Stenographisches Protokoll

64. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 27. Feber 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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64. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 27. Feber 1997

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 27. Feber 1997: 9.00 – 21.01 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige – SchUG-B

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunterrichtsgesetzes geändert wird

4. Punkt: Bericht über den Antrag 328/A (E) der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Begabtenförderung in der Schule

5. Punkt: Bundesrechnungsabschluß für das Jahr 1995

6. Punkt: Bericht betreffend den Situationsbericht 1996 des Bundesministers für Landesverteidigung und über den Antrag 112/A (E) der Abgeordneten Hans Helmut Moser und Genossen betreffend Vorlage eines Berichtes über den Zustand des Bundesheeres

7. Punkt: Teilzeitnutzungsgesetz – TNG

8. Punkt: Grundbuchsnovelle 1997 – GBNov. 1997

9. Punkt: Erste Lesung des Antrages 347/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die strategische Prüfung der Umweltauswirkungen neuer rechtssetzender Maßnahmen (Umweltwirkungsgesetz – UWG)

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 11

Geschäftsbehandlung

Verkürztes Verfahren gemäß § 28a der Geschäftsordnung (Verzicht auf Vorberatung der Regierungsvorlagen 604, 605, 606 und 607 d. B.) 32


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64. Sitzung / Seite 2

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 1522/AB gemäß § 92 der Geschäftsordnung 32

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 95

Redner:

Mag. Helmut Peter 96

Bundesminister Rudolf Edlinger 96

Dr. Hans Peter Haselsteiner 98

Dr. Alfred Gusenbauer 99

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 100

Mag. Erich L. Schreiner 101

Dr. Alexander Van der Bellen 102

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 1671/AB gemäß § 92 der Geschäftsordnung 32

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 102

Redner:

Karl Öllinger 102

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 104

Annemarie Reitsamer 105

Dr. Erwin Rasinger 107

Sigisbert Dolinschek 108

Mag. Helmut Peter 109

Mag. Doris Kammerlander 111

Antrag der Abgeordneten Dr. Martin Graf und Genossen, dem Finanzausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 252/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz geändert wird, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 13. Mai 1997 zu setzen 32

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 32

Redner:

Dr. Martin Graf 112

Staatssekretär Dr. Wolfgang Ruttenstorfer 114

Dr. Ewald Nowotny 116

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 117

Dr. Hans Peter Haselsteiner 118

Dr. Alexander Van der Bellen 119

Mag. Reinhard Firlinger 119

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 120

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 32

Antrag der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der politischen Verantwortung für das Autobahnvignettenchaos gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 172

Bekanntgabe 54


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64. Sitzung / Seite 3

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 54

Redner:

Peter Rosenstingl 173

Kurt Eder 174

Dkfm. DDr. Friedrich König 175

Mag. Thomas Barmüller 175

Mag. Johann Ewald Stadler 176

Ablehnung 178

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend Vorwurf eines "schäbigen Verhaltens" 121

Fragestunde (13.)

Umwelt, Jugend und Familie 11

Karlheinz Kopf (90/M); Ing. Monika Langthaler, Mag. Thomas Barmüller, Otmar Brix, Mag. Karl Schweitzer

Unterricht und kulturelle Angelegenheiten 13

Mag. Johann Ewald Stadler (103/M); Karlheinz Kopf, Karl Öllinger, Mag. Helmut Peter, DDr. Erwin Niederwieser

Dr. Dieter Antoni (99/M); Katharina Horngacher, Karl Öllinger, Mag. Karl Schweitzer, Klara Motter

Klara Motter (101/M); Dr. Robert Rada, Helmut Haigermoser, Dr. Gertrude Brinek, Karl Öllinger

Mag. Dr. Josef Höchtl (97/M); Karl Öllinger, Klara Motter, Dr. Dieter Antoni, Elfriede Madl

Karl Öllinger (102/M); Klara Motter, Mag. Walter Posch, Mag. Dr. Udo Grollitsch, Franz Stampler

Mag. Karl Schweitzer (104/M); Mag. Dr. Josef Höchtl, Dr. Martina Gredler, Karl Öllinger, Brunhilde Fuchs

Dr. Josef Cap (100/M); Karl Öllinger, Dr. Michael Krüger, Franz Morak, Klara Motter

Werner Amon (98/M); Karl Öllinger, Klara Motter, Franz Riepl, Dipl.-Ing. Leopold Schöggl

Ausschüsse

Zuweisungen 10, 30, 17


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64. Sitzung / Seite 4

2

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (383 d. B.): Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige – SchUG-B (599 d. B.) 33

2. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (384 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird (600 d. B.) 33

3. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (385 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunterrichtsgesetzes geändert wird (601 d. B.) 33

4. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 328/A (E) der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Begabtenförderung in der Schule (602 d. B.) 33

Redner:

Mag. Karl Schweitzer 33, 65

Mag. Dr. Josef Höchtl 36

Hans Helmut Moser 38

Dr. Dieter Antoni 42

Karl Öllinger 44

Dr. Gertrude Brinek 48

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl 50

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 51, 62

Dr. Johann Stippel 53

Dr. Martina Gredler 54

Katharina Horngacher 56

MMag. Dr. Willi Brauneder 57

Emmerich Schwemlein 59

Elfriede Madl 59

Franz Stampler 61

Mag. Dr. Udo Grollitsch 63

Brunhilde Fuchs 64

DDr. Erwin Niederwieser 65

Dr. Robert Rada 67

Annahme der Gesetzentwürfe in 599, 600 und 601 d. B. 68, 69

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 602 d. B. 69

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend die gesetzliche Verankerung der Förderung hochbegabter Schüler und Schülerinnen – Ablehnung 35, 68

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Aussetzen der Rechtschreibreform – Ablehnung 65, 68

5. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Bundesrechnungsabschluß für das Jahr 1995 (III-50/572 d. B.) 69

Redner:

Mag. Gilbert Trattner 69

Ing. Kurt Gartlehner 72

Dr. Hans Peter Haselsteiner 72

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler 74

Dr. Alexander Van der Bellen 76

Bundesminister Rudolf Edlinger 79

Josef Edler 82


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64. Sitzung / Seite 5

Mag. Erich L. Schreiner 83

Johann Kurzbauer 85

Mag. Helmut Peter 86

Karl Gerfried Müller 88

Hermann Mentil 90

Ernst Fink 91

Franz Lafer (tatsächliche Berichtigung) 93

Hermann Böhacker 93

Robert Sigl 120

Rechnungshofpräsident Dr. Franz Fiedler 121

Marianne Hagenhofer 124

Annahme des Gesetzentwurfes in 572 d. B. 125

6. Punkt: Bericht des Landesverteidigungsausschusses betreffend den Situationsbericht 1996 des Bundesministers für Landesverteidigung (III-73 d. B.) und über den Antrag 112/A (E) der Abgeordneten Hans Helmut Moser und Genossen betreffend Vorlage eines Berichtes über den Zustand des Bundesheeres (582 d. B.) 125

Redner:

Herbert Scheibner 125, 156

Dr. Karl Maitz 129

Hans Helmut Moser 132

Anton Gaál 136

Bundesminister Dr. Werner Fasslabend 138, 160

Dr. Harald Ofner 140

Walter Murauer 142

Dr. Martina Gredler 144

Ing. Gerald Tychtl 145

Andreas Wabl 14


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64. Sitzung / Seite 6

7

Werner Amon 150

Mag. Doris Kammerlander (tatsächliche Berichtigung) 151

Wolfgang Jung 152

Dr. Dieter Antoni 154

Mag. Franz Steindl 154

Dipl.-Ing. Werner Kummerer 156

Anton Leikam 158

Kenntnisnahme des Berichtes III-73 d. B. 161

Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen betreffend die Vorlage eines Weißbuchs über die Einsatzbereitschaft des österreichischen Bundesheeres und die Erarbeitung eines neuen Landesverteidigungsplanes – Ablehnung 128, 161

Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen betreffend die Durchführung von Umgliederungen erst nach Abschluß grundsätzlicher Entscheidungen über den sicherheitspolitischen Weg Österreichs – Ablehnung 129, 161

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Harald Ofner und Genossen betreffend die pensionsrechtliche Absicherung von Soldaten – Ablehnung 142, 161

Entschließungsantrag der Abgeordneten Wolfgang Jung und Genossen betreffend die Überleitung von Zeitsoldaten auf Militärpersonen auf Zeit – Ablehnung 153, 161

7. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (574 d. B.): Teilzeitnutzungsgesetz – TNG (586 d. B.) 161

8. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (561 d. B.): Grundbuchsnovelle 1997 – GBNov. 1997 (587 d. B.) 162

Redner:

Mag. Gisela Wurm 162

Mag. Dr. Josef Trinkl 164

Dr. Michael Krüger 166

Mag. Helmut Peter 167

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 167

Anna Huber 168

Annahme der Gesetzentwürfe in 586 und 587 d. B. 169

9. Punkt: Erste Lesung des Antrages 347/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die strategische Prüfung der Umweltauswirkungen neuer rechtssetzender Maßnahmen (Umweltwirkungsgesetz – UWG) 170

Redner:

Mag. Thomas Barmüller 170

Karlheinz Kopf 170

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller 171

Ing. Mathias Reichhold 171

Zuweisung des Antrages 347/A an den Umweltausschuß 172

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 31, 32

557: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Slowenien über die Zusammenarbeit bei der Vorbeugung und gegenseitigen Hilfeleistung bei Katastrophe oder schweren Unglücksfällen

604: Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Armenien andererseits samt Anhängen, Protokoll und Schlußakte

605: Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Usbekistan andererseits samt Anhängen, Protokoll und Schlußakte

606: Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Georgien andererseits samt Anhängen, Protokoll und Schlußakte

607: Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Georgien andererseits samt Anhängen, Protokoll und Schlußakte

Anträge der Abgeordneten


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64. Sitzung / Seite 7

Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend die gesetzliche Verankerung der Förderung hochbegabter Schüler und Schülerinnen (404/A) (E)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Aussetzen der Rechtschreibreform (405/A) (E)

Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Nachtarbeit der Frauen und das Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz geändert wird (406/A)

Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bezügegesetz geändert wird (407/A)

Friedrich Verzetnitsch, Ing. Leopold Maderthaner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz und das Arbeitsruhegesetz geändert werden (408/A)


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64. Sitzung / Seite 8

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz, BGBl. Nr. 111/1936, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 151/1996, geändert wird (409/A)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (410/A)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die bedenkliche Rechtsgrundlage des Vereins "Freimaurervereinigung des Schottischen Ritus" (2054/J)

Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Exportoffensive der österreichischen Bundesregierung (2055/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Beantwortung der schriftlichen Anfrage Nr. 1646/J (2056/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kontrolle der Piers am Flughafen Wien-Schwechat (2057/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schubhäftlinge (2058/J)

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Umwälzung von finanziellen Belastungen auf Sozialhilfeverbände im Rahmen der Bundesbetreuung (2059/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Ansichten von Bundesminister Einem hinsichtlich der allgemeinen Verbrechensvorbeugung und -bekämpfung (2060/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend "gewerbliche Zulässigkeit von Piercing" (2061/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Umweltbundesamt, Zweigstelle Salzburg (2062/J)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend EU-Förderprogramme für Frauen in Österreich (2063/J)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend EU-Förderprogramme für Frauen in Österreich (2064/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Kosten durch die Einführung der Rechtschreibreform (2065/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Verwaltung und Kosten der Krankenscheinausgabe beim Arbeitsmarktservice (2066/J)

Jakob Auer und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Sanierung des Hauptbahnhofes Wels (2067/J)

Johann Schuster und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Heim-, Freizeit- und Sportunfälle (2068/J)


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64. Sitzung / Seite 9

Mag. Walter Guggenberger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend 15a B-VG-Vereinbarung für pflegebedürftige Personen (2069/J)

Mag. Walter Guggenberger und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Um- beziehungsweise Ausbau des Bundesamtsgebäudes Imst (2070/J)

Franz Kampichler und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend die zahnärztliche Versorgung (2071/J)

Franz Kampichler und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend die anonymen Stellenangebote im Servicejournal für Arbeitsuchende (2072/J)

Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Auswirkungen der Erhöhungen der Mineralölsteuer im Jahr 1995 (2073/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Rechtschreibreform (2074/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend den Status und die Tätigkeit von FP-Politiker Peter Paul Rainer an der Universität Innsbruck (2075/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Präsidenten des Rechnungshofes betreffend Verschwinden von Teilen eines "Rohberichtes" des Rechnungshofes (2076/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Versäumnisse des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten im Zusammenhang mit BÜRGES-Förderungen (2077/J)

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Entwicklung des Personalstandes und der Pragmatisierungen (2078/J)

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Kompetenzbereinigung der Ministerien (2079/J)

Mag. Walter Guggenberger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend EUROCRYST (2080/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Frauenquote im AMS-Bereich (2081/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundeskanzler betreffend APA-Meldung vom 9. Februar 1997 (2082/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Auswirkungen der Finanzamtsbetriebsprüfung bei der Firma MEDIAPRINT (2083/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Karenzgeldregelung im Arbeitslosenversicherungsgesetz (2084/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend EDV-Systeme in den einzelnen Pensionsversicherungsanstalten (2085/J)

Hermann Mentil und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Millionenzahlungen der österreichischen Kontrollbank für von der Austria Rail Engineering (ARE) akquirierte Eisenbahn-Geschäfte mit Algerien (2086/J)

Ing. Mathias Reichhold und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Brandanschlag auf die Räumlichkeiten des slowenischen Zentralverbandes (2087/J)

Ing. Mathias Reichhold und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Brandanschlag auf die Räumlichkeiten des slowenischen Zentralverbandes (2088/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend grenzüberschreitende Tätigkeit für Selbständige im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) (2089/J)

Ing. Mathias Reichhold und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Verzögerungen bei den Auszahlungen der ÖPUL-Förderungen (2090/J)

Dkfm. Holger Bauer und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Schuldscheine der Bank Austria in Dollars – unzugänglich für Österreichs private Anleger (2091/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Gebäude, in denen Institutionen des Arbeitsmarktservices untergebracht sind (2092/J)

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend B 229 (2093/J)

Wolfgang Großruck und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Umweltbelastung durch Fäkalienentsorgung der ÖBB (2094/J)

Dr. Michael Spindelegger und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend geplante Schließung von Finanzämtern in Niederösterreich (2095/J)


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64. Sitzung / Seite 10

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Miliztruppenübungen (2096/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Planungen des BMLV bezüglich einer Heeresgliederung-NEU (2097/J)

Johannes Zweytick und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kumulation von Aufsichtsratsfunktionen bei Beamten (2098/J)

Mag. Helmut Peter und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Österreichisches Statistisches Zentralamt (2099/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Ausstattung der Fliegerabwehrtruppe mit der leichten Fliegerabwehrlenkwaffe MISTRAL (2100/J)

Hermann Mentil und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend wirtschaftspolitische Erfolge der Japan-Reise von Bundesminister Dr. Farnleitner (2101/J)

Josef Meisinger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Prüfung der Finanzgebarung der Bundesarbeiterkammer (2102/J)

Johannes Zweytick und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Tanktourismus ins benachbarte Ausland (2103/J)

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Realisierungschancen für neue Fachhochschulstudiengänge (2104/J)

Mag. Dr. Josef Höchtl an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Flughafen-Schnellbahnausbau S 7 (2105/J)

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Schließung von Finanzämtern im Waldviertel (2106/J)

Berichtigung der Anfrage der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Steuerbegünstigungen gemäß § 4 Abs. 4 Z 5 lit. d und e EStG 1988 (Zu 1906/J)

Anfragebeantwortung

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (1701/AB zu 1855/J)


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64. Sitzung / Seite 11

Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie herzlich zur 64. Sitzung des Nationalrates, die ich hiemit für eröffnet erkläre.

Für den heutigen Sitzungstag als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dr. Preisinger, Dkfm. Ruthofer, Schaffenrath, Wenitsch und Dr. Mertel.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es ist für den Beginn der heutigen Sitzung eine Fragestunde vorgesehen.

Ich beginne daher – um 9.01 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die erste Anfrage wird Herr Abgeordneter Karlheinz Kopf an den Herrn Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie richten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Bundesminister! Im Nationalparkjahr 1996 konnten einige Fortschritte erzielt werden. Meine Frage lautet:

90/M

Welche Fortschritte konnten Sie im Jahr 1996 bei der Errichtung von Nationalparks in Österreich erzielen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Danke, Herr Präsident. Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Unter den Auspizien des Herrn Bundespräsidenten ist das Jahr 1996 zum Jahr der Nationalparke ausgerufen worden. Das ist es, wie wir heute rückblickend und erfreulicherweise feststellen können, in der Tat auch geworden.

Das Projekt des Nationalparks Donauauen ist durch den Abschluß des Staatsvertrages zwischen den Ländern Wien, Niederösterreich und dem Bund, der durch mich vertreten war, am 27. Oktober endgültig realisiert worden. Damit ist ein besonders wichtiges Nationalparkprojekt, das mehr als zehn Jahre Vorbereitungszeit benötigt hat, realisiert worden.

Darüber hinaus ist auch das Nationalparkprojekt Kalkalpen in Oberösterreich so weit realisiert, daß ich schon in den ersten Jännertagen des Jahres 1997 mit dem oberösterreichischen Landeshauptmann Dr. Pühringer den entsprechenden Staatsvertrag unterschreiben konnte. Damit ist auch dieses Nationalparkprojekt gut im Laufen.

Wenn ich kurz zusammenfassen darf: Wir haben heute in Österreich vier Nationalparke: den Hochgebirgsnationalpark Hohe Tauern, den Steppennationalpark Neusiedler See/Seewinkel, den einmaligen Auennationalpark Donauauen und den Waldnationalpark Kalkalpen. Ich glaube, sehr geehrter Herr Abgeordneter, darauf können wir gemeinsam stolz sein.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Langthaler.


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64. Sitzung / Seite 12

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler
(Grüne): Herr Bundesminister! Abgesehen von den Nationalparkprojekten erfreuen sich die Themen Naturschutz und Landschaftsschutz auf Bundesebene leider nur geringer Beliebtheit. Es wird nun wieder die Bundesstaatsreform diskutiert.

Würden Sie sich als Umweltminister dafür einsetzen, daß es im Zuge dieser Verhandlungen auch eine Bundeskompetenz für den Naturschutz gibt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrte Frau Abgeordnete Langthaler! Es gehört zu den Prinzipien unserer Bundesstaatlichkeit, daß den Ländern gewisse Kompetenzen verbleiben, und dazu gehört zweifelsohne auch die Naturschutzkompetenz. Lediglich im Bereich der sogenannten IUCN-Kriterien 1 und 2, also der internationalen Naturschutzkriterien für die – gewissermaßen – höchsten Ränge, in die auch die Nationalparke hineinfallen, sieht sich der Bund imstande, tätig zu werden und Naturschutzaufgaben auch zur Hälfte mitzufinanzieren. Darüber hinaus sind wir im Rahmen von Feuchtgebieten nur punktuell in der Lage, Naturschutzprojekte zu fördern.

Im übrigen denke ich aber nicht daran, die bewährte Naturschutzkompetenz der Länder anzutasten oder zu versuchen, etwa eine Bundeskompetenz einzurichten. Es gibt in diesem Sinne keinerlei Absicht und auch keinerlei Gespräche.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Barmüller, bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Wenn ich mich aber an die einzelnen Vorhaben recht erinnere, dann muß ich sagen, daß es immer wieder zu wesentlichen Abstimmungsproblemen mit den Ländern gekommen ist. Ist es wirklich in Ihrem Programm bezüglich der Überlegungen zum Thema Umweltschutz definitiv ausgeschlossen, diese Kompetenz auf die Bundesebene zu verlagern? Ist das für Sie undenkbar?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Barmüller! Undenkbar ist in der Politik nichts. Es ist nur bis auf weiteres überhaupt nicht realistisch. Ich sehe auch gar keine Veranlassung dazu.

Wenn Sie von Schwierigkeiten in der Abstimmung sprechen, dann darf ich mit Verweis auf die Nationalparkprojekte Donauauen und Kalkalpen sagen, daß wir, sowohl was die Effizienz als auch was die Atmosphäre betrifft, mit den interessierten und verantwortlichen Ländern die Verhandlungen hervorragend geführt haben. Es ist auch zur Beschlußfassung der jeweiligen Staatsverträge gekommen. Wir sind auch gewissermaßen als "Postkasten" eingeschaltet, wenn es darum geht, zwischen Brüssel und den Naturschutzaufgaben der Länder zu vermitteln oder Kontakte herzustellen. Aber dabei möchte ich es belassen. Ich sehe keinerlei Veranlassung, die Naturschutzkompetenz der Länder für den Bund zu beanspruchen oder mich seitens des Bundes da in irgendeiner Art und Weise einzumischen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Brix, bitte.

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Bundesminister! Seit der Unterzeichnung für den Nationalpark Donauauen ist schon fast ein halbes Jahr vergangen. Wie sind Ihre Erfahrungen seit diesem Zeitpunkt, beziehungsweise welche Akzeptanz findet dieser Nationalpark in der Zwischenzeit bei der Bevölkerung?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Ich bedanke mich für diese Frage, Herr Abgeordneter Brix, weil ich vor allem auf die Akzeptanz gleich zu sprechen kommen möchte.


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Lassen Sie mich vorher sagen, daß inzwischen der konkrete Schritt gesetzt wurde, eine Nationalparkgesellschaft zu errichten. Das ist eine sehr schlanke, kleine Gesellschaft mit weit weniger als zehn Mitarbeitern. Geschäftsführer Manzano ist meiner Ansicht nach eine Persönlichkeit, die das Vertrauen der beiden Nationalparkländer Wien und Niederösterreich, aber auch meines und das des Finanzministers gefunden hat, sodaß man davon ausgehen kann, daß schon im Jahr 1997 "Nationalpark gelebt" werden kann. Das Interesse ist groß. Die Besucherströme sind erheblich, und deren Lenkung wird eine der wesentlichen Aufgaben der neuen Nationalparkgesellschaft sein.

Was die Akzeptanz betrifft, so ist es sowohl im Nationalpark Donauauen als auch im Nationalpark Hohe Tauern und anderswo mein vorderstes Interesse, eine möglichst große Akzeptanz in der Bevölkerung, vor allem der Anrainergemeinden, zu erzielen. Das zu erreichen gelingt nur durch das Gespräch und den Dialog, indem man auch auf Wünsche und Vorbehalte der örtlichen Bevölkerung eingeht. Nationalparkprojekte werden in Österreich weiter auf der Basis von Freiwilligkeit und Gemeinsamkeit entwickelt werden. Das gilt für alle vier Nationalparke, für den Nationalpark Donauauen wie auch für die anderen drei.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke. – Kollege Schweitzer, bitte.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Wie beurteilen Sie die Absicht des Verbundes, die Trasse der 380 kV-Leitung ohne vorherige Umweltverträglichkeitsprüfung durch das Burgenland und die Steiermark zu legen, obwohl davon auch Landschaftsschutzgebiete berührt wären?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Obwohl diese Frage wenig mit dem Thema Nationalpark zu tun hat, Herr Abgeordneter Schweitzer, beantworte ich sie doch gerne. Ich habe meine Position dazu – schon lange bevor ich Umweltminister geworden bin – festgelegt, indem ich den Interessenten an dieser 380 kV-Leitung nahegelegt habe, eine Umweltverträglichkeitsprüfung für dieses Projekt auch dann – etwa auf der Basis von schon älteren Verfahren, zum Beispiel nach dem Starkstromwegerecht – durchzuführen, wenn diese aufgrund der gegebenen Terminsituation beim Inkrafttreten der UV-Prüfung formaljuridisch nicht notwendig gewesen wäre.

Die Herren kennen meine Position, aber ich habe bisher keine Reaktion erhalten, die mich wissen ließe, daß man an die Durchführung einer derartigen Umweltverträglichkeitsprüfung, wie zum Beispiel für eine 380 kV-Trasse etwa in der Oststeiermark, denkt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. Herr Umweltminister, Sie haben nur eine Frage zu beantworten gehabt.

Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zu den Anfragen an die Frau Unterrichtsministerin.

Die erste Frage formuliert Herr Abgeordneter Stadler. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Frau Bundesminister! Ihnen ist die Problematik bekannt, daß der Tourismuswirtschaft massive Nachteile aus dem Zusammenfallen von Semesterferien der wichtigsten Urlauberherkunftsländer und der österreichischen Semesterferien entstehen. Meine Frage lautet:

103/M

Warum lehnen Sie eine flexible Regelung der Semesterferien, insbesondere für jene Bundesländer wie zum Beispiel Vorarlberg ab, deren Semesterferien mit jenen mehrerer Urlauberherkunftsländer zusammenfallen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Klubobmann! Ich lehne keine flexible Regelung ab, ich war und bin immer eine große Befürworterin von flexiblen Regelungen. Wir hatten eine flexible Regelung. Dabei wurde jedoch immer wieder festgestellt, daß die Bundesländer nicht in der Lage sind, untereinander zu koordinieren. Der Wunsch der Eltern nach der Bekanntgabe eines fixen, für mehrere Jahre gültigen Semesterferientermins war äußerst groß. Aufgrund dieses allgemeinen Wunsches wurde auf Antrag im Parlament eine dreigestaffelte fixe Semesterferienwoche beschlossen. Wenn nun bei irgend jemandem der Wunsch nach einer Veränderung besteht, so bin ich die erste, die das befürwortet. Ich muß aber ganz klar feststellen, daß die Initiative und die Anträge dazu vom Parlament ausgehen müssen. (Abg. Rossmann: Es gibt bereits Anträge! Die wurden abgelehnt!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! Sie selbst haben in einer der ersten Sitzungen, an denen Sie als neue Bundesministerin teilgenommen haben – ich habe mir auch das Protokoll angeschaut –, versprochen, daß Sie dann, wenn dieser Wunsch in den Ländern und in der Tourismuswirtschaft besteht, für eine flexible Ferienregelung sorgen werden. Warum halten Sie dieses Versprechen gegenüber dem Hohen Haus nicht ein?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Herr Klubobmann! Dazu ist eindeutig und klar festzustellen, daß die Antragstellung vom Parlament ausgehen und der Beschluß im Parlament gefaßt werden muß. Von meinem Hause wird legistisch jede Unterstützung angeboten. Das wissen Sie ganz genau.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Kopf.

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Frau Bundesministerin! Mein diesbezüglicher Initiativantrag zur Verlegung der Semesterferien in Vorarlberg ist hier im Hohen Haus im vergangenen Jahr leider am Widerstand der Sozialdemokraten gescheitert. Sind Ihnen schon Auswirkungen des Zusammentreffens der Semesterferienwoche Vorarlbergs mit den Ferien ausländischer Wintersportgäste im Februar 1997 bekannt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich war in dieser Woche selbst auf Urlaub und habe nichts von Kollisionen bemerkt. Ich habe aber meine Kollegin, Frau Landesrätin Waibel, gebeten, einen Erfahrungsbericht zusammenzustellen – es kann ja in einigen Regionen anders gewesen sein – und diesen den Abgeordneten zukommen zu lassen, um danach Initiativen in den Klubs und im Parlament genau zu besprechen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Kollege Öllinger.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Frau Bundesministerin! Durch die Gestaltung der unterrichtsfreien schulautonomen Tage kommt es zu großen Problemen für Eltern, vor allem dann, wenn sie mehrere Kinder haben. Planen Sie Änderungen oder Erleichterungen für die Eltern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Gestern fand eine Elternbeiratssitzung im Ministerium statt, wo diese Frage eingehend erörtert wurde. Die Eltern haben dabei ganz klar festgestellt, daß sie keine zentrale Regelung möchten, sondern daß ihnen – auch auf die Gefahr hin, daß es manchmal zu Schwierigkeiten kommt –


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die autonome Regelung lieber ist. Ich habe jedoch die Landesschulräte gebeten, zu regionaler Koordinierung beizutragen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Helmut Peter, bitte.

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Frau Bundesminister! Das Jahr 1997 ist vorbei. Da aber Fasching und Ostern beweglich sind, ist vorauszusehen, daß im Jahr 2000 dasselbe Problem auftauchen wird. Was werden Sie als Person konkret unternehmen, daß es dann nicht wieder dasselbe Kompetenzgerangel geben wird wie 1997 und es im Jahr 2000 wiederum zu keiner vernünftigen Regelung kommt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Wenn man Regionalisierung und Föderalismus ernst nimmt, dann müssen die einzelnen Anträge von den Regierungen der Bundesländer kommen und im Parlament beraten werden. Ich werde allen flexiblen Regelungen gegenüber, die vernünftig und zielführend sind, aufgeschlossen sein und ihre legistische Umsetzung unterstützen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Wer stellt die Frage von den Sozialdemokraten? – Kollege Niederwieser, bitte.

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Frau Bundesministerin! Wir haben jetzt gehört, daß der Anlaß für diese Anträge maßlos überzogen war. Ich bin sehr dankbar für Ihre Antwort. Es gibt aber umgekehrt auf europäischer Ebene Überlegungen – gerade hinsichtlich der Tourismusprobleme –, Ferien zu koordinieren. Wie weit ist das bis jetzt gediehen, und was halten Sie von diesen Initiativen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Nachdem die Koordination unter neun österreichischen Bundesländern schon so schwierig war, kann man sich vorstellen, wie schwierig eine Koordination auf europäischer Ebene wird. Diese Thematik wird aber sehr wohl bei den Ministerkonferenzen besprochen. Ich glaube auch, daß es wichtig ist, sie anzudiskutieren, die Problematik aufzuzeigen und zu versuchen, Lösungen zu finden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Ich darf Herrn Abgeordneten Dr. Antoni bitten, die Frage 99/M vorzulesen.

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Frau Bundesminister! Meine Frage lautet:

99/M

Welche Maßnahmen setzt Ihr Ressort, um jenen rund 5 000 Schülern, die ihre Pflichtschulzeit in AHS, Hauptschule beziehungsweise Sonderschule ohne positiven Abschluß beenden, einen entsprechenden Abschluß zu gewährleisten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Es ist mir ein besonderes Anliegen, jenen, die – aus welchen Gründen auch immer, weil vielleicht das soziale Umfeld nicht in Ordnung ist oder es soziale Benachteiligungen gibt – den Pflichtschulabschluß nicht schaffen, die Möglichkeit zu geben, diesen Abschluß nachzuholen.

Ich habe gestern angekündigt, daß wir in den einzelnen Bundesländern Beratungsteams – bestehend aus Mitarbeitern des AMS und der Schulbehörden – zusammensetzen werden, die sich bei jedem einzelnen Jugendlichen, der auf den Arbeitsmarkt, der eine Lehre möchte, auch


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wirklich fragen, wie man ihm zu einem weiterführenden Angebot oder, wenn er den Pflichtschulabschluß nicht hat, zum Pflichtschulabschluß verhelfen kann. Das kann in Form eines freiwilligen zehnten Schuljahrs sein oder in Form von speziellen Maßnahmen im Sonderschul- oder im Erwachsenenbildungsbereich. Es ist auf alle Fälle so, daß wir dafür sorgen werden, daß möglichst alle Jugendliche einen Pflichtschulabschluß erreichen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Frau Abgeordnete Horngacher, bitte.

Abgeordnete Katharina Horngacher (ÖVP): Frau Bundesminister! Werden Sie bei der Umsetzung der Reform der Polytechnischen Lehrgänge Maßnahmen zur besseren Qualifizierung von Schülern ohne Pflichtschulabschluß setzen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.


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Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer:
Es ist vorgesehen, in den Polytechnischen Lehrgängen sogenannte Hoffnungsgruppen einzurichten, die eben diese Aufgabe haben, nämlich für diese Schüler und Schülerinnen den Pflichtschulabschluß im allgemeinbildenden Bereich zu ermöglichen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Öllinger.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Seit dem 1.2.1997 ist es nicht mehr möglich, durch einen positiven Abschluß des Polytechnikums einen in einzelnen Fächern negativen Hauptschulabschluß zu verbessern. Halten Sie diese Regelung – gerade im Hinblick darauf, daß jetzt über die Einführung eines zehnten Schuljahres nachgedacht wird – für sinnvoll?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Minister.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Es wird nicht über die Einführung eines zehnten Schuljahres nachgedacht. Es gibt bereits seit Jahren die Möglichkeit eines freiwilligen zehnten Schuljahres, und ich glaube, daß das eine sinnvolle Maßnahme für einen Jugendlichen sein kann, der keinen Lehrplatz, keinen Ausbildungsplatz findet. Ich halte es für notwendig und wichtig, im Polytechnischen Lehrgang diesen Abschluß der Pflichtschule zu ermöglichen. Aus diesem Grund wurde auch die Möglichkeit der Hoffnungsgruppen geschaffen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Schweitzer.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! Können Sie sich vorstellen, daß der Pflichtschulabschluß generell in der neunten Schulstufe, also im reformierten Polytechnikum, erfolgen kann?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte sehr.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Es ist davon auszugehen, daß Schüler und Schülerinnen im Polytechnischen Lehrgang normalerweise den Hauptschulabschluß – denn der Pflichtschulabschluß kommt erst nach der neunten Schulstufe – haben. Für jene, die den Hauptschulabschluß nicht haben, ist in Form dieser Hoffnungsgruppen ein spezieller Schwerpunkt gesetzt, durch den sie den Hauptschulabschluß noch nachholen können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Liberales Forum? – Frau Kollegin Motter.


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Abgeordnete Klara Motter
(Liberales Forum): Danke schön. Sehr geehrte Frau Ministerin! Welche Position nehmen Sie zur Forderung nach Einführung einer mittleren Reife als zusätzlichen Abschluß an den höheren Schulen ein?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Diese Frage muß noch eingehend im Hinblick auf die Berechtigung, welche ein junger Mensch mit einer mittleren Reife hat, geprüft werden. Das ist mit der Wirtschaft und mit anderen Institutionen abzuklären. Ich glaube, wir haben zurzeit derart große Durchstiegsmöglichkeiten und Möglichkeiten der weiterführenden Bildung, daß sich die Frage stellt, ob die Einführung eines neuen Abschlusses wirklich zielführend ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Damit kommen wir zur 4. Frage. Es ist auch da Frau Abgeordnete Motter am Wort. – Bitte, die Frage 101.

