten betragen im Bereich der Sozialversicherungsprodukte insgesamt durchschnittlich rund 50 Prozent.

Zu Frage 25: Das ist die Frage, ob ich die ARGE Orthopädie oder die Personen, aus denen sich die ARGE Orthopädie zusammensetzt, kenne. Antwort: Nein.

Zu Frage 26: Die ARGE Orthopädie ist vom Hauptverband mit keinen Aufgaben betraut worden.

Zu Frage 27: Die Verhandlungen mit der Bundesinnung der Bandagisten laufen intensiv seit 1994. Der Hauptverband bedient sich hiebei ausschließlich Bediensteter der Sozialversicherung.

Zu Frage 28: Die ARGE Orthopädie ist kein Verhandlungspartner des Hauptverbandes. Eine Beurteilung durch mich als Aufsichtsorgan ist mir daher schon aus diesem Grund nicht möglich.

Zu Frage 29: Der Hauptverband hat dem Forschungsinstitut für Orthopädie keine Aufträge erteilt. Regelmäßige Anfragen an das Forschungsinstitut für Orthopädietechnik stellt nach meinem Wissen ausschließlich die Vorarlberger Gebietskrankenkasse, und zwar im Zusammenhang insbesondere mit der Qualität von Behelfen für Prothesen und Orthesen.

Kosten für einzelne Anfragen fallen nicht an. Die Vorarlberger Gebietskrankenkasse ist Mitglied des Forschungsinstituts für Orthopädietechnik.

Zu Frage 30: Da ich aufgrund meines Informationsstandes davon ausgehen kann, daß die Krankenversicherungsträger keine überhöhten Tarife zahlen, ist den Patienten, Beitrags- und Steuerzahlern sowie den Krankenkassen dadurch kein Schaden entstanden.

Zu Frage 31: Die Vereinbarungen über Tarife obliegen der Selbstverwaltung im Hauptverband und den einzelnen Krankenversicherungsträgern. Insgesamt wurden Maßnahmen zur Kostendämpfung getroffen; diese werden auch weiter intensiviert, unter anderem auch durch die Einrichtung verstärkter Kontroll- und Controlling-Mechanismen.

Abschließend möchte ich noch einmal feststellen, daß man zunächst die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben auch im Zusammenhang mit den Gesamtausgaben sehen muß und daß wir uns auf alle Fälle bemühen werden – wir werden das auch erreichen –, daß die Qualität


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 140

der Gesundheitsvorsorge, daß die Qualität der Krankenbehandlung, daß der Fortschritt der gesamten Medizin auch in Zukunft allen ohne Rücksicht auf ihr Einkommen zur Verfügung steht.

Wir werden uns bemühen – wir werden das auch durchsetzen –, daß wir die Kosten auf ein vertretbares Maß auch wie bisher reduzieren. (Abg. Dr. Krüger: "Auch wie bisher"!)

Die Vorschläge hinsichtlich der Kosteneinsparungen wurden weitestgehend ausdiskutiert. Die gesetzlichen Maßnahmen, die dafür notwendig sind, und die Maßnahmen, die allenfalls notwendig sind, um die Einnahmendifferenz zu schließen, um die Gleichwertigkeit und die hohe Qualität der Gesundheitsvorsorge zu sichern, werden wir dem Parlament nach Behandlung in der Regierung noch im Juni zuleiten. – Ich danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.23

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Stadler. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Neben dem Rednerpult wird eine Wundmatratze mit der Aufschrift "Ankauf 800,-- S, Verkauf 6 600,-- S, Aufschlag 725 %,!!! Mindere Qualität!!!" plaziert. – Abg. Kiss: Auch Stadler macht Aktionismus!)

17.24

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Sie finden das lustig. Das ist ja das alte System, wo sich Rot und Schwarz noch immer einig sind – Ministerrücktritte hin oder her, ob man zu einem ein Bezugsproblem hat oder nicht –, bei der Verteilung dieser Profite sind Sie sich einig. Das werde ich Ihnen im Laufe meiner heutigen Rede noch beweisen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Zunächst einmal bin ich empört darüber, wie gekonnt Sie hier den "Mister Harmlos", den "Mister Ahnungslos" spielen. Sie sagen, Sie kennen die Leute der ARGE Orthopädie nicht. Sie wissen nicht, welche Leute das sind. Sie kennen wahrscheinlich auch den Herrn Generaldirektor des Hauptverbandes, den Sie ständig zitiert haben – Sie sagen, mein Ministerium hat mit dem Hauptverband, mein Ministerium macht mit dem Hauptverband, mein Ministerium delegiert an den Hauptverband, mein Ministerium kontrolliert den Hauptverband –, Herrn Dr. Probst, nicht. Herr Minister, Sie haben gesagt, Sie kennen die Leute nicht. (Zwischenbemerkung des Bundesministers Hums. ) In der Beantwortung einer unserer Fragen haben Sie gesagt, Sie kennen die Leute nicht. Nein, ich kenne sie nicht!, haben Sie auf die entsprechende Frage geantwortet.

Herrn Dr. Probst, der in dieser ARGE Orthopädie sitzt, kennen Sie "wahrscheinlich" nicht. Ich gebe schon zu, daß Sie Herrn Dr. Gerd Ivanic nicht kennen, denn dieser ist noch in Facharztausbildung, der kassiert nur ordentlich ab. Er ist noch nicht einmal ein ausgebildeter Facharzt, schreibt aber den Orthopädisten dieses Landes verheerende Briefe.

Sie kennen wahrscheinlich auch nicht den Geschäftsführer der Bundesinnung der Optiker, Bandagisten, Orthopädietechniker.

Sie kennen wahrscheinlich auch nicht Herrn Primarius Kristen. – Diesbezüglich fragen Sie bei Ihrem Bundeskanzler nach, das ist nämlich sein Schwager.

Sie brauchen nicht so zu tun, als ginge die FPÖ böswillig auf den Namen Kristen los und wolle da einen Zusammenhang herstellen. Ich empfehle Ihnen einen Blick ins Firmenbuch. Sie werden feststellen, daß die Frau "Bundeskanzlerin", Frau Christine Vranitzky, die Geschäftsführerin der Firma Normalia ist und daß auf der Seite der Orthopädisten einer der Chefverhandler, nämlich insbesondere für die Schuhsohlen – ein Hauptprodukt der Firma Normalia, eines arisierten Betriebes –, Herr Dr. Herbert Kristen ist, Herr Bundesminister! Aber den kennen Sie wahrscheinlich auch nicht, meine Damen und Herren!

Dann sagen Sie, die ARGE Orthopädie hätte – das ist die nächste Unwahrheit, bei der wir Sie ertappt haben – überhaupt keinen Auftrag Ihres Ministeriums oder gar des Hauptverbandes.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 141

Meine Damen und Herren! Ich zitiere aus einem Schreiben des bereits genannten Dr. Ivanic – er schreibt das wortwörtlich an alle Bandagisten dieses Landes; ich zitiere –: Die ARGE Orthopädie produziert im Einvernehmen mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger Österreichs und der österreichischen Bundesinnung der Optiker, Orthopädietechniker, Bandagisten und Hörgeräteakustiker einen Artikelkatalog, in dem die am österreichischen Markt erhältlichen Behelfe aus dem Sektor Bandagen, Orthesen und Kompressionsversorgung nach Funktions-, Indikations-, Ausführungs- und Qualitätskriterien aufgelistet werden. – Ende des Zitats, meine Damen und Herren. – "Kein Auftrag", sagt der Minister. (Abg. Dr. Haider: Im Einvernehmen!)

Herr Bundesminister! Sagen Sie diesem Haus bewußt die Unwahrheit – dann können Sie sich gleich Herrn Ditz anschließen (Beifall bei den Freiheitlichen) –, oder sind Sie tatsächlich so ahnungslos, wie es zu Beginn Ihrer Rede den Anschein hatte?

Rot und Schwarz sind sich einig, wenn es ums Abkassieren geht, wenn es darum geht, die Beitragszahler auszunehmen, mit den Patienten, mit den armen Menschen dieses Landes ein zynisches, ausbeuterisches Geschäft zu machen.

Über die Bundeswirtschaftskammer wird extra noch jedem Bandagisten mitgeteilt – wieder unterschrieben von einem gewissen Kommerzialrat Radl; das ist der ehemalige Bundesinnungsmeisterstellvertreter, hier unterschreibt er noch als Bundesinnungsmeisterstellvertreter; und dem Geschäftsführer dieser Innung, Herrn Dkfm. Karl Drimal –, daß sie da mitzumachen haben, weil es nämlich um viel Geld geht.

Allein das Anmelden der Heilbehelfe wird ordentlich besteuert in dieser "ehrenwerten Gesellschaft der Freunde der italienischen Oper", meine Damen und Herren! Hohes Haus! Diese "ehrenwerte Gesellschaft der Freunde der italienischen Oper" verlangt für die ersten zehn eingereichten Produkte, die dann in diesen Katalog kommen sollen, einen Unkostenbeitrag von 5 000 S. – Der Minister wird sagen: Das kenne ich nicht, das weiß ich nicht! – Das bezahlt dann wieder der Kunde, der Patient: 5 000 S. (Abg. Dr. Haider: Im Einvernehmen mit dem Hauptverband!)

Für die nächsten zehn Produkte: 4 000 S, und für alle darüber hinaus eingereichten Produkte jeweils 3 000 S pro Stück, meine Damen und Herren!

So kommen in dieser ARGE Orthopädie ordentliche Beträge zusammen, deren Höhe der Herr Minister natürlich nicht weiß. Diese ARGE ist verschachtelt, irgendwie auch vernetzt mit dieser sonderbaren Kommission – Herr Minister, da Sie so ahnungslos tun, möchte ich gleich Ihre Aufmerksamkeit auf diese Kommission lenken –, mit dieser Kommission, in der jene Leute sitzen, die sich die Heilbehelfe selbst tarifieren und dann unter die Leute bringen, meine Damen und Herren. So funktioniert das System!

Das alles unter den Augen des Ministeriums, denn der Minister hat gesagt: Die Vertreter des Ministeriums üben ihr Aufsichtsrecht gewissenhaft aus. Die Vertreter des Ministeriums sind bei allen Sitzungen dabei. Daher müßte man ja wissen, wer in diesem Bereich abkassiert.

Herr Bundesminister! Ich werde Ihnen vorlesen, wer da drin sitzt: Als Vertreter des Hauptverbandes, auf den Sie sich ja permanent berufen, sitzt Herr Professor Kristen drin – wie schon zitiert: Schwager des Bundeskanzlers –, sitzt weiters drin Herr Generaldirektor Dr. Probst – ich habe Ihnen das schon gesagt –, den Sie wahrscheinlich nicht kennen, aber er ist vom Hauptverband, den Sie angeblich so gut kennen. (Abg. Dr. Haider: Der angeblich keinen Kontakt hat!) Der auch keinen Kontakt hat, jawohl!

Weiters: der Chefarzt der Kärntner Gebietskrankenkasse Dr. Bernhard Trusnovic, andererseits vom Arbeitsausschuß der Bundesinnung ein gewisser Kommerzialrat Johann Radl, sein Schwiegersohn – das bleibt ja alles in der Familie, ich habe das schon gesagt; es ist ja ein Kennzeichen der "Freunde der italienischen Oper", daß alles in der Familie bleibt –, also sein Schwiegersohn Dr. Ivanic, die Firma Lambert – das ist übrigens der ehemalige Innungsmeister von Salzburg, ein Sozialdemokrat –, die Firma Gassinger, Innungsmeister von Wien. Es bleibt alles in der "Gesellschaft".


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 142

Meine Damen und Herren! Die Firmen Lambert und Radl sind noch dazu durch ausgiebige Konstruktionen, die im Firmenbuch zu eruieren sind, miteinander verflochten. Herr Bundesminister! Sollten Sie mir das nicht glauben, werde ich es Ihnen in einem privaten Kolloquium noch dartun. Sie sollten zur Kenntnis nehmen, daß sich eine "ehrenwerte" Gesellschaft in diesem Bereich bereits den Markt aufgeteilt hat.

Sie sagen: Es ist alles ausverhandelt, wir haben die besten Tarife gemacht, es orientiert sich alles am Kunden. Sie haben die besondere Kundenfreundlichkeit herausgestrichen. Ich sage Ihnen: Diese ARGE Orthopädie, Herr Bundesminister, firmiert – wir haben lange nicht herausbekommen, welch rechtliches Konstrukt das überhaupt ist, weil es nämlich eine Beteiligung an einer Firma gibt, die ständig erstgereiht oder maximal zweitgereiht ist in dieser Produktpalette, in diesem Katalog – mit dem Zeichen E. V.. Das heißt, daß es sich dabei um einen eingetragenen Verein nach bundesdeutschem Recht handelt, meine Damen und Herren!

Hohes Haus! Man sitzt hier in Österreich zusammen und verhandelt die Tarife, die dann so ausschauen wie diese (der Redner zeigt die Wundmatratze mit der Aufschrift), daß man im Einkauf 800 S für diesen Neppich bezahlt, diesen Neppich um 6 600 S verkauft, bei einem Aufschlag von 725 Prozent. Der Bundesminister sagt aber: Rund 50 Prozent betragen die Aufschläge, die wir dafür verlangen.

Meine Damen und Herren! Dabei ist dieser Neppich nicht einmal geeignet, dem Patienten zu dienen. Das ist eine sogenannte Wundmatratze – auf einen Menschen von 90 kg ausgerichtet. – Ich weiß nicht, wie schwer Sie sind, Herr Bundesminister, Sie können sich einmal drauflegen, es werden Ihnen innerhalb einer halben Stunde die Knochen weh tun. Aufgrund Ihres politischen Gewichts jedoch nicht, das muß ich Ihnen nach Ihrer heutigen Darbietung sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Dieser sündteure Neppich ist nicht in der Lage, einem Patienten zu helfen, weil man die Würfel (der Redner zeigt einen Würfel) nicht herausnehmen kann, nämlich dort, wo der Patient verwundet ist, wo er offene Hautstellen hat. Und man muß den Überzug, der für den Patienten einfach notwendig ist, noch extra bezahlen. Das alles noch trotz eines saftigen Selbstbehalts von 586 S, Herr Bundesminister! (Abg. Dr. Khol: Das ist ein Sanitätsgefreiter!) Sie finden das lustig, Herr Kollege Khol?! Er findet das lustig.

Er ist noch immer vom Schlapfen irritiert, von einem 12 000 S teuren Schlapfen, den er wahrscheinlich seiner Kollegin Fekter vermitteln möchte. Sie können ihn haben, aber der Österreicher wird in Zukunft für diesen Neppich nicht jene Beträge bezahlen, die in den österreichischen Sozialversicherungsanstalten verwirtschaftet werden (Beifall bei den Freiheitlichen), und zwar zugunsten – ich sage das bewußt – einzelner ausbeuterischer Profiteure, die mit Deckung des Hauptverbandes – "im Einvernehmen" heißt es ja (Abg. Dr. Haider: Geschlossene Gesellschaft!) – und unter den Augen des Sozialministers ihre ganz miserablen Geschäfte machen.

Herr Bundesminister! Das ist entscheidend – das sollten Sie sich zu Gemüte führen –, das ist einer der Hauptgründe, diese Spannen von 725 Prozent bis zu 1 000 Prozent – Schlapfen, die 12 000 S kosten; diese Aufzählung läßt sich beliebig fortsetzen; wir haben eine ganze Produktpalette, das dürfen Sie uns glauben, diesbezüglich werden Sie noch einiges in der Öffentlichkeit vorgerechnet bekommen –, das ist einer der Gründe nebst den Palästen und Verwaltungskosten der Sozialversicherungsanstalten dafür, daß Sie jetzt über Beitragserhöhungen nachdenken wollen.

Solange Sie nicht bereit sind, diesen Unfug abzustellen, solange Sie diesen Leuten nicht das Handwerk legen, Herr Bundesminister, so lange werden wir gegen jede Form einer Beitragserhöhung mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln zu Felde ziehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Es wird sich nicht so spielen, daß der Schwager des Herrn Bundeskanzlers, ein halbfertiger Arzt, ein paar Leute aus dem Sozialversicherungsbereich und aus der Bundeswirtschaftskammer sich den Markt aufteilen, ordentlich abkassieren, man auf der anderen Seite


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 143

dafür aber für die Beitragszahler die Beiträge erhöht und die Selbstbehalte noch erhöht, Herr Bundesminister! Da besteht Handlungsbedarf.

Es war deutlich zu sehen, wie Sie, Herr Bundesminister, während der gesamten Beantwortung geschwommen sind. Das war eine einzige Schwimmübung! Sie können mit dem Kollegen Schwimmer, der sich verflüchtigt hat, den Namen tauschen. Bei dieser Debatte möchte er lieber gar nicht dabeisein (Abg. Dr. Haider: Schwimmer ist abgetaucht!), sonst würde ihm nämlich die Junge ÖVP wieder seine eigenen Privilegien vorrechnen, die er nach wie vor im Sozialversicherungsbereich recht ausgiebig genießt!

Herr Minister! Man hat gesehen, wie lustlos Ihnen die Sozialdemokraten applaudiert haben. Die Mehrzahl der Vertreter der SPÖ ist nicht einmal hier, wenn es um die Frage geht, wie man Mißstände im Bereich der Sozialversicherungsanstalten beseitigen kann. Sie sind gar nicht da, wenn Sie sich redlich bemühen, das Ganze noch zu kaschieren, wenn der Herr Leutner aufgeregt von der Tribüne herunter- und wieder hinaufsaust, als würde ein Huhn ein Nest suchen, in welches noch das letzte Ei gelegt werden kann. Herr Bundesminister! Wir wissen, warum Herr Leutner so aufgeregt ist. Wir wissen, warum diese Sauereien bis heute nicht abgestellt worden sind: weil es dahinter Leute gibt, die sich ordentlich die Taschen füllen – und das vor den Augen des Bundesministeriums für Soziales! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Erzählen Sie uns bitte nichts über die Wahrnehmung des Aufsichtsrechtes. (Abg. Leikam: Der Präsident tut Schularbeiten ausbessern!) Sie empfinden das nicht als Sauerei? – Ich bezeichne das als Schweinerei, wenn Sie ein anderes Wort wollen, ich bezeichne das als Ausbeutung.

Es war die Tradition der Sozialisten, gegen Ausbeuter anzutreten. Erinnern Sie sich wieder einmal daran, statt diesen Ausbeutern auch noch die Mauer zu machen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Reden Sie sich nicht auf ein angeblich wahrgenommenes Aufsichtsrecht aus. Zunächst einmal muß ich Ihnen in Erinnerung rufen, daß Sie nach einem gesetzlichen Imperativ die Pflicht haben, zu kontrollieren. Es heißt: Die Aufsicht ist vom Bundesminister für Arbeit und Soziales als oberste Aufsichtsbehörde auszuüben. Daneben gibt es, was die finanzielle Gebarung anlangt, auch noch ein Aufsichtsrecht, und eine Aufsichtspflicht Ihres Ministerkollegen vom Bundesministerium für Finanzen ist, zu kontrollieren, heißt es. Das einzige, das im Gesetz dann genau geregelt wurde, sind die Gebühren für die Herren Aufsichtsbeamten.

Meine Damen und Herren! Wie schaut Ihre Aufsicht aus, wenn solche Dinge möglich sind? Wie schaut es aus hinsichtlich Ihres Aufsichtsrechts und Ihrer Aufsichtspflicht, wenn hinter Ihrem Rücken – ich vermute, nicht mit Ihrer Billigung – solche Dinge gemacht werden vom Herrn Schwager des Bundeskanzlers und vom Herrn Generaldirektor des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger? Haben Sie dann wirklich das Aufsichtsrecht und die Aufsichtspflicht wahrgenommen? Trauen Sie sich dann noch vor dem Hohen Haus zu behaupten: Wir haben eh alles unter Kontrolle, und in 14 Tagen ist das eh alles unter Dach und Fach?!

Meine Damen und Herren! Dieser Katalog (der Redner zeigt ihn) soll am 1. Juli rechtskräftig werden. Ab 1. Juli sollen in Österreich nach diesem Katalog die Heilbehelfe bestellt und abgerechnet werden. Das mit Methoden einer "ehrenwerten Gesellschaft", wo 70 Prozent der Produkte, die vorgereiht sind und sogenannte Ja-Vermerke haben, von den Billigfirmen stammen, deren Vertreter zum Teil in der Kommission sitzen, die diesen Katalog der ARGE Orthopädie eingetragener Verein nach bundesdeutschem Recht verwaltet, meine Damen und Herren! – Das ist doch etwas, das zum Himmel schreit und Sie auffordern müßte, tätig zu werden, statt über Beitragserhöhungen und die Erhöhung von Selbstbehalten nachzudenken, um diesem Unfug weiterhin die finanziellen Mittel zu besorgen, die längst nicht mehr zur Verfügung zu stellen wären.

Herr Bundesminister! Wenn Sie noch immer glauben, daß wir hier nur irgend etwas aufziehen, um Sie ein bißchen auf der Fußsohle zu kitzeln, mit einem Schlapfen, dessen Kosten Kollege Pumberger Ihnen heute vorgerechnet hat, dann täuschen Sie sich. Wir werden, wenn es sein


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 144

muß, eine ganze Produktpalette hier hereintragen, anhand derer Sie erkennen werden, mit welch unglaublichen Aufschlägen, mit welch unglaublichen Handelsspannen ein ganz miserables und zynisches Geschäft mit dem Leid der betroffenen österreichischen Mitbürger betrieben wird, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher ist es an der Zeit ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (fortsetzend): Daher ist es an der Zeit, Herr Bundesminister, daß Sie auf unsere Warnungen, die jetzt zum zweiten Mal in einer Anfrage an Sie herangetragen werden, hören! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.39

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Reitsamer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.39

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Zerschlagung der Kammern, der Sozialversicherung, der Gewerkschaften und so weiter – das sind die Ziele der "F", das hat sich heute wieder einmal deutlich hier gezeigt (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen) , um doch noch zur Dritten Republik kommen zu können. – Da können Sie schon lachen! Lachen Sie am Schluß, bitte!

Bei den Kammern hat es nicht funktioniert; die Österreicher wußten ihre Interessenvertretungen zu schätzen.

Deshalb heute die Fleißaufgabe, an einem Tag, an dem der Sozialminister den ganzen Tag auf der Regierungsbank zur Verfügung steht, eine Dringliche zu den Krankenkassen! Vielleicht bleibt etwas hängen, damit man doch die Finanzierungsprobleme für populistische Maßnahmen in Anspruch nehmen kann.

In der Präambel Ihrer Dringlichen, Herr Kollege Pumberger, verweisen Sie darauf, daß zwischen 1988 und 1994 der Personalstand der Kassen um mehr als 1 000 Personen gestiegen ist. (Abg. Dr. Pumberger: Jawohl!) Das ist schon richtig. (Abg. Dr. Pumberger: Danke, daß Sie mir recht geben!) Aber es wurde heute auch gesagt, daß von 1992 bis 1995 der Verwaltungsaufwand, gemessen am Gesamtaufwand, um zwei Zehntelprozent gesunken ist. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser .)

Herr Helmut Haigermoser! Würden Sie jetzt einmal die Luft anhalten! (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Aumayr: Da erstickt er ja!)

Die Personalstandssteigerungen betreffen also den Gesundheitsbereich, meine Damen und Herren, und das kann hier nicht deutlich und oft genug betont werden. Dank einer fortschrittlichen Entwicklung werden die Menschen immer älter, und mehr zu Betreuende brauchen auch mehr Betreuungspersonal und mehr Behandlungspersonal. (Abg. Dr. Pumberger: Betreuungspersonal, nicht Verwaltungspersonal!) Sie dürfen die Hauskrankenpflege, die medizinische Betreuung, die Rehabilitationsmaßnahmen, die Psychotherapie nicht unerwähnt lassen.

Den Gesundheitsbereich der Kassen zu zerschlagen, meine Damen und Herren von der "F", ist das besondere Interesse des Kollegen Pumberger (Abg. Dr. Pumberger: Das ist aber eine Unterstellung!) , denn Kassen, die über keine eigenen Gesundheitseinrichtungen verfügen, sind abhängig von niedergelassenen Ärzten und damit absolut erpreßbar. Damit hört sich die Gleichwertigkeit einer Partnerschaft auf, Herr Kollege Pumberger!

Für Versicherte ist es unabdingbar, daß Kassen eigene Gesundheitseinrichtungen haben, schon aus Gründen der Qualitätssicherung und um im Falle eines vertragslosen Zustandes die Versicherten versorgen zu können. Aufgabe der Gesundheitseinrichtungen würde Preisgabe der Unabhängigkeit bedeuten.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 145

Sie haben sich heute so "liebevoll" des Herrn Professor Kristen angenommen. Er ist einer der medizinischen Fachberater im Verhandlungsteam des Hauptverbandes (Abg. Dr. Haider: Bei der Mafia-ARGE!), aber er hat keinerlei Einflußnahme auf die Preisgestaltung. (Abg. Dr. Haider: Ja selbstverständlich!) Das wird man recherchieren können. Aber Sie haben behauptet, daß Professor Kristen sozusagen die Preise gestaltet. Und darauf hat er keinen Einfluß! (Abg. Dr. Krüger: Wieso wissen Sie das, wenn das der Bundesminister nicht weiß?) Ich weiß es eben! Ich habe ja Zeit gehabt zu recherchieren! (Abg. Dr. Graf: Wissen Sie auch, wie man zu dem Betrieb gekommen ist?) Das weiß ich nicht, da müßte ich sie fragen! (Weiterer Zwischenruf des Abg. Dr. Graf.) Aber ich bitt’ Sie!

Zu ihrer häufigen Forderung, Versicherungspflicht anstatt Pflichtversicherung: Dadurch hätten wir Patienten zweier Klassen, die einen, die sich eine satte Prämie leisten können, und die Ärmeren, die in der Pflichtversicherung bleiben würden. Dort hätte man dann natürlich wesentlich höhere Beiträge zu bezahlen, weil der Einnahmenausfall durch die abgewanderte erste Gruppe im Topf fehlen würde, meine Damen und Herren!

Zusatzversicherungen leisten im ambulanten Bereich nur selten Aufzahlungen auf die Krankenkassenleistungen, sie decken auch in den Spitälern nur die Mehraufwendungen ab und nehmen Riskenabdeckungen aus, wie zum Beispiel HIV, Tbc oder Geisteskrankheiten. – Herr Dr. Pumberger als Arzt und Ärztekammerfunktionär müßte das eigentlich wissen.

Privatversicherungen versichern auch nicht geschlechtsneutral, meine Damen und Herren, falls Ihnen das neu sein sollte. Frauen im gebärfähigen Alter zahlen höhere Prämien, und das, glaube ich, ist genug der Frauendiskriminierung. (Abg. Dr. Haider: Die Sozialversicherung betrügt geschlechtsneutral!)

Zusammenlegung der Sozialversicherungsanstalten – auch so ein Hobby von Ihnen. Die Häusermann-Studie sagt etwas anderes aus. Aber vielleicht wünschen Sie sich überhaupt die regionalen Kassen weg. Suchen wir den Mittelpunkt von Österreich am Reißbrett, bauen wir dort einen Glaspalast hin, und dann soll der Vorarlberger oder der Burgenländer schauen, wie er zu seinem Recht kommt. Auch eine feine Sache. (Abg. Mag. Stadler: Die Vorarlberger haben Überschüsse!) Auf jeden Fall Überschüsse an Stadlers, das ist schon klar.

Aber weil Sie so gerne Zeitungen verlesen, habe ich auch etwas zu lesen aus der "Zeit", und das ist keineswegs eine sozialdemokratische Postille. (Abg. Dr. Graf: Sie lesen schon die ganze Zeit!) So? Da werden Sie sich aber irren! Aber das ist egal! Sie können das auch nicht kennen.

"Arme unerwünscht", heißt es da. "Im Wettbewerb um lukrative Kunden greifen die Krankenkassen zu rüden Methoden." Weil der Herr Kollege Pumberger heute so gelobt hat, was da jetzt in Deutschland passiert:

"Deutschlands ranghöchster Kassenfunktionär hat es geahnt: ‘Die Krankenkassen ...’" (Abg. Mag. Stadler: Was kostet in Deutschland so ein Schlapfen?)

Mein Gott, man kann ohne weiteres zwar einen Schlapfen hinlegen, aber die Rechnung für einen orthopädischen Schuh präsentieren! (Abg. Dr. Haider: Der hat sogar eine Nummer, eine Produktnummer!)

Ich kann Ihnen auch zu diesen Matratzen etwas sagen. Mein Vater war zehn Jahre lang ein Pflegefall. Wir haben mit solchen Matratzen einen Dekubitus schließen können. Und ich sage Ihnen eines: Das Bett mitsamt den Matratzen hat damals nicht soviel gekostet. (Abg. Mag. Stadler: Sagen Sie die Preise! Die Handelsspanne!) Ich habe zum Preis etwas gesagt! Wenn Sie zuhören würden! – Das Bett mitsamt den Matratzen hat nicht soviel gekostet. (Abg. Dr. Stadler: Ich habe die Belege da!) Ja, ist schon in Ordnung. Wahrscheinlich liegt der Patient bei Ihnen am Boden, da braucht man kein Bett. (Abg. Mag. Stadler: Schauen Sie, ich habe die Belege da!) Ich habe aus eigener leidvoller Erfahrung diese Feststellung gemacht, und jetzt lassen Sie mich verlesen, was ich Ihnen vorlesen will. (Abg. Mag. Stadler , Anstalten machend, zur Rednerin zu gehen: Wenn es Sie interessiert, ich kann es Ihnen zeigen!) Das bringen Sie


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 146

mir nachher, aber bitte bei mir nicht anzustreifen, das habe ich nicht so gerne. (Abg. Dr. Haider: Sie wollen es nicht wissen!) Doch, das will ich wissen.

"Deutschlands ranghöchster Kassenfunktionär hat es geahnt: ‘Die Krankenkassen werden den Tag noch verfluchen, an dem der Wettbewerb ausgerufen wurde.’ Einen ‘tödlichen Kampf der gesetzlichen Kassen um Mitglieder’ sagte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung voraus. Diese Prophezeiung beginnt sich zu erfüllen: Seit Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer auch der Gesetzlichen Krankenversicherung den Wettbewerb verordnet hat, buhlen die Kassen um junge, gesunde und gutsituierte Mitglieder. Gleichzeitig versuchen sie, Rentner und Sozialhilfeempfänger an die Konkurrenz abzuschieben."

Hier finde ich weiter: "Aus Kassensicht wichtig sind die Millionen von Versicherten, die in Lohn und Brot stehen und von Januar 1997 an die Kasse wechseln dürfen. Stichtag für deren Kündigung ist der 30. September 1996. Obwohl der Gesetzgeber die Kassen in den Wettbewerb entläßt, haben die gesetzlichen Vertreter praktisch kaum Möglichkeiten, sich zu profilieren. 95 Prozent ihrer Leistungen sind gesetzlich vorgegeben. Der einzige relevante Unterschied ist der Beitragssatz, und der ist umso geringer, je gesünder und wohlhabender die eigenen Mitglieder sind. Die Abwerbung von jungen, ledigen und gesunden Angestellten und Facharbeitern dürfte weiter zunehmen." (Abg. Dr. Graf: Schauen wir uns das in einem Jahr an!) Das werden wir!

Dann ist weiter zu lesen: "Die Ortskrankenkassen fürchten nun, im Zuge des Wettbewerbs auf den schlechten Risken sitzenzubleiben – und die letzten guten aber zu verlieren. Denn Ersatzkassen fischen systematisch in ihren Gewässern. Gezielt schreiben die Ersatzkassen potentielle Kunden an, das vorformulierte Kündigungsschreiben liegt bei. Auch das Porto übernehmen die Ersatzkassen. Außendienstmitarbeiter gehen in die Betriebe und rechnen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vor, wieviel Geld sie bei einem Wechsel sparen könnten.

Wo die Ersatzkassen nicht selbst Mitglieder ködern können, spannen sie andere für sich ein." Das ist ein besonderes Zuckerl. "Man versucht beispielsweise seit einem Jahr, in Arztpraxen Fuß zu fassen. Mit Preisausschreiben animiert man Kassenärzte zur Mitgliederwerbung, übergetitelt: ‘Sie bringen uns ein neues Mitglied, wir bringen Sie auf die Komoren.’"

"Kritiker des Wettbewerbs fühlen sich angesichts der neuen Methoden bestätigt. Wer wirbt um die Alten und chronisch Kranken? Der Kampf um die ‘guten Risken’ führe dazu, daß Alte und Arme von Kasse zu Kasse geschoben würden."

"Den Krankenkassen fehle der Anreiz, chronisch Kranken eine gute Behandlung zu bieten." (Abg. Dr. Graf: Frau Kollegin, was ist in Österreich los?) "Unter Wettbewerbsbedingungen tut eine Kasse gut daran, die multimorbiden Patienten möglichst schlecht zu behandeln." (Abg. Dr. Graf: Wir finden, die Zustände in Österreich sind unhaltbar!) "Kassen könnten Schwerkranken beispielsweise freiwillige Leistungen wie Akupunktur verweigern. Das Beste, was einer Kasse passieren kann, ist, daß der Patient sie verärgert verläßt."

Das ist das Horrorszenario, das wünschen Sie sich für Österreich. Ich sage Ihnen, 99 Prozent der österreichischen Bevölkerung sind in das Gesundheits- und Krankenversicherungssystem eingebunden. Der Bevölkerung wird unabhängig von ihrem Einkommen die Teilhabe am medizinischen Fortschritt gesichert. Unser Sozialsystem zählt weltweit zu den besten, und das lassen wir uns von Ihnen sicher nicht madig machen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Das ist ein sehr verhaltener Applaus gewesen!)

17.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.50

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Meine Abgeordneten von der FPÖ! Mit Worten wie "Sud", "zynische Geschäfte", "ausbeuterisches Vorgehen", "Schweinerei" und vielen anderen, die Sie heute in der Diskussion ver


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 147

wendet haben, lösen Sie die Probleme, vor denen wir stehen, nicht. Mit keinem einzigen dieser Worte! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Ofner: Womit lösen Sie sie denn?)

Und ich möchte Sie wirklich bitten, bei allem Ernst, meine Damen und Herren, Herr Dr. Ofner, bei allem Ernst der Situation – wir verkennen nicht den Ernst der Situation, vor der wir stehen –, aber so kann man nicht skandalisieren! Und Sie, Herr Dr. Ofner, skandalisieren auch immer mehr. (Abg. Dr. Ofner: Denke nach, was du alles getan hast!) So geht es nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

Jawohl, meine Damen und Herren, wir wissen auch, daß es ein ganz ernstes Problem ist mit den Handelsspannen bei Heilbehelfen, Hilfsmitteln, Arzneimitteln. Das ist ein ganz ernstes Problem. Wir haben dieses Problem der Handelsspannen auch erkannt in den gesamten Beratungen im Bereich der Sozialpartnerschaft, die auch von uns Politikern geführt wurden, nicht erst im Jahre 1996, sondern schon 1995 und 1994. Sie wissen genau, daß wir, auch der Minister, schon viel früher den Finger auf diese Wunde gelegt haben als Sie. (Abg. Dr . Ofner: Gelegt, aber nicht gelöst! Das war alles!) Sie kommen heute nach und versuchen jetzt, politisches Kapital daraus zu schlagen, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! So geht das nicht! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Schauen Sie sich den Schlapfen an!) Jawohl, ich komme zu den Schlapfen! (Abg. Dr. Haider: Sie spielen mit, Herr Kollege! Sie spielen mit bei den Betrügereien!) Ich komme gleich zu diesem Thema, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen ... (Abg. Dr. Haider: Sie spielen mit bei den Betrügereien!) Regen Sie sich nicht so auf! Es spürt jetzt jeder, in welcher Situation Sie sich befinden, daß Sie nur skandalisieren wollen, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Aber ich komme jetzt zu den Schlapfen. (Abg. Dr. Haider: Sie spielen mit bei diesen Betrügereien!)

Herr Dr. Pumberger! Ich habe auch schon solche Beispiele gehört, ja, ich habe das auch schon gehört, daß jemand so hohe Kosten verrechnet bekommen hat. Sie sind Oberösterreicher ... (Abg. Dr. Haider: Zu hohe! Die Krankenkasse zahlt das!) Nein, nicht die Krankenkasse zahlt das (Abg. Dr. Haider: Na selbstverständlich!), sondern es stammt von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter. Das hat nicht die Krankenkasse bezahlt. (Abg. Dr. Haider: Die Sozialversicherung halt!) Spielt aber auch gar keine Rolle. Die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter hat es bezahlt.

Was ist der erste Weg, Herr Dr. Pumberger? Was ist der erste Weg, den ein Abgeordneter hier zu gehen hat? Er kann doch nicht warten vom 2. Mai bis zum 13. Juni. (Abg. Dr. Haider: Na wenn er es nicht bekommen hat vorher!) Ich gehe hin zur Pensionsversicherungsanstalt und lasse diesen Fall aufklären. Und ich garantiere Ihnen, daß ich ihn aufkläre. (Abg. Dr. Haider: Ein Einzelfall, Herr Kollege!) Kollege Nürnberger und ich werden diesen Fall aufklären, und viele andere Fälle, die Sie heute genannt haben, genauso. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Sie haben das schon lange vertuschen wollen!) Mir können Sie nicht vorwerfen, daß ich Dinge vertusche! Mir können Sie das nicht vorwerfen, Herr Dr. Ofner! (Abg. Dr. Haider: Haben Sie von der ARGE Orthopädie gewußt?) Bei Ihnen war es anders. Bei Ihnen pfeifen es die Spatzen von den Dächern. So bin ich noch nie vorgegangen wie Sie, Herr Dr. Ofner! Das ist nicht meine Art, wie Sie vorgegangen sind! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Ofner: Was hast du getan?) Was Sie getan haben, Herr Dr. Ofner (Abg. Dr. Ofner: Was hast du getan?) – Sie sollten heute überhaupt schweigen! Sie sollten schweigen! (Beifall bei der ÖVP.) Was Sie in Niederösterreich aufgeführt haben, spricht nicht für Sie. (Abg. Dr. Khol: Die Suppe ist zu dünn, Herr Ofner!) Die Suppe ist zu dünn, hat er gesagt. Ja, sie war dann zu dünn. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Nun, diese Sache, meine Damen und Herren ... (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Wenn Sie sich beruhigen, werde ich fortfahren! (Abg. Dr. Haider: Reden Sie weiter!) Herr Dr. Haider, ich rede schon weiter! (Abg. Dr. Ofner: Wir wollen nur wissen, was du getan hast!) Ich sage es Ihnen gleich.

Wir haben in den Verhandlungen, die bisher geführt worden sind vom Ministerium, auch von den Sozialpartnern, gemeinsam mit dem Hauptverband, aufgezeigt (Abg. Dr. Haider: Die Rede des


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 148

Feurstein müßte man verteilen bei den Behinderten!) , daß im Bereich der Heilmittel, der Heilbehelfe und der Hilfsmittel die Preisgestaltung bisher nicht überall marktkonform war.

Zweitens müssen die Preisunterschiede verringert werden. Sie waren hie und da zu groß und sind zu groß. Ich könnte Ihnen auch Beispiele nennen. Diese haben wir aufgezeigt. Die Handelsspannen müssen unter Berücksichtigung des europäischen Niveaus adaptiert werden. – Das sind alles Dinge, die vor Ihnen bereits fixiert worden sind. – Durch gemeinschaftliche Projekte muß ein vernünftiger Umgang mit Medikamenten erfolgen – ein ganz wichtiger Bereich!

Meine Damen und Herren! Durch diese Maßnahmen sind für das Jahr 1997 Einsparungen von 1 Milliarde Schilling festgeschrieben. (Beifall bei der ÖVP.) Jawohl, wir müssen in diesem Bereich sparen, und es gibt Einschränkungen in dieser Größenordnung.

Ich sage es noch einmal, Herr Dr. Ofner: Wenn Sie sich zurückerinnern, war im Jahre 1995, im Jahre 1996, zu Beginn dieses Jahres, bereits der erste Schritt in dieser Richtung getan.

Ich sage Ihnen aber weiters: Es geht nicht nur um die Medikamente, es geht nicht nur um die Heilbehelfe, es geht nicht nur um die Hilfsmittel, über die wir heute reden, wo wir Einsparungen machen. (Abg. Dr. Haider: Immerhin 17 Milliarden Schilling! Das ist eine gewaltige Summe!) Jawohl, in diesem Bereich wird es in der nächsten Zeit, im nächsten Jahr keine zweistelligen Zuwachsraten geben. (Abg. Dr. Haider: Da bin ich neugierig!) Es wird niedrigere Zuwachsraten geben, ich nenne sie Ihnen. (Abg. Dr. Haider: Sie sollten die Handelsspannen von 1 000 Prozent einmal abschaffen! Das ist die Schweinerei!) Die werden abgeschafft. Das habe ich Ihnen bereits erklärt.

Es gibt einen zweiten Bereich. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich spüre Ihre Nervosität nach wie vor, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, aber Sie können mich nicht aus der Ruhe bringen. Ich bin Vorarlberger, und wir Vorarlberger sind nüchtern und klar und eindeutig im Denken. (Beifall bei der ÖVP.) Herr Dr. Stadler ist es nicht immer, der ist immer wieder emotional. Mich können Sie nicht aus der Ruhe bringen.

Ich fahre öfters nach Hause. (Abg. Dr. Ofner: Hervorragend! Fahren Sie nach Hause!) Ich unterscheide mich. Das muß ich Ihnen erzählen, meine Damen und Herren. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Darf ich jetzt eine kleine Zwischenbemerkung machen?

Ich fahre regelmäßig mit dem Zug nach Hause, mit dem Nachtzug, und dann weiß ich immer wieder, was ich als Vorarlberger zu tun habe. Herr Dr. Stadler ist ständig in Wien und hat daher schon seine ursprüngliche Seriosität abgelegt, meine Damen und Herren. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.) Ja, so ist es. Sie sind zuviel in Wien. Sie haben früher eine gute Seriosität gehabt als Vorarlberger, und die haben Sie etwas verloren. Sie sind nicht mehr so seriös, wie Sie es früher waren. (Abg. Ing. Reichhold: Da werden die Wiener keine Freude haben!)

Obwohl ich sagen muß – das muß ich auch noch erwähnen, meine Damen und Herren, der Vollständigkeit halber muß ich das auch noch sagen. Die Vorarlberger Freiheitlichen haben natürlich immer gesagt: Für uns ist es besser, wenn Dr. Stadler in Wien ist, denn dann gewinnen wir in Vorarlberg wieder Wahlen. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Die Gemeindewahlen in Mäder haben es deutlich gezeigt. (Abg. Dr. Ofner: Thema!) – Ich komme schon zum Thema zurück. – Ich erinnere an die Gemeindevertretungswahlen in Mäder im Gegensatz zu den Gemeindevertretungswahlen in Nenzing oder im Gegensatz zu den Gemeindevertretungswahlen in der Gemeinde Vandans (Abg. Dr. Krüger: Wie viele Prozent hat die FPÖ in Vorarlberg bekommen?) , wo es sicher sehr gute und sehr namhafte Politiker gegeben hat: Aber in Mäder eben nicht. Die freiheitliche Politik ist nicht anerkannt worden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Nun, mir geht es um den Ernst der Sache, meine Damen und Herren, mir geht es wirklich um den Ernst der Sache. (Abg. Dr. Krüger: Warum reden Sie um den heißen Brei herum?) Nein, ich komme jetzt zum zweiten Punkt, wo wir glauben, daß man auch eine Veränderung braucht. Nicht nur bei Medikamenten, nicht nur bei Hilfsmitteln, nicht nur bei Heilbehelfen. Wir meinen auch, daß der Bereich der Spitäler, der Krankenanstalten sehr große Möglichkeiten an


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 149

Einsparungen beinhaltet. Sie haben nicht davon geredet heute; bewußt nicht davon geredet. Wir reden davon. Ich nenne Ihnen nur zwei Zahlen. (Abg. Dr. Haider: Ihr redet nur davon und bringt nichts weiter!) Nein, ich nenne Ihnen auch die Zahlen, die Ergebnisse. Herr Dr. Haider, ich nenne Ihnen jetzt gleich die Zahlen, und dann werden Sie sehen, daß hier Erfolge erzielt worden sind. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sagen Sie uns doch, wie das Defizit zustande gekommen ist!)

In Vorarlberg wurde im Jahre 1995 das leistungsorientierte Abrechnungssystem in den Krankenanstalten eingeführt. In früheren Jahren sind in den Krankenanstalten im Lande Vorarlberg genauso die Kosten gestiegen wie in ganz Österreich, nämlich im Jahre 1994 ist der Gesamtaufwand der Krankenanstalten noch um 4,2 Prozent gestiegen, ähnlich wie im übrigen Österreich. Im Jahre 1995, nach Einführung dieses neuen Systems, beträgt die Steigerung bei den Gesamtaufwendungen nur noch 2,9 Prozent – von 4,2 Prozent Zuwachs herunter auf 2,9 Prozent.

Beim Personalaufwand ist eine Reduzierung von 6,8 Prozent auf 3,3 Prozent erfolgt. Meine Damen und Herren, um die Hälfte! Und da soll man nicht sagen, wir hätten nichts weitergebracht: Es gibt Bereiche, in denen wir eine Veränderung herbeiführen können, in denen wir sie herbeigeführt haben! – Jawohl, bei den Spitälern!

Diese Methode, dieses Abrechnungssystem, ist Bestandteil der Spitalsreform, die von den Finanzlandesreferenten mit dem Sozialminister, mit dem Finanzminister im Burgenland bereits vor wenigen Wochen beschlossen und eingeführt wurde. Sie stellt eine wesentliche Maßnahme zur Sicherung der Finanzierung unserer Krankenanstalten und damit der gesamten Gesundheitsvorsorge dar. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich nenne Ihnen den dritten Bereich, in dem der Sozialminister sehr wesentliche Veränderungen erreicht hat: bei den Vertragsärzten, zu denen Herr Dr. Pumberger gehört. Er hat kein Wort davon gesagt, weil er ein Betroffener ist, weil er es natürlich nicht gerne sieht, daß man sich auf eine moderate Erhöhung der Honorare geeinigt hat – auch das stellt eine Senkung der Kostenentwicklung in den nächsten Jahren dar; das gilt bereits für 1997. Es ist dies ein Erfolg der Maßnahmen im Bereich Verbesserung der finanziellen Verhältnisse der Krankenanstalten sowie der gesamten Gesundheitsvorsorge.

Ich komme zum Schluß, meine Damen und Herren! Für uns gibt es vier Grundsätze, die wir bei diesen Reformen, bei diesen Veränderungen, die wir noch vor dem Sommer beschließen werden, zu beachten haben:

Erster Punkt: keine Verschlechterung der medizinischen Leistungen – das ist ganz wichtig. Die medizinischen Leistungen für unsere kranken Menschen dürfen nicht schlechter werden. (Abg. Dr. Krüger: Keine Verringerung der Spanne!) Jawohl, ich habe von einer Verringerung der Spanne geredet, aber es darf keine Verschlechterung der medizinischen Leistungen, der medizinischen Versorgung eintreten.

Zweiter Punkt – dieser ist genauso wichtig –: vernünftiges Sparen.

Dritter Punkt – auch ein ganz wichtiger Punkt für uns –: verstärktes Kostenbewußtsein.

Vierter Punkt: Bei allen Maßnahmen, die wir setzen, müssen wir die sozial Schwachen und vor allem auch die Kinder schonen. Ich möchte jetzt nicht mehr näher darauf eingehen, wir werden das in den nächsten Tagen und Wochen noch eingehend diskutieren. Auf diese vier Punkte kommt es uns bei diesen Maßnahmen an.

Aber eines garantiere ich Ihnen: Den Beispielen, die Sie erwähnt haben, werde ich und werden wir von der ÖVP – ich bin überzeugt davon, auch viele von der SPÖ – nachgehen. (Abg. Dr. Ofner: Na hoffentlich!) Das lassen wir nicht auf uns sitzen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.) Hier werden wir aufklärend wirken und die Dinge ins rechte Lot bringen. Aber das, was wir uns im Bereich der Krankenanstaltensanierung, der Finanzierungssanierung unserer gesamten Krankenversorgung, unserer Gebietskrankenkassen vorgenommen haben, ziehen wir


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 150

durch. Wir lassen uns unser Konzept von Ihnen nicht zerstören, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Mag. Stadler gemeldet. Ich verweise auf die Geschäftsordnung und auf drei Minuten Redezeit.

18.03

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Kollege Feurstein hat im launig gemeinten Teil seiner Rede die Behauptung aufgestellt, ich würde nie nach Vorarlberg reisen. Natürlich reise ich nicht nach Andelsbuch in Vorarlberg zu Gottfried Feurstein, sondern es ist verifizierbar – Sie brauchen nur meine Frau zu fragen –, daß ich jedes Wochenende pünktlich daheim bin. Ich möchte nicht das Schicksal so manches Ministers erleben.

Zweiter Punkt: Abgeordneter Feurstein hat – ebenfalls launig – auf Wahlergebnisse verwiesen, die er aber falsch in Erinnerung hat. Ich darf Ihnen in Erinnerung rufen: Gemeindevertretungswahl Mäder: 34 Prozent ÖVP-Verluste, Landtagswahlergebnis: 18 Prozent, Nationalratswahlergebnis mit Stadler: 28 Prozent. Verluste in der Gemeinde Andelsbuch, aus der Gottfried Feurstein stammt: 8 Prozent. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Feurstein: Wieviel haben Sie gehabt?)

18.04

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Hums. – Bitte, Herr Bundesminister.

18.04

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums: Ergänzend zur Anfragebeantwortung möchte ich nach den Ausführungen des Abgeordneten Mag. Stadler feststellen: Ich habe in meiner Anfragebeantwortung erklärt – und das trifft hundertprozentig zu –, daß ich die ARGE Orthopädie nicht kenne. Ich sage Ihnen auch gleich, daß es im Rahmen der Aufsichtspflicht und des Aufsichtsrechtes absolut unmöglich wäre, alle Verhandlungspartner sowie alle Verhandlungspositionen, die von den Sozialversicherungen im Rahmen ihrer Selbstverwaltung abgeschlossen werden, wirklich zu kennen. (Abg. Dr. Ofner: Finden Sie das nicht bedenklich?)

Ich sage Ihnen daher: Ich habe nicht erklärt, daß ich Generaldirektor Dr. Probst nicht kenne, sondern ich habe erklärt – und das stimmt –, daß ich die ARGE Orthopädie nicht kenne. (Abg. Dr. Haider: Seien Sie vorsichtig!) Inzwischen kann ich auf Ihre Behauptung, daß Generaldirektor Dr. Probst Mitglied dieser ARGE ist, antworten und sagen, daß mir Dr. Probst völlig glaubhaft erklärt hat, daß er nicht Mitglied dieser ARGE ist. (Abg. Dr. Haider: Er hat aber einen Brief unterschrieben!) Ich weiß nicht, wie viele andere Behauptungen in ähnlicher Weise von Ihnen gezeichnet sind.

Noch einmal: Mir ist diese ARGE nicht bekannt, ich kenne auch ihre Zielsetzungen nicht. (Abg. Dr. Haider – einen Brief in die Höhe haltend –: Warum unterschreibt er dann diesen Brief? – Abg. Mag. Stadler: Hier steht es: ARGE!) Sie ist auch kein Verhandlungspartner von mir, und daher kann ich das wiederholen. (Abg. Dr. Haider: Sie lassen ihn hinausschmeißen!)

Der Schuh, den Sie hier immer demonstrieren, kann mit Sicherheit kein wirklich genehmigter orthopädischer Schuh sein. Das ist unmöglich. Es ist durchaus möglich, daß irgendwo Produkte unter einer falschen Deklaration verkauft werden, aber nach meiner auf diese Entfernung getroffenen Einschätzung kann das mit Sicherheit kein Schuh sein, der irgendwo als orthopädischer Schuh anerkannt ist. Ich bin kein Orthopäde, ich bin kein Fachmann in diesem Bereich – das möchte ich betonen –, aber nach den Positionen, die mir bekannt sind, ist das unmöglich. – Wie gesagt, ich kenne nicht jede Verhandlungsposition. (Abg. Dr. Haider: Sie werden sich dieser Dinge annehmen müssen!)

Noch einmal zum ersten Punkt zurück: Die ARGE Orthopädie ist mir nicht bekannt. Ich habe nicht einmal eine Ahnung, ob das Firmen sind, ich weiß nicht, welche Zielsetzungen sie haben.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 151

(Abg. Dr. Graf: Höchst bedenklich, wenn man sein Visavis nicht kennt!) Dr. Probst hat mir glaubhaft versichert, daß er kein Mitglied dieser ARGE ist. Es wäre ja auch eigenartig, wenn das eine Firmenzusammensetzung ist.

Weiters muß ich hier all diese kryptischen Angriffe bezüglich Verwandtschaften mit dem Bundeskanzler und so weiter zurückweisen. Das kann es nicht sein. (Abg. Mag. Stadler: Nicht kryptisch, ganz offen! Ganz offene Angriffe! Das ist überall nachlesbar!)

Eines kann ich Ihnen aber sagen: Meine Weisung an den Hauptverband, die bereits im Vorjahr ergangen ist und auch heuer bereits zu Ergebnissen führt, nämlich Kosten in allen Bereichen zu senken, wo das ohne Qualitätsverlust für die Versicherten möglich ist, gilt auch für diesen Bereich.

Ich kann Ihnen zusichern – auch wenn ich nicht jede Position kennen kann –: All die Vorwürfe, die Sie hier vorgebracht haben, Herr Mag. Stadler, werden konkretest überprüft werden. Ich kann nicht von vornherein ausschließen, daß es irgendwo Fehler gegeben hat, aber wenn es Fehler gegeben hat, dann werden sie behoben werden! Das wollte ich Ihnen sagen.

Wenn Sie derartigen Verdacht haben – da kann ich mich nur den Ausführungen des Abgeordneten Dr. Feurstein anschließen –, wäre es vernünftig gewesen ... (Abg. Dr. Ofner: Nur ja nicht ins Plenum! Man versucht, das irgendwie unter den Teppich zu kehren!) Auch im Parlament, natürlich. Herr Dr. Ofner! Ich bin doch so lange selbst im Nationalrat gewesen, daher bekräftige ich jedes Kontrollrecht des Parlaments, das ist überhaupt keine Frage.

Ich sage Ihnen noch einmal: Mein Auftrag, Kosten zu senken, ist für alle Bereiche ergangen: für den Verwaltungsbereich, den Bereich der medizinischen Versorgung, den Bereich der Medikamente und auch den Bereich der übrigen Heilmittel – aber immer ohne Qualitätsverlust für die Versicherten. Wenn Sie Fehler und Mängel feststellen, wird jeder dieser Fehler, die Sie hier aufgezeigt haben, geprüft werden. Ich werde Ihnen dann sagen, ob es stimmt oder nicht.

Noch einmal: Generaldirektor Dr. Probst hat mir glaubhaft versichert, daß er dieser ARGE nicht angehört, obwohl ich derzeit nicht einmal wüßte – weil ich die Zielsetzung der ARGE nicht kenne (Abg. Dr. Haider: Das ist ja abenteuerlich! Warum unterschreibt er dann den Brief?) –, ob das an und für sich etwas Schlechtes wäre oder nicht. Außerdem ist er ja überhaupt nicht berechtigt dazu, denn Dr. Probst ist ja kein Vertreter einer Firma.

Sie reden von Firmenzusammenschlüssen und haben hier einen Vertrag zitiert, der angeblich ab 1. Juli gelten soll. Dieser Vertrag ist mir nicht bekannt. Mir ist nur bekannt, daß der Hauptverband von mir die Weisung hat, in allen Bereichen Kosten zu senken. Und daß dort – wie im Bereich der Heilmittel, wie im Bereich der Medikamente – die Verhandlungen so geführt werden, daß Kosten vernünftig gesenkt werden, kann ich Ihnen hier zusagen.

Ich kann Ihnen nicht zusagen – ich werde das auch nie können –, daß ich jede Verhandlungsposition kenne, aber ich kann Ihnen zusagen, daß in jeder Verhandlungsposition die Kosten zu senken sein werden und daß, wenn irgendwo eklatante Mißstände bestehen, diese im Rahmen meiner Aufsichtspflicht und meines Aufsichtsrechtes behoben werden. (Beifall bei der SPÖ.)

18.10

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun Herr Abgeordneter Dr. Kier gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Khol: Die Spannung steigt ins Unermeßliche!)

18.10

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die dringliche Anfrage dreht sich um einen Punkt, der allseits bekannt ist: Es fehlt Geld! Es wird hier versucht, in einer Debatte, die sich den ganzen Tag mit einschlägigen Themen beschäftigt, einen zusätzlichen Schwerpunkt zu setzen, obwohl eigentlich der ganze Tag mit diesem Schwerpunkt ausgefüllt ist. Aber gut, es ist so.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 152

Was ist jetzt das Spektakuläre gewesen? – Zunächst ist uns sehr beeindruckend vorgeführt worden, welche prozentuellen Spannen vorkommen können. Ich bin nicht bereit und nicht in der Lage, nachzuprüfen, ob die genannten Zahlen stimmen, aber ich gehe davon aus, daß sie eine gewisse Plausibilität haben.

Ich weiß auch, daß das ein Problem ist, das nicht erst bekannt wurde und als solches auch zu beheben versucht wird, seit es die Kollegen Pumberger und Stadler hier vorgeführt haben. Wir wissen, daß es insbesondere im Bereich der Heilbehelfe tatsächlich Probleme gibt; die Einkaufspreise beispielsweise stehen in keinerlei Verhältnis zu den später erzielten Erlösen. Ob das wirklich die Differenzen sind, die hier genannt wurden, spielt keine Rolle. Im Grunde wissen wir, daß es so ist.

Daß es überhaupt so weit gekommen ist, ist eines der Themen, über die wir in der Folge noch diskutieren sollten, da es, glaube ich, deutlich zeigt, daß die Selbstverwaltungsmechanismen versagt haben. Aber all das war ja nicht das Anliegen der dringlichen Anfrage.