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

101/M

Welche Maßnahmen, insbesondere im Bereich der Supervision für LehrerInnen, werden Sie setzen, um der vermehrt auftretenden psychischen Gewalt von LehrerInnen gegenüber SchülerInnen, die die jüngst erschienene Studie von Universitätsprofessor Volker Krumm belegt, entgegenzuwirken?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich möchte zu derartigen Studien folgendes feststellen: Ich halte es für notwendig und wichtig, Studien zum Klima an Schulen oder zum Verhalten von Lehrern zu erstellen. Ich halte jede Studie als Feedback für wichtig, als Anlaß, darüber nachzudenken, was wir verbessern können. Eines aber sage ich hier klar und deutlich: Ich lehne es ab, wenn eine Studie auf diese Art präsentiert und in der Öffentlichkeit diskutiert wird.

Ich frage mich, was es bringen soll, wenn man ohne hinreichende sachliche Grundlage, ohne Kenntnis der gesamten Studie, einseitig in der Öffentlichkeit diskutiert und ein negatives Bild von Lehrern und Lehrerinnen zeichnet. Ich frage mich, was es bringen soll, wenn diejenigen, die unsere Jugend erziehen müssen, täglich verunsichert werden und täglich in den Zeitungen darüber geschrieben wird, wie schlecht unsere Lehrer seien. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich meine, daß wir ein Schulwesen haben, das sich sehen lassen kann, und eine überwiegende Anzahl von Lehrern und Lehrerinnen, die äußerst positiv arbeiten. Ich frage mich weiters: Wo ist die Verantwortlichkeit der Gesellschaft im gesamten Erziehungsbereich, und wo ist die Verantwortlichkeit der Eltern? Alles wird einseitig an die Schule delegiert. Die Schule muß alle Probleme bewältigen.

Ich stelle hier ganz klar fest: Wir haben eine gute Lehrerschaft. Wir sollten sie motivieren und nicht demotivieren.

Der zweite Punkt ist die Erkenntnis aus den bekanntgewordenen Teilen der Studie. Ich kenne die gesamte Studie noch nicht. Herr Professor Krumm sagt selbst in der heutigen Ausgabe von "News", diese Teile seien erst der quantitative Teil, die Zahlen gewesen und er müsse einen qualitativen Teil, nämlich ein Hinterfragen, anfügen. Das ist, glaube ich, das Wichtige: der qualitative Teil.

Ich habe aber bereits die bisherige Diskussion in der Öffentlichkeit zum Anlaß genommen, um den Schulpsychologen ganz klar zu sagen, daß verstärkte Maßnahmen ergriffen werden müssen, wo es notwendig ist, nämlich im Bereich der Supervision, im Bereich der Lehrerausbildung und im Bereich der Lehrerweiterbildung. Was überdies notwendig ist: Wir brauchen eine lebendige Schulpartnerschaft! Die Schulpartnerschaft muß gestärkt werden, denn die Probleme können nur vor Ort anhand von spezifischen Fällen wirksam aufgearbeitet werden. Dazu brauchen wir eine angstfreie, partnerschaftliche Basis an der Schule.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Gestatten Sie mir eine Anmerkung. Frau Ministerin! Studien werden immer gebraucht, wenn sie ins Konzept passen. Wenn sie nicht ins Konzept passen, dann bekommt man eine solche Antwort, wie ich sie eben von Ihnen erhalten habe.

Aber nun zur Supervision. Wieviel Prozent der Bundeslehrer nehmen derzeit Angebote der Supervision für Lehrer zumindest einmal im Jahr wahr?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Ein großer Teil der Lehrer nimmt die Supervisionsangebote an. Es gibt aber auch viele Lehrer, die sich im privaten Bereich weiterbilden, Lehrer, die private Angebote annehmen. Ich glaube, es ist nicht die Frage, wie viele Lehrer Supervision bekommen, sondern die Frage lautet: Wo besteht vor Ort ein Problem? Wo haben wir eine lebendige Schulpartnerschaft, die die Probleme aufarbeitet? Wo haben wir einen Direktor, der Führungsqualitäten hat, der mit dem Lehrer die Lösungsmöglichkeiten erarbeitet, der mit den Schulbehörden die Angebote für die Lehrer vorschlägt und der den Lehrer auch motiviert, das Angebot anzunehmen? Diesbezügliche Angebote gibt es österreichweit.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Nächste Zusatzfrage? – Kollege Dr. Rada, bitte.

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Können Sie sich, um den immer schwieriger werdenden Schulalltag der Lehrer zu erleichtern, den Einsatz von Sozialarbeitern und Sozialpädagogen in der Schule vorstellen, und, falls ja, welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, daß derartige Pilotprojekte ehestmöglich verwirklicht werden können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Wir haben im Schulbereich eine große Anzahl von Beratungslehrern, Stützlehrern und Lehrern mit besonderen Ausbildungen. Es gibt in allen Ländern Hilfestellungen, an denen Sozialarbeiter beteiligt sind und in die Sozialarbeiter eingebunden werden können. Dabei denke ich an die Institute für Sozialdienste. Ganz neue Gremien zu schaffen, halte ich nicht für richtig, sondern man sollte die bestehenden Angebote verbessern und ausbauen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Bundesministerin.

Herr Abgeordneter Haigermoser, bitte.

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! In Golling an der Salzach im Bundesland Salzburg gibt es einen Lehrer, welcher laut Medien- und Gendarmerieberichten jüngst einen Schüler schwer mißhandelt haben soll. Die von der Mutter des geprügelten Schülers erstattete Anzeige ist von der Behörde unverständlicherweise zurückgelegt worden. Der sozialdemokratische Schuldirektor und Vorgesetzte des prügelnden sozialdemokratischen Lehrers soll dem Vernehmen nach den Wiederholungstäter gedeckt haben.

Nach dieser Kurzschilderung des Falles ergibt sich folgende Frage: Was werden Sie tun, damit einerseits solche Fälle nicht unter den Teppich gekehrt und nicht zu einem Freibrief für prügelnde Lehrer werden, auch um zu verhindern, daß Schüler bleibenden psychischen Schaden erleiden, und was werden Sie tun, damit andererseits – das ist besonders wichtig, Frau Bundesministerin – nicht die überwiegend anständige Mehrheit der Lehrerschaft aufgrund solcher Fälle diskreditiert wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Ich ersuche Sie, mir die Angaben über diesen Fall zur Verfügung zu stellen. Dann wird dafür Sorge getragen werden, daß die notwendigen Maßnahmen ergriffen und Anzeigen erstattet werden. Es


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ist mir das allergrößte Anliegen, aufzuzeigen, daß die Lehrerschaft zum größten Teil motiviert und gut arbeitet. Einzelne derartige Fälle müssen mit aller Härte verfolgt werden.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke, Frau Bundesministerin.

Frau Dr. Brinek, bitte.

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Frau Bundesministerin! Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie die Studienergebnisse von Professor Krumm hinsichtlich ihrer bloß quantitativen Aussagen relativiert haben.

Nachdem Sie zur Supervision Stellung genommen haben, frage ich Sie, ob nicht die Pädagogischen Institute als Fortbildungsinstitute und der schulpsychologische Dienst insgesamt zu einem breiten Angebot an Fortbildung motiviert werden können und ob Sie sich diese stärkere Motivation vorstellen können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Die Aufgabe der Pädagogischen Institute hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Sie führt weg von rein fachlicher Wissensvermittlung für die Lehrer und hin zu den Qualifikationen, die die Lehrer heutzutage im täglichen Leben brauchen, zu all diesen Bereichen der Psychologie, der Erziehungswissenschaften und der Supervision. Ich habe in meinem Ministerium der Abteilung für die Pädagogischen Institute den Auftrag gegeben, mit den Direktoren der Pädagogischen Institute diese Angebote verstärkt zu erarbeiten und den Lehrern und Lehrerinnen nahezubringen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Öllinger, bitte.


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Abgeordneter Karl Öllinger
(Grüne): Frau Bundesministerin! Nach Jahren oder Jahrzehnten sehr engagierter Arbeit mit Menschen – das gilt auch für Lehrer – kommt es oft zum Burn-out-Syndrom, zum Ausbrennen der Lehrer.

Können Sie sich vorstellen, daß Lehrern, die am Burn-out-Syndrom leiden, beziehungsweise Lehrern, die auffällig geworden sind, von seiten Ihres Ministeriums vermehrt Ausstiegs- und Umstiegshilfen angeboten werden?


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Gerade im Lehrerbereich, im Beamtenbereich ist es möglich, ein Jahr karenziert zu werden, um – mit Arbeitsplatzgarantie – etwas anderes auszuprobieren. Das halte ich für eine wichtige Hilfe. Ich bin aber völlig Ihrer Meinung, daß das Dienstrecht in allen Bereichen so geändert werden sollte, daß mehr Umsteigen, mehr Aussteigen möglich ist und daß man seine erworbenen Ansprüche mitnehmen kann.

Das gilt aber auch für das Einsteigen in den Lehrerbereich. Ich halte es für wichtig, daß Menschen einsteigen und ihre erworbenen Ansprüche mitnehmen können. Ich glaube, dafür werden wir ein großes neues Paket schnüren müssen.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke schön.

Die 5. Frage hat Kollege Dr. Höchtl eingereicht. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Meine Frage lautet:

97/M

Wie wollen Sie dem Wunsch vieler Schülerinnen und Schüler beziehungsweise deren Eltern nach adäquaten Bildungsangeboten für Begabte entsprechen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte sehr.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Die Begabungsförderung, die Begabtenförderung ist ein großes Anliegen. Wir haben bereits im vergangenen Jahr die Abteilung beziehungsweise das Referat für Begabtenförderung eingerichtet. Vom Ministerium wurde eine Broschüre zur Begabtenförderung erarbeitet. Bereits seit mehreren Jahren gibt es an den Schulen zahlreiche Maßnahmen, zum Beispiel im Bereich der Olympiaden und Wettbewerbe.

Ich erinnere an den Innovationswettbewerb "Jugend innovativ", in dessen Bereich besonders begabte Jugendliche Projekte einreichen können und Projekte entsprechend prämiert werden. Im vergangenen Jahr sind zum Beispiel allein für diesen Wettbewerb, "Jugend innovativ", 260 Projekte eingereicht worden. Das Siegerprojekt ist ein Gerät für eine automatische Pollenanalyse, mit dessen Hilfe Allergiker die Pollen in der Luft sofort feststellen können. Dafür haben sich auch die entsprechenden Bereiche von Forschung und Wissenschaft interessiert.

Es gibt Plus-Kurse, es gibt Angebote aus der Wirtschaft.

Verstärkt möchte ich die folgenden Maßnahmen ergreifen. Erstens geht es um das Erkennen von Begabungen. Es ist ungeheuer wichtig, die Begabung zu erkennen. Zweitens gilt es, das Überspringen von Klassen zu ermöglichen, auch in der Volksschule, allerdings mit aller Vorsicht. Kinder dürfen auch nicht überfordert werden. Drittens soll begabten Jugendlichen im Gymnasium oder an den weiterführenden Schulen die Möglichkeit gegeben werden, vorzeitig an die Universitäten zu gehen, dort Vorlesungen zu besuchen und Prüfungen abzulegen. In den letzten Wochen habe ich in Gesprächen mit Universitätsprofessoren festgestellt, daß große Bereitschaft zur Zusammenarbeit besteht und vorgezogene Studienteile für das Studium anerkannt werden können.

Besonders wichtig ist mir weiters, daß einzelne Begabungen gefördert werden können. Ich möchte einen Weg suchen, im Rahmen eines aus privaten Mitteln gespeisten Begabtenförderungsfonds spezielle Akzente zu setzen. Zum Beispiel könnte ein musikalisch besonders begabter Jugendlicher bei einem guten Musiker eine Ausbildung bekommen oder ein anderer ein Praktikum im Wirtschaftsbereich machen.

Der Bereich der Begabtenförderung ist ein ungeheuer wichtiger Bereich. Seit Jahren wird entsprechend vorgegangen. Ich habe einen besonderen Schwerpunkt gesetzt, und diesen Schwerpunkt werden wir auch weiterführen. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Frau Bundesminister! Es ist sehr begrüßenswert, daß in den vergangenen Jahren sehr viel für die Begabtenförderung getan worden ist. Zu einem Aspekt, der mir in dieser Fragestunde wichtig erscheint, möchte ich nachfragen: Können Sie sich vorstellen, Kooperationen mit der Wirtschaft spezifisch zu forcieren, weil dazu auch Möglichkeiten bestünden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Es gibt in allen Bundesländern die sogenannten Volkswirtschaftlichen Gesellschaften, die sehr stark mit den Schulen zusammenarbeiten. Mein Wunsch ist es, daß die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft in diese Richtung verstärkt wird, daß begabte Jugendliche bei ihren Projektarbeiten besonders gesponsert und unterstützt werden, daß sie eventuell Themen aus der Wirtschaft erhalten und daß sie bereits frühzeitig im Wirtschaftsbereich mitarbeiten können. Dort werden wir die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft verstärken.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Öllinger, bitte.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Frau Bundesministerin! In der Begabungsforschung wurden in den letzten Jahren viele Begabungsbegriffe entwickelt, die weit über den Begriff der kognitiven Begabung, die mittels Intelligenzquotient meßbar ist, hinausgehen. Ich nenne nur emotionale, soziale und musische Begabung, die oftmals – wenn auch nicht immer – in der Schule zu kurz kommen. Welchen Begabungsbegriff legen Sie Ihren Anstrengungen auf Unterrichtsebene zugrunde?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte sehr.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Ich glaube, wir müssen alle Arten von Begabungen fördern. Wer besonders leicht oder besonders gut lernt, soll in weiteren Kursen zusätzliche Angebote erhalten oder soll eine Klasse überspringen können. Gerade in der Schule muß Platz sein, organisatorische oder soziale Begabungen besonders zu fördern. Eine Straffung der Lehrpläne mit einer Einteilung in Kern- und Erweiterungsbereiche eröffnet zahlreiche Möglichkeiten, diesen Begabungen in der Schule zum Durchbruch zu verhelfen. Ich denke auch an Projektarbeiten. Wer eine besondere soziale Begabung hat, eine Begabung, mit Menschen zu reden, kann Aufgaben in diesem Bereich übernehmen. Es ist sehr wichtig, auch diese Begabungen in der Schule zu fördern.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Frau Kollegin Klara Motter, bitte.

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Frau Bundesministerin! Ich kenne die Diskussion über die neue Privatschule "Sir Karl Popper Schule" nur aus den Medien. In dieser Diskussion erblicke ich eine starke Verunsicherung der Eltern, die ihre Kinder dort angemeldet haben oder anmelden wollen. Können Sie mir den heutigen Stand der Diskussion auf den Ebenen des Wiener Stadtschulrates und Ihrer Tätigkeit darlegen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte sehr.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Dazu muß ich feststellen, daß ich in den Gremien des Stadtschulrates Wien nicht vertreten bin und dorthin auch keine Kontakte habe. Ich weiß genausoviel, wie in den Zeitungen zu lesen ist. Ich kann dazu nur feststellen, daß mir vom Stadtschulrat in Wien keine Anträge vorgelegt wurden. Der Stadtschulrat ist die erste Behörde, die erste Instanz, die derartige Anträge bearbeiten müßte.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Kollege Dr. Antoni, bitte.

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Frau Bundesministerin! Sie haben umfassend dargestellt, welche Maßnahmen beziehungsweise welche zusätzlichen Maßnahmen Sie in der Begabtenförderung vorsehen. Das ist für uns Sozialdemokraten durchaus ausreichend. Ich erlaube mir daher die Frage: Welche weiteren und zusätzlichen Maßnahmen planen Sie, um benachteiligten Kindern noch mehr zu helfen, als das derzeit der Fall ist?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Ich habe bereits in meiner Antwort auf die Frage, wie die 5 000 Jugendlichen, die den Hauptschulabschluß nicht erreichen, diesen nachholen können – das sind ja die benachteiligten Jugendlichen – , klar gesagt, daß wir ein Bündel an Maßnahmen vorgesehen haben. Ich glaube, die Schule muß ein ausgewogenes Angebot machen. Sie muß die Benachteiligten im Auge behalten; für diese gibt es, wenn sie sonderpädagogischen Förderbedarf haben, eigene Lehrkräfte oder das Teamteaching, all die Möglichkeiten, die wir im Rahmen der letzten Schulorganisationsgesetz-Novelle besprochen haben. Für diejenigen, die den Hauptschulabschluß nicht haben, gibt es die Möglichkeit des zehnten Schuljahres. Daneben aber muß es auch die Begabtenförderung geben.

Man sollte nicht das eine gegen das andere ausspielen, sondern man muß in differenzierten Angeboten den verschiedenen Fähigkeiten, den verschiedenen Anlagen der jungen Menschen gerecht werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Frau Abgeordnete Madl, bitte.

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Frau Bundesminister! Wie Sie selbst gesagt haben, beschäftigen Sie sich schon jahrelang mit der Begabtenförderung, Sie haben auch diesbezügliche Gespräche geführt. Begabte und Hochbegabte gibt es ja nicht erst seit heute, sondern, wie Sie gesagt haben, schon jahrelang. Trotzdem ist es in Österreich noch immer nicht möglich, zum Beispiel die Volksschule in der zweiten oder dritten Klasse zu beginnen, je nach Wissensstand. Auch ist es, wie Sie gesagt haben, im Gymnasium nicht möglich, daß jemand, der zum Beispiel in Physik, in Elektronik oder in einer Sprache besonders begabt ist, vorzeitig einen Abschluß macht oder nebenbei ein Hochschulstudium aufnimmt. Trotzdem liegt bis heute keine entsprechende Gesetzesvorlage vor, über die wir hier im Parlament verhandeln könnten, damit diese Dinge endlich Gesetz werden. Denjenigen gegenüber, die im Alter von vielleicht zehn Jahren hätten gefördert werden können und jetzt 20 oder 25 Jahre alt sind, ist diese Chance versäumt worden. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen. – Zwischenrufe: Wo bleibt die Frage?) Wenigstens in Zukunft sollten die Begabten so gefördert werden, wie es ihnen zukommt. Wann wird dazu eine Gesetzesvorlage hier im Parlament vorliegen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Für die Begabtenförderung braucht es keine Gesetzesvorlage. Sie wird derzeit in die Ausbildungsunterlagen für die Lehrerschaft an der Pädagogischen Akademie eingearbeitet. Begabungsförderung ist ein differenziertes Angebot, das nicht gesetzlich festgehalten werden muß. Was wir gesetzlich vorbereiten, ist die Möglichkeit des Klassenüberspringens auch in der Volksschule, das – ich sage das klar und deutlich – mit aller Vorsicht gehandhabt werden muß. Die gesetzliche Möglichkeit, Klassen in den weiterführenden Schulen zu überspringen, gibt es bereits. Die Möglichkeiten an den Universitäten werden in bilateralen Absprachen geschaffen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Die 6. Frage formuliert Kollege Öllinger. – Bitte sehr.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

102/M

Kam es durch die Kürzung von Unterrichtsstunden in den ersten drei Klassen der AHS und HS zu einer tatsächlichen Entlastung der SchülerInnen (zum Beispiel durch die Verringerung der Anzahl von Prüfungen und Schularbeiten)?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte sehr.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Durch die Kürzung der Gesamtstundenanzahl ist es zu einer Verringerung von 4,5 bis 9,5 Prozent der gesamten Stundenbelastung gekommen. Es erging gleichzeitig der Auftrag an die Lehrerschaft, aus den Rahmenlehrplänen dementsprechend weniger Inhalte in den Schulen umzusetzen.

Was die Prüfungen und Schularbeiten betrifft, können derzeit fünf bis sechs Schularbeiten im Jahr durchgeführt werden. Gemäß unseren Erfahrungen werden wir vorschlagen, daß die Mindestanzahl für Schularbeiten auf vier herabgesetzt wird, sodaß die Möglichkeit besteht, innerhalb eines Schuljahres nur vier Schularbeiten anzusetzen und die mündlichen Prüfungen dementsprechend anzupassen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Das klingt sehr verlockend für die Schüler, Frau Bundesministerin. Trotzdem die Zusatzfrage: Werden Sie überprüfen, ob es durch diese Reduktion der Stundenanzahl zu einer Entlastung bei den Hausarbeiten gekommen ist oder kommen wird beziehungsweise wie sich die Situation für die Nachhilfe dadurch möglicherweise verändert hat?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte sehr.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Ich meine, daß der stärkste Impuls zu einer echten Reduktion im Bereich des enzyklopädischen Lernens von der Lehrplandiskussion ausgehen wird, von der Diskussion zur Einteilung unserer guten Lehrpläne in Kernbereiche und Erweiterungsbereiche. Denn dadurch wird optisch festgehalten, daß die Kernbereiche den wichtigen Teil enthalten, der im Jahr umgesetzt werden muß, und daß nicht die gesamte Fülle des Stoffes umgesetzt werden muß.

Gerade von dieser Lehrplanarbeit erwarte ich mir eine echte Erleichtung im Bereich des enzyklopädischen Lernens, im Bereich der Hausaufgaben und im Bereich der Bewertung von Reproduktion von enzyklopädischem Lernen. Ich glaube, daß diese Lehrplandiskussion als Grundlage dafür dienen soll, festzustellen, was in der Schule wirklich wichtig ist, was entbehrlich ist und womit wir den Schüler nicht belasten müssen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Frau Kollegin Motter, bitte.

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Frau Bundesministerin! Wir wissen alle, daß sich der Wissensstand ständig erhöht. Der Lehrstoff wird dadurch immer mehr überfrachtet. Ich glaube, es ist an der Zeit, einen neuen Bildungsbegriff zu entwickeln. Es wird notwendig sein, das lebenslange Lernen auch wirklich zu praktizieren, das heißt, daß bei den Lehrplänen begonnen werden muß.

Ich frage Sie: Wann wird es endlich zu einer Lehrplanreform beziehungsweise zu einer Entrümpelung kommen, damit die Schüler zumindest auf dem ersten Bildungsweg entlastet werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Frau Abgeordnete! Seit eineinhalb Jahren wird im Ministerium daran gearbeitet, die bestehenden Lehrpläne in Kernbereiche und Erweiterungsbereiche einzuteilen. Es werden neue Lehrplanziele vorangestellt, und zwar in der Weise, daß neben dem Wissenserwerb der Erwerb von Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und Selbstkompetenz als Aufgabe der Schule festgelegt wird.

Unter "Selbstkompetenz" verstehen wir die Bereitschaft des Jugendlichen zu lebensbegleitendem Lernen, das heißt, daß er auch weiterhin lernen muß.

Alle diese Arbeiten sind in Vorbereitung, und ich sage hier ganz klar: Mit dem Schuljahr 1999/2000 wird aufsteigend dieser neue Lehrplan umgesetzt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön.

Zusatzfrage: Herr Kollege Mag. Posch. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Frau Bundesministerin! Kam es durch die erwähnte Kürzung der Unterrichtsstunden unter Delegation der Verantwortung in den schulautonomen Bereich zu einer signifikanten Verschiebung innerhalb des Fächerkanons, das heißt, wurden einzelne Fächer benachteiligt? Gibt es da evaluierte Ergebnisse, beziehungsweise denken Sie daran, diesbezüglich eine Evaluation durchzuführen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Herr Abgeordneter! Es wurde bereits eine Evaluation durchgeführt, die gezeigt hat, daß es zu keiner eklatanten Benachteiligung gekommen ist, daß in manchen Bereichen neue Gegenstände eingeführt wurden, wie zum Beispiel Soziales Lernen, und daß die Schulen in diesem auto


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nomen Bereich sehr vernünftige Schwerpunkte gesetzt haben. Durch die Von-bis-Regelung in den Stundentafeln wird ja verhindert, daß ein Fach völlig unter den Tisch fallen kann, und ich glaube, daß das eine sehr gute Möglichkeit für autonome Schwerpunktsetzung ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Herr Kollege Dr. Grollitsch. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! Der bedauernswerte Zustand von Österreichs Schulsport ist ja bekannt. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an bedrohliche Erscheinungen wie Haltungsschäden und Organschwächen.

Verehrte Frau Bundesministerin! Können Sie, entgegen Ihren bisherigen Beteuerungen, inzwischen unsere Beobachtungen bestätigen, daß im Zuge der Stundenkürzungen auch zu Lasten des Leibeserziehungsunterrichtes Kürzungen erfolgten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin, bitte.


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Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer:
Herr Abgeordneter! Im leibeserziehlichen Unterricht sind kaum Kürzungen erfolgt, und ich sage Ihnen, der Schulsport ist keineswegs so schlecht, wie Sie ihn immer wieder darstellen.

Ich habe gerade gestern ein Gespräch mit Vertretern der AHS geführt. Was da an Möglichkeiten, an Freifächern, an zusätzlichen Schwerpunkten angeboten wird, ist ganz enorm. Auch das, was im Schulsportbereich getan wird, ist ganz enorm, und ich bitte wirklich, der Schule nicht ständig die alleinige Verantwortung für die körperliche Entwicklung der Jugendlichen aufzuladen. Es haben sehr wohl auch die Eltern, die gesamte Gesellschaft und die Vereine dazu beizutragen, daß unsere Jugendlichen sich körperlich gut entwickeln.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön.

Herr Kollege Stampler. – Bitte.

Abgeordneter Franz Stampler (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ein Teil meiner Frage wurde bereits beantwortet, ich möchte diese Frage aber trotzdem stellen. Sind Sie der Meinung, daß eine Veränderung der Lehrpläne zu einer weiteren Entlastung der Schüler beitragen kann?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Herr Abgeordneter! Die Entlastung der Schüler kann durch die Einteilung der Lehrpläne in Kernbereiche und Erweiterungsbereiche erfolgen. Ich glaube, es ist notwendig, zu signalisieren, daß die 700 Seiten des jetzigen Lehrplanes nicht voll umgesetzt werden müssen, und ich glaube, wenn uns das gelingt, wird es auch zu einer Entlastung der Schüler kommen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir kommen zum nächsten Fragenkomplex: Herr Kollege Schweitzer, bitte.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

104/M

Warum lehnen Sie als Maßnahme zur Förderung überdurchschnittlich begabter Schüler und Schülerinnen das Team-teaching-Modell analog zur Unterrichtsform bei Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf ab?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Herr Abgeordneter! Ich glaube, daß es nicht zielführend ist, Begabtenförderung und den sonderpädagogischen Förderbedarf miteinander zu vergleichen. Lehrer, die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf betreuen, brauchen eine besondere Spezialausbildung.

Lehrer, die Begabtenförderung in ihren Schulen umsetzen, brauchen nicht diese besondere Ausbildung, brauchen keine sonderpädagogische Ausbildung. Lehrer, die an Universitäten studiert haben, glaube ich, sind sehr wohl in der Lage, spezielle Aufgaben für besondere Begabtenförderung an der Schule anzubieten.

Ich bestreite aber nicht, daß Team-teaching in einigen Fällen sinnvoll ist, bei Projekten, bei gemeinsamen fächerübergreifenden Maßnahmen. Team-teaching kann von den Schulen selbst in verschiedenen Bereichen verwirklicht werden. Ich meine aber, daß Begabtenförderung auch durch Zusatzangebote, auch durch Angebote in der Wirtschaft, an den Universitäten, mit anderen Körperschaften geschehen muß, und da hat Team-teaching wenig Sinn.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Bundesministerin. – Zusatzfrage.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! Welche Beweggründe sprechen Ihrerseits überhaupt gegen eine gesetzliche Verankerung der Förderung überdurchschnittlich begabter Schüler und Schülerinnen in ganz spezifischen Punkten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Ich habe nicht gesagt, daß es keine gesetzliche Verankerung geben muß. Es muß eine gesetzliche Verankerung für die Maßnahmen geben, für das Überspringen der Klassen, für Anrechnungsmöglichkeiten an den Universitäten. Dafür muß man selbstverständlich die Rahmenbedingungen schaffen. Da aber Begabtenförderung eine pädagogische Aufgabe der Schule ist, die je nach Begabung, je nach den verschiedenen Voraussetzungen erfüllt werden muß, kann ich all diese verschiedenen Vorausetzungen keineswegs gesetzlich festschreiben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Dr. Höchtl.

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Frau Bundesministerin! Es gibt in manchen Bundesländern im Bereich der Begabtenförderung zusätzlich zu dem, was wir bundesweit geregelt haben, etliche attraktive Initiativen. Sie haben ja regelmäßig Besprechungen mit den Landesschulratspräsidenten. Könnten Sie sich vorstellen, daß Sie beispielsweise die Plus-Kurse in Salzburg oder andere Aktivitäten Oberösterreichs oder Niederösterreichs den anderen Landesschulratspräsidenten zur Nachahmung vorschlagen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Herr Abgeordneter! Es gibt in den verschiedenen Ländern Vereine für Begabtenförderung, die mit den Schulen zusammenarbeiten, es gibt die Angebote der Plus-Kurse, es gibt die Angebote von der Wirtschaft her. Ich glaube, daß man das Augenmerk und den Schwerpunkt bei den Lehrern und Lehrerinnen auf diese Begabtenförderung lenken muß, daß man den einzelnen Landesschulräten die Angebote zusammenfassen, ausschildern und bekanntmachen muß, und ich halte es für sehr wichtig, daß in den Ländern diese besonderen Angebote auch tatsächlich umgesetzt werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Frau Abgeordnete Dr. Gredler.

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Frau Bundesministerin! Wenn man von Begabten spricht, spricht man eigentlich von Leuten, die bezüglich ihres Klassenziels unterfordert sind. Ich halte eine Begabung, die etwa ein mongoloides Kind in bezug auf Musik hat, auch für förderungswürdig.


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Deshalb frage ich Sie, ob nicht eigentlich bürokratische Hürden für die Förderung der Begabungen von Personen, die unterfordert sind und daher gefordert werden sollten, errichtet werden. Sie haben die Kürzung der Werteeinheiten angesprochen, und daher möchte ich Sie fragen, wie Sie das individuell gestalten, daß bürokratische Hürden abgebaut werden, damit individuelle Entwicklungen möglich sind.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Das war eine sehr ausführliche Zusatzfrage.

Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Frau Abgeordnete! Ich bitte Sie, daß Sie mir vielleicht einmal die bürokratischen Hürden aufzeigen, die derzeit noch bestehen. Individuelle Förderung ist an den Schulen Pflicht von Lehrern und Lehrerinnen. Besonders im musisch-kreativen Bereich habe ich im letzten Jahr Schwerpunkte gesetzt. Ich halte das für einen besonders wichtigen Teil der Persönlichkeitsentwicklung.

Ich bitte Sie auch, zu bedenken, daß wir eine ganze Reihe von Schulen mit Spezialangeboten haben. Ich denke etwa an Oberstufenrealgymnasien mit musikalischem Schwerpunkt, ich denke an verschiedene Sportschulen, an verschiedene Schulen mit technischem Schwerpunkt, wo ja schon spezielle Begabungen gefördert werden.

Ich bin gern bereit, bürokratische Hindernisse zu entfernen, nur sage ich Ihnen folgendes: Man darf an den Schulen viel mehr, als manche glauben, machen. Man kann viel mehr Eigeninitiativen setzen, und es gibt eigentlich viel weniger Vorschriften, als man oft vorschützt. Ich glaube, entscheidend sind die Bewußtseinsbildung und der Wille, es zu tun.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Öllinger.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Mir ist es unverständlich, daß bei der Begabungsförderung von manchen hier im Haus vertretenen Parteien immer nur an die kognitive Begabung gedacht wird. Ich halte das für unvertretbar.

Mich würde interessieren, ob Sie diesen besonderen Vorrang der Begabungsförderung für diese kognitive Begabung befürworten, oder ob Sie auch glauben, daß die anderen Qualitäten entwickelt werden sollten, so wie Sie es vorher in der Frage schon angesprochen haben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Ich glaube, daß der Mensch nicht nur kognitive Begabungen hat. Deshalb müssen alle Begabungen, die sozialen Begabungen, die organisatorischen Begabungen, die musisch-kreativen Begabungen und alle anderen Begabungen, gefördert werden, es muß Begabung in jede Richtung gefördert werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Frau Abgeordnete Fuchs, bitte.

Abgeordnete Brunhilde Fuchs (SPÖ): Geschätzte Frau Ministerin! Ab kommendem Schuljahr wird ja Team-teaching für Kinder mit besonderem, mit zusätzlichem pädagogischem Förderbedarf im Regelschulwesen Gültigkeit haben.

Meine Frage: Ist Vorsorge getroffen, daß ausreichend Lehrpersonal zur Verfügung stehen wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Im sonderpädagogischem Bereich besteht noch ein gewisser Mangel. Es sind jedoch die Lehrgänge an den Pädagogischen Akademien sehr gut besucht, und es werden in Kürze die entsprechenden Lehrer zur Verfügung stehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Die nächste Frage formuliert Abgeordneter Dr. Cap.

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Frau Bundesminister.

100/M

Aus welchen Gründen wurde bisher nicht mit der ursprünglich für Herbst 1994 geplanten umfassenden Sanierung und baulichen Erweiterung der Albertina, ohne die diese international so bedeutende graphische Sammlung nicht in entsprechender Form der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann, begonnen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Aus einem einfachen Grund: Finanzierungsprobleme. Das kostet 876 Millionen Schilling. Aus diesem Grund wurde das gesamte Projekt in zwei Tranchen zerlegt. Es werden jetzt als erstes der Tageslichtspeicher, das Speichergebäude und die Arbeitsräume errichtet; die entsprechenden Detailpläne sind in Ausarbeitung. Die Baumaßnahmen werden demnächst eingeleitet, die Bauverfahren laufen.

Die Sanierung des Hauptgebäudes wird schrittweise, je nachdem, in welcher Höhe Geldmittel zur Verfügung stehen, vorgenommen. Besonders suchen wir aber auch in diesem Bereich Sponsoren, die bereit sind, einzelne Räume zu sanieren.

Ich bemühe mich, die Sanierung so schnell wie möglich umzusetzen, denn ich halte es für äußerst notwendig, daß die größte Graphiksammlung der Welt wieder ordentliche Räumlichkeiten hat.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Öllinger, bitte.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sie haben das Problem der Etappenfinanzierung der Albertina schon angesprochen. Mich würde interessieren, Frau Bundesministerin, ob im kommenden Doppelbudget die Finanzierung der weiteren Etappe gesichert ist oder ob die noch nicht drinnen ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Ich habe es nicht verstanden. Wofür?

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Für die Finanzierung der Sanierung der Albertina.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Dafür wird im Budget Vorsorge getragen. Ich werde es beantragen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Krüger, bitte.