Aus meiner Sicht war es das Anliegen dieser dringlichen Anfrage, in beeindruckender theatralischer Form vorzuführen, daß schon wieder irgendein Mißstand aufgedeckt wurde, und zwar ein Mißstand, der ARGE Orthopädie genannt wurde. Die ARGE Orthopädie wurde mystifiziert, als Firmenkonstrukt dargestellt, als in Deutschland eingetragener Verein bezeichnet – es war mir mühelos möglich, während der Rede des Kollegen Stadler beziehungsweise unmittelbar danach zu verifizieren, daß diese Darstellungen objektiv unrichtig sein dürften. Es handelt sich zwar um einen Verein, das ist offenbar richtig ... (Abg. Dr. Graf: Wieso "dürften"?) Weil ich mich auf mündliche Aussagen nicht so verlasse, lieber Kollege, daß ich sie als apodiktische Wahrheit darstelle.

Ich sage Ihnen: Meine subjektive Einschätzung ist, daß das hier vorgetragene Verdächtigungskonstrukt bewußt nur durch Hypothesen gestützt ist, bewußt nur aus Vermutungen zusammengebaut wurde und eine Beweisführung nie stattgefunden hat.

Es handelt sich um einen Verein, das konnte ich recherchieren, allerdings um einen in Österreich bei der Sicherheitsdirektion für die Steiermark eingetragenen Verein, also um keinen mysteriösen deutschen Verein. Es wäre daher jetzt durchaus sinnvoll, bei der dortigen Vereinsbehörde weiterzurecherchieren, um festzustellen, wie sich dieser Verein zusammensetzt. Ich lade jeden dazu ein, es zu tun.

Aber was hat sich weiters ergeben? Da wird es viel interessanter! Welche Aufgabe hat sich dieser Verein nach den mir vorliegenden Informationen gestellt? – Er hat sich die Aufgabe gestellt, einen Qualitäts- und Indikationenkatalog für Heilbehelfe mit dem Zweck zu entwickeln, eine Ausschreibung dieser Heilbehelfe zu ermöglichen, damit genau dieser Unfug, den die Kollegen Pumberger und Stadler hier vorgeführt haben, in Zukunft unterbunden werden kann.

Jetzt frage ich mich: War es nur Glück und Zufall, daß es mir möglich war, in kürzester Zeit eine Recherche durchzuführen, die diesen Befund hervorgebracht hat, oder haben die Kollegen dieselbe Recherchemöglichkeit auch gehabt und wahrgenommen, aber dennoch Namen von angeblichen Mitgliedern dieser ARGE vom Rednerpult aus genannt, wissend, daß sie unter Immunität stehen, und wissend, daß die Betroffenen sich nicht werden rechtfertigen können?

Es hat ja recht plausibel geklungen. (Abg. Dr. Haider: Kier, der Pflichtverteidiger des Systems!) Ich bin kein Pflichtverteidiger, Herr Haider! (Abg. Mag. Stadler: Volker Kier, der Pflichtverteidiger!) Ich bin kein Pflichtverteidiger! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich bin der Meinung, daß wir es, wenn ein Abgeordneter hier von seiner parlamentarischen Immunität Gebrauch macht, Behauptungen aufstellt und es möglich ist, sich innerhalb kürzester Zeit Informationen zu beschaffen, die die objektive Unrichtigkeit dieser Behauptungen als außerordentlich wahrscheinlich erscheinen lassen, wahrscheinlich wieder einmal mit einem jener Fälle zu tun haben ... (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich bitte, mich ausreden zu lassen! Herr Präsident, ich bitte, das zu veranlassen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 153

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Ich glaube, Herr Abgeordneter, daß Sie durchaus stimmgewaltig genug sind, das selbst zu besorgen. – Wenn Sie bitte fortfahren.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (fortsetzend): Herr Präsident, ich bedanke mich für Ihre Unterstützung.

Ich sage noch einmal, daß hier wieder einmal eines der bewährten Muster abläuft, daß Menschen, die sich in der Situation der Beschuldigten befinden, nicht in der Lage sind, sich zu rechtfertigen. Das Ganze wird hier unter Verwendung der parlamentarischen Immunität – denn mit der außerparlamentarischen ist das nicht mehr ganz so komfortabel, Herr Kollege Haider – abgeführt. Ich bin der Meinung, der Sachverhalt bedarf einer genaueren Untersuchung, aber nicht unter Außerachtlassung des Grundsatzes: Audiatur et altera pars! Auch der andere Teil möge gehört werden! (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. )

Lieber Herr Ofner! (Abg. Dr. Ofner: Lieber Herr Kier!) Zum Unterschied von der Fraktion zur Rechten behaupte ich nicht, exakt zu wissen, was ist. Ich stelle nur fest ... (Abg. Dr. Ofner: Bei der Fraktion, zu der du gehörst ...! Du solltest sie kennen!) Ich stelle nur fest, daß das, was hier stattfindet, kein Parlamentarismus von fairem Zuschnitt ist. Das stelle ich fest. (Abg. Dr. Haider: Oje, der Pflichtverteidiger!)

Es ist jetzt vielleicht unangenehm, daß im selben Stenographischen Protokoll, in dem die Behauptungen aufgestellt wurden (Abg. Mag. Stadler: Wahlverteidiger!) , Relativierungen zu diesen Behauptungen stehen, wobei ich nicht verkennen will, daß es im Bereich dieser Heilbehelfe tatsächlich schwere Unzukömmlichkeiten gibt. Das habe ich außer Streit gestellt. (Rufe bei den Freiheitlichen: Na also!) Das habe ich außer Streit gestellt! Nur verweigere ich meine Mitwirkung, die Beweisführung auf solche Methoden zu stützen. Das verweigere ich! (Abg. Aumayr: Nur weil sie von den Freiheitlichen kommen!) Es mag vielleicht aus Sicht der Freiheitlichen unverständlich sein, aber es kommt nicht nur auf den Inhalt, es kommt auch auf die Form an. Wer die Form nicht zu wahren weiß, der tut dem Parlamentarismus keinen guten Dienst. (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Krüger: Das ist jetzt schon genug der Unterwerfung gegenüber den Sozialdemokraten!)

Das ist keine Frage cui bono? in diesem Zusammenhang, sondern das ist eine Frage der Ehrlichkeit, eine Frage der Gewissenhaftigkeit.

Daher sage ich noch einmal: Die Sache ist interessant und untersuchungswürdig, nur gefällt mir die Art und Weise nicht, wie die ARGE Orthopädie vorgeführt wurde und wie Namen genannt wurden, ohne daß die Betroffenen die Möglichkeit haben, zu replizieren. Und eine Blitzrecherche hat hervorgebracht, daß all das außerordentlich unwahrscheinlich ist und daß der Zweck die Beschaffung eines Kataloges für eine Ausschreibung ist. Es gibt nun zwei Möglichkeiten: Entweder Sie haben das gewußt und haben hier wider besseres Wissen diese Anschuldigungen erhoben, oder Sie haben es nicht gewußt, dann haben Sie unsorgfältig recherchiert! Das festzustellen ist mir ganz wichtig! (Abg. Dr. Ofner: Tu da nicht im Schutze der Immunität andere beschuldigen! Fallt dir das gar nicht auf?)

Lieber Ofner! Ich beschuldige niemanden, ich stelle hier nur eine Feststellung einer anderen gegenüber. Damit bleibt sie leider nicht unwidersprochen, und das ist dir unangenehm. Das kann ich verstehen. Aber solange dem Abgeordneten das freie Wort nicht entzogen wird, werden wir Liberale davon Gebrauch machen, auch wenn es nicht allen gefällt. (Ruf bei den Freiheitlichen: Wir kennen dich alle! Du bist auch kein unbeschriebenes Blatt!)

Es geht nicht darum, hier jemandem gefällig zu sein, sondern darum, hier aufrecht stehen zu können. Ich meine, das können nicht alle in diesem Haus. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler .)

Zur Anfrage selbst möchte ich mich weiters nicht verbreiten, sondern nur sagen, daß der Herr Bundesminister diesbezüglich einigen Erklärungsbedarf hat. Ich möchte einen Punkt besonders herausheben: Kosteneinsparungen werden dann möglich sein, wenn wir das Gewicht auf die


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 154

Beeinflussung des Risikoverlaufs legen – ich sage das bewußt so versicherungstechnisch –, das heißt, wenn wir uns wesentlich mehr der Vorsorge und der Rehabilitation zuwenden. Da sehen wir aus liberaler Sicht ganz wesentliche Potentiale, um das eindeutige Finanzierungsproblem im Bereich der Krankenversicherungen zu beheben.

Wir glauben einfach, daß der Zugang des Hauptverbandes und der selbstverwaltenden Sozialversicherungsträger falsch ist: Es werden Vorsorge und Rehabilitation viel zuwenig beachtet.

Weiters glauben wir nach wie vor, daß die Frage der Versicherungspflicht einerseits und der Pflichtversicherung andererseits einen der Lösungsansätze beinhaltet, um kostendegressive Effekte zu erzielen.

Eines ist mir auch noch sehr wichtig festzustellen – das halte ich für besonders wesentlich; es war das Beunruhigendste in der Beantwortung des Bundesministers –: Wir haben im Bereich der Krankenstände derzeit einen gesetzlichen finanziellen Anspruch von 26 Wochen, bisher wurden aber 78 Wochen praktiziert. Die leeren Kassen zwingen die Selbstverwaltungsorganisationen jedoch, auf den gesetzlichen Standard zurückzugehen. Es wird wirtschaftlich nicht viel nützen, wenn Sie diesen auf 52 Wochen anheben. Der gesetzliche Rahmen ist nämlich nicht das Problem, das Problem ist das fehlende Geld.

Wenn Sie nun mit einem gesetzlichen Rahmen von 52 Wochen das Defizit sozusagen durch ein Gesetz stützen, dann gehen Sie den falschen Weg. Richtig wäre es, Mittel und Wege zu finden, damit die 78 Wochen möglich bleiben. Ob dann darunter eine gesetzliche Pflicht von 26 oder 52 Wochen liegt, ist nicht ganz so entscheidend. Wesentlich ist die Frage, wie groß der autonome Spielraum der Sozialversicherungsträger ist. Zuletzt war er zwischen 26 und 78 Wochen gelebt. Jetzt kommt der Druck der Finanzen, die Versicherungsträger müssen auf die gesetzliche Grenze zurück. Wenn Sie die gesetzliche Grenze auf 52 Wochen anheben, dann ist das nur eine scheinbare Verbesserung, denn zuletzt waren es 78 Wochen. Und ich würde Sie bitten, zu überlegen, ob das nicht eigentlich eine Spiegelfechterei ist.

Da sich die Kollegen der freiheitlichen Fraktion aufgrund der Tatsache, daß ihr Versuch, einzelne Personen hier unwidersprochen vorzuführen, mißlungen ist, bis zuletzt nicht beruhigen konnten, sage ich Ihnen noch einmal (Abg. Dr. Ofner: Tu uns nicht unter dem Schutz der Immunität verleumden! Du tust die Immunität ausnützen, mein lieber Volker!) : Es wird nicht immer möglich sein, das Sprichwort von den kurzen Beinen so rasch umzusetzen; heute dürfte es gelungen sein, und das freut mich sehr. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Kier: Ich habe niemanden verleumdet! – Abg. Mag. Stadler: Ich habe noch niemanden betrogen!)

18.23

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.23

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muß sagen: Ich bin nicht davon überzeugt, daß es Sinn macht, die Debatte über die kranken Kassen, die von der Freiheitlichen Partei eingefordert wurde, so zu führen, daß man nur über die ARGE Orthopädie spricht, darüber, ob die Freiheitliche Partei die richtigen oder die falschen Informationen benützt hat, ja oder nein, daß man die Debatte praktisch nur auf dieser Ebene führt. Wir vertun damit nämlich eine große Chance, die an und für sich doch in dieser Anfrage liegen würde, wenn sie vom Begründer der Anfrage nur etwas sauberer gebracht worden wäre. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner .)

Ich gebe Ihnen zu, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, daß Sie wunde Punkte angesprochen haben. Ich gebe Ihnen das zu! Ich stehe nicht an, zu sagen, daß man sich mit den Themen Heilmittel, Heilbehelfe auseinandersetzen muß, weil da tatsächlich einiges im argen liegt.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 155

Aber in der Begründung der Anfrage – und das ist etwas, was mich sehr gestört hat – wurde ein Thema, das es wert wäre, es ernsthaft zu diskutieren, in einer Art und Weise behandelt, von der ich glaube, daß sie unangenehme Erinnerungen weckt.

Wenn die Selbstverwaltung, über die ich gerne bereit bin auch mit Ihnen zu diskutieren, unter dem Aspekt, das seien die Maden im Speck, die von unserem Geld leben, behandelt wird, dann muß ich Ihnen sagen: Diesen Vergleich mit Insekten, diese Art, Metaphern auszuführen, kenne ich zur Genüge und lehne ich zur Genüge ab! Da müssen Sie sich in Ihrem Ton in Ihrer Auseinandersetzung auch über die Selbstverwaltung mäßigen. (Abg. Dr. Graf: Aber wenn Sie genau gehört haben, dann wissen Sie, daß ich damit die überbezahlten Funktionäre gemeint habe!)

Es geht nicht darum, daß Sie den Ihrer Meinung nach überbezahlten Funktionären – zu Recht oder zu Unrecht – etwas vorwerfen. Das werfe ich Ihnen nicht vor. Ich werfe Ihnen vor, daß Sie sich in den Bildern vergreifen, daß Sie Bilder benützen, nämlich Bilder von Insekten, Maden im Speck – was macht man denn mit Maden im Speck? –, die schlimme Erinnerungen wecken (Abg. Dr. Graf: Ihre Kollegin Stoisits wollte uns alle lebenslänglich ins Gefängnis stecken! Was war denn das?) und die keineswegs geeignet sind, uns hier in der Debatte irgendwie weiterzuhelfen.

Ich möchte schon auch an die Adresse der Menschen in der Selbstverwaltung, die hier im Haus zuhören und der Debatte folgen – auch an Ihre, Herr Kollege Donabauer –, sagen: Ich halte das System der Selbstverwaltung angesichts dessen, was in den letzten Wochen und Monaten im Krankenkassenbereich gespielt wurde, für leider – ich wiederhole: leider! – äußerst bedenkenswert. Ich muß das ehrlich sagen. Ich halte es deswegen für bedenkenswert, weil ich keinen Sinn darin sehen kann, daß es zwar eine Selbstverwaltung gibt, die aber nichts zu reden hat, daß es eine Selbstverwaltung gibt, die, obwohl von den Sozialpartnern bestellt, eigentlich nichts zu reden hat, da die Sozialpartner außerhalb der Selbstverwaltung das große Wort zu führen und auch die Reformvorschläge einzubringen versucht haben und ihre Vertreter innerhalb der Selbstverwaltung nur als Statthalter fungiert haben.

Ich bedauere es sehr, daß die eigentlichen Vertreter auch der Sozialpartnerschaft in der Selbstverwaltung in all diesen Debatten um die Reform des Krankenkassenwesens, um die notwendigen Einsparungen keine Rolle gespielt haben, sondern die Sozialpartner auf einer übergelagerten Ebene außerhalb der Selbstverwaltung versucht haben, dieses Problem zu sanieren, aber kläglich daran gescheitert sind.

Mit dem Scheitern der Sozialpartner in dieser Frage ist nämlich auch das Scheitern der Selbstverwaltung verbunden. Die Selbstverwaltung, die nichts zu reden hat, die eigentlich nur die Befehle von den übergelagerten Instanzen empfängt, ist nämlich keinen Schritt vorwärtsgekommen und ist nicht mehr geeignet, die Probleme im Krankenversicherungswesen tatsächlich zu lösen. Eine solche Selbstverwaltung, meine Damen und Herren, egal von welcher Seite man sie andenkt, ist sinnlos. Eine solche Selbstverwaltung macht keine Perspektive mehr.

Eine Selbstverwaltung würde nur dann Sinn machen, wenn es tatsächlich gelänge, die Versicherten in dieses System mit einzubeziehen, sie zu Partnern innerhalb der Selbstverwaltung zu machen, weil ja auch die Versicherten es sind, die diese Selbstverwaltung finanzieren. Es sind nämlich noch immer nicht die Sozialpartner und der Minister, die die Sozialversicherungen und die Krankenkassen finanzieren! Meine Damen und Herren! Das sollten wir dabei auch bedenken.

Wenn wir das nicht mehr mit bedenken können und wollen, weil wir uns geistig vom System der Selbstverwaltung schon verabschiedet haben, dann sollte man die Konsequenzen daraus ziehen und diese Selbstverwaltung, die eigentlich nur mehr als verlängerter Arm der Sozialpartner beziehungsweise Befehlsempfänger des Ministeriums fungiert, aufgeben. Diese Debatte wäre zu führen, auch im Zusammenhang mit der Reform der Krankenkassen.

Ich habe jetzt einige Rezepte gehört, die wir befolgen sollten. Da war zunächst in der heutigen Debatte vom Rezept Aufklärung die Rede, das Kollege Feurstein vorgeschlagen hat. Er verbürgt sich dafür, daß er gemeinsam mit einigen anderen Kollegen die Mißstände, die es im Bereich


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 156

der Krankenversicherungen gibt, aufklären wird. – Herr Kollege Feurstein! Das ist mir zuwenig! Es geht nicht darum, daß wir oder irgend jemand anderer – ein Versicherter, eine Versicherte – die Gnade haben sollen, zu Ihnen oder zu jemand anderem zu kommen, damit die Mißstände oder mögliche Mißstände in der Krankenversicherung aufgeklärt werden. Das ist nicht die Frage.

Es geht nach meinem Dafürhalten primär nicht um Mißstände innerhalb der Krankenversicherung, sondern um ein Defizit der Krankenversicherung, das ganz konkrete und zu benennende Ursachen hat. (Abg. Dr. Feurstein: Ich habe sie genannt!) Die Ursachen und Defizite des Krankenversicherungswesens sind zu benennen! Sie sind ja teilweise in der Sozialpartnerstudie genannt worden, sie sind auch hier in der Debatte genannt worden. Darüber sollten wir diskutieren und nicht über irgendwelche Mißstände, hinsichtlich derer Sie oder sonst jemand hier in diesem Haus – Kollege Nürnberger zum Beispiel – uns Aufklärung verschaffen wollen. Aufklärung allein als Rezept zur Sanierung der Kassen wird nicht reichen, Herr Kollege Feurstein! (Abg. Dr. Feurstein: Das habe ich auch nicht gesagt!)

Es reicht auch nicht, Sparen als Maßnahme zu propagieren, Herr Kollege Feurstein, besonders dann nicht, wenn ersichtlich ist, daß das Sparen oftmals an der falschen Stelle erfolgt. Meine Kollegin Haidlmayr hat schon des öfteren darauf hingewiesen, wie sinnlos dieses Sparen im Bereich der Krankenkassen an manchen Stellen ist.

Wenn man sich als Rollstuhlfahrer – dieses Beispiel hat sie angeführt – nur deswegen, weil keine entsprechende Versorgung sichergestellt ist, bei einem Rollstuhldefekt an einem Wochenende ins Krankenhaus legen muß und dadurch Kosten von über 10 000 S für die zwei Tage, an denen man drinnen liegt, erwachsen, dann liegt da einiges im argen.

Wenn man als bettlägeriger Patient, in der Steiermark, glaube ich, keine Wundunterlagen mehr erhält, deshalb einen Dekubitus bekommt und ins Krankenhaus muß, weil die Krankenkasse eben nicht mehr bereit ist, die Wundeinlagen zu bezahlen, dann liegt etwas im argen mit dem System und auch mit dem Sparen, das an der falschen Stelle betrieben wird.

Wenn im Bereich beispielsweise der Geburtshilfe und Geburtsvorbereitung der Hauptverband der Sozialversicherungsträger offensichtlich nach wie vor nicht in der Lage und nicht willens ist, einen Kollektivvertrag mit den Hebammen abzuschließen, der den Hebammen endlich Rechte einräumt, die ihnen gestatten, die Betreuung der Schwangeren zu einem anständigen Tarif zu machen, der noch immer weit unter dem der Ärzte liegt, dann liegt hier einiges im argen und dann wird an falscher Stelle gespart.

Das sind Punkte, an denen man ersichtlich machen kann, daß dieses blindwütige Sparen, das offensichtlich auch im Bereich von Krankenkassen teilweise betrieben wird, nicht die richtige Antwort ist.

Ich gebe schon zu, Herr Minister, viele dieser Vorschläge, die Sie jetzt diskutiert haben, haben auch wir gemacht und vorgeschlagen. Es ist einiges dabei, das ich unterstützen kann. Aber mit diesen kurzsichtigen und eigentlich dummen Sparmaßnahmen, die in verschiedenen Bereichen gemacht werden, können Sie und können wir die Krankenkassen nicht sanieren.

Nächstes Beispiel: die Selbstbehalte. Herr Minister! Sie haben uns vor wenigen Monaten eine ausführliche Anfrage zum Thema Selbstbehalte beantwortet. Es ist erstaunlich und erschütternd, daß wir in Österreich zwar jede Menge von Selbstbehalten im Bereich der Krankenversicherungen haben, aber niemand im Hauptverband oder bei den Krankenkassen Auskunft darüber geben kann, wie hoch zum Beispiel der Administrationsaufwand bei diesen Selbstbehalten ist, was tatsächlich für die Administration dieser Selbstbehalte ausgegeben wird. Wir kennen nur die alte Arbeiterkammeruntersuchung, die aufgrund der Einführung des Selbstbehaltes beim Krankenhausaufenthalt von Angehörigen gemacht wurde und aus der ersichtlich ist, daß der Administrationsaufwand bei diesem Selbstbehalt offensichtlich sehr hoch ist. Das ist also mit einem Wort ein sinnloser Selbstbehalt. Das ist ein Selbstbehalt, der keinen Sinn macht – wenn man schon das System von Selbstbehalten diskutieren will.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 157

Ich halte es für prinzipiell problematisch. Aber wenn man Selbstbehalte im Gesundheitssystem beibehalten will, dann muß man das anders machen als wir in Österreich, wo man 20, 30, 40 verschiedene Selbstbehalte beziehungsweise nicht bezahlte Leistungen anbietet. Die Bekronung von Zähnen ist zum Beispiel eine Leistung, die nicht mehr bezahlt wird; da ist der Selbstbehalt 100 Prozent. Wenn man es also so macht, daß man tatsächlich schon ein mehrklassiges Gesundheitssystem in bestimmten Bereichen hat, dann muß man auch das Thema Selbstbehalte anders diskutieren. Denn die Form von Selbstbehalten, die Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, jetzt immer diskutieren und weiterdenken, so nach dem Motto: dort ein bißchen etwas, da ein bißchen etwas, ist sinnlos und macht keine Perspektive!

Als weiteres Beispiel, wie man die Krankenkassen sanieren könnte, ist angeführt worden, die Beiträge zu erhöhen. Meine Damen und Herren! Beiträge zu erhöhen ist immer ein probates Mittel, weil das relativ einfach ist. Ich möchte auch ganz ehrlich dazusagen, daß ich nicht prinzipiell gegen jede Beitragserhöhung bin, aber vor einer Beitragserhöhung, vor einer Zustimmung von uns Grünen zu einer Beitragserhöhung muß ein klar ausgewiesenes Strukturkonzept vorliegen. Wir sind nicht bereit, einer Beitragserhöhung zuzustimmen, die im Endeffekt nur dazu dient, die kostensteigernden Elemente, die es in bestimmten Bereichen gibt – ob das der stationäre Bereich ist, die Ärztehonorare, die Medikamentenkosten oder die Hilfsmittel sind –, zu kaschieren.

Wenn die Beitragserhöhung nur dazu dient, diese steigenden Kosten abzudecken, dann gibt es von uns keine Zustimmung! Wenn aber in all den genannten Bereichen und einigen mehr tatsächlich strukturelle Maßnahmen greifen, dann können Sie mit unserer Zustimmung bei einer Beitragserhöhung, die Sinn macht, rechnen.

Meine Damen und Herren! Aber da haben wir das Problem, daß es noch immer unterschiedliche Beitragssätze von Arbeitern und Angestellten gibt. Man sollte, wenn man das System der Beitragssätze tatsächlich angehen will, auch bedenken, daß es unser aller erklärtes Anliegen war, auch im Bereich des Arbeits- und Sozialrechtes und der sozialrechtlichen Maßnahmen, die wir hier in diesem Zusammenhang diskutieren, eine Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten herbeizuführen. Das heißt, es müßte eine Beitragsanpassung erfolgen, die ein Schritt in diese Richtung oder eine längerfristige Perspektive in diese Richtung ist. Aber davon habe ich noch immer nichts gehört.

Was den Wettbewerb zwischen den Versicherungen betrifft, der auch als ein Rezept angekündigt wurde, ist das Wichtigste schon von Kollegin Reitsamer gesagt worden. Ich halte das für kein taugliches Instrument, um tatsächlich eine Sanierung der Krankenkassen herbeizuführen. Einiges ist dazu auch von den Freiheitlichen in der Vergangenheit gesagt worden, was aber jetzt offensichtlich vergessen wurde.

Herr Minister! Sie haben das Thema Tabaksteuer als eine Möglichkeit, auch einnahmenseitig etwas zu verbessern, angesprochen. Ich halte Ihnen entgegen: Ich würde statt der Tabaksteuer viel lieber die Kfz-Steuer aufgreifen, und zwar deswegen, weil damit ein Faktor angesprochen wird, nämlich das Automobil, der auch im Gesundheitsbereich nicht geringe Kosten verursacht, und auch deswegen, weil die Tabaksteuer tendenziell eine rückläufige Steuer ist – denke ich und erhoffe ich mir –, die Kfz-Steuer in der nächsten Zeit aber ganz sicher keine rückläufige Steuer sein wird. Ich hätte aber einen noch viel einfacheren Vorschlag, da bräuchte man überhaupt nichts bei den Steuern anzugreifen: Herr Minister! Erstens: Setzen Sie sich im Ministerrat dafür ein, daß auf Österreichs Straßen ein niedrigeres Tempolimit eingeführt wird, und zwar 110/80/30. Damit würden wir Spielraum für die Krankenkassen schaffen! Wir diskutieren diese Fragen in diesen Zusammenhängen nicht. Aber damit schaffen wir Spielraum, da können wir Kosten begrenzen – nur durch ein anderes Tempolimit! Niemand muß deswegen mehr zahlen. Kosten werden vermieden. Setzen Sie sich dafür ein, damit können wir viele Kosten auch im Gesundheitsbereich sparen.

Zweitens: Setzen Sie sich im Ministerrat auch dafür ein, daß endlich das andere Alkohollimit eingeführt wird, und zwar am besten eine Senkung der Begrenzung von 0,8 auf 0,0 Promille. Setzen Sie sich dafür ein, und wir werden viele Kosten im Krankenkassenbereich sparen!


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 158

Ich sage Ihnen nur noch eines: Die Methode, die die Liberalen vorgeschlagen haben, nämlich den Karenztag einzuführen, ist für uns keine Methode. Mit uns Grünen gibt es keinen Weg in die Richtung, neue Belastungen aufzubauen. Mit uns Grünen, meine Damen und Herren, egal von welchen Parteien, gibt es nur einen Weg in die Richtung, die Krankenkassen zu Gesundheitskassen umzubauen und die Patienten, die Versicherten zu mündigen Teilnehmern zu machen. Damit bin ich beim letzten Punkt. Herr Kollege Guggenberger! Ich begrüße es absolut und stehe dazu – und es wäre ein Beginn dieser mündigen Teilnahme der Bürger und Versicherten –, daß sie endlich einmal erfahren, was der Arzt kostet. Das wäre ein bescheidener Anfang, um einen Schritt in Richtung Kostentransparenz und in Richtung Kostenbescheidenheit zu gehen. (Beifall bei den Grünen.)

18.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Dr. Povysil. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Dr. Povysil – einen Gegenstand zum Rednerpult mitbringend –: Ich muß Ihnen später etwas zeigen!)

18.38

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wissen Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, was eine Burleske ist? Eine Burleske ist definitionsgemäß ein komisches Improvisationsstück in der Art der Commedia dell’arte, eine Farce, eine Posse. Wenn ich mir die gegenwärtige Situation rund um das österreichische Gesundheitswesen und die Diskussion über die Krankenversicherungen ansehe, dann kann ich Ihnen den Vorwurf nicht ersparen, daß das eine Burleske ist, Herr Abgeordneter Feurstein! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Feurstein: Das ist doch etwas Schönes!)

Wir müssen die Beiträge erhöhen, sagen Sie. – Wir müssen Selbstbehalte einführen, sagen Sie. So geht dieses verbale Pingpongspiel schon seit Monaten. (Zwischenrufe des Abg. Mag. Guggenberger. – Abg. Dr. Khol: Das ist eine Travestie und keine Burleske!) Ein Ergebnis steht dem Publikum noch aus. Sicher scheint nur, daß der Beifall am Schluß ausbleiben und diese Burleske als Tragödie enden wird.

Herr Minister! Bitte hören Sie auf, uns immer wieder mangelnde Qualifikation vorzuwerfen, und hören Sie zu, wie ein neutraler Beobachter Ihr Werken kommentiert.

Zitat: "Österreichs bekanntlich ziemlich konkursreife Krankenkassen haben es gut. Um die drohende Insolvenz abzuwenden, werden sie demnächst vermutlich einfach die Beiträge erhöhen und die Leistungen vermindern. So einfach ist das, wenn die Kundschaft von Gesetzes wegen die Leistungen eines Monopolunternehmens in Anspruch nehmen muß und nicht einmal die allerkleinste Chance hat, auf andere Anbieter auszuweichen. Dieser Umstand ist zwar höchst ärgerlich und kostspielig, aber wenig überraschend. In planwirtschaftlich verfaßten Systemen ist am Ende immer der Kunde der Dumme. Das war schon in der DDR so und ist im österreichischen Gesundheitswesen nicht anders." (Abg. Mag. Guggenberger: Von wem ist dieses Zitat?)

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wir haben Sie heute vor dieses Hohe Haus beordert, damit Sie Rechenschaft ablegen (Bundesminister Hums nickt) – damit Sie Rechenschaft ablegen darüber, wie diese Bundesregierung das drohende Insolvenzverfahren des österreichischen Gesundheitswesens in den Griff bekommen soll. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

3,6 Milliarden Schilling groß ist das Loch, das die Kassen haben. Und im darauffolgenden Jahr wird es noch größer werden. Gespart werden soll am Patienten, gespart werden soll am Beitragszahler.

Da Sie uns im Anschluß erklären werden, daß auch die Sozialversicherungsträger ein Sparpaket geschnürt haben, muß ich Ihnen schon im vorhinein sagen: Das ist ein winziges Sparpaketchen, das ist ein kosmetisches Facelifting. Der Druck der Bevölkerung war nämlich derart enorm, daß sich der Hauptverband hat etwas einfallen lassen müssen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 159

Ich bringe Ihnen einen Vergleich, nämlich den Vergleich zwischen den harten Bedingungen, wie sie in der Privatwirtschaft üblich sind, und den Bedingungen im geschützten Funktionärsbereich. Während beispielsweise die Firma Semperit mit 2 400 Beschäftigten zur wirtschaftlichen Existenzsicherung ein Sparpaket von 400 Millionen Schilling geschnürt hat, werden im völlig geschützten Bereich der Sozialversicherungen mit 29 000 Beschäftigten nur bescheidene 330 Millionen Schilling eingespart.

Ich darf Ihnen noch ein Beispiel bringen, und zwar aus meinem Bundesland: Der Umstand, daß die oberösterreichischen Gebietskassen österreichweit das größte Außenstellennetz unter allen Kassen unterhalten und daß durch die Ambulatorien in den Jahren 1989 bis 1993 ein Abgang von rund 180 Millionen Schilling verbucht werden mußte, ist vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion über Leistungskürzungen und Beitragserhöhungen besonders pikant.

Die Krankenkassen sollen sich endlich auf das konzentrieren, was ihre eigentliche Aufgabe ist, nämlich auf ihre eigenen Leistungen, anstatt schwer defizitäre Ambulatorien zu betreiben. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das fällt überhaupt nicht in den Aufgabenbereich einer Krankenkasse. Ambulatorien werden betrieben aus Prestigegründen, sie werden betrieben aus Ideologiegründen, und es wird mit diesen Ambulatorien den eigenen Kassenvertragsärzten Konkurrenz gemacht. Wir fordern die Privatisierung dieser Ambulatorien! Die Versicherungen sollen sich auf ihre Stammleistungen konzentrieren, die niedergelassene Ärzteschaft soll sich auf den Patienten konzentrieren. Es wäre ja auch absurd, wenn ein Arzt nebenbei als Sozialversicherungsträger auftritt.

In Summe sind es jährlich 6 Milliarden Schilling Abgang, die die kasseneigenen Ambulatorien gemeinsam mit den zwei von der Wiener GKK betriebenen Krankenhäusern verwirtschaften. Das müssen die Damen und Herren leitenden Funktionäre, welche direkt aus dem Politik- und Kammerbereich in die Sozialversicherung wechseln, einmal uns Beitragszahlern erklären!

In Oberösterreich wird beispielsweise dem Obmann der Gebietskrankenkasse die Parteiabgabe gleich von seinen Bezügen abgezogen. Da wird nicht für Ordnung gesorgt. Es wäre höchst interessant, einmal eine Bestandsaufnahme darüber zu machen, welche Summen an Gehältern, Spesen und Vergütungen durch die Funktionärsschaft in den Kassen entstehen.

Es ist auch sehr auffallend, daß sich heute zur Situation der Kassen weder Herr Abgeordneter Donabauer noch Herr Abgeordneter Schwimmer zu Wort gemeldet haben. Geht Sie das gar nichts an?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus meiner Sicht ist jetzt die Zeit reif, eine ehrliche und umfassende Diskussion über die Pflichtversicherung zu führen, die aus freiheitlicher Sicht unbedingt in eine Versicherungspflicht auf dem freien Markt umgewandelt werden muß! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist aus meiner Sicht kaum mehr zu argumentieren, daß ein staatliches Monopol Dienstleistungen günstiger und besser erbringen kann als konkurrierende Anbieter. Private Assekuranzen hätten darüber hinaus für die Beitragszahler den Vorteil, ein maßgeschneidertes Versicherungspaket buchen zu können, das dem Versicherten auch endlich einmal Souveränität über seinen eigenen Lebensplan gibt, was zurzeit nicht der Fall ist.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel für eine gute Liberalisierung. Dieses findet sich im Telekommunikationsbereich. Noch bevor der zweite GSM-Betreiber in Österreich den Betrieb aufgenommen hat, kündigt die Mobilkom Austria AG, die Mobilfunk-Tochter der Post und Telekom Austria AG, eine Absenkung ihrer Tarife bis zu 50 Prozent an. Plötzlich werden die Preise und Tarife gesenkt. Plötzlich ist es möglich, effizient zu wirtschaften. Und plötzlich kann der Konsument auch wählen. Dasselbe Phänomen zeigt sich bei der Liberalisierung des Festnetzes, wenn die Telefongebühren durch Wettbewerbsbedingungen wieder erträgliche Ausmaße annehmen werden.

Ich bin daher der festen Überzeugung, daß auch die Liberalisierung im Krankenkassenbereich enorme Vorteile für die Beitragszahler haben würde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 160

Christian Ortner, den ich eingangs zitiert habe, schreibt in seiner Analyse über die Krankenkassen, daß gegen die Privatisierung der Krankenversicherung viele Gründe sprechen, aber keine guten. Ich gebe ihm recht! Dennoch kommt eine echte Diskussion über dieses Thema ja überhaupt nicht auf, da Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, jeden Ansatz im Keim ersticken. So sehr sind Sie mit den Funktionärsschichten in den einzelnen Sozialversicherungsanstalten verwoben, daß jeder zweite Zeitungskommentar diese Mißstände kritisiert.

Auch wenn Sie es nicht hören wollen, werde ich Sie immer wieder darauf hinweisen, daß auf Kosten der Beitragszahler kein politischer Versorgungsbetrieb aufrechterhalten werden kann! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! Ich möchte Sie warnen, zu glauben, daß eine Erhöhung der Beiträge, wie Sie sie immer fordern, des Rätsels Lösung ist. Daß dabei die Bruttoarbeitskosten erhöht werden, daß die Arbeitslosigkeit weiter nach oben getrieben wird, scheint Sie überhaupt nicht zu stören, auch nicht, daß durch erhöhte Arbeitslosigkeit noch weniger Einnahmen an die staatlichen Krankenkassen fließen.

Wie stellen Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP, sich ein Selbstbehaltsmodell vor, das Familien, Mehrkinderfamilien und Pensionisten überproportional belastet? – Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, beide Vorschläge sind untauglich! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Guggenberger: Welcher ist Ihrer?)

Weder Beitragserhöhungen noch Selbstbehalte sind zu akzeptieren! Was wir endlich benötigen, ist Wettbewerbsdenken mit sozialer Verantwortung. Wir brauchen Manager, keine Funktionäre. Wir brauchen Flexibilität, nicht Starrheit. Wir brauchen zukunftstaugliche Strategien anstelle endloser Diskussionen über überbordende Defizite und neue Belastungen. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Damit die Krankenversicherungen eine Marktöffnung überleben können, muß bereits heute damit begonnen werden, ein radikales Abspeckprogramm zu verordnen. Was glauben Sie, wie man mich als Medizinerin beurteilen würde, würde ich einem Patienten, der ein Rückenleiden hat, weil er zu dick ist, kein Abspeckprogramm verordnen. Das wäre doch ein schlechtes medizinisches Management. Das andere ist ein schlechtes politisches Management. Genau dieses Problem zeigt sich bei den Krankenkassen!

Sogar der Wiener Altbürgermeister Zilk spricht sich für eine Zentralisierung aus und vertritt vehement die Meinung, daß eine Vereinheitlichung des Wasserkopfes dem Kassensystem guttäte. Vereinheitlichen, so Zilk, würde ein Schrumpfen von Versorgungsposten bedeuten. Zusätzlicher Vorteil wäre laut Zilk die Vereinheitlichung der Behandlung für alle Versicherten; ein wichtiger Schritt in Richtung Demokratisierung.

Meine Damen und Herren! Ich gebe ihm recht. Ich mag gescheite Leute, ganz egal, von welchen Fraktionen sie kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher erster Schritt: Krankenkassen wettbewerbsfit machen durch Abspeckprogramm, durch Zusammenlegung, durch Flexibilisierung der Angebotspalette nach dem Modell Haftpflicht, Teil- und Vollkasko.

Zweiter Schritt: Marktöffnung für private Assekuranzen und ehrlicher Wettbewerb.

Wie sehr reformbedürftig das Kassensystem ist, zeigt sich auch recht gut am Thema Heilbehelfe. Auch da fehlt der freie Wettbewerb. Nur ganz bestimmte Firmen erhalten einen Kassenvertrag, und andere, welche zumindest gleichwertige Produkte anbieten und deren Produkte auch anerkannte Prüfungszeugnisse haben, werden nicht einbezogen; selbst wenn sie ihre Produkte wesentlich günstiger anbieten. Wir können jetzt darüber streiten: Sind es 1 000 Prozent Spanne, oder ist es weniger? Unumstritten ist, daß der Wurm im Apfel ist!

Ich bringe Ihnen jetzt ein Beispiel. Ich muß mir für dieses Beispiel Handschuhe anziehen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 161

Beim Anziehen dieser Handschuhe möchte ich Ihnen sagen, daß bei diesen beim Verkauf gegenüber dem Einkauf wieder ein Aufschlag von 492 Prozent zu beobachten ist. Warum ziehe ich Handschuhe an? Ich werde Ihnen jetzt einen Leibstuhl präsentieren. Das ist ein Teil eines fahrbaren Leibstuhls. (Die Rednerin hält einen WC-Brillen-ähnlichen Gegenstand in die Höhe.)

Nicht nur, daß dieser fahrbare Leibstuhl einen Einkaufspreis von 1 040 S und einen Verkaufspreis von 5 040 S hat, also 385 Prozent dazwischen liegen, wurde dem Patienten, nachdem er diesen Leibstuhl bei der Gebietskrankenkasse anfordern wollte, gesagt, er könne ein viel besseres und preisgünstigeres, sogar ein kostenloses Modell beziehen, nämlich einen Leibstuhl einer anderen Firma, der aber – schauen Sie sich die Rückseite an! (die Rednerin zeigt wieder einen WC-Brillen-ähnlichen Gegenstand vor) – bereits gebraucht ist.

Jetzt frage ich Sie: Wollen Sie auf solch einem Leibstuhl sitzen? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Auf der Rückseite nicht!)

Ich frage Sie noch einmal: Wollen Sie auf solch einem Leibstuhl sitzen? – Ich denke mir, daß Ihnen das ziemlich unangenehm ist, und ich hoffe, daß Sie es auch nie tun müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bringe in diesem Zusammenhang folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Povysil, Dr. Pumberger und Kollegen betreffend Gesamtverträge für Heilbehelfe

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Arbeit und Soziales wird ersucht, dem Nationalrat einen Gesetzentwurf zuzuleiten, der sicherstellt, daß Gesamtverträge für Heilbehelfe folgende Voraussetzungen zu erfüllen haben:

1. österreichweit gleiche Tarife für gleichartige Produkte unabhängig vom Hersteller,

2. unabhängige Qualitätsprüfung,

3. Übernahme geeigneter ausländischer Qualitätsprüfungsergebnisse beziehungsweise Tarifkataloge, zum Beispiel aus der BRD, und

4. Direktverrechnung mit den Krankenkassen für alle Heilbehelfe auf der Basis der medizinisch ausreichenden Grundversorgung und Aufzahlung durch den Patienten bei Sonderwünschen."

*****

Ich appelliere nicht an Sie, zuzustimmen – soweit bin ich schon gelernte Politikerin; ich weiß ganz genau, daß Sie nicht zustimmen werden, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsfraktionen –, aber ich appelliere an Sie, zumindest einmal kurz darüber nachzudenken, ob es nicht doch im Sinne der Wähler wäre, auch einmal außerhalb des Koalitionskorsetts einer guten und wichtigen Forderung Ihre Zustimmung zu geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Nürnberger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.54

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zunächst eine persönliche


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 162

Bemerkung zu machen, damit keine falschen Verdächtigungen aufkommen: Ich bin selbst Funktionär in der Wiener Gebietskrankenkasse (Ruf bei den Freiheitlichen: Oje!) , beziehe keine Entschädigung, nicht einmal Sitzungsgeld, weil ich seit Jahren freiwillig darauf verzichte. (Ruf bei den Freiheitlichen: Ein Idealist in der Politik! Bravo!) Ja, richtig, genauso ist es.

Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen einige Klarstellungen treffen. Ich bin, wie Abgeordneter Kier gesagt hat, nicht der Pflichtverteidiger des Herrn Generaldirektor-Stellvertreter Probst des Hauptverbandes. Er hat mich, da er hier zu Unrecht beschuldigt worden ist, gebeten, eine Erklärung, die er unterschrieben hat, hier vorzulesen. Ich lese daher das vor, worum mich der Herr Generaldirektor-Stellvertreter des Hauptverbandes Probst gebeten hat. Er schreibt: "Ich sitze nicht in der ARGE Orthopädie und bin dort nicht Mitglied, sondern ausschließlich Verhandlungsleiter der Sozialversicherungsteams."

Sein Visavis als Verhandlungspartner ist ausschließlich die Bundesinnung der Orthopädiemechaniker, und die Orthopädieinnung hat als Beratungsorgan anscheinend diese ARGE Orthopädie. Ich darf bitten, diese Ehrenerklärung des Herrn Probst zur Kenntnis zu nehmen. (Abg. Mag. Stadler: Das ist keine Ehrenerklärung!) Lassen Sie mich Ihnen, Frau Abgeordnete Partik-Pablé, betreffend den Rechnungshofbericht sachlich etwas sagen. Ich gestehe zu, ich habe das dreimal gelesen, es gibt nirgends einen Hinweis darauf, daß diese Beträge Jahresbeträge sind. Aber es gibt eine logische Schlußfolgerung. Da in der Spalte "leitender Dienst" die Beträge Jahresbeträge sind – es wird wohl niemand annehmen, daß es einen leitenden Angestellten, sprich: Generaldirektor, gibt, der im Monat 1,4 Millionen Schilling verdient –, sind auch die Beträge der leitenden Funktionäre Jahresbeträge. (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé .)

Ich darf Ihnen, weil Sie auch die Wiener Gebietskrankenkasse zitiert haben, die Beträge der Wiener Gebietskrankenkasse nennen. Ich wäre sogar legitimiert, Ihnen den Namen und den Betrag von den fünf Betroffenen zu sagen. Ich werde Ihnen aber nur die Gesamtsumme sagen. Es gibt einen Obmann, zwei Obmann-Stellvetreter, den Vorsitzenden und den Stellvertreter des Überwachungsausschusses, und alle fünf zusammen – alle fünf zusammen! – haben im Monat 133 220 S, das zwölfmal brutto, und nicht diese 320 000 S einer im Monat, wie Sie es, Frau Abgeordnete Partik-Pablé, behauptet haben. (Abg. Leikam: Ungeheuerlich! Das sagt eine Richterin!)

Lassen Sie mich auch einige Klarstellungen betreffend die Firma Normalia vornehmen, da ich es als einen Akt der Fairneß empfinde. Ich meine, daß man jemanden, der hier nicht selbst anwesend ist, nicht irgendeiner Sache verdächtigen darf.

Ich darf feststellen, daß die Firma Normalia durch die Wiener Gebietskrankenkasse überhaupt keine Bevorzugung oder sonst irgend etwas genießt. Da kann die Wiener Gebietskrankenkasse keinen Einfluß nehmen. Wenn ein Versicherter freiwillig zu dieser Orthopädiefirma geht, dann bekommt die Firma Normalia genau den tariflich festgesetzten Betrag, den jeder andere Bandagist im Raume Wien von der Wiener Gebietskrankenkasse bekommt, vergütet.

Damit man ein Gefühl für die Größenordnung bekommt – nach dieser Diskussion muß man ja den Eindruck haben, es gehe um riesige Summen, die da hin und her verschoben werden –, darf ich, legitimiert durch Herrn Professor Kristen, dem Hohen Haus mitteilen: Bei der Firma Normalia handelt es sich um einen Kleinbetrieb mit einem Jahresumsatz von 2,5 Millionen Schilling, und von diesen 2,5 Millionen Schilling entfällt 1 Million Schilling auf den Umsatz mit Bandagistenwaren. (Abg. Dr. Haider: Immerhin fast 50 Prozent!) In der Statistik der Wiener Gebietskrankenkasse ist die Firma Normalia bei den Umsätzen mit allen Bandagisten weit im untersten Drittel zu finden. (Abg. Dr. Graf: Da müssen wir eine Kollekte veranstalten!) Also auch in diesem Fall wurde nun der Wahrheit die Ehre gegeben.

Was Sie, sehr geehrte Damen und Herren, hier hergezeigt haben, kann ich nur als Badeschlapfen bezeichnen. Aber ich nehme das Problem sehr ernst und werde um Aufklärung bemüht sein. Wenn das stimmt, was Sie behaupten, daß nämlich für diesen Badeschlapfen – nach meiner Diktion – 12 700 S inklusive Mehrwertsteuer bezahlt wurden, dann ist das sicher ein Fall für den Staatsanwalt.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 163

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte das ursprünglich nicht tun, aber nachdem meine Vorrednerin in ihrem Punkteprogramm auf die Privatversicherung hingewiesen hat, möchte ich doch auch darauf eingehen, wie eine solche Privatversicherung aussehen würde. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Ein Angestellter, 40 Jahre nach dem ASVG versichert, hat eine Frau und drei Kinder. Er bezahlt für diesen Versicherungsschutz, den die soziale Krankenversicherung bietet, 1 326 S. Ein Privatier, der keinerlei Berufseinkommen hat, der ebenfalls eine Frau und drei Kinder hat und sich privat versichern lassen will – auf dem gleichen Leistungslevel, den ihm die soziale Krankenversicherung bietet –, zahlt – das habe ich mir von einem renommierten, großen österreichischen Versicherungsinstitut ausrechnen lassen – nicht 1 326 S pro Monat, sondern 8 804 S. Wenn sich, meine sehr geehrten Damen und Herren, alle Österreicherinnen und Österreicher privat versichern lassen würden, würden sie um 30 Milliarden Schilling mehr bezahlen. (Abg. Dr. Haider: Das ist sicher falsch, lieber Freund!)

Und der springende Punkt ist: Von den 30 Milliarden Schilling würden nur 75 Prozent in Form einer Leistung an die Versicherten zurückfließen, im Gegensatz dazu sind dies bei der sozialen Krankenversicherung zwischen 96 und 97 Prozent. Eine private Versicherung, meine Damen und Herren, ist daher striktest abzulehnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich auch noch einige Bemerkungen zu Gehältern und Beschäftigten im Bereich der Mitarbeiter der Sozialversicherung machen, weil diese auch immer kritisiert werden. Die Sozialversicherung weist insgesamt 28 700 Mitarbeiter auf, und davon ist die Hälfte – Ärzte, Schwestern, Krankenpfleger – im medizinischen Dienst tätig. Ich darf davon ausgehen, daß auch Sie von der Freiheitlichen Partei das sicherlich nicht einschränken wollen.

Die andere Hälfte ist in der Verwaltung tätig, und da beträgt das durchschnittliche Jahreseinkommen laut Rechnungshofbericht 368 000 S. Wenn ich jetzt alle Gehälter in Unternehmungen und Einrichtungen des öffentlichen Dienstes vergleiche: Die Bediensteten im Bereich der Sozialversicherung liegen an elfter Stelle. Also man kann nicht sagen, daß da die Superprivilegierten, die Spitzenverdiener zu Hause sind, sondern sie haben einen guten Mittelplatz.

Lassen Sie mich aber auch einige Antworten geben, speziell die Wiener Gebietskrankenkasse betreffend. – Sie haben in Ihrer dringlichen Anfrage ausgeführt, daß es bei der Wiener Gebietskrankenkasse von 1988 bis 1994 eine Personalsteigerung um 371 Personen gegeben hat. Ich darf Ihnen mitteilen, daß davon 266 auf die Gesundheitseinrichtungen entfallen, es handelt sich um Schwestern und Ärzte im Ambulatorium und im Hanusch-Krankenhaus.

Was ist die Ursache dieser Steigerung? – Eine wesentliche Ursache ist die Einführung des zweiten Karenzjahres für die weiblichen Beschäftigten, und eine zweite Ursache ist – und das ist erfreulich für die Allgemeinheit –, daß wir eine sehr junge Belegschaft haben, davon sind eben sehr viele Mitarbeiterinnen in Karenz gegangen. So hatten wir im Vergleich von 1988 zu 1994 im Jahr 1994 um 90 Beschäftigte mehr allein im Gesundheitswesen in Karenz, und die mußten natürlich ersetzt werden.

Aber Sie haben ja die Statistik nur bis 1994 besprochen. Ich halte Ihnen zugute, daß Sie das letzte Ergebnis nicht kennen können, aber ich sage Ihnen: Was die Personalentwicklung in der Wiener Gebietskrankenkasse von 1994 bis heute angeht, haben wir im Bereich der Verwaltungsangestellten 96 eingespart, weil wir seit Juli des Vorjahres einen generellen Aufnahmestopp verfügt haben.

Ein paar Bemerkungen zu den Kennzahlen der Wiener Gebietskrankenkasse. Laut Statistik des Hauptverbandes verzeichnete, wenn man den Verwaltungsaufwand in Prozenten der Beiträge ausdrückt, die Wiener Gebietskrankenkasse von allen neun Gebietskrankenkassen mit 3,51 Prozent im Jahr 1994 den geringsten Verwaltungsaufwand, und ich darf Ihnen sagen, daß der Verwaltungsaufwand heuer knapp unter 3 Prozent liegen wird.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 164

Eine weitere Kennzahl: Wie viele Versicherte kommen auf einen Beschäftigten? – Diesbezüglich liegt die Wiener Gebietskrankenkasse mit der größten Zahl von Versicherten pro Beschäftigtem an zweiter Stelle, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich darf Ihnen aber auch sagen, daß die Wiener Gebietskrankenkasse bereits im Jahr 1990 mit rigorosen Einsparungen begonnen hat. Wir hatten bis 1990 oder 1991, als wir sie verkauft haben, für die Beschäftigten sechs Wohnhäuser. Zwei Grundstücke, die wir nicht mehr gebraucht haben, wurden auch verkauft – ein Gegenwert von 150 Millionen Schilling.

Wir haben im Jahr 1994 eine Kürzung notwendiger Investitionen um 103 Millionen vorgenommen, 1995 um fast 119 Millionen, 1996 um fast 169 Millionen. Wir haben also in den letzten drei Jahren 504 Millionen Schilling eingespart.

Wir haben im Bereich des Hanusch-Krankenhauses Strukturmaßnahmen durchgeführt. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß wir seit Juli 1995 im Verwaltungssektor keine Personalaufnahmen mehr durchgeführt haben. Wir haben vier nicht gut ausgelastete Ambulanzen in unseren Gesundheitszentren gesperrt. – Aber das ist leider alles noch zuwenig. (Abg. Dr. Haider: Warum habt ihr soviel Defizit? Wie hoch sind denn die Zusatzpensionen, Kollege?)

Wir haben zum Beispiel bei den Verhandlungen der Ärzteverträge bereits in den Jahren 1995 und 1996 erreicht, daß wir nicht mehr über der Inflationsrate abgeschlossen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe eingangs gesagt, ich bin Funktionär der Wiener Gebietskrankenkasse. Da ist es natürlich naheliegend, daß ich auch den Beschluß der Verkürzung des Krankengeldes von 78 auf 26 Wochen mitgetragen habe, daß ich da mitgestimmt habe. (Abg. Dr. Puttinger: Das ist ein Skandal! Das traust du dich noch zu sagen?)

Ich darf Ihnen auch die Beweggründe sagen, und ich darf Ihnen sagen, daß es niemandem in der Generalversammlung der Wiener Gebietskrankenkasse leichtgefallen ist, diesen Beschluß zu fassen. Aber eines muß man der Öffentlichkeit schon sagen: Es wird immer Kritik geübt an den Mitgliedern der Selbstverwaltung, aber die Mitglieder der Selbstverwaltung haben aufgrund des Gesetzes, des ASVG, das wir hier alle miteinander einmal beschlossen haben, mehr Verantwortung als der Generaldirektor oder die Direktoren. (Abg. Dr. Haider: Das mit den Sonderpensionen wäre interessant!)

Die Mitglieder der Selbstverwaltung, meine sehr geehrten Damen und Herren – wir haben Gutachten einholen lassen –, haften mit ihrem Privatvermögen. (Abg. Dr. Haider: Warum kürzt ihr nicht die Sonderpensionen? 450 Millionen Schilling allein!) Der § 121 Abs. 3 des ASVG sagt klar und deutlich: satzungsmäßige Mehrleistung nur unter Bedachtnahme auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Versicherungsträgers. Aus dieser Verantwortung heraus, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist diese Maßnahme gesetzt worden.

Abschließend noch kurz zur Struktur der Krankenkassen. Wir haben in Österreich neun Gebietskrankenkassen, zehn Betriebskrankenkassen. Ordnen wir nun die Betriebskrankenkassen den Gebietskrankenkassen zu, würden wir den betroffenen Unternehmen einen Gefallen tun, während das Defizit der Gebietskrankenkassen sich vergrößern würde, weil diese auch noch die Verwaltungskosten der Betriebskrankenkassen mitbezahlen müßten.

Zwei Vergleichszahlen: In der Schweiz gibt es 200 Krankenkassen und in Deutschland 1 000 Krankenversicherungsträger mit zwei- oder dreimal so hohen Beiträgen wie den unsrigen.

Es ist sicherlich notwendig, die finanzielle Struktur insgesamt, die finanzielle Situation der Krankenkassen zu bereinigen, aber an dem grundsätzlichen System der sozialen Krankenversicherung werden wir nicht rütteln lassen, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 165

19.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist der Abgeordnete Dr. Rasinger. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

19.09

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Thema der heutigen dringlichen Anfrage kann ich relativ wenig anfangen. Das Thema lautet: "kranke Kassen". Ich glaube aber, die Kassen sind nicht krank. Das ist meine persönliche Überzeugung, obwohl ich viel an Kritik anzubringen habe. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Angefault sind sie!)

Ich glaube, man sollte das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Wenn Sie internationale Vergleiche anstellen würden, würden Sie draufkommen, daß wir eigentlich sehr stolz sein können, denn für relativ wenig Geld leisten wir sehr viel.

Wir haben ein Leistungsniveau, das etwas unter dem deutschen Niveau liegt, und trotzdem haben die Deutschen pro Kopf 30 Prozent mehr Kosten. Das muß man einmal zur Kenntnis nehmen. (Abg Dr. Haider: Woanders ist es noch schlechter, daher ...!)

Eine weitere Kennzahl, bevor wir da in Details einsteigen: Die Deutschen haben im Schnitt einen Kassenbeitragssatz von 13,5 Prozent. Wir haben bei den Angestellten, was die Pflegeversicherung betrifft, einen reinen Satz von sechs plus null Komma acht. Das heißt, wir finanzieren mit relativ wenig Geld sehr viel. Ich glaube, man sollte das den Leuten einmal klar sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn man von Defizit redet, muß man sich schon fragen, was mit dem Geld geleistet wird. Ein Teil, 4,4 Milliarden Schilling, wandert in die Verwaltung – Verwaltung muß es geben –, und der Rest sind eben Leistungen. (Abg. Dr. Pumberger: Darf’s ein bisserl mehr sein?) Man kann sich darüber unterhalten, welches Niveau von Leistungen man will. Man kann ein Leistungsniveau hoch ansetzen, man kann es niedrig ansetzen. Ich bin völlig d’accord, daß Leistung kostengünstig sein soll. Ich bin aber nicht dafür, daß man sagt, Leistung soll minderwertig oder in Massenqualität erbracht werden. Gerade im medizinischen Bereich würde ich davor warnen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Die minderwertig sind und zum Höchsttarif verkauft werden!)

Ich habe auch Probleme mit den verschiedenen Personalständen. Mir ist es nicht ganz erklärlich, warum die eine Krankenkasse in den letzten Jahren kaum Personalzuwächse hat, während die anderen sehr starke verzeichnen – wenn man jetzt das Spezialproblem Wien wegrechnet. (Abg. Dr. Haider: Brauchst nur den Schwimmer zu fragen, der gehört deiner Fraktion an!)

Ich glaube, prinzipiell sollten wir stolz sein auf das Niveau, das wir in Österreich haben. Wir sollten uns gegen die Tendenzen wehren, die international bestehen, Herr Dr. Haider. International geht die Tendenz ganz klar in Richtung Zwei-Klassen-Medizin, ausgehend von Amerika. Ich glaube, es ist ein Wert, den es sich zu verteidigen lohnt: daß wir in Österreich versuchen, vor allem bei den "Kleinen", für die Sie sich ja auch einsetzen, und den Armen nicht über ein gewisses Maß hinauszugehen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Wir haben schon eine Zwei-Klassen-Medizin!)

Ich bin praktischer Arzt, und es ärgert mich, daß gerade die "Kleinen" derzeit sehr sekkiert werden; konkret meine ich die Chefarzt-Schikanen. Es wird ihnen en bloc manches gestrichen, beispielsweise bei der Physikotherapie, aber auch bei Medikamenten. Das ist für mich oft nicht nachvollziehbar. Ich habe zum Beispiel sechs Patienten im Rahmen der Hauskrankenpflege gepflegt. Es wurde wortlos gestrichen, ohne irgendeine Begründung.

Ich glaube, so etwas sollte man abstellen. Letztendlich ist ja nicht der Arzt der Kostenverursacher, sondern das wird ja eins zu eins an den Patienten weitergegeben.

Vier Faktoren sind es, über die wir nachzudenken haben:

Der erste ist der Leistungsfaktor. Ich habe mir gestern den Bericht der österreichischen Herzchirurgiegesellschaft angesehen und mir einiges daraus notiert. Wir reden immer davon, daß alles so teuer ist. Haben Sie gewußt, daß sich in den letzten zehn Jahren die Zahl der Herzkatheteruntersuchungen von 5 400 auf 21 000 erhöht hat?


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 166

Haben Sie gewußt, daß die Zahl der Aufdehnung ... (Abg. Dr. Graf: Herr Kollege Rasinger! Das haben Sie hier im Parlament schon einmal erzählt!) Nein, das sind ganz neue Zahlen – von gestern! Sie brauchen keine Angst zu haben, von mir hören Sie nur die neuesten Zahlen, und wenn Sie mir eine einzige "langweilige" Zahl vorwerfen können, dann werde ich mich bemühen, nächstes Mal noch besser zu sein.

Ich möchte Ihnen einen gewissen Standard vorlegen, damit Sie sehen, daß sich Ärzte auch mit wirtschaftlichen Dingen beschäftigen. Das ist oft ganz interessant. Ich werde nämlich zu einer interessanten Conclusio kommen.

Beim Aufdehnen von Gefäßen ist die Zahl der Patienten von 348 auf 4 900 gestiegen – also um das Vierzehnfache! –, bei Herzoperationen, bei Herzkranzgefäßen von 2 000 auf 5 700, also um das Dreifache.

Vor zehn Jahren wurden kaum ältere Menschen am offenen Herz operiert, heute sind es schon fast 30 Prozent. Wissen Sie, was diese Operationen kosten? Diesbezügliche Zahlen habe ich mir auch besorgt: Ein Herzkatheter kostet 40 000 S, eine Aufdehnung eines Herzkranzgefäßes 80 000 S. (Abg. Dr. Graf: Das sind Zahlen von der letzten Rede!) Bei 30 Prozent der Gefäße muß man einen Edelmetall-Stand zum Offenhalten dazugeben, das kostet noch einmal 30 000 S. Eine Herzoperation kostet 160 000 S und ein Rehabilitationsaufenthalt im Durchschnitt 70 000 S.

Was ergibt das in Summe an Mehrkosten allein in zehn Jahren, allein in einer einzigen Behandlungsart? Raten Sie einmal, weil Sie immer so gerne zwischenrufen und sagen, das sei alles schon bekannt. (Abg. Dr. Haider: Du bist eben nie da, daher kannst du keine Zwischenrufe machen!) – 1,5 Milliarden Schilling!

Und jetzt raten Sie einmal, wieviel die Krankenkassen in Österreich insgesamt für Heilbehelfe ausgeben; das ist ja heute auch kritisiert worden, Sie haben Schaumstoffmatratzen und Klodeckel aufgezählt. – 1,9 Milliarden! Für eine einzige Krankheitsart, nämlich Herzkrankheiten: nachgewiesen 1,5 Milliarden zwangsläufig resultierende Kosten. Das heißt, man soll nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. (Abg. Ing. Reichhold: Das heißt, die Mißstände bleiben aufrecht?)

Eines möchte ich dem Herrn Minister aber schon sagen: Das sind alles Zwangskosten in einem Reparatursystem. Sie sollten sich aber einmal bemühen, den hohen Blutdruck zu behandeln, die Leute anzuregen, weniger zu rauchen, vielleicht ein bißchen mehr Wein zu trinken – ein Viertel Wein ist sicher gesund für die Herzkranzgefäße (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP) –, ein bißchen zu laufen. Herr Haider, Sie sind ein Marathonläufer, Sie werden sehr lange leben. Für das Sozialsystem ist das sicher teuer, aber für Ihre persönliche Gesundheit gut, denn Sie haben ein um 60 Prozent geringeres Herzinfarktrisiko.

Sie können auch mit Cholesterinsenkung, Sie können allein mit Maßnahmen, die keinen Groschen Geld kosten (Abg. Dr. Haider: Keinen Arzt, das ist der Vorteil! Ich bin ein echter Nettozahler, wie in der EU! Ich belaste das System nicht!), nach Ansicht der amerikanischen Kardiologengesellschaft so manchen Herzinfarkt verhindern. Und jetzt raten Sie wieder – ein Quiz für Nichtmediziner –: Wieviel von acht Herzinfarkten können Sie theoretisch vermeiden? Raten Sie einmal! – Von acht Herzinfarkten können Sie nach Meinung von Kardiologen in Amerika sieben vermeiden!

Das ist die Aufgabe. Wir haben in unserem Land leider ein Reparatursystem und kein Vorsorgesystem. Das zu ändern ist der wesentliche Punkt, der in der heutigen Diskussion vorrangig sein sollte, und nicht, ob auch auf allen Matratzen jemand liegt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir reden immer von Fortschritt – Fortschritt kostet eben etwas. Wenn Sie zum Beispiel das Pech haben, in Ihrer Verwandtschaft einen AIDS-Kranken zu haben: Allein die Behandlung einer schweren Pilzerkrankung, Aspergilluspneumonie, kostet, so wurde mir von Experten gesagt, bis zu 200 000 S. Es ist eine ethische Frage, ob Sie das dem Patienten verweigern oder nicht. Ich habe bis jetzt in meinem Leben noch keinen einzigen Patienten und auch keinen einzigen Ange


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 167

hörigen erlebt, der gesagt hat: Nein, das machen wir nicht, das ist zu teuer! Das habe ich noch nie gehört. Ich habe immer nur gehört: Wo ist der beste Arzt, wo ist die beste Betreuung? (Abg. Dr. Haider: No na!)

Ein anderes Beispiel, weil wir schon bei No-na!-Beispielen sind – und alles mit Zahlen belegt; ich möchte gerne mit Zahlen argumentieren:

15 000 Hüftoperationen gibt es im Jahr in Österreich, es handelt sich um Menschen, die hingefallen sind. Früher galten sie als invalid, kamen ins Pflegeheim, was hohe Kosten zur Folge hatte. Eine einzige künstliche Hüfte – das Material allein! – kostet 15 000 S. Das ist die neueste Zahl – vom Stadtrat Stacher vorgelegt – von Hüftpatienten, die durchschnittlich 80 Jahre alt waren. (Abg. Dr. Haider: Es kostet der Badeschlapfen schon 12 000 S bei der Sozialversicherung! – Heiterkeit.) Herr Haider, ich glaube, es ist nicht so lustig in Wirklichkeit. Das ist bitter ernst, es geht nämlich um die Zukunft von Patienten. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Deswegen schneiden wir ja das Thema an!)

Von durchschnittlich 1 000 Hüftpatienten, die rehabilitiert wurden, konnten von den durchschnittlich 80jährigen Frauen, die eine Hüfte bekommen haben – sie wären früher fast alle im Pflegeheim gelandet –, 86 Prozent entlassen werden, nur 1,6 Prozent mußten ins Pflegeheim.

Sie sehen, was ich sagen wollte mit diesen drei Beispielen. Der Fortschritt in der Medizin droht uns weltweit zu überrollen. Das ist die Mega-Frage, die uns beschäftigen wird, und nicht, ob jetzt eine Matratze 100 S oder 200 S mehr kostet. – Wobei mir von der Krankenkasse gesagt wird, daß manche Beispiele so nicht stimmen. Ich bin auch für Sparsamkeit, aber die Beispiele müssen wirklich hieb- und stichfest sein.

Zweitens: Die Alterslawine wird uns große Probleme bereiten. Alle fünf Jahre erhöht sich das Schlaganfallrisiko für Menschen über 60, beim Morbus Altzheimer ebenso wie bei der Parkinsonschen Krankheit. Bedenken Sie, daß wir alle zehn Jahre allerdings drei Jahre älter werden. Das heißt, wir laufen automatisch in eine Fortschrittsfalle. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haider. )

Herr Haider, bitte aufpassen! Sie können viel lernen von mir. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Wir brauchen nicht aufzupassen, weil das haben wir vor drei Monaten alles schon aus Ihrem Mund gehört! Ich habe mir das alles gemerkt!) Nein, Sie haben leider geschlafen und nichts kapiert. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Es ist eine Nachhilfestunde, die ich heute leider erteilen muß, eine gesundheitspolitische Nachhilfestunde. Denn wenn man nicht die basics, die Basis versteht, kann man das Gesamtproblem nicht lösen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Reichhold: Sie könnten Oberlehrer werden!)

Wenn Sie Patient sind, wollen Sie maximale Genauigkeit, und diese Genauigkeit erfordert heutzutage den Einsatz von genaueren Geräten. Allein das kostet schon Geld: Computertomographie, Kernspin-Tomographie; oft muß ein zweiter Arzt hinzugezogen werden, um die Diagnose zu verifizieren. Neuestes Beispiel: In Deutschland gibt es einen Riesenskandal. Frauen wurde aufgrund der Diagnose Brustkrebs irrtümlicherweise die Brust entfernt, weil die Diagnose des Pathologen nicht gestimmt hat. Es wird dort nun gefordert, daß jeder Knoten, der größer als 2 Zentimeter ist, von einem zweiten Pathologen angeschaut werden muß. – Wenn ich eine Frau wäre, dann wäre ich natürlich sehr froh darüber, wenn das mit größter Genauigkeit gemacht wird; das bedeutet aber Zusatzkosten.

Vierter  Punkt – damit komme ich  zur aktuellen gesundheitspolitischen Diskussion  in  Österreich –: Wir haben eine Krankenhausreform zumindest versucht, das ist nämlich wirklich ein Megading. Wenn man die Leute den Spitälern fernhalten will, indem Spitäler geschlossen beziehungsweise Leistungen dort zurückgenommen werden, müssen draußen Leistungen angeboten werden – ansonsten müßte sich der Patient ja in Luft auflösen. Und wenn Sie deutsche oder Schweizer Berechnungen hernehmen, dann sehen Sie: Auch ohne Spitalsreform kommt es in Deutschland und in der Schweiz zu einem Zuwachs an Patientenkontakten in den Ordinationen von 25 Prozent. Das heißt, die Patienten gehen nicht zum Arzt, um sich zu wärmen oder irgendwo die Zeit zu versitzen, wie es oft behauptet wird, sondern die Leute haben Beschwerden und wollen ernstgenommen werden.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 168

Ich komme zum Schluß. Worum geht es uns von der ÖVP? – Wir wollen das Leistungsniveau sichern, wir wollen das, was der Bürger will: nämlich die Leute nicht bevormunden und bestimmen, welches Niveau für sie geschaffen werden soll. Wir wollen ein hohes Niveau. Wir wollen uns ein gutes System leisten, und wir wollen das Gesundheitssystem auch einmal mit den Augen der Kranken und Behinderten sehen. Wir sehen es immer mit den Augen der Gesunden, aber die Kranken und Behinderten haben dazu eine ganz andere Einstellung.

Ich glaube, wir sollten darauf achten, den achten Platz der Länder der westlichen Welt nicht zu verlassen, eher hinaufzurücken, aber jedenfalls nicht hinunterzurücken. Dazu braucht es erstens Sparsamkeit, zweitens ein Bekenntnis zu Reformen – das wurde heute auch schon gesagt –, drittens ein Bekenntnis, daß man auch zu den Kosten stehen soll – aber bei den Lohnnebenkosten wird weltweit im Gesundheitswesen nicht mehr viel zu machen sein –, und viertens – der wichtigste von allen Punkten – müssen wir weg von einem Reparatursystem hin zu einem Vorsorgesystem. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Prophylaxe!)

19.23

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

19.23

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einiges von dem, was Herr Pumberger heute in seiner Rede erwähnt hat, habe ich selbst ungewollt schon einige Male erlebt. Und deshalb ist es für mich auch kein Wunder, wie die Krankenkassen jetzt dastehen. Ihr finanzielles Desaster haben sie sich selbst zuzuschreiben.

Ich spreche immer wieder über die Anliegen behinderter Menschen, weil es mich selbst betrifft; da weiß ich, wovon ich rede. Was da aufgeführt wird von seiten der Krankenkassen auf Kosten von behinderten Menschen, auf Kosten von kranken Menschen, das ist teilweise ungeheuerlich, und das mußte ich schon einige Male selbst über mich ergehen lassen. (Beifall bei den Grünen und den Freiheitlichen sowie Beifall des Abg. Hans Helmut Moser. )

Ich möchte ein Beispiel von wirklich höchster "Ideenbereitschaft" der Krankenkasse erzählen. Es liegt zwar schon über zehn Jahre zurück, aber die Zustände sind heute auch noch so. Vor 15 Jahren hatte ich das Problem, daß ich plötzlich auf einem Ohr nichts mehr gehört habe. Ich war gezwungen, ins Krankenhaus zu gehen. Als Diagnose hat man nicht viel feststellen können, aber es wurde auf jeden Fall einmal fürs erste, denn das könne ja nicht schaden, eine Operation verordnet. Ich bin also am Ohr operiert worden. Nach einem Jahr wurde ich wieder operiert, ein Jahr später wieder und dann noch ein viertes Mal. Beim vierten Mal hat man mir gesagt: Es wird nicht mehr operiert, wir haben einfach wieder zugemacht, das Ohr ist kaputt, das können Sie vergessen. Hoffentlich können Sie sich das zweite Ohr erhalten. – Mit dieser Diagnose wurde ich nach Hause geschickt.

Drei Jahre später hat das zweite Ohr plötzlich angefangen, seine Dienste nicht mehr zu tun. Da bin ich in Panik geraten, weil ich Angst gehabt habe, daß ich auch auf dem zweiten Ohr unter Umständen nach vier Operationen nichts mehr hören könnte. Da mir wieder nur empfohlen wurde, das Ohr operieren zu lassen, ich aber die totale Panik vor jeder weiteren Operation gehabt habe, bin ich selbst initiativ geworden und habe mir überlegt, was ich eigentlich tun könnte, um eine solche Operation zu verhindern.

Ich bin daher von einem Hörgeräte-Akustiker zum anderen gefahren, habe alles durchprobiert, was auf dem Markt war, und ein Gerät gesucht, mit dem ich hören konnte. Beim dritten Hörgeräte-Akustiker habe ich ein Hörgerät gefunden, das gepaßt hat und mit dem ich plötzlich gehört habe. Damit ausgerüstet bin ich nach Wien ins Krankenhaus gefahren und habe gesagt: Ich habe jetzt ein Hörgerät gefunden, mit dem ich hören kann. Bitte verordnet mir das Hörgerät, damit ich nicht operiert werden muß. Das Hörgerät ist mir lieber, und außerdem macht es mir weniger Streß.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 169

Nach monatelangem Hin und Her und nach großen Schwierigkeiten und Streitereien ist es mir gelungen, das Hörgerät bewilligt zu bekommen. Dieses hat 19 000 S gekostet, und ich hätte es anfangs selbst bezahlen müssen. Was die Operation gekostet hätte, weiß ich nicht.

Ich habe es natürlich verweigert, mein Hörgerät selbst zu bezahlen, und zwar mit folgendem Argument: Wenn ich kein Hörgerät habe, dann kann ich nicht arbeiten. In drei Monaten hatte sich durch die Zahlung der Krankenkasse das Hörgerät amortisiert. Ich konnte weiterarbeiten. – Damit habe ich die Finanzierung des Hörgerätes sichergestellt, mit dem Erfolg, daß ich seit zehn Jahren gut höre und in den zehn Jahren einen Aufwand gegenüber der Gebietskrankenkasse von 19 000 S verursacht habe. Hätte ich mich darauf eingelassen, mich weitere vier Mal operieren zu lassen, würde ich heute hier wahrscheinlich einen Gebärdendolmetsch brauchen, und wohin die Kosten gerasselt wären, kann ich nicht abschätzen. Bei 19 000 S wäre es sicher nicht geblieben.

Ich habe dieses Beispiel deshalb erwähnt, weil ich die Erfahrung gemacht habe, daß als erste Möglichkeit bei Auftreten einer Krankheit – zumindest im Behindertenbereich, da kann ich es gut abschätzen – sofort einmal mit einer Operation gedroht wird. Ob diese etwas bringt oder nicht, welche Alternative es gäbe oder ob es keine gibt, dazu wird nichts gesagt. Wichtig ist, zu operieren. Ich glaube, auch in diesem Bereich – diese Erfahrung haben auch viele meiner behinderten Freundinnen und Freunde gemacht – hätte man den behinderten Menschen sehr viel an Ängsten, Schmerzen und Leid ersparen können, die Krankenkassen hätten sich unter Umständen sehr viel an finanziellen Aufwendungen erspart, wenn es nicht immer als erstes gleich "operieren" hieße.

Aber nach der Operation kommt meistens noch ein Kuraufenthalt. Es ist in sehr vielen Fällen so, daß jemand, der operiert wurde – ich spreche wieder vom Behindertenbereich –, in ein Rehab-Zentrum geschickt wird, wo man nichts mit ihm anfangen kann, wo man auf Behinderte nicht eingestellt ist. Mir selbst ist das schon passiert. Ich wurde mit Osteopsathyrose in ein Rehab-Zentrum zur Behandlung des rheumatischen Formenkreises geschickt, mit dem Ergebnis, daß ich dort drei Wochen abgesessen habe, zweimal kollabiert bin vor lauter Hitze, weil ich das nicht aushalte, was Leute brauchen, die rheumatische Beschwerden haben – und nach diesen drei Wochen bin ich wieder nach Hause gefahren.

Ich habe nie danach gefragt, was es gekostet hat. Aber es hat zumindest einen positiven Effekt für die Krankenkassen gehabt: Ich werde sicher nie wieder um eine Kur ansuchen. Das ist also damit gelungen. Ich bin von Kuren und Krankenhäusern in weiten Bereichen ehrlich geheilt.

Wer auf Kur ist, bekommt meist hinterher noch irgendeinen Heilbehelf. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Der Feurstein muß den Minister schon wieder ablenken! Lassen Sie doch den Herrn Minister zuhören!) Und welchen man bekommt, ist abhängig davon, mit welchem Bandagisten beziehungsweise mit welcher Firma das Rehab-Zentrum einen Vertrag hat. Zum Beispiel wird im Weißen Hof in Klosterneuburg querschnittgelähmten Menschen eine ganz bestimmte Marke von Rollstühlen angeboten. In Bad Häring ist es eine völlig andere Marke, und im Rehab-Zentrum Tobelbad in der Steiermark gibt es wieder eine andere Marke. Ich habe einmal gefragt, warum das so ist. Ich bin immer davon ausgegangen, daß jeder Betroffene nach den optimalsten Bedingungen mit orthopädischen und anderen Heilbehelfen versorgt werden sollte. – Ich bin eines Besseren belehrt worden. Es geht nicht darum, womit man am besten versorgt ist, sondern welches Kontingent das Rehab-Zentrum dem Händler sowieso abnehmen muß. Ich habe selber Telefongespräche mitgehört, als ich in der Reparaturwerkstätte auf meinen Rollstuhl gewartet habe, wo es geheißen hat: Nein, dem Berger müssen wir die Marke Sowieso verkaufen, denn davon müssen wir heuer noch 20 hinausbringen. – Das ist die Realität! (Abg. Dr. Haider: Sehr gut, Frau Kollegin, sehr gut!)

Daß der Rollstuhl der Firma XY unter Umständen niemals der Behinderung des einzelnen angepaßt werden kann, das versteht, glaube ich, bereits ein Laie. Wenn heutzutage noch jemand davon ausgeht, daß ein Rollstuhl als einzige Funktion hat, daß man sich auf vier Rädern fortbewegen kann, so ist das ein Irrtum. Denn eines ist klar, Herr Sozialminister: Ein falsch verordnetes Hilfsmittel oder ein falsch verordneter Heilbehelf reduziert oder stabilisiert nicht


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 170

Behinderung, sondern verursacht zusätzliche Behinderungen. (Beifall bei den Grünen und den Freiheitlichen.)

Ich glaube, in diesem Bereich müßte man sich langsam wirklich überlegen, wie das laufen kann. Dazu braucht es nicht irgendwelche Fachleute. Fragen Sie uns betroffene Menschen und lassen Sie uns andere betroffene Menschen in den Rehab-Zentren, in den Krankenanstalten beraten. Wir wissen, was wir brauchen. Wir wissen, worauf wir gut sitzen. Wir wissen, was unser Rücken aushält und was nicht. Und bitte schicken Sie uns nicht überallhin Fachleute, die eigentlich keine Fachleute des Rehab-Zentrums oder des Krankenhauses (Abg. Mag. Stadler: Die kassieren!), sondern einfach Gesandte irgendwelcher Orthopädiezentren oder Firmen sind. (Beifall bei den Grünen und bei den Freiheitlichen.)

Die Hilfsmittelversorgung ist wirklich ein Thema, das man nicht übersehen darf. Ich muß zum Beispiel, wenn ich heute eine neue Batterie für meinen Elektrorollstuhl brauche, eine seitenlange Begründung schreiben, warum ich diese Batterie brauche – ich könnte ja unter Umständen eine Blumenvase im Wohnzimmer daraufstellen und sie nicht in den Rolli einbauen. Ich schreibe also eine seitenlange Begründung. Das fällt mir nicht schwer, mit Zynismus läßt sich das alles lösen. Und dann bekomme ich das unter Umständen bewilligt, mit dem Vermerk: Hierbei handelt es sich um eine freiwillige Leistung Ihrer Sozialversicherungsanstalt, es besteht aber kein Rechtsanspruch. – Das steht immer drauf – egal, ob ich ein Hilfsmittel oder einen Heilbehelf brauche, der 800 S kostet, oder einen, der 80 000 S kostet. Dieser Satz wird mir immer wieder geliefert, wahrscheinlich um auszudrücken: Du weißt, was wir für dich tun, aber verlange nicht zuviel von uns.

Ich weiß also, was die Gebietskrankenkasse für mich tut. Aber die Gebietskrankenkasse hat sich noch nie überlegt, was ich für sie mache. Denn ich könnte ohne weiteres sagen: Okay, ich will gar keine Batterie für meinen E-Rolli. Dafür kann ich aber nicht arbeiten. Was haltet ihr davon? Manchmal habe ich den Eindruck, das wäre den Gebietskrankenkassen lieber. Es wäre ihnen lieber, Menschen zu Hause in ihren Wohnungen, in stationären Einrichtungen ihr Leben absitzen zu lassen, anstatt sie entsprechend bedarfsgerecht zu versorgen, damit sie selbständig leben können und als Teil der Gesellschaft wieder mit dabei sind. Aber an diese Form der Rehabilitation, der Wiedereingliederung in die Gesellschaft mit allen Rahmenbedingungen, die es braucht – und dazu gehören eben Hilfsmittel, Heilbehelfe –, daran denkt die Krankenkasse eigentlich nicht.

Für alte Menschen, die aufgrund von Inkontinenz Windeln brauchen, gibt es pro Quartal ein Kontingent. Wenn jemand das Pech hat, daß er aus irgendwelchen Gründen mit seinem Windelkontingent nicht auskommt, dann muß er eine Begründung schreiben. Die Krankenkasse nimmt wohl an, die Windeln seien so schön, daß sich vielleicht irgendwer zu Hause die Wände damit tapeziert. – Ich glaube aber eher, das ist Schikane.

Wir müssen wegkommen von diesem Druck, daß wir für alles dankbar sein müssen, was wir von der Krankenkasse bekommen. Wir erbringen Leistungen, gewaltige Leistungen in Form von Einzahlungen, in Form von Arbeit, in Form von Leben in der Gesellschaft auch ohne Arbeit. Ich möchte mich nicht ständig für etwas bedanken müssen, was für mich von unumgänglicher Notwendigkeit ist, um so leben zu können, wie es mir zusteht. – Danke. (Beifall bei den Grünen, den Freiheitlichen und dem Liberalen Forum.)

19.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Haupt. – Bitte.

19.37

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, Frau Kollegin Haidlmayr hat uns das Problem der Heilbehelfe aus der Sicht eines Behinderten in einer Form geschildert, wie es für jeden hier im Parlament, der halbwegs Menschlichkeit an sich hat, sehr eindrucksvoll war. (Abg. Mag. Stadler: Das hat Rot und Schwarz überhaupt nicht interessiert!) Sie hat uns mitgeteilt, welche Erlebnisse man Tag für Tag als Behinderter mit Heilbehelfen, mit Kuranstalten, mit


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 171

Sachverständigen, mit Gutachtern, mit Ärzten und mit dem Umfeld hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist nicht einfach für einen Menschen, zeitlebens mit einer Behinderung fertig werden zu müssen, am Arbeitsplatz seinen Mann zu stehen – auch dann, wenn er eine Frau ist – und sich auch noch die Schikanen der Bürokratie gefallen lassen zu müssen.

Es ehrt Sie, Herr Bundesminister – man hat es Ihrem Gesicht angesehen –, daß Ihnen das zu denken gegeben hat. (Abg. Mag. Stadler: Eine Ausnahme bei der SPÖ!) Ich hoffe aber, Herr Bundesminister, daß Ihnen auch das zu denken gibt, was wir Ihnen in der heutigen Debatte vorgeführt haben.

Am 1. Juli 1996 soll der Katalog in Kraft treten, und einiges, Herr Bundesminister, stimmt nicht damit. Auf Kosten von kranken Menschen, von Menschen, die keine Experten sind, werden Geschäfte gemacht mit der Sozialversicherung, mit den Beitragszahlern, mit den Selbstbehaltzahlern, die aus meiner Sicht in keiner Weise zu rechtfertigen sind.

Kollege Rasinger hat uns eine Grundübersicht über seine hochtechnologischen medizinischen Vorstellungen gegeben und uns anhand der Herzkatheter vorgerechnet, wie sich die Präventivmedizin unter Umständen – nach Ansicht der amerikanischen Fachärzte – rentieren könnte.

Kollege Rasinger! Sie wissen ganz genau, daß es im Bereich der Präventionsmedizin aufgrund der höheren Alterspyramide durchaus auch andere Berechnungen gibt: nämlich daß die Abnützungserscheinungen später auftreten, der Zeitraum für die Zahlung protrahiert wird, die Gesamtleistungskosten steigen und die Einsparungseffekte nicht in der Form möglich sind, wie man sie euphorisch als Grundvorstellungen sieht. – Aber das ist ein Kapitel, über das wir ein anderes Mal diskutieren werden.

Ich mußte mich 1991 einer Nachoperation nach einem Unfall unterziehen, den ich 1983 gehabt habe, der mich ein Jahr ins Krankenhaus gebracht hat, ein halbes Jahr an den Rollstuhl fesselte, ein Jahr an die Krücken, sechs Monate an die Intensivstation, und ich bin daher empfindlich. Ich bin empfindlich, wenn man in diesen Bereichen mit den Leuten horrende Geschäfte durch Selbstbehalte macht und dann Produkte ausliefert, die nicht einmal entsprechend sind.

Ich habe hier drei Dinge mitgenommen, mit denen ich mich damals jeden Tag beschäftigen mußte, weil ich nicht mehr das Glück gehabt habe, mit meinen beiden Beinen gehen zu können. Ich habe mir diese (der Redner zeigt diverse Gehbehelfe) ausgesucht. Sie sehen bei allen die entsprechenden Aufschriften: Einkaufspreis 460 S, hier der Verkaufspreis 1 361 S, Rohaufschlag 196 Prozent, kein Prüfzeichen. Kein Prüfzeichen! Trotzdem wird das honoriert. Es ist von einer Fragilität, daß Sie sich, wenn Sie es zusammensetzen, fragen müssen, wie lange das halten wird, wann es zusammenbrechen wird, wie das überhaupt funktionieren soll.

Wir haben für alle diese Produkte, die hier stehen, die Anforderungsscheine, die entsprechenden Vergütungen, und die Patienten haben die Selbstbehalte bezahlt. Das sind für mich Ungereimtheiten, die abgestellt gehören. Deshalb, Herr Bundesminister, appelliere ich wirklich an Sie: Werden Sie bis 1. Juli tätig! Schauen Sie sich diesen Bereich an und schauen Sie sich auch an, wie es zur Erstellung der neuen Liste dieser ARGE gekommen ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Listenerstellung durch diese ARGE Orthopädie ist für mich höchst fragwürdig, und ich wage zu bezweifeln, daß das, was Kollege Kier hier als Offizialverteidiger versucht hat, in der entsprechenden Form auch möglich sein wird. Denn wenn Sie sich vorstellen, daß das ein Vertragspartner des Hauptverbandes war, der ein Schreiben an alle Interessenten herausgegeben hat, das vom Vizepräsidenten des Hauptverbandes, Probst, mitunterzeichnet war, womit man den Eindruck erweckt hat, daß es sich um die offizielle Liste handle, in die all diese Produkte aufgenommen werden, und womit man auch deutlich gemacht hat, daß am Ende dieser Begutachtungsfrist von 1994 bis nunmehr Juli dieses Jahres nur mehr jene Produkte, die in dieser Liste aufgeführt sind, von den Leuten mittels Krankenscheinen bezogen werden können, so haben sich diese vier Firmen ein Monopol arrondiert, das sie teilweise heute schon unterlaufen, indem


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 172

sie Produkte ohne Prüfzeichen ohne jede Rechtfertigung zu horrenden Preisen an die Patienten abgeben.

Ich weiß, daß das ein schwerer Vorwurf ist, Herr Kollege Kier, und ich habe mir daher die Unterlagen sehr genau angesehen: die einzelnen Rechnungen, die einzelnen Anforderungsscheine, die einzelnen Preislisten sowie die einzelnen Geschäftsfälle. Es kann kein Zufall sein, daß jene, die sich für morgen das Monopol arrondieren wollen, schon heute diejenigen sind, die in mehreren Fällen nachweisbar als schwarze Schafe im Verkauf auf dem Markt agieren. Das sind Geschäfte, Herr Kollege Kier, die für mich nicht tragbar sind, die unmoralisch sind, die abgestellt gehören.

Herr Bundesminister! Ich fordere Sie daher wirklich dringend auf: Seien Sie tätig! Forschen Sie in diesen Bereichen nach bis hin zu dieser ominösen ARGE Orthopädie, und vergessen Sie bitte nicht, daß diese ARGE Orthopädie nicht nur als Verein eingetragen ist, sondern auch im Firmenbuch mit einem gewissen Herrn Radl und dessen Firma Lambert in Salzburg und dessen steirischer Firma in Zusammenhang steht.

Es gibt also hier eine ARGE, die mit vier Firmen eng zusammenarbeitet, die ein Exklusivrecht von etwa 80 Prozent der A-Produkte – die restlichen Produkte werden dann an die anderen Firmen abgeliefert – und im Nein-Bereich fixiert. Die Preisunterschiede sind ja schon deutlich aufgezeigt worden. Sie betragen bei den billigsten Preisstufen 62 Prozent Aufschlag auf A-Produkte und 110 Prozent Aufschlag auf B-Produkte. Und der Nachteil: Die A-Produkte sind voll mit der Gebietskrankenkasse verrechenbar, die B-Produkte müssen vorfinanziert werden und werden dann erst in entsprechender Form refundiert.

Daher sind die Menschen, die sozial schwächer sind, die jeden Schilling umdrehen müssen, wenn sie krank sind, wenn sie behindert sind, diejenigen, die von diesem System doppelt betroffen werden, denn sie haben ja gar nicht das Geld, um dann, wenn die 256 S Selbstbehalt überschritten sind und in den höheren Kategorien 10 Prozent Selbstbehalt zu leisten sind, diese Tausende Schilling hinzublättern, um die entsprechenden Behelfe zu bekommen, um sich dann, wenn sie krank sind und diese Behelfe brauchen, selbst helfen zu können.

Ich glaube daher, Herr Bundesminister, Sie sollten schleunigst nochmals tätig werden und Sie sollten nicht alles, was Ihnen von Ihren Aufsichtsbehörden mitgeteilt wurde, als bare Münze nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie sollten vielleicht andere aus Ihrem Umfeld beauftragen, eine Nachschau bei Ihren Erstinformanten durchzuführen. Vielleicht schaffen Sie so etwas wie eine innere Revision, die jene, die Ihnen diese Erstinformationen gegeben haben, überprüft und in Erfahrung bringt, wie diese dazugekommen sind, Ihnen diese Informationen, die Sie uns bei der Anfragebeantwortung gegeben haben, zu liefern.

Vergessen Sie dabei nicht, was Ihnen Kollege Stadler bezüglich der ARGE Orthopädie genau erklärt hat. Da gibt es die Firma Radl, den Herrn Ivanic, die Frau Ivanic, die Firma Gassinger, die Firma Lambert, da gibt es die entsprechenden Unterstützungen von seiten des Herrn Kristen. Vergessen Sie auch nicht – ich sage es nochmals dazu –, daß jeder, der bei dieser ARGE ein Produkt angemeldet hat, zwischen 3 000 S und 5 000 S zahlen mußte. Wohin sind bei all den Hunderten Produkten, die im Katalog enthalten sind, diese Gelder geflossen? Wo sind sie geblieben? Wo ist der Nachweis? Was ist mit diesen Geldern überhaupt geschehen?

Zum dritten: Wie ist es möglich, daß Billigprodukte aus Taiwan und anderen ostasiatischen Ländern ohne Prüfkennzeichen heute auf dem Markt aufscheinen und Patienten angedreht werden – anders kann ich das nicht bezeichnen –, obwohl diese einen gültigen Kassenvertrag, einen Anforderungsschein und nach meinem Dafürhalten auch das Recht haben, Produkte zu bekommen, die zumindest über die entsprechenden Prüfzertifikate verfügen?

Herr Bundesminister! Sie haben Handlungsbedarf. Wir werden Sie darnach beurteilen, wie Sie diesem Handlungsbedarf gerecht werden und was Sie aus dieser Situation machen – im Interesse der Patienten und auch im Interesse der Kostenwahrheit.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 173

Noch etwas: Ich möchte deutlich und klar sagen, daß es mir nicht um all die in Österreich niedergelassenen Orthopädietechniker, Bandagisten, Hörgerätetechniker und andere geht, deren Produkte sich auf dem Markt finden, aber hier hat sich nach meinem Dafürhalten eine kleine Gruppe von – aus meiner Sicht – vier Firmen ein Marktmonopol gesichert, das sich zum Nachteil der anderen 150 oder 160 Firmen, die sich noch auf dem Markt befinden und Kassenzulassungen haben, auswirken wird. Denn ich darf Ihnen mitteilen, daß alle diese Produkte selbstverständlich auch bei einer kleineren Lagerhaltung zu führen sind. Die Produkte, die nunmehr Nein-Produkte werden, werden nicht mehr in entsprechender Form verkauft werden können, und die Lagerhaltungskosten sind im Verhältnis zu den Umsätzen teilweise horrend hoch.

Ich möchte auch noch darauf hinweisen, daß die 150 kleinen Orthopädiebetriebe und Bandagisten in Österreich jene sind, die als einzige Lehrlinge ausbilden und somit sicherstellen, daß wir in Österreich auch im nächsten Jahrtausend noch Fachleute in diesen Berufen haben, um den Leuten, die durch Unfälle oder durch Krankheiten behindert werden, zur Verfügung zu stehen und sie in entsprechender Form zu betreuen.

Ich glaube, Herr Bundesminister, diese dringliche Anfrage ist zum rechten Zeitpunkt vor Inkrafttreten eingebracht worden, sie ist zu einem Zeitpunkt gekommen, wo Sie noch eingreifen können, wo Sie mit Ihrer Revisionsaufsichtstätigkeit dort noch tätig sein können. Fragen Sie bitte auch einmal beim Herrn Probst nach, ob es ihm denn nicht aufgefallen ist, daß bei den Verhandlungen mit der Handelskammer nicht jene, die in der Handelskammer gewählt wurden, um diese Tarife in entsprechender Form zu verhandeln, anwesend waren, sondern immer nur eine kleine, exklusive Gruppe, die diese Tarifverhandlungen dann ohne jene, die von der Handelskammer gewählt wurden, geführt hat (Beifall bei den Freiheitlichen), und zwar für sich und nicht für die gesamte Berufsgruppe und auch nicht für die "Kleinen" in der gesamten Berufsgruppe.

Ich glaube, das sind die wichtigsten Argumente zu dieser Orthopädieliste.

Herr Bundesminister! Ich garantiere Ihnen: Ich habe für jene Produkte, die ich heute präsentiert habe – Sie können sie von Ihrem Platz aus hier sehen –, die entsprechenden Preislisten, die aus den Jahren 1994 bis 1996 stammen. Die, die aus anderen Jahren als 1996 stammen, sind deswegen auch enthalten, weil sie laut telefonischen Rückfragen bei den Zulieferfirmen im benachbarten Ausland noch heute die gültigen Listen sind, um das auch einmal klar und deutlich zu sagen und um die Zweifel zu beseitigen.

Ich halte nichts davon, Herr Bundesminister, säumig zu sein, aber ich halte viel davon, hier in entsprechender Form tätig zu werden.

Herr Bundesminister! Ich glaube, Sie als Gewerkschafter und Sozialdemokrat sollten dreifach gefordert sein, denn die Sozialdemokratie in diesem Lande ist ohnehin schon am Rande des Sozialen. Sorgen Sie dafür, daß es im Bereich der Behinderten nicht auch noch abwärts geht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Guggenberger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.51

Abgeordneter Mag. Walter Guggenberger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der freiheitliche Gesundheitssprecher Dr. Pumberger hat unlängst einer täglich in Österreich erscheinenden Zeitung sein Rezept anvertraut, wie man mit Heilbehelfen umgehen müßte: Rollstühle, so sagte er "täglich Alles" gegenüber, könnten containerweise in guter Qualität zum Preis von 3 000 S pro Stück aus Asien importiert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man braucht nur Frau Haidlmayr zu fragen, was sie von Rollstühlen um 3 000 S pro Stück hält. Es ist entweder ahnungslos oder zynisch, zu meinen (Abg. Dr. Ofner: Fragen wir sie einmal! Sie haben sie ja noch nicht gefragt!) , mit derartigem aus Asien importierten 3 000-Schilling-Ramsch könne man den Behinderten jene Bedürfnisse er


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 174

füllen, auf die sie auch von Gesetzes wegen Anspruch haben. Da werden Sie uns sicher nicht zum Verbündeten haben, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Pumberger: Was haben Sie gegen asiatische Stühle?)

Du, Herr Kollege Haupt, hast vorhin den Sozialminister aufgefordert, all den von euch erhobenen Vorwürfen nachzugehen. Das ist nicht notwendig, denn ich halte noch einmal mit allem Nachdruck fest: Nicht nur mein Vorredner Rudolf Nürnberger hat sich klar und deutlich dazu bekannt, daß all das, was hier aufgezeigt wurde, lückenlos und auf seriöser Grundlage überprüft wird, sondern vor ihm hat das auch schon der Sozialminister getan, indem er gesagt hat, wir werden jedem einzelnen Vorwurf nachgehen. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, es wäre abstrus und absurd, den Sozialminister für jede einzelne Vertragsposition verantwortlich zu machen. Dafür ist er nicht zuständig, dafür ist er nicht verantwortlich zu machen. Das muß auch mit aller Klarheit festgestellt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Eines müssen Sie mir aber schon erlauben, hier festzustellen, denn damit habe ich meine Probleme: In zwei Fällen konnte man Ihnen schon nach kurzer Zeit im Rahmen dieser Debatte nachweisen, daß Sie es mit der Wahrheit nicht so genau genommen haben (Abg. Dr. Ofner: Vorsicht! Nütze nicht deine Immunität vom Rednerpult aus aus!) , nämlich zum einen, wenn Sie behaupten, ein Herr Dr. Ivanic würde im Rahmen dieser ARGE Orthopädie eine wichtige, eine mystische Rolle spielen, während ein Telefonat des Kollegen Kier mit dem Beschuldigten persönlich ergeben hat, daß es eben wieder einmal ganz anders ist, zum anderen, wenn Sie hier heraußen behaupten, Herr Dr. Probst, stellvertretender Direktor des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, wäre in diese Sache involviert (Abg. Mag. Stadler: Schauen Sie ins Firmenbuch, dann haben Sie es schriftlich!), und Sie sich von ihm gefallen lassen müssen, daß er im Rahmen einer schriftlichen Ehrenerklärung sagt: Damit habe ich nichts zu tun. (Abg. Dr. Haider: Wir haben das schriftlich!) – In zwei Fällen hat man Sie also schon wieder ganz offensichtlich der Unwahrheit überführt. (Abg. Dr. Ofner: Nütze deine Immunität nicht aus!)

Da du dich so aufregst, Kollege Harald Ofner: Erkundige dich bei deinen Tiroler freiheitlichen Kollegen, die wissen, wer Peter Mayr in der Tiroler Geschichte war! Das war der Held der Wahrheitsliebe. (Abg. Dr. Ofner: Mit einer Lug möcht ich mein Leben nicht retten, hat er gesagt!) Man kann manchem, der hier herausgegangen ist, einiges nachsagen, aber mit dem Peter Mayr sind die allesamt nicht verwandt. Das möchte ich auch in aller Deutlichkeit sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Seither ist euch nichts mehr eingefallen!)

Sie haben hier Anwürfe, Beschuldigungen erhoben, der Sozialminister jedoch hat in den letzten Wochen wiederum gehandelt. Er hat gehandelt, indem er in vielen, vielen Verhandlungsrunden mit den Vertretern der Apothekerschaft, mit der Pharmaindustrie, mit den Vertretern der Ärztekammer vereinbart hat, daß in diesem Bereich 1,6 Milliarden Schilling eingespart werden. Und um der Wahrheit die Ehre zu geben, ist festzuhalten, daß der Sozialminister schon im letzten Jahr in Gesprächen mit der Apothekerkammer erreicht hat, daß diese ihre Großhandelsspannen um einiges zurückgenommen hat.

Es ist hier also schon einiges geschehen, und deshalb finde ich es so fahrlässig – bis hin zur Sträflichkeit –, wenn im Zusammenhang mit den Krankenkassen von Ihnen ganz bewußt die Worte "Konkursreife" und "Pleite" in den Mund genommen werden. Das ist unerhört! Die Krankenkassen haben ein Volumen von 118 Milliarden Schilling. Sie haben Probleme und einen Fehlbetrag von 3,6 Milliarden Schilling im Jahr. Das ist ernsthaft, das wir von niemandem beschönigt, das wird nicht bagatellisiert, und es gibt auch laufend Bemühungen, diesen Fehlbetrag hereinzubringen. Aber bei einem Gesamtvolumen von 118 Milliarden Schilling bei fehlenden 3,6 Milliarden Schilling von Konkursreife zu sprechen, das ist unerhört, das ist der gezielte Versuch, diese Institution zu vernadern und schlechtzumachen. Da werden Sie in uns erbitterte Gegner finden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Krüger: Herr Kollege! Überschuldung bedeutet ja Konkursreife!)

Es ist auch in dieser Debatte wieder – bezeichnenderweise kommen diese Vorschläge meistens von "gutsituierten" Politikern – der Vorschlag gemacht worden, wie im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung solle auch im Bereich der Krankenversicherung jeder die Möglichkeit haben,


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 175

sich seine Versicherung selbst auszusuchen. Es ist zunächst schon bemerkenswert, daß man mit psychisch und chronisch Kranken wie mit Verbrauchsgütern umgehen will. Das ist nicht meine Denkungsart, aber es bleibt jedem unbenommen, so zu denken.

Ich weiß schon, auf den ersten Blick klingt das nach ein bißchen mehr Freiheit – mehr Vertragsfreiheit, mehr Möglichkeiten für den Versicherten, mehr Wahlmöglichkeiten für den Konsumenten –, aber bei näherem Hinsehen stellt man fest, daß das eine sehr trügerische Freiheit ist, die man hier einräumen möchte, denn im System des Wettbewerbs zwischen den Kassen kann nämlich die Solidarität – sie ist das tragende Prinzip der Krankenversicherung – allzu leicht unter die Räder kommen.

Schauen Sie sich doch bitte Beispiele an, wie in der Schweiz mit den sogenannten "schlechten Risken" umgegangen wird, wie man dort – das belegen sehr ernsthafte Studien – mit einer gewissen Unverfrorenheit und auch durch bürokratische Schikanen gelegentlich den sogenannten "schlechten Risken" nahelegt, sich doch eine andere Versicherung zu suchen.

Bei diesem Forcieren des Wettbewerbsgedankens geht man auch immer davon aus, daß mehr Wettbewerb dazu führen würde, daß diese Versicherungen billiger werden. Sehen Sie sich doch bitte einmal den Verwaltungsaufwand der sozialen Krankenversicherung an, und sehen Sie sich einmal den Verwaltungsaufwand der privaten Krankenversicherung an! Sie müssen doch feststellen, daß es hier einen Riesenunterschied gibt, und zwar einen Riesenvorteil zugunsten der sozialen Krankenversicherung. Wirtschaftliche Gründe können also niemals ein Argument für eine Wahlfreiheit zwischen den Krankenversicherungsträgern sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist ganz klar: Wenn eine Krankenversicherung so wie eine private Versicherung gezwungen ist, Kundenfang und Kundenwerbung zu betreiben, dann wird sie erhebliche Mittel investieren müssen. Marketing, Werbung, Kundenkeilen – all das kostet jede Menge Geld. Lesen Sie doch bitte auch die Artikel aus Deutschland, aus der Schweiz, wo die Versicherten mit allem möglichen Werbeplunder überschwemmt werden. 12jährigen werden Bauchtanzkurse finanziert, um die Eltern dieser Kinder bei Laune und bei der Stange zu halten; deutsche Krankenversicherer investieren Millionen in Dressenwerbung bei Fußballvereinen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! All das kann doch nicht sinnvoll, all das kann doch nicht erstrebenswert sein.

Ich glaube und ich behaupte – und ich kann das auch belegen –: Wir sind mit unserem bisherigen System der sozialen Krankenversicherung gut gefahren, und es wäre unsinnig, etwas Gutes durch etwas Schlechteres zu ersetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch der Sozialminister hat es Ihnen schon mehrmals gesagt: Sie reden immer wieder davon und wiederholen das mit gebetsmühlenhafter Monotonie, daß man diese Krankenversicherungen zusammenlegen müsse. Häusermann, ein renommiertes Schweizer Betriebsberatungsunternehmen – eine wahrhaft glaubwürdige und unbedenkliche Adresse –, hat es festgestellt: Hier ist nichts zu gewinnen. Einen Satz, den diese Häusermann-Studie sozusagen als Resümee enthält, sollten wir uns alle ins Stammbuch schreiben, insbesondere Sie als ständige Kritiker dieser sozialen Krankenversicherungen: Die Österreicherinnen und Österreicher können durchaus stolz sein auf ihr System der Krankenversicherung. – Das haben diese nüchternen Eidgenossen resümierend geschrieben. – Wir sind stolz auf unser System! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte. (Ein Klubmitarbeiter stellt einen Rollstuhl neben dem Rednerpult ab.)

20.02

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Guggenberger! Also so selbstverständlich war für mich nicht zu ersehen, daß der Sozialminister unseren Kritikpunkten nachgehen wird, sondern ganz im Gegenteil. Ich war anfänglich eigentlich empört darüber, daß er überhaupt keine Anstalten machte, unsere Kritik ernst zu nehmen. Und dann ist die Frau Reitsamer gefolgt, die sogar davon gesprochen hat,


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 176

daß wir die Krankenkassen ruinieren wollen – nur deshalb, weil wir hier ganz berechtigte Kritik üben.

Ich glaube schon, daß das erst ein Sickerprozeß war. Sie und der Herr Nürnberger waren bereit, einmal darüber nachzudenken, aber, wie gesagt, der Herr Sozialminister hat zuerst einmal gemauert, und unter dem Motto "So etwas Schlechtes passiert bei uns nicht" hat er eigentlich nur Beschwichtigungspolitik betrieben. Ich bin sehr froh, daß Sie sich dazu bekannt haben, all unseren Kritikpunkten nachzugehen, und hoffe, daß Sie beim Sozialminister in dieser Sache auch vorstellig werden.

Ich finde nämlich, daß es wirklich ganz arg ist, was mit diesen Heilbehelfen passiert. Wir haben heute schon eine ganze Menge Beispiele vorgeführt, und ich mache das auch jetzt noch anhand dieses Rollstuhles. Man muß nämlich wissen, daß die Krankenkassen mit manchen Bandagisten eine Koalition abgeschlossen haben, die sehr verhängnisvoll ist. In Wien sind das die großen Bandagisten wie Matzka, Bständig und Frühwald. Das sind die Hauptlieferanten, und die können jeden Preis für den Heilbehelf festsetzen. Da wird kein Gegenangebot eingeholt, da wird überhaupt nichts überprüft, sondern der Rollstuhl wird so, wie er von der Firma angeboten wird, gekauft. Das muß man wissen: Ein solcher Rollstuhl hat einen Einkaufspreis von ungefähr 3 500 S, und weil es eine einfache Ausführung ist – deshalb ist er so billig –, wird er auch den Krankenkassen um 13 000 S angeboten. Das heißt, die Spanne reicht von 3 500 S bis 13 000 S.

Herr Kollege Guggenberger! Weil Sie Kritik an den Vorschlägen von Herrn Kollegen Pumberger, man sollte diese Rollstühle aus Taiwan importieren, üben: Das geschieht ja, bitte. Wissen Sie, was wirklich geschieht? Die Rollstühle kommen von Taiwan oder von Spanien, werden dort um 2 000, 3 000 S gekauft, in Deutschland bekommen sie dann von irgendeinem Händler ein Pickerl – ich kann Ihnen sogar den Namen von diesem Händler verschaffen –, und wenn es ein bißchen ein qualitätsvollerer Rollstuhl ist, wird er um 25 000 oder 30 000 S den Krankenkassen angeboten. So ist es leider Gottes. (Abg. Mag. Stadler – in Richtung des Abg. Guggenberger –: Skandalös! Das berührt Sie nicht! Sie sind ja Gewerkschafter! Kümmern Sie sich darum!) Es ist kaum zu glauben – ich sehe, daß Sie skeptisch dreinschauen. Aber bitte informieren Sie sich einmal, dann werden Sie sehen, es ist alles wahr, was wir gesagt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Guggenberger und auch Herr Sozialminister – Sie plaudern jetzt, aber hören Sie es sich wirklich an! –: Es ist schockierend, was sich da abspielt. Diese Firmen Matzka, Bständig, Frühwald und so weiter lassen niemand anderen ins Geschäft. Und da gibt es eben Verbindungen mit den Leistungsabteilungen der Krankenkassen. Die Beamten dort haben ein Interesse, das vielleicht irgendwo auf privater Basis liegt, daß eben keine andere Firma reinkommt. Jedem anderen, der versucht, ebenfalls etwas zu verkaufen, wird gesagt: Nein, wir haben einen Vertrag mit der Firma Bständig, mit Frühwald oder Matzka. Und dieser Vertrag, der überflüssig ist, wird damit begründet, daß diese Firmen auch das Service und die Adaptierung machen. Das machen aber alle anderen auch. Und wie wir von der Frau Kollegin Haidlmayr heute schon gehört haben, sind diese Firmen, mit denen es Verträge gibt, dann nicht einmal bereit, einen Journaldienst zu machen, damit man auch am Samstag oder am Sonntag seinen Rollstuhl reparieren lassen kann. Man muß sich dann ins Spital legen, wenn man ein sehr schwerer Fall ist. So schaut es nämlich wirklich aus.

Die Rehabilitationsanstalt Weißer Hof, die heute schon erwähnt worden ist, gehört der AUVA, und diese hat einen Vertrag mit der Firma Matzka. Dort werden ganz einfach keine anderen Rollstühle vergeben. Dort wird dem Patienten gesagt, er braucht einen Rollstuhl. Er kann nicht sagen, was er will, denn die AUVA hat schon bestimmt, daß den Auftrag die Firma Bständig bekommt. Nein, pardon, Weißer Hof ist Matzka; die sind mehr oder weniger "verheiratet" mit der Firma Matzka, da kommt kein anderer rein.

Mir hat ein österreichischer Hersteller – nicht ein Händler, sondern ein Hersteller –, der mir schon seit langem sein Leid klagt, heute gesagt – ich habe ihn noch einmal angerufen –, er hat einen Fall gehabt, für den er die Versorgung mit einem Rollstuhl um 12 000 S angeboten hat. Er


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 177

hat den Auftrag nicht bekommen, sondern die Versorgung ist bei einer anderen Firma erfolgt, und zwar um 30 000 S! Das hat die Krankenkasse bezahlt.

Auf der einen Seite wird von der Krankenkasse um Groschen gekämpft, und auf der anderen Seite wird das Geld wirklich leichtsinnig hinausgeworfen. Dagegen richtet sich unsere Kritik, und ich finde, Sie sollten das ernst nehmen. Wir wollen die Krankenkassen nicht ruinieren, sondern wir wollen, daß dort wirklich kostenbewußt gearbeitet wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In einem anderen Fall hat mich ebenfalls der österreichische Hersteller informiert. Da ist es um die Versorgung eines Kleinkindes mit einem Rollstuhl und so weiter gegangen. Er hat die Versorgung angeboten um 23 000 S. Den Auftrag hat um 90 000 S dann die Firma Gassinger bekommen. Wir haben heute gehört, der Firmeninhaber ist Innungsmeister-Stellvertreter. Um 90 000 S! Das hat die Krankenkasse bezahlt. Das ist doch alles ein Grund, diesen Bestellungen nachzugehen.

Herr Minister! Ich kann Ihnen die Namen von diesen Versorgungen liefern, die zu einem überhöhten Preis gemacht worden sind, wo nicht das billige, günstige und auch adäquate Fabrikat genommen worden ist, sondern wo unbedingt ein anderer Erzeuger hineingepreßt werden mußte.

Dann möchte ich Sie schon fragen, Herr Minister: Wie erklären Sie sich eigentlich, daß auf die Verordnungsscheine schon von der Krankenkasse her der Name der Firma gestempelt wird, an die sich der Berechtigte wenden soll, und zwar mit dem Bewilligungsstempel von der Leistungsabteilung? Ich habe einen Fall, bei dem es um eine Zimmertoilette geht. Das ist eingereicht worden bei der Wiener Gebietskrankenkasse, der Chefarzt hat die Verordnung geprüft, die Leistungsabteilung hat draufgestempelt, daß man sich bei der Firma Matzka das Produkt besorgen muß.

Wie erklären Sie sich das? Da wird kein Gegenoffert eingeholt, sondern es wird dem Patienten gesagt, er muß sich das bei der Firma Matzka besorgen. Da stimmt doch etwas nicht. Herr Minister! Es ist höchste Zeit, daß Sie dem einmal nachgehen. Da mangelt es nämlich wirklich an der Kontrolle, da mangelt es daran, daß keine Gegenofferte eingeholt werden. Würde eine Kontrolle bestehen, könnte man sehr viel Geld einsparen.

Ich fordere Sie auf, im Rahmen Ihrer Aufsichtspflicht diese Kontrolltätigkeit aufzunehmen und diejenigen in der Leistungsabteilung zur Verantwortung zu ziehen, die die Leute nur zu "ihren" Firmen schicken, die aus irgendwelchen Gründen von ihnen bevorzugt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Den leitenden Funktionären der Krankenkassen ist das alles kein Geheimnis. Mir hat erst jetzt wieder ein österreichischer Hersteller gesagt, er war vor einigen Monaten beim Generaldirektor der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse und hat ihm erzählt, was sich da alles bei der Verschreibung und Verordnung der Heilbehelfe abspielt. Und der Generaldirektor war völlig außer sich und hat ihm versprochen, daß er der Sache nachgehen wird. Es sind Monate ins Land gezogen – nichts ist geschehen! Der österreichische Hersteller, der günstig anbieten könnte, der sich auch um die Adaptierung kümmert, wird weiterhin vom Markt verdrängt, weil eben die Großanbieter, die im Geschäft drinnen sind, weiterhin ihren Fuß in der Türe haben.

Also das ist sicher etwas, was aufgezeigt gehört! Und ich glaube, Sie sollten es ernst nehmen und nicht nur als oppositionelle Kritik, die halt gebracht wird, weil man lästigfallen möchte, abtun. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was sich da abspielt, das ist kein fairer Wettbewerb, da gibt es überhaupt keine Transparenz, und das ist auch keine kostenbewußte Vorgangsweise. Herr Minister! Ich erwarte mir wirklich, daß Sie dafür Vorsorge treffen, daß sich da etwas ändert. Wir wollen Sie zudem bitten, daß Sie, nachdem Sie geprüft haben, wie diese Vergabe stattfindet, uns im Parlament einen Bericht vorlegen. Und deshalb möchte ich auch einen


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 178

Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Kollegen betreffend die Vergabepraxis bei den gesetzlichen Krankenversicherungsträgern

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Arbeit und Soziales wird aufgefordert, unverzüglich die Vergabepraxis der gesetzlichen Krankenversicherungsträger, einschließlich des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, betreffend Heilmittel und Heilbehelfe zu überprüfen und dem Nationalrat bis spätestens 30. September 1996 über das Ergebnis der Prüfung zu berichten."