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Frau Bundesminister! Wie stehen Sie dazu, daß sich einerseits die Albertina in einem beklagenswerten Zustand befindet – wir konnten uns ja seitens des Kulturausschusses davon überzeugen, daß es teilweise hineinregnet –, daß offensichtlich die budgetären Mittel nicht vorhanden sind, um die Albertina in den nächsten Jahren in einen ordnungsgemäßen baulichen Zustand zu versetzen, auf der anderen Seite aber Millionen und Abermillionen in das neue Museumsquartier investiert werden?

Das ist für mich so, als würde ein Hausbesitzer ein Haus verfallen lassen, aber schon vorher mit dem Bau eines neuen beginnen.


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Wie stehen Sie dazu, sehr geehrte Frau Bundesminister, daß ein Bundesmuseum, was seinen baulichen Zustand angeht, schwer beeinträchtigt ist, aber man mit dem Bau eines neuen Museums bereits beginnen will?


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Dazu sei ganz klar festgestellt:

Erstens: Die Albertina wird so schnell als möglich renoviert. Die notwendigen Baueingaben werden derzeit gemacht, die Zusatzbauten werden erstellt, die Sanierung des alten Hauses wird in Angriff genommen.

Zweitens: Die Maßnahmen im Museumsquartier sind Erfüllungen von Vereinbarungen, Zusagen, Verpflichtungen des Staates, die bereits vor meiner Amtsperiode festgelegt wurden. Ich glaube, daß auch über Wahlen und über einen Wechsel von Regierungen hinaus Verpflichtungen erfüllt werden müssen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Morak.

Abgeordneter Franz Morak (ÖVP): Frau Bundesminister! Ausgehend von der Tatsache, daß sich Sanierungen von Museen durch die Ausweitung der Teilrechtsfähigkeit beschleunigen lassen, stelle ich an Sie die Frage, wie Sie das Vorhaben beurteilen, die Teilrechtsfähigkeit der Museen zu erweitern.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Die Teilrechtsfähigkeit ist mir im Schulbereich ein großes Anliegen, bei den Museen halte ich die Erweiterung für unbedingt notwendig. Ich beantrage auch eine Ausweitung der Teilrechtsfähigkeit auf das Bundesdenkmalamt und auf die Hofmusikkapelle.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Kollegin Motter, bitte.

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Frau Ministerin! Ich erlaube mir eine allgemeine Frage. Sie haben angekündigt, es werden im Ausstellungsbereich Reserven für die Zeit des EU-Vorsitzes 1998 angelegt. Ich frage Sie: Woher kommen die Mittel, oder wo wollen Sie einsparen? Ich glaube, einsparen kann man im Museumsbereich sicher nirgends mehr.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Mittel für Ausstellungen im Rahmen unseres normalen Ausstellungsprogramms, die aus dem Bundesbudget nicht finanziert werden können, kommen aus dem Bereich der Teilrechtsfähigkeit, also die Mittel, die die Museen teilrechtsfähig sich selbst erwirtschaften und erarbeiten. Das sind ganz beträchtliche Mittel, und deswegen ist es mir auch ein Anliegen, diese Teilrechtsfähigkeit auszuweiten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wenn sehr kurz und präzise gefragt und geantwortet wird, können wir auch die letzte Frage noch bewältigen.

Kollege Amon, bitte.

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Frau Bundesministerin! Sie sind ja für Ihre Reformfreudigkeit und Durchsetzungskraft bekannt. Daher meine Frage:

98/M

Treten Sie dafür ein, daß zur Verstärkung der Durchlässigkeit der Lehrlingsausbildung die Berufsreifeprüfung noch heuer eingerichtet wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Die Berufsreifeprüfung ist ein zusätzliches Angebot für Lehrlinge, sie wird der Aufwertung und der Durchlässigkeit dienen. Diese Berufsreifeprüfung liegt in meinem Entwurf vor. Wir werden sie mit den Fachleuten der verschiedenen Fraktionen besprechen, und ich werde so schnell wie möglich diesen Antrag ins Parlament bringen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Frau Bundesministerin! Können Sie sich vorstellen, daß zum Zwecke der vereinfachten Durchführung dieser Berufsreifeprüfung in den vorgelagerten Schulstufen, wie etwa in der Polytechnischen Schule oder in der Berufsschule, Module angeboten werden, in denen auf diese Berufsreifeprüfung vorbereitet wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Es wird verschiedene Möglichkeiten der Vorbereitung geben. Es könnten aber auch solche Module, wie Sie sie angesprochen haben, verwirklicht werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Kollege Öllinger.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Frau Bundesministerin! Derzeit wird die Studienberechtigungsprüfung, die zum Studium bestimmter Studiengänge an den Universitäten berechtigt, nicht an den Berufsschulen angeboten. Planen Sie irgendwelche Änderungen oder Verbesserungen in der Hinsicht, daß in Zukunft die Studienberechtigungsprüfung auch an den Berufsschulen angeboten wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sobald es die Berufsreifeprüfung gibt, glaube ich, werden wir eine ernsthafte Diskussion darüber führen müssen, inwieweit eine Studienberechtigungsprüfung noch notwendig ist. Ich glaube, man muß dann in einer Zusammenschau feststellen, was man weiter unternimmt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Kollegin Motter.

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Frau Bundesministerin! Sie kennen den Ausbildungsversuch High-tech-Berufe aus Vorarlberg und Tirol zumindest genausogut wie ich, wenn nicht besser, aus Ihrer Zeit als Landesrätin in Vorarlberg. Sie wissen auch, daß bezüglich dieses Ausbildungsversuches noch in diesem Jahr die längst fällige Anerkennung durch die Ministerien erhofft wird.

Meine Frage: Was werden Sie unternehmen, um diesen seit acht Jahren erfolgreichen Versuch in die Regel zu überführen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte sehr.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Ich habe bereits gestern grundsätzliche Gespräche geführt, um die letzten Fragen noch auszuräumen. Wenn es nach mir geht, wird es heuer noch ins Regelschulwesen überführt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Ministerin.

Kollege Riepl, bitte.

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Sehr verehrte Frau Bundesminister! Der Weg hin zur Durchlässigkeit zur Berufsreifeprüfung ist ja in einer Arbeitsgruppe unter Einbeziehung der Sozialpartner vorberaten und vorbereitet worden.


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Ich glaube, daß es wichtig wäre, die Vorbereitung auf die Prüfungsgegenstände auch in der Berufsschule anzubieten, nicht nur in Modulform, sondern auch allgemein. Meine Frage ist: Wie können Sie das absichern, und mit welchem Zeithorizont würden Sie das sehen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte sehr.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: In allen Berufsschulen kann das sicher nicht abgesichert werden. Aber ich meine, daß wir Versuche gerade bei Industrielehrlingen, bei Lehrlingen in High-Tech-Berufen, die Freitag nachmittag, Samstag vormittag frei haben, machen müssen. Da können dementsprechende Angebote gemacht werden. Es gibt bereits die ersten Versuche, und wir werden, wenn wir dann Erfahrungen damit gesammelt haben, weitere Möglichkeiten schaffen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön.

Kollege Dipl. -Ing. Schöggl, bitte.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Minister! Ist bereits geklärt, welche weiterführenden Studien die Absolventen dieser Berufsreifeprüfung absolvieren können? Werden Zusatzqualifikationen notwendig sein, und wenn ja, welche?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte sehr.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: In unserer Konzeption ist vorgesehen, daß eine allgemeine Hochschulreife damit ausgesprochen wird. Weitere Zusatzqualifikationen, die üblicherweise von Maturanten und Maturantinnen gefordert werden, werden selbstverständlich auch da notwendig sein, wenn zum Beispiel Latein für ein Studium oder andere Einstiegsqualifikationen erforderlich sind.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. Die 60 Minuten der Fragestunde sind abgelaufen. Sie ist damit beendet. Danke, Frau Bundesministerin.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Was die eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung betrifft, verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen:

Berichtigung zur Anfrage: 1906/J.

2. Anfragebeantwortung: 1701/AB.

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Budgetausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1997 geändert wird (2. BFG-Novelle 1997) (590 der Beilagen);

Gesundheitsausschuß:

Antrag 399/A der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem Arbeiten mit gentechnisch veränderten


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Organismen, das Freisetzen und Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen und die Anwendung von Genanalyse und Gentherapie am Menschen geregelt werden (Gentechnikgesetz – GTG),

Antrag 401/A (E) der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger und Genossen betreffend Lücken im Meldewesen bei übertragbaren oder gefährlichen Krankheiten, insbesondere Creutzfeldt-Jakob-Syndrom,

Antrag 402/A (E) der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger und Genossen betreffend Impfschadengesetz;

Ausschuß für innere Angelegenheiten:

Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Slowenien über die Zusammenarbeit bei der Vorbeugung und gegenseitigen Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen (557 der Beilagen);

Landesverteidigungsausschuß:

Antrag 397/A (E) der Abgeordneten Hans Helmut Moser und Genossen betreffend ausreichende Pensionsvorsorge für Soldaten des österreichischen Bundesheeres;

Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft:

Bundesgesetz über die Saatgutanerkennung, die Saatgutzulassung und das Inverkehrbringen von Saatgut sowie Sortenzulassung (Saatgutgesetz 1997 – SaatG 1997); Bundesgesetz, mit dem das Sortenschutzgesetz geändert wird, und Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 – EGVG geändert wird (580 der Beilagen);

Umweltausschuß:

Immissionsschutzgesetz–Luft, IG-L (608 der Beilagen);

Verfassungsausschuß:

Antrag 403/A (E) des Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller betreffend Aufnahme der steirischen Slowenen in den Volksgruppenbeirat für die slowenische Volksgruppe;

Verkehrsausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Fernmeldegesetz 1993 geändert wird (591 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Austro Control Gesetz geändert wird (594 der Beilagen);

Ausschuß für Wissenschaft und Forschung:

Universitäts-Studiengesetz – UniStG (588 der Beilagen),

Antrag 398/A der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerschaftsgesetz 1973 und das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Südtirolern mit österreichischen Staatsbürgern auf bestimmten Verwaltungsgebieten geändert werden,

Antrag 400/A der Abgeordneten Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerschaftsgesetz 1973 und das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Südtirolern mit österreichischen Staatsbürgern auf bestimmten Verwaltungsgebieten geändert werden.

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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Weiters sind folgende Vorlagen eingelangt:

Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften beziehungsweise deren Mitgliedstaaten mit der Republik Armenien (604 der Beilagen), mit der Republik Usbekistan (605 der Beilagen), mit der Republik Aserbaidschan (606 der Beilagen) sowie mit Georgien (607 der Beilagen), jeweils samt Anhängen, Protokoll und Schlußakten.

Nach Rücksprache mit den Mitgliedern der Präsidialkonferenz schlage ich gemäß § 28a der Geschäftsordnung vor, von der Zuweisung dieser Gegenstände an einen Ausschuß abzusehen und sie bei der Erstellung der Tagesordnung einer der nächsten Sitzungen zu berücksichtigen.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann wird so vorgegangen.

Verlangen auf Durchführung von kurzen Debatten über die Anfragebeantwortungen 1522/AB und 1671/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich vor Eingang in die Tagesordnung mit, daß das gemäß § 92 GOG gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 1522/AB zur Anfrage 1717/J der Abgeordneten Dr. Haselsteiner und Fraktion betreffend die Regelung eines den internationalen Standards entsprechenden Übernahmerechtes durch den Herrn Bundesminister für Finanzen abzuhalten.

Weiters liegt ein Verlangen vor, eine kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 1671/AB zur Anfrage 1603/J der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend Armut in Österreich durch den Herrn Bundeskanzler durchzuführen.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Schließlich teile ich mit, daß ein Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über den Antrag der Abgeordneten Dr. Graf und Genossen vorliegt, dem Finanzausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 252/A der Abgeordneten Dr. Graf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz geändert wird, eine Frist bis zum 13. Mai dieses Jahres zu setzen.

Da die erwähnten Verlangen auf Durchführung von kurzen Debatten gleichzeitig gestellt wurden, werden diese in der Reihenfolge, in der ich sie aufgezählt habe, gemäß den Bestimmungen der Geschäftsordnung um 15 Uhr aufgerufen werden.

Allfällige Abstimmungen finden im unmittelbaren Anschluß an die diesbezüglichen Debatten statt.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 1 bis 4 sowie 7 und 8 der heutigen Tagesordnung zusammenzufassen.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es wurde Konsens über die Dauer der Debatten zu der heutigen Tagesordnung wie folgt erzielt:


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Es wurde eine Blockredezeit von 9 Wiener Stunden vereinbart, sodaß sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 135 Minuten, ÖVP 126 Minuten, Freiheitliche 117 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 81 Minuten.

Es ist darüber sogleich abzustimmen.

Gibt es gegen diesen Vorschlag Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das vom Nationalrat so beschlossen.

1. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (383 der Beilagen): Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige – SchUG-B (599 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (384 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird (600 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (385 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunterrichtsgesetzes geändert wird (601 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 328/A (E) der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Begabtenförderung in der Schule (602 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 1 bis 4 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Ein Wunsch auf mündliche Berichterstattung liegt zu keinem dieser Punkte vor.

Damit gehen wir in die Beratungen ein.

Die erste Wortmeldung liegt vom Abgeordneten Mag. Schweitzer vor. Seine freiwillige Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte sehr.

10.06

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wortmeldungen sozialistischer Bildungspolitiker in der jüngsten Vergangenheit, vor allem die Wortmeldungen des Kollegen Antoni im Unterrichtsausschuß und die öffentliche Wortmeldung des Stadtschulratspräsidenten für Wien, Scholz, haben mich veranlaßt, einmal mehr für die Sozialisten ein bekanntes Zitat an den Beginn meiner Rede zu stellen, ein Zitat von Karl Jaspers. Dieser meint: Eine über die Gleichheit der Chancen hinausgehende Gleichmachung der Menschen ist die größte Ungerechtigkeit.

Herr Kollege Antoni! Ich meine, diese treffliche Bemerkung Karl Jaspers läßt, so scheint es zumindest, sozialistisch dominierte Bildungspolitik völlig unbeeinflußt.

Diese ist – jüngste Vorstöße des Stadtschulratspräsidenten Scholz mit einbezogen – gekennzeichnet durch Nivellierung nach unten, ist mehr und mehr gekennzeichnet auch durch Anbie


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derung an die Schüler und ist gekennzeichnet durch eine Jagd auf unsere Lehrer. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Bildungspolitik – von Sozialisten bestimmt und von der ÖVP in vermehrtem Maße mitgetragen – erscheint mir in erster Linie auf Effekthascherei ausgerichtet. Übertitel: Wir schaffen die Noten für die Schüler ab! – Anstatt dessen sollten diese nun die Lehrer beurteilen.

Marian Heitger hat schon recht, wenn er sagt: Diese Form der Schulpolitik ist unehrlich, ist ungerecht, ist unsozial und ist bildungsfeindlich. Anstatt den jungen Menschen bei der schwierigen Aufgabe der Selbsteinschätzung und Selbsterkenntnis zu helfen, scheint es Ziel vor allem der Sozialisten zu sein, in vermehrtem Ausmaß die Selbsttäuschung zu fördern. – Soweit Marian Heitger.

Ich stimme da weitgehend mit ihm überein. Für mich entsteht der Eindruck, daß das Ziel von Scholz und Co., von sozialdemokratischer Bildungspolitik ist, daß der höchste Schulabschluß auch ohne entsprechende Leistungen, ohne entsprechenden Leistungsnachweis erreicht werden kann. – Diese Zielsetzung ist für uns aber nicht die richtige, Kollege Antoni.

Nicht die Lehrer, die sich durch Nachsicht bei Eltern und Schülern beliebt machen, weil sie ein gutes Lehrerzeugnis wollen, unterstützten wir, sondern wir unterstützen Lehrer, die durch Engagement und das Fordern von Leistungen die Schulqualität und somit die Qualität der Ausbildung unserer Jugend garantieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir werden nicht zulassen, daß die Autorität der – abgesehen von wenigen Ausnahmen – guten Lehrer in Österreich weiterhin von Scholz und Co. untergraben wird! Wir werden nicht zulassen, daß es den Sozialisten in der Bildungspolitik nicht um die wirklich bestmögliche Ausbildung unserer Jugend geht!

Sie haben ja das schon – einmal mehr – im letzten Ausschuß deutlich gemacht, als es um die Behandlung des freiheitlichen Antrages zur Begabtenförderung gegangen ist. Dieser Antrag, der auf der Basis des § 26 des Schulunterrichtsgesetzes eingebracht wurde, fand dort – ohne ausreichende Begründung! – keine Mehrheit, obwohl im § 26 der Grundsatz festgeschrieben ist, daß Kinder eine ihrem Entwicklungsstand entsprechende Ausbildung erhalten müssen. Daß heißt, Kinder, deren intellektuelle, musische, motorische oder soziale Fähigkeiten wesentlich weiter entwickelt sind, als es ihrer Altersgruppe entspricht, sollen nach den Vorstellungen des Schulunterrichtsgesetzes und nach unseren Vorstellungen eine ihrem Entwicklungsstand entsprechende Förderung und Ausbildung erhalten. – Und genau das war Ziel unseres Antrages.

Nicht in der Form, wie es die ÖVP versucht hat, wie es Görg in Wien mit der Sir-Karl-Popper-Schule versucht hat, die ja bereits vor der Eröffnung gescheitert ist, wollen wir die Begabtenförderung in Österreich einführen, nicht durch Segregation, sondern dadurch, daß es auch da eine Integration analog zur Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf gibt. Aber das wird von der SPÖ abgelehnt, und das wird erstaunlicherweise auch von der ÖVP abgelehnt, wiewohl sie immer wieder in Presseaussendungen betont, wie sehr sie sich für die Begabtenförderung in ganz Österreich einsetzt. Nur: Das Ankündigen hält mit dem Handeln nicht Schritt! Kollege Höchtl, der Vorsitzende des Unterrichtsausschusses, hat sich im Zusammenhang mit der Debatte über die Begabtenförderung in letzter Zeit ja wieder einiges geleistet.

Als wir Team-teaching als geeignete Maßnahme für Begabtenförderung an allen Schulen gefordert haben, weil wir der Ansicht sind, daß besonders ausgebildete Zweitlehrer dann über den Kernstoff hinaus auf die Interessen der Hochbegabten eingehen können, wurde das von der ÖVP ganz entrüstet abgelehnt. Gleichzeitig ging aber ein Pressedienst der Jungen ÖVP hinaus, die all das, was wir einen Tag vorher gefordert haben, auf Punkt und Beistrich abgeschrieben und genau die gleichen Forderungen erhoben hat.

Herr Kollege Höchtl! Sie haben vier Tage vor diesem Unterrichtsausschuß genau die gleichen Forderungen erhoben, und weil Sie gewußt haben, daß unser Antrag zur Behandlung steht, haben Sie in der Öffentlichkeit verkündet, Sie werden entsprechende Vorstöße unternehmen. (Abg. Dr. Höchtl: Das wird ja gemacht!) Nur: Geworden ist nichts aus diesen Vorstößen, weil sie


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vom Kollegen Antoni abgedreht wurden. Mir wurde inzwischen mitgeteilt, daß Sie einen Antrag formuliert hatten, daß Sie diesen Antrag mit der SPÖ verhandeln wollten, daß Sie bei dieser aber auf taube Ohren gestoßen sind und mit Ihrem Vorstoß gescheitert sind, weil Sie sich mit Ihren Argumenten bei Ihrem Koalitionspartner nicht durchsetzen konnten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf, daß Sie vom Ankündigungspolitiker auch einmal in einer Frage zum Umsetzungspolitiker werden, daß Sie einmal über Ihren Ankündigungsschatten springen und vielleicht gemeinsam mit uns im Interesse der Begabtenförderung etwas zuwege bringen. Ich gebe Ihnen heute noch einmal die Chance, und ich werde Ihnen im Ausschuß noch einmal die Chance geben, indem ich einen Entschließungsantrag einbringe, der da lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Kollegen betreffend die gesetzliche Verankerung der Förderung hochbegabter Schüler und Schülerinnen

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Frau Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten wird ersucht, entsprechende Maßnahmen zu setzen, die zur optimalen Förderung im Rahmen der schulischen Ausbildung überdurchschnittlich begabter Schüler und Schülerinnen

eine gesetzliche Verankerung der Förderung überdurchschnittlich begabter Schüler und Schülerinnen,

eine Anpassung des Lehrplanes an die Hochbegabung,

die den Anfordernissen im Unterricht mit hochbegabten Schülern notwendige Lehreraus- und Lehrerfortbildung,

die Möglichkeit eines Schulfrüheinstiegs beziehungsweise Einstiegs in eine höhere als die erste Schulstufe sowie

die Einführung des Team-teaching-Modells

vorsieht.

*****

Herr Kollege Höchtl! Wenn Ihnen die Begabtenförderung wirklich ein Anliegen ist, dann werden Sie ja mit Ihrer Fraktion heute diesem Antrag endlich einmal zustimmen, denn sonst sind Sie endgültig als Ankündigungspolitiker in dieser Frage abgestempelt und haben kein Recht auf Glaubwürdigkeit in dieser Frage. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daß die Begabtenförderung heute notwendiger denn je ist, steht ja außer Streit. Ich habe die Regierungserklärung des Bundeskanzlers Klima verfolgt und festgestellt: Er war selbst der Ansicht, daß ökonomischer Wohlstand, Produktivität, Verhinderung von Arbeitslosigkeit, Sicherung von Gesundheit, wirksamer Umweltschutz, wissenschaftlicher, technischer, aber auch sozialer Fortschritt in besonderem Ausmaß von der Ausbildung unserer Bevölkerung und somit auch von der Heranbildung von leistungsfähigen, leistungsbereiten jungen Menschen und natürlich auch von der Förderung von Begabten und Hochbegabten abhängen.

Deshalb ist es völlig unverständlich für mich, mit welcher Begründung unser Kollege Antoni von der SPÖ unseren Antrag abgelehnt hat. Er sagt – und das hat er heute auch noch wiederholt; ich zitiere –: Mir reicht es völlig aus, was in Österreich auf dem Sektor der Begabtenförderung passiert! Er ist mit dem Wenigen, das fast nichts ist, völlig zufrieden, er hat kein Interesse an der Förderung von Begabungen. Das Anerkennen der Mittelmäßigkeit ist offensichtlich eine soziali


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stische Tugend, Herr Kollege Antoni. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Vielleicht ist das auch mit dem Hintergedanken verbunden, leicht lenkbare Bürger zu schaffen. Die haben Sie immer gern gehabt. Cap hat sich schon beschwert, daß die Leute beim Wählen zu denken beginnen – das paßt den Sozialisten offensichtlich nicht. (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. ) Spontaneität kann das sozialistische System offensichtlich stören und unter Umständen dem System Probleme bereiten.

Ich zitiere nochmals Marian Heitger; er bringt das auf den Punkt, indem er sinngemäß sagt, Kollege Schwemlein: In dieser Erziehung liegt die Tendenz zur Gleichförmigkeit, zur Unterdrückung der persönlichen Urteilskraft, zur Schaffung einer Bevölkerung, die zahm den Herrschenden gegenüber und wild gegen die ist, die die Herrschenden in Frage stellen.

Nur mit dem Fördern individueller Begabungen, meine Damen und Herren, ist diese Tendenz zu brechen, und deshalb wird es notwendig sein, daß wir, so hoffe ich, mit Gleichgesinnten auch endlich einmal ein Gesetz zur Begabtenförderung in Österreich beschließen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der eingebrachte Antrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Am Wort ist nun Herr Abgeordneter Dr. Höchtl.

10.17

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Politik ist nicht entscheidend, ob man hier herausgeht, um zu begründen, wie der Vorredner es getan hat, warum ein Antrag seinerseits im Unterrichtsausschuß nicht akzeptiert werden konnte, der nichts anderes darstellt – und ich sage das für beide Regierungsparteien – als ein Aufspringen auf einen schon längst abgefahrenen Zug (Abg. Meisinger: In die falsche Richtung!), weil bereits seit Jahren Begabtenförderung im Zentrum der österreichischen Bildungspolitik steht, sondern in der Politik ist entscheidend, ob mit Engagement, mit Leidenschaft das, was an Zielen gesetzt worden ist, verwirklicht wird. Und das ist in den letzten Jahren in der Begabtenförderung, in der Bildungspolitik gemacht worden, und darauf kommt es an! (Beifall bei der ÖVP.)

Unsere Intention in der Bildungspolitik ist die, daß wir ein klares Bekenntnis zur Leistungsorientierung einerseits und zur Menschlichkeit andererseits ablegen und daß wir überall, wo bildungspolitische Akzente gesetzt werden, den Grundsatz verfolgen: Im Sinne des einzelnen jungen Menschen, im Sinne der Gemeinschaft, im Sinne der wirtschaftlichen Entwicklung unserer Volkswirtschaft, im Sinne des rechtzeitigen Entdeckens und Vorantreibens von Talenten haben wir die Begabtenförderung so zu gestalten, daß rechtzeitig jede Begabung entdeckt, gefördert, begleitet und tatsächlich entfaltet wird.

Das ist die Politik, die die Frau Bundesminister, die wir als Regierungspartei und alle diejenigen, die an der Weiterentwicklung und der Zukunftsgestaltung Österreichs interessiert sind, verwirklichen. Dazu bekennen wir uns, und das werden wir auch in den kommenden Monaten – trotz Geschreis von Herrn Schweitzer oder von dem einen oder anderen – weiterführen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Politik bedeutet, den Begabten richtig zu fordern, daß er zur Leistung animiert wird, und all jene, die spezifische Defizite und Probleme haben, zu unterstützen, zu fördern. Das ist menschliche, das ist menschenorientierte Bildungspolitik.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bildungsökonomen sagen zu Recht, Investitionen in die Bildung sind Investitionen in die Zukunft. Ich sage, das sind die wichtigsten Investitionen, die wir überhaupt zur Entfaltung der jungen Menschen für die Zukunft machen können.


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Ich habe mir vor wenigen Tagen einmal zusammengerechnet, wieviel eigentlich die österreichische Gesellschaft – durch spezifische Investition in Schulen – beispielsweise in einen Schüler investiert, der im Jahr 1997 die Matura an einer allgemeinbildenden höheren Schule machen wird. Während der vier Klassen Volksschule und der acht Klassen AHS werden seitens der österreichischen Gesellschaft, seitens des Staates rund 700 000 S direkt in die einzelne Person investiert. Ich glaube, das ist eine beachtliche Höhe, wobei all das nicht berücksichtigt ist, was vorher und nachher investiert wird, was zusätzlich privat, familiär dazukommt. Ich glaube, das ist ein wichtiger Betrag. Wir sollten auch bildungsökonomisch sehen, welche Summen wir dafür ausgeben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir heute die vier einzelnen Tagesordnungspunkte erörtern und beschließen werden, dann ist das nichts anderes als ein Hineinsetzen von Mosaiksteinen in die große Herausforderung unserer Bildungspolitik. Bildungspolitik steht unmittelbar im Zusammenhang mit Arbeitsmarktpolitik, steht unmittelbar im Zusammenhang mit Beschäftigungspolitik, und Bildungspolitik bedeutet nicht, so wie es früher einmal vielleicht der Fall war, eine gute Erstausbildung anzubieten und dann keinerlei weitere Fortbildung mehr zu betreiben, sondern bedeutet, daß wir alles dazu tun müssen, eine möglichst optimale Erstausbildung in der normalen schulischen Ausbildung zu gewährleisten, daß wir darüber hinaus aber jeden einzelnen Schüler, jede einzelne Schülerin auch in die Lage versetzen müssen, dieses Lernen lernen tatsächlich zu inhalieren und das lebensbegleitende Lernen zum Grundsatz zu erheben. Denn eines ist klar: Durch den enormen Fortschritt unseres Wissens und des leichten und schnellen Veralterns des bisherigen Wissens wird es in Zukunft immer wichtiger sein, möglichst schnell mit dem Neuen konfrontiert zu sein und dieses Neue sich anzueignen.

Deswegen ist dieses heute in Verhandlung stehende Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige wichtig. Immerhin nehmen derzeit rund 12 000 Personen das Angebot dieser verschiedenen Schulen, deren Innenbereich wir heute gesetzlich regeln, weil bisher eine solche gesetzliche Regelung nicht existiert hat, wahr, also immerhin ein Breiter Kreis von Personen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hier wird erwachsenengerecht geregelt, nicht schülergerecht. Das ist der wesentliche Unterschied im Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, da die Lernenden im Beruf stehen und andere Anforderungen, andere Bedingungen vorfinden müssen, um den entsprechenden Notwendigkeiten des Bildungserwerbs gerecht werden zu können.

Über die Begabtenförderung – diese Diskussion ist bereits hereingebracht worden – haben wir auch im Ausschuß schon diskutiert, und wir sollten diese heute hier besonders unterstreichen. Die Frau Bundesministerin hat schon in der Fragestunde darauf hingewiesen. Einige Damen und Herren im Unterrichtsausschuß waren überrascht, als sie den umfassenden Bericht der Frau Bundesministerin über das, was bisher schon in der Begabtenförderung gemacht worden ist, gehört haben.

Ich nenne beispielsweise nur die Broschüre "Begabungen unserer Kinder. Wie können wir sie erkennen und fördern?", die verteilt worden ist. Sie zeigt nur ein wenig von der umfassenden Palette auf, die im Unterrichtsministerium seit Jahr und Tag verwirklicht wird, und sie zeigt, welche zusätzlichen Maßnahmen bereits verwirklicht werden konnten. Diese Broschüre ist, wie gesagt, den Lehrern, den Eltern angeboten und im vergangenen Jahr verteilt worden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bekenne mich dazu, daß wir im Sinne der Autonomie, im Sinne der Flexibilität, im Sinne der Regionalisierung möglichst viele Einzelinitiativen ermöglichen sollten, und ich bekenne mich dazu, daß wir besonders begabten Schülerinnen und Schülern das Überspringen von Klassen ermöglichen. Das ist aber nicht eine Forderung, die jetzt aufgestellt wird, sondern eine Forderung, die bereits verwirklicht worden ist.

Wir haben dazu die gesetzlichen Bestimmungen schon längst geschaffen, und es wird auch wahrgenommen. Es ist doch nicht so, daß niemand eine Klasse überspringen könnte; deswegen ist es auch möglich, daß jemand, der beispielsweise zwischen der ersten und achten Klasse Gymnasium irgendeine Klasse übersprungen hat, schon mit 17 Jahren in Österreich maturieren


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kann. Wir wollen mit aller Vorsicht, wie die Frau Bundesministerin gesagt hat, daß zusätzlich diese Chance auch im Volksschulbereich ermöglicht wird.

Das bedeutet also ein schrittweises Verwirklichen der generellen Idee, daß keine Begabung unentdeckt, ungefördert bleiben darf, sondern gefördert werden muß. Der Begabte muß gefordert werden. Das ist unser Ziel, das ist unser Wunsch, und dem werden wir uns in der Bildungspolitik auch zukünftig widmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Schluß kommend – weil das Licht leuchtet –: Montecuccoli hat einmal gesagt: Um einen Krieg zu gewinnen, sind drei Dinge notwendig: Geld, Geld und wieder Geld! (Abg. Hans Helmut Moser: Radetzky!) – Nein, es war Montecuccoli! – Angesichts unserer Herausforderung können wir sagen: Es sind drei Dinge notwendig, um den zukünftigen Wettbewerb für unsere jungen Menschen zu gewinnen: Ausbildung, Bildung und Weiterbildung. Dem dient das, was man als verantwortungsbewußte Bildungspolitik bezeichnet, und deswegen werden wir diesen Vorlagen gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

10.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Moser.

10.28

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! – Herr Kollege Höchtl! Sie haben hier – ich habe mir das aufgeschrieben – besonders auf die Notwendigkeit der Bildung und Ausbildung und auf die Notwendigkeit der Begabtenförderung hingewiesen. Sie haben das Schlagwort verwendet: Investitionen in die Bildung sind Investitionen in die Zukunft, sind Investitionen für die Jugend. Sie haben den Zusammenhang zwischen Ausbildung und Arbeitsmarkt hergestellt.

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Höchtl! All das sind schöne Worte, bekannte Phrasen, aber was wir verlangen und was bislang in der Bildungspolitik der Bundesregierung fehlt, das sind konkrete Taten, das sind Maßnahmen, die erforderlich sind (Abg. Dr. Höchtl: Setzen Sie sich mit der Begabtenförderung auseinander!), um unser Bildungssystem weiterzuentwickeln, um unser Bildungssystem auf die neuen Herausforderungen auszurichten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir kommen jetzt zur Realität. In deiner Wortmeldung, Kollege Höchtl, bist du nicht in die Niederungen der tatsächlichen Schulpolitik heruntergestiegen, du bist nicht auf das eingegangen, was heute zur Debatte steht. Ich werde genau auf das eingehen, was uns fehlt, nämlich die Taten und die notwendige Anpassung unseres Bildungswesens an die Herausforderungen der Zukunft.

Eines ist klar, und das möchte ich auch hier festhalten: Die österreichische Schule hatte und hat international einen guten, einen ausgezeichneten Ruf. (Abg. Dr. Höchtl: Laut OECD-Studie haben wir einen hervorragenden Ruf!) Es wird aber notwendig sein – und deshalb verlangen wir von Ihnen Taten und nicht schöne Worte –, daß wir unser Bildungswesen den neuen Herausforderungen anpassen und angleichen, sodaß wir im europäischen Wettbewerb, im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft und auch im Rahmen der Weltengemeinschaft unseren Beitrag leisten und uns auch entsprechend darstellen können. Da vermissen wir die notwendigen Maßnahmen.

Ich komme jetzt zu den vier Punkten, die wir heute zu beraten haben. Ich darf gleich mit dem ersten Bundesgesetz beginnen, nämlich mit dem Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige.

Mit dieser gesetzlichen Neuregelung betreten Sie, Frau Bundesministerin, einen Nebenschauplatz. Sie wollen damit Ihre bisherigen Nichtaktivitäten in diesem für uns so wichtigen Bereich der Erwachsenenbildung kaschieren. Sie wollen lediglich ein gesetzliches Festschreiben der ohnehin bestehenden erlaßmäßigen Regelungen. Sie haben das im Unterrichtsausschuß ja entsprechend dargestellt.


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Ich habe schon Verständnis dafür, daß man, wenn es seitens des Verfassungsgerichtshofes, seitens des Rechnungshofes oder seitens der Volksanwaltschaft Kritik gibt, all das dann legistisch verankert und neu regelt. Sie haben aber nicht die Chance wahrgenommen, die Erwachsenenbildung neu zu orientieren, die Erwachsenenbildung neu zu regeln.