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, da könnten Sie von den Regierungsparteien durchaus zustimmen. Da geht es um etwas ganz Ernstes und um etwas ganz Essentielles.

Noch etwas, Herr Minister: Heute ist die Rede davon gewesen, wie überhöht die Preise für Schuhe sind. Und ich möchte Ihnen auch ein Beispiel zeigen – (die Rednerin zeigt ein Paar orthopädische Schuhe) –: Diese Schuhe, sie sind etwas abgelatscht, weil sie eben so teuer sind – wissen Sie, was die kosten? 19 000 S kostet dieses Paar Schuhe! Und das schon vor fünf oder sechs Jahren. Jetzt kosten sie wahrscheinlich schon um 20 Prozent mehr. Und der Selbstbehalt für den Betroffenen beträgt 4 000 S. Das ist doch wirklich überhöht! (Abg. Mag. Stadler: Skandalös!) Da wird ebenfalls keine Kostenüberprüfung vorgenommen. Das ist ein ähnlicher Fall wie bei diesen ominösen Schlapfen, von denen wir schon gehört haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Sie haben heute gesagt, Sie nehmen Ihren Auftrag ernst. Ich fordere Sie noch einmal auf, ich appelliere an Sie, ich bitte Sie, daß Sie Ihren Auftrag, die Sozialversicherungsanstalten zu überprüfen, wirklich ernst nehmen, und vor allem auch, daß Sie dafür sorgen, daß sich dieser Unfug, der auf dem Gebiet der Heilbehelfe bis jetzt ohne irgendwelche Probleme stattfindet, ändern wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der von Frau Abgeordneten Dr. Partik-Pablé vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung mit einbezogen.

Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr der Herr Bundesminister Hums. – Bitte, Sie haben das Wort.

20.14

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Offensichtlich dürften Sie eine kurze Zeit nicht im Saal gewesen sein (Abg. Grabner: Kurz? Lange war sie nicht da!), und zwar bei meiner zweiten Wortmeldung nach dem Abgeordneten Mag. Stadler. (Abg. Mag. Stadler: Sie war da!) Dann hat sie vielleicht nicht zugehört. Denn bei dieser zweiten Wortmeldung habe ich zwei Dinge festgestellt:

Zum ersten: daß Dr. Probst, der stellvertretende Generaldirektor, entgegen den Behauptungen von Abgeordneten Mag. Stadler keinesfalls Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Orthopädie ist. – Das war die erste Feststellung.

Die zweite Feststellung war, daß ich bereits vor einiger Zeit – und das wird auch durchgeführt – veranlaßt habe, daß in allen Bereichen Kostensenkungen bei den Verhandlungen mit allen Vertragspartnern angestrebt werden.

Gleichzeitig habe ich festgestellt, daß ich wirklich nicht alle Vertragspositionen selbst kennen und überprüfen kann, daß ich aber all diesen Mängeln, die hier behauptet werden, nachgehen werde und daß ich daher diese Überprüfung, die Sie jetzt verlangen, selbstverständlich durchführen werde.

Ich sehe daher überhaupt kein Hindernis dafür, daß alle Fraktionen dem, was ich selbst verlangt und selbst angekündigt habe, nämlich daß ich die hier behaupteten Mängel überprüfen werde,


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 179

zustimmen. Ich habe das bereits hier angekündigt und es daher nicht verstanden, daß Sie jetzt erklärt haben, daß Sie diese Ankündigung nicht gehört haben. Daher habe ich sie für Sie jetzt noch einmal wiederholt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Dr. Haider. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.16

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es ehrt den Herrn Bundesminister, daß er betroffen ist von den Dingen, die er heute gehört hat, und daß es ihm offenbar wirklich ein Anliegen ist, eine umfassende Aufklärung zu geben.

Ich glaube, das ist auch notwendig, denn man sollte sich die Dimension der Vorfälle vergegenwärtigen: Hier geht es um 17 Milliarden Schilling für Heilmittel und Heilbehelfe. Und wenn man weiß, daß die Krankenkassen derzeit ein Loch von 3,6 Milliarden Schilling haben, dann bedeutet schon eine Einsparung bei den Handelspannen in der Höhe von 20 Prozent dieser 17 Milliarden Schilling, daß das Problem gelöst ist.

Und das ist der Grund, warum wir das hier aufzeigen und Ihnen deutlich machen, denn der Weg, den Sie wieder einmal zu gehen versuchen, nämlich Beiträge zu erhöhen, Leistungen zu kürzen, ist der falsche. Es ist vielmehr notwendig, Ordnung zu machen in diesem dunklen Bereich der Geschäftemacher, die sich auf dem Rücken der Versicherten und der Beitragszahler bereichern wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich kann Ihnen das nicht ersparen, Herr Bundesminister: Sie sind in Ihrem Ressort offenbar schlecht informiert, und Sie werden hinters Licht geführt! Ich glaube Ihnen, daß Sie hier aus voller Überzeugung sagen, der Herr Probst hat damit nichts zu tun. Aber bitte, da existieren ja Briefe, die Herr Probst unterschrieben hat: "Hauptverband der Sozialversicherungsträger, der Generaldirektor Dr. Probst." Dieser Brief vom 8. Oktober 1995 existiert, mit dem Briefkopf der ARGE Orthopädie, mit der Unterschrift des Dr. Ivanic, der der Chef dieser ARGE Orthopädie ist, und mit der Zeichnung des Bundesinnungsmeisters der Optiker, Bandagisten, Orthopädietechniker und Hörgeräteakustiker, des Geschäftsführers Dkfm. Dr. Drimal. Also die rot-schwarze Einigkeit ist vorhanden. Das ist unterzeichnet.

Weiters, Herr Bundesminister, gibt es einen Brief des Herrn Ivanic, ARGE Orthopädie, in dem er ausdrücklich darauf hinweist: Wir – die ARGE Orthopädie – produzieren im Einvernehmen mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger Österreichs und der Österreichischen Bundesinnung der Optiker und Orthopädietechniker einen Artikelkatalog. Dieser Katalog – schreibt der Herr Ivanic – wird österreichweit die vorhandenen Listen ablösen und als Arbeitsunterlage der Sozialversicherungen bei der Abrechnung der Kassenleistungen dienen.

Da kann man doch nicht sagen: Ich weiß als Aufsichtsorgan von so schwerwiegenden Dingen nichts! Wissen Sie vielleicht auch nicht, daß für die Beurteilung dieses Kataloges jetzt eine Kommission eingesetzt wurde? In dieser Kommission, auf die auch im Schreiben hingewiesen wird, ist auch der Herr Probst vertreten, ist auch der Herr Dr. Kristen vertreten, ist auch der Herr Johann Radl vertreten. Und das Besondere ist, daß das alles Leute sind, die wiederum Firmen haben und Geschäfte mit dem Hauptverband und Geschäfte mit den kranken Menschen machen. Und der Herr Radl hat wieder eine Firma, an der der Herr Ivanic beteiligt ist. Ich kann Ihnen den Auszug des Firmenbuches geben. (Abg. Mag. Stadler: Schwiegersohn!) Das ist der Schwiegersohn vom Herrn Radl! Und der Herr Radl ist schon lange kein Bundesinnungsmeister-Stellvertreter mehr, aber er führt gemeinsam mit dem Hauptverband und mit der Bundesinnung die Verhandlungen, um dieses Projekt zu erstellen. Dieser Katalog ist jetzt erstellt. Den Experten, die mit Hilfe des Hauptverbandes tätig sind, gehört der Herr Probst an – was Sie zwar bestreiten, was aber dokumentarisch nachweisbar ist. (Abg. Mag. Stadler: Ist aktenkundig!)

Das Ärgste ist – das muß ich Ihnen jetzt sagen –, daß es da auch um Geld geht. Herr Ivanic hat nämlich im Auftrage der ARGE Orthopädie ein Schreiben an alle Erzeuger gerichtet und schreibt darin: Sie haben die Möglichkeit, mit einer Einzahlung von 3 000 S auf das Konto der ARGE


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 180

Orthopädie – interessanterweise ist dieses Konto das Privatkonto bei der Grazer Hypobank, lautend auf Dr. Gerd Ivanic ARGE Orthopädie – die Ausschreibungsunterlagen für die Erstellung dieses Kataloges zu bekommen. Und dann, wenn Sie 3 000 S gezahlt haben, müssen Sie als Firma für die ersten zehn eingereichten Produkte einen Unkostenbeitrag von 5 000 S zahlen, für die nächsten zehn Produkte 4 000 S und für alle weiteren Produkte 3 000 S.

Weil niemand weiß, was mit dem Geld geschehen ist, Herr Bundesminister, hat es vor wenigen Tagen, am 23. Mai 1996, in der Bundesinnung eine Krisensitzung gegeben, in deren Rahmen gefragt worden ist: Was ist mit dem Geld geschehen? Denn für Tausende Produkte, die angemeldet worden sind, die die Firmen untergebracht haben wollten, sind Millionen eingezahlt worden, und Herr Ivanic hat das Geld verwaltet. Jetzt haben die betroffenen Mitglieder der Bundesinnung – ich habe das hier schriftlich – zu Protokoll gegeben: Da auch bei der Bundesinnungssitzung auf die Frage der Offenlegung der Geschäftsgebarung der ARGE Orthopädie keine befriedigende Antwort gegeben werden konnte, verlangen wir nunmehr schriftlich die Darlegung der derzeitigen Geldflüsse beziehungsweise bitten wir um Bekanntgabe, um welche Rechtspersönlichkeiten es sich bei der ARGE Orthopädie handelt.

Herr Bundesminister! Da geht es ja um etwas! Da geht es um Millionen, die nicht aufklärbar sind. Da müssen Firmen Geld zahlen wie bei der Mafia, sie müssen Schutzgeld zahlen, damit man dabei ist und mit Hilfe des Hauptverbandes anbieten darf. Das ist kein Unterschied zu mafiosen Vorgängen. Die streiten das auch immer wieder ab, daß sie zur Mafia gehören. Aber die Geschäftspraxis, die hier vollzogen wird, ist mafios. Unter dem Schutzschirm des Hauptverbandes, dessen Aufsichtsorgan Sie sind, und mit Unterschrift des Herrn Probst wird versucht, einen geschlossenen Markt zu erzeugen, auf dem bestimmte Firmen bevorzugt behandelt werden.

Ich sage Ihnen auch, warum. – Wenn Sie sich den Katalog anschauen, dann sehen Sie, daß es darin sogenannte Ja- und Nein-Firmen gibt. Die Ja-Firmen sind diejenigen, deren Inhaber auch in der Beurteilungskommission sitzen. Diese bewerten ihre Produkte mit ja, und wenn sie mit ja bewertet sind, dann kann man mittels eines Verordnungsscheines der Krankenkasse dieses Produkt ohne Barzahlung bekommen. Wenn Sie ein Nein-Produkt haben wollen, dann müssen Sie bar zahlen und müssen mühsam zur Krankenkasse gehen, die Ihnen dann einen Teil dieser Kosten vergütet. – Das ist das große Geschäft.

Herr Bundesminister! Wenn Sie hier sagen, Sie haben von dem Ganzen nichts gewußt, dann sind Sie auch als Minister sehr problematisch. Es ist nicht tragbar, daß Sie eine solch riesige Geschichte, bei der es um Milliarden, um riesige Geschäfte, um das Schaffen eines geschlossenen Bereiches geht, einfach über sich ergehen lassen und zuschauen, wie einerseits die Beiträge erhöht werden sollen, wie aber auf der anderen Seite im Wege eines geschlossenen Marktes Millionen und Abermillionen auf dem Rücken der fleißigen Beitragszahler in Österreich kassiert werden. – Das ist es, was wir Ihnen ins Stammbuch schreiben müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher bitte ich Sie, daher bitte ich Sie wirklich: Rollen Sie diese Geschichte auf! Ich weiß, Sie sind ein ehrlicher Mann. Ihnen ist das unangenehm, und ich habe heute schon gemerkt, daß man in der SPÖ-Fraktion mit einiger Hinhaltetaktik abzuwiegeln versucht hat, aber jetzt sagt man, da muß etwas faul sein. – Da ist sehr viel faul, und wir haben auch die Rechnungen für all das, was wir hier aufgestellt haben.

Es ist ja wirklich interessant, wenn man sieht, daß etwa eine Matratze für Schwerstoperierte in einer ganz abenteuerlichen Weise abgerechnet wird, wie sie zuerst schon dargestellt wurde. Eine Dekubitus-Matratze, die für schwerstoperierte Fälle, für Bettlägrige, die wund werden, wenn sie nicht richtig gelagert sind, gekauft werden muß, hat einen Einstandspreis von 800 S. Und wenn Sie sich dann die Kostenvoranschläge der Rechnungen, die wir haben, anschauen, sehen Sie, daß die Beträge bis zu 9 900 S gehen. Ich habe den Abrechnungsfall hier, bei dem die Kasse laut Verordnung vom 11. Juni 1996, also jüngsten Datums, 4 950 S für ein nicht mit Prüfzeichen ausgestattetes Produkt (Abg. Mag. Stadler: Ohne Mehrwertsteuer!) – ohne Mehrwertsteuer – zuschießen muß, obwohl im Einkauf dieses Produkt bestenfalls 800 S wert ist. Da machen auf dem Rücken der anständigen Leute offenbar wirklich eine Handvoll ganz dubioser


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 181

Persönlichkeiten riesige Geschäfte. Ich kann nur sagen: Räuchern Sie diesen Augiasstall endlich aus, Herr Bundesminister! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben Ihnen die Beispiele gezeigt. Wir haben Ihnen die Beispiele bei den Heilmitteln gezeigt. Wir haben Ihnen die Beispiele gezeigt bei den Unterarmstützkrücken, bei denen eine 700- bis 800prozentige Handelsspanne aufgeschlagen wird. Wo gibt es denn das, bitte schön? Wo gibt es denn das wirklich?

Wir haben Ihnen auch noch andere Beispiele gezeigt. Ein Gehörbehinderter schreibt mir zum Beispiel – das hat jetzt in Österreich einige Diskussionen verursacht –: Ich habe mir jetzt ein Hörgerät – Rechnung der Firma Neuroth – mit Hilfe der Krankenkasse zugelegt. Rechnung Nummer 76099 liegt bei. Die Rechnungssumme für das Hörgerät in Österreich – bezuschußt und finanziert von der Krankenkasse – beträgt 35 619 S. Er schreibt weiters: Ich war in der Zwischenzeit in Ungarn und hatte meine Ersatzbatterie für das Hörgerät vergessen. In Österreich kosten die Batterien – 1,4 Volt Knopfbatterien – für Hörgeräte in der Viererpackung 140 S. In Ungarn bekam ich die gleichen Batterien zum Preis von 6,30 S. 6,30 S! Aber so eine Batterie hält maximal 14 Tage. Das heißt, die Kasse muß gemeinsam mit dem Gehörgeschädigten sehr tief in die Tasche greifen, um das zu finanzieren.

Dann hat er sich bei dieser Gelegenheit in Ungarn auch gleich die Hörgeräte angeschaut. Er schreibt: Ich habe zwei Fabrikate mit Prüfzeichen gefunden, eines aus Dänemark zum Preis von 3 100 S sowie ein Gerät aus Japan zum Preis von 2 250 S. Die beiden Erzeugnisse sind meines Erachtens moderner, weil kleiner und besser im Tragekomfort, und wesentlich billiger. In Österreich kostet es 35 600 S, und ein besseres, moderneres Gerät mit Prüfzeichen kostet woanders 3 100 S oder 2 250 S.

Herr Bundesminister! Da besteht wirklich Handlungsbedarf, damit jener Zynismus beseitigt wird, der in der Verwaltungsbürokratie dieser Sozialversicherung offenbar gegeben ist. Hier wird das Geld hinausgeschmissen, weil Firmen, die ausgewählt sind, in einem geschützten Bereich riesige Gewinne machen. Und gleichzeitig schreiben Sie beispielsweise den Stomakranken Briefe, daß die Krankenkasse nicht mehr zahlen kann. Stomaerkrankte sind, wie Sie wissen, Menschen, die aufgrund einer Krebsoperation einen künstlichen Ausgang haben und daher öfters am Tag ihre Wunde versorgen müssen.

Denen schreibt etwa die Gebietskrankenkasse Kärnten folgendes: "Aus gegebenem Anlaß weisen wir Sie darauf hin, daß die Erfahrung bei der Kolostomieversorgung" – also bei jenen Kranken – "gezeigt hat, daß es im allgemeinen nicht notwendig ist, spezielle Pflegemittel wie Pasten, Salben, Hautschutzfilm zu verwenden. Zur Reinigung sind Wasser und Seife völlig ausreichend. Wundbenzin, Aceton sind nicht erforderlich. Ebenso reicht es völlig, wenn eine Küchenrolle anstatt Baumwolltupfer verwendet wird."

Das, meine Damen und Herren, ist Zynismus. Auf der einen Seite deckt der Hauptverband ein dubioses Geschäftemachersystem von einzelnen Firmen, bei dem die schwarzen Kämmerer in der Handelskammer über ihre Bundesinnung auch noch mittun, damit die rot-schwarze Einheit beieinander ist, und auf der anderen Seite sagt man den Schwerstkranken mit künstlichem Ausgang, den Krebsoperierten: Liebe Freunde, nehmt eine Küchenrolle, denn die hygienischen Baumwolltupfer können wir uns mangels Geld in der Krankenkasse nicht mehr leisten.

Das ist es, was wir kritisieren. Das ist es, was wir auch abgestellt wissen wollen. Und das ist es, Herr Bundesminister, was ich Ihnen sage. Da sind Krankenkassenfunktionäre – wie Herr Nürnberger – heute herausgegangen. Kollege Nürnberger hat gesagt: Na ja, wir tun eh viel und bringen alles in Ordnung. Dann frage ich Sie aber auch, warum etwa bei den Pensionisten der Gebietskrankenkasse, also jenen, die eine Krankenkassensonderpension haben, die Krankenversicherungsbeiträge nur bis zur ASVG-Höchstbeitragsgrundlage von rund 27 000 S eingehoben werden, während bei jedem Beamten die Höchstbeitragsgrundlage 39 000 S beträgt, aber diese Herrschaften in der Regel ja Pensionen in der Höhe von 50 000 S, 60 000 S oder 70 000 S haben.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 182

Sie reden darüber, daß Sie die Masse der Pensionisten mit einem höheren Krankenversicherungsbeitrag ausstatten wollen. In den Krankenkassen jedoch haben die Bediensteten Sonderpensionen, über die Sie wohlweislich hier geschwiegen haben, denn sonst hätten Sie sagen müssen, daß die Sonderpensionen der Krankenkassenbediensteten und der Sozialversicherungsbediensteten in ganz Österreich 2,2 Milliarden Schilling ausmachen. Das zahlen die Versicherten, über diese Reform redet niemand. Allein in der Wiener Gebietskrankenkasse, Kollege Nürnberger, in der Sie drinnen sitzen, macht das 450 Millionen Schilling aus. Dieses Geld wäre besser bei den Kranken investiert, als es letztlich den Privilegienrittern, Funktionären und sonstigen Begünstigten dieser Republik in den Rachen zu werfen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Mag. Stadler hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, bitte beginnen Sie mit der Darstellung des Sachverhalts, den Sie berichtigen wollen.

20.31

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Abgeordneter Dr. Kier hat nach einem angeblichen Telefonat mit Dr. Gerd Ivanic behauptet, daß Dr. Ivanic nichts mit der ARGE Orthopädie zu tun habe. Diese Behauptung hat dann später Abgeordneter Guggenberger von der SPÖ in seinem Debattenbeitrag wiederholt. Ich berichtige daher tatsächlich:

Ein Schreiben vom 8. 10., ergangen an alle Orthopädiehändler im Lande, mit dem Briefkopf der Firma ARGE Orthopädie, wurde unter dem Titel ARGE Orthopädie eigenhändig von Dr. Gerd Ivanic gezeichnet.

Dr. Gerd Ivanic ist privater Kontoinhaber jenes Kontos der ARGE Orthopädie, auf das alle Orthopäden eingezahlt haben, die sozusagen in das Programm der ehrenwerten Gesellschaft aufgenommen werden wollten. Er ist dort zeichnungsberechtigt. Das Konto lautet auf seinen eigenen Namen. Dr. Gerd Ivanic wohnt in Graz, Heipelweg 2, das ist jene Adresse, unter der im Firmenbuch die ARGE Orthopädie eingetragen ist. Dr. Gerd Ivanic ist letztlich mit der Tochter des Herrn Radl verheiratet, mit einer gewissen Daisy Ivanic, die wiederum an Firmen beteiligt ist, die von Herrn Radl, der in der Kommission der ARGE Orthopädie sitzt, mitgehalten werden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Der Lüge haben Sie uns bezichtigt! Er hat gesagt, wir haben nicht die Wahrheit gesagt!)

20.33

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.33

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Da die Skandalanalytiker ihre Arbeit vollbracht haben, da bereits alle Heilbehelfe und Hilfsmittel, die im Normalgebrauch sind, hier im Parlament vorgestellt wurden, können wir uns nun einem sehr ernsten und sehr wichtigen Thema widmen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wir haben keine Berührungsängste, wir stehen zu dieser Sache. Und ich möchte Ihnen auch sagen, daß wir heute über einen Bereich reden, bei dem es in Wahrheit um Heil- und Hilfsmittel und um Instrumente geht, die arme, kranke Menschen benötigen. Ich glaube, wir sollten uns darüber nicht lustig machen. (Abg. Ing. Reichhold: Willst du auch die Mafia verteidigen?) Ich sage Ihnen, daß wir diese Dinge sehr korrekt aufarbeiten werden. – Erstens. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweitens: Herr Dr. Haider! Sie wissen alles sehr gut, das ist allen hinlänglich bekannt. (Abg. Mag. Stadler: Im Gegensatz zu Ihnen, Sie wissen gar nichts!) Sie haben davon gesprochen, daß die Kosten für Heilmittel, Heilbehelfe und Hilfsmittel 17 Milliarden Schilling ausmachen. Das stimmt, Herr Dr. Haider! Sie wissen aber auch, daß Heilmittel Medikamente sind und die machen 15,2 Milliarden aus, die Kosten für Heilbehelfe und Hilfsmittel betragen 1,8 Milliarden. (Abg. Dr. Haider: Ich kann Ihnen zu den Medikamenten das gleiche erzählen!) Ich wollte das nur zur Klarstellung bringen, damit Sie wissen, daß wir etwas davon verstehen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 183

Nächste Sache: Dort sitzt eine Kollegin, die in der Krankenpflege arbeitet. Sie sagt, es gibt keine Dekubitusmatratze um 800 S, die Qualität hat. Wir müssen erkennen (Abg. Dr. Haider: Ich habe die Rechnung da!), daß wir nur Gleiches mit Gleichem vergleichen können und daß die Qualität auch ihren Wert hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Eines möchte ich noch sagen: Es ist nichts so gut, daß es nicht morgen noch besser sein könnte. Ich glaube, daß wir im großen und ganzen bis auf einige Probleme, die es zweifelsohne gibt, ein gutes Sozialversicherungs- und Krankenversicherungssystem haben.

Herr Dr. Pumberger! Sie haben sich heute hier als der Retter und als der Aufdecker dargestellt (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie sind ein Betonierer!) und Sie haben eine Anfrage eingebracht, deren 31 Fragen nicht auf das heutige Tagesthema Bezug nehmen. Ich darf Ihnen sagen: Mit dieser "Genauigkeit" und "Korrektheit" möchte ich Sie nicht als Arzt haben, ich würde Sie nicht wählen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Da Sie meinten, daß niemand von uns plaudert, darf ich Ihnen auch sagen: Wir legen die Dinge offen. Ich würde mir aber auch erwarten, daß uns Sie einmal erzählen, wie Sie sich die Lösungen vorstellen. Ich erlebe Sie als Vorsitzenden im Gesundheitsausschuß immer nur in der Weise, daß Sie uns stundenlang über Ihren inneren Leidensdruck erzählen. Bis heute habe ich von Ihnen noch keinen konkreten brauchbaren Vorschlag gehört. Herr Dr. Pumberger, ich warte darauf! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Dr. Haider: Keine Beiträge erhöhen, Herr Kollege! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie nehmen ja keinen einzigen Vorschlag an! Alle Anträge lehnen Sie ab!) Es hat keinen Sinn, Dinge zu verharmlosen, Frau Dr. Partik-Pablé! Wir müssen die Fragen ganz offen ansprechen. (Abg. Ing. Reichhold: Jeder Antrag wird abgelehnt!)

Es ist eine Systemdiskussion. Bitte, gehen wir der Sache auf den Grund! Wir haben ein System der gesetzlichen Sozialversicherung ohne Ansehen der Person. Wir haben alle in das System einbezogen und haben auch alle Leistungen zu erwarten. (Abg. Dr. Haider: Das rechtfertigt nicht die Mafia im Sozialbereich!) Sie haben heute die Privatversicherung moniert. Ich darf Ihnen sagen: Fragen Sie einmal Menschen, die auf die Privatversicherung angewiesen sind, wie es dort mit den Beiträgen ausschaut, wenn man höhere Leistungen in Anspruch nehmen will. (Abg. Dr. Haider: Das ist ein Betrug!) Fragen Sie einmal, wie es dort mit den Beiträgen ausschaut, wenn man ein gewisses Alter überschritten hat. (Abg. Ing. Reichhold: Verteidigst du die Betrüger? Bist du der Anwalt der Betrüger?) Das wollte ich nur feststellen, und auch darüber soll man ganz offen und korrekt reden.

Ich sage Ihnen noch etwas. (Abg. Dr. Haider: Das ist ein Betrug!) Äußern Sie sich nicht immer so abfällig. – Wir haben Beitragsätze in Österreich, Herr Dr. Haider, von 6,4 bis 9,3 Prozent. In Deutschland zahlen Sie 12 bis 14 Prozent. Und wenn wir diesen Beitragssatz einführen würden, hätten wir keine Probleme mehr. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie sind ein Bonze, der nur abmauert!) Wir werden uns aber bemühen, mit diesen Beitragssätzen weiterzuarbeiten und das Auslangen zu finden.

Noch eines: Sie lesen doch Zeitung, nehme ich an. Haben Sie nicht gelesen, wie das Gesundheitssystem in Schweden ausschaut? Haben Sie schon einmal gelesen, wie es in England ausschaut, wo zum Beispiel ab einem gewissen Alter keine operativen Maßnahmen mehr vollzogen werden? Haben Sie schon einmal gelesen – Sie, die sich als Besserwisser darstellen –, daß es in Amerika 44 Millionen Menschen gibt, die keinen Sozialversicherungsschutz im Falle von Krankheit haben? Wollen Sie dieses System, oder wollen Sie das gute System von uns weiter ausbauen, weiterentwickeln und mithelfen, es zu verbessern? Das ist unser Weg, und daran werden wir konsequent arbeiten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ist Ihnen nicht bekannt, daß ein Pensionist mit einer Durchschnittspension in Höhe von 12 500 S bei einem Beitragssatz von 3,5 Prozent im Monat 420 S bezahlt und dafür alle Leistungen des Gesundheitsbereiches voll in Anspruch nehmen kann? (Abg. Dr. Haider: Das rechtfertigt nicht den Beitrag!) Ist das nicht eine großartige Sache? Verdient das nicht, auch einmal anerkannt zu werden? Hören Sie doch auf mit Ihrer Polemik! Gehen Sie doch einmal einen korrekten Weg mit uns! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 184

Sie lamentieren dauernd über die Selbstverwaltung, das ist Ihr Lieblingsthema. Ich bin jetzt eineinhalb Jahre da, das Lied kenne ich schon. Es ist immer dasselbe. (Abg. Dr. Haider: Ein Pflichtverteidiger der Beitragserhöhung!) Strophe 1, Strophe 2, Strophe 3, das geht immer so weiter. Bitte lesen Sie es im Gesetz nach! Die Aufgaben der Selbstverwaltung sind klar geregelt, und wenn von der Selbstverwaltung eine Aufgabe nicht wahrgenommen wird, dann werden die Leute auch abberufen.

Die Bezüge haben Sie mitbeschlossen, und Sie wissen ganz genau, wieviel Geld es dort gibt. Es gibt nicht 90 000 S – das ist Ihre Art der Übertreibung –, sondern es gibt maximal 55 000 S, und das wissen Sie auch. Sagen Sie bitte die Wahrheit, aber betreiben Sie da kein Spektakel!

Meine Damen und Herren! Noch eine Schlußbemerkung: Wo liegt das Problem? – Das Problem liegt erstens darin, daß wir all das auf ein Wachstum aufgebaut haben, das wir zurzeit nicht haben.

Das Problem liegt zweitens darin, daß wir natürlich jedes Jahr eine Reihe neuer Leistungen dazu bekommen, die finanziert werden müssen.

Drittens stellt die höhere Lebenserwartung eine neue Herausforderung dar. Darauf werden wir Antworten finden müssen. – Sie, Herr Dr. Pumberger, werden diese aber mit Sicherheit nicht finden. Ich habe bis heute nichts Entsprechendes von Ihnen gehört. Es hat keinen Sinn, mit Ihnen zu diskutieren.

Noch eine letzte Betrachtung: Frau Dr. Povysil, Sie meinten, es sei hoch an der Zeit für eine Strukturdebatte. Sie sind doch im Recherchieren immer topfit. Wissen Sie nicht, daß wir in Österreich 24 Krankenversicherungsträger haben, Deutschland jedoch 837 hat, und bei uns der Verwaltungsaufwand 4 Prozent, dort hingegen 5,4 Prozent beträgt? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Der Verwaltungsaufwand in Deutschland interessiert uns nicht!) Auch das soll man sich einmal klarmachen! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Schauen Sie sich lieber die Situation in Österreich an!) Ich glaube, daß wir hier auch darüber reden sollen.

Wir werden dem heute dargestellten Thema mit aller Genauigkeit und Sachlichkeit nachgehen. Wir haben einen eigenen Antrag vorbereitet, der dann von Frau Präsidentin Hostasch eingebracht werden wird, und wir werden uns bemühen, all diese Dinge korrekt aufzuarbeiten.

Wie soll ich Ihre Arbeit heute bewerten? So wie der "Kurier" vom 5. Juni? – Im "Kurier" steht wörtlich – Herr Dr. Haider, hören Sie zu, auch wenn es nicht angenehm für Sie ist! –: "Die Angaben der FPÖ" – das sind doch Sie – "sind nicht hundertprozentig korrekt, ergaben die Recherchen des ,Kurier’ in Orthopädiegeschäften unseres Landes Österreich." – Herr Dr. Haider! Das ist Ihre Politik: Seicht und leicht! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hostasch. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.42

Abgeordnete Eleonora Hostasch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren seit 16 Uhr dieses Tages ein Thema, das ganz entscheidend für die österreichischen Bevölkerung ist, das de facto 100 Prozent der österreichischen Bevölkerung betrifft: Es geht um die Qualität unserer Gesundheitsversorgung, um deren Qualität im Spital und im extramuralen Bereich sowie im Zusammenhang mit Heilbehelfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Freiheitlichen! Ich nehme es Ihnen nicht ab, daß es Ihnen bei dieser Diskussion um ein seriöses Aufzeigen von Mängeln in diesem System geht. (Abg. Dr. Ofner: Aber recht haben wir gehabt!) Ihnen geht es vielmehr darum, ein gutes System zu diffamieren und zu versuchen, es zu unterwandern, um es durch ein schlechteres System abzulösen. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 185

Wer in einem Antrag formuliert, daß Gesundheitspolitik dem reinen Markt ausgesetzt werden soll, der handelt gegen Interessen von Menschen, von Patienten, von Versicherten. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. ) Wir stehen zum gesetzlichen System der Krankenversicherung. (Abg. Dr. Graf: So wurde in der DDR auch argumentiert!) Sie werden sich die Zähne beim Versuch ausbeißen, uns von dieser Stellungnahme abzubringen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Die verkaufen lieber Schlapfen um 20 000 S! – Abg. Dr. Haider: Der Minister hat gesagt, daß das überprüft werden muß! – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Wenn Sie wie eine tibetanische Gebetsmühle immer wieder das gleiche wiederholen und dieses Hohe Haus und den Minister mit Einzelbeispielen konfrontieren, die nicht nachvollziehbar sind, dann muß ich diese Form der Kritik, insbesondere im Licht unserer Erfahrung, daß sich Ihre Argumente im nachhinein meist als unwahr, als sachlich nicht gerechtfertigt oder als Halbwahrheiten herausstellen, als absolut unqualifiziert und nicht akzeptabel zurückweisen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Sie müssen Ihrem eigenen Minister zuhören!)

Wenn Sie zuhören könnten, dann hätten Sie auch gehört, daß der Minister bereits seit langem und mehrfach angekündigt hat, daß er von sich aus in die Wege leiten wird, daß eine Untersuchung der Vergabepraxis der gesetzlichen Krankenversicherungsträger vorgenommen werden wird. (Abg. Dr. Ofner: Verlesen Sie den Antrag! Jetzt bin ich neugierig!) Herr Dr. Ofner! Ich werde diesen Antrag jetzt verlesen.

Wenn Sie Behauptungen aufstellen, die nicht nachvollziehbar sind, dann ist das Ihre Sache. Uns geht es um eine seriöse Prüfung. (Abg. Dr. Ofner: Jawohl!) Uns geht es darum, zu versuchen, Systeme zu optimieren. Das hat der Minister angekündigt, und das wird er auch tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte daher, dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Donabauer und Hostasch betreffend die Vergabepraxis der gesetzlichen Krankenversicherungsträger Ihre Zustimmung zu geben, und darf ihn jetzt verlesen.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Karl Donabauer und Eleonora Hostasch betreffend die Vergabepraxis der gesetzlichen Krankenversicherungsträger

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Arbeit und Soziales wird ersucht, die von ihm angekündigte" – und ich betone das: die von ihm mehrmals angekündigte (ironische Verwunderung bei den Freiheitlichen) – "Untersuchung der Vergabepraxis der gesetzlichen Krankenversicherungsträger, einschließlich des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger betreffend Heilmittel und Heilbehelfe so zeitgerecht abzuschließen, daß er dem Nationalrat bis spätestens 31. Oktober 1996 über das Ergebnis der Prüfung berichten kann."

*****

Wir unterstützen den Minister bei seiner Politik, die sich nach den Bedürfnissen der Menschen richtet und die darauf orientiert ist, daß mit voller Korrektheit agiert wird. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Danke, daß Sie diesen Antrag einbringen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie, diesem Entschließungsantrag Ihre Zustimmung zu geben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Ja, das werden wir!)

20.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der von Frau Abgeordneter Hostasch verlesene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung mit einbezogen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 186

Es liegt eine zweite Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Kier vor. – Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort. Es stehen Ihnen noch 4 Minuten Redezeit zur Verfügung. (Abg. Ing. Reichhold: Jetzt wird sich Kier entschuldigen! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Nein, dieses Format hat er nicht!)

20.47

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine zweite Wortmeldung dient an sich fast ausschließlich einer Richtigstellung.

Kollege Stadler hat von diesem Rednerpult aus gesagt, ich hätte behauptet, daß Dr. Ivanic mit der ARGE Orthopädie nichts zu tun habe. – Dazu halte ich folgendes fest: Ich habe hier überhaupt keine Namen genannt, und ich habe auch nicht die Behauptung aufgestellt, daß Dr. Ivanic mit der Orthopädie nichts zu tun hat. (Abg. Dr. Haider: Guggenberger hat dich zitiert!) Ich habe hier nur zum Ausdruck gebracht, daß das, was hier vorgetragen wurde, ganz einseitig ist, daß keine Gegenrecherchen vorgenommen wurden, daß das dringend zu untersuchen ist und daß die einseitige Art und Weise, wie hier Namen von Leuten unter dem Schutz der Immunität ins falsche Licht gerückt werden, etwas ist, was ich entschieden ablehne. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Das halte ich für ganz wesentlich. Ich habe mich ausdrücklich gegen die einseitige Vorgangsweise, hier Beschuldigungen wie Tatsachen zu bringen, ausgesprochen. Sie nehmen Unterstellungen vor, anstatt Kritik zu üben. Da ist eine Unterscheidung zu treffen.

Daß die Frage der Heilbehelfe allerdings tatsächlich dringend zu untersuchen ist, habe ich selbst außer Streit gestellt. Das möchte ich noch einmal ganz ausdrücklich betonen. Ich habe gesagt: Ich bemängle den Stil und die Art und Weise des Umganges mit diesem Problem. Denn auf diese Weise dient man der Sache, wenn man ihr wirklich dienen will, nicht.

Deswegen habe ich mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich mir solche unwahren Unterstellungen, wie sie Kollege Stadler diesmal mir gegenüber gemacht hat, auch nicht gefallen lasse, so wie ich auch nicht zulasse, daß sie gegenüber einem Dritten erhoben werden.

Ich sage noch einmal: Kollege Stadler hat das hier wörtlich so vorgetragen. Ich bestreite überhaupt nicht, daß Kollege Guggenberger das so dargestellt hat. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Das ist hier nicht das Thema. Das wurde mir hier unterstellt, ich habe das aber nicht gesagt. Daher war es mir wichtig, das klarzustellen.

Ebenso möchte ich auch klar zum Ausdruck bringen, daß solche Dinge selbstverständlich genau untersucht werden müssen. (Abg. Ing. Reichhold: Das ist eine echte Peinlichkeit!) Es hat sogar die Regierungspartei einen Antrag auf Untersuchung eingebracht. Ich kann daher überhaupt nicht verstehen, warum sich die Freiheitlichen so aufregen. Ich verstehe es nur unter dem Aspekt, daß jemand so handelt, wenn er dabei ertappt wird, daß er einseitig Leute beschuldigt. Und allein deswegen hat sich diese Debatte ausgezahlt, denn es wurde wieder einmal gezeigt, daß man echte Anliegen mit Methoden vertreten kann, die parlamentarisch unerträglich sind. Wenn das die Freiheitlichen offenbar zu ihrem neuen Stilmittel machen, dann soll mir das nur recht sein. (Abg. Dr. Haider: Setz dich nieder, Kier!) Je mehr Sie schreien, desto mehr gewinne ich den Eindruck, daß es sehr nützlich war, daß ich mich jetzt zu Wort gemeldet habe (Beifall beim Liberalen Forum), denn wer sich so deutlich im Unrecht weiß, dem bleibt gar nichts anderes als laut zu schreien. – Und das paßt auch sehr gut zu dieser Partei. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

20.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.50

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister! Herr Präsident! Ich verstehe gar nicht, warum sich Kollege Kier hier noch einmal


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 187

zum Systemverteidiger gemacht hat. Er ist als Angehöriger einer Oppositionspartei gar nicht direkt in die Pflicht zu nehmen. Aber offensichtlich stört ihn allein die Tatsache, daß es der Freiheitlichen Partei einmal mehr gelungen ist, ein wesentliches Thema, nämlich einen weiteren Skandal hier im Hohen Haus zur Sprache zu bringen und der Öffentlichkeit wieder einmal zu zeigen, wie unter dem rot-schwarzen Deckmantel der Regierung Gelder an Leute verschwendet werden, die öffentlich vorgeben, Behinderten zu helfen, in Wahrheit aber dieses System zu nutzen wissen, um sich extrem zu bereichern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Donabauer verteidigt hier dieses System, weil er selbst Nutznießer dieses Systems ist, wie wir anläßlich der Dringlichen zur AUVA schon dargestellt haben. Herr Kollege Donabauer! Ich verstehe Ihre Beweggründe dafür, daß Sie hier dieses System verteidigen. Sie selbst sind nämlich – wie wahrscheinlich viele andere hier in diesem Haus sowie Verwandte, Bekannte und Parteifreunde dieser Regierungspartei – direkt oder indirekt Nutznießer dieses Systems, welches immer wieder – wie richtig betont wird – die Fleißigen und die weniger Verdienenden zur Kasse bittet.

Sie wollen dieses System weiter stützen und aufrechterhalten. Es ist uns aber wieder einmal gelungen, gewaltige Mißstände aufzuzeigen. Und das zwingt dann auch Sie dazu, zu handeln. Das ist uns bereits auch bei anderen Mißständen gelungen, die wir hier aufgezeigt haben, etwa bei der Nationalbank, beim Konsum, bei der DDSG und so weiter. Immer wieder ist es die Freiheitliche Partei, der es gelingt, darauf hinzuweisen, was faul in diesem Staate ist, wofür Sie die Verantwortung tragen.

Daß wir richtig handeln und daß das auch anerkannt wird, das zeigen immer wieder die Wahlen, in welchen darüber Rechnung gelegt wird, wer wirklich politische Arbeit in diesem Land leistet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Einmal mehr haben wir es erst vor kurzem erlebt, daß wir vom Wähler für die Arbeit belohnt werden, die wir hier leisten, und nicht Sie, die es könnten, weil Sie an der Regierung sind, meine Damen und Herren! (Abg. Freund: Die Nationalratswahlen sind sehr gut für euch ausgegangen! Ja?)

Es ist wirklich unglaublich, welche Zustände diesmal im Bereich der Vergabepraxis der gesetzlichen Krankenversicherungsträger aufgedeckt wurden. Nahtlos fügt sich das Ganze in eine österreichische Chronique scandaleuse ein. Meine Damen und Herren! Es ist an der Zeit, daß Sie als Österreicher sich einmal dafür schämen, welch abenteuerlich lange Chronik von Skandalen Sie schon aufweisen können! Es ist eine unendliche Geschichte von Skandalen, für die Sie, meine Damen und Herren von Rot und Schwarz, immer wieder hier die Verantwortung übernehmen müssen. Mit dem gleichen Strickmuster und unter dem Deckmantel einer rot-schwarzen Regierung entstehen immer wieder neue Sumpfblüten, meine Damen und Herren. Und es handelt sich auch immer wieder um die gleichen Nutznießer.

Daß auch diese Dringliche ins Schwarze getroffen hat, hat nicht zuletzt die Reaktion des Herrn Kollegen Kier gezeigt, der offensichtlich nicht damit leben kann, daß die Freiheitlichen in Wahrheit die einzige Oppositionspartei in diesem Hause sind, die Mißstände aufdecken kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Denn die anderen sind längst darum bemüht, sich endlich einmal an den ganzen Vorfällen, die es hier gibt, zu beteiligten. – Tun Sie es, meine Damen und Herren von den Liberalen, tun Sie es, meine Damen und Herren von den Grünen! Der Wähler wird Ihnen dafür die Rechnung präsentieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Ihnen ist es nicht einmal ansatzweise gelungen, etwas von dem hier Vorgetragenen zu entkräften. Ich kann mich nicht erinnern, daß jemand hier am Rednerpult gesagt hätte: Das stimmt nicht, weil, ... Ich kann mich nicht erinnern, daß jemand entsprechende Fakten auf den Tisch gelegt hätte.

Es waren die Freiheitlichen, die hier mit Fakten gearbeitet haben, die Behelfe eingekauft, die Rechnungen präsentiert haben, aus denen diese unglaublichen Spannen ersichtlich sind, die


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 188

einfach skandalös sind. Ein anderes Wort fällt mir dazu nicht ein. (Zwischenruf das Abg. Dr. Kostelka. )

Wir haben keine einzige Behauptung aufgestellt. Die Fakten, die wir hier von diesem Rednerpult aus der Öffentlichkeit genannt haben, waren durchwegs belegt. Wie recht wir einmal mehr haben, zeigt schlußendlich der Antrag, der von Kollegin Hostasch hier verlesen wurde. Dieser Antrag ist für mich nichts anderes als ein klares Schuldeingeständnis. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es handelt sich hiebei um ein klares Schuldeingeständnis. Nichtsdestotrotz werden wir diesem Antrag natürlich zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich noch einmal Herr Bundesminister Hums. – Bitte, Herr Bundesminister.

20.55

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums: Ich möchte zu dieser Diskussion noch einmal feststellen, daß in diesem Zusammenhang von einem Schuldeingeständnis keine Rede sein kann. Wir werden diesen Bereich allerdings korrekt untersuchen, und ehe nicht das Gegenteil bewiesen ist, gehe ich davon aus, daß in allen Fällen von den dort zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern korrekt vorgegangen wurde. Davon gehe ich aus. (Beifall bei der SPÖ.)

Weiters möchte ich noch einmal feststellen, daß wir Kostensenkungen in diesem Bereich für den Hauptverband bereits in Auftrag haben, auch bei den Verhandlungen über Medikamente und so weiter. Und es wurden auch bereits Kostensenkungen durchgeführt. Auch im vorigen Jahr hat es bereits Verhandlungen über Preissenkungen in all diesen Bereichen gegeben.

Nochmals möchte ich feststellen, daß die immer wieder zitierte ARGE Orthopädie – was immer in diesem Bereich gemacht wird, ich weiß es nicht – nichts mit dem Hauptverband zu tun hat und keine Organisation ist, an der der Hauptverband in irgendeiner Form beteiligt wäre. Die ARGE Orthopädie ist keine Organisation des Hauptverbandes oder eine sonstige Vereinigung, die mit den Krankenversicherungen etwas zu tun hat, außer daß sie, wie ich vorher informiert wurde, beratend für Verhandlungspartner für die Innung auftritt, aber nicht für den Hauptverband. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haider. )

Weil immer wieder behauptet wird, daß Generaldirektor-Stellvertreter Dr. Probst in dieser ARGE Orthopädie tätig ist, möchte ich nochmals betonen, daß er in dieser nicht vertreten ist. (Abg. Dr. Haider: Er ist in der Kommission!) Er ist der Verhandler des Hauptverbandes mit der Innung. Selbstverständlich hat er die Verhandlungen für den Hauptverband zu führen. Und Sie bringen Zitate aus einem Vorvertrag, der noch nicht wirksam ist, in dem es Ja- und Nein-Produkte je nach Ökonomie gibt ... (Abg. Dr. Haider: Warum hat er den Vertrag unterschrieben?)

Herr Dr. Haider! Wenn Sie hier immer wieder behaupten, daß Generaldirektor-Stellvertreter Dr. Probst Mitglied der ARGE Orthopädie oder in irgendeiner Form für diese tätig ist, dann kann ich Ihnen sagen: Mir wurde eindeutig erklärt, daß er das nicht ist.

Ich habe zur Beendigung dieser Diskussion einen Vorschlag: Herr Dr. Haider! Ich lade Sie dazu ein, gemeinsam mit uns zu klären, ob Dr. Probst Mitglied der ARGE Orthopädie ist, wie es hier mehrfach behauptet wurde. Wenn er es nicht ist, dann ersuche ich Sie, sich fairerweise in diesem Forum bei ihm zu entschuldigen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wir haben jetzt über Entschließungsanträge abzustimmen, und ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, ihre Plätze einzunehmen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 189

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Povysil und Genossen betreffend Gesamtverträge für Heilbehelfe. Ich bitte jenen Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit . Der Antrag ist abgelehnt .

Wir stimmen nunmehr ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen betreffend die Vergabepraxis bei den gesetzlichen Krankenversicherungsträgern. Ich bitte diejenigen, die für diesen Antrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch das ist die Minderheit . Der Antrag ist abgelehnt .

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Hostasch, Donabauer und Genossen betreffend die Vergabepraxis der gesetzlichen Krankenversicherungsträger. Jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Dieser Antrag ist einstimmig angenommen worden. (E 12.)

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nunmehr zur Durchführung einer kurzen Debatte. Die kurze Debatte betrifft den Antrag der Frau Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 109/A der Abgeordneten Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Bezügegesetznovelle eine Frist bis 9. Juli 1996 zu setzen. Nach Schluß dieser Debatte wird die Abstimmung über diesen Fristsetzungsantrag stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein. Nach der Bestimmung des § 57a Abs. 2 der Geschäftsordnung darf kein Redner länger als fünf Minuten sprechen.

Als erster Redner hat sich in dieser Debatte Herr Abgeordneter Dr. Kostelka zu Wort gemeldet. – Bitte, Sie haben das Wort.

21.01

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Gemäß einer alten englischen parlamentarischen Weisheit beantragt ein Politiker, dem nichts mehr einfällt, Steuersenkungen oder Diätenkürzungen. – Die freiheitliche Fraktion hat es in den letzten Tagen und Wochen fertiggebracht, beiden Binsenweisheiten zu entsprechen. (Abg. Madl : Hahaha!)

Wir bekennen uns dazu – und es gibt auch eine klare diesbezügliche Aussage im Arbeitsübereinkommen für diese Legislaturperiode –, daß es einen Reformschritt, der erste ist im übrigen bereits gesetzt worden, im Zusammenhang mit dem Bezügegesetz des Bundes, der Länder und Gemeinden geben soll und wird. Der erste Schritt, der gesetzt wurde, führt dazu, daß diese Berufsgruppe in diesem Raum, meine sehr geehrten Damen und Herren, die einzige in Österreich ist, die im Jahre 1997 zu Bezugsansätzen des Jahres 1993 ihre Arbeit verrichten wird. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Aber seien wir uns dessen bewußt, daß es in diesem Bereich auch einiges zu überlegen gilt. Seit der Konstituierung des Nationalrates in dieser Legislaturperiode haben wir im Schnitt jede Woche eine Sitzung gehabt, und wir haben darüber hinaus im Schnitt jeden zweiten Tag, Samstage, Sonntage und Feiertage mit eingerechnet, eine Ausschußsitzung gehabt. Was wir hier leisten, ist auch eine berufliche Tätigkeit und bedarf einer entsprechenden Entlohnung im Interesse der Qualität dessen, was wir tun.

Wir haben – das ist auch dem Arbeitsübereinkommen zu entnehmen – sicherlich Konsequenzen daraus zu ziehen, daß die Phantasie im Bezügegesetz zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ins Ungleichgewicht geraten ist. Meine Damen und Herren! Diese umgekehrte Einkommenspyramide ist vom Kopf wieder auf die Füße zu stellen. Denn jetzt verdient mitunter der Bürgermeister einer Landeshauptstadt mehr als der Landeshauptmann und der Landeshauptmann


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 190

mehr als der Bundeskanzler. Darüber zu diskutieren sind wir bereit, wir haben Ihnen zugesagt, daß wir eine entsprechende Vorlage einbringen werden.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Sie haben drei Anträge mit sehr unterschiedlichen Zielsetzungen von sehr unterschiedlicher Qualität eingebracht und Fristen bis zum 9. beziehungsweise 11. Juli gestellt. Ich bin sicher, daß sich im Hinblick auf den Inhalt dieser Anträge nicht einmal in Ihren eigenen Fraktionen eine entsprechende Mehrheit gebildet hat. Ich nehme an, nicht einmal Sie sind in diesen drei Bereichen zu einer Auffassung gekommen, geschweige denn, daß auf der Basis dieser Anträge eine gemeinsame Auffassung im ganzen Hause gefunden werden könnte.

Lassen Sie uns sachlich in der hiefür notwendigen Zeit und in demokratischer Verantwortung darüber diskutieren. Es ist klar, daß man selbst bei einem Eintrittspreis von 10 000 S in dieses Haus 183 Österreicher fände, die ein entsprechendes Mandat zu übernehmen bereit wären. Die Frage ist nur, welche.

Der Politikerbezug hat ein faires Entgelt für die hier geleistete Tätigkeit zu sein. Daß der Begriff "fair" aber auch ernst genommen wird, sind wir der Demokratie schuldig. Es muß nicht, meine Damen und Herren, ein Betrag von 60 000 S sein, wie ihn sich die Freiheitlichen gegenseitig genehmigen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haider. Redezeit: 5 Minuten.

21.05

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich habe viel Verständnis für die Argumentation des Klubobmannes der sozialdemokratischen Fraktion, der gemeint hat, man muß diese Dinge gründlich beraten.

Wir haben den Sozialdemokraten und der ÖVP an sich ausreichend Zeit gegeben, diese Thematik gründlich zu beraten. Denn die Freiheitlichen haben bereits in der letzten Gesetzgebungsperiode einen umfassenden Initiativantrag zur Neuregelung der Politikerbezüge eingebracht. Dieser Antrag war offenbar so gut, daß Kollege Khol in einem Zeitungsinterview mit der "Tiroler Tageszeitung" davon gesprochen hat, daß sich die Vorstellungen der Freiheitlichen mit jenen der ÖVP in Sachen Politikerbezüge decken. Es hätte also keinen Grund gegeben, das auf die lange Bank zu schieben, denn es hätte zumindest eine Mehrheitsbildung bereits in der letzten Gesetzgebungsperiode gegeben. (Zwischenruf des Abg. Schwemlein .) Daß Kollege Schwemlein da nicht mitmachen will, verstehe ich, denn er hat ja in Salzburger Zeitungen groß erklärt, daß er ohne sein arbeitsloses Einkommen neben seinem Politikerbezug verarmen müßte und nicht leben könnte. (Abg. Mag. Stadler : Uns kommen die Tränen!) Es ist für uns also selbstverständlich, daß Sie hier nicht mitmachen können.

Zweitens sind wir der Meinung, daß es jetzt wirklich an der Zeit ist, daß da einmal gehandelt wird. Alle Parteien wissen, daß es im Grunde genommen nicht um die Frage der Einkommenspyramide allein geht, denn diese haben Sie uns schon lange versprochen. Herr Bundeskanzler Dr. Vranitzky hat als Vorsitzender der Sozialdemokratie schon 1990 im Wahlkampf gesagt: In der Sozialdemokratie wird jetzt eine Regelung eingeführt, wonach keiner mehr verdienen darf als der Bundeskanzler.

Bis vor wenigen Monaten hat jedoch etwa der Wiener Bürgermeister 330 000 S verdient! Jetzt wurde dieses Einkommen ein bißchen herabgesetzt, weil das peinlich geworden ist. Und der morgigen "Kronen Zeitung" entnehme ich, daß sogar Parlamentspräsident Dr. Fischer seit Jahren neben seinen 190 000 S Monatsgehalt als Parlamentspräsident 53 000 S monatlich als Parlamentsangestellter bezieht. Man hat mir gesagt, daß diese Regelung seit dem Jahre 1971 besteht. (Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.) Ich sage nur, worüber man hier spricht. Kollege Kostelka wird zum Beispiel als "kleiner Fisch" bezeichnet, der neben seinem Klubobmannbezug, der an sich anständig ist, wie ich aus eigener Erfahrung sagen kann, auch noch 40 000 S als Parlamentsangestellter benötigt.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 191

Das sind die Dinge, die die Leute aufreiben! Einerseits kürzt man heute den Behinderten das Taschengeld von 1 100 S auf 550 S, weil kein Geld vorhanden ist, andererseits aber regelt man diese Dinge nicht, sondern sagt: Da brauchen wir Zeit, da müssen wir überlegen. – Wenn Sie über die Behinderten und über die Schwachen drüberfahren, brauchen Sie nie Zeit; da sind Sie sich sehr schnell einig. Wenn es aber darum geht, Dinge zu regeln, die auch uns einen korrekten Umgang mit den Bürgern ermöglichen, dann wird alles auf die lange Bank geschoben.

Daher haben wir als einzige Fraktion freiwillig diese 60 000 S-Grenze eingezogen. Das haben die Sozialdemokraten immer gefordert. Ihr habt das immer gefordert, meine lieben Freunde! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ihr habt immer gesagt: Wir müssen die Gesamtgehälter der Politiker gegenüber dem Durchschnittsgehalt der Bevölkerung in einer Relation von 1 : 3 oder 1 : 4 regeln. – Wir haben das tatsächlich gemacht, meine Damen und Herren! Was hindert euch eigentlich daran, hier auch Farbe zu bekennen und mitzumachen? – Das ist unsere Aufforderung an Sie. Wir wollen uns nicht damit auseinandersetzen, wer jetzt besser und wer schlechter ist. Aber es ist Zeit genug für die Auseinandersetzung damit gewesen.

Seit der XIX. Gesetzgebungsperiode liegt von den Freiheitlichen ein umfassender Antrag vor. Jetzt wurde er wieder eingebracht. Die Grünen haben einen gleichen Antrag eingebracht. Kollege Khol sagt, daß sich seine Vorstellungen mit jenen der Freiheitlichen decken. Da wird es doch bald einmal eine Mehrheit geben! Und wenn die Sozialdemokratie nicht mitmachen, sondern die Privilegienritter weiter verteidigen will, dann ist das ihr Problem. Aber in diesem Parlament sind zahlreiche Abgeordnete ernsthaft daran interessiert, daß sie auch gegenüber der Öffentlichkeit in ihren eigenen Angelegenheiten glaubwürdig sind. Es gibt eine solide Mehrheit dafür, hier eine Reform durchzuführen, die korrekt ist, die Leistungseinkommen sichert, die mit dem Unsinn der Politikerpensionen Schluß macht, die Abfertigungen beseitigt und auf diese Weise den Österreichern deutlich macht, daß das Sparpaket auch an der Politik nicht vorbeigegangen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Gleiche Redezeit.

21.10

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beiden Regierungsparteien haben sich in der Regierungsübereinkunft vorgenommen, bis Ende dieses Jahres zwei große Problemkreise anzupacken und dem Hohen Haus diesbezügliche Vorschläge zu unterbreiten. Bei dem einen Problemkreis geht es darum, wie man durch eine Verfassungsbestimmung Obergrenzen für Bezüge in Bund, Ländern, Gemeinden, Selbstverwaltungskörpern und Interessenvertretungen festlegen kann – also die sogenannte Bezügepyramide –, der andere Problemkreis betrifft die sogenannten arbeitslosen Einkommen, das heißt Einkommen, die Abgeordnete dieses Hauses haben, ohne dafür zu arbeiten.

Beide Probleme sind große Probleme. Ich habe unlängst eine Karikatur im "Standard" gesehen, wo man Klubobmann Kostelka und mich beim Beginn des Baues der Cheops-Pyramide gezeichnet hat. Ich bin überzeugt davon, meine Damen und Herren, den Arbeitern an der Cheops-Pyramide hat man auch keine Frist gesetzt, denen hat man auch die Zeit gelassen, die sie benötigten. (Abg. Dr. Graf: Aber die ist schon lange fertig!)

Ich glaube also, für diese Bezügepyramide, deren Erstellung eine sehr schwerwiegende Arbeit ist, brauchen wir Zeit. Und was das Problem der Doppelbezüge und der arbeitslosen Einkommen betrifft, so kann ich hier nur sagen: Jene Fraktion unter uns, in der dieses Problem nicht besteht, die werfe den ersten Stein! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Denn wenn man alles zusammenrechnet, also öffentlicher Dienst, Interessenvertretungen, politische Parteien als Dienstgeber, so sind mehr als die Hälfte der Damen und Herren dieses Hauses sowohl Abgeordnete als auch öffentlich Bedienstete, Parteiangestellte oder Funktionäre von Interessenvertretungen. Mehr als die Hälfte! Auch die Freiheitlichen haben an die 20 Prozent. Am meisten sind es bei den Sozialdemokraten; bei den Grünen und bei der ÖVP sind es ungefähr 50 Prozent.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 192

Ich meine, daß das ein umfangreiches und wichtiges Problem ist. Wir werden uns alle zusammensetzen und es bis Ende des Jahres lösen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

21.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Barmüller.

21.13

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Khol! Sie haben recht: Eine gute Lösung braucht ihre Zeit. Es ist eine lange Reise bis dorthin, aber auch die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt. Ankündigungen hat es in diesem Zusammenhang schon viele gegeben, aber die ersten Schritte wurden nicht gemacht. Das ist das eigentliche Problem.

Es ist aber auch ein Problem, daß solche Debatten immer als Lizitierungsdebatten nach unten geführt werden und daß man sich nicht dazu bekennt, zu sagen: Wir brauchen eine transparente Lösung. Das muß wirklich auf den Tisch. – Dazu wäre die Zeit jetzt gut, und es wäre nicht falsch, Herr Abgeordneter Khol, den Fristsetzungsantrag zum Anlaß zu nehmen, wirklich noch vor der Sommerpause entscheidende Schritte zu setzen. Es wäre schon gut, wenn man bis zum Sommer aufgrund der Modelle, die vorliegen, zumindest feststellte, wo Einigkeit besteht und wo noch Diskussionsbedarf besteht. (Abg. Dr. Khol: Das ist doch nicht seriös!) Das ist schon seriös, Herr Abgeordnete Khol (Abg. Dr. Khol: Nein!) , denn zu Recht muß man fürchten, daß auch bis zum Jahresende nichts dabei herauskommen wird. (Abg. Dr. Khol: Aber glauben Sie, daß Sie in einer Woche diese Probleme aufarbeiten können?!)

Das stimmt ja nicht. Schauen Sie, alle Anträge, um die es heute geht, Herr Abgeordneter Khol, liegen seit dem 27. Februar im Hause (Abg. Dr. Khol: Das mit der Bezugspyramide nicht!) , und der Antrag vom Liberalen Forum, Herr Abgeordneter Khol, ist mit Neumann Management Consultants ausgearbeitet. (Abg. Dr. Khol: Kein schlechter Anfang!) Das ist ein wirklich gut durchdachter Antrag, der dadurch gekennzeichnet ist, daß darin verlangt wird: keine Abfertigungen, keine Pensionen (Abg. Dr. Khol: Ja!) und – auch dahin müssen wir endlich gelangen – Schluß mit den Doppelbezügen. Es darf hier keine arbeitslosen Einkommen geben. Das ist in unserem Modell ganz klar enthalten.

Man wird sich im Bereich der öffentlich Bediensteten überlegen müssen, ob überhaupt realistischerweise eine Möglichkeit besteht, zu irgendeiner Prozentlösung zu kommen, weil es dann ja auch eine Leistungsprüfung geben muß. Aber von unserem Ansatz her sei noch einmal festgehalten: keine Abfertigungen, keine Pensionen und keine arbeitslosen Einkommen.

Das, meine Damen und Herren, wollen wir noch vor dem Sommer behandelt haben, und das wird auch der Grund sein, warum wir allen drei Fristsetzungsanträgen unsere Zustimmung geben werden. Wir haben lange genug darauf gewartet, daß endlich begonnen wird. Der Ankündigungen ist genug! Es muß endlich umgesetzt werden! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Dr. Graf und Wabl. )

21.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stoisits. Sie hat das Wort.

21.15

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar ve#er, poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin schon sehr verwundert, wie Herr Klubobmann Kostelka hinsichtlich der – wie hat er gesagt? – sachlich notwendigen Zeit, die man braucht, um etwas reiflich zu überlegen, unterscheidet – je nachdem, ob es um seine eigene Tasche oder ob es um die Tasche der Österreicherinnen und Österreicher geht. Ich erinnere mich noch gut, Herr Klubobmann Kostelka, daß es für das Strukturanpassungsgesetz, das ja wohl tatsächlich als ein – jetzt nicht nur vom Umfang, sondern auch vom Inhalt her – schwerwiegendes Gesetz bezeichnet werden kann, Begutachtungsfristen gab, die nur Tage, in manchen Fällen fast nur Stunden betragen haben. Verehrter Herr Klubobmann! Hier ist ein gewisses Denken an die eigene Tasche tatsächlich nicht zu verhehlen!


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 193

Was mich an Ihrer Argumentation stört, ist nicht, daß Sie kritisieren, daß von heute, 13. Juni, bis 9. Juli eine zu kurze Zeit bleibt, um sich wirklich seriös und inhaltlich tiefgreifend mit diesen Dingen zu beschäftigen. Ich frage mich nur, was eigentlich von Februar bis jetzt passiert ist. Die drei Oppositionsanträge sind ja nicht erst heute, sondern alle drei sind im Februar dieses Jahres eingebracht worden. Sie sind – das ist richtig – sehr unterschiedlich, aber im Kern treffen sie alle dieselbe Sache.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage mich wirklich, ob die Österreicherinnen und Österreicher in der natürlich für uns 183 zugegebenermaßen schon interessanten Sache – da geht es ja um das eigene Geld – Ihre Meinung teilen, wenn es andererseits zum Beispiel möglich ist, die finanzielle Basis für Studierende in Österreich innerhalb von Tagen einzuschränken. Da konnte es nicht schnell genug gehen!

Das ist schon ein sehr, sehr seltsames Demokratieverständnis, das auch der verehrte Herr Klubobmann der SPÖ an den Tag legt. Aber hier spricht er natürlich als Betroffener einer Regelung – jetzt beziehe ich mich nicht auf den Februar dieses Jahres, denn der Antrag der Grünen ist schon in der letzten GP eingebracht worden, und niemand von den beiden großen Parteien hat sich darum gekümmert, was damit geschehen soll und wie damit zu verfahren ist –, die noch einen Aspekt enthält – und um diesen geht es mir; über den habe ich in all den Zeitungskommentaren und den spärlichen Meldungen über das, was Sie in Ihren Gesprächen am Dienstag erörtert haben beziehungsweise was Sie mit Verweis auf den 25. Juni, wo es weitergehen soll, noch beraten werden, nichts gehört (Abg. Dr. Khol: Alles sagen wir euch nicht! Alle Dinge können wir nicht sagen! Sie sind so neugierig!) –, der eigentlich auch ein wesentlicher Punkt ist, der aber in der öffentlichen Diskussion ebenfalls nicht vorkommt und der jetzt zu Recht die Empörung der Opposition und auch der Bürger und Bürgerinnen mit sich bringt, nämlich den Aspekt der versteckten Parteienfinanzierung.

Wir haben in unserem Antrag diesem Punkt Rechnung getragen und verlangen darin, daß es in Zukunft nicht mehr sein darf, daß das freie Abgeordnetenmandat durch Zwangsbeiträge an Klubs und Parteien eingeschränkt wird, sodaß etwa SPÖ-Abgeordnete in die Verlegenheit kommen, der Öffentlichkeit gegenüber erklären zu müssen, sie brauchen ja ihre Pension oder ihr arbeitsloses Einkommen, für das sie nichts leisten, weil das genau der Höhe der Klubsteuer und der Parteisteuer entspricht, die sie zu zahlen haben.

Ja, ist Ihnen das nicht peinlich? Ist Ihnen das nicht peinlich, daß man, wenn man ein wenig hochrechnet, ganz genau weiß, daß allein auf der sozialdemokratischen Seite 15 Millionen Schilling Ihrer Ihnen durch das Bezügegesetz gesetzlich zustehenden Gehälter in Ihre Parteikasse fließen? – Sagen Sie das einmal den Wählern und Wählerinnen, dann werden diese auch Verständnis dafür haben, daß manche von Ihnen Angst haben, etwas zu verlieren.

Man muß auch in der Politik Mut haben, und zwar den Mut, dazu zu stehen, daß man etwas leistet, und diesen Mut kann ich bei Ihnen nicht erkennen. Denn wenn ich kein schlechtes Gewissen habe, daß ich zu wenig Zeit, zu wenig Intensität und zu wenig Engagement in meinem Beruf einsetze, dann kann ich mich auch zu den Gehältern und zu den Einkommen, die das Gesetz heute zugesteht, bekennen. Ich rede jetzt überhaupt nicht von arbeitslosen Einkommen, denn ich halte es einfach für nicht anständig, als Politiker ein arbeitsloses Einkommen zu beziehen. Aber wenn man den Mut hat, zur eigenen Leistung zu stehen, wird es auch bezüglich der Bezahlung kein Problem geben. – Darum werden wir allen drei Fristsetzungsanträgen zustimmen. (Beifall bei den Grünen und des Abg. Dr. Graf. )

21.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Diese Debatte ist daher geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung .

Wir stimmen ab über den Antrag, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 109/A der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Bezügegesetznovelle eine Frist bis zum 9. Juli 1996 zu setzen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 194

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Fristsetzungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit . Der Antrag ist daher abgelehnt .

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen als nächstes zur Durchführung einer weiteren kurzen Debatte betreffend den Antrag des Herrn Abgeordneten Mag. Stadler, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 105/A der Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bezügegesetz und weitere Gesetze geändert werden, eine Frist bis 11. Juli zu setzen.

Nach Schluß der Debatte wird die Abstimmung über diesen Antrag stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein. Redezeit: 5 Minuten.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Stadler.

21.22

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Klubobmann Kostelka hat versucht, uns zu Tränen zu rühren: Wir armen Politiker sind bei den Bezugsansätzen des Jahres 1993 steckengeblieben, haben keine Reallohnzuwächse! – Der österreichischen Bevölkerung werden Einschnitte, Eingriffe, Abgaben verordnet, aber dann äußerst man sich hier larmoyant: Wir sind ja bei den Bezugsgrößen des Jahres 1993 steckengeblieben!

Aber den Vogel abgeschossen, Herr Präsident, haben nicht Sie mit Ihrer Gestik, Abgeordneter Haider hätte einen Vogel, sondern den Vogel abgeschossen in diesem Hohen Haus, meine Damen und Herren, hat in Wahrheit Abgeordneter Kostelka, als er sagte: Wir sind ja so sehr beschäftigt! Wir haben im Schnitt eine Sitzung pro Woche! Eine Sondersitzung nach der anderen!

Ständig schimpft er auf die Sondersitzungen der Freiheitlichen. Weil das der Regierung unangenehm ist, müssen wir sogar die Geschäftsordnung ändern, und der Erfüllungsgehilfe auf der Parlamentsbank, Herr Klubobmann Kostelka, macht schön brav, was der Herr Bundeskanzler wünscht. Er beklagt immer, daß es zu viele Sitzungen gibt, aber dann kommt er hier heraus und sagt justament: Weil wir so viele Sitzungen haben, beziehen wir doch das Politikergehalt zu Recht, meine Damen und Herren! – Das ist ja wirklich das Größte, daß jetzt schon die vorher so sehr kritisierten Sitzungen des Nationalrates zur Rechtfertigung der Politikerbezüge dienen.

Nur, Herr Kollege Kostelka: Ihren Nicht-Aktivbezug, Ihr arbeitsloses Einkommen können Sie selbst mit unseren Sondersitzungen nicht rechtfertigen. Wie wollen Sie das der Bevölkerung erklären, der man Abgaben verordnet, der man das Gürtel-enger-Schnallen verordnet – und zwar mit Fristsetzung? – Denn dort hat man sofort – da gebe ich Kollegin Stoisits recht – mit kürzesten Fristen, mit Verfassungsbestimmungen dafür gesorgt, daß das alles noch rückwirkend gilt! Ich schaue mir an, ob Sie bereit sein werden, durch Verfassungsbestimmungen auch rückwirkend in die Politikergehälter einzugreifen (Beifall bei den Freiheitlichen) , in die Pensionsrechte einzugreifen, in die Abfertigungsrechte einzugreifen, so wie Sie bereit waren, das bei der Bevölkerung ganz selbstverständlich zu tun! Da hat man überhaupt keinen Genierer gehabt, mit Fristsetzungen zu arbeiten.

Meine Damen und Herren! Da wird es dann nicht mehr möglich sein, nur über den Fall Höchtl zu reden, obwohl das natürlich wirklich ein skandalöser Fall ist – er hat ja auch bezeichnenderweise die Debatte verlassen –, es wird auch über den Fall Kostelka zu reden sein, es wird über den Fall Fischer zu reden sein – ich weiß nicht, Herr Präsident, wie Sie jetzt gestikulieren, ich sehe es nicht (Abg. Grabner: Bauer!) –, es wird über den Fall Posch zu reden sein, es wird über den Fall Mertel zu reden sein, die – so häufig war sie am Arbeitsplatz – nicht einmal gemerkt hat, daß ihr Landeshauptmann Dr. Haider den Schreibtisch weggenommen hat, weil sie nie da war, und es wird über den "von der Armut bedrohten" Abgeordneten Schwemlein zu reden sein.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 195

(Abg. Schwarzenberger: Und über den Wabl! – Abg. Grabner: Und über den Bauer! Nicht vergessen!) Das alles ist heute nicht mehr verantwortbar! Und ich habe keine Lust, mich gegenüber der Bevölkerung schützend vor diese Leute zu stellen, die neben ihrer politischen Tätigkeit ein arbeitsloses Einkommen beziehen wollen.

Und man wird auch über den Fall Moser reden müssen. Natürlich werden wir darüber reden müssen, wie es sich ein Mann unter Ausnützung des Systems richten kann, daß er vorzeitig in Frühpension geht, während man allen anderen Österreichern sagt, sie hätten nichts mehr in der Frühpension verloren, meine Damen und Herren!

Darüber wird man reden müssen! Über all diese Dinge wird man reden müssen, und zwar, wie ich behaupte, rasch, mit Fristsetzung reden müssen. Wenn man der Bevölkerung Fristsetzung, Verfassungsbestimmung und Rückwirkung verordnet, dann wird das auch bei den Politikern nur recht und billig sein. Daher werden wir auch dem Antrag der Liberalen zustimmen, so wie wir bereits dem Antrag der Grünen zugestimmt haben und selbstverständlich unseren eigenen Antrag vehement unterstützen.

Meine Damen und Herren! Sie sollten nicht immer warten, bis in Magazinen, in Zeitungen und im ORF darüber berichtet wird, daß wir schon wieder einen Fall haben, wie jetzt eben den Fall Höchtl, der plötzlich diese Läuterung der Österreichischen Volkspartei ausgelöst hat. Vor Wahlen möchte man ja bekanntlich immer besonders geläutert vor den Wähler hintreten und ist immer peinlich berührt, wenn dann solch ein Fall auftaucht, daß einer bald zwei Jahrzehnte lang ein arbeitsloses Einkommen kassiert, für das es nicht die geringste Rechtfertigung gibt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wabl. Er hat das Wort.

21.26

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Khol hat hier vom Rednerpult aus etwas gemacht, was wohl der "großartigste" der Beiträge war, die heute hier geleistet wurden. Herr Höchtl hat sich zum Glück abgesetzt, andere lachen verschmitzt, andere wiederum glauben, sie sind ganz anständig vorgegangen, weil sie zwar das Gehalt nicht nehmen, sich aber die Pension vom Staat weiter bezahlen lassen. (Abg. Schwarzenberger: Wie ist das bei Ihnen?) Andere meinen, sie müssen jene beschuldigen, die schon seit zehn Jahren davon reden, daß sie ein arbeitsloses Einkommen beziehen, wie Kollege Schwarzenberger das ganz erfolgreich macht. (Abg. Schwarzenberger: Ich habe kein arbeitsloses Einkommen!)

Es gibt zwei Kategorien in diesem Haus, Herr Abgeordneter Schwarzenberger: Die einen sind diejenigen, die hier mit einer Mehrheit Gesetze beschlossen haben, das sind die Regierungsparteien. Sie haben vor 10, vor 20 Jahren ein unmoralisches Gesetz beschlossen, das eine tägliche oder eine alljährliche Versuchung für bestimmte Menschen wie zum Beispiel für Herrn Höchtl oder für Frau Stoisits oder für Herrn Moser oder für Herrn Frischenschlager oder für Herrn Wabl oder für Herrn Bauer oder für Herrn Kostelka oder für Herrn Präsidenten Fischer – um alle Parteien aufzuzählen – darstellt. Diese Regierungsparteien haben ein Gesetz gemacht, das unmoralisch ist und öffentliches Ärgernis erregt, aber die politische Diskussion wird auf den jeweiligen individuellen Buhmann reduziert.

Meine Damen und Herren! In erster Linie sind doch jene Parteien anzuprangern, die politisch dafür verantwortlich sind – und das sind die SPÖ und die ÖVP! Das ist das Problem in dieser Frage. (Beifall bei den Grünen und bei den Freiheitlichen.)

Wir können darüber diskutieren, wie der einzelne Abgeordnete, der dieser Versuchung ausgesetzt ist, reagiert hat (Abg. Schwarzenberger : Aber Sie können nicht verzichten!) , wie in meinem Fall zum Beispiel: Ich war vor zehn Jahren dieser Versuchung ausgesetzt, habe beim Landesschulrat einen Antrag gestellt und habe zur Antwort bekommen: Eine Reduzierung Ihres Gehalts auf Null ist nicht möglich. – Ich habe gefunden, daß das ein Skandal ist, bin zur Presse, an die Öffentlichkeit gegangen, habe die Politiker beschimpft, habe gesagt, das ist unmöglich,


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 196

und habe das Gehalt schließlich gespendet. – Jetzt kommen Sie daher und fragen: Herr Wabl, Sie haben auch ein arbeitsloses Einkommen?

Aber die größte Infamie betreibt Herr Kollege Khol! Er stellt sich hierher und sagt: Mein Gott, meine lieben Abgeordneten, jene Partei, die solch einen Fall nicht in ihrer Gruppe, in ihrer Fraktion hat, die werfe den ersten Stein. – Er hat die Bibel gelernt, der Herr Abgeordnete. (Heiterkeit.) Sie sollten lieber lernen, daß Sie in der Regierungspartei sitzen und dieses Gesetz schon seit 20 Jahren verändern hätten können, um Ihrem charakterschwachen Höchtl auf die Beine zu helfen mit einem Gesetz, das diesen Zustand verändert, Herr Khol! (Beifall bei den Grünen, den Freiheitlichen und beim Liberalen Forum.)

Weiters kommt Kollege Kostelka, der natürlich auch eine bestimmte Platte aufgelegt hat: Es sei rechtlich noch nicht klar, ob man verzichten kann. Natürlich kann ich privatrechtlich verzichten, zivilrechtlich. Na selbstverständlich! Ich kann auf alles verzichten. Ich kann mein Haus der Kirche vermachen, dem Staat vermachen, mein Gehalt kann ich jedem vermachen. Ich kann es natürlich auch dem Herrn Höchtl vermachen. Selbstverständlich!

Meine Damen und Herren! Das ist nicht das Problem. Das Problem ist, daß wir Gesetze haben, die so beschaffen sind, daß sie ständig zu einem öffentlichen Ärgernis werden. Und mit Ihrer Rede, Herr Khol, sind Sie ebenfalls zu einem öffentlichen Ärgernis geworden. Das ist das Fatale an der ganzen Diskussion. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka .) Sie entledigen sich der politischen Verantwortung, Herr Kukacka! 22 Jahre lang haben Sie Ihrem "armen", charakterschwachen Höchtl zugesehen und haben dieses Gesetz nicht verändert. Das ist das Problem, das Sie haben, und auch Sie von der sozialdemokratischen Fraktion. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Frau Fekter! Hören Sie auf mit Ihrem moralischen Gesocks! Verändern Sie dieses Gesetz! Sie haben die Mehrheit in diesem Haus. (Beifall bei den Grünen, den Freiheitlichen und beim Liberalen Forum. – Abg. Schwarzenberger: Warum verzichten Sie nicht? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

21.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. Ich erteile es ihr.

21.31

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Meine Damen und Herren! Herr Stadler hat hier wieder einmal – wie schon mehrere Abgeordnete seiner Fraktion vor ihm – die Behauptung aufgestellt, daß mir der Herr Landeshauptmann Haider in seiner kurzen Amtszeit in Kärnten einen Schreibtisch weggenommen hätte und ich somit ... (Abg. Mag. Stadler: Es stand in der Zeitung!) Ja, Herr Stadler, es stand in der Zeitung, aber zwei Tage später stand genauso ausführlich in der Zeitung, daß das nicht stimmt. (Abg. Mag. Stadler: Wie lange ist es Ihnen nicht aufgefallen?) Ich habe Sie leider nicht verstanden, ich habe auch kein Interesse daran. (Abg. Dr. Haider: Sie haben es gar nicht bemerkt!) Es war sogar das Zimmer weg. Es war das Zimmer weg, es war der Schreibtisch weg, aber unter meinem Zutun, lieber Herr Ex-Landeshauptmann.

Lieber Herr Ex-Landeshauptmann, so wie Sie es sich vorstellen und so wie Sie, lieber kleiner Herr Stadler, es sich in Ihren kühnen Träumen vorstellen, so springt man im öffentlichen Bereich mit Beamten nicht um. (Abg. Mag. Stadler: Daß Sie es nicht bemerkt haben, das ist das Problem!) Aber Herr Stadler, ich habe es nicht nur bemerkt, der Herr Landesamtsdirektor, die rechte Hand vom Ex-Landeshauptmann, hat mich auch verständigt, daß mein Zimmer geräumt werden muß (Abg. Dr. Haider: Sie sind wochenlang nicht dagewesen!) , und die Räumung des Zimmers konnte nur mit meiner Mitarbeit vor sich gehen. Meine eigenen Sachen mußte ich selbst einpacken. Die Akten mußte ich selbst einpacken. Das ist doch selbstverständlich, daß man das tut. (Abg. Mag. Stadler: Da gab es nichts einzupacken!) Ich war selbst dabei, als die Sachen aus meinem Zimmer übersiedelt worden sind. Das heißt also, daß ich einen Schreibtisch verlassen und einen anderen besetzt beziehungsweise ein anderes Zimmer besiedelt habe.

Frau Partik-Pablé! Sie lächeln so höhnisch, so "wissend" höhnisch. Sie wissen ganz genau, daß es im öffentlichen Bereich bestimmte Spielregeln gibt, die eingehalten werden. Und in diesem


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 197

Fall wurden sie eingehalten. (Abg. Mag. Stadler: Herr Präsident! Ist das ein Debattenbeitrag oder eine tatsächliche Berichtigung?) Man hat mich verständigt, daß ich ein neues Zimmer bekomme. Auch unter einem Landeshauptmann Haider wurde einer sozialdemokratischen Abgeordneten ein Zimmer mit einem Schreibtisch zugebilligt (Abg. Mag. Stadler: Ja, es war da!) , obwohl seine Absicht durchschaubar war: nämlich mich in meiner Abgeordnetentätigkeit, mich in meiner Tätigkeit als Personalvertreterin zu behindern. (Beifall bei der SPÖ.)

21.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Peter Haselsteiner. – Auch das ist eine Wortmeldung. Weil in einer Kurzdebatte keine tatsächlichen Berichtigungen möglich sind, erteile ich das Wort ausschließlich zu Debattenbeiträgen. – Bitte sehr.

21.34

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es freut mich, aus allen Wortmeldungen wenigstens eines heraushören zu können: daß Handlungsbedarf besteht, daß unbestritten ist, daß das geltende Bezügerecht nicht mehr verständlich gemacht werden kann, und daß sich keine Fraktion einer solchen Reform entgegenstellen möchte.

Was ich aber bei einer solchen Debatte nicht verstehe, ist, warum Sie als Regierungsparteien, meine Damen und Herren von der SPÖ und von der ÖVP, diesen Fristsetzungsanträgen nicht zustimmen können. Warum, Herr Professor Khol, wollen Sie denn das unbedingt bis zum Jahresende verschieben? – Was du heute kannst besorgen – Sie sind doch so belesen und so firm in all diesen Dingen –, das verschiebe nicht auf morgen! Herr Professor Khol! Halten Sie sich daran! Stimmen Sie dem zu, denn sonst besteht wieder der Verdacht, daß Sie dem Druck nur ein Ventil öffnen wollen, weil jetzt zufällig Ihr Paradefall Höchtl neuerlich Schlagzeilen gemacht hat – diesmal in anderer Form als vor wenigen Wochen. Ich weiß zwar nicht, welche die angenehmere Schlagzeile ist: Küsserkönig oder Kassiererkönig – beides ist unangenehm. (Abg. Aumayr: Küsserkönig ist billiger!) Das eine ist billiger für die Republik, das gebe ich zu. – Es mag schon sein, daß das alles nicht angenehm ist, meine Damen und Herren von der ÖVP, es ist nur leider wahr, und das wissen Sie auch.

Warum, Herr Professor Khol, stimmen Sie also der Fristsetzung nicht zu? – Sagen Sie mir das bitte! Erklären Sie mir, warum man nicht wirklich auch sich selbst unter einen gewissen Zeitdruck setzen kann, wenn man ein Problem als dringlich erkannt hat und das sogar zugibt! Ich glaube, es wäre klug von Ihnen, diesen psychologischen Trick auch gegen sich selbst anzuwenden und zu sagen: Jawohl, setzen wir uns selbst eine machbare, aber eine ernstzunehmende zeitliche Begrenzung – und das ist der 9. Juli. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel .) Stimmen Sie diesem Fristsetzungsantrag zu, Frau Mertel! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Dr. Mertel: Die zeitliche Begrenzung ist im Arbeitsübereinkommen drinnen! – Weitere Zwischenrufe.)

21.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet.

Wir kommen daher zur Abstimmung .

Ich lasse abstimmen über den Antrag, der Nationalrat möge beschließen, für den Antrag 105/A eine Frist bis zum 11. Juli zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Fristsetzungsantrag ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit . Damit ist der Antrag abgelehnt .

Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir eine einzige kurze Bemerkung zu diesem Problem, das wir sicher lösen müssen: Wir haben es hier mit einem Problem, mit einer Rechtslage, einschließlich des Art. 59a der Bundesverfassung, zu tun. Diese Rechtslage geht auf einen Dreiparteieninitiativantrag von SPÖ, ÖVP und Freiheitlichen aus dem Jahr 1983 zurück und ist damals von allen – gegen eine Stimme – beschlossen worden, was nicht heißt, daß man nicht auch einen fast einstimmigen Beschluß dann, wenn entsprechende Argumente vorliegen, ändern kann.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 198

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir sind damit wieder bei den Verhandlungen zu den Punkten 1 bis 8 der Tagesordnung.

Um 16 Uhr ist Frau Abgeordnete Madl unterbrochen worden. Sie erhält das Wort zur Fortsetzung ihrer Rede. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.38

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich setze dort fort, wo ich vor zirka 5 Stunden unterbrochen habe (Abg. Leikam: 5 ½!) , und zwar beim Wort "Vernunft" – ein Wort, das hier in diesem Hause etwas eigenartig gebraucht wird.

Der Herr Minister hat heute schon von Beschäftigungsoffensive gesprochen und davon, daß es ein Anliegen nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa ist, für Arbeitsplätze zu sorgen, und zwar ist dies ein Anliegen, das wirklich vorrangig ist. Aber gleichzeitig beschließt er ein Belastungs- und Sparpaket mit, das in vielen Fällen genau das Gegenteil bewirkt, nämlich die Vernichtung von noch mehr Arbeitsplätzen und keine Beschaffung. Ob das von Vernunft geprägt ist, das steht hier zur Debatte.

Ich habe zum Beispiel vor einigen Tagen mit einem Lackierer und Spengler gesprochen, der mir gesagt hat, daß er jetzt aufgrund der vielen Hagelschläge natürlich einen enormen Arbeitsanfall hat. Er könnte Tag und Nacht arbeiten, Samstag, Sonntag, denn jeder Kunde, der zu ihm kommt und dessen Auto durch den Hagel beschädigt worden ist, möchte natürlich am nächsten, am übernächsten Tag oder zumindest in einer Woche sein Auto wieder haben. – Sie wissen ja, wie das ist. Diesem Spengler ist es aber nicht möglich, dieser Nachfrage nachzukommen, weil seine 26 Mitarbeiter es nämlich ablehnen, Überstunden zu machen. Und wissen Sie, warum sie es ablehnen? – Sie sagen, wenn sie jetzt Überstunden machen, werden sie ja dafür bestraft, daß sie mehr arbeiten.

Sehen Sie, Herr Minister, das ist die Moral von der Geschichte! Das ist die Folge dessen, was Sie mit Ihrem Belastungspaket den Arbeitnehmern, die arbeitswillig sind, auferlegt haben. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie heute gesagt haben, als Sie davon sprachen, Sie wollen eine Beschäftigungsoffensive starten, Sie wollen Arbeitsplätze schaffen. – Sie machen ganz genau das Gegenteil!

Sie wissen, daß wir eine steigende Arbeitslosigkeit haben. Von 1994 bis 1996 gab es eine Steigerung von über 11 Prozent. Es gibt aber immer noch Leute, die arbeiten wollen, und diese werden dann durch das Arbeitsmarktservice vermittelt.

Jemand, der einen Facharbeiter für sein Sägewerk gebraucht hat, hat mir erzählt, daß es ihm nicht möglich war, einen geeigneten Mann zu finden, weil jene, die sich über das Arbeitsmarktservice vorgestellt haben, lauter Hilfsarbeiter und nicht fachkundig waren. Er ist dann zum Arbeitsmarktservice gegangen und hat gesagt: Ich habe einen Facharbeiter für mein Sägewerk gefordert und bekomme einen ungelernten Hilfsarbeiter. – Darauf hat dieser Mensch dort – anders kann man ihn nicht bezeichnen – gesagt, er hat beurteilt, ob in diesem Sägewerk ein Facharbeiter notwendig ist oder ob ein Hilfsarbeiter genügt.

Meine Damen und Herren! Da sitzen Leute im Arbeitsmarktservice – Herr Minister! Bitte hören Sie mir zu! –, die ihr Leben lang noch nie etwas gearbeitet haben, sich aber erfrechen, Arbeit zuzuteilen. Das ist der Skandal! Unter diesen Umständen wundert es mich wirklich nicht, Herr Minister, wenn viele Leute, die Arbeit suchen, nicht an die richtigen Stellen vermittelt werden. Und schließlich und endlich fällt das auch dem Sozialbudget zur Last.

Sie haben durch das Sparpaket auch zugelassen, Herr Minister, daß die Familien unheimlich belastet werden. Sie haben voriges Jahr zugelassen, daß die Familienbeihilfe gekürzt wird, daß die Geburtenbeihilfe entfällt, daß ein Selbstbehalt bei Schulbüchern weiterhin besteht und für Schülerfreifahrten der Selbstbehalt mit 300 S beibehalten wurden. Sie haben auch durch die Energiesteuern die Familien – ich habe es Ihnen auch bei der Budgetdebatte schon gesagt –


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 199

immens belastet. Jetzt ist es soweit, daß die Familien diese Belastungen spüren. Sie spüren sie bei den Mieten, sie spüren sie bei den Betriebskosten und bei dem, was die Energiesteuer eben nach sich zieht.

Herr Minister! Und jetzt befürworten Sie, daß die Familien jener ausländischer Arbeiter, die bei uns beschäftigt sind, auch noch nachziehen. Heute hat Herr Abgeordneter Öllinger gesagt, daß es einen humanen Zuzug gegen sollte. – Da muß ich ihm eine Statistik zur Kenntnis bringen, und zwar eine Grafik, die "Die Presse" ausgesendet hat:

Im Jahre 1973 waren hier 226 000 ausländische Arbeitskräfte beschäftigt. Die ausländische Wohnbevölkerung wurde damals mit 300 000 beziffert. Es gab also 226 000 ausländische Beschäftigte, und 300 000 haben hier gewohnt. Im Jahre 1983 war das Verhältnis schon etwas anders: 145 000 ausländische Arbeitskräfte haben hier gearbeitet, und die Zahl der ausländischen Wohnbevölkerung betrug 297 000. 1993 schaut das noch viel, viel ärger aus: 277 000 ausländische Arbeitskräfte stehen 700 000 Ausländern an Wohnbevölkerung gegenüber. – Herr Abgeordneter Öllinger! Da können Sie wirklich nicht mehr von einem nicht humanen Zuzug in Österreich sprechen!

Herr Minister! 700 000 Leute wohnen – nicht arbeiten – hier, wobei die Illegalen in dieser Zahl überhaupt noch nicht enthalten sind. Sie alle benützen selbstverständlich auch unser Sozialsystem, etwa unsere Kindergärten. Einerseits wird gejammert, daß 200 000 Kindergartenplätze abgehen, andererseits werden die Augen vor Tatsachen, vor Zahlen und Ziffern verschlossen, die wirklich auf dem Tisch liegen. Und dann sagt man, daß wir inhuman sind, wenn wir sagen: Wir wollen einen Einwanderungsstopp. Dann werden wir als böse Ausländerhasser bezeichnet. Herr Minister! Das ist nicht in Ordnung!

Noch ein Wort zur Nachtarbeit für Frauen: Sie wissen ganz genau, Herr Minister – ich habe es Ihnen auch im Ausschuß damals schon gesagt –, daß es ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs gibt, welches besagt, daß das österreichische Nachtarbeitsverbot für Frauen dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht. Sie wissen genau, daß dieses Nachtarbeitsverbot für Frauen bis 2002 fallen muß. Das ist eine Bedingung der EU, und das wurde vom Europäischen Gerichtshof festgestellt.

Nun ist Druck entstanden wegen der Bäckerinnen. Herr Minister! Ich frage Sie: Warum zögern Sie und machen jedes Jahr immer wieder Novellen dieses Nachtarbeitsgesetzes? Warum machen wir nicht ein geschlechtsneutrales Nachtarbeitsgesetz für alle, da Sie doch ganz genau wissen, daß das in ein paar Jahren sowieso notwendig sein wird? Sie verhalten sich immer zögerlich: Gibt es Druck, dann geben Sie ein bißchen nach, und dann wieder ein bißchen, und wieder ein bißchen. Und dementsprechend schaut unser Sozialsystem auch aus! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Ich habe Sie im Budgetausschuß damals gebeten, nachdem ich Ihnen zur Kenntnis gebracht habe, daß die ÖBB den Bahnhofstrafikanten jetzt wirklich horrende Mieten und Pachtverträge auferlegen wollen, mit dem Verkehrsminister zu sprechen. Sie haben mir schriftlich geantwortet, daß Sie für diese Trafikanten etwas unternehmen werden. Geschehen ist bislang jedoch nichts. Herr Minister! Diese Leute, die jetzt unter diesen horrenden Pachtverträgen ihr Geschäft weiterführen müssen, werden in ein oder zwei Jahren zusperren müssen, ihre Geschäfte werden nicht mehr existieren! Das heißt, es wird noch mehr Arbeitslose geben, und zwar noch mehr arbeitslose Frauen, die in diesen Trafiken arbeiten.

Herr Minister! Sie haben zwar versprochen, daß Sie diese Sache regeln, und mit dem Verkehrsminister darüber sprechen werden, aber herausgekommen ist nichts. Diese Leute wurden gezwungen, unmenschliche Pachtverträge zu unterschreiben, damit wenigstens für die nächsten Monate ihre Existenz gesichert ist.

Herr Minister! Darunter sind auch viele Leute, die wirklich behindert sind. Es gibt immer noch sehr viele behinderte Trafikanten. Selbst wenn dort eine Frau oder viele Frauen verkaufen: der Inhaber ist behindert. Er könnte sich mit normaler Arbeit überhaupt nicht über Wasser halten.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 200

Darum habe ich an Sie als Sozialminister auch dieses Ersuchen gerichtet. Aber es hat sich leider Gottes nichts geändert, es ist alles beim alten geblieben.

Herr Minister! Auch die Agrarpolitik hat Auswirkungen auf unser Sozialbudget. Und Sie stimmen einer Agrarpolitik zu, die eine massive Abwanderung der Bauern ausgelöst hat. Daher ist es kein Wunder, Herr Minister, daß sich heute das Pensionssystem der Bauern so darstellt, daß ein aktiver Bauer einen Pensionisten erhalten muß. Wissen Sie, warum das so ist? – Weil die Jugend die Bauernhöfe überhaupt nicht mehr übernehmen will. Deshalb ist der Generationenvertrag bei den Bauern nicht mehr gesichert.

Herr Minister! Es ist heute schon viel davon gesprochen worden, daß Handlungsbedarf besteht. Ich glaube, es ist nicht richtig, wenn man in diesem Zusammenhang in der Gegenwart spricht. Handlungsbedarf bestand nämlich schon vor Jahren, Herr Minister! Eine so zögernde, immer hinausschiebende Lösung von Problemen, die wirklich anstehen, ist wirklich fehl am Platze. Ich kann die Österreicher, die sich nicht sehr viel mit Politik beschäftigen, sich jetzt aber dennoch beunruhigen, und zwar zu Recht, verstehen. Ich verstehe, wenn sie sagen: Wir möchten heute nicht mehr von einer Regierung regiert werden, die nicht imstande ist, Entscheidungen zu treffen für das Wohl der österreichischen Bürger! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dietachmayr. Er hat das Wort. (Abg. Dr. Haider: Auf geht’s!)

21.48

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich heute in meinem Beitrag mit dem Tätigkeitsbericht der Arbeitsinspektion des Jahres 1994 beschäftigen.

Es wird immer sehr viel gejammert, daß die Arbeitsinspektion betriebsfeindlich und schikanös sei. – Die Zahlen sprechen aber eine andere Sprache: Die Zahl der Betriebsprüfungen nimmt – das kann man im Bericht nachlesen – ständig ab. Von 1988 bis 1994 betrug die Abnahme 35 Prozent, nämlich von 84 600 auf 58 437. Auch die Zahl der festgestellten Beanstandungen hat ab 1992 rapid abgenommen. Statistisch gesehen wurde nur jeder vierte Betrieb überprüft.

Auch wenn diese Tendenz mit der Zunahme der Zahl der Betriebe, mit der verbesserten Qualität der Betriebsprüfungen und mit der zunehmenden Beratungstätigkeit im Zusammenhang steht, so wird die ureigenste Aufgabe des Arbeitsinspektorates, nämlich die Überwachungsbehörde für den Arbeitnehmerschutz zu sein, doch mehr und mehr in Frage gestellt. Nachdem im Gesetzentwurf zum Arbeitsschutzgesetz im Jahre 1995 noch davon gesprochen wurde, daß 20 zusätzliche Arbeitsinspektoren erforderlich sind, um den Mehraufwand durch die Beratungstätigkeit, die hinzugekommen ist, sicherzustellen, nachdem auch die Überwachung der Ausländerbeschäftigung vom Arbeitsmarktservice auf das Arbeitsinspektorat übertragen wurde, müßte eine beträchtliche Steigerung der Zahl der Arbeitsinspektoren erfolgen, damit überhaupt eine gleichbleibende Zahl der Betriebsprüfungen gewährleistet ist.

Meine Damen und Herren! Ein anderes Thema, das auch ganz wesentlich ist in diesem Zusammenhang, ist das Thema Streß. Die internationale Arbeitsorganisation bezeichnet Streß als die Krankheit des 20. Jahrhunderts und zieht Schlüsse aus zahlreichen Studien, die dieser Erscheinung in der Arbeitswelt inzwischen gewidmet worden sind: Arbeitstempo, Akkordarbeit, monotone Arbeit, Schichtarbeit, Überstunden, ungenügende Pausen, mangelnde soziale Kontakte und der Druck durch Vorgesetzte sind die häufigsten Streßfaktoren.

Nach einer Studie des Statistischen Zentralamtes aus dem Jahre 1991 klagen 1,1 Millionen von rund 3 Millionen unselbständig Beschäftigten in Österreich über starken Zeitdruck am Arbeitsplatz. Ermüdungen, Kopfschmerzen, Reizbarkeit, Frustration, Aggression, Schwindelanfälle, Bluthochdruck, Magengeschwüre und Herzattacken sind die bekanntesten Folgeerscheinungen. Die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten ordnet beispielsweise ein Viertel aller Berufsunfähigkeitspensionen den typischen streßbedingten Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu, und ich glaube, die Dunkelziffer ist wahrscheinlich noch viel höher.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 201

Im Hinblick auf die im Arbeitsschutzgesetz neu verankerten Pflichten der Arbeitgeber bedarf es künftig eines verstärkten Einsatzes von Sozialwissenschaftern und Arbeitspsychologen, die zur Überwachung, aber auch zur Beratung von Arbeitgebern, betrieblichen Arbeitnehmerschutzorganisationen und natürlich auch Betriebsräten zur Verfügung stehen.

Die Arbeitsinspektion ist keine Strafbehörde, das soll einmal ganz klar dargestellt werden, sondern Partner für die Sicherheit! Ich warne in diesem Zusammenhang vor Verschlechterungen beim Arbeitnehmerschutz. Das gängige Muster funktioniert anscheinend doch.

Anhand von skurrilen Beispielen wird in den Medien dauernd das Bild des schikanösen Arbeitsinspektors gezeichnet. Die Konsequenz: Das Arbeitsinspektionsgesetz wurde schon einmal etwas entschärft. – Nunmehr entdeckt die Wirtschaft, daß die seit der Publikation des Arbeitsschutzgesetzes 1995 vor zwei Jahren bekanntgegebenen EU-Regelungen zum Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz ein "teuflisches Gesetz" seien, deren Umsetzung der Wirtschaft nicht zumutbar sei. Mit demagogischen Zahlen, meine Damen und Herren, die belegen sollen, daß dieses Gesetz pro Arbeitnehmer und Jahr den Unternehmer 10 000 S kostet, verlangt man wiederum eine Entschärfung des Gesetzes.

Eine konzentrierte Hetzaktion gegen den Arbeitnehmerschutz betreibt derzeit ein Welser Landmaschinenhändler namens Prillinger, der ein Konvolut von 38 Seiten an über 500 Unternehmen ausgeschickt hat und den Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenschutz darin mit einem entsprechenden Kommentar versieht. Er schreibt unter anderem: Damit dieser Schandfleck der Bürokratie einmal bekannt wird: Dieses Gesetz ist geeignet, jeden österreichischen Betrieb einfach fertig zu machen, sodaß es ein Hohn ist, wenn die Politiker heute von einer Arbeitsplatzsicherung sprechen.

Er schlägt vor, seinen Kommentar in Form eines Kettenbriefes jeweils an mindestens zehn bekannte Betriebe weiterzuleiten. Er fordert sogar die Gründung eines eigenen Arbeitgeberverbandes. Er fordert: Pressekonferenzen, Diskussionen mit Politikern, gemeinsame Fahrten nach Wien vieler betroffener Arbeitgeber. Und Prillinger scheut sich auch nicht, zu Gegenmaßnahmen aufzurufen wie – hören Sie! –: Abwanderung von Österreich und Personalreduzierung.

Die Forderung nach einem eigenen Arbeitgeberverband dürfte die Wirtschaftskammer in Oberösterreich aufgegriffen haben. Sie hat Herrn Prillinger gleich eingeladen. Er hat dieses Schreiben am 6. Mai verschickt, und schon einige Tage später, am 28. Mai, hat die Wirtschaftskammer eine Pressekonferenz veranstaltet und diesen Herrn Prillinger von der Landmaschinenbranche als Auskunftsperson dazu eingeladen.

Ich möchte Ihnen die Kommentare aus diesem Konvolut ersparen. Nur ein Beispiel: Prillinger bezeichnet dieses Arbeitnehmerschutzgesetz als "Arbeitsplatzvernichtungsgesetz", als ein teuflisches Gesetz, das die Lust, Unternehmer zu sein, gewaltig bremst und die Arbeit als Arbeitgeber sehr verunsichert". Er schreibt dann weiter – und jetzt komme ich zu diesen ominösen 10 000 S –: Alle Betriebe in Österreich, die dieses Gesetz anwenden müßten, haben Kosten von mindestens 10 000 S jährlich pro Mitarbeiter zu erwarten".

Meine Damen und Herren! Die mit diesen Kosten angesprochene Arbeitsplatzevaluierung – also die Abschätzung, Bewertung und Dokumentation der Gefahren und Festlegung von Abwehrmaßnahmen an jedem Arbeitsplatz – dauert bei einem mittleren Tischlereibetrieb rund vier Stunden. Was dabei 10 000 S kosten soll, weiß ich nicht! Das ist unerklärlich!

Meine Damen und Herren! Es gab auch interessante Reaktionen in den Medien, natürlich in den einschlägigen. Die Oberösterreichische Wirtschaftskammer bringt in ihrem Blatt natürlich gleich die Headline: "Arbeitnehmerschutzgesetz wird tickende Bombe für die Betriebe". Dann heißt es: Wirtschaft protestiert gegen absolut übertriebene Schutztendenzen." – "Ein gigantischer bürokratischer und finanzieller Aufwand".

Meine Damen und Herren! Herr Prillinger hat geschrieben, daß es sich um ein "teuflisches Gesetz" handelt, das habe ich schon zitiert. Und so wurde es in den Medien auch veröffentlicht.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 202

Der Sozialminister wird aufgefordert, das Arbeitnehmerschutzgesetz zu entschärfen. Die Wirtschaftskammer hat dies in ihrer Vollversammlung verlangt.

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich hier warnen: Gesundheit ist das höchste Gut. Ich möchte nicht alle in einen Topf werfen. Aber ich muß hier wirklich fragen: Wann begreifen gerade solche Unternehmer wie dieser Herr Prillinger endlich, daß es beim Arbeitnehmerschutzgesetz nicht um die Schädigung von Betrieben geht, sondern um die langfristige Erhaltung der Gesundheit von Hunderttausenden Arbeitnehmern? – Das ist ein Ziel, dessen Erreichung eigentlich schon bisher selbstverständlich hätte sein sollen und für welches es sich lohnt, mit allen übrigen Mitgliedsstaaten der EU an einem gemeinsamen Strang zu ziehen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Meisinger. Er hat das Wort.

21.58

Abgeordneter Josef Meisinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wir diskutieren heute den Bericht zur sozialen Lage 1994. Ich muß dazu feststellen, daß es in den letzten Jahren immer sehr erfreulich war, daß man über die steigenden Beschäftigungszahlen berichten und diese bejubeln konnte.

In der letzten Zeit ist das jedoch umso bedenklicher, als sich die Arbeitslosenzahlen ganz extrem nach oben schrauben. Heuer zum Jahreswechsel mußten wir beinahe 300 000 Arbeitslose verzeichnen: Das sind 9 Prozent. Dazu muß man aber noch die 130 000 rechnen, die in Stiftungen und Schulungen stehen, und weitere 80 000 über 50jährige, die zurzeit überwiegend unfreiwillig in Frühpension sind. Unsere Arbeitslosensituation ist also gar nicht so erfreulich, wie sie immer dargestellt wird. Denn aufgrund dieser Rechnung liegen wir bei über 15 Prozent. Und die Entwicklung vom Jahr 1994 bis jetzt ist ganz beträchtlich negativ.

Die Tatsache, daß die Arbeitslosenzahl in den letzten eineinhalb Jahren um 15 Prozent gestiegen ist, und was ganz bedenklich ist, daß auf eine offene Stelle 15 Arbeitsuchende – in manchen Gebieten sogar über 30 Arbeitslose – kommen, zeigt die hoffnungslose Situation für die Betroffenen ganz klar auf.

Aus dem Bericht geht aber auch hervor, daß Sie, Herr Bundesminister, beim Betriebspensionsgesetz und beim Pensionskassengesetz noch immer keine Wertpapierdeckung für Pensionsansprüche aus direkten Leistungszusagen im zivilen Bereich zustande gebracht haben. Es wäre allerdings besonders wichtig, auf diesem Gebiet aktiv zu werden, denn im Falle der Insolvenz eines Betriebes sind die Pensionsansprüche der Arbeitnehmer nicht gesichert. Daher wäre es vernünftig, das zweite Standbein, nämlich Betriebspensionskassen oder Betriebspensionen besser auszubauen, wenn die staatlichen Pensionen in nächster Zeit eben nicht mehr ganz so sicher sind. – Ich weiß schon, Sie werden das wieder anders interpretieren. Aber wenn Sie sich die Lebens- oder Alterskurve anschauen, dann müßten auch Sie, auch wenn Sie ein noch so großer Optimist sind, erkennen, daß uns sehr schwierige Zeiten bevorstehen.

Sie kündigen immer wieder Verbesserungen an, bestrafen dann aber ganz nebenbei jene, die im Bereich der Pension Eigenvorsorge betrieben haben. Aufgrund der stark erhöhten Versicherungssteuer werden weitere Vorsorgen in diesem Bereich stark reduziert werden. Und die reduzierten Abschreibungsmöglichkeiten, die im letzten Belastungspaket festgelegt wurden, wirken sich sogar besonders negativ aus. Daß dies eine reine Geldbeschaffungsaktion der Bundesregierung ist, um die überbordende Verschwendungspolitik dieser Regierung finanzieren zu können, sei nur nebenbei erwähnt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In diesem Bericht werden aber auch weitere Reformen der gesetzlichen Interessenvertretung angekündigt. Geschätzte Damen und Herren! Als Arbeitnehmer weiß ich aus Erfahrung, daß das eine mehr oder weniger gefährliche Drohung ist. Bei der Mitgliederbefragung durch die Arbeiterkammer wird zum Beispiel mit einem Kostenaufwand von über 200 Millionen Schilling Geldverschwendung in höchstem Maße betrieben. (Abg. Silhavy: Das Ergebnis tut Ihnen offensichtlich weh!)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 203

Wartet doch ein bißchen ab! Die Art, wie ihr die Arbeitnehmer zur Befragung treibt, ist ohnehin nicht mehr demokratisch. Von einer geheimen Wahl ist doch überhaupt keine Rede. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: Stellen Sie nicht wieder etwas in den Raum! Beweisen Sie, was Sie sagen!) Verfolgt doch einmal die Auswüchse, die es dort gegeben hat. Es sind beinahe kommunistische Methoden, wie ihr mit den Arbeitnehmern umgeht, um, wie es führende Leute der Arbeiterkammer umschreiben, die Außerstreitstellung der Arbeiterkammer zu erreichen. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dietachmayr: Das sind Unterstellungen!)

Ich möchte dazu noch bemerken, daß wir den Bestand der Arbeiterkammer in keinster Weise in Frage stellen. Der österreichische Bürger ist jedoch mündig genug, frei zu entscheiden, ob die Mitgliedschaft gesetzlich verpflichtend sein soll oder nicht. (Zwischenrufe des Abg. Kiermaier und des Abg. Dietachmayr. ) Ihr könnt doch nicht alle Leute zwangsbeglücken! Ihr glaubt, es gibt lauter unmündige Mitglieder, die ihr am Gängelband führen könnt! Diese Zeiten sind jedoch vorbei! (Abg. Silhavy: Nehmen Sie Abstimmungsergebnisse zur Kenntnis?)

Für die immer größer werdende Zahl von Insolvenzopfern unter den Arbeitnehmern, die Zwangsmitglieder sind, die oft monatelang ... (Abg. Silhavy: Sie nehmen also Abstimmungsergebnisse nicht zur Kenntnis!) Melden Sie sich doch nachher zu Wort! Oder reden wir später darüber bei einem Kaffee! Dann werden Sie auch meinen Standpunkt zur Kenntnis nehmen!

Monatelang, manchmal bis zu einem Jahr, müssen Arbeitnehmer auf die Auszahlung der ihnen vorenthaltenen Arbeitslöhne warten, weil der Insolvenzausgleichsfonds pleite ist. – Wir haben in der Kammer einen Antrag gestellt, der dahin ging, die Kammer möge doch ein Herz für jene Zwangsmitglieder haben, die in eine Notlage geraten sind, eventuell auch ihre Wohnung verloren haben, und ihnen helfen. Aber von den Kammerfunktionären der Mehrheitspartei ist kein Geld zu bekommen, weil sie für diese betroffene Schicht eben kein Herz haben! Eine Vorfinanzierung wäre sicher gerechtfertigt. Indessen werden Hunderte Millionen aus Pflichtmitgliedsbeiträgen für Selbstbeweihräucherung, wie ich diese Mitgliederbefragung bezeichne, verschwendet. Sie haben keine Hemmungen, das Geld auf diese Weise beim Fenster hinauszuwerfen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dietachmayr. )

Geschätzte Damen und Herren! Für eine besonders "noble" Lösung wird in Zukunft bei den Einkommen der Arbeiterkammerpräsidenten gesorgt. Das bisherige monatliche Einkommen in Höhe von 132 361 S wird in Zukunft pro forma auf 80 000 S reduziert. Der Rest von rund 53 000 S wird aber monatlich steuerfrei als Aufwandsentschädigung bezahlt. Das ist also wieder eine zusätzliche Möglichkeit, dem Präsidenten, der es sich ja richten kann, zu zusätzlichen Einnahmequellen zu verhelfen: Monatlich 53 000 S steuerfrei! Und da sprechen diese abgehobenen gesetzlichen Arbeitnehmervertreter vom "Schließen ungehöriger Steuerschlupflöcher". – Ich habe das aus den Reden der letzten Monate so im Gedächtnis behalten. Ich finde, das ist nicht nur eine Verhöhnung der Zwangsmitglieder, sondern aller Bürger, denen Zigtausende Schilling zur Budgetsanierung vorenthalten werden.

Da ist es kein Wunder, wenn entsprechende Leserbriefe an Zeitungen geschrieben werden. Ich möchte Ihnen ein derartiges Gustostückerl vorlesen: In einem Bienenstock werden funktionslos gewordene Drohnen aus dem Stock geworfen, damit sie den Fortbestand des Volkes nicht gefährden. Bei unseren Großbetrieben, aber auch in der Politik, wirft man die Arbeits bienen hinaus. Ein Angestellter der Gewerkschaft sagte vor 30 Jahren: Wenn die Gewerkschaftsmitglieder einmal gescheiter werden und nichts mehr bezahlen, dann müssen auch wir uns um eine Arbeit umschauen." – Das ist die Meinung im Volk!

Ich darf Ihnen dazu sagen: Wenn Sie eine solche "abgehobene" Meinung haben, wenn Sie in Ihrem Selbsterhaltungsbetrieb auf Kosten anderer leben wollen, dann ist das Ihre Sache. Aber die Wahlergebnisse der letzten zehn Jahre sprechen eine deutliche Sprache. (Abg. Dietachmayr: Das ist völliger Schwachsinn!) Ja, aus eurer Sicht, weil ihr eben kein Gefühl mehr habt. Ihr scheut euch nicht mehr davor, auf Kosten der anderen zu leben. Ihr erlaßt erschwerende Bestimmungen nur für die Bevölkerung! (Weiterer Zwischenruf des Abg. Dietachmayr. ) Wir haben bei den Politikergehältern beziehungsweise bei den Privilegien gesehen, wie besorgt ihr um euer Hab und Gut seid!


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 204

Aber zurück zum Sozialbericht. Wenn wir die Entwicklung des Volkseinkommens betrachten, so sieht man, daß das Volkseinkommen von 1992 bis 1994 von 6,2 auf 5,3 Prozent gesunken ist. Das Bruttoentgelt für unselbständige Arbeit ist von 5,9 auf 3,6 Prozent gesunken. Die Einkünfte aus Besitz und Unternehmungen sind jedoch bei 7,7 Prozent gleichgeblieben. Das Bruttoentgelt je Arbeitnehmer ist sogar von 5 auf 3,1 Prozent verringert worden. Das ist ein klares Zeichen dafür, wie arbeitnehmerunfreundlich diese sozialistisch dominierte Regierung agiert! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Betrachtet man die Entwicklung der letzten 15 Jahre, so zeigt sich, daß das Steueraufkommen und die Sozialabgaben deutlich stärker gestiegen sind. Die Lohnsteuer ist etwa von 1989 bis heuer auf das Doppelte gestiegen, nämlich von 90 auf 180 Milliarden Schilling. In diesem Falle ist regelrecht spürbar, daß der Arbeitnehmer geneppt wird. Aber als "Arbeiterpartei" habt ihr euch in den letzten Jahren ohnehin nicht mehr bezeichnet. Und das ist auch gut so. Die Einnahmen aus Besitz und Unternehmungen sind nämlich andererseits sehr wohl gestiegen.

Wenn ich noch zur Nettolohnquote komme, so ist sie von 1975 bis 1994 von sage und schreibe 61,5 Prozent auf 48,5 Prozent gesunken. – Das sind Zahlen, die sprechen wirklich eine deutliche Sprache! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn sich die Nettoeinkommen von 1989 bis 1993 in etwa um 20 bis 25 Prozent erhöht haben und lediglich die männlichen Angestellten und besser verdienende öffentlich Bedienstete Zuwächse in höherem Ausmaß verzeichnen konnten, so ist auf der anderen Seite bei den Nettoverdiensten im unteren 10-Prozent-Bereich bei unselbständig Erwerbstätigen – bezogen auf 1993 8 500 S Nettoeinkommen – nur jeder 19. Mann, aber jede sechste Frau davon betroffen.

Da frage ich mich: Wo ist da die Frauenpolitik, die in den letzten 25 Jahren betrieben wurde, seit es in diesem Haus sozialdemokratische Mehrheiten gibt? – Es wird immer angekündigt, aber nichts gehalten. Und ihr (zur SPÖ gewendet) seid diejenigen, die die Frauen am meisten verraten, ihr nehmt den Frauen nämlich mehr weg, als ihr ihnen in letzter Zeit auf der anderen Seite zukommen laßt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zur Arbeitsinspektion: Im zivilrechtlichen Bereich wurden von den 18 733 Übertretungen, die festgestellt wurden, 2 378 Fälle mit einem beantragten Strafausmaß von 27,3 Millionen Schilling angezeigt. 1994 wurden 1 800 Strafverfahren mit einem Strafausmaß von 17 Millionen Schilling abgeschlossen.

Meine Frage an Sie, Herr Bundesminister: Was werden Sie unternehmen, welche Konsequenzen werden Sie ziehen oder welche Aktivitäten werden Sie setzen, da im öffentlichen Bereich keine Aktionen durchgeführt werden und die Gleichbehandlung zivilrechtlicher beziehungsweise öffentlicher Arbeitgeber in keiner Weise gegeben ist? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. Ich erteile ihr das Wort.