Meine Damen und Herren! Wir vom Liberalen Forum messen der Erwachsenenbildung einen großen Stellenwert bei. Wir meinen, daß es notwendig ist, da neue Prioritäten zu setzen, daß es notwendig ist, da eine Neuorientierung vorzunehmen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich sage Ihnen auch gleich, was wir uns vorstellen, damit Sie einige Orientierungshilfen haben, weil Sie offensichtlich Schwierigkeiten damit haben, das eine oder andere tatsächlich neu zu regeln. Es muß zu einem Umdenken kommen, wir brauchen eine Neustrukturierung des Bildungssystems, vor allem im Zusammenhang mit den organisatorischen, arbeitsrechtlichen, aber auch mit den räumlichen Rahmenbedingungen für unsere Erwachsenenbildung. Uns kommt es vor allem darauf an, daß endlich auch das Angebot im Bereich der Erwachsenenbildung entsprechend ausgeweitet wird. – Herr Kollege Höchtl! Es wäre vielleicht günstig, wenn Sie mir jetzt zuhören würden.

Noch einmal: Wir wollen das Bildungsangebot ausweiten. Derzeit kennen wir nur die Konzentration des Bildungsangebotes auf den städtischen Bereich. Ich glaube aber, daß wir so wie bei der allgemeinen Schulbildung und im allgemeinen Schulwesen zu einem flächendeckenden Ansatz kommen sollten und daß wir auch außerhalb der Ballungsgebiete, sprich im ländlichen Raum, entsprechende Ausbildungsangebote sicherstellen und gewährleisten sollten.

Zum zweiten, meine Damen und Herren: Wir brauchen eine kontinuierliche Weiterbildung. Ich ersuche die Damen und Herren Schulsprecher der Regierungsparteien, sich ein bißchen in der EU umzusehen und einmal nachzulesen, welche Bildungsanfordernisse auf europäischer Ebene definiert und festgeschrieben werden. Dort ist etwa bekannt, daß man mit zunehmendem Alter einen Rückgang im Wissensstand hat und es daher wichtig ist, die Erwachsenenbildung zu fördern und voranzutreiben. Es ist gerade in unserer sich sehr rasch und sehr dynamisch entwickelnden Wirtschaft eine absolute Notwendigkeit, daß wir eine kontinuierliche Weiterbildung betreiben. Damit leisten wir auch einen Beitrag, Österreich als Wirtschaftsstandort entsprechend auszugestalten, entsprechend sicher zu plazieren.

Zum dritten, meine Damen und Herren: Wir brauchen neue Formen in der Pädagogik der Erwachsenenbildung. Das, Frau Bundesministerin, haben Sie total verabsäumt. Sie haben nichts anderes getan, als die bestehende Struktur, die bestehenden Organisationen abgeschrieben und gesetzlich geregelt. Sie haben aber leider Gottes nicht – ich bedauere das wirklich – weitergedacht. Hier hätten wir eine Möglichkeit gehabt, einen großen Wurf zu setzen. Über eine zielgerichtete Neuorientierung der Erwachsenenbildung hätte man vielleicht – Vorbild wäre diese Neuorientierung gewesen – auch das allgemeine Schulsystem den neuen Anforderungen anpassen können. Wir glauben, wir sollten auf das Modulsystem, auf das Kurssystem umsteigen, den Fernunterricht forcieren, wir brauchen eine bessere Durchlässigkeit beziehungsweise eine Flexibilisierung. Das wäre notwendig gewesen, das sind Sie uns aber schuldig geblieben.

Wir glauben, daß ein großer Bedarf und auch ein großes Interesse an der Weiterbildung gegeben sind. Ich darf Sie, Frau Bundesministerin, ersuchen, jene Umfrage, die Ihr Ministerium in Auftrag gegeben hat, und jene Umfrage, die vom Fessel-Institut erstellt worden ist, ein bißchen zu studieren und als Grundlage für die notwendigen Maßnahmen und Schritte zur Forcierung der Erwachsenenbildung zu nehmen.

Ich darf Ihnen aus dieser Studie einige Ergebnisse zitieren.

Zunächst kommt man zu dem Ergebnis, daß die Haltung der ÖsterreicherInnen zur Weiterbildung überaus positiv ist. 70 Prozent der Befragten sind an der persönlichen Weiterbildung sehr interessiert, wobei junge Menschen deutlich stärker interessiert sind als der Gesamtdurchschnitt.


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Zum nächsten: Gut die Hälfte der Befragten hat sich nach der schulischen beziehungsweise nach der universitären Ausbildung weitergebildet. Bei den Selbständigen, Beamten und Angestellten liegt dieser Anteil noch wesentlich höher, nämlich bei mehr als 60 Prozent. Es ist daher notwendig, beispielsweise Hausfrauen oder unqualifizierte Arbeiter und Arbeiterinnen dazu zu motivieren, denn bei diesen waren es weniger als 35 Prozent.

Ich glaube, es ist notwendig, für die Frauen, für die Arbeiterinnen und Arbeiter besondere Angebote zu definieren, besondere Angebote zu machen, um einen höheren Prozentsatz an Menschen zur Weiterbildung zu bewegen.

Nächster Punkt: Man ist sogar bereit, finanzielle Mittel für Weiterbildung zu investieren. 37 Prozent geben zwischen 1 000 und 5 000 S pro Jahr aus, 21 Prozent mehr als 5 000 S.

Frau Bundesministerin! Das sind doch Zahlen, die Sie ermuntern sollten, entsprechende Maßnahmen zu setzen, anstatt die alten bestehenden Regelungen einfach abzuschreiben, nichts zu tun und zu sagen, irgendwann einmal machen wir weiter und irgendwann einmal wollen wir zu einer Neuorientierung kommen.

Sie haben eine Chance vertan, indem Sie die geltenden erlaßmäßigen Regelungen einfach abgeschrieben haben. Das ist aus der Sicht der Liberalen ein Grund, diesem Bundesgesetz nicht die Zustimmung zu geben.

Nun zu den beiden Bundesgesetzen, mit denen das Schülerbeihilfengesetz geändert wird und es zu einer Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens kommt.

Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Da geht es nur um eine Anpassung an das neue Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige. Aber auch da – das muß ich ganz ehrlich sagen – stören mich zwei Faktoren: Der eine ist, daß man bezüglich der Frage Schulbeihilfe wiederum nicht bereit war, wiederum nicht willens war, eine Kurskorrektur vorzusehen. Wie Sie wissen, erfolgt die Vergabe von Schulbeihilfen nach dem Grundsatz der Noten. Wir wissen, daß es eine sehr subjektive Angelegenheit ist, Noten zu vergeben. Ich glaube, daß es möglich und sinnvoll wäre, denen, die tatsächlich Unterstützung beziehungsweise Hilfe brauchen, diese auch zu gewähren, indem man nach sozialen Kriterien, nach sozialen Notwendigkeiten die Schülerbeihilfe festlegt und festschreibt. Warum schreiben wir immer nur die alten Regelungen fest? Warum denken Sie nicht weiter, Frau Bundesministerin? Jetzt hätten wir die Möglichkeit gehabt, das neu zu orientieren. Das ist wiederum nicht geschehen. Daher lehnen wir diese Novelle ab.

Was mich weiters irritiert, ist der Umstand, daß die Prüfungstätigkeit, die ureigenster Teil der Lehrertätigkeit ist und zum Berufsbild, zum Berufsfeld eines Pädagogen, eines Lehrers, eines Professors dazugehört, abgegolten wird.

Sie gelten damit etwas ab, was eigentlich selbstverständlich ist, und machen es zu etwas Besonderem. Ich meine, daß sich dadurch eine negative Auswirkung auf die Einstellung zum Beruf ergibt. Diese Regelung mag aus der Sicht Ihrer Personalvertretung, des ÖAAB oder der Gewerkschaft öffentlich Bediensteter, vielleicht interessant oder notwendig sein, ist aber nicht im Sinne des österreichischen Schulwesens, im Sinne der österreichischen Bildungspolitik.

Ich komme zum vierten Punkt, zur Frage der Begabtenförderung. Es wäre mir lieber, wenn wir generell den Begriff "Begabungsförderung" anwendeten; der eine oder andere meiner Vorredner und die Frau Bundesministerin im Rahmen der Fragestunde haben dies getan.

Meine Damen und Herren! In der Debatte dieser Frage erleben wir einen typischen Reflex des Parlamentarismus in diesem Hause, und das ist schade. Der typische Reflex ist: Es kommt ein Antrag, ein Entschließungsantrag von einer Oppositionspartei ins Haus, die beiden Regierungsparteien beginnen zu mauern und lehnen diesen Antrag – selbstverständlich – ab, gleichzeitig aber beteuert jeder Abgeordnete, wie wichtig und wie notwendig es ist, daß da etwas gemacht wird. Damit schaden wir dem Parlamentarismus, damit tun wir im konkreten Fall dem österreichischen Schulwesen und Bildungssystem nichts Gutes.


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Wir erwarten, meine Damen und Herren, daß nicht nur geredet wird, sondern auch Taten gesetzt werden, vor allem im Zusammenhang mit der Begabtenförderung. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Kollege Höchtl! Weil Sie das besonders angesprochen haben: Es stimmt einfach nicht, daß die Begabungsförderung seit Jahren oder Jahrzehnten Schwerpunkt der Bildungspolitik ist. (Abg. Dr. Höchtl: Darf ich das konkret sagen: Seit dem Jahr 1988 hat sich das ...) Die Frau Bundesministerin hat das ja im Rahmen der Beratungen des Ausschusses selbst zugestanden. (Abg. Dr. Höchtl: 1988!)

Die Frau Bundesministerin hat uns zunächst einmal ein Heftchen gegeben und erklärt – ich habe das mitgeschrieben (Abg. Dr. Höchtl: Das ist eine Information an die Eltern!)  –: Damit wollen wir eine erste Information an die Eltern, an die Lehrer geben. – Das haben wir bisher nicht gemacht, das war bisher nicht da. (Abg. Dr. Höchtl: Nicht wahr!)

Die Frau Ministerin hat gesagt, das erste, was notwendig war, war die Schaffung einer eigenen Abteilung im Unterrichtsministerium – und das zusätzlich! (Abg. Dr. Höchtl: Zusätzlich?) Ja, einen zusätzlichen Verwaltungsapparat, ein zusätzliches Aufblähen des Ministeriums. – Das ist Ihre Begabungsförderung (Abg. Dr. Höchtl: Das ist nicht wahr!) und nicht konkrete Maßnahmen vor Ort, die sich tatsächlich auf die Betroffenen, die Schüler, die Jugend, die Lehrer und die Pädagogen, auswirken, meine Damen und Herren! Das haben wir aber erwartet. (Abg. Dr. Höchtl: Ich glaube, du warst weder im Unterrichtsausschuß anwesend, oder hast es nicht kapiert, noch hast du in der Fragestunde zugehört, sonst könntest du nicht hinuntergehen und so etwas sagen!) Doch, ich habe ganz genau aufgepaßt.

Herr Kollege! Wir wissen, daß das unzureichend ist, daß wir dadurch bislang nicht jene Erfolge erzielt haben, die wir tatsächlich erreichen wollten, und daß es notwendig ist, im Rahmen der Begabungsförderung Schritte zu setzen.

Ich meine, daß man an das Problem auch nicht so herangehen kann wie Kollege Antoni, der offensichtlich die Position, die Meinung der Sozialdemokratie wiedergegeben hat. Er hat gesagt, daß ihm die hohe Zahl der Repetenten – es sind 50 000 Repetenten oder, anders ausgedrückt, die 11 bis 15 Prozent – und auch die 1,2 Milliarden bis etwa 1,4 Milliarden Schilling, die für Nachhilfe ausgegeben werden, mehr Kopfzerbrechen bereiten als die dringend notwendigen Erfordernisse zur Begabungsförderung. (Zwischenruf des Abg. Mag. Posch. )

Man kann das nicht als Entweder-Oder sehen, sondern das eine soll uns Kopfzerbrechen bereiten, aber auch das andere, auch im Bereich der Begabungsförderung besteht die Notwendigkeit, konkrete Maßnahmen und Schritte zu setzen, weil das Bisherige nicht ausreichend ist.

Herr Kollege Höchtl! Ich bitte Sie, aufzupassen! Wir haben im Unterrichtsausschuß davon gesprochen – auch die Frau Bundesministerin hat das angesprochen –, daß es eines breiten Angebots an Schultypen bedarf. (Abg. Dr. Höchtl: Ja!) Wir wissen, daß es nicht ausreichend ist, daß es zur zu frühen Festlegung der Schüler kommt. Wir wissen aber auch, daß durch dieses breite Angebot an Schultypen das Problem des Wechsels besteht. Es fehlen die Durchlässigkeit und die Flexibilisierung des Systems. (Abg. Dr. Höchtl: Was willst du? Sag es mir!)

Weiters sind unsere Lehrer nicht ausreichend geschult, nicht ausreichend ausgebildet für den Bereich der gezielten Begabtenförderung. Desgleichen ist die individuelle Förderung unzureichend. (Abg. Dr. Höchtl: Brauchen wir dazu ein Gesetz?) Dazu brauchen wir kein Gesetz, aber es ist notwendig, daß Maßnahmen und Schritte gesetzt werden, und die vermissen wir. (Abg. Dr. Höchtl: Wärst du bei der Fragestunde anwesend gewesen, hättest du genau darauf die Antwort bekommen!) Ich war in der Fragestunde anwesend. Wir vermissen das, Herr Kollege Höchtl, vor allem in dem Konnex, daß Sie gesagt haben, das sei der Schwerpunkt der österreichischen Bildungspolitik, das sei auch gemacht worden. (Abg. Dr. Höchtl: Seit 1988!) Jetzt erkennen wir, daß da gezielte Maßnahmen notwendig sind. Geben Sie das zu! (Abg. Dr. Höchtl: Aber du sagst etwas, was schon lange von der Frau Bundesministerin vorbereitet und meist durchgeführt ist!) Geben Sie zu, daß wir da einen Handlungsbedarf haben. Ich weiß, das fällt Ihnen schwer. (Abg. Dr. Höchtl: Mir fällt überhaupt nichts schwer!)


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Ich meine, daß auch die in Aussicht genommenen Maßnahmen zu hinterfragen sind. Sonderschulen für Schwerstbegabte (Abg. Mag. Stadler: "Sonderschulen für Schwerstbegabte" – dafür kommen Sie nicht in Frage! – Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen) sollen nicht eingeführt werden. Das ist schon richtig. Ich weiß, die Frage der Sonderschulen für Schwerstbegabte tut euch weh! (Zwischenrufe bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.) Ihr wollt das Ganze.

Wichtig ist, daß im Klassenverband die Begabungen entsprechend gefördert werden, daß wir da zu einer Differenzierung der Unterrichtstätigkeit kommen, daß es da möglich sein muß, den Lehrstoff rascher zu absolvieren. – Ich weiß, daß euch das weh tut, aber Faktum ist, daß das nicht der richtige Ansatz ist; das sagen auch die Pädagogen.

Wir meinen, daß es notwendig ist, den Jahreslernstoff rascher zu absolvieren, sodaß die dann noch zur Verfügung stehende Zeit genutzt werden kann, die Förderung spezieller Begabungen anzubieten, Begabungen weiterzuentwickeln, beispielsweise durch Fremdsprachen, durch Auslandseinsätze oder auch durch Schulung sozialer und handwerklicher Fertigkeiten. Dem tragen Sie überhaupt nicht Rechnung. Wir meinen aber, daß gerade da Ansatzpunkte auch für einen anderen Bereich sind, von dem wir vorhin gesprochen haben, nämlich für die entscheidende Verbesserung unserer Position als Wirtschaftsstandort in Europa.

Aus unserer Sicht sind Broschüren unzureichend, ist ein zusätzliches Aufblähen der Administration nicht geeignet, der Begabungsförderung eine neue Orientierung zu geben. Daher meinen wir, daß da für Sie, Frau Bundesministerin, Handlungsbedarf besteht, und werden dem zur Debatte stehenden Entschließungsantrag der Freiheitlichen, durch den Sie ersucht werden, dem Parlament entsprechende Maßnahmen und Zielvorgaben vorzulegen, um die außerordentlichen Begabungen von Schülern und Schülerinnen im Rahmen des Unterrichts zu fördern, unsere Zustimmung erteilen. (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Scheibner. – Abg. Dr. Ofner: Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegenteil!)

10.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Antoni. (Abg. Dr. Haider: Der kommt auch aus der Sonderschule für die Schwerbegabten! – Abg. Mag. Stadler: Das ist ein Schwerbegabter! – Abg. Dr. Antoni: Ich komme aus der Sonderschule, aber als Lehrer, Herr Kollege! – Ruf bei den Freiheitlichen: ... wie man Unterschriften macht!)

10.49

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Für mich ist es kein Schimpfwort, wenn Sie sagen, daß ich aus der Sonderschule komme. Ich komme in der Tat aus der Sonderschule, allerdings als Lehrer und als Pädagoge, und ich bin stolz darauf, daß ich auch in diesen Institutionen arbeiten konnte und durfte. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Ofner. )

Herr Kollege Schweitzer! Die SPÖ biedert sich bildungsmäßig nach unten an. – Das ist schon eine Demaskierung Ihrer Fraktion, der ich ein bißchen nachgehen möchte.

Die SPÖ nimmt sich auch und ganz besonders jener jungen Menschen an, die schulisch, bildungsmäßig – aus welchen Gründen immer – benachteiligt sind. Dazu bekennen wir uns! Um jene, die keinen Bildungsabschluß, keinen Lehrplatz haben, nehmen wir uns an. Wir nehmen uns deshalb dieser Menschen an, weil wir wissen, daß schlechte Ausbildung die Chancen auf einen Arbeitsplatz verringern.

Sie von der "F" sind doch jene, die immer wieder behaupten – allerdings nur in Sonntagsreden –, die Vertreter der Kleinen und Benachteiligten zu sein. (Abg. Dr. Haider: Sind wir eh!) Sie geben vor, sie zu beschützen und ihnen zu helfen. (Abg. Dr. Haider: Wir sind die einzigen, die eine Steuerreform für die Kleinen wollen! – 6 000 junge Menschen ohne Arbeit, das ist eure Politik!) Herr Klubobmann, im schulischen Bereich können Sie diese Behauptung nicht aufrechterhalten! (Abg. Koppler: Wählertäuschung macht ihr!)


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Meine Damen und Herren! Im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ist die laufende Verbesserung, ist die Modernisierung der Qualifikation für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein sehr entscheidender Ansatz. Den erwachsenengerechten Bildungseinrichtungen kommt dabei ganz besondere Bedeutung zu.

Wir meinen daher, daß das nunmehr vorliegende Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige sehr wohl eine Weiterentwicklung und eine Antwort auf die Herausforderungen der Zeit darstellt und daß wir mit der heutigen Beschlußfassung einen weiteren Schritt in Richtung lebensbegleitendes Lernen gehen.

Erfaßt werden in diesem Gesetz – das wurde schon erwähnt – alle Formen von Schulen für Berufstätige, allgemeinbildende höhere, berufsbildende mittlere und berufsbildende höhere Schulen und Lehranstalten.

Kollege Moser hat hier kritisiert, daß das zuwenig an Weiterentwicklung sei. Ich darf Ihnen, Herr Kollege, schon sagen, daß wir – und das ist nicht immer der Fall – gerade bei der Entwicklung und Diskussion dieses Gesetzes die in diesen Schulen tätigen Pädagoginnen und Pädagogen wie selten zuvor in die Gesetzwerdung eingebunden haben. Ihre Erfahrungen, ihre Wünsche, aber auch ihr Können und ihre Kompetenzen haben in dieses Gesetz wirklich Eingang gefunden, viele ihrer Vorstellungen wurden einbezogen. Ich bin den Kolleginnen und Kollegen aus diesen Schulen für ihre Mitarbeit sehr dankbar. Ebenso dankbar bin ich den Beamtinnen und Beamten des Ministeriums für die gute Zusammenarbeit.

Ich glaube – und das betone ich –, daß die Schulen für Berufstätige nun doch die immer wieder monierte und eingeforderte Rechtssicherheit bekommen haben.

Es geht bei diesem Gesetz um Schulen für Erwachsene, und es war daher erforderlich, in diesem Gesetz insbesondere Elementen der Erwachsenenbildung wie dem Fernunterricht, Modulsystemen, besonderen Maßnahmen hinsichtlich der Lehr- und Lernformen, aber auch Prüfungssituationen, Prüfungsmethoden und Fragen der Beurteilung Rechnung zu tragen. Wir meinen, daß das sehr wohl ein Schritt in Richtung Modernisierung unseres Bildungssystems ist.

Unser Bildungssystem muß weiterentwickelt werden. Es muß so flexibel und so durchlässig wie möglich gestaltet werden, insbesondere im Bereich der Erwachsenenbildung, um einem mehrmaligen Wechsel des Berufes, dem Entstehen neuer Berufe und Berufsfelder, der notwendigen Mobilität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gerecht werden zu können und um die Herausforderungen der neuen Kommunikationstechniken annehmen zu können. Dazu zählen eben in besonderer Weise Modulelemente, aber auch die in Arbeit stehende Berufsreifeprüfung darf da nicht fehlen.

Ich möchte jetzt auf ein Problem eingehen, das uns besondere Sorge bereitet. Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Es ist derzeit nicht möglich, den Pflichtschulabschluß, wenn man die öffentliche Schule ohne Pflichtschulabschluß, etwa ohne Hauptschulabschluß, verläßt, an einer öffentlichen Schule nachzuholen. Es ist lediglich im Rahmen einer Externistenprüfung möglich, diese Versäumnisse nachzuholen.

Wir wissen – und das tut uns weh –, daß jährlich rund 5 000 bis 7 000 Jugendliche die AHS, die Hauptschule oder die Sonderschule ohne Pflichtschulabschluß verlassen. Die Kosten für den nachträglichen Erwerb dieses Abschlusses sind enorm, sie liegen zwischen 7 500 S an der Volkshochschule und sagenhaften 24 000 S an privaten Fernlerninstituten. Nun sind das aber gerade oft Menschen, die keine Arbeit und auch keine Aussicht auf einen Arbeits- oder Lehrplatz haben, an oder unter der Armutsgrenze leben und sich diesen nachträglichen Abschluß kaum leisten können.

Ich appelliere daher an alle Bildungsverantwortlichen dieses Hauses, die heute von der Frau Bundesministerin in der Fragestunde angesprochenen Lösungsansätze möglichst rasch zielgruppenorientiert und flexibel weiterzuentwickeln und anzubieten. Der Bildungsabschluß ist eine Chance für den Einstieg in einen Beruf. Das Fehlen eines positiven Bildungsabschlusses ist eine


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dramatische Benachteiligung nicht nur im Bildungssystem generell, sondern auch auf dem Arbeitsmarkt insgesamt.

Nun noch zwei Bemerkungen zur Situation der Begabtenförderung.

Es ist falsch, zu sagen, die SPÖ halte nichts von Begabtenförderung. Wir stehen sehr wohl zur Begabtenförderung, sind jedoch der Auffassung, Begabtenförderung kann und soll vorwiegend im integrativen, also im gemeinsamen Unterricht erfolgen. Ich bin in der Tat der Auffassung – ich wiederhole hier das, was ich im Unterrichtsausschuß gesagt habe –, daß die angebotenen Maßnahmen und die breite Palette der Begabungsförderung an unseren Schulen in der gegenwärtigen Situation ausreicht. Natürlich ist es möglich, das weiterzuentwickeln, aber wir werden auch in Zukunft der integrativen Begabtenförderung immer wieder den Vorrang geben.

Wir stehen auch zur Leistungsorientierung, Kollege Schweitzer, nur ist unser Zugang zur Leistungsorientierung ein anderer: Wir legen sehr viel Wert auf Motivation, sehr viel Wert auf positive Einstellung zum Lernen, die sicherzustellen ist. Wir wollen die jungen Menschen zum selbstverantwortlichen Lernen hinführen und ihnen dazu Hilfestellungen anbieten.

Es ist in der Tat so, daß wir meinen, daß in Zeiten wie diesen wichtigere Ansatzpunkte beziehungsweise wichtigere Schwerpunktsetzungen notwendig sind. Wie erwähnt sind dies: die Möglichkeit des Nachholens eines Pflichtschulabschlusses, Maßnahmen zur Reduzierung der im internationalen Vergleich enorm hohen Repetentenzahl – 50 000 Negativbeurteilungen in jedem Schuljahr – und Maßnahmen zur Senkung der hohen Kosten für Nachhilfeunterricht.

Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung gesagt: Die Jugend hat ein Recht auf Ausbildung, die Jugend hat ein Recht auf Fort- und Weiterbildung. Diese Voraussetzungen sind sicherzustellen, damit wir den Herausforderungen der Zukunft entsprechen können. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

10.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger.

10.58

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Während Abgeordneter Schweitzer vorhin eine sehr ideologische Debatte über die Begabtenförderung angezogen hat und einige eingefrorene Trompetentöne von sich gegeben hat, möchte ich, so wie auch meine Vorredner, mit dem beginnen, was zur Verhandlung steht, mit dem Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, hinsichtlich dessen wir Grüne der Überzeugung sind, daß es nicht gerade ein idealer Entwurf ist. Aber immerhin beendet es eine Situation, die unerträglich war, da der Schulunterricht in diesem Bereich nur über Erlässe des Ministeriums geregelt war. Es wird sozusagen ein über Jahrzehnte bestehender illegaler Zustand des Schulunterrichts für Berufstätige beendet.

Wir haben deswegen ein Problem mit diesem Schulunterrichtsgesetz, weil es uns – und das haben wir auch im Ausschuß sehr eindringlich gesagt – zuwenig weit geht. Es ist von Widersprüchen geprägt. Dieses Schulunterrichtsgesetz geht von einer Schulorganisation in starren Klassenverbänden aus, wobei wir wissen, daß die Schulpraxis Gott sei Dank teilweise schon eine andere ist, und gleichzeitig enthält es auch Elemente, zum Beispiel das Aufsteigen mit mehreren Nicht genügend, die mit dem starren Klassenverbandssystem in Konflikt kommen.

Ich halte es an und für sich für eine positive Sache, daß im Bereich von – wie es im Ausschuß geheißen hat – jungen Erwachsenen respektiert wird, daß sie beim Aufsteigen mit mehreren Nicht genügend selbst die Entscheidung treffen können, wie sie mit diesen Nicht genügend umgehen. Es ist eine absolut positive Sache – es war auch positiv, wie im Ausschuß darüber diskutiert wurde –, daß man junge Erwachsene, oder wie auch immer man diese Gruppe bezeichnen mag, ernst nimmt in ihrer Entscheidungsfähigkeit, in ihrer Fähigkeit, selbst zu bestimmen, wie sie mit der Tatsache, daß sie aufgrund einer ungenügenden Leistung in einigen Bereichen Defizite haben, umgehen wollen.


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Ich hätte mir gewünscht – nicht im Ausschuß, sondern generell –, daß man eine solche Debatte, wie sie im Ausschuß geführt wurde, nämlich sehr sachlich, auch im Bereich anderer junger Erwachsener geführt hätte. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Die Benotung, das Notensystem im Bereich junger Erwachsener, die die Matura anstreben – und da handelt es sich ja auch um junge Erwachsene –, wird meiner Ansicht nach gerade durch diese Reform in Frage gestellt, und zwar zu Recht in Frage gestellt, und wir werden, so meine ich, in den nächsten Jahren noch weiter darüber diskutieren müssen, ob dieses Notensystem, auf das ich später noch zu sprechen kommen werde, tatsächlich geeignet ist, Leistungen zu beurteilen, um den Jugendlichen ein positives Feedback zu geben.

Unverständlich ist mir beim Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige die Differenzierung zwischen den allgemeinbildenden Schulen für Berufstätige, in denen man mit bis zu drei Nicht genügend aufsteigen kann, und den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, in denen man mit mehr als drei Nicht genügend aufsteigen kann. Diese Differenzierung ist mir unverständlich. Auch wenn Herr Sektionschef Jonak das zu erklären versucht hat, ist mir das nach wie vor unerklärlich. Ich halte es gerade in einer Zeit, in der sich Gott sei Dank europaweit die allgemeinbildenden Schultypen und die berufsbildenden Schultypen zueinander bewegen, in der die äußere Differenzierung zwischen den verschiedenen Schultypen Gott sei Dank in Frage gestellt wird, weil sie durch eine bestimmte Entwicklung hinfällig geworden ist – noch zu wenig in Österreich, das gebe ich zu, aber auch wir werden dazulernen müssen, nicht nur die Schüler in den Schulen –, für widersinnig.

Die Kritik am Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige betrifft also die Tatsache, daß es das Kurs- und Modulsystem nicht oder nur unzureichend berücksichtigt, also nur in bestimmten Teilbestimmungen darauf Rücksicht nimmt. Wie gesagt, die positive Regelung ist die, die das Aufsteigen betrifft, sonst ist es – es tut mir leid; es ist das aber kein Vorwurf – ein sehr konventioneller Entwurf, der das Schulunterrichtsgesetz, das den Unterricht an den normalen Schulen regelt, für Erwachsene weiter fortschreibt.

Mein einziger Einwand und auch Hinweis, daß das nicht unbedingt das Optimum ist, und auch mein Verdacht, daß da andere Interessen zum Tragen gekommen sind, ist in den Erläuterungen begründet, in denen steht: Weiters ist zu bedenken, daß die Unterrichtserteilung an den Schulen für Berufstätige im wesentlichen durch solche Lehrpersonen erfolgt, die auch unter Umständen überwiegend an Tagesschulen unterrichten, sodaß die Übernahme der bewährten grundsätzlichen Systematik des Schulunterrichtsgesetzes auch aus dieser Überlegung heraus zweckmäßig erscheint.

Mein Einwand, mein Verdacht und mein Problem sind, daß sich das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige nicht primär, wie leider so viele Gesetze im Unterrichtsbereich, an den Interessen und Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler orientiert, sondern an den Strukturen, die es fortzuschreiben gilt, die man übernehmen muß, die man fortführen muß, weil sie sich bewährt haben, weil es sozusagen naheliegend ist. (Zwischenruf des Abg. Dr. Niederwieser .) Das ist das Problem, Kollege Niederwieser!

Wir könnten das sehr ausgiebig diskutieren. Ich weise darauf hin, daß wir – und wir werden auch in unserem Abstimmungsverhalten dem dadurch Rechnung tragen, daß wir diesem Entwurf in zweiter Lesung nicht zustimmen werden, in dritter Lesung aber zustimmen werden – diesen Entwurf für tauglich halten, die bestehende Situation, die es im Bereich für Berufstätige gibt, zu verbessern, sie auf eine legistische Grundlage zu stellen. Aber es ist nicht der große Entwurf. In den Erläuterungen klingt ja an, daß dazu wesentlich umfangreichere Änderungen, beispielsweise in der Schulorganisation, notwendig wären.

Also: Dieser Entwurf ist nichts Großartiges, aber etwas Notwendiges, etwas Taugliches, und damit kann ich meinen Debattenbeitrag zu diesem Punkt eigentlich beenden. Die positiven Seiten dieses Entwurfs habe ich ja schon herausgestrichen.

Ich komme nun zu einer Debatte, die ja auch hier in der allgemeinen Diskussion schon begonnen hat und die gerade mit diesem Benotungssystem in engerem Sinne zusammenhängt.


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Ich mache kein Hehl daraus, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß ich kein Freund dieses Notensystems bin, daß ich mir andere, wesentlich bessere Möglichkeiten der Leistungsbeurteilung vorstellen kann – diese gibt es ja schon teilweise im Schulversuch an den Schulen –, beispielsweise die mündliche Leistungsvorlage.

Worüber man in diesem Zusammenhang diskutieren muß, ist das, was Stadtschulratspräsident Scholz in den letzten Tagen in die öffentliche Debatte eingebracht hat. Das hat nicht nur mich beunruhigt, sondern, wie ich vermute, auch viele angehende Lehrer. Aber gerade jene Lehrer, die es eigentlich hätte beunruhigen sollen und müssen, beunruhigt es am wenigsten, und das sind die Gott sei Dank sehr wenigen, aber doch im Schulsystem vorhandenen Typen von Lehrern, die ihre Schüler so fest im Griff haben, daß sie ihnen nicht nur eine unterwürfige Achtung entgegenbringen, sondern auch eine devote Haltung einnehmen.

Jeder, der hier im Hohen Haus sitzt, kennt, würde ich meinen, diesen Typ von Lehrer oder Lehrerin. Er ist sehr selten, aber er findet sich in der nicht unbeträchtlichen Population von Lehrern wieder. Das sind jene Lehrer, die sozusagen das klassische Mobbing betreiben, die ihre Schüler fest im Griff haben und genau dadurch jene unterwürfige und achtende Haltung, wie beim Hund-Herr-Verhältnis – um es einmal auf den Punkt zu bringen –, erzeugen, die das Problem darstellt, weil sie Kritik der Schüler nicht ermöglicht und Kritikfähigkeit nicht fördert, weil sie nicht ermöglicht, daß tatsächlich auf Defizite hingewiesen wird.

Es tut mir leid, Herr Stadtschulratspräsident Scholz – diese Worte sind an Sie gerichtet, auch wenn Sie nicht hier im Hohen Hause anwesend sind –, dieser Ihr Vorschlag ist der falsche Ansatz, und zwar deshalb, weil er genau an dieses Problem nicht herankommt.

Ich nehme noch einmal Bezug auf die Salzburger Studie, die heute schon diskutiert worden ist. Ich meine, das Problem des Mobbing in den Schulen – egal, ob von Lehrern gegenüber Schülern oder von Schülern gegenüber Lehrern oder von Schülern gegenüber anderen Schülern – ist ernst zu nehmen. Wir haben uns mit diesem Problem auseinanderzusetzen! Wir können nicht lehrergewerkschaftlich vorgehen und sagen: Wir diskutieren nicht einmal darüber, denn wir haben keine ausreichenden Diskussionsgrundlagen, und wir lehnen das daher ab, aus, Punkt, basta!

Das ist die falsche Antwort! Wir müssen uns sehr intensiv, aber auch sehr vertrauensvoll mit diesem Problem auseinandersetzen.