22.13

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Wenn die Problematik der Arbeitslosigkeit und der Beschäftigung hier angesprochen worden ist, so teile ich die Sorgen, die wahrscheinlich viele von uns in diesem Zusammenhang haben. Aber eines muß uns wohl klar sein: Die Problematik der Arbeitslosigkeit ist in erster Linie eine Problematik, die auf die Wirtschaft zurückzuführen ist, und wir haben damit zu tun, daß wir seit längerem feststellen müssen, daß es zwischen Wirtschaftswachstum und Beschäftigungspolitik zu einer Entkoppelung gekommen ist.

Und es ist eigentlich Ihnen, Herr Sozialminister, und es ist unseren Intentionen in der Arbeitsmarktpolitik zu verdanken, daß Menschen, die in der Arbeitslosigkeit sind, über Maßnahmen, über Schulungsmaßnahmen, über Förderungsmaßnahmen, über aktive Arbeitsmarktpolitik dennoch sozusagen eine Beschäftigung haben und in der Arbeitslosigkeit nicht alleingelassen werden.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 205

Ähnliches ist festzustellen hinsichtlich der Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt. Wir können versuchen, legistische Maßnahmen zu setzen, wie durch ein Gleichbehandlungsgesetz, das wir ja in diesem Haus beschlossen haben und das vor allem auf die Initiative der SPÖ-Frauen zurückzuführen ist, aber letzten Endes beschäftigen können die Unternehmer, beschäftigen kann nur die Wirtschaft.

Es tut mir sehr leid, daß Frau Kollegin Rossmann jetzt den Saal verlassen hat, denn ich hätte ihr gerne die Frage gestellt, inwieweit sie zum Beispiel über dem Kollektivvertrag zahlt, denn jedem Unternehmer steht es frei, über dem Kollektivvertrag zu zahlen. Das heißt, man sollte schon die Dinge auch einmal in das richtige Licht rücken.

Im Zusammenhang mit dem Bericht über die soziale Lage im Jahr 1994 beziehungsweise über die Arbeitsinspektion hat Kollege Öllinger heute verlangt, daß mehr Prävention zur Verhinderung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten erfolgen sollte.

Ich bin ein bisserl verwundert über seine Aussage: Wir reden hier über den 94er-Bericht. Wie wir alle wissen, ist im Jahr 1994 hier im Hohen Haus das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz beschlossen worden, das erst mit 1. 1. 1995 wirksam wurde. Das heißt, all jene Maßnahmen, die laut ArbeitnehmerInnenschutzgesetz dafür Sorge tragen sollen, daß es in Zukunft sozusagen durch Prävention mehr Sicherheit und Gesundheit für die Menschen in der Arbeitswelt gibt, können ja erst ab diesem Zeitpunkt zum Tragen kommen.

Die Allgemeine Unfallversicherung hat im vergangenen Jahr auch darauf reagiert; sie hat im Bereich der Unfallverhütung aufgestockt und hat Schulungen für die Sicherheitsvertrauenspersonen durchgeführt.

Der FPÖ – einige sind mittlerweile wieder in dieses Hohe Haus eingekehrt (Abg. Trenk: Bei euch sind ja auch viele nicht da!) ; Kollegen, ich wollte euch ja nur etwas ausrichten kann man nur sagen: Auch durch Wiederholungen werden falsche Behauptungen nicht richtig.

Die Steiermärkische Gebietskrankenkasse hat ein Grundstück von der Stadt Graz gekauft. Der Kollege Seidinger hat dies heute schon ausgeführt. Dieses Grundstück liegt auf dem Areal eines bereits im Besitz der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse befindlichen Grundstückes. Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen wurde Projektierung und Planung eines Neubaues durchgeführt, weil dieser Neubau aufgrund der Inanspruchnahme durch zahlreiche Versicherte einfach notwendig geworden ist. Aufgrund der finanziellen Situation hat man aber nun diesen Neubauplan zurückgestellt, und dieses Grundstück wird derzeit als gebührenpflichigen Parkplatz genutzt.

Im Bericht über die soziale Lage 1994 befassen sich die Seiten 68 und folgende mit der Krankenversicherungsfinanzierung. Da kann man nachlesen, daß im Jahr 1994 die Krankenversicherung 33 Milliarden Schilling für den KRAZAF aufgewendet hat, 27 Milliarden Schilling für die ärztliche Hilfe, 16 Milliarden Schilling für Heilbehelfe und Heilmittel.

In der dringlichen Anfrage, mit der wir uns nun einige Stunden beschäftigt haben, gab es 31 Fragen, davon aber interessanterweise keine einzige Frage zur Entwicklung der Ärztehonorare. Das wundert mich sehr. Die Ärztekammer in der Steiermark hat kürzlich in den Verhandlungen eine fünfprozentige Honorarerhöhung gefordert. Die Erfüllung dieser Forderung würde bedeuten, daß die ASVG-Krankenkassen in der Steiermark im heurigen Jahr um 100 Millionen Schilling mehr zu zahlen hätten als im vergangenen Jahr. Aber offensichtlich ist das kein Thema im Zusammenhang mit der Finanzierung der Krankenkassen.

Warum, so frage ich mich, interessiert das die FPÖ nicht? – Ich hätte gerne den Anfragebegründer, Herrn Dr. Pumberger, gefragt, der das wissen sollte. Was glaubt er? Wieviel hat in der Steiermark 1995 durchschnittlich ein Ärztehonorar betragen? Was hat ein Vertragsarzt von der Krankenkasse im Durchschnitt bekommen? Da er jetzt nicht da ist, werde ich es beantworten: Es waren monatlich im Durchschnitt 193 000 S. – Man ersieht also aus diesen Honoraren, daß die Krankenkassenärzte nicht gerade jene sind, die am wenigsten verdienen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 206

Warum, frage ich mich aber auch, tritt die FPÖ bei jeder unpassenden Gelegenheit gegen die Gesundheitseinrichtungen der Krankenkassen auf? (Abg. Blünegger: Bei jeder passenden!) Bei jeder unpassenden Gelegenheit natürlich. Das ist eh klar.

Frau Dr. Povysil hat heute etwas in den Raum gestellt, so als ob sich die Ärzte vor der Konkurrenz scheuten. Jetzt frage ich mich: Sind Ihnen die Einrichtungen der Krankenkasse vielleicht deshalb im Wege, weil diese die Gesundheitsversorgung auch im Falle eines vertragslosen Zustandes gewährleisten und weil die Kassen und die Sozialversicherung dadurch auch nicht erpreßbar sind? Das ist eine Frage, die mich schon sehr interessiert.

Auf der anderen Seite sind Sie sehr wohl immer für die sogenannte Konkurrenz, für den Wettbewerb, nämlich Versicherungspflicht statt Pflichtversicherung. Diese Worte hört man ja dauernd von Ihnen. Eine Konkurrenz zugunsten von wem? – Sagen Sie einmal, für wen Sie Lobbyismus machen! Offensichtlich für jene, die es sich richten können in diesem Staat, aber nicht für den vielzitierten kleinen Mann, den Sie immer wieder nennen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Die Qualität Ihrer Aussagen hat nicht nur mein Vorredner gerade offengelegt, der offensichtlich demokratische Abstimmungsergebnisse total negiert. Das ist doch ein verdächtiges Zeichen. Sie haben damit doch entlarvt, wie Ihr Demokratieverständnis ist. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Sie sind ja dort angestellt! Sie trauen sich nicht!)

Die Qualität Ihrer Aussagen – ich traue mich schon, Herr Kollege, keine Sorge – macht sich in diesem Hohen Haus immer wieder bemerkbar. Sie stellen heute eine dringliche Anfrage zu einem Thema, mit dem Sie sich beim Sozialbericht 1994 auseinandersetzen hätten können, bei der Krankenkassenfinanzierung. Sie haben ihn wahrscheinlich nicht einmal angeschaut, denn sonst hätten Sie gewußt, daß Sie das im Rahmen der normalen Tagesordnung behandeln können. Oder wollten Sie das absichtlich nicht? – Es könnte ja sein, daß Sie in der normalen Debatte weniger Blockredezeit haben, sodaß Sie sich einfach mehr Zeit herausschinden wollten und somit das, was in der Präsidiale vereinbart wurde, damit umgehen, daß Sie eine dringliche Anfrage stellen. Das wäre natürlich auch eine Möglichkeit. (Abg. Gradwohl: So ist es!) Es ist auf jeden Fall sehr verdächtig.

Was mir auch schon in den letzten Sitzungen immer aufgefallen ist, das möchte ich heute einmal sagen, denn das ist auch heute wieder typisch: Dann, wenn es um die Behandlung der normalen Tagesordnung geht, ums tägliche politische Brot, das wir hier zu behandeln haben (Abg. Meisinger: Wir waren den ganzen Tag da!) , wenn es um diese Dinge geht, dann ist Herr Dr. Haider nicht mehr im Saal zu sehen. Bei den Dringlichen ist er da, aber danach sehen wir ihn nicht mehr. Ich denke mir, das ist auch eine Qualität, über die wir in diesem Hohen Haus einmal reden sollten. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Wir werden es ihm ausrichten, daß Sie Sehnsucht nach ihm haben!) Sie können ihm das gerne ausrichten! Aber es sollte vielleicht auch einmal im Protokoll vermerkt werden, daß er bei normalen Debatten meistens fehlt; es ist heute nicht das einzige Mal, man hat es schon etliche Male gesehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Abschließend möchte ich noch sagen, nachdem Sie heute noch dazu das Schicksal erlitten haben, sich nicht einmal auf die Dringliche vorbereiten zu können, weil Sie ja hier auf der Regierungsbank gesessen sind – das ist ja nahtlos ineinander übergegangen –: Ich möchte Ihnen und Ihrem Ministerium erstens dafür danken, daß der Bericht sehr übersichtlich und sehr schön ist, und zweitens möchte ich für den Inhalt dieses Berichtes danken, auf den wir alle stolz sein können. (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Dr. Feurstein. )

22.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Dr. Pittermann vor. Ich erteile ihr das Wort.

22.20

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Da wir heute schon ausführlich den Sozialbericht, die diver


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 207

sen Anträge und den Arbeitsinspektionsbericht debattiert haben, möchte ich mich auf das Übereinkommen über die Verhütung von industriellen Störfällen der Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation vom Juni 1993 beschränken.

Wir sind uns einig, daß es von größter Wichtigkeit ist, Störfälle zu verhüten, die Risken von Störfällen geringzuhalten und ebenso deren Auswirkungen.

Daß solche Störfälle in organisatorischen Fehlern, menschlichem Versagen, Abweichungen von normalen Betriebsbedingungen, Fremdeinwirkungen oder Naturgewalten ihre häufigsten Ursachen haben, ist uns allen klar. Die Verhinderung solcher Störfälle ist vor allem eine nationale Aufgabe, aber auch eine der Internationalen Arbeitsorganisation, der Vereinten Nationen und der WHO sowie anderer zwischenstaatlicher Organisationen.

Ich glaube, jeder von uns ist der Meinung, daß wir diesem Übereinkommen überwiegend zustimmen können. Aus zeitökonomischen Gründen, weil alle schon sehr müde sind und die Zeit weit fortgeschritten ist, erspare ich mir, auf alle Artikel einzugehen.

Österreich ist, bedingt durch besonders exzessive und exakt überprüfte Sicherheitsvorschriften, in der glücklichen Lage, daß sich noch nie ein größerer Störfall, wie zum Beispiel vor zirka 20 Jahren das Dioxin-Unglück in Seveso in Italien beziehungsweise vor kürzerer Zeit, nämlich im Dezember 1984, das schwere Chemieunglück in Bhopal in Indien, ereignet hat.

Leider lagern jedoch die multinationalen Konzerne insbesondere der pharmazeutischen und chemischen Industrie die Produktion gefährlicher Güter gerne aus ihren Heimatländern in andere Länder aus. Vor allem Amerika und die Schweiz sind in dieser Hinsicht führend. In meinem Arbeitsbereich erlebe ich es öfters, daß bei Medikamenten, deren Herstellung für die Arbeitnehmer sehr toxisch ist, überlegt wird, sie vom Markt zu nehmen. Meist finden jedoch die multinationalen Konzerne Länder mit geringeren Sicherheitsvorschriften, um Medikamente, die die Gesundheit ihrer eigenen Arbeitnehmer gefährden würden, zu produzieren. Ein Umbau auf bessere Sicherheitsanlagen würde der Wirtschaftlichkeit des Medikamentes nicht entsprechen; so ergreift man eine Auslagerungsmöglichkeit in Länder mit niedrigeren Standards. – Dies alles sollte durch ein derartiges Übereinkommen hintangehalten werden.

Ich möchte aber auch an die gefährlichen Industrien erinnern, wie zum Beispiel an die Herstellung von Feuerwerkskörpern in der Dritten Welt, wo vor allem Gesundheit und Leben kleiner Kinder gefährdet werden. Es wäre anzustreben, den Import solcher Güter, bei denen die Gesundheit der Bevölkerung des produzierenden Landes gefährdet wird, insbesondere wenn die Produktion mit Kinderarbeit verbunden ist, zu verbieten. Die Lust am Krachen bunter Feuerwerke kann niemals das Leid der Kinder, die diese Arbeit verrichten müssen, aufwiegen.

Wir haben das Glück, in einem Land mit sehr strengen Sicherheitsvorkehrungen zu leben, die auch im größtmöglichen Rahmen überprüft werden, sodaß wir nur wenige Störfälle und diese nur in geringem Ausmaß haben. In vielen Bereichen haben wir wesentlich höhere Standards, als in diesem Übereinkommen gefordert wird.

Einige Ministerien haben daher dazu geraten, das Übereinkommen zu ratifizieren. Da wir aber feststellen müssen, daß die innerstaatliche Rechtslage dem Übereinkommen nicht in allen Punkten entspricht, ist die Ratifikation nicht möglich.

Wie die Interessenvertretung der Arbeitnehmer feststellte, existiert derzeit eine zentrale Stelle zur Ermittlung von störfallgefährdeten Anlagen noch nicht. Eine umfassende Standortpolitik ist gesetzlich ebenfalls nicht vorgesehen. Für die Überprüfung der Betriebe sind laut Gewerbeordnung Arbeitsinspektorate und Gewerbeinspektorate zuständig. Diese erfüllen ihre Aufgabe so vorzüglich, daß wir eine zentrale Stelle nicht unbedingt benötigen.

Da unsere Sicherheitsstandards ausgezeichnet, zum Großteil höher als in vergleichbaren Ländern sind, und wir auch sehr stolz darauf sind, begrüßen wir dieses Übereinkommen,


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 208

werden es jedoch nicht ratifizieren, da manche Einrichtungen bei uns, da nicht notwendig, auch nicht vorhanden sind. (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Kampichler. )

22.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Blünegger. Er hat das Wort.

22.26

Abgeordneter Anton Blünegger (Freiheitliche): Hohes Haus! Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren Abgeordneten! Bei der Sondersitzung am 30. Jänner 1996, die wir Freiheitlichen einberufen haben (Abg. Schieder: Verlangt! Einberufen nicht! Noch nicht! Gott sei Dank! – Abg. Mag. Stadler: Kommt schon noch!) oder verlangt haben und die eben stattgefunden hat, haben wir über die Situation der Arbeitslosigkeit in Österreich gesprochen. Und da habe ich den Bundesminister aufgefordert, sich bei den Österreicherinnen und Österreichern für das Versagen dieser Bundesregierung und für die Bestrafung der Arbeitnehmer und der Pensionisten zu entschuldigen.

Von dieser Aufforderung nehme ich nichts zurück; sie ist heute genauso aktuell. Ich nehme auch nicht zurück, daß – wie ich damals gesagt habe – die Situation und die wirtschaftliche Lage in unserem Staat nicht gut ist.

Die heutige Debatte zur sozialen Lage 1994, meine sehr geschätzten Damen und Herren, erfolgt, glaube ich, eineinhalb Jahre zu spät. Ich glaube, daß wir heute eigentlich die soziale Lage 1995 diskutieren sollten.

Zur Situation des Arbeitsmarktes gibt es einen eindeutigen Befund, meine sehr geschätzten Damen und Herren. Ende Mai 1996 waren 207 879 Arbeitslose vorgemerkt. Gegenüber Mai 1995 ist das eine Zunahme von 7 Prozent. Und diese 7 Prozent Arbeitslosigkeitssteigerung sind sicher die Schuld dieser Bundesregierung. Wenn es etwa in diesem Konjunkturaufschwung nicht gelungen ist, die Langzeitarbeitslosigkeit und die Jugendarbeitslosigkeit zu verringern, dann glaube ich, daß sehr vieles in dieser Politik schiefgelaufen ist.

Leider ist der Herr Bundesminister jetzt nicht anwesend, und ich kann diese Materie, zu der ich ihm eigentlich sagen wollte, wo die Fehler liegen, jetzt nur aufzeigen und mit ihm nicht entsprechend diskutieren.

Betreffend die Arbeitslosigkeit muß man sagen: Die verlockende Gesetzeslage lädt ja zum Mißbrauch ein, und wir müssen diesen Mißbrauch bekämpfen und verhindern. Wir müssen die Sozialhilfebezieher für gemeinnützige Arbeiten einspannen. Die Arbeitslosigkeit soll für Weiterbildung genützt werden. Es sollte auch eine Aufgabe des Arbeitsmarktservice sein, Weiterbildung zu fördern. Ein Beispiel: Arbeitslose Sekretärinnen, die einen Weiterbildungskurs besuchen, verlieren das Arbeitslosengeld, obwohl sie die Kurskosten selbst bezahlen. – Solche Gesetze haben wir, und das sollten wir sicherlich ändern.

Weiters haben wir einen Überhang von Arbeitsuchenden gegenüber den angebotenen Stellen. Die Konkurrenz für Einheimische wird unerträglich, genauso auch für die in Österreich lebenden Gastarbeiter.

Die Maßnahmen gegen die ausländischen Schwarzarbeiter sollten wir verstärken und den Kampf gegen die illegal Beschäftigten vorantreiben. Das wären Aufgaben, die uns der Sozialminister eigentlich vorlegen sollte, statt den Bericht über die soziale Lage 1994 zur Diskussion zu stellen. Das ist verlorene Zeit.

Weiters sollten wir uns sicherlich auch mit der Gesetzesänderung hinsichtlich des Urlaubs beschäftigen, die in dem Bericht behandelt wird. Da treffe ich mich voll mit dem Antrag, den die Liberalen eingebracht haben, wonach bei Dienstverhältnissen unter sechs Monaten der Urlaub aliquot konsumiert werden kann. Es sollte das ganze Jahr über möglich sein, aliquote Urlaubszeit nehmen zu können, statt daß man, wie es unser Gesetz vorschreibt, erst nach sechs


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 209

Monaten Urlaub genießen kann und wenn man weniger als sechs Monate hat, noch warten muß.

Das alles sind Bestimmungen, die der Sozialminister und in diesem Fall auch die Bundesregierung ändern hätten sollen. Dieser Antrag, der unter anderem im Ausschuß Arbeit und Soziales behandelt wurde, hätte schon längst verwirklicht werden müssen und nicht großkoalitionär abgelegt werden dürfen.

Der ehemalige Wirtschaftsminister hat gesagt, daß die Gründung der Klein- und Mittelbetriebe ein wichtiges Anliegen ist, um Arbeitsplätze zu schaffen. Da gebe ich ihm vollkommen recht. Aber Herr Bundesminister Ditz hat natürlich das Handtuch geworfen, und es ist auch verständlich, daß man bei dieser Politik der jetzigen Koalitionsregierung das Handtuch wirft. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wo sind denn die zukunftsträchtigen oder -fähigen Arbeitsplätze mit dem Ziel der Erneuerung unserer Wirtschaft? – Sie sind nicht da. Eine Mittelstandspolitik wird nicht verwirklicht. Eine Existenzgründungswelle in allen Bereichen der gewerblichen Wirtschaft und im Dienstleistungsbereich steht zwar immer in den Schlagzeilen, wird aber ebenfalls nicht verwirklicht.

Wir brauchen eigentlich auch keine Unterschriftenaktion des Wirtschaftsbundes. Wir brauchen keine Petition gegen die Gesetzesflut, denn wir könnten im Nationalrat sicherlich entsprechende Maßnahmen beschließen.

Ich hatte natürlich für meine Rede noch viele Argumente vorbereitet. Ich könnte dem Herrn Bundesminister genau sagen, was wir freiheitlichen Arbeitnehmer und wir Abgeordneten wollen: Wir wollen neue Lohnkurvenmodelle, wir wollen neue Arbeitszeitmodelle, wir wollen eine Umverteilung der Arbeit durch klassische Teilzeitbeschäftigung, und wir wollen auch eine Teilzeitregelung mit der modernen Bezeichnung Job-sharing, bei der mehrere Personen einen Arbeitsplatz ausfüllen können. Wir wollen flexible Arbeitszeiten, wir wollen die Mobilität auf internationaler Ebene ausrichten und verschiedene andere Punkte.

Ich kann jetzt leider aus Zeitgründen, weil ich meinen Kollegen auch noch die eine oder andere Minute gönnen muß, nicht mehr weiter sprechen. Ich möchte Ihnen aber noch eines sagen: Niemand in diesem Hohen Haus soll die konstruktive Zusammenarbeit der freiheitlichen Abgeordneten schmälern! Und wenn Sie weiterhin Arbeitsplätze vernichten wollen und den Wirtschaftsstandort Österreich nicht aufbauen, dann haben Sie mit unserem Widerstand zu rechnen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet.

Ein Schlußwort von seiten des Berichterstatters wurde nicht verlangt.

Wir kommen daher zu den Abstimmungen , die über die einzelnen Anträge getrennt vorgenommen werden.

Ich stelle fest, daß das Quorum vorhanden ist.

Als erstes stimmen wir ab über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, den Bericht des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die soziale Lage 1994 zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diese Kenntnisnahme stimmen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so beschlossen .

Als nächstes stimmen wir ab über den Antrag des Ausschusses, seinen Bericht 158 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, ein Zeichen der Zustimmung geben. – Ich stelle fest: Das ist mit Mehrheit beschlossen .


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 210

Wir stimmen weiter ab über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 159 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest: Beschlußfassung mit Mehrheit .

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 160 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Auch hier darf ich im Falle der Zustimmung um ein Zeichen bitten. – Die Beschlußfassung erfolgt mit Mehrheit .

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 161 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Kier und Genossen betreffend Verbesserung der Möglichkeiten zur Beschäftigung für Behinderte.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag Dr. Kier stimmen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit . Der Antrag hat nicht die Mehrheit zur Beschlußfassung.

Als nächstes wird abgestimmt über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, den Bericht des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion im Jahre 1994 – III-15 der Beilagen – zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Antrag ist mit Mehrheit beschlossen .

Ich lasse als nächstes abstimmen über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, den Bericht der Bundesregierung betreffend das auf der 80. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz angenommene Übereinkommen über die Verhütung von industriellen Störfällen und Empfehlung – III-5 der Beilagen – zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle der Kenntnisnahme bitte ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Antrag auf Kenntnisnahme ist mit Mehrheit beschlossen .

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend die Erfüllung der auf der 80. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz angenommenen Übereinkommen und die Verhütung von industriellen Störfällen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag stimmen wollen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit . Der Antrag ist daher abgelehnt .

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 165 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich darf jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen bitten. – Ich stelle fest, daß dieser Antrag mit Mehrheit beschlossen wurde.

Damit ist die Abstimmung beendet.

Ich werde den Satz im Croquis, daß der Antrag 9/A (E) dem Familienausschuß zugewiesen wird, noch prüfen. Ich behalte mir eine Entscheidung über diese Frage vor. Ich kann im Augenblick nicht erkennen, warum da eine Zuweisungsnotwendigkeit bestehen sollte. Falls hier etwas nachzutragen ist, kündige ich das ausdrücklich an. (s. S. 214)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 211

9. Punkt

Erste Lesung des Antrages 140/A der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, BGBl. 1979/139 i. d. F. BGBl. 1993/800, (WGG) geändert wird

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 9. Punkt der Tagesordnung. Es ist dies die erste Lesung des Antrages 140/A der Abgeordneten Mag. Firlinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz geändert wird.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst der Herr Antragsteller. Die maximale Redezeit ist 40 Minuten. Es wird aber nicht erforderlich sein, auf diese Grenze hinzuweisen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.40

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir Liberale wollen anläßlich der ersten Lesung unseres Initiativantrages zur Änderung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes auf eine Problematik aufmerksam machen, die schon jetzt, aber vor allem in absehbarer Zukunft eine äußerst sensible Materie betrifft beziehungsweise betreffen wird: Diese äußerst sensible Materie ist das genossenschaftliche Wohnungswesen, das schon vielfach Anlaß zu reichhaltigen Diskussionen gegeben hat.

Meine Damen und Herren! Ich möchte gleich eingangs festhalten, daß uns sowohl die Praxis der Eigentumssicherung als auch jene der Eigentumsbildung speziell auf dem Sektor Wohnbau vor dem Hintergrund unseres rechtsstaatlichen Systems Anlaß zu ernsthafter Sorge gibt.

Meine Damen und Herren! Der faktische Umgang mit Genossenschaftswohnungen ist – das behaupte ich mit aller Deutlichkeit – einer der größten Schwindel unseres Rechtssystems. Die Praxis sieht nämlich so aus, daß das gemeinnützige Wohnungssystem auf ein Mietrecht reduziert wird, statt den Bewohnern solcher Wohnungen ein Miteigentum zu sichern. Die in der Praxis geltenden Gepflogenheiten sind nichts anderes als eine Vorspiegelung falscher Tatsachen. Mit einem modernen Wort könnte man das als "Ettikettenschwindel" bezeichnen.

Meine Damen und Herren! Den zentralen Angelpunkt meiner Kritik bildet der Begriff "Auslaufgewinn", der jenen Einnahmenüberschuß der Genossenschaften bezeichnet, mit dem nach völliger Ausfinanzierung der Wohnung zunächst die Erhaltungsrücklage gebildet wird und der in weiterer Folge dem Reservekapital einer Genossenschaft zufließt. Dazu ist auch festzuhalten, daß die nochmalige über Gebühr erfolgende Dotierung der Erhaltungsrücklage nur in den seltensten Fällen gerechtfertigt ist. Warum? – Ganz einfach: Die Genossenschafter leisten laufend Beiträge, die genau in diese Erhaltungsrücklage Eingang finden, und daher ist es – in den meisten Fällen sage ich – nicht einzusehen, daß sie am Ende nochmals dotiert wird.

In Anbetracht dieses Faktums, meine Damen und Herren, ist eines völlig klar: Die Wohnungsgenossenschaften werden immer reicher, und die Genossenschaftsmieter – das Wort "Genossenschaftsmieter" alleine muß man sich schon auf der Zunge zergehen lassen! – werden immer ärmer. (Beifall des Abg. Scheibner. – Abg. Eder: Das ist aber wenig Beifall!)

Warum werden diese immer ärmer? – Das ist ganz logisch: Es bleibt ihnen im Endeffekt nichts, kein Eigentumsrecht, keine kollektive Mitsprache, sondern bloß die lapidare Erkenntnis, daß, so würde ich sagen, außer Spesen nichts oder – wenn wir großzügig sind – nicht viel gewesen ist. Der Genossenschaftsmieter hat die Wohnung bewohnt, aber haben tut er nachher nichts. (Abg. Eder: Gewohnt hat er aber schon drin!) Rausfliegen tut er genauso, Herr Kollege! Ich weiß, Sie hören das nicht gerne. Aber Sie können sich dann äußern.

Meine Damen und Herren! Alleine schon der Begriff "Auslaufgewinn" ist ein ausgesprochenes Reizwort. Schon die Verschleierung durch den semantischen Begriff "Auslaufgewinn" beweist, daß die genossenschaftlichen Wohnbauträger ihren Wohnungsinhabern gegenüber keine ernsthaften Absichten verfolgen. Unter einer ernsthaften Absicherung verstehe ich zum Beispiel die


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 212

Zurverfügungstellung und Einräumung von Miteigentum, und sei es nur ein kollektives, Herr Kollege! (Zwischenruf des Abg. Eder. )

Wenn der Wiener Wohnbaustadtrat Werner Faymann die Auslaufgewinne mit der Bezeichnung "Körberlgeld" verniedlicht, meine Damen und Herren, weil die Betroffenen im Regelfall ohnedies nicht wissen, was das bedeutet, dann ist das für mich blanker Zynismus. Ein schöneres Wort fällt mir dazu nicht ein. Ich sage es so, wie ich es empfinde: Das ist blanker Zynismus! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn sich derselbe Herr Faymann unter dem besonderen Gesichtspunkt des Wiener Wahlkampfes jetzt anschickt, einen Teil dieses "Körberlgeldes" zu verteilen – teilweise als Wahlgeschenk –, dann ist das für mich Ausdruck eines völlig fehlgeleiteten Besitzstanddenkens. (Abg. Scheibner: In diesem Körberl ist kein Gebäck von "Anker-Brot"!) Im Körberl ist vieles, Herr Kollege!

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Ich möchte Ihnen eines ganz klar sagen und bitte Sie, das dem Herrn Stadtrat Werner Faymann auszurichten: Nicht Herr Faymann, nicht die Wiener SPÖ oder die Geschäftsführung der GESIBA oder irgendeiner anderen parteinahen Wohnbaugenossenschaft haben das Recht, darüber zu befinden, was mit diesen Geldern geschieht, sondern es ist im ausschließlichen Interesse der Wohnungsgenossenschafter, daß die von ihnen finanzierten Beiträge zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt zur Begründung eines Miteigentumsrechts verwendet werden.

Meine Damen und Herren! Die Forderungen, die wir Liberalen stellen, sind ganz klar und transparent. Wir verlangen, daß den Wohnungsgenossenschaftern nach vollständiger Ausfinanzierung automatisch das Eigentumsrecht übertragen wird. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Nach der Ausfinanzierung sollen daher klarerweise auch nur mehr die Erhaltungsbeiträge zu leisten sein und sonst gar nichts, meine Damen und Herren! Die Erhaltungsbeiträge werden bezahlt und dann Punkt!

Österreichweit wohnen etwa 750 000 Personen, das sind immerhin 10 Prozent der österreichischen Gesamtbevölkerung, in 400 000 Genossenschaftswohnungen. Der Prüfungsverband sagt klarerweise etwas anderes, aber der Prüfungsverband hat Parteistellung. Glauben Sie mir, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe mich da sehr genau erkundigt, wir haben wirklich tiefgehend recherchiert. Der Wiener Stadtrat Faymann spricht selbst auch von 750 000 Personen, die betroffen sind, die in 400 000 Genossenschaftswohnungen leben. All diese 750 000 Personen in ganz Österreich sind selbstverständlich von dem zu reformierenden § 14 Abs. 7 des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes betroffen, und sie sind von jeglicher Form des Eigentumsrechtes ausgeschlossen. Sie werden dann ein zweites Mal zur Kassa gebeten, wenn sie angesichts bezahlter Baukostenvorschüsse und bereits getilgter Annuitäten ein rechtliches Eigentumsverhältnis anstreben. Ich weiß schon, daß die Gegenargumentation lautet, daß man dann 60 Jahre lang zahlen müßte. Aber die Laufzeiten sind durchaus unterschiedlich. Wenn jemand 30, 35 oder vielleicht auch 40 Jahre gezahlt hat und dann das Eigentumsrecht anstrebt, dann muß er im Regelfall ein zweites Mal bezahlen. Da kann doch etwas nicht mit rechten Dingen zugehen! Das muß man einmal ganz klar und eindeutig aufzeigen und in dieser Hinsicht auch thematisieren.

Meine Damen und Herren! Diese 750 000 Bewohner sind die wahren Eigentümer und nicht die Genossenschaften! Die Bewohner sind zumindest die künftigen wahren Eigentümer, die wahren Eigentumsanwärter. Die herrschende Rechtslage läßt aber zu, daß die wahren Eigentümer von den falschen am Gängelband gehalten werden. Das ist ein wahrlich untragbarer Zustand!

Wenn ich von Eigentümern und Eigentumsanwärtern spreche, dann möchte ich Ihnen auch das mir vorliegende Zahlenmaterial erläutern. Ich habe kein Taferl mit, aber doch ein kleines Plakat. (Abg. Böhacker: Es ist aber blau!) Es ist hellblau, und es ist unmißverständlich. Auf diesem Plakat ist die zu erwartende Entwicklung der in Zukunft ausfinanzierten Wohnungen dargestellt. Ich werde die Tabelle hier herstellen, dann kann man das ein bißchen mit verfolgen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 213

Meine Damen und Herren! Die Entwicklung beginnt, wie Sie hier sehen, mit ausfinanzierten Wohnungen in der Größenordnung von 50 000. Am Beginn stehen im Jahre 1994 knapp unter 50 000 ausfinanzierte Wohnungen. Im Jahre 2 015 werden es nach meiner Graphik zirka 310 000 Wohnungen sein. Die 50 000 Wohnungen, die jetzt ausfinanziert sind, entsprechen einem Gegenwert von ... (Abg. Eder: Wurde die Wohnbauförderung zurückbezahlt?) Ja, es ist alles komplett getilgt. Jedenfalls wurde die Wohnbauförderung zurückbezahlt, Herr Kollege. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Eder. )

Diese 50 000 Wohnungen entsprechen einem Gegenwert von, vorsichtig gerechnet, 25 Milliarden Schilling. Und dieser Betrag, meine Damen und Herren, wird den wahren Eigentümern vorenthalten. Das ist die Realität. Daran gibt es überhaupt nichts zu deuteln!

Die Auslaufgewinne, die darin enthalten sind, die sich aus den Überbeiträgen ergeben, die geleistet werden, sind zwar jetzt noch gering, aber sie sind deshalb gering, weil der Zeitpunkt der vollständigen Ausfinanzierung noch relativ knapp in die Vergangenheit zurückreicht. Die Betonung, meine Damen und Herren, liegt aber auf dem Wort "noch". Das berühmte Körberlgeld vermehrt sich rasant. (Abg. Böhacker: Wo ist das Körberl?) Wo das Körberl ist? – Faymann hat das Körberl, und er verteilt daraus. Das berühmte Körberlgeld vermehrt sich wirklich jeden Tag.

Ich möchte hier nur eine Schätzung abgeben. Derzeit schätzen wir das Körberlgeld auf eine Größenordnung von zwischen 300 Millionen und einer halben Milliarde. Wichtig ist, daß man die Entwicklung beobachtet. Im Jahre 2000, als schon in vier Jahren, werden 100 000 der 400 000 Wohnungen ausfinanziert sein, also ein Viertel. Und dann schaut die Größenordnung ganz anders aus. Dann werden 50 Milliarden Schilling an Bausubstanz ausfinanziert sein, und somit auch 50 Milliarden Schilling den wahren Eigentümern vorenthalten werden.

Der "Körberlgeldfonds" wird in vier Jahren mit einem Betrag in der Größenordnung von mindestens einer Milliarde Schilling dotiert sein. Ich würde sagen: Das ist ein ausgesprochen lukratives Geschäft. Die Frage ist nur: Für wen? (Abg. Eder: Für wen wirklich?) Für den, der jetzt zu verteilen begonnen hat, Herr Kollege! (Abg. Eder: Wer ist das?) Selbstverständlich die Wohnbaugenossenschaft. (Abg. Eder: Da gibt es verschiedene!) Natürlich gibt es verschiedene. Es gibt über 200 in Österreich. All das können wir thematisieren. Daher gibt es auch eine erste Lesung. (Abg. Eder: Herr Kollege! Sind das lauter Genossenschaften?) Natürlich! (Abg. Eder: Da sind Sie falsch informiert!) Nein, da sind wir nicht falsch informiert! Ich komme jetzt nämlich zu einem ganz wesentlichen Punkt.

Der Genossenschaftsschwindel findet nämlich seine Fortsetzung darin, daß die meisten der gemeinnützigen Bauträger den Wohnbau nicht im Rahmen einer wirklichen Genossenschaft tätigen, sondern sich eines Firmengeflechtes bedienen. (Abg. Eder: Jetzt geht es auch noch um ein Geflecht!) Es handelt sich um eine Schachtelkonstruktion. Mehrere Firmen mit mehreren Rechtsformen sind daran beteiligt. In vielen Fällen handelt es sich um Firmen mit der Rechtsform der GesmbH oder der AG, es sind aber auch kleine Genossenschaften dazwischen geschaltet, die in den geschützten Bereichen sehr wohl gewinnorientiert arbeiten. Aber der andere muß zahlen! Und dieser Umstand wirkt einer tatsächlich günstigen Wohnraumbeschaffung ausgesprochen kontraproduktiv entgegen, meine Damen und Herren. (Abg. Eder: Das ist Unsinn!) Das ist kein Unsinn, darüber müssen wir diskutieren. Die Karten müssen offengelegt werden! (Abg. Eder: Die Leute wohnen doch in den Wohnungen!)

Ich weiß, daß es natürlich auch schwarze Wohnbaugenossenschaften gibt, und es gibt sogar blaue. (Abg. Eder: Eine neu gegründete!) So neu ist sie auch nicht mehr! Es zieht sich das durch einige Parteien. Aber offenbar fühlen sich die Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion in diesem Zusammenhang besonders stark auf den Schlips getreten.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch etwas dazu sagen. (Abg. Eder: Eine Minute!) Diese jahrelang praktizierten Usancen haben dazu geführt, daß die Bauwirtschaft noch immer gezwungen ist, ihre Leistungen zu nichtkostendeckenden Bauerrichtungskosten zu erbringen. Und das führt dazu, daß die Baunebenkosten bei Genossenschaftsprojekten bis zu 40 Prozent


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 214

der Gesamterrichtungskosten betragen, bei privaten Bauträgern hingegen nur 15 Prozent. – Es lebe der Unterschied! (Zwischenruf des Abg. Eder. ) Nein, da gibt es ganz andere Statistiken, Kollegen. (Abg. Eder: Haselsteiner weiß das!) Haselsteiner weiß das. Mit ihm habe ich mich auch gut darüber unterhalten, Herr Kollege. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Eder. ) Aber Sie machen so viel Widerstand, und Sie fühlen sich so auf den Schlips getreten, daß ich mir vorstellen kann, daß in den Parteiengesprächen, in der zweiten Lesung und im Ausschuß von Ihrer Seite wahrscheinlich wenig Produktives kommen wird. – Ich bin aber gespannt, was von der anderen Seite kommen wird.

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich noch etwas sagen: Auf dem Sektor Eigentumsbildungen braucht es in Österreich echte Reformansätze. Es gibt eben nicht nur das Grundbedürfnis nach Wohnen, sondern auch ein Grundbedürfnis nach Eigentum. – Das ist ein zentraler Satz.

Meine Damen und Herren! Warum sage ich das? – Es ist erwiesen, daß Eigentum dem einzelnen billiger kommt als Miete. Selbstverständlich werden wir auch Mietwohnungen brauchen. Es wäre ein Illusion, zu glauben, daß alles ins Eigentum übergehen kann. Aber sagen wir doch die Wahrheit! Wenn es um Mietwohnungen geht, dann schreiben Sie auch Mieten vor, und bezeichnen Sie das nicht als Baukostenzuschüsse, Erhaltungs- und Errichtungsbeiträge und Annuitäten, denn das ist Unfug! Sagen Sie doch, daß es sich um Mieten handelt! Und verstecken Sie sich bitte nicht hinter dem Genossenschaftsgedanken, der dauernd auf schändliche Weise mißbraucht wird. – Dagegen richtet sich meine Kritik. Das muß gesetzlich geändert werden. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Eder: Die Minute ist vorbei!)

Die Minute ist vorbei. Ich hätte noch viel zu sagen. Kollege Moser deutet mir aber bereits mit dem Nuller. (Abg. Eder: Doppelnull!) Daher möchte ich abschließend sagen: Machen wir reinen Tisch in diesem Haus Österreich auf dem Sektor Wohnungswesen, ziehen wir diese Reform durch, setzen wir diesen wichtigen Schritt beim Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz und schaffen wir klare Kategorien: Genossenschaftswohnung, Eigentum und Mietwohnung. Dann wird sich vieles von der derzeitigen Aufregung und Verwirrung hinsichtlich Rechtssicherheit in Wohlgefallen auflösen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

22.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, stelle ich im Sinne des Vorbehaltes am Ende der vorigen Abstimmung fest, daß der Antrag der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Umstrukturierung der Transferleistungen im Familienbereich im Sinne eines Wunsches des Ausschusses für Arbeit und Soziales dem Familienausschuß zugewiesen wird. (s. S. 210, letzter Abs.)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Eder. Er hat das Wort.

22.58

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Anläßlich des heute zur ersten Lesung anstehenden Antrages des Liberalen Forums betreffend Änderung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes entspann sich durch den Beitrag meines Vorredners bereits die übliche wohnpolitische Debatte. "Üblich" sage ich deshalb, weil die Diskussion auch diesem Fall – ich sage das ganz bewußt und in voller Absicht – kaum an Scheinheiligkeit zu überbieten ist. Unter dem bequemen, vordergründig populistischen Deckmäntelchen der "Eigentumsbildung" wird in Wahrheit immer wieder an den Grundpfeilern der Gemeinnützigkeit gesägt und deren Abschaffung ausschließlich zugunsten privater Profitinteressen betrieben.

Meine Damen und Herren! Ich möchte hier mit Nachdruck daran erinnern, daß die historischen Wurzeln der gemeinnützigen Bauvereinigungen über 150 Jahre zurückreichen. Sie stammen aus einer Zeit, als die werktätige Bevölkerung in den rasch wachsenden Ballungszentren des industriellen Aufbruches in unvorstellbaren Wohnverhältnissen hausen mußte. Daß sich diese Wohnbedingungen in Österreich heute entscheidend besser darstellen, liegt sicherlich nicht an den Errungenschaften des liberalen, unbeschränkten Kapitalismus, sondern zu einem wesentlichen Teil am zur Debatte stehenden sozialen Wohnbau. Wer dies bezweifelt oder gar dessen


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 215

Auswirkungen in Frage stellen will, verschließt, Herr Kollege Firlinger, seine Augen letztlich auch vor der aktuellen Realität des Wohnungsmarktes. (Abg. Mag. Firlinger: Das liegt 20 Jahre zurück!)

Die Frage des einseitigen Rechtsanspruches der Mieter auf Übertragung ihrer Mietwohnungen ins Eigentum wird natürlich immer wieder und jetzt schon seit längerer Zeit einer breiten Öffentlichkeitsmeinungsbildung unterzogen. Es handelt sich um eine von der jeweiligen Situation auf dem Wohnungsmarkt abhängende Entwicklung, der durch entsprechende Gesetzesänderungen in den letzten Jahren Rechnung getragen wurde. Für private Profitinteressen reicht das nicht aus, was in einer Demokratie legitim ist. Private Profitinteressen wird es beim Wohnungsgeschäft selbstverständlich immer wieder geben. Aber ebenso, Kollege Firlinger, ist auch das gesellschaftspolitische Interesse am Vorhandensein einer genügend hohen Manövriermasse an sozialen Mietwohnungen legitim. Die Sozialdemokratie steht dem Wohnungseigentum in keiner Weise – das möchte ich wirklich betonen – ablehnend gegenüber. Wer hier das Gegenteil behauptet, hat sich mit den wohnpolitischen Programmen der Sozialdemokraten nicht beschäftigt. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Der gegenständliche Antrag betrifft scheinbar eine punktuelle Änderung im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, man vergißt jedoch sozusagen im Kleingedruckten nicht darauf, gleich eine – ich zitiere – "umfassende Reform, insbesondere auch für das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz", zu fordern. (Abg. Mag. Firlinger: Das ist der Beginn!)

Zweifelsohne kann es auch im Bereich der Wohnungsgemeinnützigkeit sicher keinen Stillstand geben. Entscheidende Weiterentwicklungen wurden in der Vergangenheit immer wieder vorgenommen – ich erinnere etwa an die Frage des Reservekapitals –, und sie werden auch in Hinkunft nicht ausbleiben. Die Diskussion wird aber von vielen zu einseitig und meiner Ansicht nach bewußt plakativ geführt; letzteres haben Sie hier mit einem kleinen Plakat vorgeführt.

Auch im vorliegenden Fall verhalten Sie sich so. Unterzieht man den Antrag nämlich einer genaueren Betrachtung, dann wird dessen Eindimensionalität schnell deutlich. So leisten etwa die Mieter einer Wohnung einer gemeinnützigen Bauvereinigung innerhalb eines Zeitraumes von 50 Jahren, das entspricht der kürzesten Abschreibungsdauer nach dem WGG, deutlich geringere Mietzinszahlungen als Mieter einer frei finanzierten oder auch einer ehemals geförderten, begünstigt zurückbezahlten Eigentumswohnung. Die Forderung nach Begründung von Wohnungseigentum in diesen nicht selten auch privaten Bereichen wird aber selbstverständlich von den Antragstellern nicht erhoben. Es läßt sich nämlich insbesondere auch für private Mietwohnungen nach einem gewissen Zeitraum nachweisen, daß die Grund-, Bau- und Finanzierungskosten durch die Zahlungen der Mieter gedeckt sind. Es erweist sich, daß die Mieter einer frei finanzierten, frei vermieteten Eigentumswohnung mit Abstand am meisten bezahlen. (Abg. Mag. Firlinger: Das ist eine freie Erfindung!)

Herr Kollege Firlinger! Ziehen wir nun in die Betrachtung jene 360 000 Altmietwohnungen mit ein, die privat noch vor 1919 errichtet wurden. Für diese Wohnungen kann inzwischen wohl mit Recht angenommen werden, daß sie seit den zwanziger Jahren entschuldet sind und daß die Grund-, Bau- und Finanzierungskosten gedeckt sind. Sind derartige Wohnungen in Ihrem Antrag auch mit umfaßt? – Nein! Die sollen nicht ins Eigentum übertragen werden. Die wollen Sie schön im privaten Bereich belassen! Selbstverständlich sind diese nicht in Ihrem Antrag enthalten!

Angesichts derart vordergründiger Absichten sei nur nebenbei erwähnt, daß im Antrag des Liberalen Forums auch völlig unberücksichtigt bleibt, was bei einem zwischenzeitlich erfolgten Mieterwechsel passieren soll, außer der Begründung einer neuen finanzkräftigen und privilegierten Schicht. Bei der derzeitigen Fluktuation findet im erwähnten Zeitraum von 50 Jahren zweimal ein Mieterwechsel statt. Dieser ist überhaupt nicht berücksichtigt im Antrag. Nach den gegenständlichen Vorstellungen würde aber jener Mieter, der nach vollständiger Ausfinanzierung der anteiligen Grund- und Baukosten die Wohnung gemietet hat, in den Genuß des Übereignungsanspruches kommen. Dieses Problem würde mit seiner merkwürdigen Privilegierung durch die ebenfalls vorgeschlagene Berechtigung zur vorzeitigen Tilgung der Darlehen und allfälligen


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 216

Eigenmittel der gemeinnützigen Bauvereinigungen noch verschärft werden. – Das heißt auf gut deutsch: Wenn jemand 25, 30 Jahre in einer Wohnung gewohnt hat, dann auszieht und ein anderer neu einzieht, bekäme der auf einmal die Wohnung nach einer kurzen Miete geschenkt. – Das ist Ihr Antrag, das ist Unsinn, und dem kann man nicht zustimmen.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wie bereits erwähnt, wird sich die Sozialdemokratie ernsthaften Gesprächen über eine Weiterentwicklung der Wohnungsgemeinnützigkeit sicher nicht verschließen. Wir haben das nie getan. Die Betonung liegt aber auf "ernsthaft" und auf "Weiterentwicklung" und nicht auf "vordergründig" und "Abschaffung", wie es in Ihrem Antrag der Fall ist. In diesem Sinn wird es in nächster Zeit auch von uns zu konkreten Vorschlägen hinsichtlich der Auslaufgewinne der gemeinnützigen Bauvereinigungen kommen. Auch über die Gestaltung von Verfügungsrechten, etwa in Wien, sollte diskutiert werden.

Aber bei all diesen Überlegungen darf auf die Leistung und aktuelle Daseinsberechtigung der gemeinnützigen Bauträger nicht vergessen werden. Immerhin – ich nenne jetzt auch ein paar Zahlen – haben die gemeinnützigen Bauträger 1995 nicht weniger als 22 000 neue Wohnungen fertiggestellt, was eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um rund 20 Prozent bedeutet. – Zeigen Sie mir einmal einen privaten Bauträger, der im Wohnbereich das kann, gemacht hätte oder gemacht hat. Im Vergleich zu 1990 ist die Zahl der übergebenen Wohnungen um nicht weniger als 70 Prozent angewachsen. 22 000 Wohnungen bedeuten – das sage ich zur Illustration – eine Stadt in der Größe von St. Pölten.

Eine ähnlich bedeutende Entwicklung läßt sich für das laufende Jahr absehen. Immerhin hat dies auch die Sicherung von etwa 60 000 Arbeitsplätzen zur Folge. – Da frage ich Sie: Wenn die Privaten so wild und so günstig bauen, wie Sie das behaupten, warum müssen dann die Gemeinnützigen überhaupt noch so viel bauen? Offenbar gelingt dies den Privaten aber nicht, und daher haben wir Gott sei Dank die gemeinnützige Wohnwirtschaft, die die Bevölkerung mit Wohnungen ordentlich und preisgünstig versorgt und gleichzeitig Arbeitsplätze schafft. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Firlinger .) Herr Kollege Firlinger! Das sind die Fakten. Die müssen Sie zur Kenntnis nehmen, ob Sie wollen oder nicht!

Bevor man die Gemeinnützigkeit direkt oder indirekt in Frage stellt, sollte man sich vor Augen halten, daß gemeinnützige Bauträger unter anderem gesetzlich zur Erfüllung von Aufgaben des Gemeinwohls verpflichtet sind. Es handelt sich bei ihnen nicht um freie Unternehmer, sondern eben um gemeinnützige Bauträger. Sie errichten Wohnraum für einen zu begünstigenden Personenkreis und entfalten ihre Bautätigkeit auch in wirtschaftlich schwachen Regionen, wo kein privater Investor sich engagiert, weil dort nämlich die Bevölkerung finanzschwach ist. Ihnen ist völlig Wurst, wie die Leute dort wohnen, uns ist das aber nicht Wurst! Den Vertretern des Liberalismus war es und ist es offenbar immer noch Wurst! So verhält es sich offensichtlich!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben es in diesem Zusammenhang mit einem Vorschlag des Liberalen Forums zu tun, dem wir sicher nicht die Zustimmung geben können. Die Vertreter des privaten Wohnungsmarktes, meine Damen und Herren, haben gerade in den letzten Jahren eindrucksvoll unter Beweis gestellt, daß sie nicht in der Lage sind, dem Wohnungsuchenden, der über nicht besonders hohe Finanzmittel verfügt, ähnliche Sicherheiten zu bieten wie die Gemeinnützigen. Seien wir im Interesse einer verantwortungsvollen und sozialen Gesellschaftspolitik daher vorsichtig, und werfen wir unter dem Oberbegriff der Liberalität diese Grundwerte nicht über Bord! – Ich danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

23.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Kampichler. – Bitte, Herr Abgeordneter.

23.08

Abgeordneter Franz Kampichler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Bei oberflächlicher Betrachtung erscheint der Antrag des Liberalen Forums auf Änderung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes plausibel. Wenn die Hypothekardarlehen abgezahlt sind, soll die Mietwohnung in das Eigentum des Mieters übergehen. Die Miete fällt damit weg, und es fallen nur mehr geringfügige Erhaltungs- beziehungs


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 217

weise Verwaltungskosten an. – Diese Forderung, meine sehr geehrten Damen und Herren, klingt logisch, und vor allem politische Parteien, die sich zum Eigentum bekennen, müßten solche Forderungen eigentlich unterstützen.

Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, daß es sich beim gesamten Wohnungsmarkt um einen enorm sensiblen Bereich handelt. Wir können diesen Markt nicht nach den herkömmlichen kaufmännischen Spielregeln, die sich an Angebot und Nachfrage orientieren, beurteilen und organisieren. Der derzeit stabile Markt würde sehr rasch aus den Fugen geraten, meist zum Nachteil der sozial Schwächeren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade für junge Familien sind die Wohnprobleme heute wesentliche Faktoren, und junge Familien müssen große Teile der ihnen zur Verfügung stehenden Finanzmittel fürs Wohnen ausgeben.

Dabei sind gerade gute Wohnverhältnisse für eine junge Familie die entscheidende Lebensgrundlage. Viele Konflikte entstehen dadurch, daß zwei Generationen auf engem Raum zusammenleben müssen. Wohnen ist also mehr als nur ein marktwirtschaftlich orientierter Sachbereich. Wohnen ist ein zutiefst sensibler sozial- und familienpolitischer Bereich. (Beifall bei der ÖVP.)

Eine zukunftsorientierte Wohnpolitik muß auf diese sensiblen Faktoren ganz besonders Rücksicht nehmen.

Das derzeitige Angebot an Mietwohnungen – mein Vorredner hat bereits auf dieses Faktum hingewiesen – gewährleistet eine Art Generationenvertrag. Das Kapital, das von den Wohnbaugenossenschaften nach Ablauf der Darlehensfrist durch die weiterlaufenden Mieten gebildet wird und das vom Liberalen Forum so stark kritisiert wird, fließt nicht als Gewinn in das Unternehmen ein, sondern muß dem wohnwirtschaftlichen Kreislauf wieder zugeführt werden. Das heißt, damit werden neue Wohnungen gebaut und an jene Mieter vergeben, die damit die Chance haben, Wohnungen mit erschwinglichen Mieten angeboten zu bekommen.

Wenn – wie es der Antrag des Liberalen Forums verlangt – diese Mieten nun nicht mehr anfallen, fehlt das Geld für solch neue Vorhaben im Bereich des sozialen Wohnbaus. Wenn wir diesen liberalen Weg gehen, haben wir zwar den Effekt, daß ältere Mieter, die in der Regel finanziell bereits bessergestellt sind, geringe Wohnkosten zu leisten haben, für junge, nicht so gut fundierte Wohnungsuchende haben wir jedoch kein erschwingliches Angebot.

Verantwortungsvolle Wohnpolitik, meine sehr geehrten Damen und Herren, muß aber gerade für diese Interessengruppe sehr günstige Bedingungen im Wohnbereich schaffen, Herr Kollege Firlinger. Verantwortung tragen in diesem Bereich heißt, im besonderen Maß auch für diese jungen Menschen einzutreten, die noch nicht den Vorteil einer gut geförderten Wohnung haben.

Wir von der Österreichischen Volkspartei bekennen uns nachdrücklich zur Möglichkeit, Wohnungen ins Eigentum zu überführen. Es gibt hier gute Modelle, wie zum Beispiel in Niederösterreich, was Ihnen sicherlich bekannt sein wird, aber es muß dafür ein gerechter Preis bezahlt werden.

Mein Vorredner, Herr Kollege Eder, hat ja bereits auf die Diskrepanz im Antrag hingewiesen, nämlich daß er völlig ungeregelt läßt, was passiert, wenn mehrere Mieter in dem zur Verfügung stehenden Zeitraum eine Wohnung mieten.

Die Mieten, die auf diese Weise den Genossenschaften zufließen, oder auch das Kapital, das durch einen eventuellen Verkauf hier einfließt, steht als Manövriermasse wieder dem sozialen Wohnbau zur Verfügung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wohnbaugenossenschaften werden, was dieses Kapital anlangt, sehr streng kontrolliert. In ihren jährlichen Rechenschaftsberichten haben sie klar zu dokumentieren, was mit diesem Geld passiert, Herr Kollege Firlinger. Eventuell nicht


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 218

verbaute Mittel müssen nach fünf Jahren versteuert werden. Keine Wohnbaugenossenschaft wird diese Mittel brachliegen lassen, der Gesetzgeber achtet hier sehr intensiv darauf.

Geschätzte Damen und Herren! Das derzeit gültige Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz bietet an sich ganz gute Bedingungen für einen funktionierenden sozialen Wohnungsmarkt. Nachdenken über Verbesserungen sollen wir jederzeit und ist natürlich sehr erwünscht. Aber in diesem sensiblen Bereich muß eine überlegte Vorgangsweise gewählt werden, damit nicht unter Umständen größerer Schaden entsteht. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP.)

23.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Schöll. – Bitte, Sie haben das Wort. Redezeit: noch sieben Minuten.

23.15

Abgeordneter Hans Schöll (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst freue ich mich, daß sich das Liberale Forum eigentlich unseren parlamentarischen Initiativen der letzten Jahre zur Reformierung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes und des Wohnungseigentumsrechtes anschließt.

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die zahlreichen Anträge, auch Initiativanträge, die wir hier im Hohen Haus schon gestellt haben. Leider – Dr. Schwimmer als Vorsitzender des Bautenausschusses ist nicht hier – muß ich feststellen, daß nach wie vor Anträge – auch gestellt in der heurigen Legislaturperiode – im Bautenausschuß bis jetzt nicht behandelt wurden. Ich kann Sie nur ersuchen, daß wir hier bald handeln. Sonst wird es auch fürderhin bei reinen Lippenbekenntnissen bleiben. Wenn es Kollege Eder – er hat es vorhin ausgeführt – ernst meint, sind wir auch bereit, uns darüber ernsthaft zu unterhalten und zu schauen, daß es hier positive Veränderungen gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Allerdings nicht auf der derzeitigen Antragsbasis allein des Kollegen Firlinger, denn das ist noch nicht ganz ausgegoren. Ich kann das nicht auf allen Seiten jetzt plötzlich in Wohnungseigentum umwandeln. Ich muß überlegen, wo es vernünftig ist, in welcher Region, wo es sich die Leute leisten können et cetera. Denn sie haben ja dann auch die gesamte Instandhaltung allein zu tragen, für die jetzt doch die Gemeinschaft jeweils aufkommen muß.

Ich hoffe auch, Kollege Firlinger, daß das nicht nur jetzt eine Initiative ist – es wurde da ein paarmal auf Wien hingewiesen und auf Bürgermeister Häupl –, die gestartet wird, weil in Wien die Wahlen vor der Tür stehen und man sich besinnt, daß man eigentlich auch bezüglich dieses Themas einmal etwas tun sollte. Aber ich begrüße es an und für sich, daß auch das Liberale Forum jetzt beginnt, sich damit zu beschäftigen.

Zur Sache selbst: Hinsichtlich der Reduktion der Miete bei ausfinanzierten Wohnungen von gemeinnützigen Genossenschaften haben wir schon zahlreiche Anträge gestellt. Ich hoffe, daß man hier wirklich – es gibt in Wien bereits Bemühungen, die dem gerecht werden – bei den Gemeinnützigen entsprechende Regulierungen vornehmen kann.

Allerdings fehlen mir – wenn man schon Abänderungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes vornimmt – zahlreiche andere wesentliche Dinge, die berücksichtigt werden sollten. Ich bringe daher einen Teil unserer Forderungen in Erinnerung – ich habe nicht so viel Zeit, daß ich Ihnen jetzt alles erklären kann –: Die Rücklagen der Wohnbaugenossenschaften gehören, wo sie nicht gebraucht werden für die laufende Instandhaltung, zügig aufgelöst. Wir haben im Rechnungshofausschuß gesehen – Kollege Eder, Sie waren leider nicht dort –, das dem nicht alle gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften nachkommen. Einige tun es, das muß lobend erwähnt werden, das ist auch im Rechnungshofbericht positiv festgestellt, aber einige tun es leider nicht. Einige setzen sich sogar über das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz glatt hinweg und verletzen dieses. – Ich hoffe, daß man das jetzt bei den Genossenschaften entsprechend ernst nimmt.

Eine weitere Forderung, die ich hier in Erinnerung bringen möchte: Mehr Subjektförderung, meine sehr geehrten Damen und Herren, statt nur die bloße Objektförderung und bloß das Geld


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 219

teilweise in die anonymen Genossenschaften zu investieren. Wir sollten in diesem Zusammenhang auch darüber nachdenken, inwieweit es hier Möglichkeiten gibt – Kollege Eder nickt –, hier auch mehr die privaten Initiativen zu fördern und zu unterstreichen.

Selbstverständlich, meine sehr geehrten Damen und Herren, geht es auch um mehr Transparenz im Vergabesystem. Man weiß schon – wir haben es im Rechnungshofausschuß ja feststellen können –: Die eine Genossenschaft strengt sich richtig an, die baut günstig, dort ist auch ein Bedarf an Wohnungen; andere strengen sich wieder nicht an, die horten die Mittel, die horten die Mittel sogar in der Form, daß Darlehen aufgenommen werden, obwohl genügend Geldmittel vorhanden wären, und dafür Wertpapiere gekauft werden.

Das alles gehörte mit geregelt, nicht daß irgend etwas herausgezogen und gesagt wird: Ho ruck, jetzt wollen wir Wohnungseigentum. – So wird es nicht gehen, glaube ich.

Natürlich möchte ich in diesem Zusammenhang auch darauf verweisen, was ich schon seinerzeit kritisiert habe anläßlich der Beschlußfassung beim 3. WÄG, wo ich betont habe, daß es sich die Genossenschaften einmal mehr haben richten können, nämlich daß gerade auch bei den Bezügen der Geschäftsführer der gemeinnützigen Genossenschaften Reduktionen angebracht wären, bei den Bezügen, die sich an der Dienstklasse IX, also am Gehalt der Sektionsschefs, orientieren. Das wäre noch nicht schlimm, wenn die Gegenleistung stimmte. Schlimmer wird es dort, wo Mehrfachbezüge – das Thema hat uns ja heute in einem anderen Zusammenhang erreicht – zulässig sind und sich die Pension natürlich nach diesen Bezügen richtet. Darüber sollte man in diesem Zusammenhang auch diskutieren und hier wirklich eine generelle Lösung treffen, die vor allem auch Impulse für die Bauwirtschaft gibt, wie Kollege Eder schon ausgeführt hat.

In diesem Zusammenhang sollte man natürlich auch den privaten Baugenossenschaften die Möglichkeit geben, zu existieren, denn aufgrund des Spar-, sprich Belastungspaketes, wie wir es bezeichnen, werden diese bald nicht mehr in der Lage sein, überhaupt zu bauen oder Privatinitiativen zu setzen. Ich weiß schon, daß sie mehr gewinnorientiert auftreten als die gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften. Aber man sollte gerade in einer Zeit, in der es auf die Privatinitiativen ankommt, auf diese mehr Rücksicht nehmen und sie fördern.

Geschätzte Damen und Herren! Abschließend: Es sollte nicht nur bei Ankündigungen bleiben, es sollte nicht nur bei Vertröstungen bleiben, und es sollte dieses wichtige Thema schon gar nicht verschleppt werden. Kollege Eder weiß es sicher, daß wir uns im Zuge des Wohnrechtes spätestens im Frühjahr ohnehin mit den befristeten Mietverträgen, die jetzt auslaufen, neuerlich auseinandersetzen müssen. Spätestens im Herbst sollte man dieses ganze Paket, verbunden auch mit jenen ungelösten Angelegenheiten des Wohnungseigentumsrechtes, erledigen. Dabei verweise ich wieder auf die außerordentliche und ordentliche Verwaltung, wo es sich spießt, auf die Minderheitsrechte, auf die Unadministrierbarkeit in manchen Bereichen. – Das alles sollte man mit behandeln.

Meine Damen und Herren! Je größer der Konsens in diesem Bereich im Hohen Haus ist, desto mehr wird es von der Bevölkerung aufgenommen werden, desto eher werden wir jene Dinge abstellen, zu denen wir Freiheitliche uns in der derzeitigen Form nicht bekennen können. Vor allem können wir einen Beitrag dazu leisten, daß die leider doch noch vorhandene Wohnungsnot in Österreich rasch beseitigt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

23.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

23.22

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Vorschlag, den die Liberalen zur Änderung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes eingebracht haben, ist ein möglicher Weg, aber unserer Meinung nach der falsche Weg, Herr Kollege Firlinger. Es ist der falsche Weg, weil er nach unserer Auffassung den Ausstieg aus der Gemeinnützigkeit bedeutet, weil er den Ausstieg aus einem System


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 220

bedeutet, das uns in Österreich immerhin in einem beschränkten Umfang, manchmal in einem viel zu geringen Umfang, doch den Zugang zum Wohnbau möglich macht.

Wenn wir darüber reden, wie wir dieses System neu organisieren könnten, sodaß es mehr Gerechtigkeit bringt, dann sollte unserer Meinung nach der Förderungsausgleich im Vordergrund stehen, der nicht in diesem Sinn, wie Sie es vorschlagen, daß man nach Ausfinanzierung der Wohnung von den Lasten befreit ist und zum Eigentümer wird, funktionieren würde, sondern der so funktionieren würde, daß man diese üblichen Prüfungen und sozialen Selektionskriterien beim Zugang zum geförderten Wohnungsbau aufgibt und dafür beim Verbleib im geförderten und im gemeinnützigen Wohnbau entsprechend dem Einkommen eine Abgabe, nämlich den Förderungsausgleich, von den Leuten, die drinnen wohnen, abverlangt.

Unserer Meinung nach wäre das ein gerechteres und dem Genossenschaftswesen an und für sich angepaßteres System. Denn mit einem haben Sie sicher recht: daß das derzeitige Modell, wie man Gelder von Genossenschaftsmietern kassiert, im Prinzip nicht ganz zusammenpaßt, nicht ganz kompatibel ist mit dem Genossenschaftswesen. Aber Ihr Vorschlag, Herr Kollege Firlinger, ist natürlich noch weniger kompatibel mit einer genossenschaftlichen und gemeinnützigen Organisationsform.

Ich denke, man sollte wirklich diesen Weg, diesen Einstieg in die Gemeinnützigkeit, überlegen. Denn was bedeutet, ganz konsequent zu Ende gedacht, Kollege Firlinger, Ihr Vorschlag? Wenn Sie sagen, im Genossenschaftsbau kann man dann, wenn man die Wohnung ausfinanziert hat, Eigentümer werden, dann muß ich schon die Frage stellen: Warum soll man nicht auch als einfacher Mieter, wenn man irgendwo in einer Wohnung wohnt, dann, wenn die Wohnung ausfinanziert ist – in Wien ist das in fast allen Altbauten (Abg. Eder: Alle!) –, keine Miete mehr bezahlen, sondern nur mehr den Erhaltungsbeitrag?

Wenn wir konsequent bleiben wollen, dann können wir dieses System nicht nur auf die gemeinnützigen Wohnungen beschränken, sondern man müßte das verallgemeinern. Das wäre ein konsequenter Weg, darüber könnten wir dann reden. (Abg. Mag. Firlinger: So war das nicht gemeint!) Aber ich denke, so haben Sie es, Kollege Firlinger, wohl nicht gemeint, das wollten Sie nicht darunter verstehen. (Abg. Mag. Firlinger: Das habe ich auch nicht gesagt!) Dem einen geht es um den privaten Wohnungsmarkt, der soll offensichtlich unangetastet bleiben, aber ich glaube, auch darüber müßten wir reden können, wenn wir uns den Wohnungsmarkt insgesamt und den Wohnungsbereich inklusive des gemeinnützigen Bereiches anschauen wollen.

Ich denke, wir sollten die Diskussion, welche Orientierung wir in diesem Bereich vornehmen wollen, intensiv führen. Unser Modell ist der Förderungsausgleich, weil er unserer Ansicht nach das gerechtere System ist, das nicht nur auf den gemeinnützigen Bereich, sondern ebenfalls auf den privaten Wohnungsbereich ausweitbar wäre, auf den Bereich der Gemeindewohnungen detto, und unserer Meinung nach würde es etwas mehr Sinn machen, darüber weiter nachzudenken. (Beifall bei den Grünen.)

23.27

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 140/A dem Bautenausschuß zu .

10. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (20 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung der Beziehungen im Bereich der Sozialen Sicherheit im Verhältnis zur Provinz Quebec geändert wird (164 der Beilagen)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 221

11. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (103 der Beilagen): Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und Kanada im Bereich der Sozialen Sicherheit (178 der Beilagen)

12. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (104 der Beilagen): Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika im Bereich der Sozialen Sicherheit (179 der Beilagen)

13. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (105 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit (180 der Beilagen)

14. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (118 und Zu 118 der Beilagen): Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (181 der Beilagen)

15. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (119 und Zu 119 der Beilagen): Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (182 der Beilagen)

16. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (120 und Zu 120 der Beilagen): Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Republik Bosnien-Herzegowina weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (183 der Beilagen)

17. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (121 und Zu 121 der Beilagen): Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über Soziale Sicherheit (184 der Beilagen)

18. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (122 und Zu 122 der Beilagen): Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Türkischen Republik über Soziale Sicherheit (185 der Beilagen)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 222

19. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (123 und Zu 123 der Beilagen): Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tunesischen Republik über Soziale Sicherheit (186 der Beilagen)

20. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (124 und Zu 124 der Beilagen): Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über Soziale Sicherheit (187 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nun zu den Punkten 10 bis 20 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Es sind dies Berichte des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlagen

(20 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung der Beziehungen im Bereich der Sozialen Sicherheit im Verhältnis zur Provinz Quebec geändert wird (164 der Beilagen),

(103 der Beilagen): Zusatzabkommen zum Abkommen mit Kanada (178 der Beilagen) und

(104 der Beilagen): Zusatzabkommen zum Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika (179 der Beilagen) – beide im Bereich der Sozialen Sicherheit – sowie

(105 der Beilagen): Abkommen mit der Bundesrepublik Deutschland (180 der Beilagen),

(118 und Zu 118 der Beilagen): Kündigung des zwischen Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien weiterangewendeten Abkommens mit der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (181 der Beilagen),

(119 und Zu 119 der Beilagen): Kündigung des zwischen Österreich und der Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien weiterangewendeten Abkommens mit der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (182 der Beilagen), weiters

(120 und Zu 120 der Beilagen): Kündigung des zwischen Österreich und der Bundesrepublik Bosnien-Herzegowina weiterangewendeten Abkommens mit der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (183 der Beilagen),

(121 und Zu 121 der Beilagen): Kündigung des Abkommens mit der Republik Slowenien (184 der Beilagen),

(122 und Zu 122 der Beilagen): Kündigung des Abkommens mit der Türkischen Republik (185 der Beilagen),

(123 und Zu 123 der Beilagen): Kündigung des Abkommens mit der Tunesischen Republik (186 und Zu 123 der Beilagen) und

(124 und Zu 124 der Beilagen): Kündigung des Abkommens mit der Republik Kroatien (187 der Beilagen) – alle über Soziale Sicherheit.

Berichterstatter zu Punkt 10 ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. Ich ersuche ihn, die Debatte zu eröffnen und den Bericht zu geben.

Berichterstatter Mag. Dr. Josef Trinkl: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (20 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung der Beziehungen im Bereich der Sozialen Sicherheit im Verhältnis zur Provinz Quebec geändert wird.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 223

Der Ausschuß für Arbeit und Soziales hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung vom 29. Mai 1996 in Verhandlung genommen. Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf einstimmig angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuß somit den Antrag , der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (20 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Berichterstatter zu den Punkten 11 bis 13 ist Herr Abgeordneter Dietachmayr. – Ich bitte um Ihre Berichte.

Berichterstatter Helmut Dietachmayr: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht über die Regierungsvorlage (103 der Beilagen): Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und Kanada im Bereich der Sozialen Sicherheit.

Der Ausschuß für Arbeit und Soziales hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 11. Juni 1996 in Verhandlung genommen.

Dem Ausschuß erschien bei der Genehmigung des vorliegenden Abkommens die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuß für Arbeit und Soziales somit den Antrag , der Nationalrat wolle beschließen: Der Abschluß des Staatsvertrages: Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und Kanada im Bereich der Sozialen Sicherheit (103 der Beilagen) wird genehmigt.

Ich bringe auch den Bericht über die Regierungsvorlage (104 der Beilagen): Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika im Bereich der Sozialen Sicherheit.

Auch die gegenständliche Regierungsvorlage hat der Ausschuß für Arbeit und Soziales in seiner Sitzung vom 11. Juni 1996 in Verhandlung genommen.

Auch bei der Genehmigung des vorliegenden Abkommens erschien dem Ausschuß die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuß für Arbeit und Soziales somit den Antrag , der Nationalrat wolle beschließen: Der Abschluß des Staatsvertrages: Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika im Bereich der Sozialen Sicherheit (104 der Beilagen) wird genehmigt.

Schließlich bringe ich den Bericht über die Regierungsvorlage (105 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit.

Der Ausschuß für Arbeit und Soziales hat die gegenständliche Regierungsvorlage ebenfalls in seiner Sitzung vom 11. Juni 1996 in Verhandlung genommen.

Dem Ausschuß erschien auch bei der Genehmigung des vorliegenden Abkommens die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen nicht erforderlich.

Hierzu bringe ich eine Druckfehlerberichtigung vor.

Der schriftliche Bericht weist im Antrag des Ausschusses an den Nationalrat einen Druckfehler auf. Ich berichtige daher wie folgt:

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuß für Arbeit und Soziales somit den Antrag , der Nationalrat wolle beschließen: Der Abschluß des Staatsvertrages: Abkommen zwischen der


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 224

Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit wird genehmigt.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Berichterstatter zu den Punkten 14 bis 20 ist Abgeordneter Dr. Feurstein. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Dr. Gottfried Feurstein: Hohes Haus! Ich berichte zunächst über 181 der Beilagen. Es handelt sich hierbei um die Regierungsvorlage (118 und Zu 118 der Beilagen): Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit.

Der Ausschuß beantragt die Genehmigung der Kündigung dieses Abkommens.

Ich berichte weiters über 182 der Beilagen. Es handelt sich hierbei um die Regierungsvorlage (119 und Zu 119 der Beilagen): Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit.

Auch in diesem Fall beantragt der Ausschuß, der Nationalrat wolle beschließen: Die Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit wird genehmigt.

Des weiteren berichte ich über 183 der Beilagen. Es handelt sich dabei um die Regierungsvorlage (120 und Zu 120 der Beilagen): Kündigung des zwischen der Republik Österreich und der Republik Bosnien-Herzegowina weiterangewendeten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit.

Auch in diesem Fall wird vom Ausschuß für Arbeit und Soziales beantragt , der Nationalrat wolle beschließen, die Kündigung dieses Abkommens zu genehmigen.

Im weiteren berichte ich über 184 der Beilagen. Es handelt sich um die Regierungsvorlage (121 und Zu 121 der Beilagen): Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über Soziale Sicherheit.

Auch in diesem Fall beantragt der Ausschuß für Arbeit und Soziales, der Nationalrat wolle beschließen: Die Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über Soziale Sicherheit wird genehmigt.

Im weiteren berichte ich über 185 der Beilagen. Es betrifft dies die Regierungsvorlage (122 und Zu 122 der Beilagen): Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Türkischen Republik über Soziale Sicherheit.

Auch in diesem Fall wird vom Ausschuß für Arbeit und Soziales beantragt , der Nationalrat wolle beschließen: Die Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Türkischen Republik über Soziale Sicherheit wird genehmigt.

Des weiteren berichte ich über 186 der Beilagen. Es handelt sich um die Regierungsvorlage (123 und Zu 123 der Beilagen) betreffend die Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tunesischen Republik über Soziale Sicherheit.

Auch in diesem Fall beantragt der Ausschuß für Arbeit und Soziales, der Nationalrat wolle beschließen: Die Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tunesischen Republik über Soziale Sicherheit wird genehmigt.

Schließlich berichte ich über 187 der Beilagen, nämlich über die Regierungsvorlage (124 und Zu 124 der Beilagen) betreffend Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über Soziale Sicherheit.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 225

Auch in diesem Fall wird beantragt , der Nationalrat wolle beschließen: Die Kündigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über Soziale Sicherheit wird genehmigt.

Ich bitte, diese Vorlagen und Berichte zu behandeln und entsprechend den Anträgen abzustimmen.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich danke den Berichterstattern für ihre Ausführungen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

23.37

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe mich aus einem einzigen Grund zu Wort gemeldet, und zwar um auch hier von diesem Pult aus zu wiederholen, was ich im Ausschuß, der diese Materien vorberaten hat, schon ausgeführt habe.

Meine Wortmeldung bezieht sich auf die Kündigung der Sozialabkommen mit den Republiken Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina und so weiter im Sinne der Berichterstattung des Kollegen Feurstein; ich möchte das jetzt nicht wiederholen.

Was ist der entscheidende Punkt aus meiner Sicht? – Die Kündigung dieser Sozialabkommen ist ein Ergebnis der politischen Einigung der Regierungsparteien, die dann unter dem Titel Sparpaket beziehungsweise unter der Bezeichnung Strukturanpassungsgesetz ihre diversen legistischen Niederschläge gefunden hat. Im Rahmen der dabei geführten Debatten und Ankündigungen wurde uns mitgeteilt, daß durch die Streichung der Familienbeihilfe für Kinder von in Österreich tätigen Menschen, die in diesen betroffenen Republiken leben, ein Betrag von 300 Millionen Schilling im laufenden Budgetjahr und knapp über 600 Millionen Schilling im Jahr 1997 einzusparen sein werde.

Es hat sich nunmehr herausgestellt, daß das behauptete Sparergebnis im Jahr 1996 – also die genannten 300 Millionen – zu keinem Zeitpunkt möglich und realisierbar war. Es hat nämlich die Diskussion im Ausschuß ergeben, daß bereits zu dem Zeitpunkt, als die Behauptung aufgestellt wurde, daß man 300 Millionen Schilling dadurch einsparen könne, indem man den Kindern von Angehörigen, die in Österreich leben, in diesen Republiken die Kinderbeihilfen streicht, den Verantwortlichen klar gewesen sein mußte, daß diese Zahl nicht zu erreichen ist, denn für die Kündigung dieser völkerrechtlichen Vereinbarungen ist im günstigsten Fall für die kündigende Republik Österreich eine Kündigungsfrist von drei Monaten vorgesehen, und insbesondere bezüglich der Republiken Slowenien, Kroatien und Tunesien ist eine Kündigung dieser Vereinbarungen vor dem 31. 12. 1996 überhaupt nicht möglich.

Aus diesem Grund und bei Durchrechnung der Effekte sowie unter Berücksichtigung der frühestmöglichen Wirksamkeit der Kündigungen bei jenen Staaten, bei denen die Kündigung überhaupt vor dem 31. 12. 1996 möglich ist, ergibt sich, daß sich bestenfalls ein Betrag von rund 60, vielleicht 70 Millionen Schilling durch nicht zur Auszahlung zu bringende Familienbeihilfen wird einsparen lassen. Das ist das objektive Ergebnis der Rechtslage, vor der sich das abspielt. Das ist nicht irgendein zufälliges Rechenergebnis; der Grund dafür ist vielmehr, daß diese zwischenstaatlichen Übereinkünfte, diese völkerrechtlichen Verträge eben nur nach den Regeln des jeweiligen Vertrages und im übrigen des Völkerrechtes gekündigt werden können, und daher war es zu keinem Zeitpunkt möglich, ein größeres Sparvolumen zu lukrieren.

Die Diskussion im Sozialausschuß hat auch eindeutig ergeben, daß das Wissen um diese Umstände selbstverständlich im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten vollständig vorhanden war und ist. Jeder, der sich mit dieser Frage im Detail und verantwortungsbewußt befaßt hat, mußte daher wissen oder wußte, daß die Behauptung, daß man auf diesem Weg im Jahr 1996 300 Millionen einsparen kann, objektiv unrichtig ist.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 226

Es ist mir ein Bedürfnis, von dieser Stelle aus festzuhalten, was der Herr Bundesminister für Äußeres Dr. Wolfgang Schüssel in politischer Verantwortung objektiv wissen mußte oder wußte: nämlich daß die Behauptung, daß man 300 Millionen Schilling unter diesem Titel einsparen wird können, falsch ist. Er hat daher in seiner Ministerverantwortlichkeit als Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten daran mitgewirkt, daß ein objektiv falscher Bundeshaushalt in der Dimension von 250 Millionen Schilling beschlossen wurde, die Öffentlichkeit objektiv falsch informiert wurde, mit anderen Worten, daß die Menschen über den wahren Sachverhalt in die Irre geführt worden sind.

Ich halte das deswegen für außerordentlich bedenklich, weil ich einfach nicht glauben kann, daß es der Stil einer Bundesregierung sein kann, mit solchen Maßnahmen Republiken zu treffen, die teilweise unter hohem Problemdruck stehen, indem wir völkerrechtliche Verträge kündigen. Ich möchte darauf hinweisen, daß sich die Republik Bosnien-Herzegowina derzeit nur deswegen in einem relativ stabilen Zustand befindet, weil sich auf ihrem Territorium IFOR-Truppen befinden. Wir kennen die Problematik der nunmehrigen Bundesrepublik Jugoslawien, des sogenannten Restjugoslawien. Uns ist die Situation Mazedoniens bekannt, wir kennen die Schwierigkeiten der demokratischen Entwicklung in Kroatien, wir wissen, welche Probleme Slowenien hat. Und gegenüber all diesen Staaten kündigen wir unsere gesamten Sozialabkommen, mit dem einzigen Ziel, die Zahlung von Familienbeihilfen zu vermeiden. Damit nehmen wir in Kauf, daß gleichzeitig auch die wechselseitigen Verpflichtungen im Krankenschutz und im Pensionsrecht gekündigt werden müssen. Und all das, um ein Sparziel für das Jahr 1996 zu erreichen, das im Budget und in den öffentlichen Erklärungen falsch angegeben wurde!

Es ist mir ein wirkliches Bedürfnis, daß in den Protokollen des Hohen Hauses steht, daß der Herr Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten in seiner Ministerverantwortlichkeit daran mitgewirkt hat, daß wir hier falsch informiert wurden, daß im Budget objektiv falsche Ansätze stehen, die – wohlgemerkt – bereits zu dem Zeitpunkt objektiv falsch waren, als sie als Möglichkeiten in den Raum gestellt wurden, weil bereits zu diesem Zeitpunkt die Kündigungsfristen dieser Sozialabkommen eine frühere Auflösung der Verpflichtung, die Familienbehilfe zu bezahlen, nicht möglich gemacht hätten.

Der Herr Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten, der hier die politische Alleinverantwortung hat – darauf, daß das deutlich zum Ausdruck kommt, lege ich großen Wert, und das ist auch in der Ausschußdiskussion ganz klar hervorgekommen –, hat in seiner Ministerverantwortlichkeit etwas getan, was unter normalen Verhältnissen jeden anderen Bundesminister dazu bewegen würde, die Konsequenzen aus seinem verantwortungslosen Handeln zu ziehen und sein Amt zur Verfügung zu stellen. Denn wenn jemand entweder nicht in der Lage ist, sein Ministerium zu überblicken, und nicht weiß, worum es in einer Frage geht, oder aber es weiß, aber die Kollegen in der Bundesregierung falsch informiert, dann kann es nur eine Konsequenz geben, wenn das herauskommt: nämlich daß er sein Amt zur Verfügung stellt. Ich fordere das nicht – ich will hier nicht mißverstanden werden. Ich zähle nicht zu jener Kategorie der Abgeordneten, die mutwillig Rücktritte fordern, sondern ich schildere hier objektiv den Sachverhalt und meine, ein Mensch von Ehre würde wissen, was er zu tun hat.

Dazu kommt noch die Frage der politischen Verantwortung unter dem Aspekt, daß man einseitig zwischenstaatliche Sozialabkommen kündigt, und zwar mit dem vordergründig erkennbaren Ziel, sich im Einzelfall Beträge zwischen 20 und 40 Millionen Schilling bei den betroffenen Ländern auf dem Balkan zu ersparen. Man kann wohl kaum mit Verständnis bei Ländern rechnen, die wahrlich ganz andere Probleme haben als wir, bei Ländern, denen wir seit Jahren, seit das Problem dort existiert, über "Nachbar in Not" LKW-Kolonnen schicken, um die bitterste Not zu mildern. Solchen Ländern gegenüber kündigen wir gesamte Sozialabkommen!

Daß das darüber hinaus außerdem noch Implikationen hat wie Gleichheitswidrigkeit, wie das Anknüpfen an Staatsbürgerschaften in sozialen Fragen, die wir nicht nachvollziehen können, erwähne ich hier nur der Vollständigkeit halber. Aber vor dem Hintergrund dessen, was ich hier vorgetragen habe, sind das nur kleine Probleme. In Wirklichkeit stoßen wir Länder, die um Demokratie ringen müssen, in denen die Demokratie nicht in allem eine gesicherte Zukunft hat, auf die man frohen Herzens vorausblicken kann, mutwillig vor den Kopf.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 227

Wir verschlechtern außerdem auch die Lage für unsere eigenen Staatsbürger, denn unter diesen wechselseitigen Krankenversicherungsaspekten befindet sich auch die Regelung betreffend die Urlaubskrankenscheine. Das wird sich aufgrund der Kündigungsfristen zwar im heurigen Sommer noch nicht auswirken. Aber erstens ist die Gewißheit, die im Ausschuß verbreitet wurde, daß diese Staaten sowieso mit uns dann, wenn wir einseitig gekündigt haben, neue Sozialabkommen schließen werden, eben ohne Familienbeihilfe, zwar mit einer großen Wahrscheinlichkeit ausgestattet, es besteht aber keine völlige Sicherheit. Und zweitens geht man so mit seinen Nachbarn beziehungsweise auch mit entfernten Nachbarn als eines der reichsten Länder in der Europäischen Union nicht um!

Ich habe viele Gespräche mit betroffenen Leuten geführt, auch mit Freunden in Ungarn, die zwar nicht unmittelbar betroffen sind, die aber vielleicht ein besseres Gefühl für ein solches Problem haben als andere Länder, weil sie sich auch in einer Aufbauphase befinden. Sie haben mir gesagt: Die Sorgen, die ihr habt, möchten wir gerne haben. Ihr seid so reich, daß ihr euch in eurem Reichtum nicht zurechtfindet. Wir hingegen sind im Aufbau.

Wenn man nur um der Dekoration und der Behauptung eines bestimmten Spareffektes willen, nämlich 300 Millionen, obwohl man objektiv gewußt hat, daß es bestenfalls 70 Millionen Schilling sein werden, in dieser Weise vorgeht, dann ist das so bedenklich, daß ich mich hier nicht verschweigen wollte. Ich meine, der Herr Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten wäre gut beraten, wenn er in der kürzestmöglichen Frist eine passende, akzeptable und wahrheitsgemäße öffentliche Erklärung abgäbe, warum er in seiner Ministerverantwortlichkeit so gehandelt hat, wie ich es hier beschrieben habe. – Ich danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

23.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Gatterer. – Bitte, Sie haben das Wort.

23.48

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich meine, die Anschuldigungen von Dr. Kier, die er schon im Ausschuß erhoben hat, sind ungeheuerlich.

Wir alle haben wochenlang im Zusammenhang mit den Budgeteinsparungen diskutiert, und wir haben heute sehr eingehend die ganze Sozialproblematik diskutiert. Jeder Einschnitt in diesem Bereich ist bitter, egal, ob die betroffenen Menschen oder Kinder im Inland oder im Ausland leben. Korrekterweise möchte ich aber hier festhalten: Auch wenn beide Elternteile Österreicher sind und Kinder im Ausland leben, können sie die Familienbeihilfe nicht beziehen. Kollegin Mertel hat im Sozialausschuß darauf aufmerksam gemacht, daß, wenn Kinder zum Beispiel nicht im Haushalt leben, sondern in einem Heim sind, auch keine Familienbeihilfe bezogen werden kann. Es tut uns wirklich leid. Aber wir haben uns im Zusammenhang mit dem Sparpaket – und 100 Milliarden Schilling sind sehr viel Geld – auch dazu bekannt, daß die Familienbeihilfen für ständig im Ausland lebende Kinder nicht mehr bezahlt werden. (Abg. Dr. Kier: Das ist kein Grund dafür, daß man falsche Zahlen nennt!)

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch folgendes erwähnen: Ich habe mich im Familienministerium erkundigt, und mir wurde gesagt, daß es keine vergleichbare Leistung durch andere westeuropäische Länder gibt. Und ich möchte auch betonen, daß bereits jetzt nicht die gesamte Familienbeihilfe ausbezahlt wurde, sondern nur zwei Drittel des Betrages, also ungefähr 900 S.

Ich möchte auch auf die Zahlen in Deutschland hinweisen. Das sehr reiche Deutschland bezahlt zum Beispiel für das erste Kind 10 DM, für das zweite Kind 25 DM. Das ist kein Trost. Aber ich glaube, wenn wir einsparen wollen, dann müssen wir in allen Bereichen sparen; das ist bitter, aber wir haben uns dazu bekannt, und 601 Millionen Schilling sind keine Dekoration. Ich weiß nicht, in welchen Kategorien Sie denken, aber es handelt sich hiebei nicht um eine Dekoration. Das sage ich, weil Sie gesagt haben, es diene zur Dekoration, daß die Verträge gekündigt werden. (Abg. Dr. Kier: Aber deswegen braucht Bundesminister Schüssel nicht die Unwahrheit zu sagen!)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 228

Sie wissen, daß es mit allen Staaten Gespräche gegeben hat. Einige Staaten waren überhaupt nicht bereit, diese Gespräche zu führen. Sie wissen auch, daß Teilbereiche nicht gekündigt werden können und daß man daher generell die Verträge kündigen muß. (Abg. Dr. Kier: Das hat Schüssel im März aber auch schon gewußt!) Sie müssen aber auch zugestehen – Sie haben das auch ausgeführt –, daß es, da diese Verträge sehr wohl auch pensionsrechtliche oder versicherungsrechtliche Teile beinhalten, im Interesse beider Seiten ist, sowohl im Interesse der Vertragsstaaten, wie zum Beispiel der Türkei, Tunesiens oder der Nachfolgestaaten Jugoslawiens, als auch im Interesse Österreichs, daß es möglichst schnell wieder zu einer Vereinbarung kommt. Ich darf Sie auch daran erinnern, daß im Sozialausschuß auch der Sozialminister und alle Parteienvertreter garantiert haben, daß es zu keinem vertragslosen Zustand, sondern möglichst schnell zu neuen bilateralen Sozialabkommen kommen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

23.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

23.52

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Trotz der vorgeschrittenen Zeit möchte ich etwas ausführlicher auf diesen Punkt eingehen.

Ich weiß schon, das Thema belastet Sie sehr. Aber es belastet auch andere Personen sehr, nämlich diejenigen, die durch diese Kündigung der Sozialabkommen tatsächlich belastet werden. Darum bitte ich Sie, doch noch darüber nachzudenken, was Sie hier und heute beschließen werden. Ich halte das, was Sie beschließen, schlicht und einfach – um Ihnen das kurz und bündig zu sagen – für blamabel. Es ist eine nationale und internationale Blamage, wenn Österreich als drittreichstes Land in der EU etwa Tunesien – um eines der Länder herauszugreifen – erklärt: Wir können uns Familienbeihilfen, die wir für tunesische Staatsangehörige bezahlen, nicht mehr leisten. Wir können das nicht mehr, wir sind nicht mehr so reich. Wir können uns eine Million – das kostet nämlich die Familienbeihilfe für Tunesien – nicht mehr leisten, das ist zuviel.

Meine Damen und Herren hier im Hohen Haus mit Ihren Doppel- und Dreifachbezügen! Sammeln wir doch hier! Denn wenn wir schon so arm sind, daß wir diesen Ländern die Familienbeihilfe nicht mehr geben können, dann schaffen wir es vielleicht wenigstens über die Kollekte.

Ich halte das, was Sie hier beschließen, wirklich für blamabel. Denn erstens ist klar, daß das, was laut Budget angeblich daraus lukriert werden soll, nämlich 600 Millionen Schilling pro Jahr, zumindest im Jahr 1996 und wahrscheinlich auch im Jahr 1997, nicht lukriert werden kann. Und Sie wissen so wie ich, daß im Jahr 1998 der Familienlastenausgleichsfonds vermutlich schon wieder positiv bilanzieren wird, das heißt, daß der Grund dafür, daß wir diese Verträge kündigen, dann schon wieder wegfällt.

Sie wissen genausogut wie ich, daß die Handlungen, die wir gegenüber diesen Ländern setzen, ein unfreundlicher Akt sind. Wir setzen einen im internationalen Vergleich tatsächlich unfreundlichen Akt. Das hat es, außer in Kriegs- oder Konfliktzeiten, von keinem Land gegeben, daß man einen Vertrag wie diesen einseitig aufkündigt. Erkundigen Sie sich, meine Damen und Herren! So etwas hat es nicht gegeben. Es gibt keinen vergleichbaren Vorgang von seiten eines entwickelten Landes, es sei denn, man wollte einen unfreundlichen Akt setzen. – Das wollen Sie offensichtlich tun, und darum kündigen Sie auf.

Ich glaube, Sie übersehen dabei eines, und es ist wichtig, daß das auch gesagt wird: Die Vorgangsweise allein belegt, wie miserabel die Situation für Österreich ist, wie miserabel diese mutwillige Aufkündigung ist. Vor vierzehn Tagen ist dem Hohen Haus noch eine Regierungsvorlage übermittelt worden, die die Option einer alternierenden Vertragsaufkündigung beinhaltet hat. Wenn wir schon nicht jetzt gleich kündigen, dann wenigstens in zwei Jahren oder umgekehrt. Sollte es nicht das eine sein, dann wenigstens das andere. Diese Vorlage ist von der Regierung zu Recht zurückgezogen worden, nachdem von unserer Seite, aber auch von allen anderen Parteien große Bedenken angemeldet worden sind. Dann kommt diese Vorlage mit der sofortigen Vertragsaufkündigung ins Haus. Meine Damen und Herren, vor allem von der Sozial


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 229

demokratischen Partei! Ich glaube, Sie sind sich nicht darüber im klaren, daß der Bundespräsident bei der Vertragsaufkündigung in ein materielles Recht gesetzt wird, das er bislang nicht gehabt hat. Denn bislang war er nur der Notar bei der Vertragsaufkündigung. Jetzt hat er jedoch die Möglichkeit, die Vertragsaufkündigung, zumindest was den Zeitpunkt betrifft, nach seinem Gutdünken zu gestalten. Denn wir beschließen hier eine Vertragsaufkündigung ohne Datum, meine Damen und Herren. Da steht kein Datum darauf, obwohl es eine sofortige Vertragsaufkündigung sein soll.

Das heißt: Da der Bundespräsident diese Aufkündigung machen muß, obliegt ihm die Entscheidung und nicht mehr dem Parlament. Das Parlament gibt die Entscheidung an den Bundespräsidenten ab, Kollege Cap. Man sollte sich wirklich überlegen, was wir hier beschließen!

Nächster Punkt: Ich halte es ferner wirklich für blamabel, daß Österreich, dieses reiche Land, nicht nur einseitig, sondern auch rückwirkend aufkündigen will. Es ist überhaupt der Clou bei dem Ganzen, daß man sozusagen die ganzen Bösartigkeiten und Sündenfälle der innerstaatlichen Gesetzgebung des Strukturanpassungsgesetzes, bezüglich deren erklärt wurde, daß sie verfassungsrechtlich sehr problematisch sind, und wo alle gesagt haben, daß derartiges nicht mehr vorkommen soll, nun im internationalen Rahmen nachmachen will. Und dann sagt man zu diesen Ländern nicht nur, daß wir kein Geld mehr haben, sondern daß wir auch noch rückwirkend kassieren wollen. Das ist doch lächerlich, meine Damen und Herren! In Anbetracht dessen wird sich beim besten Willen kein einziges Land – Gott sei Dank! – finden, das in seine Geldtasche greift und Österreich die 10 oder 20 Millionen vorstreckt, damit sich dieses "arme" Land sozusagen seinen Staatshaushalt auf Kosten der Familienbeihilfe sanieren kann. Denn das betrifft Menschen, die hier in diesem Land arbeiten, nicht nur als türkische, jugoslawische oder tunesische Staatsangehörige, sondern auch als österreichische Staatsangehörige, deren Kinder daran gehindert werden, hier zuzuziehen.

Das ist der Punkt, meine Damen und Herren, über den wir tatsächlich reden sollten. Es ist zu spät, ich weiß es schon. Trotzdem sage ich Ihnen: Wir haben ein Assoziationsabkommen zu erfüllen. Wir haben Assoziationsverträge mit der Türkei und mit den Maghreb-Staaten geschlossen, die uns dazu zwingen, diese Länder gleichzustellen, auch in familienpolitischen Angelegenheiten. Das ist geregelt. Der Beschluß 380 sieht eine Gleichstellung auch in familienpolitischen Angelegenheiten vor.

Das kümmert uns nicht, sagt Österreich. Wir glauben, daß dieser Vertrag zwar für die EU gilt, aber nicht für uns. – Was sagt die EU dazu? In einer Notiz, die ein österreichischer Diplomat nach Hause geschickt hat, heißt es: Vom Gesprächspartner – nämlich der EU-Kommission – wurde die österreichische Haltung als exzessiver Formalismus bezeichnet. – Es akzeptiert niemand das, was wir hier betreiben.

Die anderen Länder, die mit uns gleichzeitig der EU beigetreten sind, Finnland und Schweden, halten sich selbstverständlich an all diese Vertragsbedingungen. Nur Österreich sagt: Für uns gilt das nicht, wir glauben nicht, daß dieser Teil des EU-Vertrages für uns gilt. – Das ist der eine Punkt.

Der andere Punkt, meine Damen und Herren, den ich noch ganz kurz erwähnen möchte, ist, daß eine EU-Verordnung, soweit ich mich erinnern kann – die Rangfolge der Gesetzgebung habe ich vor dem EU-Beitritt fleißig studiert –, über der Richtlinie steht und unmittelbar rechtswirksam ist auch für die Länder.

In der letztgültigen Fassung der EU-Verordnung 1408/71 heißt es: "Arbeitnehmer oder Selbständige, deren Familienangehörige in einem anderen als dem zuständigen Staat wohnen: Ein Arbeitnehmer oder ein Selbständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates unterliegt, hat vorbehaltlich der Bestimmungen in Anhang 6 für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates."

Unabhängig vom Assoziationsabkommen, das wir mit der Türkei geschlossen haben, besagt diese Bestimmung nichts anderes, als daß wir diesen Rechtsanspruch unmittelbar geltend


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 230

machen müssen für die Staatsangehörigen der Türkei und auch für die Staatsangehörigen Tunesiens, mit denen wir diese Assoziationsabkommen geschlossen haben.

Dazu zuckt man in Österreich auf der Regierungsbank die Schultern. – Nicht Sie, Herr Minister Hums! Aber die eigentlich zuständigen Minister sagen: Das interessiert uns nicht. Es gibt zwar einen Assoziationsvertrag und eine Verordnung der EU – aber was kümmert das uns? Wir haben ein Strukturanpassungsgesetz durchzuziehen, wir müssen diese 1 Million Schilling an Tunesien in diesem Jahr hereinholen. Meine Damen und Herren! – Es wird uns zwar nicht mehr gelingen, diese 1 Million von Tunesien in diesem Jahr zu holen, aber wenn Sie weiter so fleißig darum kämpfen, daß unser Budget saniert wird, dann bin ich sicher, daß Sie diese 1 Million von Tunesien und die anderen 599 Millionen Schilling – es sind sogar ein bißchen mehr – von den anderen Ländern in einem der nächsten Jahre erfolgreich hereinbekommen werden. Aber das, was Sie an internationalem Vertrauen zerstören, das, was uns das auch an Reputation kosten wird, können Sie nicht wiedergutmachen!

Ich sage Ihnen eines: Diese Vertragsbestimmungen der EU-Verordnung beziehungsweise des Assoziationsvertrags sind von jedem einzelnen unmittelbar einklagbar, auch beim Europäischen Gerichtshof. Es wird zwei oder drei Jahre bis zu dem Zeitpunkt dauern, zu dem die Regierung zum erstenmal ein bißchen Geld aus diesem Vertrag lukrieren kann, aber dann wird Österreich wahrscheinlich oder, wie ich meine, ganz sicher vom Europäischen Gerichtshof für sein Verhalten verurteilt werden. Und ich und meine Fraktion – und wahrscheinlich noch einige andere – werden die ersten sein, die in diesem Hohen Haus Beifall klatschen werden, wenn dieses Urteil des Europäischen Gerichtshofes fällt.

Meine Damen und Herren vom Österreichischen Gewerkschaftsbund! Einige vom ÖGB sind ja da. – Ich wünsche mir abschließend, daß Sie in diesem Verfahren, auch wenn es gegen die Republik Österreich gerichtet ist, die Rechtsvertretung jener Mitglieder des Österreichischen Gewerkschaftsbundes übernehmen, die türkische, jugoslawische oder tunesische Staatsangehörige sind, nachdem Sie bisher nichts getan haben, um deren Rechte sicherzustellen.

Das ist alles, was ich mir heute noch wünsche. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

0.04

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht einer der Berichterstatter das Schußwort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zu einer größeren Zahl von Abstimmungen , die über jeden Ausschußantrag getrennt durchgeführt werden, und ich bitte die Damen und Herren, ihre Plätze einzunehmen.

Zunächst stimmen wir ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 20 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Entwurf ist einstimmig angenommen worden.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die in dritter Lesung zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Entwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen worden.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, dem Abschluß des Staatsvertrages in 103 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dies tun wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Die Genehmigung wurde einstimmig erteilt.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 231

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, dem Abschluß des Staatsvertrages in 104 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Wer dafür ist, möge dies durch ein Zeichen kundtun. – Auch hier kann ich einstimmige Annahme feststellen.

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, dem Abschluß des Staatsvertrages in 105 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Wer dafür ist, soll ein entsprechendes Zeichen geben. – Auch hier erfolgt die einstimmige Erteilung der Genehmigung.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, der Kündigung des zwischen Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien weiter angewendeten Abkommens mit der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über soziale Sicherheit in 118 und Zu 118 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Die Genehmigung wurde mit Mehrheit erteilt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, der Kündigung des zwischen Österreich und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien weiter angewendeten Abkommens mit der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über soziale Sicherheit in 119 und Zu 119 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Diese Genehmigung wurde mit Mehrheit erteilt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, der Kündigung des zwischen Österreich und der Republik Bosnien und Herzegowina weiter angewendeten Abkommens mit der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über soziale Sicherheit in 120 und Zu 120 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dieser Beschluß ist mit Mehrheit gefaßt worden.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, der Kündigung des Abkommens mit der Republik Slowenien über soziale Sicherheit in 121 und Zu 121 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Die Genehmigung wurde mit Mehrheit erteilt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, der Kündigung des Abkommens mit der Türkischen Republik über soziale Sicherheit in 122 und Zu 122 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Wer dafür ist, möge dies durch ein Zeichen kundtun. – Die Genehmigung wurde mehrheitlich erteilt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, der Kündigung des Abkommens mit der Tunesischen Republik über soziale Sicherheit in 123 und Zu 123 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch diese Genehmigung erfolgte mehrheitlich.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 232

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, der Kündigung des Abkommens der Republik Kroatien über soziale Sicherheit in 124 und Zu 124 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch diese Genehmigung wurde mehrheitlich erteilt.

21. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 182/A der Abgeordneten Friedrich Verzetnitsch, Fritz Neugebauer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Post-Betriebsverfassung (Post-Betriebsverfassungsgesetz – PBVG) (166 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nunmehr zum 21. Punkt der Tagesordnung: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 182/A der Abgeordneten Verzetnitsch, Neugebauer und Genossen betreffend Post-Betriebsverfassungsgesetz, 166 der Beilagen.

Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Sophie Bauer. Ich bitte Sie, die Debatte zu eröffnen.

Berichterstatterin Sophie Bauer: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag der Abgeordneten Friedrich Verzetnitsch, Fritz Neugebauer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Post-Betriebsverfassung 182/A. Durch die Ausgliederung wurden Gesetzesänderungen notwendig. Der Ausschuß für Arbeit und Soziales hat am 7. Mai darüber beraten.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuß für Arbeit und Soziales somit den Antrag , der Nationalrat wolle dem dem schriftlichen Ausschußbericht angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Herr Präsident! Da Wortmeldungen vorliegen, bitte ich, die Debatte fortzusetzen.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich danke der Frau Berichterstatterin für die Ausführungen.

Für diese Debatte wurde festgelegt, daß maximal zwei Redner pro Fraktion mit einer Redezeit von 15 Minuten für den Erstredner und 10 Minuten für den Zweitredner zu Wort kommen.

Zu Wort gemeldet hat sich Abgeordneter Meisinger. – Bitte, Sie haben das Wort.

0.10

Abgeordneter Josef Meisinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute wurde schon des öfteren über die arbeitsrechtliche Gleichstellung von unselbständig Erwerbstätigen gesprochen. Alle sind dafür, nur geht, wie so oft, in dieser Angelegenheit nichts weiter.

Herr Bundesminister! Ihr Vorgänger hatte schon im Jahr 1991 nach einem Höchstgerichtsurteil in Deutschland, daß handwerkliche und geistige Arbeit gleichwertig zu behandeln ist, auch in Österreich rasch dafür zu sorgen, dieses Unrecht durch arbeitsrechtliche Gleichbehandlung zu ersetzen.

In den Interessenvertretungen, in der Arbeiterkammer und im ÖGB, spielt man das auch vordergründig mit, aber in Wirklichkeit wurden beziehungsweise werden die umfassende Vereinfachung und die gewaltigen Einsparungen nicht wahrgenommen. Die Funktionäre handeln aus Eigeninteresse und verhindern diesen Fortschritt.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 233

Der Entwurf des Post-Betriebsverfassungsgesetzes bestätigt eindeutig die Annahme, daß, obwohl die Post ausgegliedert wurde, durch eine neuerliche Sonderregelung zwischen dem Bundes-Personalvertretungsgesetz und dem Arbeitsverfassungsgesetz die Pfründe aus der Vergangenheit, wie sie bei der ÖBB, aber auch bei der Post bestanden haben, weiter erhalten werden sollen. Die Personalvertreter, die Vertrauensleute und die Politfunktionäre in diesem Bereich retten ihre Privilegien. Was mit dem Unternehmen passiert, wie das Wohlergehen und der Weiterbestand gesichert werden, ist ihnen anscheinend kein Anliegen.

Die volle Freistellung bei 3 000 Arbeitnehmern beispielsweise beträgt beim Arbeitsverfassungsgesetz drei Betriebsräte, beim Post-Betriebsverfassungsgesetz sieben Personalvertreter. Da ist genau erkennbar, wo die Interessen bei dieser Gesetzesvorlage liegen.

Der Rechnungshof stellt fest, daß der 37 Jahre alte Figl-Erlaß kaum eine taugliche Rechtsgrundlage sein kann, und er stellt zur finanziellen Auswirkung fest: Die Bestimmungen über die Vertrauenspersonenausschüsse nach § 17 Abs. 2 und 3 und die Personalausschüsse nach § 19 Abs. 2 lassen aufgrund der darin enthaltenen Ermessensspielräume unklare Personalvertretungsstrukturen zu. Die dreistufige Organisation der Personalvertretungsorgane wird jedenfalls wegen der vehement vermehrten Dienstfreistellung höhere Kosten verursachen als vergleichbare Unternehmungen, die dem Regelbereich des Arbeitsverfassungsgesetzes unterliegen.

Es ist nicht einzusehen, daß die Personalvertretungsumlage nicht auch, wie im § 73 des Arbeitsverfassungsgesetzes grundsätzlich vorgesehen, zur Deckung der Kosten der Geschäftsordnung der Belegschaftsorgane herangezogen werden soll.

Sachlich nicht gerechtfertigt erscheint auch die im § 65 des Entwurfes vorgesehene Abweichung vom vergleichbaren § 115 des Arbeitsverfassungsgesetzes betreffend Grundsätze der Mandatsausübung, Rücksichtnahme auf die zusätzliche Belastung und individualrechtlich verbürgten Versetzungsschutz.

Die im § 72 Abs. 2 und 3 des Entwurfes vorgesehene Erweiterung der Mitbestimmung würde zu höheren Aufwendungen führen und ist daher abzulehnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Funktionäre von Interessenvertretungen, aber auch Personalvertreter dürfen keinesfalls bessergestellt sein als die Mitglieder beziehungsweise die Bediensteten selbst. Außerdem wissen wir von den jahrzehntelangen mißbräuchlich zugestandenen freiwilligen vollen Freistellungen auch im Vertrauenspersonenbereich bei den ÖBB und der Post.

Rechnungshofberichte aus früheren Jahren zeigen aber auch auf, daß laufend Übertretungen beziehungsweise ungerechtfertigte Freistellungen vorgekommen sind. Es ist somit erkennbar, daß die "Aktion Fairneß" des ÖGB nur Maske und eine Vorspiegelung falscher Tatsachen ist.

Außerdem liegt dem Wunsch nach rascher Beschlußfassung ein sogenannter Kuhhandel zwischen den Koalitionsparteien zugrunde: Die ÖVP soll den Börsengang bis zum Jahr 2000 erhalten, die SPÖ hingegen betrieb die Absicherung ihrer freigestellten Personalvertreter im Übermaß.

Die Unaufrichtigkeit ist durchschaubar. Wir Freiheitlichen lehnen daher dieses Post-Betriebsverfassungsgesetz ab. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

0.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte, Frau Abgeordnete.

0.16

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ich muß meinem Vorredner ja geradezu dankbar dafür sein, wie deutlich er aufzeigt, welche Einstellung die FPÖ zu Arbeitnehmern hat. (Abg. Böhacker: Fällt Ihnen überhaupt nichts ein zur Sache?) Die Pfründe aus der Vergangenheit, Herr Kollege, die beibehalten wurden in Ihren Augen, das


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 234

sind Mitbestimmungsrechte. Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer sind bei der FPÖ "Pfründe". Das deklariert sich von selbst! (Beifall bei der SPÖ.)

Das Post-Betriebsverfassungsgesetz ist deshalb notwendig, um die demokratischen Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der Post und Telekom Austria AG, die derzeit legistisch nicht geregelt sind, eben auf eine legistische Ebene zu bringen. Durch dieses Betriebsverfassungsgesetz schaffen wir es nämlich endlich, eine rechtliche Grundlage für die Interessenvertretung der Arbeitnehmer und der Arbeitnehmerinnen in diesen neuen Bereichen zuwege zu bringen. Das ist einmal die rechtliche Grundlage dafür. Und das lehnen Sie ab! Das ist sehr gut, das werden wir uns merken! Das wird bei den nächsten Wahlen interessant sein.

Die kollektive Rechtsgestaltung erfolgt zum Teil unter Verweis auf das Arbeitsverfassungsgesetz. In diesem Zusammenhang darf ich darauf hinweisen, daß die Sonderkollektivvertragsfähigkeit der Post und Telekom Austria AG beziehungsweise von Unternehmen, wo mehrheitlich die Beteiligung vorhanden ist, zu beachten ist.

Das Betriebsverfassungsgesetz ist grundsätzlich in Anlehnung an das Arbeitsverfassungsgesetz gegliedert, wobei die dreiteilige Wirkung im Organisationsrecht natürlich auf die bisherige dreigliedrige Struktur der betrieblichen Interessenvertretung zurückzuführen ist. Insbesondere wird dabei die bisherige Tätigkeit der Personalvertretungsorgane berücksichtigt.

Zur Wahrung der Befugnisse der Arbeitnehmervertretungen wird einerseits auf das dritte Hauptstück des zweiten Teiles des Arbeitsverfassungsgesetzes verwiesen, andererseits aber werden die bisher den Personalvertretungsorganen gewährten Befugnisse weiterhin eingeräumt. Und da geht es eindeutig um diese Mitbestimmungsrechte, die Sie hier aufgezeigt haben und die Sie ankreiden.

Vielleicht noch etwas zu den Pfründen. Das zeigt auch Ihr Demokratieverständnis, weil Sie gemeint haben, da ist etwas abgemacht worden.

Wahrscheinlich ist Ihnen noch nie aufgefallen, Herr Kollege, daß gewählt wird, daß sich diese Leute einer Wahl stellen. Aber da haben Sie Pech, denn die Wähler wollen nämlich nicht Sie. Sie wollen lieber uns, weil sie wissen, daß wir für ihre Interessen eintreten. (Beifall bei der SPÖ.)

Was mir noch wesentlich erscheint in diesem Initiativantrag, ist, daß auch die Gleichbehandlung im Bereich der Post geregelt ist. Sie wird also im Bundesgleichbehandlungsbereich angesiedelt sein, damit wir nicht unterschiedliche Regelungen für ArbeitnehmerInnen in diesem Bereich haben.

Die Anwendung des Post-Betriebsverfassungsgesetzes in der Fassung, wie wir es hier gehört haben, auf die Fernmeldehoheitsverwaltung wäre aber der einzige Fall der Anwendung des Arbeitsverfassungsgesetzes auf die Hoheitsverwaltung des Bundes.

Ich bringe daher einen entsprechenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (166 der Beilagen) über den Antrag 182/A der Abgeordneten Verzetnitsch, Neugebauer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Post-Betriebsverfassung (Post-Betriebsverfassungsgesetz – PBVG)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Nach dem zweiten Satz des § 75 wird folgender Satz eingefügt:


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 235

"Für die im § 3 Z 4 genannten Dienststellen des Bundes bestimmen sich die Rechte und Pflichten der Personalvertretungsorgane nach den Bestimmungen des Bundes-Personalvertretungsgesetzes."

*****

Ich ersuche Sie, meine Damen und Herren des Hohen Hauses, im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieser neu geschaffenen Struktur der Post und Telekom Austria AG diesem Gesetz auch in Form dieses Abänderungsantrages Ihre Zustimmung zu geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

0.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der von der Frau Abgeordneten Silhavy vorgetragene Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt. Ich beziehe ihn in die Verhandlungen mit ein.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

0.20

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich kann an die Ausführungen des Herrn Kollegen Meisinger anknüpfen. Er hat bereits sehr deutlich hervorgehoben, daß es sich hier um ein Gesetz handelt, das nicht von seinem Regelungskreis her überflüssig ist, sondern als solches überflüssig ist.

Es handelt sich hierbei nämlich um Versäumnisse, die nachgeholt werden, weil anläßlich der Schaffung des Poststrukturgesetzes offenbar noch nicht bekannt war oder übersehen wurde, daß das Poststrukturgesetz eben auch wesentliche Änderungen auf der Ebene der Mitwirkungsrechte der Dienstnehmer mit sich bringt und daß man daher eigentlich gut beraten gewesen wäre, bei dieser Gelegenheit bereits durch entsprechende Übergangsbestimmungen das nunmehr zur Lösung anstehende Problem zu regeln.

Aber das eigentlich wirklich Unangenehme an diesem Gesetz ist nicht der Regelungsinhalt. Zu dem können wir uns freimütig bekennen. Wir halten es für wichtig, für dringend, für eben nachzuholen. Aber warum dazu nicht das vorhandene Arbeitsverfassungsgesetz als Stammgesetz verwendet wurde und warum man sich nicht darauf konzentriert hat, jene Bestimmungen hier vorzulegen, die die Spezifika enthalten, die man braucht, um diese Überleitung zu machen, das ist überhaupt nicht nachvollziehbar – noch dazu, wenn man bei genauem Studium erkennen kann, daß die wesentlichen Abschnitte dieses Post-Betriebsverfassungsgesetzes fast wortidentisch aus dem Arbeitsverfassungsgesetz abgeschrieben sind, mit dem einzigen wirklich schweren Fehler, daß man teilweise überflüssigerweise einzelne Worte gestrichen hat. Zum Beispiel hat man in diesem neuen Post-Betriebsverfassungsgesetz einen Dienstnehmerbegriff definiert, einen Arbeitnehmerbegriff, der wortidentisch ist mit dem des Arbeitsverfassungsgesetzes, nur ein Wort ist herausgestrichen, nämlich der Klammerausdruck "Heimarbeiter".

Ich verstehe schon, daß die Legisten des Verkehrsressorts, jetzt Wissenschaftsressorts, als sie dieses Gesetz offenbar hauptsächlich abschreibend entwickelt haben, der Meinung waren, bei der Post gebe es keine Heimarbeiter, also braucht man das auch nicht. Das mag wohl zutreffen. Aber erstens sollte man sich nicht ganz so sicher sein, was die Zukunft der Post anlangt. Es könnte sich ja anders entwickeln, in Richtung Telearbeit et cetera. Und zweitens hätte es überhaupt nicht gestört, wenn da "Heimarbeiter" gestanden wäre. Wenn er bei der Post nicht vorkommt, dann spielt es keine Rolle, wenn er im Arbeitnehmerbegriff inkludiert ist.