Frau Ministerin! Ihre Antwort auf den Vorschlag des Herrn Stadtschulratspräsidenten hat mich zwar auf der einen Seite beruhigt – das gebe ich zu, das war eine durchaus deutliche Antwort –, aber sie hat mich auf der anderen Seite auch etwas beunruhigt, und zwar deshalb, weil Sie gesagt haben, daß es das, was der Stadtschulratspräsident jetzt vorhat, im Schulsystem schon gibt. Wenn es das so gibt, wie es Stadtschulratspräsident Scholz in Wien machen will, dann beunruhigt mich das, weil der Fragebogen, den der Stadtschulratspräsident Elternvertretern und Schülervertretern aushändigen will, um Lehrer beurteilen zu können, zu Sorge Anlaß gibt. Dieser Fragebogen, den ich nicht im Detail kenne – ich kenne davon nur eine Seite, und zwar jene, die in "ZiB 1" oder in "ZiB 2" faksimiliert gezeigt wurde –, beunruhigt mich deshalb, weil er für jeden Eltern- und Schülervertreter eine Überforderung darstellt.

In diesem Fragebogen wird beispielsweise gefragt, ob der Professor oder die Professorin, ob der Unterrichtende methodenpluralistisch oder methodenmonistisch vorgeht. Das ist meiner Meinung nach eine reichlich universitäre Fragestellung, und ich kann es und will es weder einem Eltern- noch einem Schülervertreter zumuten und teilweise – das gebe ich zu – auch nicht zubilligen, über den Methodenpluralismus oder den Methodenmonismus des Unterrichtenden ein Urteil abzugeben. Ich halte das wirklich für ein Problem.

Das wäre noch das vernachlässigbare Problem, wären nicht so viele begleitende Fragen ungeklärt und würden dieser Fragebogen und all das, was mit ihm zusammenhängt und was hier in Diskussion gebracht wurde, nicht gerade im Bereich der Junglehrer und Junglehrerinnen eine unzumutbare Belastung und Anspannung erzeugen. Aufgrund dieses Fragebogens kann nämlich auf die eigentlichen Problemlehrer kein Zugriff erfolgen, weil sie sich dieser Art der Beurtei


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lung durch das oftmals allzugroße Vertrauen auch der Schüler und aufgrund der oftmals vorhandenen Unkenntnis von Eltern leider entziehen. Für Junglehrer bedeutet das aber, nämlich eine solche Beurteilung des Schulpraktikums, die Anforderung von Zusatzqualifikationen, die Beurteilung durch einen Landes- oder Stadtschulrat, der nach wie vor in vielen Fällen – nicht immer – parteipolitische Kriterien kennt, und gleichzeitig eine Zuweisung der dann selektierten Lehrer an die Direktoren, die ebenfalls nach parteipolitischen Kriterien bestellt worden sind, und die Möglichkeit für den Direktor, den schon vorselektierten Junglehrer dann trotzdem noch abzuweisen, eine unzumutbare Anspannung, vor allem angesichts der Tatsache, daß wir Tausende arbeitslose Junglehrer haben, die auf eine Anstellung warten, was aufgrund des Sparpakets nicht möglich ist.

Ich halte das für ein großes Problem. Ich halte das, was da in der öffentlichen Debatte vorgeschlagen wurde, für ungeeignet. Ich wünsche mir, Frau Ministerin, daß auch von Ihrer Seite deutlicher als bisher – obwohl Sie das gemacht haben, das billige ich Ihnen zu – auch jenen Lehrern, die mit Engagement ihren Unterricht gestalten, der Rücken gestärkt und nach sinnvollen Möglichkeiten gesucht wird, mit Problemlehrern zurechtzukommen. Es gibt sie, wir wissen es – ich habe darauf hingewiesen –, und zwar nicht unbedingt nur den Lehrer vom Schüler Gerber. Es gibt wesentlich differenziertere Formen, wie man als Lehrer gegenüber Schülern Mobbing betreibt. Ich halte das für ein Problem, und wir müssen uns ernsthaft damit auseinandersetzen.

Vieles von dem, was im Rahmen der Schulpartnerschaft von seiten des Stadtschulratspräsidenten versucht wird, halte ich – und darauf haben auch Sie schon hingewiesen – für eine ganz sinnvolle Sache. Meiner Ansicht nach hat auch der Vorschlag, den die Kinderfreunde in die Debatte eingebracht haben, nämlich das Feedback an den Schulen stattfinden zu lassen, eine gute Qualität, und ich begrüße es. Ich würde mir wünschen, daß nicht nur über Junglehrer, sondern über alle Lehrer zumindest einmal oder zweimal pro Jahr, in einem bestimmten Rhythmus, eine Auseinandersetzung stattfindet, an der sich alle Partner der Schulgemeinschaft beteiligen können. Ich wünsche mir das ohne die Anwesenheit der Inspektoren. Ich halte es für sinnvoll, daß dieser Dialog an den Schulen stattfindet, daß man sich da mehr – und das erfordert auch Anstrengungen von seiten der Eltern, keine Frage – einbringt. (Beifall bei den Grünen.)

Die Eltern sind meiner Ansicht nach insofern das schwache Glied, als ihre zeitlichen Möglichkeiten, sich auch um diese praktischen Unterrichtsfragen zu kümmern, sehr begrenzt sind oder sehr begrenzt werden, weil da vieles auch von dem zutrifft, was ja auch Sie, Frau Ministerin, schon gesagt haben, nämlich daß da Verantwortungen delegiert werden, und zwar nicht deshalb, weil das Lust und Laune der Eltern ist, sondern deswegen, weil das der Arbeitsalltag erfordert. Da ist eine Überforderung auf allen Seiten zu konstatieren, mit der wir uns intensiver auseinandersetzen müssen.

Aber zurück zum Thema: Ich halte das, was in dieser Woche und in den letzten Wochen geschehen ist, für falsch, wenn es nicht in eine sehr konstruktive Debatte rückgeführt wird, die die großen Linien der Schul- und Unterrichtspolitik in Österreich thematisiert. Ich halte es für wichtig, daß wir die großen Linien thematisieren, nicht die Begabtenförderung im besonderen, nicht eine einseitige Orientierung in der Begabtenförderung, Herr Abgeordneter Höchtl und Herr Abgeordneter Schweitzer. Was Sie immer im Kopf haben – und das geht mir nicht in den Kopf –, das sind nur der IQ und die Begabung, die über den IQ gemessen werden kann. (Abg. Dr. Höchtl: Im Kopf sind noch andere Fähigkeiten!)

Denken Sie doch daran, daß es soziale, musische, emotionale Begabungen gibt und daß diese in den Schulen vielfach zu kurz kommen. (Abg. Dr. Höchtl: Warum sagen Sie das mir?) Ihr Modell von Begabtenförderung, das Sie anbeten, hat nur die kognitive Begabung im Sinn und im Kopf. (Abg. Dr. Höchtl: Wer sagt das?) Wir werden mit dieser einseitigen Begabungsförderung nicht weiterkommen können. Da muß die Schule insgesamt andere Antworten geben, Antworten, die Sie zu geben nicht bereit sind, weil sie noch immer an dem Bild der äußeren Schuldifferenzierung festhalten und nicht an dem Bild einer Schule, die den Schüler in den Mittelpunkt stellt, die dessen Förderung in den Mittelpunkt stellt, die allen die gleichen Voraussetzungen gibt, tatsächlich gefördert zu werden, die eine innere Differenzierung ermöglicht. Sie halten fest


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am starren dreigliedrigen Schulsystem, wo Hauptschulen, Mittelschulen, Gymnasien und welche anderen Schultypen auch immer miteinander konkurrieren müssen (Abg. Dr. Höchtl: Konkurrenz ist gut!) , obwohl sie nicht miteinander konkurrieren können. (Abg. Dr. Höchtl: Für Differenzierung bin ich, weil die Menschen unterschiedlich sind!)

Da wäre eine innere Differenzierung notwendig, so wie es in allen anderen europäischen Ländern derzeit schon üblich und selbstverständlich ist. (Abg. Dr. Höchtl: Ich bin sowohl für innere Differenzierung als auch für äußere Differenzierung, für möglichst viel Differenzierung!) Wir sind doch nur mehr ein Relikt, Herr Abgeordneter Höchtl! Österreich und die Bundesrepublik Deutschland stehen in der Bildungslandschaft einzigartig dar, was die Vernachlässigung einer gemeinsamen Erziehung für alle Jugendlichen und ihre individuellen Förderungsmöglichkeiten durch einen Gesamtschultyp betrifft. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Höchtl: Mit Ihrer politischen Vergangenheit sind Sie ein Relikt!)

11.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Brinek. – Bitte, Frau Abgeordnete. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

11.18

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Obwohl zum Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige schon viel gesagt worden ist, lassen Sie mich auf einige Aspekte eingehen, vor allem ein paar Argumente meiner Vorredner wieder aufnehmen.

Gleich zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich sagen, daß jenen Berufstätigen, die sich noch einmal einem Schulbesuch unterziehen – das sage ich jetzt einmal so technisch und formal –, um eine AHS oder eine BHS abzuschließen, Hochachtung und Anerkennung auszusprechen ist. Sie sind draufgekommen, daß man ohne Lernen, auch ohne standardisierte Abschlüsse nicht weiterkommt, und sie haben sich hochmotiviert noch einmal aufgerafft, eine Schule zu besuchen, um zu einem Abschluß zu kommen. Noch einmal: Anerkennung und Hochachtung vor diesen Leuten!

Wir haben bei der Ausarbeitung dieses Schulunterrichtsgesetzes im Kontakt sowohl mit Schulabgängern als auch mit Lehrern eine, wie ich meine, angemessene und zeitgemäße Form gefunden, und alle Vorwürfe, wir hätten nicht, wie es so schön heißt, adressatengemäß gehandelt und gedacht, sind zurückzuweisen. Das ist eine effiziente, probate Form, um zu einem guten und anerkannten Abschluß zu kommen. Damit ist aber nicht gesagt, daß alle Formen des lebenslangen Lernens so ablaufen müssen oder nach diesem Schema ausgerichtet werden müssen.

Apropos lebenslanges Lernen: Das Jahr 1996 stand für die EU, für ganz Europa und damit auch für Österreich, unter dem Leitmotiv des lebenslangen Lernens. Die Leitlinien gehen davon aus, daß damit das lebenslange Lernen 1996 nicht beendet werden sollte, sondern zur Selbstverständlichkeit jedes Menschen werden und nicht nur ein plakatives Motto für ein Feierjahr sein sollte.

Der EU-Ausschuß für Bildungsfragen hat – das möchte ich gerne in Erinnerung rufen – Strategien für das lebensbegleitende Lernen verabschiedet. Die wichtigste Voraussetzung dabei ist meiner Meinung nach, daß Lernen beziehungsweise Schule und Arbeitswelt näher zusammenrücken.

Das läßt sich nicht in einem Gesetz, vorgeschlagen im Unterrichtsministerium, verabschiedet vom Nationalrat, bewerkstelligen. Das läßt sich, wie ich aber meine, gut bewerkstelligen, wenn Unterrichtsministerium, Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Wissenschaftsministerium, eigentlich alle Ministerien, alle Instanzen, die sich damit beschäftigen, zusammenwirken.

Die Motivation zum lebenslangen Lernen und die Verbindung Arbeitswelt und Schule werden verhindert, wenn einzelne Schulpolitiker, wenn einzelne früh veröffentlichte Forschungsergeb


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nisse Schule, Lernen, Lehrer, pädagogische Akteure, Eltern, Schüler madig machen. Das ist ein Verhinderungsweg.

Lassen Sie mich aber zum EU-Jahr und zu den Empfehlungen des EU-Bildungsausschusses zurückkommen, um zu sehen, inwieweit Österreich schon auf gutem Weg ist. Im Bereich Herausforderungen allgemeiner und beruflicher Bildung wird genannt: Familien sind zu unterstützen, da, wo vor allem Kinder Unterstützung brauchen – Stichwort Frühförderung, Kindergarten, Vorschulerziehung; Österreich ist da auf gutem Weg, was nicht heißt, wir dürfen uns zufrieden zurücklehnen. Verstärkte Bemühungen im Kampf gegen funktionellen Analphabetismus, Stärkung der Kulturtechniken, der Rechenfähigkeit und Verbesserung der Diversifizierung im Erlernen von Sprachen und Fremdsprachen, das ist ein wesentlicher Punkt, den die EU ins Zentrum der Bemühungen stellt. Österreich kann sich davon nicht abkoppeln.

Weiters heißt es: nachhaltige Unterstützung in der Verbesserung beziehungsweise Reform der Lehrpläne. Die Frau Bundesministerin hat sowohl in der Fragestunde als auch in der Debatte ausgeführt, wie die Lehrplanentwicklung weitergehen soll und wie auch im Bereich Kern- und Erweiterungsbereiche die Erweiterungsbereiche zur Schwerpunktsetzung und zur Begabtenförderung genützt werden können.

Des weiteren ist zu berücksichtigen, daß es von der EU Maßnahmen zur Bereitstellung von Information betreffend Berufswahlentscheidung, Studienwahlentscheidung gibt. Ich bin gespannt, wie viele Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten die Berufs- und Studieninformationsmesse, die in den nächsten Tagen in der Wiener Stadthalle stattfinden wird, besuchen werden, und ich hoffe, daß viele Schülerinnen und Schüler, viele Lehrerinnen und Lehrer die mitgebrachten Erfahrungen, sei es in Form von Prospekten oder sonstigen Unterlagen, auch aufarbeiten und den Mut haben, die Informationen bezüglich chancenreicher versus chancenloser Berufe, chancenreicher beziehungsweise chancenarmer Studienrichtungen zu diskutieren.

Die Vorgangsweise von Bundesministerin Gehrer, im Vorjahr den potentiellen Lehramtsstudentinnen und -studenten zu sagen, wie lange sie auf eine Anstellung warten müssen, habe ich für eine unendlich hilfreiche Maßnahme gehalten, die wir durchaus im Konzert mit allen anderen noch ausbauen können.

Was sagt die EU noch, und wo gibt Österreich eine Antwort? – Ausbau der multimedialen Mittel an den Schulen im Rahmen der verfügbaren Finanzmittel. Hier gibt es Anstrengungen sowohl von seiten der Länder – hier ist wieder Vorarlberg als herausragend zu nennen – als auch von seiten des Ministeriums, sprich des Bundes, im Zusammenwirken mit Sponsoren und mit Firmen, die im Bereich wirtschaftlicher Unterstützung bereit sind, etwas beizutragen.

Schließlich Ausbau der Partnerschaft zwischen Schule und Europäischer Gemeinschaft im weitesten Sinn: Ich bin sehr froh darüber – wir müssen gesamthaft denken –, daß wir in das Universitätsstudiengesetz gerade auch noch ein längerfristiges Mobilitätsprogramm für Studenten, damit auch für Lehrer-Studenten und damit auch für Schüler etablieren können.

Zu den Ausführungen meiner Vorredner: Kollege Moser hat angesprochen, wie gut ausgebildet die Lernbereitschaft der Österreicher doch schon sei und wo anzusetzen wäre. Ich meine nicht, daß von seiten des Unterrichtsministeriums oder des Nationalrats für Hausfrauen Weiterbildungsprogramme vorgelegt werden sollen. Ich sehe das als eine Überforderung beider Seiten. Ich meine aber, daß vor dem Abkoppeln, vor dem Zurückziehen auf ganz bestimmte Lebensbereiche gewarnt werden muß. Ich glaube, daß wir die 35 Prozent jener, die nicht bereit sind, Lernen positiv zu sehen, die ein Problembereich sind, durch Schulmotivation und durch Nichtdiskriminierung des Lernens zum Lernen an sich bewegen können.

Damit bin ich bei einem abschließenden Punkt, der schon von Kollegen Öllinger angesprochen wurde: Was wir nicht tun sollen, ist, Schule, Schüler, Lehrer madig machen.

Ich denke, daß die Berichtsbogen-Aktivität, die Feedback- oder Evaluationsbemühungen des Präsidenten Scholz genau in die falsche Richtung gehen. Er verlangt von den Eltern Mitsprache, er verlangt von den Schülern, von denjenigen, die gerade in Ausbildung stehen, mindestens die


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gleiche Kompetenz wie vom Lehrer selbst. Die Methodenpluralität ist angesprochen worden. Er möchte Schüler und Eltern fragen, ob der Lehrer praxisorientiert unterrichtet. Das kommt mir ungefähr so vor, wie wenn die Ärzte von der Krankenkasse aufgefordert würden, ihren Patienten einen Berichtsbogen in die Hand zu geben, damit diese beurteilen, ob nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft diagnostiziert wurde. Wenn das Resultat der Auswertung der Bögen schlecht ist, bekommt der Arzt seinen Kassenvertrag nicht mehr. – Also so kann man doch mit der Kompetenz von Lehrern nicht umgehen, wobei das Moment, daß wir bei der großen Bewerberzahl und bei der geringen Zahl von Stellen ein Auswahlkriterium finden müssen, nicht in Frage gestellt werden soll. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben jetzt schon genügend Möglichkeiten, eine vernünftige Lehrerauswahl zu treffen. Wir haben die Kompetenz der Vorgesetzten, sprich Direktoren, wir haben die pädagogischen Konferenzen. Nützen wir die vorhandenen Möglichkeiten, um zu einer guten Lehrerauswahl und zu einem guten Lehrer-Feedback zu kommen, und gehen wir nicht auf populistische Fallen, Vorschläge von einzelnen Schulpolitikern ein, machen wir die Schule nicht schlecht, sondern besetzen wir im Sinne des lebenslangen Lernens das Lernen und Weiterkommen positiv. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Dr. Antoni. )

11.27

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Schöggl. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

11.27

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Kollege Öllinger hat vorhin gesagt – es war zwar sarkastisch gemeint –, das österreichische Bildungswesen stehe gemeinsam mit dem deutschen Bildungswesen einzigartig als Relikt da. Ich muß sagen: Gott sei Dank! Wir müssen uns bemühen, dieses Schulwesen noch zu verbessern, wobei jede Nivellierung nach unten im Grunde von der Wurzel weg zu verhindern ist. Die Orientierung muß nach vorne, nach oben gehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige: Ich persönlich habe vor den Mitbürgern, die neben ihrer beruflichen Belastung eine derartige Ausbildung anstreben, sehr hohe Achtung und großen Respekt. Ich habe auch beruflich bereits mit vielen Absolventen dieser Schule zu tun gehabt. Ich glaube, daß diese Leute sehr motiviert sind und sich wirklich mit viel persönlichem Engagement dieser Ausbildung unterziehen und dadurch eine Qualifikation in Kombination mit ihrem Beruf haben, die sie auch für die Wirtschaft sehr gut verwendbar und einsetzbar macht.

Ich möchte aber sagen, was diese Schule auf keinen Fall sein darf und sein soll – es hat auch ein Elternverein entsprechende Bedenken formuliert –: Diese Schule darf kein bequemer Parkplatz und keine Auffangstation für nichtberufstätige Schulabbrecher oder auch Langzeitarbeitslose sein, die dort keine Leistung erbringen und sich nicht einer Ausbildung unterziehen, sondern sich entsprechend über die Runden bringen wollen, denn dann ist auch der pädagogische Erfolg gefährdet.

Wir sind auch überzeugt davon, daß bei dem Bemühen, auf die besondere Situation der Schüler, die in diesem Gesetz zwar Studierende genannt werden, einzugehen, in einigen Punkten über das Ziel hinausgeschossen wird. Ein Punkt ist, daß man mit drei Nichtgenügend noch aufsteigen darf. Ich glaube, daß man damit dem Auszubildenden keinen guten Dienst erweist, weil er einen Stau an Stoff, den er zu bewältigen hat, mit in das nächste Semester nimmt, er dann ein Frustrationserlebnis hat und vor einer Fülle von unbewältigtem Stoff steht und daher eher scheitert, als wenn man ihm frühzeitig seine Grenze zeigt und ihn dazu bringt, früher zu wiederholen.

Darum bringe ich folgenden


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Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Schweitzer, Mag.  Dr.  Grollitsch, MMag.  Dr.  Brauneder, Madl, Dipl.-Ing. Schöggl und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Unterrichtsordnung der Schulen für Berufstätige erlassen wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Vorlage in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

§ 26 Abs. 1 Z 2 lautet wie folgt:

"2. an allgemeinbildenden höheren Schulen für Berufstätige in mehr als zwei Pflichtgegenständen nicht oder mit ,Nichtgenügend‘ beurteilt wurde."

*****

Sehr geehrte Damen und Herren! Bedenken habe ich persönlich auch hinsichtlich des Angebotes von Freigegenständen und unverbindlichen Übungen an dieser Schule. Wer nämlich den Druck der komprimierten Ausbildung dort kennt, weiß, daß derartige Gegenstände nicht oder wahrscheinlich sehr wenig zum Tragen kommen können.

Gestatten Sie mir noch einige Worte zum Gesetz über die Abgeltung der Prüfungstätigkeit, 385 der Beilagen. Beim ersten Hinschauen handelt es sich nicht um gewaltige Beträge: 29 S für eine mündliche Prüfung, 43 S für eine schriftliche Prüfung, und es wird im Vorblatt Kostenneutralität angegeben. Als gelernter Österreicher, meine Damen und Herren, ist man natürlich geneigt, eher Kostensteigerungen zu erwarten, und ich bin überzeugt davon, daß diese auch eintreten werden.

Wir haben dieser Vorlage im Ausschuß zugestimmt, weil sie derzeit im Konnex zu den bestehenden Schulgesetzen und dem Lehrerdienstrecht zu sehen ist. Ich glaube aber, daß derartige Abgeltungen für Tätigkeiten, die ein integrierter Bestandteil der Lehrertätigkeit sind – Prüfen gehört eben zur Aufgabe eines Lehrers –, nicht für alle Zeit gesondert erfolgen müssen. Ich glaube, daß man darüber bei der nächsten Besoldungsreform und bei den nächsten Lehrer-Dienstrechtsnovellen noch einmal eingehend diskutieren muß.

Ein Punkt, der darunter fällt und den ich nur kurz anreißen möchte, ist die Pragmatisierung der Lehrer. Auch darüber sollte man in weiterer Folge wieder einmal diskutieren. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Abgeordneter Dipl.-Ing. Schöggl hat einen Abänderungsantrag vorgetragen, der ausreichend unterstützt ist und in die Verhandlungen mit einbezogen wird.

Zu Wort hat sich nunmehr Frau Bundesministerin Gehrer gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin, Sie sind am Wort.

11.32

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu den Bemerkungen des Herrn Abgeordneten Öllinger möchte ich folgendes feststellen: Herr Stadtschulratspräsident Scholz hat vorgeschlagen, Zeugnisnoten für Lehrer durch Eltern und Schüler vergeben zu lassen. Er hat das als Mittel zur Qualitätsverbesserung und Objektivierung bezeichnet.

Ich habe dazu festgestellt, daß laufend zahlreiche Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung, Maßnahmen zur Qualitätskontrolle an den Schulen stattfinden und auch in den vergangenen Jahren immer wieder gesetzt wurden. Der Vorschlag des Herrn Stadtschulratspräsidenten, Zeugnisnoten für Lehrer zu vergeben, ist für mich zumindest problematisch. Ich stelle die Frage, ob das


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wirklich ein Weg ist, der zu einer Qualitätsverbesserung, zu einer Objektivierung beiträgt, wenn man anonym Zeugnisnoten vergibt.

Ich meine auch, daß es Aufgabe von Schulbehörden ist, Lehrer zu motivieren, und nicht, sie zu demotivieren. Ich halte es für besonders wichtig, immer wieder festzustellen, welch enorm gute Arbeit von Lehrern und Lehrerinnen geleistet wird. Dort, wo es Defizite gibt, müssen wir natürlich eingreifen, aber ich meine, daß in einer offenen Schulpartnerschaft, bei einem guten Schulpartnerschaftsklima die Bereiche, die Defizite besprochen und gelöst werden müssen, daß Schulbehörden Hilfestellungen geben müssen, ohne allgemein den Anschein zu erwecken, daß alle Lehrer in unserem Land diese Hilfen brauchen. Die brauchen nur ganz wenige.

Nun zu dem Vorschlag des Herrn Präsidenten, die Zeugnisnoten für Lehrer durch Eltern und Schüler vergeben zu lassen. Das ist ein Vorschlag, der von Schulfachleuten – nach seiner Aussage –, von Elternvertretern und Lehrervertretern erarbeitet wurde. Er ist gesetzlich zulässig, daher ist er als Pilotversuch zuzulassen. Ich meine jedoch, daß es sehr wichtig ist, daß ein unabhängiges Expertengremium diesen Versuch dahin gehend überprüft, ob das wirklich eine Qualitätsverbesserung und eine Objektivierung ist. Vorher muß man gar nicht darüber reden, daß dieser Versuch ausgeweitet wird.

Zu der Gesetzesvorlage, die wir heute beschließen. Meine Damen und Herren! Lebensbegleitendes Lernen ist notwendiger denn je. Die Schulen für Berufstätige leisten einen Beitrag dazu. Die Regelungen, die wir vorschlagen, sind bedarfsgerecht für Erwachsene. Sie bilden auch einen Schwerpunkt im Bereich der Dezentralisierung und Entbürokratisierung. Die Schule soll soviel wie möglich selbst beschließen.

Zum Bereich Erwachsenenbildung möchte ich ganz klar feststellen: Ich glaube, daß dort keine neue Zentralbürokratie entstehen darf, die unseren Erwachsenenbildungsorganisationen Vorschriften macht. Die Vielfalt muß gewährleistet bleiben. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Nürnberger und Dr. Gredler. )

Ich strebe die Teilrechtsfähigkeit an den Schulen an, damit auch dort Angebote gemacht werden können. Ich strebe ein interministerielles Gremium an, in dem die Erwachsenenbildung zwischen den fünf beteiligten Ministerien koordiniert wird. Das ist bereits ins Leben gerufen worden. Weiters habe ich einen Erwachsenenbildungsbeirat für die Vergabe meiner Mittel installiert, wo Schwerpunkte gesetzt werden, wo auch die Vergabe der Mittel transparent und objektiv vorgenommen wird.

Mir ist im Bereich der Erwachsenenbildung ganz besonders wichtig, daß wir endlich dazu kommen, vorhandenes Wissen anzuerkennen, mit der Lebenszeit junger Menschen sorgsam umzugehen. Ich halte es daher auch für einen wichtigen Fortschritt, daß die Ausbildung der Pädagogischen Akademien an den Universitäten anerkannt wird, daß Lehrer und Lehrerinnen, die eine Hauptschulausbildung haben, in den zweiten Studienabschnitt einsteigen können. Vorhandenes Wissen muß an weiterführenden Institutionen anerkannt werden.

Abschließend zum Schwerpunkt Begabtenförderung. Wir müssen Begabungen – Begabte – erkennen, wecken, fördern. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Begabungsförderung gibt es an unseren Schulen seit Jahren. Es ist auch ein Schwerpunkt meiner Arbeit, diese Begabungen an den Schulen besonders zu stützen.

Im heurigen Schuljahr, im Schuljahr 1996/97, werden folgende Schwerpunkte gesetzt: eine Gesetzesvorlage, damit auch in der Volksschule Schulstufen übersprungen werden können. Das Kontaktnetz zu den Universitäten für eine verstärkte Zusammenarbeit ist aufgebaut. Im neuen Lehrplan der Pädagogischen Akademie wird mit Erlaß verankert, daß die Begabtenförderung zur normalen Ausbildung von Lehrern und Lehrerinnen gehört. Ebenso sind Gespräche mit den Universitäten geführt worden, daß das in die Ausbildung der Lehrer aufgenommen wird. Ich arbeite derzeit an der Einrichtung eines Begabtenförderungsfonds mit Hilfe der privaten Wirtschaft. Zahlreiche Einzelprojekte in den Bundesländern – ich kann Ihnen eine ganze Liste geben – laufen derzeit.


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Meine Damen und Herren! Begabtenförderung braucht Flexibilität, die durch das Gesetz möglich sein muß. Sie braucht aber besonders individuelle Förderungen, die eben nicht bedarfsgerecht bundesweit gesetzlich vorgeschrieben werden können. Wie Sie sehen, setze ich also gerade im Bereich der Begabtenförderung im laufenden Schuljahr besondere Schwerpunkte. Daher meine ich, Aufforderungen, das zu tun, kommen zu spät und sind entbehrlich. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Redner ist Abgeordneter Dr. Stippel. – Herr Abgeordneter, bitte.

11.39

Abgeordneter Dr. Johann Stippel (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren des Hohen Hauses! Kollege Schweitzer hat in seinen Ausführungen davon gesprochen, daß die Sozialdemokratie im Bildungswesen für eine Nivellierung nach unten sei. Dem muß ich vehement widersprechen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte Kollegen Schweitzer und seine Kolleginnen und Kollegen vielmehr fragen, was sie mit ihrem Widerstand gegen eine andere Schulorganisation bezwecken, warum sie durch Nichtzustimmung zu anderen Schulorganisationsformen jungen Menschen die Chance nehmen – vor allem den Repetenten; ich werde das Problem gleich kurz erläutern –, ein, zwei oder vielleicht sogar drei Jahre früher mit ihrem Studium fertig zu werden.

Welchen Unsinn schleppen wir in unserem Schulwesen mit, wenn beispielsweise ein Schüler in einem Gegenstand ein Nichtgenügend bekommt und dann repetieren muß? Ich frage Sie, Kollege Schweitzer: In welchem Gegenstand muß er repetieren? Nur in dem, in dem er das Nichtgenügend gehabt hat? – Nein, er muß die gesamte Klasse wiederholen, das heißt, er muß also auch all jene Gegenstände noch einmal ein Jahr lang lernen, die er ohnedies schon positiv absolviert hat. Er verliert dadurch ein Jahr. Das ist eine Schulorganisation ... (Abg. Mag. Schweitzer: Wem machen Sie diesen Vorwurf?) – Auch Ihnen, weil Sie im Hohen Haus verschiedensten Anträgen zu anderen Schulorganisationsfragen nicht die Zustimmung gegeben haben. (Abg. Mag. Schweitzer: Sie sind ja die Verantwortlichen!) Das ist ein Beispiel dafür, daß nicht wir eine Nivellierung nach unten wollen, sondern Sie wollen, daß junge Menschen unter Umständen ein, zwei oder drei Jahre verlieren. (Abg. Mag. Schweitzer: Sie können doch nicht uns Vorwürfe machen, wofür Sie die Verantwortung tragen, wo Sie die Kompetenz haben!) – Aber Sie haben dem genauso nicht zugestimmt!

Was den Leistungsbegriff anlangt: Wir Sozialdemokraten stehen sehr wohl zur Leistung, wir verstehen Leistung nicht als Gleichmacherei – wie Sie uns das unterstellen –, sondern wir wollen Chancengleichheit, das heißt, die Fähigkeiten, die Begabungen der jungen Menschen fördern, wo immer es geht, und gerade den Schwachen Starthilfe und Schützenhilfe geben. Wir wollen das, was in einem Menschen drinsteckt, entsprechend fördern. Wir wissen schon, daß die Menschen nicht gleich sind, und wir wissen schon, daß nicht jeder ein gleich hohes Bildungsniveau erreichen kann, aber er soll das Niveau erreichen können, für das er befähigt ist – und dafür treten wir Sozialdemokraten ein! (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Begabtenförderung hätte ich auch einiges zu sagen gehabt, die Frau Bundesministerin hat alles bereits vorweggenommen, ich kann das also nur unterstreichen. Ich komme ja selbst aus einer Schulform, in der es Schwerpunktsetzungen gibt, beispielsweise das Oberstufenrealgymnasium mit musischer Schwerpunktsetzung oder das Oberstufenrealgymnasium mit sportlicher Schwerpunktsetzung.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige regelt – auch das wurde heute schon betont – die innere Organisation in den Schulen für Berufstätige und beendet eine Phase der Rechtsunsicherheit. Während seit 1974 für alle Schulen ein Schulorganisationsgesetz gültig ist, fehlt ein solches bis dato im Bereich der Berufstätigen.

Es ist schon gesagt worden, daß sich dieses Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige in manchen Strukturen durchaus dem Schulorganisationsgesetz anpaßt, aber es ist doch wesentlich erwach


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senengerechter. Das heißt, es nimmt Rücksicht auf die Klientel, Rücksicht auf die Betroffenen, Rücksicht darauf, daß es sich um Erwachsene handelt, Erwachsene, die einem Beruf nachgehen, Erwachsene, die bereits eine Familie gegründet haben. Beispiele dafür wurden bereits genannt.

Es ist also möglich – und da stehe ich auch im Widerspruch zu den Freiheitlichen –, mit drei Nichtgenügend aufzusteigen. Der junge Erwachsene muß schon selbst wissen, wie er seine Wissenslücken auffüllen kann, wie er damit umgehen soll. (Abg. Rossmann: Ich habe Kinder in diesem Alter mit drei Nichtgenügend, und die sind nicht in der Lage, das selbst zu wissen!) – Wir sprechen auch nicht von Kindern, bei denen ist es ja auch nicht möglich, sondern wir sprechen von Erwachsenen, die ja selbst schon frei entscheiden können und mit dieser Problematik umgehen müssen. (Abg. Rossmann: Das ist ja der nächste Schritt, den Sie setzen!) Die Art und Weise, wie er diese Wissenslücken schließen will, muß im Entscheidungsbereich des einzelnen bleiben. Wenn er die Chance nicht nützt, ist er selber schuld, aber wir müssen ihm diese Chance geben.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es wird das Subsidiaritätsprinzip in diesem Gesetz auch viel stärker betont, was sich in mehr Deregulierung, Dezentralisierung und in mehr Autonomie äußert. Ich sagte schon, daß auf Lebensalter und Berufstätigkeit im Unterricht Bedacht genommen wird. Es werden auch Formen des Fernunterrichtes mit einbezogen, wobei ich sagen muß, daß in Österreich der Fernunterricht leider noch eher unterentwickelt ist. Es werden berufliche und außerberufliche Vorkenntnisse in die Studienzeiten eingerechnet. Es besteht sehr wohl eine Teilnahme am Unterricht, jedoch gibt es auch wieder unter Berücksichtigung der berufstätigen Erwachsenen Lockerungen, daher müssen auch die Leistungsbeurteilungen anders sein. Im Gegensatz zur Normalschule, wo die Mitarbeit im Unterricht bei der Leistungsbeurteilung sehr wichtig ist, haben wir es bei den Berufstätigen mit punktueller Leistungsbeurteilung zu tun.

Um zum Schluß zu kommen: Wir werden heute hier ein Gesetz beschließen, das, wie ich schon sagte, eine lange Phase der Rechtsunsicherheit beendet. Sollte sich – Kollege Öllinger hat gemeint, dieses Gesetz gehe ihm zuwenig weit – bei der Vollziehung des Gesetzes in den nächsten Jahren herausstellen, daß das eine oder andere tatsächlich geändert gehört, dann werden wir Sozialdemokraten sicher zu einer Novellierung bereit sein. (Beifall bei der SPÖ.)

11.47

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, gebe ich bekannt, daß die Abgeordneten Rosenstingl und Genossen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt haben, einen Untersuchungsausschuß zur Untersuchung der politischen und rechtlichen Verantwortung für die Unzulänglichkeiten bei der Vorbereitung, Auftragvergabe, Herstellung, Verbreitung und allgemeinen Organisation der Einführung der Autobahnmautvignette einzusetzen.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen.

Im Sinne der eben genannten Bestimmung der Geschäftsordnung finden die Debatte und die Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung statt.

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich erteile nunmehr Frau Abgeordneter Dr. Gredler das Wort. – Bitte.

11.47

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Die Begabtenförderung wurde hier schon öfters erwähnt, es ist eigentlich eine Begabungsförderung. Nur: Wer beurteilt diese Begabung? Ist zum Beispiel ein


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jugendlicher "Hacker", der durchaus eine Begabung hat, und zwar eine Begabung im Softwarebereich, ein Spezialist, jemand, den man fördern sollte, oder jemand, den man einsperren sollte? Oder kann diese Person unmittelbar nach Verbüßen der Strafe ein Informatikstudium absolvieren?

Das sind interessante Dinge, die zu bewerten sind. Daher: Wer bewertet diese Begabungen wirklich, beziehungsweise wer kann beschließen, wie es mit den betroffenen Leuten weitergehen soll? – Es ist unglaublich schwierig, und daher glaube ich nicht, daß es richtig ist, daß Personen, die begabt sind, und zwar womöglich auf vielen Gebieten, in Sonderschulen abgesondert und dort getrimmt werden. Ich glaube, daß man individuelle Leistungen beurteilen und daher individuelle Förderungen erlauben sollte. Das geht allerdings nicht, Frau Bundesministerin, wenn man die Förderung nur einem Lehrer beziehungsweise einer Lehrerin überläßt, während die restlichen 30 Schüler darauf warten, beschäftigt zu werden. Bei diesen Klassengrößen wird das leider nicht funktionieren.

Was den Fernunterricht betrifft – mein Vorredner hat das schon gesagt –, wird eigentlich fast nichts angeboten. Das tut mir sehr leid, denn das ist eigentlich jene Unterrichtsform, die wir uns in der Zukunft wünschen würden, und zwar im speziellen in bezug auf die Erwachsenenbildung. Das wäre eine Möglichkeit, Beruf mit lebenslangem Lernen zu kombinieren – ein Ziel, das wir Liberale auch vor Augen haben.

Neue Technologien sind überhaupt nicht berücksichtigt. Warum soll man eigentlich nicht via Internet in einen Unterricht einsteigen, diesen Unterricht besuchen, ohne an Ort und Stelle zu sein? Das sind Dinge, die offenbleiben, die nicht beachtet werden. Anscheinend ist es nicht erwünscht, daß man neue Wege für das nächste Jahrtausend beschreitet.

In bezug auf die Regierungsvorlage zum Bundesgesetz, mit dem die Unterrichtsordnung für Schulen für Berufstätige erlassen werden soll, ist § 3 bemerkenswert: Personenbezogene Bezeichnungen erfassen Männer und Frauen gleichermaßen. In Anbetracht der Debatte von gestern nacht muß ich sagen, es würde mich sehr freuen, wenn in Hinkunft dieselben Anstrengungen, die für das UniStG gemacht wurden, und zwar konsequent die weiblichen und männlichen Bezeichnungen anzuführen, in diesem Gesetz und auch in anderen Gesetzen aus Ihrem Ressort gesetzt würden. Man kann die Funktion eines Schulleiters, eines Werkstättenleiters, eines Studienkoordinators, eines Lehrers beziehungsweise eines Studienvertreters durchaus auch in der weiblichen Form anführen, ohne daß es für den Leser oder für die Leserin unerträglich ist.

Was auch bemerkenswert ist, ist, daß man einen Regelungsbedarf sieht, und da äußert sich wieder einmal die Regelungswut. Man sagt, daß die Hausordnung eigentlich nicht zu regeln ist, aber man regelt sie, indem man sie hier festschreibt. Man sagt, daß Ersatzbestätigungen für verlorene Zeugnisse auch nicht zu regeln sind, aber man regelt sie auch in diesem Bereich. Das sind Dinge, die ich nicht verstehe.

Die Blüte ist § 17, die Regelung der Unterrichtssprache. Da heißt es: Schulbehörden sollen als Unterrichtssprache in der Schule eine andere Sprache anordnen können, zum Beispiel wegen der Zahl von fremdsprachigen Personen. Dies bezieht sich aber nicht auf jene, die sich in dieser Klasse aufhalten, sondern auf jene, die sich in Österreich aufhalten. Das ist ja besonders interessant! Also es richtet sich nicht nach dem Bedarf in der Klasse selbst, sondern nach der Anzahl von Personen, die sich in Österreich aufhalten.

Wenn es nun eine Klasse von 20 Schülerinnen und Schülern gibt, die zum Beispiel Suaheli als Unterrichtssprache haben wollen, wo es sich zufällig trifft, daß eine derartige Ballung in der Klasse auftritt, und es aufgrund der Schulorganisation möglich ist, auch weil es eine Privatschule ist, dann kann das nicht durchgeführt werden, da es in Österreich wahrscheinlich nur 800 Personen gibt, die Suaheli sprechen. Dadurch greifen Sie sogar in Privatschulen und deren Unterrichtskonzept ein, was ich eigentlich nicht für zulässig halte. Ich glaube, man sollte die Schulautonomie insofern ernst nehmen, als man dieses Papier um 50 bis 70 Prozent reduzieren und


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nur mehr das regeln sollte, was absolut notwendig ist. Hausordnungen und derlei sollte man in Ruhe lassen. (Beifall des Abg. Mag. Peter. )

11.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Horngacher. Frau Abgeordnete, ich bitte um eine Sekunde Geduld, es ist am Bildschirm etwas passiert, und es wurde Ihnen eine Redezeit angelastet, die Sie noch nicht konsumiert haben. – Gut. Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 8 Minuten. Ich kontrolliere das händisch, es ist am Schirm nicht richtig. – Bitte.

11.54

Abgeordnete Katharina Horngacher (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Mit dem Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige wurde der Bereich der inneren Ordnung der Schulen für Berufstätige erstmals gesetzlich geregelt. Die Regierungsvorlage berücksichtigt die Erfahrungen. Es ist nicht – wie Herr Abgeordneter Moser gemeint hat – nur abgeschrieben. Sie berücksichtigt schon die Erfahrungen, die in diesem Bereich gemacht wurden. Es wird auf die Mehrfachbelastungen der Studierenden durch Schule, Familie und Beruf und deren Bedürfnisse Rücksicht genommen. Daraus resultiert wahrscheinlich diese Regelung mit den drei Nichtgenügend. Denn es kann natürlich ein berufstätiger Mensch schon einmal aus privaten Gründen oder etwa aufgrund eines Auslandsaufenthaltes oder ähnlichem ausfallen und sich daher schwer tun. Deswegen unsere Zustimmung dazu.

Die verpflichtende Teilnahme am Unterricht wird jedoch prinzipiell beibehalten. Einbezogen in das Gesetz sind auch die Formen des Fernstudiums. Diese Schulen sind insgesamt wertvolle Spezialeinrichtungen.

Zum Antrag des Abgeordneten Mag. Schweitzer, der eine generelle Begabtenförderung vorsieht, möchte ich folgendes feststellen: Dieses Thema wurde im Ausschuß heftig diskutiert, wobei die ideologischen Unterschiede der Parteien deutlich zutage getreten sind. Und ich finde es auch richtig, daß man sie erkennt. Wir von der Österreichischen Volkspartei orientieren uns an der christlichen Soziallehre. Daher ist für uns der Mensch ein Geschöpf Gottes, und der Wert jedes Menschen ist gleich. Er ist gleich, ob der Mensch ganz leistungsfähig ist, durch Behinderung oder Krankheit nur teilweise leistungsfähig ist, oder ob er ein Kind ist oder ein alter Mensch ist, der vielleicht nicht mehr leistungsfähig ist.

Die Solidarität gebietet daher, daß jene die Leistung erbringen müssen, die es können und die für die anderen sorgen können. Es kann aber nicht so sein, wie das beim Modell des Basislohns für alle der Fall ist, daß die, die schwer arbeiten, jene erhalten sollen, die gar nicht arbeiten wollen. Das ist auszuschließen.

Es ist legitim und gut, daß wir besonders schwache Schüler unterstützen und Möglichkeiten einer Förderung bieten. Daher ist es auch begrüßenswert, Schüler mit besonderen Talenten zu fördern. Und das wird bereits gemacht. Frau Bundesministerin Gehrer hat ein eigenes Referat für die Begabtenförderung eingerichtet. Es gibt bereits ein breites Spektrum an Möglichkeiten und darüber hinaus eine ausgezeichnete Broschüre des Ministeriums mit zahlreichen Informationen.

Auch die Maßnahme der Lehrplanverdichtung, indem man einen Kernbereich und einen Erweiterungsbereich vorsieht, bietet zahlreiche Möglichkeiten einer speziellen Schwerpunktsetzung. So können die Schulen autonom den Erweiterungsbereich festlegen. Weiters werden Projektarbeiten gefördert, bundesweite Wettbewerbe, Olympiaden und dergleichen veranstaltet – besonders im Fremdsprachenbereich.

Wichtig scheint mir auch zu sein, daß es nach oberösterreichischem Vorbild zu einem weiteren Ausbau eigener Lehrgänge für Begabtenförderung an den pädagogischen Akademien kommt. Darüber hinaus soll es eine Ausweitung der Möglichkeiten, Klassen zu überspringen, geben, dies aber meiner Ansicht nach nur mit größter Vorsicht. Die Verankerung der Begabtenförderung im Lehrplan ist auch notwendig.


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Die Frau Ministerin hat in diesem Punkt einen besonderen Schwerpunkt gesetzt, denn es gibt eine Fülle von Möglichkeiten, besondere Talente zu fördern. Daher ist der Antrag der Freiheitlichen meiner Ansicht nach als überholt zu betrachten. Ich kann es mir aber auch nicht vorstellen, wie sich das praktisch abspielen soll: Klassen mit einem Stützlehrer für sonderpädagogischen Förderbedarf, mit dem Normallehrer dieser Klasse, dann vielleicht noch mit einem besonderen Lehrer für besonders Begabte. Das würde meiner Ansicht nach nur ein absolutes Durcheinander auslösen.

Generell zu diesem Thema möchte ich noch anmerken, daß ich die Einführung staatlicher Eliteschulen nicht für den richtigen Weg halte. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es besteht die Gefahr, daß der Ehrgeiz der Eltern größer ist als die Begabung des Kindes. Darüber hinaus glaube ich, daß es für die emotionelle Entwicklung des Kindes nicht gut wäre, abgehoben, fern von den anderen Mitschülern und oft fern jeglicher Realität unterrichtet zu werden. Die Persönlichkeitsentwicklung braucht auch die Erfahrung, daß es Menschen mit den verschiedensten Lebensmustern und Begabungen gibt, wie das Leben eben auch vielfältig ist. Es ist Aufgabe der Schule, den gesamten Menschen, seinen Verstand sowie sein Gefühlsleben und die Herzensbildung zu fördern. Die österreichischen Schulen haben einen guten Ruf, und es gibt sehr viele, die sich darum bemühen. Denen sei besonders gedankt. Denn ein guter Lehrer ist oft für das ganze Leben eines Menschen wichtig. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.00

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Brauneder. – Bitte, Herr Abgeordneter. Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

12.00

Abgeordneter MMag.Dr. Willi Brauneder (Freiheitliche): Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich spreche hauptsächlich zur Regierungsvorlage 383 der Beilagen und einigen Schlußfolgerungen, die sich daraus ergeben.

Wir wollen zuerst einmal positiv vermerken, und zwar positiv gerade vom Standpunkt des Parlamentariers aus, daß eine Erlaßpraxis durch ein Gesetz, durch ein von der Volksvertretung beschlossenes Gesetz ersetzt wird. Ich will das nochmals unterstreichen: Es muß das Anliegen des Parlaments sein, möglichst viele Materien selbst zu regeln und nicht der Verwaltung zu überlassen, da letzteres ein historisches Relikt von vor 100 Jahren darstellt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Allerdings ist diese sozusagen formale Freude durch mehreres getrübt. Sie ist einmal auch getrübt durch die parlamentarische Praxis, nämlich einem Beschluß, in diesem Falle des Unterrichtsausschusses, eine Ausschußfeststellung beizudrucken. Aus unserer Sicht ist die Freude gerade deswegen getrübt, weil wir dem Gesetzestext gerne unsere Zustimmung geben möchten, allerdings ist eben eine Ausschußfeststellung diesem Gesetzestext beigedruckt, der wir im Ausschuß unsere Zustimmung bewußt und mit Nachdruck nicht gegeben haben.

Da nun beides – Gesetzestext und Ausschußfeststellung – eine Einheit darstellt, werden wir uns nicht in der Lage sehen, diesem "Paket" unsere Zustimmung zu erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte etwas wiederholen, was ich schon im Ausschuß betont habe: Ein gutes Gesetz bedarf keiner zusätzlichen Feststellung. Es haben dies, wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, auch die Experten der Ministerialbürokratie dort festgehalten. Wenn es so war, dann will ich mich dieser Meinung anschließen beziehungsweise diese Meinung vertreten. Der Gesetzestext für sich spricht ohnedies eine klare Sprache; eine zusätzliche Feststellung scheint mir völlig entbehrlich zu sein.

Es ist dieses "Paket" – Gesetzestext und Ausschußfeststellung – etwas, was man vielleicht in einer Heurigengegend mit dem G´spritzten vergleichen kann: Man formuliert den Gesetzestext – das ist der "Wein" –, und dann kommt das "Wasser" der Ausschußfeststellung hinzu. Das wäre an sich noch nicht so übel oder unangenehm, wenn man das Verhältnis zwischen Wein und Sodawasser kennen würde. Aber was wir nicht kennen, ist: Handelt es sich hier um einen


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"normalen" G´spritzten oder um einen sogenannten Sommer-G´spritzten, bei dem der Anteil des Wassers den des Weines überwiegt? (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was wir eben nicht wissen, ist, in welcher Weise diese Ausschußfeststellung in der Praxis dann "konsumiert", um nicht zu sagen "getrunken" werden wird. – Das wissen wir nicht, und etwas Ungewissem wollen wir, wie gesagt, unsere Zustimmung nicht erteilen.

Die Linie des Ministeriums, Erlässe durch Gesetze zu ersetzen – um das zu wiederholen –, ist positiv. Wir bedauern jedoch sehr, sehr verehrte Frau Bundesministerin, daß dies nicht die gängige Linie Ihres Ministeriums ist. Es gibt ein ganz gravierendes Problem, wo wir uns wünschen würden, daß zumindest darüber nachgedacht wird, ob nicht Erlässe durch Gesetze zu ersetzen sind, nämlich die Frage der Rechtschreibreform.

In der Frage der Rechtschreibreform, die alle Schultypen – auch die hier in Rede stehende – betrifft, sehen wir uns als Parlamentarier, als Volksvertreter – das Volk spricht und schreibt, und es sollte dies in gutem Deutsch geschehen –, völlig ausgeschlossen. In der Rechtschreibreform konnte man sich nicht zu einem Gesetz irgendeiner Art durchringen. Und da haben wir genau jenes Dilemma, welches ich im Zusammenhang mit dieser Ausschußfeststellung angesprochen habe, daß nämlich durch das, was nicht geschieht, der Interpretation Tür und Tor geöffnet wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich weiß schon, daß dies kein speziell österreichisches Problem ist. So etwa war in der "Frankfurter Allgemeinen" vom 9. Jänner 1997 zu lesen – mir hat sie damit fast ein Geburtstagsgeschenk gemacht –, daß man sich früher auf den Duden verlassen konnte, in Hinkunft hingegen wird es so sein wie folgt: "Jetzt gibt es mindestens zehn Kompendien, die alle diese neue Rechtschreibung versprechen" – und das ist jetzt das Interessante –, "aber nicht dasselbe bieten."

Ich will auch den nächsten Satz aus diesem Artikel der "Frankfurter Allgemeinen" kurz zitieren: "Selbst beim Lebensmittelhändler und im Kaffeegeschäft werden Wörterbücher angeboten." – Ich würde das nicht so schlecht empfinden für die Kaffeetrinker. Ich hätte auch nichts dagegen, daß man gemeinsam mit dem G´spritzten ein Wörterbuch bekommt. Es sollte jedoch überall das gleiche Wörterbuch sein – und nicht zehn verschiedene Kompendien. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Im Formellen ist leider nicht dieser Weg gegangen worden. Auch inhaltlich – aber das ist jetzt nicht ganz das Thema dieses Tagesordnungspunktes – ist es so, daß man mit dieser Rechtschreibreform mehr als unzufrieden sein muß. Denn das, was seinerzeit die Duden-Reform gebracht hat – mit einem Kompendium –, wird jetzt sicherlich nicht erreicht werden. Und die Aufwendungen, die diese "Rechtschreibreform" nach sich zieht – Ausgaben, die wir ja nicht einmal im Detail kennen –, könnten besseren Zwecken, so zum Beispiel der Begabtenförderung, zugute kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Wien ist so etwas wie ein "Vorort" der Rechtschreibreform gewesen: Es gab die "Wiener Gespräche", es gibt die "Wiener Absichtserklärung".

Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Als eine Bundesministerin, die den Sitz ihres Ministeriums in Wien hat, sollten Sie bitte darüber nachdenken, ob Sie diese "Vorort-Funktion" Wiens in bezug auf die Rechtschreibreform nicht aufgreifen und jene, die damals diese Erklärung unterfertigt haben, zu einem Gespräch nach Wien einladen – nicht um diese Reform zu blockieren oder zu stoppen, aber um sie neu zu überdenken und uns Parlamentariern einen Gefallen zu tun, nämlich darüber nachzudenken, ob die Rechtschreibreform nicht auch parlamentarisch in Form eines Gesetzes – zumindest in Grundzügen – festgelegt werden könnte. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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64. Sitzung / Seite 59

12.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Schwemlein. Redezeit: 3 Minuten. – Bitte. (Abg. Böhacker: Drei Minuten zuviel!)

12.05

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): "Danke" für den Zwischenruf, drei Minuten seien zuviel. – Ich hoffe, daß meine Nachrednerin das noch ernster nimmt (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ), denn – das sage ich mit dem Selbstvertrauen, mit dem ich ausgestattet bin – ich hoffe doch sehr, daß ich inhaltlich wenigstens in diesen drei Minuten mehr "hinüberbringe" als meine Nachrednerin in einer wesentlich längeren Redezeit. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Böhacker: Meinen Sie die Kollegin Fuchs?)

Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Mit dem SchUG-B ist zweifelsohne ein ganz wesentliches Gesetzeswerk beschlossen worden. Aber ich möchte, wie schon im Unterrichtsausschuß, auch hier auf ein sehr großes Problem aufmerksam machen, das nach wie vor nicht gelöst ist. Ich möchte das SchUG-B nicht mindern, sondern die Problematik der bestehenden Situation aufzeigen.

Eine Analyse der derzeitigen Situation zeigt, daß es nur in den Ballungszentren Schulen gibt, die für Berufstätige eingerichtet sind, nicht aber im ländlichen Raum. Volkshochschule, BFI, WIFI oder private Anbieter, die ich nicht schlechtmachen möchte, wir sind sehr froh, daß wir sie haben, bieten einen Weg zur Matura hin an. Das heißt, es gibt eine sehr große Ungleichheit zwischen Weiterbildungswilligen in der Stadt, in Ballungszentren und jenen, die auf dem Land leben.

Jene, die in der Stadt leben, können jetzt auch durch das neue SchuG-B, das wir heute beschließen werden, kostenlos diese Schule besuchen, bekommen Gratisschulbücher, und sie haben – was ich ganz wesentlich und sehr gut finde – die Möglichkeit, sechs Monate vor Ablegung der Reifeprüfung eine Förderung zu beantragen, wenn sie ihre Arbeitszeit reduzieren, um sich besser vorbereiten zu können.

Jeder andere, der eine derartige Organisationsform nicht besuchen kann, muß sehr hohe Kursgebühren pro Semester bezahlen, muß sich seine Schulbücher selbst bezahlen und hat keine Chance auf Förderung vor Ablegung der Reifeprüfung.

Frau Bundesministerin! Ich darf Sie daher von dieser Stelle aus bitten, Verhandlungen aufzunehmen und danach zu trachten, daß Ausgewogenheit, daß Gerechtigkeit dadurch gegeben ist, daß all jene, die im ländlichen Bereich diesbezüglich eine geringere Zahl an Angeboten vorfinden, wenigstens in etwa den gleichen finanziellen Ausgleich wie jene geboten bekommen, die Einrichtungen nach dem SchuG-B besuchen können.

Daher bitte ich Sie, meine Damen und Herren – nicht nur die Frau Bundesministerin, sondern Sie alle –: Versuchen wir, daß wir auch diesen studierenden Weiterbildungswilligen eine bestmögliche Vorbereitung und eine Höherqualifikation ermöglichen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Madl. – Bitte, Frau Abgeordnete. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

12.09

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Frau Kollegin Fuchs, ich würde mir diese Diskriminierung Ihres Kollegen nicht gefallen lassen, denn es ist ja anzunehmen, daß er von Ihnen gesprochen hat, da er ja zu diesem Zeitpunkt den Inhalt meiner Rede nicht kennen konnte. Eher ist anzunehmen, daß er den Inhalt der Rede seiner eigenen Fraktionskollegin kennt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wenn er schon von vornherein diese Rede in Frage stellt, dann würde ich mich an Ihrer Stelle bei Ihrem Kollegen dafür "bedanken". (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. )

Ich habe das nicht mißverstanden, Herr Kollege, denn das war gar nicht anders zu verstehen, das war eindeutig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte jetzt auf den vorliegenden Gesetzentwurf eingehen. Die Kritikpunkte an diesem vorliegenden Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige wurden von freiheitlicher Seite bereits darge


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64. Sitzung / Seite 60

legt. Ich möchte nur einen einzigen Punkt noch einmal ansprechen, nämlich die Möglichkeit des Aufstiegs mit drei "Nichtgenügend".

Ich kann mich an eine Diskussion im Ausschuß erinnern – auch Kollegen von anderen Fraktionen haben den Aufstieg mit drei "Nichtgenügend" verteidigt –, in der gesagt wurde: Berufstätige Schüler oder Studierende, wie es in der Gesetzesvorlage steht, befinden sich in einer besonderen Lebenssituation. Und es gibt, wie Sie richtig gesagt haben, auch Frauen, die Familienarbeiten, Familienpflege zu leisten haben. Es gibt auch Berufstätige, die im Außendienst tätig sind und so vielleicht noch nicht die Möglichkeit haben, gleich drei "Nichtgenügend" im Zeugnis auszubessern.

Ich habe gesagt: Drei "Nichtgenügend" sind meiner Ansicht nach zu viel, denn ich meine, es bedarf auch eines gewissen Schutzes der Schüler und Studierenden – und man sollte ihnen nicht etwas vorgaukeln, was letztendlich nicht zu schaffen ist. Aber das ist eigentlich nicht mein spezielles Thema. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, daß gerade Frau Bundesministerin Gehrer in bezug auf diese besondere Situation berufstätiger Schüler Aktionen setzt, die deren Fortkommen sogar noch erschweren.

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Unterzeichnung des Vertrages betreffend Rechtschreibreform, die ja heftig umstritten ist, und zwar nicht nur bei Autoren und Schriftstellern, sondern auch bei zahlreichen Wissenschaftlern und Medien. Speziell berufstätige Schüler, die den zweiten Bildungsweg eingeschlagen haben, haben durch diese Rechtschreibreform noch zusätzliche Hindernisse zu überwinden. Das ist wohl unbestritten.

Was bei dieser Rechtschreibreform überhaupt nicht berücksichtigt wurde, ist: Was kostet diese? Durch das Strukturanpassungsgesetz wurde vergangenes Jahr den Eltern ein 10prozentiger Selbstbehalt bei Schulbüchern sozusagen aufs Auge gedrückt. Es wurde aber dann die Möglichkeit geschaffen – und zwar im Wege einer Verordnung –, durch vorhandene Schulbücher diesen 10prozentigen Selbstbehalt zu reduzieren. Das ist aber jetzt ausgesetzt, und man spricht wohlweislich gar nicht mehr darüber. Eines aber weiß ich, Frau Bundesminister: Die Druckmaschinen für die neuen Schulbücher laufen schon, und die Verlage freuen sich. Die Buchverlage hätten sonst Umsatzeinbußen gehabt, was aber jetzt, durch die Hintertür und mit der neuen Rechtschreibreform, nicht der Fall ist.

Umsatzeinbußen von 7 bis 10 Prozent waren für die Verlage vorprogrammiert. Dem wird aber nicht so sein, weil man alle Wörterbücher, alle Sachbücher, alle Schreibbücher, alle Deutsch-, alle Physikbücher und so weiter jetzt neu aufzulegen beginnt, um der Rechtschreibreform Genüge zu tun. – Das, Frau Bundesminister, stellt eine neuerliche Belastung der Bürger dar.

Es war Ihnen offensichtlich ohnehin nicht ganz wohl bei dieser Unterzeichnung, dabei war im Juli vorigen Jahres noch herrlicher Sonnenschein. Sie sprachen aber laut "Kurier" von einem "wichtigen Schritt in die europäische Partnerschaft". In der "Presse" wurde bei Ihnen "Erleichterung" festgestellt. Im "Standard" gab es Protestleserbriefe, aber es hieß dort: Proteste prallen an Gehrer ab. Und Sie, Frau Bundesministerin, meinten, Sie könnten sich dabei ein Zurück nicht mehr vorstellen.

Wie Sie dann die Kurve gekratzt haben, das müssen Sie mir einmal erklären. Laut "Kurier" vom 20. Februar 1997, als in Deutschland diesbezüglich größte Bedenken laut wurden, haben Sie gesagt, diese Rechtschreibreform werde wahrscheinlich bei uns nicht eingeführt, denn Österreich werde da sicherlich keinen Alleingang machen. Außerdem sei diese Reform nicht Ihr "Wunschkind" gewesen.

Frau Bundesminister! Ich hoffe, daß Sie bei anderen Gesetzen, die Sie heute in der Fragestunde angekündigt haben, und zwar, was die Begabtenförderung, was das Überspringen von Schulklassen anlangt, Extraabschlüsse in verschiedenen Wissensgebieten in Richtung Studium an einer Universität und so weiter, nicht auch eine solche Kehrtwendung vollziehen, wie Sie das beim Thema Rechtschreibreform getan haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Rosemarie Bauer: Böhacker hat doch Sie gemeint mit dieser Rede!)

12.15


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Stampler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.15

Abgeordneter Franz Stampler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Im Rahmen der heutigen Tagesordnung steht auch ein Antrag betreffend Begabtenförderung in der Schule zur Diskussion.

Meine Damen und Herren! Der Paragraph 2 des Schulorganisationsgesetzes, bekannt auch als Zielparagraph der Schulen, beschreibt eindeutig die Aufgabe der österreichischen Schule. Darin ist nachzulesen – ich zitiere –:

"Die österreichische Schule hat die Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken. Sie hat die Jugend mit dem für das Leben und den künftigen Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustatten und zum selbständigen und selbsttätigen Bildungserwerb zu erziehen. Die jungen Menschen sollen zu gesunden, arbeitstüchtigen, pflicht- und verantwortungsbewußten Gliedern der Gesellschaft und Bürgern der demokratischen und bundesstaatlichen Republik Österreich herangebildet werden. Sie sollen zu selbständigen Urteilen, zu sozialem Verständnis geführt, dem politischen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen sowie befähigt werden, am Wirtschafts- und Kulturleben Österreichs, Europas und der Welt Anteil zu nehmen."

Somit geht wohl eindeutig hervor, daß es Aufgabe der österreichischen Schulen ist, allen Schülern – egal, welcher Abstammung, Herkunft und welchen Geschlechtes – die entsprechende Bildung zukommen zu lassen. So ist es auch Aufgabe, den Schüler innerhalb des Unterrichtes entsprechend seiner Begabung zu fördern.

Frau Bundesministerin Gehrer hat in den letzten Jahren viele Reformen im Schulwesen durchgeführt und verwirklicht. Sie hat somit mitgeholfen, das österreichische Schulwesen zu verbessern. So ist es sicherlich nicht verwunderlich, daß in einer entsprechenden Untersuchung vor einigen Monaten festgestellt wurde, daß Österreichs Schüler einfach Spitze sind.

Durch die Einführung neuer Lehr- und Lernformen und durch entsprechende innere Differenzierung im Klassenverband ist es bereits jetzt möglich, daß Schüler entsprechend ihrem Leistungsstand und ihrer Begabung gefördert, aber auch gefordert werden. Durch Zusatzangebote im freien Lernen werden auch die begabten Schüler gefördert und sind entsprechend ausgelastet.

Sicherlich ist es erfreulich, wenn Eltern die Unterrichtsarbeit entsprechend unterstützen, die Hauptarbeit im Unterricht liegt aber beim Klassenlehrer, der den Unterricht entsprechend zu gestalten hat. Fest steht auch, daß der Schule einfach nicht alles zugeschoben werden kann. Es muß klargestellt werden, daß die Schule kein Aufbewahrungsort für Kinder ist und Lehrerinnen und Lehrer nicht Ersatzmütter beziehungsweise Ersatzväter spielen können.

So erklärte der steirische Landesschulinspektor für Volksschulen, der immerhin 500 Volksschulen in der Steiermark zu beaufsichtigen hat, kürzlich in einem Interview, daß ihm einige gravierende Probleme Kopfzerbrechen machen. Ich zitiere:

Die Konzentrationskraft sinkt enorm. Unterrichten wird immer schwieriger; die Reizüberflutung hat ihren Preis. Viele Kinder können sich zu wenig austoben. Akuter Bewegungsmangel ist festzustellen. Immer mehr Kinder kommen ohne wesentliche Grundfähigkeiten in die Schule. Selbst intelligente Kinder haben oft Sprachdefizite. Oft fehlt die persönliche Zuwendung. – Zitatende.

Er ist der Überzeugung, daß das Ansehen der mit einer derartigen Problemfülle konfrontierten Volksschullehrer dringend einer Aufwertung bedarf.


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Zur Bemerkung im Antrag des Kollegen Schweitzer, daß Bildung und Ausbildung junger Menschen Kosten verursache, möchte ich erwähnen, daß da Österreich im EU-Vergleich an erster Stelle – vor Deutschland, Dänemark, Schweden und Belgien – liegt. So wurden in jeden österreichischen Schüler, der heuer maturiert, in den vergangenen zwölf Jahren 700 000 S seitens des Staates investiert.

Österreich liegt allerdings nicht nur bei den Pro-Kopf-Investitionen an erster Stelle, sondern auch bei den Schülerzahlen pro Lehrer. Während im OECD-Durchschnitt 17,7 Volksschüler auf einen Lehrer kommen, sind es in Österreich 12,1 Schüler, bei den Hauptschülern 7,8.

Abschließend darf gesagt werden, daß Österreichs Schüler dank der großartigen Unterstützung unserer Bundesministerin sicherlich die nötige differenzierte Ausbildung erfahren.

Ein Sprichwort zum Abschluß, das doch mehr als ein Körnchen Wahrheit enthält: Ein Lehrer verdient seinen Ruf am begabten Schüler, sein Gehalt am Durchschnittsschüler – und den Himmel am schwachen Schüler. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Bundesministerin Gehrer hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.

12.20

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Hohes Haus! Zum Thema Rechtschreibreform möchte ich folgendes klar feststellen: Ich habe niemals eine Kehrtwendung gemacht. Ich habe zu Beginn meiner Amtszeit das Ergebnis von zehnjährigen Beratungen der Rechtschreibreform-Kommission übernommen und habe die Finalisierung mit dem Bemerken vorgenommen, daß diese Reform nicht meine wichtigste Priorität im Bildungsbereich ist, daß sie aber das Ergebnis von zehnjährigen Beratungen ist, und daß sich, wenn alle europäischen deutschsprachigen Länder mitziehen, Österreich nicht ausschließen kann.

Diese Unterzeichnung wurde vorgenommen. Meiner Meinung nach ziehen diese Änderungen in der Rechtschreibreform keineswegs Erschwernisse für Studierende an der Schule für Berufstätige nach sich. Es ist uns allen Zeit gegeben, uns bis zum Jahr 2005 an diese geringfügigen Änderungen zu gewöhnen. Rechtschreibung ist genau wie Sprache etwas, das lebt, das sich weiterentwickelt. Es wird nie die allumfassende, alleingültige Regelung in allen Bereichen geben, und daher verstehe ich den Wunsch nach dieser allumfassenden gesetzlichen Regelung, nach der immer und ewigen Gültigkeit von irgendwelchen Rechtschreibregeln nicht. Man findet heute, wenn man durch die Stadt geht, "Friseur" einmal in der alten Form geschrieben, "Frisör" einmal in der neuen Form geschrieben. Beide Formen haben ihre Gültigkeit und werden nicht als Rechtschreibfehler gewertet. Somit sind allgemeine gesetzliche Regelungen, in denen alles geregelt wird, entbehrlich.

Zur Lage in Deutschland ist festzustellen, daß die Diskussion dort genauso abläuft wie in Österreich: Diejenigen, die sich vorher nicht eingebracht haben, sind nun vehement dagegen. Deshalb ist es auch in Deutschland so, daß die verantwortlichen Stellen nach wie vor zu dieser Vereinbarung stehen. Und solange das so ist, besteht auch in Österreich kein Handlungsbedarf.

Die Schulbuchverlage stellen im Wege der laufenden Erneuerung ihre Schulbücher um. Ich halte das für einen vernünftigen Schritt. Erst bis zum Jahre 2005 besteht die gesetzliche Notwendigkeit, alles umzustellen. Es handelt sich also um einen laufenden Erneuerungsprozeß, um einen laufenden Umstellungsprozeß, der für Schulen und für Berufstätige absolut keine Erschwernis bringt. (Beifall bei der ÖVP.)