Quintessenz des Ganzen – ich knüpfe noch einmal an die Ausführungen des Kollegen Meisinger an –: Statt daß wir heute einen Schritt getan hätten, indem unserem Entschließungsantrag zur Vereinheitlichung der Dienstnehmerrechte im Sinne eines Arbeitskreises für die Bundesregierung die Mehrheit gegeben worden wäre, schaffen wir einen neuen Arbeitnehmerbegriff und ein paralleles Arbeitsverfassungsrecht, und das in weiten Passagen völlig überflüssigerweise, weil sich das Arbeitsverfassungsgesetz hervorragend geeignet hätte. Und das, bitte, vor dem


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 236

Hintergrund der allgemeinen Verdrossenheit über die Gesetzesflut. Das im Protokoll stehen zu haben, war mir diese Wortmeldung wert.

Im übrigen werden wir aus diesen grundsätzlichen Erwägungen – nicht aus inhaltlichen Gründen – dieser Vorlage unsere Zustimmung nicht geben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

0.25

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

0.25

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht zu beurteilen, aus welchen Gründen und mit welchen Motiven das Liberale Forum dieses Gesetz ablehnt, aber zwei Bemerkungen möchte ich doch dazu machen.

Erster Punkt: Es war natürlich unser Anliegen bei der Ausarbeitung dieses Gesetzes, an der wir ja mitgewirkt haben (Abg. Meisinger: Ein Kuhhandel!) – ich komme darauf zurück –, einerseits zu versuchen, die Grundstruktur des Personalvertretungsgesetzes zu übernehmen, und zwar diesen dreigliedrigen Aufbau, andererseits aber eine weitgehende Angleichung an das Arbeitsverfassungsgesetz herbeizuführen.

Und wenn der Herr Abgeordnete Kier kritisiert, daß es zum Teil identische Formulierungen in diesem Post-Betriebsverfassungsgesetz und im Arbeitsverfassungsgesetz gibt, so bestätigt das genau unser Anliegen, das wir verwirklichen wollen. Und wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen wollen, auch nicht aufgrund meiner Erklärungen im Ausschuß, so ist dies ein Motiv, das ich in diesem Zusammenhang als Ablehnungsgrund nicht verstehe.

Zweiter Punkt: Der Herr Abgeordnete Meisinger hat hier aufgrund einer völlig aus der Luft gegriffenen Annahme von einem Kuhhandel gesprochen. Ich möchte ganz eindeutig feststellen, daß es in diesem Zusammenhang überhaupt keinerlei Absprachen gegeben hat und auch keine Absprachen notwendig waren, meine Damen und Herren. (Abg. Meisinger: Das entspricht der Realität!) Ich weise das schärfstens zurück! (Beifall bei der ÖVP.)

Dritter Punkt: Es geht hier nicht darum, daß wir neue Freistellungen von Personalvertretern oder, wie es jetzt heißt, Mitgliedern von Personalausschüssen, Zentralausschüssen, Vertrauenspersonenausschüssen schaffen. Das ist nicht wahr. Wenn Sie es genau durchrechnen, werden Sie insgesamt genau die gleiche Zahl von Freistellungen ermitteln und herausbringen, wie dies bei Anwendung des Arbeitsverfassungsgesetzes der Fall wäre. Es ist in keiner Weise eine Ausweitung von Freistellungen erfolgt. Auch dies ist ein Irrtum, so wie natürlich auch mehrere andere Dinge, die hier geäußert worden sind, darauf zurückzuführen sind, daß die Betroffenen das Gesetz nicht richtig gelesen haben.

Für uns war wichtig – und ich komme wieder zum Arbeitsverfassungsgesetz zurück –, daß wir gerade im Bereich der Behinderten-Vertrauenspersonen und bei den Jugendvertretern jene Grundsätze umgesetzt haben, die auch im Arbeitsverfassungsgesetz gelten. Wir haben uns weitgehend an das Arbeitsverfassungsgesetz angelehnt, und ich meine, das war auch richtig und in diesem Sinne gut.

Zusammenfassend meine ich also, daß wir sicherlich die Interessen der Arbeitnehmer, der Dienstnehmer primär in den Vordergrund gestellt haben.

Es ist nicht so – und da irrt der Herr Abgeordnete Kier zum dritten Mal –, daß im Poststrukturgesetz keine Übergangsbestimmung enthalten ist. Die Übergangsbestimmung ist im Poststrukturgesetz sehr wohl enthalten. Es ist eindeutig bestimmt, daß bis zur Erlassung dieses Post-Betriebsverfassungsgesetzes das Personalvertretungsgesetz zur Anwendung kommt.

Es gibt noch eine zweite Übergangsbestimmung, die ich jetzt im Detail nicht mehr erläutern möchte, die aber klarstellt, daß auf jeden Fall für eine Vertretung der Dienstnehmer in den entsprechenden Organen gesorgt ist.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 237

Wir waren aber der Meinung, daß dieses Post-Betriebsverfassungsgesetz zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beschließen ist. Daher haben wir diese Gesetzesvorlage auch heute zur Beschlußfassung vorgelegt.

Ich bitte, dem die Zustimmung zu geben. (Beifall bei der ÖVP.)

0.29


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 238

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

0.29

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich ist das der Zeitpunkt, zu dem ich mir gewünscht habe, zu diesem Post-Betriebsverfassungsgesetz sprechen zu dürfen, weil es ungefähr auch die Qualität dieser Gesetzgebung markiert: In diesem ziemlich verschlafenen Auditorium – Entschuldigung, daß ich das sage –, in diesem zu schon vorgerückter Stunde tagenden Auditorium wird die Qualität dieser Gesetzgebung noch einmal debattiert.

Da gibt es einen Initiativantrag Verzetnitsch, Neugebauer und Genossen, der dem Ausschuß zur Beratung zugewiesen wird und in der Ausschußberatung gleich eine gigantische materielle Abänderung durch einen Abänderungsantrag Reitsamer, Dr. Feurstein und Genossen erfährt, der im Ausschuß kaum diskutiert wird. Wozu auch eigentlich? Wir brauchen diesen Antrag nicht materiell zu diskutieren, Hauptsache, er wird beschlossen.

Dieser Ausschußbericht mit dem entsprechenden Abänderungsantrag wird dem Plenum zugewiesen, und im Plenum gibt es dann noch zur Draufgabe einen neuerlichen materiellen Abänderungsantrag zum Abänderungsantrag Reitsamer, Dr. Feurstein und Genossen, ebenfalls von diesen eingebracht. Haben Sie noch etwas vergessen? Soll ja vorkommen.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen eines: Für die Qualität dieses Gesetz spricht das nicht. Und es spricht auch nicht dafür, daß wir hier ein Post-Betriebsverfassungsgesetz als ein von der Arbeitsverfassung abgetrenntes Gesetz beschließen. Denn das, was Sie an Argumentation anbieten, warum wir hier ein eigenes Gesetz erarbeiten mußten beziehungsweise warum Sie das tun mußten, das spricht nicht für dieses Gesetz.

Sie sagen, das hängt mit der besonderen materiellen Struktur und mit der Tatsache, daß dort noch Personalvertretungsorgane vorzufinden sind, zusammen. Genau deswegen machen Sie ja den heutigen Abänderungsantrag, weil Sie dem Rechnung tragen müssen, daß das Bundesministerium für Wissenschaft, Verkehr und Zukunft gesagt hat: Halt, so geht es nicht, so könnt ihr das nicht machen. Ihr könnt das nicht so beschließen, sondern wir brauchen für die Bundesorgane Personalvertretungsorgane, weil diese nicht der Arbeitsverfassung unterstellt werden können. (Abg. Dr. Feurstein: Hoheit!) Doch, doch, selbstverständlich, das ist die Begründung des Wissenschaftsministeriums. (Abg. Dr. Feurstein: Hoheitsverwaltung!) Ja, genau von der spreche ich, Herr Kollege Feurstein. Ich habe es gesagt. Sie haben mir nicht zugehört.

Ich will das auch nicht inhaltlich diskutieren. Ich meine, diese Gesetzgebung hat keine Qualität. (Beifall des Abg. Meisinger. ) Ich finde es schade, daß Sie, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, und Sie, meine Damen und Herren vom ÖGB – Kollege Verzetnitsch und alle anderen sollen sich angesprochen fühlen –, ein Gesetz hier einbringen, das weder in den Organen des ÖGB intensiver diskutiert worden wäre – das ist offensichtlich nicht notwendig – noch von der Arbeiterkammer eine eigene Begutachtung erfahren hat. Denn als wir die Begutachtung von seiten der Arbeiterkammer angefordert haben, hat es geheißen: Wir brauchen keine eigene Begutachtung zu machen, denn das Gesetz kommt ohnehin von uns. – Das ist natürlich eine neue Qualität, Herr Abgeordneter Feurstein, daß sozusagen das Gesetz nicht von Ihnen, sondern aus der Arbeiterkammer kommt. Soll mir auch recht sein. Es spricht das in diesem Fall leider nicht für die Qualität der Arbeiterkammer und nicht für die Qualität des Gesetzes. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

0.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hostasch. – Bitte, Sie haben das Wort.

0.34

Abgeordnete Eleonora Hostasch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! – Herr Kollege Kier und Herr Kollege Meisinger und auch Kollege Öllinger! Wenn Sie das Arbeitsverfassungsgesetz hernehmen und die Situation der ausgegliederten Post beziehungsweise der Post in der neuen Rechtsform Aktiengesellschaft damit in Vergleich bringen, dann werden Sie bei einer objektiven Betrachtung erkennen, daß das Arbeitsverfassungsgesetz nicht nahtlos für die Situation der neuen Post angewendet werden kann. Und wenn es das politische Ziel ist, die Mitbestimmungsqualität der Beschäftigten in der Post durch ihre gewählten Organe auch für die Zukunft aufrechtzuerhalten, ist es sinnvoll, ein eigenes Betriebsverfassungsgesetz für diesen Wirtschaftskörper zu bilden. (Abg. Blünegger: Da müßte man jede Firma anführen!)

Sie müssen auch zugeben, daß in einigen Punkten – wie zum Beispiel beim Betriebsbegriff, beim Unternehmensbegriff, beim Aufbau der Organisation – in der Post andere Voraussetzungen gegeben sind als in den Definitionen im Arbeitsverfassungsgesetz.

Wenn Sie aber kein Interesse daran haben, daß alle Beschäftigten bei der Post einheitlich mit den gleichen Mitbestimmungsqualitäten ausgestattet sind, dann haben Sie recht damit, darauf zu verweisen, daß ein eigenes Gesetz nicht erforderlich ist.

Kollege Öllinger, ich möchte mit aller Deutlichkeit sagen, daß dieses Betriebsverfassungsgesetz für die Beschäftigten bei der Post Wünsche und Forderungen der Arbeitnehmer-Interessenvertretungen, der zuständigen Gewerkschaft verwirklicht. Der Gesetzentwurf wurde gemeinsam erarbeitet, und er ist ein ganz wichtiger Gesetzentwurf, denn gerade wenn ein Unternehmen in einer Umstellungsphase ist, gerade dann, wenn Unsicherheit bei Beschäftigten entstehen kann, ist es entscheidend, die Mitarbeiter in die weiteren Organisationsänderungen, in den Entscheidungsprozeß einzubeziehen.

Ich kann mich auch nur wundern, Kollege Öllinger, daß Sie hier kritisieren, daß im Ausschuß ein Abänderungsantrag diskutiert und letztlich auch beschlossen wurde, denn dieser Abänderungsantrag hat es mit sich gebracht, daß jene Rechte, die wir durch das Bundesgleichbehandlungsgesetz für einen großen Teil der Beschäftigten in der Post haben, nun für alle Beschäftigten sichergestellt sind und daß gleichermaßen auch für die Behinderten die Mitbestimmungsrechte gewährleistet sind.

Daher, sehr geschätzte Damen und Herren, bin ich froh, daß dieser Abänderungsantrag im Ausschuß die Zustimmung gefunden hat, und ich hoffe, daß das gesamte Gesetz in der Fassung der Abänderungsanträge Ihre Zustimmung finden wird. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Feurstein . )

0.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Blünegger. – Bitte.

0.36

Abgeordneter Anton Blünegger (Freiheitliche): Hohes Haus! Geschätzter Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Laut den Ausführungen der Präsidentin der Arbeiterkammer müßten wir heute eigentlich noch mehr Gesetze beschließen. Wir müßten für jede Firma ein eigenes Gesetz beschließen, und das ist, glaube ich, nicht unsere Aufgabe hier in diesem Hohen Haus. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales betreffend ein Bundesgesetz über die Post-Betriebsverfassung hat einen Schönheitsfehler; Herr Abgeordneter Meisinger hat das ja unter anderem schon erwähnt. Im Vergleich mit dem Arbeitsverfassungsgesetz ist es der Schönheitsfehler, daß es erhöhte Freistellungen beinhaltet. Und diese erhöhten Freistellungen,


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 239

die schon bei 20 Beschäftigten in irgendeiner Abteilung beginnen, sind, wie ich meine, nicht gerecht, nicht konform mit dem Arbeitsverfassungsgesetz.

Neben dem Bundes-Personalvertretungsgesetz und dem Arbeitsverfassungsgesetz kommt jetzt sozusagen noch ein drittes Gesetz dazu. Es ist ja nicht die Aufgabe, daß man aus zwei Gesetzen drei macht, sondern es ist viel gescheiter, man reformiert in diesem Fall das Arbeitsverfassungsgesetz. Das wäre, glaube ich, eine Notwendigkeit.

Wenn Frau Abgeordnete Silhavy hier gesagt hat, daß wir Freiheitlichen keine Vertreter der Arbeitnehmer sind, so ist sie, glaube ich, auf dem Holzweg. Vor Ihnen steht nämlich einer, der schon lange genug im Arbeitsleben steht und der genau weiß, wo die Arbeitnehmer der Schuh drückt. Und wir werden auch den Arbeitnehmern sagen, daß nicht nur die Sozialdemokraten, sondern auch die Freiheitlichen Arbeitnehmerschutzinteressen vertreten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: Sagen können Sie es ja! Beweisen müsse Sie es!)

Frau Abgeordnete, Sie hätten ja nur die bestehenden Gesetze auszubauen brauchen. Sie hätten das Personalvertretungsgesetz ausbauen können, und Sie hätten auch das Arbeitsverfassungsgesetz ausbauen können. Sie weisen im jetzt eingebrachten Antrag darauf hin, daß das zum Arbeitsverfassungsgesetz dazugehört. Das ist genau der Weg, den Sie beschreiten hätten können, dann hätten wir diesen Gesetzesvorschlag gar nicht gebraucht. (Abg. Silhavy: Vereinheitlichung!) Vereinheitlichung, richtig, aber wo? Ich habe eine solche nicht gesehen.

Herr Abgeordneter Feurstein ist der Auffassung, daß dieses Gesetz notwendig ist, wir Freiheitlichen aber nicht. Wir sagen: Nicht mehr Besserstellungen gegenüber dem bestehenden Gesetz, sondern mehr Vereinheitlichung. Das wäre Sinn und Zweck gewesen, und daher werden wir hiezu keine Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

0.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Frau Berichterstatterin, ein Schlußwort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung .

Ich lasse abstimmen über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 166 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Reitsamer, Dr. Feurstein und Genossen einen Zusatzantrag betreffend Einfügung eines Satzes im § 75 eingebracht.

Da nur dieser eine Antrag gestellt wurde, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 166 der Beilagen in der Fassung des Zusatzantrages der Abgeordneten Reitsamer, Dr. Feurstein und Genossen abstimmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Dieser Antrag ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Antrag in dritter Lesung zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch in dritter Lesung ist dieser Antrag mehrheitlich angenommen worden.

22. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (113 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz) geändert wird (170 der Beilagen)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 240

23. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 27/A (E) der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger und Genossen betreffend Gründung von Gruppenpraxen durch Angehörige von Gesundheitsberufen (167 der Beilagen)

24. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 62/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Einführung einer PatientInnen- und Pharmaversicherung nach dem Prinzip einer verschuldensunabhängigen Haftung (168 der Beilagen)

25. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 115/A (E) der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend Psychologenausbildung (169 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nun zu den Punkten 22 bis 25 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Es sind dies Berichte des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage 113 der Beilagen: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste geändert wird, 170 der Beilagen, die Anträge 27/A (E) der Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen betreffend Gründung von Gruppenpraxen durch Angehörige von Gesundheitsberufen, 167 der Beilagen, 62/A (E) der Abgeordneten Haidlmayr und Genossen betreffend Einführung einer PatientInnen- und Pharmaversicherung nach dem Prinzip einer verschuldensunabhängigen Haftung, 168 der Beilagen, und 115/A (E) der Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen betreffend Psychologenausbildung, 169 der Beilagen.

Berichterstatter zu allen Punkten ist Abgeordneter Lackner. – Herr Abgeordneter! Ich ersuche Sie, die Debatte mit Ihren Berichten zu eröffnen.

Berichterstatter Manfred Lackner: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Meine Damen und Herren! Ich erstatte den Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage 113 der Beilagen: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste, MTD-Gesetz, geändert wird.

Der Gesundheitsausschuß hat die Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 30. Mai 1996 in Verhandlung genommen. Die von den Abgeordneten Dr. Alois Pumberger und Genossen eingebrachten Zusatz- und Abänderungsanträge fanden keine Mehrheit.

Weiters wurde ein von den Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Freunden eingebrachter Abänderungsantrag abgelehnt.

Bei der Abstimmung wurde die Regierungsvorlage einstimmig angenommen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 241

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuß somit den Antrag , der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf, 113 der Beilagen, die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Weiters berichte ich über den Entschließungsantrag 27/A (E) der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger und Genossen betreffend Gründung von Gruppenpraxen durch Angehörige von Gesundheitsberufen.

Der Gesundheitsausschuß hat den gegenständlichen Entschließungsantrag 27/A (E) in seiner Sitzung am 30. Mai 1996 in Verhandlung genommen.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuß somit den Antrag , der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Weiters berichte ich über den Entschließungsantrag 62/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Einführung einer PatientInnen- und Pharmaversicherung nach dem Prinzip einer verschuldensunabhängigen Haftung.

Der Gesundheitsausschuß hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 30. Mai 1996 in Verhandlung genommen.

Der Abänderungsantrag der Abgeordneten Theresia Haidlmayr fand nicht die Zustimmung der Ausschußmehrheit. Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuß somit den Antrag , der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Weiters berichte ich über den Antrag 115/A (E) der Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen betreffend Psychologenausbildung.

Der Gesundheitsausschuß hat den vorliegenden Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 30. Mai 1996 in Verhandlung genommen.

Nach Wortmeldungen der Abgeordneten Dr. Volker Kier, Mag. Walter Guggenberger, Theresia Haidlmayr, Dr. Günther Leiner, Mag. Herbert Haupt sowie Dr. Alois Pumberger beschloß der Gesundheitsausschuß auf Antrag der Abgeordneten Mag. Walter Guggenberger, Dr. Günther Leiner, Dr. Volker Kier und Theresia Haidlmayr mit Stimmenmehrheit, dem Präsidenten des Nationalrates die Zuweisung dieser Vorlage an den Ausschuß für Wissenschaft und Forschung zu empfehlen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuß somit den Antrag , der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Da Wortmeldungen vorliegen, sehr geehrter Herr Präsident, ersuche ich Sie, die Debatte fortzusetzen.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen.

Für diese Debatte wurde eine Gesamtredezeit von zwei "Wiener Stunden" festgelegt, sodaß sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 30 Minuten, ÖVP 28 Minuten, Freiheitliche 26 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 18 Minuten.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Povysil. – Bitte, Frau Abgeordnete.

0.45

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Minister! Es ist spät. (Rufe: Es ist nicht spät, es ist früh!) Es ist früh, Sie haben recht! Ich gebe allen in diesem Punkt recht.

Das Interesse am MTD-Gesetz, also am Gesetz für die gehobenen medizinisch-technischen Berufe, ist möglicherweise zurzeit nicht gerade brennend. Es kann aber sehr brennend und vor allem sehr körpernah für Sie werden, wenn Sie in ein Krankenhaus eingeliefert werden.

1992 wurde das Bundesgesetz betreffend MTD einstimmig im Nationalrat beschlossen. Gründe für die heutige Novelle sind die Herstellung der EWR- und EU-Konformität, die gesetzliche Verankerung der Studentenvertretung und die Neufassung der Nostrifikationsbestimmungen. Hiebei handelt es sich um wichtige Dinge, die allerdings in aller Eile behandelt worden sind. Dabei wurden aber genauso eilig und genauso wichtige Dinge auf die lange Bank geschoben oder gar nicht bedacht. Jetzt frage ich Sie: Wenn Sie im Krankenhaus sind und Ihnen aus einer Fingerbeere Blut abgenommen wird, möchten Sie sich dann nicht unter Umständen gerne mit der


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 242

MTA, die diese Handlung an Ihnen vornimmt, unterhalten können? Oder möchten Sie nicht, wenn Ihnen zum Beispiel der Knöchel geröntgt wird und Sie merken, daß es der falsche ist, die Möglichkeit haben, dies der RTA mitzuteilen und mit ihr darüber zu sprechen? Wäre es für Sie nicht wichtig, daß Sie im Notfall die richtige Bluttransfusion bekommen, oder wäre es für Sie nicht wichtig, daß, wenn Sie Ihr Kind zur logopädischen Behandlung geben, daß diese Logopädin mit dem Kind auch deutsch spricht?

In dieser Novelle betreffend Berufsausübung und Sprachkenntnissen heißt es nämlich lediglich: Es müssen für die Berufsausübung notwendige Sprachkenntnisse vorhanden sein. Und der Begriff "notwendige Sprachkenntnisse" ist relativ. Wenn es, so wie bei mir, im Kinderspital Abteilungen gibt, in denen oft zwei Drittel der Kinder serbokroatisch oder türkisch sprechen, dann wäre die notwendige Sprachkenntnis Serbokroatisch oder Türkisch. Ich glaube aber, daß es besonders wichtig ist, daß RTAs oder MTAs Deutsch können. Sie müssen sich mit dem Patienten verständigen können, und sie müssen im Notfall meine Anordnungen schnell und genau verstehen. Denn ich kann im Notfall wirklich nicht darüber diskutieren, was ich von der mir zur Seite stehenden RTA oder MTA möchte.

Ich möchte daher folgenden Abänderungsantrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Povysil und Kollegen betreffend die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz) geändert wird, 113 der Beilagen, in der Fassung des Ausschußberichtes, 170 der Beilagen.

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage 113 der Beilage in der Fassung des Ausschußberichts, 170 der Beilagen, wird wie folgt geändert:

In § 3 Abs. 1 lautet Z 4:

"4. über die für die Berufsausübung notwendigen Kenntnisse der deutschen Sprache in Wort und Schrift verfügt."

*****

Herausgenommen aus der derzeitigen Novellierung sind weiters die Änderung des Berufsbildes, die Einführung der MTD-Liste und die Freiberuflichkeit der MTDs. Es ist wichtig, daß MTDs ein klares Berufsbild haben. Nichts ist führungspsychologisch und von der Mitarbeitermotivation her hinderlicher, als wenn ein Berufsstand nicht genau seine Aufgaben und seine Grenzen kennt. Die ärztliche Aufsichtspflicht ist unumgänglich. Nicht abhängig sein sollte die Eintragung der MTDs in die MTD-Liste von der Mitgliedschaft bei einem Dachverband, sondern MTDs sollten vielmehr nachweislich in der Liste der jeweiligen Landes-Sanitätsdirektion beziehungsweise in der MTD-Liste des Bundesministeriums für Gesundheit eingetragen werden. (Zwischenruf der Abg. Mag. Kammerlander. ) Sind Sie verunfallt? Kann ich Ihnen irgendwie helfen? (Zwischenruf des Abg. Öllinger. ) Macht nichts, ein Arzt ist für alle Klubs zuständig.

Ganz kurz noch zur freiberuflichen Tätigkeit von RTAs und MTAs. Ich möchte Sie ganz dringend davor warnen. Ich bin Facharzt für Radiologie. Ich habe eine sechsjährige postpromotionelle Ausbildung in meinem Fach und eine verpflichtende Ausbildung zum Thema Strahlenschutz absolviert! Radiologen sind Ausbildner von RTAs in Schulen und in Krankenhäusern.

Ich bringe Ihnen folgendes Beispiel: Eine RTA läßt sich freiberuflich nieder, und es werden von Fachärzten an diesen freiberuflich niedergelassenen RTA Patienten zum Röntgen überwiesen. Dann kommt der Patient mit den Röntgenbildern wieder zurück zum Facharzt, und kein Radiologe hat ihn gesehen. – Das ist eine eklatante Qualitätsminderung, vor der ich ganz dringend warnen möchte!


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 243

Der MTD ist ein hochqualifizierter Berufsstand, der ein klares Berufsbild und eine exzellente Ausbildung braucht.

Meine Damen und Herren! Überdenken Sie bitte die Novelle!

Die Patienten sollten sich mit ihrer RTA, MTA, Physiotherapeutin, mit Mitarbeitern des Diätdienstes oder der Ergo-Therapeuten, mit der Logopädin oder mit Angehörigen des Orthoptischen Dienstes unterhalten können, sie sollten mit ihnen in ihrer Sprache reden können. Und beachten Sie bitte, daß es aufgrund einer schnellen EU-Anpassung nicht zu einer Qualitätsminderung des Berufsstandes der MTDs kommt. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

0.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der von Frau Abgeordneter Dr. Povysil vorgetragene Abänderungsantrag ist geschäftsordnungsmäßig unterstützt und wird in die Verhandlung mit einbezogen.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Onodi. – Bitte, Sie haben das Wort.

0.51

Abgeordnete Heidemaria Onodi (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Der Schwerpunkt dieser Novelle und deren Intention sind – wie schon gesagt wurde – vor allem die Herstellung der EWR- und EU-Konformität.

Frau Dr. Povysil! Wenn Sie meinen, daß es jetzt mit dieser Novelle möglicherweise zu einer Abwertung des Berufes kommt oder eine Ausübung des Berufes nicht mehr dementsprechend stattfinden kann, so muß ich sagen, daß die Intention gerade entgegengesetzt ist. Die Intention war die EU-Konformität. Man hat gleichzeitig auch Texte übernommen, die sich schon in anderen Gesetzen bewährt haben. Aber man will damit nicht einige Entscheidungen sozusagen ruck, zuck treffen, aufnehmen, die noch diskutiert werden sollten.

Über die entsprechenden Sprachkenntnisse hat man diskutiert. Man hat festgestellt und als selbstverständlich angenommen, daß jemand, der diesen Beruf ausüben will, auch die Sprache verstehen und anwenden können muß. Aber man hat von der generellen Normierung einer Sprachbarriere Abstand genommen und gleichzeitig auch festgehalten, daß es dem Dienstgeber obliegt, die Sprachkenntnisse zu überprüfen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es wurden auch weitere Schwerpunkte gesetzlich verankert, wie etwa die Studentenvertretung oder die Nostrifikationsbestimmungen. Man hat angeglichen an die Bestimmungen für die Hochschule, sodaß bei Nostrifikationen nicht mehr alle Lehrveranstaltungen gehört werden müssen. In diesem Zusammenhang werden sicher auch die Kosten für derartige Lehrgänge an den Akademien zurückgehen.

Weiters wurde auch Abstand genommen von den jährlichen Kontrolluntersuchungen der Absolventen der Akademien. In diesem Bereich wird es ebenfalls zu einer geringfügigen Verminderung der Ausbildungskosten kommen. Eine vergleichbare Regelung gibt es übrigens auch schon im Krankenpflegegesetz.

Ein weiterer wichtiger Punkt, der in diese Novelle einfließen und für die Zukunft des Berufes sehr ausschlaggebend sein wird, ist, daß nun auch die Möglichkeit der Abhaltung von Hochschullehrgängen für lehrendes und leitendes Personal besteht, wobei aber die Absolvierung der Sonderausbildung nach dem Bundesgesetz die gleiche Qualifikation schaffen soll.

Meine Damen und Herren! Sie sehen, es stand wirklich die Bemühung im Vordergrund, auch einige bewährte Bestimmungen in diese Novelle aufzunehmen. Natürlich sind noch weitere Reformschritte geplant, die, wie wir wissen, auch dringend erwünscht sind. Wir wären aber schlecht beraten, würden wir ohne ausreichende Diskussion und Beratung diese Punkte aufnehmen, etwa die Erstellung einer MTD-Liste, die verpflichtende Fortbildung, aber auch Veränderungen im Berufsbild und im Tätigkeitsbereich. Es handelt sich einfach um zu wichtige Anliegen,


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 244

als daß man die entsprechenden Regelungen ohne Gespräche mit den Betroffenen und mit den Berufsvertretungen in diese Novelle einbauen könnte.

Hinsichtlich der Gleichbesetzung der Prüfungskommission mit der Aufnahmekommission gibt es Argumente, die dafür sprechen. Es stellt sich aber dennoch die Frage, ob alle anderen berufsbildenden Schulen, die nach ihren eigenen Bewertungskriterien die Schüler aufnehmen, tatsächlich nicht die Qualität, Kontinuität und Vergleichbarkeit haben, wie es im Abänderungsantrag des Abgeordneten Dr. Pumberger anklingt.

Ein weiterer Punkt ist auch, daß für Angehörige der gehobenen medizinisch-technischen Dienste in diesem Entwurf erstmals eine verpflichtende Dokumentation festgelegt wird. Die verpflichtende Erstellung einer Dokumentation führt sicher auch zur Professionalisierung dieser Berufe und ist daher eine Maßnahme zur Qualitätssicherung und des Schutzes aller Beteiligten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Novelle enthält einige wesentliche Verbesserungen und Änderungen. Über einige Punkte muß man noch diskutieren. Fest steht aber, daß gerade die Ausbildung in den Gesundheitsberufen qualitativ hochwertig und den Anforderungen angepaßt sein. (Beifall bei der SPÖ.)

0.56

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zum Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Motter. – Bitte.

0.56

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Liberalen geben der Regierungsvorlage, mit der das Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste geändert wird, unsere Zustimmung (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ und den Freiheitlichen) – ich bin leider noch nicht ganz fertig! –, denn durch den EU-Beitritt ist eine vollständige Anpassung des MTD-Gesetzes an die dort herrschende Rechtslage unabdingbar geworden. Ich möchte aber nicht verhehlen, daß ich nicht verstehe, warum dieses Gesetz heute wieder nur halbherzig beschlossen wird. Ich darf daran erinnern, daß im Begutachtungsverfahren eine MTD-Liste begrüßt wurde, wenn auch mit Kritik. Heute müssen wir jedoch feststellen, daß im vorliegenden Gesetz überhaupt keine Liste mehr vorhanden ist. – Warum es sich so verhält, Frau Ministerin, ist mir unerklärlich.

Weiters ist dieses Gesetz ein typisches Beispiel für ein österreichisches Gesetz auf dem Weg der ständigen Novellierungen. Frau Kollegin Onodi! Von einem Ruck-Zuck-Verfahren kann, glaube ich, nicht die Rede sein. Denn bekanntlich wurde bereits 1992 das MTD-Gesetz beschlossen, es wurde bereits zweimal, 1993 und 1994, novelliert, und 1996 wird es mit der heutigen Beschlußfassung erneut geändert.

Die nächste Novellierung steht uns aber bereits ins Haus. Denn den Erläuterungen dieser Vorlage ist zu entnehmen, daß Korrekturen der Versäumnisse der Aufnahme von Regelungen, die wiederum nicht in das Gesetz eingegangen sind, ehest anstehen.

Ich zitiere: "Weitere derzeit noch nicht ausreichend diskutierte Reformvorhaben, die an das Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz herangetragen wurden, bleiben einer späteren Novelle vorbehalten." – Ende des Zitats.

Meine Damen und Herren! Wir haben sowohl dem Abänderungsantrag der Grünen als auch den Anträgen der Freiheitlichen bereits im Ausschuß zugestimmt, weil diese Anträge einige der notwendigen Reformen beinhalten würden. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen.)

Es ist mir unverständlich, daß die Abgeordneten der Regierungsparteien diese Anträge ablehnen und dadurch wieder einmal Verhinderungspolitik dokumentieren. (Neuerlicher Beifall beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 245

Zum eingebrachten Antrag der Freiheitlichen im Gesundheitsausschuß betreffend Gruppenpraxen darf ich trotz anderer Meldungen feststellen, daß mein Kollege Dr. Kier seine Zustimmung zu diesem Antrag gegeben hat. Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Seit Anfang der neunziger Jahre gibt es Diskussionen über die Einrichtung von Gruppenpraxen, die ohne Zweifel eine wesentliche Voraussetzung für die Stärkung des extramuralen Bereiches im Gesundheitswesen darstellen. Viele Debatten zu dieser Materie haben auch hier im Hohen Haus ihren Niederschlag gefunden. Und nicht nur von den Oppositionsparteien wurden Forderungen betreffend die Errichtung von Gruppenpraxen laut. Es ist mir daher unverständlich, warum die Regierungsparteien auch diesem Entschließungsantrag ihre Zustimmung verweigert haben. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Abschließend darf ich noch festhalten, daß wir auch dem Entschließungsantrag der Grünen betreffend Patientenversicherung im Ausschuß unsere Zustimmung gegeben haben. Auch uns Liberalen ist die Einführung einer verschuldensunabhängigen Haftung ein großes Anliegen. Ich nahm an, daß das auch für die Regierungsparteien ein Anliegen sein müsse, denn bereits im Regierungsabkommen von 1994 war von der Notwendigkeit einer solchen Versicherung die Rede. Und auch im derzeitigen Regierungsübereinkommen ist wörtlich nachzulesen – ich zitiere –:

"In der Frage der Haftpflicht für ärztliche Kunstfehler werden die zuständigen Regierungsmitglieder Gespräche mit der Versicherungswirtschaft aufnehmen." – Ende des Zitats. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Es ist mir daher unerklärlich, warum Sie diesem Antrag der Opposition, der nicht mehr als einen Entwurf bis Jahresende fordert, die Zustimmung verweigert haben, da bereits in den Regierungserklärungen dieses Ziel als notwendig anerkannt worden war. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien! Ich sage es nochmals: Betreiben Sie nicht Verhinderungspolitik, sondern sorgen Sie ehest für eine vernünftige Politik in unserem desolaten Gesundheitswesen! (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen.)

1.01

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordnete Dr. Leiner. – Bitte.

1.01

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur Novellierung des MTD-Gesetzes wurde bereits viel gesagt. Es handelt sich hiebei um eine Angleichung an EU-Normen. Ich bin davon überzeugt, daß diese gut und richtig ist.

Seit Jahren fordern wir von der ÖVP in Verhandlungen eine Reform des Gesundheitswesens, welche auf drei Säulen aufbauen soll. Erstens: eine leistungsgerechte, transparente Finanzierung, zweitens: Vorrang der ambulanten vor der stationären Behandlung, und drittens: ein Gesundheitswesen im Dienste der Patientenrechte und Patientenversicherung. Und wenn wir diese Reformen einfach mit einem Antrag abtun und umsetzen könnten, dann hätten wir das selbstverständlich schon längst getan.

Zum Antrag der Freiheitlichen betreffend Gruppenpraxen: Das ist eine Uraltforderung von uns, das wissen Sie. (Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger. )

Deren Einrichtung ist sehr wichtig, denn wenn wir eine leistungsorientierte Krankenhausfinanzierung durchführen wollen, dann müssen Gruppenpraxen existieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Selbstverständlich brauchen wir eine entsprechende Infrastruktur, Tageskliniken und so weiter. In diesem Zusammenhang sind Ärzte, Versicherungen und vor allem der Hauptverband gefordert. Meiner Meinung nach kann die Frau Ministerin nichts dafür, daß dieses Gruppenpraxengesetz noch nicht abgeschlossen ist. (Abg. Dr. Krüger: Die Gesetze macht eben der Nationalrat und nicht der Hauptverband!) Sie wissen ganz genau, daß über gewisse Interessenvertretungen


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 246

und Berufsgruppen einfach nicht hinweggegangen werden kann – auch nicht über Anwälte, soviel ich weiß! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Krüger: Steht das in der Verfassung?)

Weiters möchte ich kurz zum Antrag von Frau Abgeordneter Haidlmayr betreffend die verschuldensunabhängige Entschädigung für geschädigte Patienten eine Bemerkung machen: Ich selbst kenne viele Patientinnen und Patienten, die Schaden erlitten haben und verzweifelt versuchen, zu ihrem Recht zu kommen. Es geht ihnen gar nicht so sehr darum, Geld zu erhalten, sondern es geht ihnen meistens um das Recht. Ich hätte lieber heute als morgen ein verschuldensunabhängiges Entschädigungsmodell in Österreich eingeführt gesehen. Wir müssen nur bei allen unseren Forderungen darauf achten, daß wir damit nicht das ganze System gefährden. Private Spitäler und Krankenhäuser, in denen Patienten wunderbar behandelt und gepflegt werden, kämpfen heute um das nackte Überleben. Noch ein paar Regelungen, die hier im Haus getroffen werden, und diese Patienten müssen sich ein anderes Spital suchen. – Ob das im Sinne der Patienten ist, wage ich zu bezweifeln.

Einige wichtige Schritte in Richtung mehr Recht für Patienten und bessere Durchsetzbarkeit von Forderungen wurden mit dem Einsetzen von Patientenanwaltschaften in fast allen Bundesländern schon getan. Ich meine aber, daß weitere Schritte noch unbedingt nötig sind.

Das Entschädigungsmodell funktioniert noch nicht ganz in Österreich. Aber das patientenfeindlichste Gesundheitssystem würde dann entstehen, wenn wir von unserem Gesundheitssystem zuviel fordern, was wir dann nicht mehr leisten können. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

1.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Mag. Kammerlander: Wollen Sie alle Akten, die Sie jetzt mithaben, zitieren?)

1.05

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Fürchtet euch nicht! (Abg. Dr. Mertel: Vor Ihnen nicht!) Ein bißchen Spaß am Anfang meiner Rede schadet zu später Stunde nicht. Aber das Thema ist doch ein ganz ernstes.

Denn für das MTD-Gesetz haben die Vertreter dieser Berufsgruppen viel mehr gefordert als das, was herausgekommen ist. Man könnte in diesem Zusammenhang den Spruch: Die Berge haben gekreißt, ein Mäuslein wurde geboren, zitieren. Denn die Vertreter dieser Berufsgruppen wollten die Einführung der MTD-Liste und der verpflichtenden Fortbildung, eine Änderung des Berufsbildes sowie die Ausdehnung der Freiberuflichkeit auf sämtliche MTD. All das ist in der Novelle aber nicht enthalten, nicht einmal in Ansätzen, sondern sie ist einzig und allein eine EU-Adaptierung und eine Ausbildungsverlängerung von zweieinhalb auf drei Jahre. Und das ist sehr wenig.

Noch dazu ist nicht geklärt, wer die zusätzlichen Kosten trägt. Wahrscheinlich werden die Bundesländer die Mehrkosten für dieses halbe Jahr an zusätzlicher Ausbildung tragen müssen, das ist eine Kostenmehrbelastung von etwa 7 Millionen Schilling für die Bundesländer. Das ist aber noch nicht geklärt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hoffe, daß es bald zu einer weiteren Novelle kommen wird, und dann werden wir hoffentlich im Sinne aller, die den MTD-Berufen angehören, eine befriedigende Lösung finden können.

Die verschuldensunabhängige Patientenhaftpflicht von allen Mitgliedern des Gesundheitsausschusses ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Rasinger. ) Ja, Kollege Rasinger, ich habe meine Uhr vergessen, leider. Aber du kannst mir gerne sagen, wie spät es ist. von allen Mitgliedern des Gesundheitsausschusses und auch von der Frau Bundesministerin wurde die Wichtigkeit der verschuldensunabhängigen Patientenversicherung betont. – Dann kam es zur Abstimmung des so wichtigen Antrages, der nichts anderes beinhaltet hätte, als daß bis zum Jahresende ein


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 247

entsprechendes Konzept vorgelegt wird. Aber nicht einmal das wurde akzeptiert, es wurde von den Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt.

Es ist bedauerlich, daß man die Patienten auf diese Weise im Regen stehen läßt, denen – wie man in den Zeitungen immer wieder lesen kann – irrtümlich Hoden oder fälschlich Beine amputiert werden beziehungsweise bei denen Operationsbesteck im Abdomen vergessen wird und vieles mehr. Solche Patienten kämpfen oft jahrelange um ihre Rechte und kommen sehr spät oder oft überhaupt nicht zu ihrem Recht. (Abg. Dr. Mertel: Das ist skandalös!) Das ist wirklich skandalös, Frau Kollegin! Daher glaube ich, daß eine verschuldensunabhängige Patientenhaftpflicht wirklich notwendig wäre.

Kollege Leiner! Zum Gruppenpraxengesetz: Mir ist inzwischen schon mein eigener Antrag unheimlich. Alle sagen: Das ist gut. Und wenn die Regierungsparteien sagen, daß etwas gut ist, was die Opposition fordert, dann stimmt doch irgendwo etwas nicht ganz! Und genauso ist es auch. Mittlerweile gibt es ein VfGH-Erkenntnis. Man kann sich jetzt schon zusammenschließen, das ist nicht mehr gesetzeswidrig. Daher sagte die Ärztekammer: Wir brauchen überhaupt kein Gruppenpraxengesetz mehr, denn die Ärzte können sich ohnedies schon zusammenschließen und verstoßen nicht mehr gegen das Gesetz. Die Regierungsparteien nahmen das wohlwollend auf. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger war sehr befriedigt, weil er mit aller Kraft zu erreichen versucht hat, daß dieses Gruppenpraxengesetz überhaupt nie zustande kommt.

Nun ist der Hauptverband, über den wir heute schon so vieles gehört haben und der in ganz dubiose Geschäfte mit Bandagistenfirmen verwickelt ist, auch wesentlich daran beteiligt, das von allen Parlamentsfraktionen nunmehr so herbeigesehnte Gruppenpraxengesetz durchzubringen.

Nicht einmal die Ärztekammer wollte das Gruppenpraxengesetz, bis man draufgekommen ist, daß sich die Ärzte in diesem Fall zusammenschließen und eine GesmbH gründen. Und was bedeutet das? – Sie gehören nicht mehr der Ärztekammer, sondern der Wirtschaftskammer an. Da freut sich Kollege Stummvoll ganz besonders, weil die Ärzte, wenn sie eine GmbH gründen, bei der Handelskammer Pflichtmitglieder werden und bei der Ärztekammer ausscheiden.

Das hat die Ärztekammer erkannt und hat gesagt: Um Gottes willen, das darf nicht passieren! Da könnten wir ein paar Zwangsmitglieder verlieren. Also müssen wir schnell schauen, daß wir doch das Gruppenpraxengesetz bekommen. (Abg. Dr. Leiner: Darum wollen wir es ja neu verhandeln!) Ja, so läuft das, Kollege Leiner. Du lachst, du hast es genau richtig erkannt. Jetzt will man doch wieder ein Gruppenpraxengesetz.

Ich sage Ihnen: Wenn das Gruppenpraxengesetz in der Art und Weise kommt, wie es als Gesetzesvorlage in der letzten GP bereits fertig war, dann fürchte ich mich davor, daß unser eigener Antrag durchgehen könnte. Wenn das Gruppenpraxengesetz von den Regierungsparteien so vorgelegt wird, wie der Entwurf in der letzten GP ausgearbeitet war, dann könnte ich diesem Gesetz gar nicht zustimmen, denn darin ist eine Limitierung der Zahl der Teilnehmer enthalten, darin ist das Anstellungsverbot von Ärzten bei Ärzten enthalten, da dürfen Familienmitglieder nicht mitmachen. Ganz schlimm! (Abg. Dr. Leiner: Du bist selber dagegen und willst verhandeln!)

Wir haben gesagt, wir müssen eine Neuauflage des Gruppenpraxengesetzes machen. Ich bin dann dafür, wenn die Vorstellungen der Freiheitlichen aufgenommen werden und auch die Vorstellungen der ÖVP. Diese will auch das Anstellungsrecht von Ärzten bei Ärzten, sie will auch, daß Familienmitglieder Teilhaber werden können, sie will auch, daß die Zahl der Ärzte, die Teilnehmer bei Gruppenpraxen sind, nicht limitiert wird. (Abg. Dr. Leiner: Dann verhandelt mit!)

Wir haben das ja alles schon besprochen; ihr wollt es ganz genauso wie wir. Ihr fürchtet euch genauso vor dem Gruppenpraxengesetz, das euch von den Sozialisten und vom Hauptverband vorgelegt wird, aber ihr von der ÖVP könnt wieder nicht aus. Ihr seid mit denen verbandelt, verheiratet, steckt mit ihnen unter einer Decke und müßt einem Gesetz zustimmen, das ihr alle nicht wollt. Davor fürchtet ihr euch, davor fürchten wir uns, und daher sind wir alle froh, wenn es


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 248

gar nicht dazu kommt, und ich bin heute direkt froh, wenn dieser Antrag wieder abgelehnt wird. – Danke. Gute Nacht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

1.12

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

1.12

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorweg eine grundsätzliche Bemerkung: Ich halte fest, daß die Lösung des Problems von Medizinschäden und somit von Behandlungsfehlern ein sehr großes Anliegen der Koalition ist, aber – und diese Frage sei wirklich gestattet – wir fragen uns, ob diese verschuldensunabhängige Lösung auf Versicherungsbasis – mit einer Haftpflichtversicherung – der richtige Weg ist.

Kurzum, es geht um die Frage: Wie können wir geschädigten Patientinnen und Patienten zu ihrem Recht verhelfen? – Die derzeitige Rechtslage – das wissen Sie genauso wie wir – ist zum einen für die Patienten unbefriedigend, zum anderen aber auch für die Ärzte und die Angehörigen anderer Gesundheitsberufe.

Sie kennen die Probleme, die geschädigte Patienten und Patientinnen erwarten: die Beweislastverteilung, ein hohes Kostenrisiko, lange Verfahrensdauer, die Sachverständigenproblematik mit den sogenannten unabhängigen Sachverständigen – kurzum: langwierige, risikoreiche und sehr teure Prozesse.

Man kann also zu dem Schluß kommen – und wir kommen zu dem Schluß –: Es ist für geschädigte Patienten heute sehr schwer, ihre Rechte auf dem Gerichtsweg durchzusetzen. Aber auch auf der Seite der Ärzte ist es nicht einfach, denn Medizinhaftungsprozesse können zu einer exorbitanten zivilrechtlichen Haftungssumme führen beziehungsweise sie führen in der Regel dazu. Damit ist oft auch das Problem einer möglichen Rufschädigung durch die Medien verbunden.

Es gilt daher, ein System zu entwickeln, das sicherstellt, daß geschädigte Patienten zum einen zu ihrem Recht kommen, daß aber auch Ärzte weiterhin in der Lage sind, ihren Beruf auszuüben.

Nun geht es um die zentrale Frage: Gilt dafür eine verschuldensunabhängige Haftung, oder gibt es nicht andere Modelle und Lösungsmöglichkeiten? Bei der Diskussion um die Verschuldensunabhängigkeit – das möchte ich hier ausdrücklich erwähnen – wird immer wieder der Eindruck erweckt – auch von meinen Vorrednern, von der Kollegin Motter beziehungsweise von seiten der Freiheitlichen –, daß dabei ohne Prüfung der Kausalität, nämlich des Zusammenhangs von fehlerhafter Behandlung und eingetretenem Schaden, sofort Entschädigungsansprüche akzeptiert werden, so auf die Art, daß man zu einer Auszahlungsstelle geht und sagt: Ich habe einen Behandlungsfehler erlitten, daher stehen mir 200 000 S zu.

Ich darf Sie berichtigen: Es gibt bereits in der österreichischen Rechtsordnung – ebenfalls im Bereich der Produkthaftung – die Möglichkeit, verschuldensunabhängige Ansprüche geltend zu machen. Aber ich darf Ihnen eines ganz klar sagen: Gerade da kommt es auch zu einer Vielzahl von Prozessen, und diese Prozesse dauern nicht ein halbes Jahr, ein Jahr, sondern sie dauern drei Jahre, vier Jahre und fünf Jahre lang. (Abg. Dr. Pumberger: Sieben Jahre!)

Ich darf Ihnen daher über die neueste Entwicklung aus Europa, aus Brüssel berichten: Es wird bereits überlegt, wie dieses Kausalitätsproblem gelöst werden kann, denn eine verschuldensunabhängige Regelung löst das Problem, wie geschädigte Patienten ihre Rechte durchsetzen können, nicht. Die verschuldensunabhängige Lösung ist für uns daher nicht der Weisheit letzter Schluß. Zum einen ist sie sehr teuer – man spricht von 600 Millionen bis 1,2 Milliarden Schilling –, und zum anderen muß dieses Modell grundsätzlich auch in Frage gestellt werden können.

Was ist daher vorstellbar, wenn man den geschädigten Patienten zu ihrem Recht verhelfen will?


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 249

Zum einen einmal eine Modifikation der gesetzlichen Beweislastverteilung, vielleicht sogar in Anlehnung an die aktuelle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.

Weiters – das ist auch sehr wesentlich – wäre die Einrichtung einer unabhängigen Gutachterstelle notwendig, bei der Gutachten von Patienten angefordert werden können, ohne daß Kosten in jener Höhe bezahlt werden müssen, wie sie derzeit im gerichtlichen Verfahren berechnet werden, und – das ist für mich das Wesentlichste – der Ausbau der sogenannten Schlichtungsstellen, die es jetzt bereits gibt, zu echten Schiedsverfahren. Diese müssen unserer Meinung nach allerdings gesetzlich verankert werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit sollte es uns, wenn eine verschuldensunabhängige Lösung nicht finanzierbar ist, gelingen, den geschädigten Konsumenten beziehungsweise Patienten schnell zu ihrem Recht zu verhelfen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und eine gute Nacht! (Beifall bei der SPÖ.)

1.18

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

1.18

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Frau Bundesminister! Ich möchte Ihre Geduld angesichts der vorgerückten Stunde nicht allzu lange strapazieren. Ich habe mich deswegen zu Wort gemeldet, weil die Feststellung des Herrn Kollegen Leiner zum Gruppenpraxengesetz doch mehr als provokant war.

Da stellt sich der Herr Kollege Leiner, seines Zeichens Kurarzt von Bad Gastein, hier heraus und behauptet allen Ernstes, daß es einer alten Forderung seiner Partei entspricht, Gruppenpraxen gesetzlich zuzulassen. (Abg. Rosemarie Bauer: Das stimmt ja auch!)

Herr Kollege Leiner! Sie gehören einer Fraktion an, die seit Jahren in der Regierung sitzt. Da frage ich mich: Was hindert Sie daran, ein Gruppenpraxengesetz auch tatsächlich hier im Nationalrat mittels einer Regierungsvorlage oder mittels eines Initiativantrages der ÖVP, koordiniert mit der SPÖ, einzubringen? Was hindert Sie daran? Eines jedenfalls können Sie nicht machen: dieses Gesetz über Jahre verzögern, ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes gröblich mißachten, alle Initiativanträge der Freiheitlichen Partei auf Zulassung von Gruppenpraxen unterlaufen und sich dann einfach herstellen und sagen: Wir von der ÖVP sind immer schon dafür gewesen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist das, gelinde gesagt, eine doppelzüngige Haltung, die Sie hier einnehmen, und ich bin schon gespannt darauf, welche Meinung Kollege Rasinger, der aus der freien Praxis kommt, hier vertritt. Ich erwarte mir schon ein ganz klare Stellungnahme.

De lege lata ist es so, daß Gruppenpraxen nach wie vor unzulässig sind, denn Sie wissen ja, daß dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes im Zuge der Zuerkennung der sogenannten Ergreiferprämie nur für den Beschwerdeführer die Wirkung hat, daß er die Gruppenpraxis tatsächlich führen darf. Es ist daher eine gesetzliche Regelung nach wie vor notwendig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es müßte uns alle, es müßte alle aufrechten Demokraten in diesem Land wirklich bedenklich stimmen, daß sich immer mehr Staatsbürger, denen verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte vorenthalten werden, sich an den Verfassungsgerichtshof wenden müssen, um dort ihr Recht durchzusetzen, so etwa der Arzt als Beschwerdeführer, der die Gruppenpraxis für sich durchgesetzt hat, so etwa einige Rundfunkbetreiber, die das Regionalradiogesetz zu Fall gebracht haben, oder etwa die Betreiber von Kabelfernsehen, die das Verbot der Einspeisung des Kabelfernsehens zu Fall gebracht haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch die fortdauernde Untätigkeit des Gesetzgebers sehen sich immer mehr Menschen in diesem Land, die sich in ihrem verfassungsgesetzlich geschützten Rechten beeinträchtigt sehen, gezwungen, ihre Rechte beim Verfassungsgerichtshof


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 250

durchzusetzen. Aber die Reaktion des Gesetzgebers – damit meine ich die Regierungsparteien – ist dann nicht etwa die, daß man einem Verfassungsgerichtshoferkenntnis unverzüglich Folge leistet und eine entsprechende gesetzlich konforme Regelung schafft, sondern es wird weiter gemauert, man übt sich weiter in Untätigkeit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Leiner hat gesagt, hier in diesem Land gehe nichts ohne Interessenvertretungen, und er hat als Beispiel auch die Anwaltschaft genannt. (Abg. Dr. Leiner: Das ist doch klipp und klar!) Sie wissen genau, Herr Kollege Leiner, daß die Anwaltschaft selbstverständlich schon sehr lange Gemeinschaftskanzleien kennt und daß da kein Regelungsbedarf besteht. Da Sie schon die Interessenvertretungen ansprechen: Es entspricht doch einer langjährigen Forderung der österreichischen Ärzteschaft, solche Gruppenpraxen zuzulassen.

Also was hindert Sie wirklich daran, hier endlich einmal dem Initiativantrag der Freiheitlichen auf Zulassung zuzustimmen? (Abg. Dr. Leiner: Wir verhandeln ja!) Verhandeln ist zuwenig, Gesetze müssen Sie machen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das kann doch wirklich nicht der Fall sein ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Leiner. ) Wer macht die Gesetze? Macht die Gesetze, die die Gesundheitspolitik betreffen, der Hauptverband der Sozialversicherungsträger oder der Nationalrat? Das ist mir jetzt nicht klar. Die Rolle des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger ist mehr als merkwürdig und wirklich aufklärungsbedürftig. Da stellt sich heute der Herr Sozialminister her und zitiert gezählte sechs- oder siebenmal den stellvertretenden Generaldirektor des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, verliest hier Erklärungen, macht hier Demutsgesten vor dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger. Herr Dr. Leiner stellt sich hierher und sagt, ohne Hauptverband geht nichts. – Bitte, sind wir schon so weit in diesem Staat, ist die Gesetzgebung wirklich schon derart herabgewürdigt worden, daß ohne derartige Verbände in diesem Land überhaupt nichts mehr geht? (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Kollege Rasinger! Sie haben jetzt die Möglichkeit, eine Stellungnahme in der Richtung abzugeben, daß Sie endlich dieser berechtigten Forderung der Ärzteschaft, endlich der Forderung des Verfassungsgerichtshofes Rechnung tragen, indem Sie dem Initiativantrag der Freiheitlichen zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

1.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

1.24

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Anbetracht der vorgeschrittenen Stunde möchte ich Ihnen nur sagen, Herr Abgeordneter Krüger: Die ÖVP ist schon seit Jahren für ein Gruppenpraxengesetz. Die Gründe, warum das bis jetzt nicht gelungen ist, möchte ich hier nicht erläutern. (Abg. Dr. Krüger: O ja! Bitte! – Abg. Mag. Stadler: Bitte tun Sie es!)

Als Arzt nehme ich auf die vorgeschrittene Stunde Rücksicht und erkläre nur im Namen der ÖVP, daß wir diesen Vorlagen zustimmen. – Danke. (Bravorufe. – Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

1.25

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Meine Damen und Herren! Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlußwort? – Das ist nicht der Fall.

Damit treten wir in das Abstimmungsverfahren ein, und zwar werde ich über jeden Ausschußantrag getrennt abstimmen lassen.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 113 der Beilagen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 251

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zuerst über den vom Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen lassen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen betreffend Z 2 § 3 Abs. 1 Z 4.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich hierfür aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Zur Abstimmung steht daher nunmehr Z 2 § 3 Abs. 1 Z 4 in der Fassung der Regierungsvorlage in 113 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist daher mehrheitlich angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich ersuche um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist nun stimmeneinhellig angenommen.

Damit kommen wir sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – In dritter Lesung ist der Gesetzentwurf damit einstimmig angenommen .

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 167 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit . Dieser Bericht ist daher zur Kenntnis genommen .

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 168 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Bei Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Bericht ist gleichfalls mit Stimmenmehrheit angenommen .

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 169 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist gleichfalls mit Stimmenmehrheit angenommen .

Ich weise nun den Antrag 115/A (E) dem Ausschuß für Wissenschaft und Forschung zu .

Die Tagesordnung ist damit erschöpft.

Abstimmung über Fristsetzungsantrag

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Peter und Genossen, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 101/A der Abgeordneten Mag. Peter und Genossen betreffend Bezügegesetz und Beamten-Dienstrechtsgesetz eine Frist bis 11. Juni 1996 zu setzen.

Ich bitte im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist nicht die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist daher abgelehnt .


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
27. Sitzung / Seite 252

Einlauf

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich gebe weiters bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 220/A bis 235/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 700/J bis 788/J eingelangt.

Schließlich gebe ich bekannt, daß im Zusammenhang mit dem Selbständigen Antrag 228/A auf Durchführung eines besonderes Aktes der Gebarungsüberprüfung durch den Rechnungshof, und zwar betreffend die Gebarung der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung einschließlich des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, insbesondere hinsichtlich der Heilmittel und Heilbehelfe unter Beachtung der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Organisationsstruktur ein Verlangen von 20 Abgeordneten im Sinne des § 99 Abs. 2 des Geschäftsordnungsgesetzes gestellt wurde.

Da damit die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind, ist eine Gebarungsprüfung ohne Beschluß des Nationalrates durchzuführen.

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 1.30 Uhr ein. Das ist sogleich im Anschluß an diese Sitzung.

Die Sitzung ist geschlossen .

Schluß der Sitzung: 1.30 Uhr