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12.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Frau Bundesministerin.

Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch gemeldet. – 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

12.22

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Verehrte Frau Bundesministerin! Ihren letzten Ausführungen zur Rechtschreibreform können wir nicht zustimmen. In der Tat ist es so, daß sich die Experten großteils hintergangen fühlten, nicht nur durch den Zeitablauf, sondern auch mit der Inaussichtstellung, daß diese Materie sehr wohl nicht am Parlament vorbei, sondern in diesem zur Entscheidung gelangt. Ich glaube, hier ist doppelzüngig gesprochen worden. Es haben aber noch die Kolleginnen und Kollegen von anderen Fraktionen durchaus die Möglichkeit, einem Antrag unserer Fraktion die Zustimmung zu erteilen, daß man die nicht über den Zaun zu brechende Materie noch einer Behandlung im Hohen Haus zuführt und das von Anfang an sachlich begründet und erörtert. Ich bitte um Ihre Unterstützung für diesen Antrag. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Anschließend an Ihre Antwort in der Fragestunde darf doch noch ein Satz von meiner Seite gesagt werden. Sie stellen mich als den einzigen Diffamierer des österreichischen Schulsportes dar, und Sie selbst haben diesen überschwenglich gelobt. Frau Bundesministerin! Seien Sie mir nicht böse, aber ich nehme an, daß Sie Ihre diesbezüglichen Informationen von Fachinspektoren für Leibeserziehung beziehungsweise von unkritischen Leibeserziehern haben. Bitte, reden Sie mit Sportwissenschaftern, sprechen Sie mit Orthopäden, Trainern und Übungsleitern in den Vereinen oder mit den Eltern selbst: Es wird Ihnen von dieser Seite die tatsächlich bedrohliche Situation der körperlichen Verfassung unserer Schüler und Jugendlichen bestätigt werden – und nicht nur sozusagen ein einsamer Rufer in der Wüste und Querulant ist diesbezüglich skeptisch. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Bitte, nehmen Sie das zur Kenntnis!

Natürlich weisen Sie zu Recht darauf hin, daß die Schule nicht alle Funktionen, die seitens der Familien und Eltern nicht übernommen werden, erfüllen kann. Aber man kann nicht gleichzeitig über Jahre hinweg die Auflösung der klassischen Familienform fördern, da mitstimmen und schlußendlich in den Schulen die Kinder, die dem Lehrer überantwortet werden, durch mangelnde Aufsichtsmöglichkeit daheim "körperlich weglegen". Man wird sich überlegen müssen, wie man als begleitende Maßnahme zu diesen Familienauflösungstendenzen – und diese sind in der Tat spürbar, da sage ich Ihnen ja nichts Neues – auch von der körperlichen Seite her begleitende Maßnahmen setzen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun möchte ich auf den zur Beschlußfassung vorliegenden Entwurf bezüglich der Schule der Berufstätigen zu sprechen kommen. Das ist eine durchaus positive Einrichtung, eine auch weitgehend unbedenkliche Gesetzesmaterie – mit Ausnahme der Beurteilungspassagen, der Bezeichnung des Gesetzes selbst, wie ich im Ausschuß kritisieren durfte, und fehlende flexible didaktische Organisationsformen. Unsere Juristen haben inzwischen auch die Pädagogen zwischen den Zeilen lesen gelehrt und haben uns zum Thema der Unterrichtssprache folgende Passage vor Augen geführt:

"Darüber hinaus kann die Schulbehörde auf Antrag des Schulleiters die Verwendung einer lebenden Fremdsprache als Unterrichtssprache in einer öffentlichen Schule anordnen. Wegen der Zahl von fremdsprachigen Personen, die sich in Österreich aufhalten, sollte dies zweckmäßig erscheinen." – Zitatende.

Diese Passage mag im Zusammenhang mit den Schulen für Berufstätige unbedenklich sein. Sie hat aber nunmehr nicht nur unseren Juristen durchaus die Handhabe aufgezeigt, daß man über dieses Türchen auch in andere Schulformen mit fremdsprachigem Unterricht einziehen kann. Das ist ein weiterer Grund dafür, warum wir dem Gesetzesvorschlag nicht zustimmen dürfen. Ich bitte Sie zu bedenken, welche Auswirkungen genau diese so "zwischen den Zeilen" erörterte Möglichkeit haben kann.

Kollege Antoni hat vorhin beklagt, daß 5 000 Jugendliche ohne Pflichtschulabschluß gleichsam der Arbeitslosigkeit ausgeliefert sind. Wir halten diese Späterkenntnis für eine Bankrotterklärung des hochgelobten Polytechnikums. Wir Freiheitlichen haben frühzeitig und laut nach einem Berufsvorbildungsjahr gerufen, wir haben früh und laut eine berufsorientierte Kurzausbildung – etwa in Form der Werkschulen – verlangt. Die Rufe blieben ungehört. Das jetzt bejammerte und beklagte Ergebnis ist darauf zurückzuführen.


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Erst heute kam ein ungewöhnlicher Brief der VOEST-Alpine mit folgendem Inhalt:

Mit dem zu geringen Angebot an schulischen und vor allem betrieblichen Ausbildungsplätzen öffnet sich für die betroffenen Jugendlichen eine gefährliche Qualifikationslücke. Mehr Angebot an qualitativen Ausbildungsstätten ist dringendst gefordert. Es ist absolut unverständlich, daß außer schönen Reden auf diesem Sektor nichts passiert. – Zitatende.

Die VOEST-Alpine – und nicht aufgebrachte freiheitliche Abgeordnete – haben Drogenkonsum, Alkoholismus, Vandalismus und steigende Radikalisierung beklagt. Das geht in die gleiche Richtung: Es gibt mangelnde Möglichkeiten nach einem Pflichtschulabschluß beziehungsweise ohne diesen Abschluß, eine Berufsvorbildung zu starten. – Bitte, bejammern Sie nicht nur diese Situation, sondern greifen Sie diesbezügliche Vorschläge – auch von unserer Fraktion – aus der Vergangenheit auf und bedenken Sie, daß auch das Angebot eines zehnten Pflichtschuljahres dieses Problem nicht beseitigen wird.

Die Jugend drängt ins Berufsleben hinaus. Sie flüchtet quasi vor der Schule und ist nicht bereit, sich ein weiteres Jahr in die Schule hineinzusetzen, um allgemeinbildende Inhalte zu konsumieren. Eine Berufsvorbildung ist in dieser Altersstufe die einzige Antwort auf das Gesagte.

Noch ein Allerletztes, Frau Bundesministerin: Sie geben in einem Interview in der "GÖD" bekannt: Die Autonomie an den Schulen wird ausgebaut. Ich will nicht den Lehrern ständig sagen, wo es langgeht. – Das ist die eine Seite, und die zweite ist die Erstellung eines Weißbuches zu einem 1999 zu erwartenden neuen Lehrplan.

Ich habe hier das Ergebnisprotokoll aus einer Schule, in der Lehrer, Schüler und Eltern zu diesem Weißbuch Stellung nehmen. Es wird unter Mißachtung der Schulpartnerschaft von oben aufgezwungen, die Lehrer werden zu Handlangern degradiert, obwohl sie nicht einmal in der Lehrplankommission sein dürfen. Die Kommissionen erwecken zwar den Anschein einer demokratischen Vorgangsweise, aber die Experten arbeiten hinter verschlossenen Türen. – Das ist die "Demokratie" im Schulbereich. Ihrer Aussage, Frau Bundesminister: Die Lehrer sollen nicht bevormundet werden, sondern sie sollen selber den Weg finden!, kann ich nur hinzufügen: Sie würden ihn auch finden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Fuchs. – Bitte.

12.31

Abgeordnete Brunhilde Fuchs (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Zu dem von den Freiheitlichen eingebrachten Antrag betreffend Begabtenförderung möchte ich festhalten, daß auch ich davon überzeugt bin, daß es bereits eine ausreichende Vielfalt an Maßnahmen und Möglichkeiten gibt, um Begabungen von Kindern in der Schule zu fördern. Beispiele wurden heute schon vielfach genannt. Ich weiß, daß das den Freiheitlichen und auch einigen Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP noch zu wenig ist. – Ich bin der Überzeugung, daß hochbegabte Kinder keine Probleme haben, ihr Potential gut auszuschöpfen und optimal einzusetzen. Sie haben meist Eltern, die sich über jene Schulform informieren, die den besonderen Neigungen des Kindes entspricht und diese speziell fördert. Schulbehörden und Schulen bieten Unterstützung an, adäquate Formen zu finden; das ist sicher nicht unser Problem.

Wir Sozialdemokraten müssen jenen 56 000 Repetenten und jenen 5 000 Kindern, die keinen positiven Pflichtschulabschluß haben, verpflichtet sein. In unserem ausgezeichneten Bildungswesen gibt es immer noch schwerwiegendere Probleme zu lösen, bevor wir über die Notwendigkeit einer Eliteschule diskutieren sollten. Besonders glücklich verläuft – das nur so nebenbei bemerkt – die Diskussion in den Medien betreffend Karl-Popper-Schule auch nicht gerade.

Wir sind Volksvertreter und sollten wissen, wo die Probleme unserer Mitbürger liegen. An mich hat sich noch niemand gewendet, weil ein Kind zu wenig Lernangebote hat oder in der Schule unterfordert ist. Genau das Gegenteil ist der Fall: Wir wissen, daß zirka 1,5 Milliarden Schilling an Nachhilfegeldern oft unter großen Entbehrungen von Eltern aufgebracht werden, und das gilt es einzudämmen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Meine Damen und Herren! Das Interesse eines Staates kann nur sein, möglichst vielen jungen Menschen eine gute, umfassende Ausbildung zuteil werden zu lassen, wobei aber meiner Meinung nach insbesondere den schwächer begabten die bestmöglichen Förderungsmaßnahmen angeboten werden müssen. Dabei verlassen wir uns ganz auf unsere Lehrer, denn das Erkennen und Fördern von Begabungen und auch das Erkennen und Abstellen von Defiziten ist Inhalt der Ausbildung unserer Lehrkräfte. Wir wissen, daß Kinder und Jugendliche in ihrer Gesamtpersönlichkeit gesehen und gefördert werden müssen. Das beginnt im Kindergarten und findet seine Fortsetzung in der Schule. Der Schwerpunkt darf nicht nur die Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten sein.

Ein deutliches Beispiel dafür hat gestern Abgeordneter Stadler in seinen Ausführungen zum letzten Tagesordnungspunkt gebracht. Seine Äußerungen waren wirklich mehr als peinlich. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Eine Entschuldigung wäre fällig, nur glaube und befürchte ich, daß ihm dazu die menschliche Größe fehlt. Daher wünsche ich mir – jetzt an die Adresse der Freiheitlichen –: Wenn schon spezielle Förderung, dann eine Förderung der positiven Einstellung zu den Mitmenschen, mehr Menschlichkeit und Charakterbildung, mehr Achtung anderen gegenüber, mehr Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit, mehr soziales Bewußtsein und vor allem mehr Verantwortungsbewußtsein als Mitglied dieses Hauses. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.35

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Zweite Wortmeldung; Restredezeit: 10 Minuten. – Bitte.

12.35

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir Freiheitlichen bringen aus der Überlegung heraus, daß die Proteste gegen die Rechtschreibreform seit der Unterzeichnung der internationalen Vereinbarung zur Reform der deutschen Rechtschreibung am 1. Juli 1997 nicht abreißen, noch einen Entschließungsantrag in diese Debatte ein, der lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Schweitzer, Mag. Dr. Grollitsch, MMag. Dr. Brauneder, Madl, Dipl.-Ing. Schöggl und Kollegen betreffend Aussetzen der Rechtschreibreform

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten wird ersucht, die Vertragspartner der ´Wiener Absichtserklärung´ unverzüglich zu einer Besprechung der Kritiken an der Rechtschreibreform zu laden, in Österreich für das Aussetzen der neuen Rechtschreibung umgehend Sorge zu tragen und dem Nationalrat ehebaldigst einen umfassenden Bericht über die Art und die Kosten der Umsetzung der Rechtschreibreform vorzulegen."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit zur Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. – Bitte.

12.36

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich möchte die Diskussion über das Bundesgesetz für die Schulen für Berufstätige nicht vorübergehen lassen, ohne auch darauf hinzuweisen, daß an den Schulen für Berufstätige in


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Österreich – seien es Gymnasien, allgemeinbildende höhere Schulen, berufsbildende höhere Schulen; ich kenne sie fast alle – bereits jetzt ausgezeichnete Arbeit geleistet wird, und daß es einfach notwendig war, diesen für die Unterrichtsarbeit auch die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen – was hiemit geschieht.

Wenn wir von Schulen für Berufstätige und über Erwachsenenbildung sprechen, wird in diesem Zusammenhang in letzter Zeit auch immer wieder darüber diskutiert, ob es sinnvoll wäre, gewisse Kostenbeiträge zu verlangen. Andererseits wurden heute schon des öfteren die Pläne betreffend eine Karl-Popper-Schule in Wien erwähnt. Ich möchte versuchen, diese beiden Punkte in Zusammenhang zu bringen.

Ich war wirklich entsetzt über Artikel, die in den letzten Wochen zu lesen waren, wie nämlich seitens der Betreiber die Finanzierung dieser Schule geplant gewesen ist. Ich habe erfahren, daß die Erzdiözese Wien aus diesem Projekt ausgestiegen ist, weil das nicht in ihr Schulkonzept hineinpaßt, und daß es – so steht es im "Kurier" zu lesen – die Überlegung des Dr. Görg war, diese Schule über das Privatschulgesetz, und zwar auf der Basis des Konkordats, zu finanzieren. Andererseits haben wir bei den Schulen für Berufstätige und auch insgesamt mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Daher halte ich es – gelinde gesagt – für an der Grenze des Vertretbaren, daß man solche gesetzlichen Bestimmungen aufgrund des Konkordats dazu verwenden möchte, eine Schule auf der Basis einer konfessionellen Schule ins Leben zu rufen.

Kurz zur Rechtschreibreform. Kollege Schweitzer hat offensichtlich wieder einen Antrag eingebracht. Es ist schon einigermaßen konfus, wie der freiheitliche Klub mit dem Parlament umgeht. Wir hatten diesen Antrag schon lange im Hohen Haus liegen. Er stand auf der Tagesordnung des Unterrichtsausschusses, Kollege Schweitzer. Dort aber haben Sie ihn zurückgezogen, weil Ihnen klar wurde, daß er eigentlich kein Diskussionsthema mehr ist, und weil der Bericht, den Sie verlangt haben, in ausreichendem Maße dem Parlament übergeben und allen Parlamentariern zur Verfügung gestellt wurde. – Doch fünf Minuten vor Schluß der Debatte stellen Sie wieder einen Antrag zu diesem Thema, den Sie eigentlich schon längst zu den Akten gelegt haben müßten. – Mit Ihren parlamentarischen Gepflogenheiten umgehen zu können, fällt einigermaßen schwer. Daher werden Sie auch verstehen, daß wir diesen Antrag ablehnen müssen.

Sie haben außerdem in Ihren ersten Ausführungen gemeint, wir hätten im Ausschuß Ihre Überlegungen zur Begabtenförderung nicht ausreichend überdacht, nicht ausreichend diskutiert. Dazu kann ich nur sagen: Die Diskussion war mehr als ausreichend. Sie war sehr, sehr ausführlich und sehr konstruktiv, aber offensichtlich ist es Ihnen schwergefallen, zuzuhören beziehungsweise die Argumente ausreichend zu verarbeiten, die Ihnen in diesem Sinn dargeboten wurden. Denn was Sie in Ihrem Antrag schreiben, sind letztlich wirklich Platitüden.

Ich darf ein paar Beispiele zitieren. Sie schreiben: Eine nicht zu geringe Zahl von Schülern ist hochbegabt. Die Schule an sich stellt keine geistige Herausforderung für diese SchülerInnen dar. Viel zu oft werden hochbegabte Kinder ..., häufig ist es nur dem Zufall überlassen ... – Das sind ja nichts als leere Schlagworte. Sie wissen selbst nicht, wie sich dieses Thema darstellt. Faktum ist ja wohl, daß es in den österreichischen Schulen ein sehr breites Spektrum gibt, wie man mit unterschiedlichen Begabungen umgehen kann und umgehen soll, und daß auf diesem Gebiet sehr viel passiert.

Es ist in diesem Alter einfach schwer, mit Sicherheit festzustellen – wenn Sie damit Vier- oder Fünfjährige meinen, dann schon überhaupt –, in welche Richtung sich das Kind entwickelt. Ihre Konzepte einer Begabtenförderung, wie sie hier vorgetragen wurden und wie sie schriftlich vorliegen, hat es zuletzt in dieser Form in Rumänien und in der ehemaligen UdSSR gegeben. Dort hat man zu Recht diese Systeme, die solche Formen der Förderung von kleinen Kindern vorgesehen haben, in die Geschichte geschickt. Wir in Österreich werden uns weigern, ähnliche Systeme wieder zu errichten. Sie können sicher sein, daß wir uns dagegen wehren werden. (Beifall bei der SPÖ.)

12.42


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64. Sitzung / Seite 67

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Als letzter Redner ist Abgeordneter Dr. Rada zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.42

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geschätzte Damen und Herren in diesem Hohen Haus! Es liegt in der Natur der Sache, daß am Ende einer Debatte bereits sehr, sehr viele Argumente dargelegt worden sind. Es liegt aber auch in der Natur der Sache, daß am Ende einer solchen Debatte das eine oder andere Argument noch einmal kritisch betrachtet wird.

Bei der gesamten Problematik Begabungsförderung und Begabtenförderung hat mir in der Diskussion die differenzierte Betrachtungsweise sehr gefehlt. Es ist nämlich nicht gleich, ob ich von Begabungsförderung und Begabtenförderung im Bereich der Grundschule oder im Sekundarbereich spreche. Ich bekenne mich ebenfalls zum breiten Begriff der Begabungsförderung. Und ich möchte Kollegen Stampler sehr herzlich dafür danken, daß er den Zielparagraphen der Schule zitiert und dargestellt hat, daß all das, was heute mit einem Entschließungsantrag eingefordert wird beziehungsweise eingefordert werden soll, eigentlich schon festgeschrieben und nachzulesen ist.

Mir persönlich scheint eher sehr, sehr wesentlich zu sein, im Begabungsbereich die Begabungen richtig zu erkennen und zu fördern. Ein Beispiel: Wenn ich mich in die Grundschulsituation versetze und Kinder in einem bestimmten Zahlenraum rechnen müssen, und zwar alle die gleichen Rechnungen, wenn sie alle zur gleichen Zeit den gleichen Buchstaben lernen müssen, dann ist das nicht Begabungsförderung, sondern ganz im Gegenteil Demotivation und Begabungsverdeckung, Begabungsverdrängung.

Wichtig – und das muß unsere Forderung sein – ist der individualisierte Unterricht, nämlich all den Begabungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Kinder in unserer Schule gerecht zu werden. Ich glaube, diesbezüglich hat sich Abgeordneter Schweitzer unnötig um das sozialdemokratische Bildungsprogramm Sorgen gemacht, denn es ist nicht unser Ziel, Begabungen zu verschütten, es ist schon gar nicht unser Ziel, eine Nivellierung nach unten zu betreiben, sondern es ist vielmehr unser Ziel, allen bestmöglich zu helfen.

Ich stelle mich daher gerne einem breit angelegten Begabungsdiskussionsprozeß. Nur kann ich mich persönlich nicht damit anfreunden, daß diese Begabtenförderung außerhalb, in elitären Bereichen, stattfinden soll. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Da haben Sie nicht zugehört!) Denn gerade in unserer Zeit scheint es mir zunehmend wichtig zu sein, daß die jungen Menschen in einem sozialen Umfeld aufwachsen, daß sie Soziales erleben, daß sie Soziales kennenlernen. Es ist wenig interessant und für die künftige Entwicklung nicht von Bedeutung, wenn Kinder frühzeitig einem Wettbewerb ausgesetzt werden.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich wünsche mir vielmehr den begabenden Lehrer, jenen, der die Talente, die in jedem Menschen vorhanden sind, erkennt, diese fördert und damit Begabung hervorbringt und letztendlich dem jungen Menschen das Gefühl vermittelt, daß er etwas wert ist, daß er ein wertvoller Mensch ist.

Abschließend möchte ich der Frau Bundesministerin recht geben, wenn sie in ihrem Beitrag gemeint hat: Zeugnisse für Lehrer – auch wenn das vielleicht nur die Medien so geschrieben haben – sind mit Sicherheit kein Qualitätsmerkmal für Schule, sind mit Sicherheit auch kein qualitätsförderndes Merkmal. Wichtig sind aber sehr wohl Mitarbeitergespräche, und zwar zwischen Schulaufsicht und Schulleitern, zwischen Schulleitern und Lehrern sowie zwischen Schulaufsicht und Lehrern. (Beifall bei der SPÖ.) In diese Mitarbeitergespräche unvorbereitete, unausgebildete Eltern miteinzubeziehen, halte ich derzeit für ein zu gewagtes Experiment. (Beifall bei der SPÖ.)

12.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor.

Die Debatte ist geschlossen.


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64. Sitzung / Seite 68

Ein Schlußwort des Berichterstatters wird nicht gewünscht.

Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen. – Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Ich lasse über jeden Ausschußantrag getrennt abstimmen.

Zunächst stimmen wir ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 599 der Beilagen.

Die Abgeordneten Mag. Schweitzer und Genossen haben hiezu einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über den vom Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Der vorliegende Entwurf betreffend Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige kann im Sinne des Artikels 14 Abs. 10 Bundes-Verfassungsgesetz nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.

Ich stelle die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Die Abgeordneten Mag. Schweitzer und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 26 Abs. 1 Ziffer 2 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit.

Ich lasse sogleich über § 26 Abs. 1 Ziffer 2 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich ersuche alle Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit.

Schließlich komme ich nun zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist die Mehrheit.

Ich stelle ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Entwurf in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

Auch hiezu stelle ich das Vorliegen des verfassungsrechtlich gebotenen Quorums fest.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Schweitzer und Genossen betreffend gesetzliche Verankerung der Förderung hochbegabter Schüler und Schülerinnen.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Schweitzer und Genossen betreffend Aussetzen der Rechtschreibreform ab.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, möge ein entsprechendes Zeichen geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist nicht angenommen.


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Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird, samt Titel und Eingang in 600 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Entwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Entwurf ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung für diesen Entwurf ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Entwurf ist in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen geändert wird, samt Titel und Eingang in 601 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entwurf sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Entwurf ist mehrheitlich angenommen.

Ich bitte auch um ein Votum für die dritte Lesung.

Wer dafür ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Unterrichtsausschusses, seinen Bericht 602 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Mehrheit. Der Bericht ist mehrheitlich zur Kenntnis genommen worden.

5. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Bundesrechnungsabschluß für das Jahr 1995 (III-50/572 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen sofort in die Debatte ein.

Ich erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Mag. Trattner das Wort. – Sie wollen eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 10 Minuten. – Bitte.

12.52

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Finanzminister, Sie haben mit diesem Bundesrechnungsabschluß ja eher nichts zu tun. Dafür waren Ihre Vorvorgänger Lacina und Staribacher zuständig. Aber wir feiern doch heute gewissermaßen eine Premiere, indem wir einen Rechnungsabschluß nicht um 1.30 Uhr in der Früh oder um Mitternacht besprechen, sondern noch zu einer christlichen Zeit, nämlich um 1 Uhr Mittag. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Finanzminister! Eingangs sei erwähnt, daß die freiheitliche Fraktion diesem Rechnungsabschluß keine Zustimmung erteilen wird. Wir erteilen dem Rechnungsabschluß deshalb keine Zustimmung, weil wir bereits bei den Budgetberatungen zu den Ansätzen keine Zustimmung gegeben haben und daher auch zum Vollzug keine Zustimmung geben können. Das bedeutet aber nicht, daß wir die Arbeit des Rechnungshofs beziehungsweise der Mitarbeiter des Rechnungshofs, die diesen Bericht erstellt haben, nicht würdigen wollen. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Dieser Bundesvoranschlag war durch einen prognostizierten Abgang von 102,3 Milliarden Schilling gekennzeichnet. Im Endeffekt sind 117,9 Milliarden Schilling herausgekommen. Das ist eine Überschreitung von 15,6 Milliarden Schilling. Diese liegt in einer Größenordnung von 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Herr Finanzminister! Wir haben bereits gestern in der Aktuellen Stunde Gelegenheit gehabt, auf die kalte Progression einzugehen. Wenn Sie sich den Bundesrechnungsabschluß ansehen, dann erkennen Sie eine Position, die durch einen enormen Anstieg im Bereich der Lohnsteuer gekennzeichnet ist.

Die Lohnsteuereinnahmen betrugen im Jahr 1994 134,8 Milliarden Schilling und lagen im Jahr 1995 bei 150,2 Milliarden Schilling; das ist immerhin eine Steigerung um 15,4 Milliarden Schilling oder um über 11 Prozent. Dies, obwohl es nur Lohnzuwächse in der Größenordnung von 2 Prozent gegeben hat! Das heißt, Sie schulden alleine aus dem Jahr 1995 den Steuerzahlern 12 Milliarden Schilling aus der kalten Progression.

Das kann man anhand dieser Beispiele wirklich eindeutig feststellen. Sie können da auch nicht mit der Argumentation kommen: Es hat ja ein Beschäftigtenzuwachs stattgefunden. Im Jahr 1995 hat die Beschäftigung nicht zugenommen, sondern aufgrund der Belastungspolitik sogar abgenommen, nämlich um 0,1 Prozent. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieses Budget ist unter der Voraussetzung einer nominellen Wachstumsrate von 5,8 Prozent erstellt worden. Eingetroffen sind nur 3,8 Prozent. Und bei jeder Debatte zu einem Bundesrechnungsabschluß hört man von seiten der Kolleginnen und Kollegen aus den Regierungsfraktionen: Schuld ist die Konjunktur, schuld ist der Konjunkturabschwung. Herr Finanzminister! Wir wollen es uns doch nicht so leichtmachen, indem wir alles auf die Konjunktur schieben, sondern es wäre doch wirklich einmal interessant, zu untersuchen, wie sich das Wachstum verhalten hätte, wenn wir eine andere Budgetpolitik gefahren wären, wenn wir eine andere Steuerpolitik gefahren wären und wenn wir eine andere Zinspolitik gefahren wären.

Herr Finanzminister! Man braucht nur die Situation in den Staaten USA und Österreich zu vergleichen. Beide haben den Weg einer Budgetkonsolidierung beschritten, aber es gab unterschiedliche Ansätze und auch unterschiedliche Ergebnisse.

Sie – nicht Sie als Person, Herr Finanzminister, sondern Ihre Vorgänger – sind eine Budgetpolitik gefahren, die zu einer überproportionalen Belastung einer Einkommensschicht geführt hat, die ein überhohes Konsumbewußtsein hat, die eine sehr große Konsumnachfrage verzeichnet. Durch das Belastungspaket, durch die Steuerpolitik wurde gerade diese Schicht mit hohem Konsumbedarf sehr stark belastet. Man ist aber auch aufgrund der Tatsache, daß wir in Österreich eine sehr hohe reale Zinspolitik gehabt haben beziehungsweise haben, in die Sparpolitik ausgewichen. Das hat zu einer Dämpfung des Konsums geführt und natürlich auch dazu, daß eben das Wirtschaftswachstum hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist.

Was haben die USA gemacht? – Die USA haben auch einen Budgetkonsolidierungskurs gefahren, haben aber nicht die Bevölkerungsschichten mit hoher Konsumnachfrage belastet. Die USA haben eine Budget- und Steuerpolitik gefahren, mit der man durch eine Änderung des Steuertarifs gerade diese breite Einkommensschicht entlastet hat. Diese Bevölkerungsschicht hat eine hohe Konsumnachfrage entwickelt, und aufgrund der niedrigen Zinsen in den Vereinigten Staaten ist auch die Sparquote hinuntergegangen, die Konsumnachfrage ist gestiegen, und das Wachstum ist gestiegen. Das hat nämlich andere Auswirkungen gehabt als bei uns in Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die USA haben ein hohes Wirtschaftswachstum. Wir in Österreich haben dieses hohe Wirtschaftswachstum nicht. Es ist um 2 Prozent hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Es geht auch um den Zeitpunkt, da Sie beziehungsweise die Bundesregierung eingegriffen haben. Es gibt auch beim Zeitpunkt gravierende Unterschiede zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Österreich. Herr Finanzminister! Der gravierende Unterschied ist, daß in Amerika eine Budgetkonsolidierung herbeigeführt worden ist, als es bereits ein stabiles Wachstum gegeben hat, und zwar ein stabiles Wachstum von Investitionen und Konsumgüternachfrage, während wir


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in Österreich mit Budgetkonsolidierungsmaßnahmen eingegriffen haben in erster Linie im Hinblick auf die Maastricht-Kriterien in der Rezessionsphase 1993, als die Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern bereits rückläufig war.

Es wurde der falsche Zeitpunkt gewählt, in Amerika hingegen war der Eingriff ein vernünftiger. Er erfolgte in einer Zeit der Stabilität, in einer Zeit des Wachstums, und zwar für Konsum- und Investitionsgüter. Bei uns in Österreich wurden aufgrund der Stabilitätskriterien des Vertrages zu Maastricht Maßnahmen gesetzt, die zu einem weiteren Rückgang des Wachstums geführt haben. Die in Amerika betriebene Strategie, nämlich Entlastung der Bevölkerungsschicht mit hoher Konsumnachfrage, hat zu einem hohen Wachstum geführt. Wir in Österreich haben leider genau den gegenteiligen Effekt erzielt.

In Amerika hat sich die Arbeitslosenrate halbiert, hat sich die Staatsschuldenquote stark reduziert, und das Budgetdefizit ist aufgrund der Maßnahmen von 5 Prozent im Jahr 1991 auf 1,5 Prozent im Jahr 1995 zurückgegangen.

Herr Finanzminister! Über diese Varianten soll man reden. Wollen Sie bei dem Kurs bleiben, den Ihre Vorgänger gefahren haben? Wollen Sie weiterhin die Bevölkerung belasten, Arbeitslose produzieren, Budgetdefizite produzieren, Mißtrauen der österreichischen Bevölkerung ernten? Wollen Sie, daß keine Energie mehr in der Bevölkerung da ist, weil eben Leistung nicht belohnt wird, sondern alles nur besteuert wird, oder wollen Sie endlich einmal den Versuch starten und auch mit der Opposition darüber diskutieren beziehungsweise einmal in engere Beratungen eintreten, wie man den Karren wirklich herausziehen kann?

Das ist nämlich derzeit das Problem, und nur mit Belastungen wird es nicht gehen. Deswegen ist unsere Linie die: Es muß versucht werden, eine Beschleunigung des mittelfristigen Wachstums herbeizuführen. Viele Anträge, die seitens der freiheitlichen Fraktion in der letzten Zeit eingebracht wurden, wären dazu geeignet. Eine Beschleunigung des mittelfristigen Wachstums kann eben nur so forciert werden, wie das in den USA gemacht worden ist, nämlich durch eine Entlastung des Einkommensbereiches sowohl der Selbständigen als auch der unselbständig Beschäftigten, damit sowohl die Konsumnachfrage als auch die Investitionsnachfrage angekurbelt werden.

Das läuft auf folgendes hinaus, Herr Finanzminister: Bemühen Sie sich, rasch eine Steuerreform durchzuziehen und die kalte Progression endlich zu beseitigen! Ich habe es vorher bereits gesagt, es waren allein im Jahr 1995 12 Milliarden Schilling, die Sie – nicht Sie als Person, Herr Finanzminister, sondern das Finanzministerium mit seinen Entscheidungen – der österreichischen Bevölkerung entzogen haben. Nehmen Sie die Vorschläge der Freiheitlichen hinsichtlich einer Steuerreform im Bereich der Lohnsteuer ernst, und nehmen Sie die Vorschläge der Freiheitlichen auch für den Bereich der Selbständigen ernst, indem Sie eine Entlastung, das heißt eine Steuerfreistellung nichtentnommener Gewinne vornehmen! Dann werden Sie beide Anreize schaffen.

Nur im Wege eines zusätzlichen Wachstums haben Sie die Möglichkeit, die Zahlen gerade im Bereich der Arbeitslosen beziehungsweise im Bereich des Budgets in Ordnung zu bringen. Wenn Sie jedoch die Politik, die Ihre Vorgänger gemacht haben, wenn Sie die Entscheidungen, die diese getroffen haben, nicht revidieren, wird Ihnen eines sicher sein: Wir werden nächstes Jahr im Jänner wahrscheinlich wieder hier stehen, wir werden eine Sondersitzung abhandeln, und wir werden nicht über Arbeitslosenzahlen in der Größenordnung von 300 000 reden, sondern unter Umständen über solche von 350 000. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Wir setzen in Sie, Herr Finanzminister, auch ein gewisses Vertrauen, das Sie bitte nicht enttäuschen sollten, und zwar sollten Sie uns insofern nicht enttäuschen, als Sie diese Diskussion aufnehmen, Ideen der Oppositionsparteien besprechen und eine rasche Umsetzung zu einem beschleunigten Wirtschaftswachstum in die Wege leiten. Dann, glaube ich, können wir uns viele Sorgen in der nächsten Zukunft ersparen. Aber wenn Sie bei diesem restriktiven Kurs, der nur Belastungen in der mittleren Einkommensschicht beinhal


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tet, bleiben werden, dann werden wir wahrscheinlich wirklich im nächsten Jahr die Arbeitslosenzahl um weitere 10 bis 15 Prozent erhöht finden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.04

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.04

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte hier eindeutig feststellen, daß der Bundesrechnungsabschluß 1995 natürlich ein sehr unerfreuliches Ergebnis auch für die Bundesregierung und für die Koalitionsfraktionen dargestellt hat und daß als Reaktion darauf sehr schnell Aktivitäten durch die Bundesregierung gesetzt wurden, die in strukturpolitischen Maßnahmen und in dem – wie es landläufig heißt – Sparpaket mündeten.

Ich glaube aber – um eine kurze Replik auf Herrn Kollegen Trattner zu geben –, daß eine Politik wie in den USA, wo sie währungspolitisch anders beeinflußt ist als in Europa, bei uns unter anderen Rahmenbedingungen nicht unbedingt dieselben positiven Ergebnisse bringen würde und daher sehr vorsichtig argumentiert werden muß, wenngleich natürlich vom Ansatz her sehr viel Richtiges in den Aussagen des Kollegen Trattner gesteckt hat.

Dennoch können wir feststellen, daß wir in Österreich, was die Steuer- und Abgabenquote betrifft, trotz Sparpaket noch eine sehr günstige Situation haben, daß wir eindeutig noch unter dem EU-Durchschnitt, unter dem europäischen Durchschnitt liegen, daß wir im Bereich der Lohn- und der Einkommensteuer trotz Sparpakets eindeutig unter dem OECD- und dem EU-Durchschnitt liegen und daß wir im Bereich der Vermögens-, Grund- und Erbschaftssteuern dramatisch weit unter diesem europäischen Schnitt liegen. Darin sehe ich natürlich Potentiale, die Lohn- und Einkommensteuer zu entlasten, während man in anderen Segmenten – der Herr Bundesminister hat das gestern bereits ausgeführt – etwas anzieht.

Ich glaube auch, daß trotz Sparpakets der Standort Österreich ein attraktiver geblieben ist, und wir wissen aus dem Jahr 1996, daß Auslandsinvestitionen in der Höhe von rund 40 Milliarden Schilling in Österreich getätigt wurden, österreichische Unternehmungen jedoch nur Investitionen in der Höhe von 15 Milliarden Schilling im Ausland getätigt haben, womit also eine sehr positive Bilanz vorliegt.

Ich meine, daß wir derzeit auf einem sehr mühsamen, aber richtigen Weg sind, und möchte – da ich mich kurz fassen möchte – nur noch den Herrn Bundesminister zitieren, der gestern am Ende seiner Rede gesagt hat: Der Weg, auf dem sich unser Land befindet, ist im Moment noch beschwerlich und mühsam. Aber es sind die Mühen des Aufstiegs, an dessen Ende mehr Wachstum, mehr Beschäftigung und geringere Arbeitslosigkeit stehen werden. – In diesem Sinne danke ich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.07

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.07

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister für Finanzen! Herr Rechnungshofpräsident! Sehr geehrte Damen und Herren im Plenum! Immer, wenn ich einen Bundesrechnungsabschluß zu Gesicht bekomme, fällt mir ein Tiroler Spruch ein, der lautet: Wenn i, hätt’ i, war’ i, san dreilari!

Was wir hier machen, ist Geschichtsforschung. Wir haben das oft beklagt, wir haben es im Budgetausschuß oft diskutiert, und wir haben uns auch darüber unterhalten, wie man diesen Bundesrechnungsabschluß wenigstens zu einem etwas tauglicheren Instrument der Steuerung, der Kontrolle und auch eines vernünftigen Maßes der Selbstdisziplinierung für die Budgetersteller und für die Budgetvollziehenden machen könnte. Ich hoffe, daß wir diese Gespräche nicht einschlafen lassen, sondern daß wir uns weiter bemühen, wenigstens ein bißchen Aktualitätsbe


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zug herzustellen, denn mich tröstet es nicht sonderlich, daß wir diese Debatte vor leerem Plenum zu einer christlichen Mittagszeit führen; es wäre mir die Mitternachtsstunde besser geeignet erschienen, um es eher schamhafter zu machen. Ich bin daher wirklich in hohem Maße ... (Abg. Böhacker: Überrascht!) – Nein, nicht überrascht und nicht enttäuscht, aber nicht sonderlich motiviert. (Abg. Böhacker: So ist es!)

Herr Bundesminister! Sie wissen, es gibt drei Gründe, warum Sie zur Kenntnis nehmen mußten, daß dieses Budgetdefizit im wahrsten Sinne des Wortes explodiert ist, und das nach einer Reihe von Jahren, in denen wir dieselbe Entwicklung feststellen mußten. Ich darf daran erinnern, daß wir das letzte Mal im Jahr 1991 ein, wenn auch bescheidenes, aber immerhin positives Ergebnis im Sinne des Vollzuges mit 600 Millionen Schilling unter dem Voranschlag hatten. Im Jahr 1992 betrug das Budgetdefizit 3,3 Milliarden Schilling, 1993 34,1 Milliarden Schilling, 1994 25 Milliarden Schilling und 1995 15,6 Milliarden Schilling. Sie wissen auch, daß das doch Abweichungen sind, die nicht mehr mit einer Rechenungenauigkeit oder mit einer sozusagen immanenten und unvermeidbaren Fehleinschätzung erklärbar sind.

Was ist passiert? – Es sind hier einige Gründe erkennbar, für die wir Sie – Sie persönlich natürlich überhaupt nicht, sondern Ihre Vorgänger – nicht unbedingt verantwortlich machen können.

Der Grund eins war die Konjunkturentwicklung. Es ist legitim, für sich in Anspruch zu nehmen, daß sie in ihrer vollen Auswirkung nicht erwartbar war. Daß wir aber erwarten, daß die Bundesregierung die Budgetansätze und die Voranschläge mit der Vorsicht eines ordentlichen Kaufmannes erstellt und daher nicht grundsätzlich vom politisch opportunen Bestfall ausgeht, sondern von einem vernünftigen und erwartbaren Mittelwert, sei hier angemerkt. Wir haben Sie damals schon darauf hingewiesen, daß diese Erwartungen zu optimistisch sind – nicht Sie, verzeihen Sie mir; ich meine mit "Sie" immer den Herrn Bundesminister im Amt – und daß daher diese Spur im Rechnungsabschluß erkennbar sein wird.

Der zweite Grund – der war sicherlich berechenbar, und zwar ziemlich genau berechenbar – waren die Aufwendungen, die Sie für die Mehrwertsteuerumstellung anläßlich des Beitritts zur EU hinnehmen mußten. Hier war nicht ausreichend vorgesorgt, und auch die Erfindung eines dreizehnten Monats, die Ihr Vorgänger Lacina gemacht hat, der den Gregorianischen Kalender verändert hat, hat offensichtlich nicht viel weitergeholfen. Darüber hinaus wäre es sicherlich diskussionswürdig, ob so eine Maßnahme überhaupt zulässig ist. (Abg. Böhacker: Das ist ein Spezialkapitel!)

Was aber die groben Fehleinschätzungen betrifft, bei denen wirklich politisches Versagen oder politische Fehlleistung zu erkennen ist, gehört dazu sicherlich das Kapitel Privatisierung. Diesbezüglich haben Sie ja in diesem Jahr 1995 nichts vorzuweisen. Ich gebe jetzt zu, daß in der Auswirkung, im absoluten Betrag die Privatisierungen nunmehr, im Jahr 1997, wesentlich ergiebiger erfolgt sind. Wir meinen aber, daß es bei der Budgeterstellung und beim Budgetvollzug notwendig wäre, daß Sie als Finanzminister sich nicht selbst dem Druck entziehen, der dadurch entsteht, daß Sie beispielsweise solche wesentlichen Positionen wie 13 Milliarden Schilling – wenn ich mich richtig erinnere – Privatisierungserlöse nicht im Budget vorsehen, denn dann wären Sie einfach gezwungen, die Rahmenbedingungen zu schaffen oder entsprechende politische Aktionen zu setzen, damit Sie trotzdem zu einem tauglichen oder zumindest zu einem bekanntgegebenen Budgetdefizit kommen. Diesem Druck haben sich Ihre Vorgänger entzogen, indem sie einfach Privatisierungserlöse angesetzt haben, die, wie wir wissen, bei weitem nicht eingetreten sind.

Noch ein Punkt, Herr Bundesminister, der hier abzulesen ist, ist die Entwicklung der Pensionen. Wie Sie wissen, haben wir 7,9 Milliarden Schilling mehr an Pensionszuschüssen zu Lasten des Budgets ausbezahlt, als Sie budgetiert hatten. Jetzt sind gerade die demoskopische Entwicklung eines Volkes und die damit verbundenen Pensionslasten eine statistisch absolut gesicherte Materie, und die Berechnungen für die Pensionslasten sind wirklich verhältnismäßig exakt möglich. Wenn Sie daher in diesem Budget seinerzeit neuerlich diese Position um einen so wesentlichen Betrag, nämlich um 8 Milliarden Schilling, geschönt haben, dann – es tut mir leid – müssen wir als Oppositionspartei annehmen, daß dies mit Absicht geschehen ist, um eine reform


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bedürftige, seit Jahren dringend anstehende Materie noch länger einigermaßen ruhigzuhalten und sich einer diesbezüglichen Debatte zu entziehen. Wir haben in dieser Woche schon Gelegenheit gehabt, auch über dieses Thema kurz zu reden, und ich hoffe und glaube, Herr Bundesminister, daß wir von der Bundesregierung auch noch Vorschläge bekommen, denn stillzusitzen und zu hören, wie die Bombe im Schrank tickt, heißt im amerikanischen Sprachgebrauch "fools paradise". Wir wollen aber keine Narren im Paradies sein, sondern wir wollen uns wenigstens den Gefahren und den Schwierigkeiten, die auf uns zukommen, sehenden Auges nähern.

Was mich am Bundesrechnungsabschluß am meisten alarmiert, Herr Bundesminister, ist allerdings die erwartete und nicht überraschende Entwicklung des Schuldenstandes. Herr Gartlehner, ich weiß, wir machen da – ich würde es einmal ein bißchen salopp ausdrücken – eine gewisse Pflichtübung, das ist mir schon klar, natürlich wiederholt jeder seinen Standpunkt, und jeder sagt, wir sind im internationalen Vergleich ohnehin gar nicht so schlecht. Das tröstet mich nicht. Es ist kein Trost, den anderen in die Pleite schlittern zu sehen und zu sagen, ich komme zwei Monate später dran. Es ist einfach eine Tatsache, daß wir einen Schuldenberg angehäuft haben, und zwar zu Lasten kommender Generationen angehäuft haben.

Die Frage, wie wir von diesem nunmehr hier stehenden Schuldenberg in der Höhe von 1 833 Milliarden Schilling herunterkommen werden, und zwar im Wissen, daß es 1996 mehr werden, 1997 mehr werden, 1998 mehr werden, 1999 mehr werden – in absoluten Zahlen auf jeden Fall –, die, bitte schön, hat noch niemand in diesem Haus oder von dieser Regierungsbank aus beantwortet. Für mich ist das eine bedrückende Perspektive, und hier, glaube ich, ist auch der größte Handlungsbedarf gegeben.

Sie, Herr Gartlehner und meine Damen und Herren von der Koalition, sollten nicht Belgien, Italien oder andere heranziehen, die in diesem internationalen Wettbewerb sicherlich vor uns pleite gehen werden, denn letztendlich werden wir eine Gemeinschaft der Pleitiers sein, und das ist keine Perspektive. – Ich danke Ihnen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.15

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dkfm. Mühlbachler. – Bitte, Herr Abgeordneter. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

13.15

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich hat Herr Dr. Haselsteiner recht, wenn er hier bemerkt, daß die Diskussion um den Bundesrechnungsabschluß zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Korrekturen an diesem Ergebnis, das vorliegt, mehr zuläßt. Das haben alle Bilanzen so an sich (Abg. Dr. Haselsteiner: Das ist ja keine Bilanz!) , aber ich meine trotzdem, daß es notwendig ist, daß wir uns mit diesem Rechnungsabschluß kritisch auseinandersetzen, denn auf der einen Seite können wir doch beleuchten, welche Rahmenbedingungen anläßlich dieses Budgetvollzuges gegeben gewesen sind, wie schlußendlich der Vollzug war, wie sich der Budgetvollzug bewährt hat und welche politischen Akzentuierungen durch dieses Budget 1995 zum Ausdruck gekommen sind, und auf der anderen Seite sollten wir uns, glaube ich, auch einmal mit einem budgetären Phänomen auseinandersetzen, das sich in chronologischer Wiederkehr beobachten läßt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte in der Budgetgeschichte ein bißchen zurückgehen. Es ist doch allseits bekannt, daß die Österreichische Volkspartei, als sie in die Koalition eingetreten ist, dies mit dem Anspruch getan hat, das Budget sanieren zu wollen. Wenn man sich die Zahlen aus diesem Vorhaben verinnerlicht, dann glaube ich sehr wohl, daß es vorerst einmal gelungen ist, in die Nähe einer Budgetsanierung zu kommen, denn immerhin haben wir beispielsweise noch 1986 einen Abgang von 5,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gehabt. Dieser konnte bis 1992 auf 3,2 Prozent abgesenkt werden. Das heißt, wir sind sehr nahe an das eine Maastricht-Kriterium, daß das Budgetdefizit nicht höher als 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes sein sollte, herangekommen.


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Faktum aber ist, daß immer dann, wenn ein derartiges Ziel erreicht wird, ganz offensichtlich total neue Akzentuierungen eintreten, deren Effizienz überprüft werden sollte, denn diese neuen Akzentuierungen bringen es mit sich, daß die Staatsverschuldung beziehungsweise die Abgänge immer wieder rapid ansteigen.

Ich möchte mich daher dem, was Herr Mag. Trattner hier gesagt hat, absolut nicht anschließen. Er hat gemeint, das Maastricht-Kriterium und die Verfolgung desselben allein schon wäre schlecht, wäre schlecht für die Arbeitsmarktpolitik und für die Gesamtpolitik in Österreich. Mitnichten!

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, im speziellen von der "F"! Ich glaube einfach, daß wir uns ein für allemal darauf verständigen müssen, daß Sparen zu jeder Zeit Aktualität hat, und ich nehme an, daß dieses Maastricht-Kriterium, wonach 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes das Höchstmaß für Abgänge sein sollen, ein sehr taugliches Hilfsmittel für uns alle, ganz egal, welcher politischen Richtung wir uns zugehörig fühlen, sein könnte. (Beifall bei der ÖVP.)

Hätte man dies schon immer im Auge gehabt, dann wäre natürlich dieser Schuldenberg, von dem Herr Dr. Haselsteiner sagt, er sei fast nicht mehr zu bewältigen, nicht so hoch angewachsen. (Zwischenruf des Abg. Jung .)

Herr Kollege Jung von der "F"! Ich glaube, daß, wenn es um Schulden geht, die "F" keinen Grund hat, sich besonders lautstark zu äußern. (Abg. Jung: An der Staatsverschuldung sind aber schon Sie schuld, nicht wir!) Denn eines möchte ich Ihnen schon sagen: Zu der Zeit, als die Freiheitlichen an der Regierung beteiligt waren, haben sie sich in Sachen Budgetkonsolidierung in keiner Weise hervorgetan, sondern sie haben sogar mitgeholfen, das Budget-Desaster noch zu vergrößern. Möglicherweise war auch Ihr Staatssekretär gar nicht in der Lage, abzuschätzen, was er mit verantwortet hat. (Abg. Kiss: Wie hat denn der geheißen?) War das nicht der Herr Dkfm. Bauer?

Noch etwas möchte ich Ihnen sagen: Ihre Beiträge, die Sie in den letzten Jahren geliefert haben – zum Beispiel Vorschläge für Budgetabgangsvermehrungen in der Größenordnung von 210 Milliarden Schilling, Herr Kollege Böhacker –, sind ja auch nicht gerade besonders seriös. Sie als Steuerberater müßten sich doch von fast all diesen Vorschlägen beziehungweise Maßnahmen, die da genannt worden sind, distanzieren. Ernst gemeint können diese nicht gewesen sein, und schon gar nicht können sie im Sinne einer Budgetkonsolidierung gewesen sein.

Ich glaube auch, daß der Vergleich mit Amerika absolut ins Leere geht. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Vergleich von Äpfeln und Birnen ist noch nie gut gewesen. Ein Apfel schmeckt eben anders als eine Birne. Man muß natürlich auch mit ins Kalkül ziehen, daß das Sozialsystem in Österreich ein ganz anderes ist, daß die sozialen Abfederungen anders sind und daß Maßnahmen in Amerika ohne diese sozialen Abfederungen natürlich sofort ganz anders wirken als bei uns in Österreich. (Abg. Mag. Trattner: Lies einmal den Wifo-Bericht! Da steht etwas ganz anderes drinnen, nichts von Äpfeln und Birnen!)

Kollege Trattner! Wenn die "F" von dieser sozialen Abfederung abgehen möchte, um den amerikanischen Weg bei uns in Österreich durchzusetzen, dann soll sie es doch ganz offen sagen, statt immer mit münchhausischen Halbwahrheiten in die Öffentlichkeit zu gehen! Das ist euch in den letzten Tagen schon einmal schlecht bekommen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Trattner: Du hast mir nicht zugehört!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, der Rechnungsabschluß 1995 zeigt, daß die Österreichische Volkspartei – zum Teil unbedankt – den Schritt zur Auflösung der damaligen Regierung zu Recht getan hat. Es mußte einfach ein kräftiger Anstoß zu weiteren Konsolidierungsschritten gesetzt werden, und dieser Anstoß ist von der Österreichischen Volkspartei gekommen. Ich denke, daß dieser Anstoß so kräftig war, daß wir für den österreichischen Bundeshaushalt die Zukunft durchaus positiv beurteilen können. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Müller. – Abg. Mag. Trattner – in Richtung Liberales Forum –: Es ist alles in Ordnung, Haselsteiner, gelt? – Abg. Böhacker: Tutti paletti!)

13.25


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.25

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Mühlbachler hat natürlich in einem recht, nämlich darin, daß das Jahr 1995 das Katastrophenjahr der österreichischen Budgetpolitik war. Was er allerdings nicht dazugesagt hat, ist, daß das nicht ganz von ungefähr gekommen ist. Denn: Was ist denn das Besondere am Jahr 1995? – Das war das erste Jahr der EU-Mitgliedschaft Österreichs.

Anläßlich der Beitrittspropaganda – Sie alle wissen ja, daß ich ein Befürworter des EU-Beitritts war, und zwar trotz und nicht wegen dieser Propaganda – haben Sie sich, wie ich meine, im Laufe der Zeit in die eigene Tasche gelogen und haben am Ende selbst geglaubt, was Sie der Bevölkerung vor dem Juni 1994 weismachen wollten.

Ich erinnere Sie daran – darüber gibt es offizielle Dokumente des Finanzministeriums –, daß damals die offizielle Rechnung lautete: 29 Milliarden Beitrittskosten, Rückflüsse aus Brüssel rund 17 Milliarden, ergibt eine Nettobelastung von 12 Milliarden oder einem halben Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das war damals die offizielle Rechnung – aber allen Insidern war nach einer Schrecksekunde von ungefähr zwei Monaten klar, daß diese Rechnung nicht stimmen kann.

Es hat vor dem Juni 1994 Pressekonferenzen von Prof. Breuss, aber auch von mir persönlich gegeben, in denen wir darauf hingewiesen haben, daß die fiskalische Belastung für alle drei Gebietskörperschaften zusammengenommen wahrscheinlich um die 40 Milliarden Schilling liegen würde, für den Bund allein bei 30 Milliarden Schilling. Diese Vorschauen haben sich nicht nur bestätigt, sondern wurden von der Wirklichkeit noch übertroffen, und zwar nicht unerheblich.

Tatsächlich geworden sind es 1995 rund 48 Milliarden Schilling insgesamt. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus den Beitrittskosten im engeren Sinn, den innerösterreichischen Anpassungshilfen – an die Landwirtschaft und so weiter –, den Mehrwertsteuerausfällen und so weiter und so fort.

Dieser Ausgabenschub beziehungsweise Einnahmenentfall blieb nicht ohne Folgen für die Budgetdefizite, und zwar im Grunde genommen weniger beim Bund, sondern vor allem bei den Ländern. Das wurde unzureichend vorausgeplant. Sonst wäre es ja auch nicht möglich, daß genau im Jahre 1995 eine gewaltige Lücke klafft, nämlich zwischen den Budgetvoranschlagsdaten und den Bundesrechnungsabschlußdaten.

Wir haben heute eine zum Teil historische Debatte, deswegen verwende ich die Zeit auch noch einmal dazu, zu wiederholen, was vor zwei Jahren passiert ist. Das ist nicht vom Himmel gefallen, das haben sich die Koalitionsparteien damals selber eingebrockt. Ich habe nach langem Rätseln darüber, wie das alles möglich war, den Eindruck gewonnen, daß Sie eben Ihre eigenen Angaben im Laufe des Jahres 1994 geglaubt haben und 1995 nicht rechtzeitig auf die tatsächliche Situation reagiert haben.

Im Endeffekt – der Bundesrechnungsabschluß geht darauf kaum ein, allenfalls in einigen verbalen Sätzen – war das relevante Maastricht-Defizit des Bundessektors um 11 Milliarden Schilling höher als in den Voranschlägen vorgesehen, und das Maastricht-Defizit des Staates insgesamt war um rund 30 Milliarden Schilling höher als ursprünglich vorgesehen.

Das ist nicht nur für sich genommen alarmierend gewesen, sondern das war auch alarmierend im Vergleich zu den Vorjahren, die schon schlimm genug waren, ganz im Gegensatz zu dem, was Herr Mühlbachler gesagt hat. Es war auch alarmierend im internationalen Vergleich, weil damals, im Jahr 1995, die österreichischen Defizitwerte nur von Griechenland, Schweden, Italien und Spanien überschritten wurden, also nur von den typischen, klassischen Weichwährungsländern.


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Es war kein Zufall, daß der österreichische Schilling im Herbst 1995, nach der Regierungskrise, unter starkem Abwertungsverdacht stand. Das alles jetzt retrospektiv als besondere Meisterleistung der Bundespolitik und irgendeiner politischen Partei darzustellen und zu rekonstruieren liegt wirklich jenseits jeglicher trivialer Glaubwürdigkeit, Herr Kollege Mühlbachler! Das war eine Katastrophe! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Ungeplant, ungesteuert sind Sie in dieses Schlamassel hineingeraten. Es ist auch nicht richtig, daß erst ab dem Jahr 1995 das Defizit so ausgerissen ist, das war nach den Maastricht-Daten auch 1993 und 1994 schon der Fall. (Abg. Dkfm. Mühlbachler: Das habe ich nicht behauptet! Bis 1992, habe ich gesagt.) Ja, bis 1992. Das ist jetzt fünf Jahre her. (Abg. Dr. Haselsteiner: Bis 1991, Herr Mühlbachler!)

Wollen Sie es wirklich genau wissen? (Der Redner sieht in seinen Unterlagen nach.) Also: Das Maastricht-Defizit war 1992 geringer als 1991. Der wirkliche Strukturbruch ist ab 1993 erfolgt.

Das gleiche spiegelt sich natürlich im Schuldenstand wider, der sprunghaft zugenommen hat. Er stieg 1995 gegenüber 1994 von 65 auf 69 Prozent des Bruttoinlandsproduktes und steigt seither weiterhin an. Trotz der Sparpakete, Herr Kollege Mühlbachler, trotz der Budgets 1996 und 1997 steigt der öffentliche Schuldenstand insgesamt weiterhin ungebremst an. (Abg. Jung: Nicht ungebremst!) Das werden wir erst sehen!

Für 1997 – da haben Sie schon recht – gibt es zumindest interne Papiere des Finanzministeriums, die darauf hindeuten, daß der Schuldenstand gegenüber 1996 absinken könnte. Das setzt freilich vor allem voraus, daß die ASFINAG aus dem Schuldenstand der öffentlichen Gebietskörperschaften verschwindet. Das ist ein Volumen von rund 80 Milliarden Schilling. Ohne diese 80 Milliarden Schilling ist es ausgeschlossen, den Schuldenstand so wie gepant abzusenken.

Sie wissen ganz genau, daß es vor allem die ÖVP-Bundesländer sind, die sich der Zusammenfassung der Straßenbau-Sondergesellschaften mit der ASFINAG derzeit noch widersetzen. Das ist alles lediglich eine Hoffnung, Herr Kollege Mühlbachler! Passiert ist von diesen Sachen noch fast nichts, außer auf Gemeindeebene hinsichtlich der Verselbständigung der Gebührenhaushalte. Das ist aber nicht Bundessache.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch eine Frage anschneiden, die im Bundesrechnungsabschluß ebenfalls nicht thematisiert wird, nämlich die peinlichen Fehleinschätzungen, die sich Österreich in bezug auf die Notifikation in der EU bezüglich der Entwicklung von Defiziten und Schuldenstand leisten mußte oder leisten konnte. Es muß ja zweimal im Jahr nach Brüssel gemeldet werden, wie sich die Budgets entwickeln. In den vier Meldungen, die hier relevant sind, nämlich vom Februar und August 1995 beziehungsweise März und August 1996, mußten sowohl die Defizitwerte wie auch die Schuldenstandwerte jedesmal korrigiert werden, und zwar fast ausschließlich nach oben: Die Meldung vom Februar 1995 für das öffentliche Defizit lautete 108 Milliarden Schilling, vom August 1995 125 Milliarden Schilling, vom März 1996 – wo man es schon hätte wissen müssen, möchte man meinen – 145 Milliarden Schilling und vom August 1996 138 Milliarden Schilling.

Damit macht man sich international lächerlich. Ich hoffe, daß das nur der Ausreißer des Jahres 1995 war, in der besonderen Situation des ersten Jahres in der EU. Ähnliches läßt sich natürlich für den Schuldenstand sagen, aber mit diesen Daten verschone ich Sie jetzt.

Das ist nur zum Teil Schuld des Bundes, das muß man fairerweise dazusagen. Das große Problem ist, daß die Länder und vor allem die Gemeinden einen Time-lag, eine Verzögerung bei der Bereitstellung von Daten aufweisen, die unerträglich ist und unter anderem zur Folge haben wird, daß bei den endgültigen Verhandlungen über die Währungsunion im Frühjahr 1998 Österreich natürlich nur mit vorläufigen Daten in die Verhandlungen gehen wird.

Die Bundesdaten werden relativ konkret und abgesichert sein, obwohl sich etwa für das Jahr 1995 feststellen läßt, daß der vorläufige Gebarungserfolg nicht unerheblich vom schließlichen Bundesrechnungsabschluß abweicht. Aber die Länderdaten und vor allem die Gemeinde


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daten über die Jahre 1996/1997 werden auch im Frühjahr 1998 noch nicht vorliegen, so wie die Sache derzeit ausschaut. Ich erwarte mir schon, daß der Rechnungshof auch diesbezüglich – auch wenn es hier und heute formal nur um den Bundesrechnungsabschluß geht – energisch tätig wird.

Abschließend zu diesem historischen Rückblick: Ich habe da noch zwei, drei Bemerkungen über den Bundesrechnungsabschluß, wie er nunmehr vorliegt. Er ist gekennzeichnet durch ein historisch einmaliges ausuferndes staatliches Defizit mit einer entsprechend sprunghaft ansteigenden Staatsverschuldung. Die Kraftakte, die seither passiert sind, Herr Kollege Mühlbachler, sind nicht etwa dem Genie der jeweiligen Finanzminister zuzuschreiben, sondern wurden ja erst aufgrund der Entwicklung des Jahres 1995 überhaupt notwendig. Das kann man jetzt nicht ex post als großen Erfolg interpretieren!

Herr Kollege Haselsteiner! Sie haben sinngemäß gesagt: Länder wie Belgien und Italien werden – wenn überhaupt – einige Zeit vor uns sozusagen den Bach hinuntergehen. – Ich kann diesen "Optimismus", dem Sie hier indirekt Ausdruck gegeben haben (Abg. Dr. Haselsteiner: Nicht teilen?) , nicht ganz teilen, denn der wesentliche Indikator dafür, ob ein Budget wirklich konsolidiert wird oder nicht, ist der Primärsaldo, das Primärdefizit, also das Normaldefizit minus Zinsausgaben. Belgien und Italien weisen aber schon seit 1996 Primärüberschüsse zwischen 4 und 5 Prozent des BIP aus, während Österreich für 1996 einen Primärüberschuß von nur 0,3 Prozent des BIP ausweist.

Um auf Daten wie Belgien und Italien – die zugegebenermaßen doppelt so hoch verschuldet sind wie Österreich – zu kommen, müßte sich der Primärsaldo ungefähr verfünfzehnfachen! Das würde bedeuten, daß sich das Defizit in einen Fiskalüberschuß verwandeln würde, und zwar auch im Normalbudget. Ich glaube, niemand von den 183 Abgeordneten ist so ehrgeizig, das anzunehmen.

Man muß zugeben, daß diese zwei Länder aufgrund ihrer Verschuldung eine spezielle Situation haben. Aber wenn Sie zum Vergleich etwa Dänemark und Schweden heranziehen, deren Verschuldung in Prozent des Sozialprodukts durchaus der Österreichs entspricht, dann sehen Sie, daß diese Länder positive Primärsalden aufweisen: Dänemark 5 Prozent und Schweden 3,6 Prozent. Das ist das Zehnfache der österreichischen Werte!

Ich bin jetzt schon gespannt darauf, wie die österreichischen Budgets für 1998 und1999 angesichts dieser Ausgangslage ausschauen werden, besonders angesichts des Konfliktes, in dem sich die Regierungsparteien befinden, nämlich einerseits zu sagen: Jawohl, wir konsolidieren, das ist notwendig, auch im Hinblick auf die EU, et cetera, et cetera, und andererseits die Versprechungen, die wir alle gehört haben, abzugeben, daß es kein drittes Sparpaket geben wird. Es wird sicher eines geben, die Frage ist nur, wie groß es sein wird.

Zum Bundesrechnungsabschluß. Herr Präsident Fiedler! Ich würdige selbstverständlich, so wie jedes Jahr, die gründliche Arbeit, die Sie und die Beamten des Rechnungshofs geleistet haben. Trotzdem möchte ich – auch so wie jedes Jahr – darauf hinweisen, daß ich mir angesichts der unendlich vielen Details, die es hier gibt, wünschen würde, daß vor allem im Einleitungskapitel und vielleicht aus gegebenem Anlaß auch im Verschuldungskapitel sozusagen die analytischen Probleme stärker betont werden. Es finden sich auch vereinzelt Formulierungen, die zwar nicht so gemeint sein werden, aber die man, wenn man boshaft ist, als eine Beschönigung der Lage interpretieren könnte.

Auf Seite 21 lese ich zum Beispiel einige Sätze über die Entwicklung des administrativen Defizits, nämlich daß zwar die Ausgabenansätze um 12 Milliarden Schilling überschritten wurden, davon aber wiederum genau 12 Milliarden Schilling Rücklagenzuführungen waren, sodaß de facto keine Ausgabenüberschreitung zu verzeichnen gewesen wäre.

Herr Präsident! Das gilt natürlich nur, wenn Sie das administrative Defizit in der klassischen Abgrenzung anschauen. Wenn Sie das Maastricht-Defizit des Bundessektors insgesamt anschauen, dann werden Sie dort eine Überschreitung von 11 Milliarden Schilling feststellen


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müssen, und dies selbstverständlich völlig unabhängig von der Rücklagengebarung, weil die Rücklagengebarung auf das Maastricht-Defizit gar keinen Einfluß hat.

Weiters lese ich mit Interesse auf den Seiten 22 und 23, daß der Primärsaldo, auf den ich vorhin im Zusammenhang mit Belgien, Italien und so weiter eingegangen bin, sehr wichtig sei. Hier steht ausdrücklich – ich zitiere –: " ... stellt das Primärdefizit eine weitere wichtige Budgetkenngröße dar", und das gelte im besonderen Maße im Hinblick auf die sogenannten Maastricht-Kriterien des EG-Vertrages.

Jetzt denke ich mir, wenn etwas besonders wichtig ist, dann müßte man wohl etwas darüber sagen! Man findet aber nicht eine Tabelle – es sei denn, ich habe sie übersehen, in diesem Fall bitte ich, mich darauf hinzuweisen –, in der diese Primärsalden ausgewiesen, geschweige denn kommentiert werden.

Ähnlich ist es dann im Kapitel VII betreffend die Finanzschulden. Selbstverständlich finden sich wieder sehr wichtige und richtige Ausführungen zu den Finanzschulden im klassischen und traditionellen Sinn. Und dann finde ich den Satz – ich zitiere –: "Neben der Finanzschuldenquote im vorstehend definierten Sinn ist seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union vor allem die Schuldengebarung des gesamten öffentlichen Sektors in den Mittelpunkt des Interesses gerückt." – Ja, stimmt! Sie ist tatsächlich in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Nur diese Daten werden international angeschaut, international kommentiert und haben einen Einfluß auf die internationalen Finanzmärkte. Ich betone: nur diese Daten! – Genau diese Daten aber finden sich im Bundesrechnungsabschluß nicht.

Das ist eine bedauerliche Lücke, und ich hoffe doch, daß beim nächsten oder spätestens übernächsten Bundesrechnungsabschluß diese Lücke korrigiert wird. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

13.41

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist der Herr Bundesminister für Finanzen. – Bitte.

13.41

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zahlen des Rechnungsabschlusses 1995 sind in der Tat nicht besonders erfreulich. Und weil einige Redner darauf hingewiesen haben, daß ich zu jener Zeit nicht in dieser Funktion tätig war: Das heißt nicht, daß ich mich mit diesem Rechnungsabschluß nicht identifiziere, denn ich halte die Kontinuität der Arbeit für ein Grundprinzip, und daher werde ich mich bemühen, aus diesem historischen Abriß des Jahres 1995 auch bestimmte Schlußfolgerungen zu ziehen.

Es sind in der Tat die Einnahmen um 3,9 Milliarden Schilling geringer als prognostiziert, die Ausgaben hingegen um fast 11,8 Milliarden Schilling höher, sodaß der Abgang ingesamt um 15,6 Milliarden Schilling höher ist, als ursprünglich angenommen worden war. Das bedeutet in Relation zum Bruttoinlandsprodukt ein Defizit von fünf Prozent.

Das war zunächst einmal die Ausgangslage nach dem ersten Jahr unserer EU-Mitgliedschaft.

Es gibt viele Begründungen dafür, und eine ganze Reihe von Begründungen wurde hier bereits angeführt, unter anderem das zu optimistisch eingeschätzte Wirtschaftswachstum des Jahres 1995. Wie Sie wissen, sind natürlich Prognosen der renommierten Institute mit eine Grundlage bei der Erstellung eines Budgets.

Auf die Kosten des EU-Beitritts hat schon Herr Abgeordneter Van der Bellen hingewiesen. Sie haben sich deutlich massiver im Budget niedergeschlagen, als ursprünglich angenommen wurde.


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Auch die Erlöse aus Privatisierungen wurden optimistischer angesetzt. Offensichtlich hat der Wille zur Privatisierung nicht genügt, denn die Erlöse aus den zustande gekommenen Privatisierungen konnten das Ergebnis des Rechnungsabschlusses 1995 nicht positiv beeinflussen.

Es gibt natürlich viele Beispiele, und die Statistik ist sehr geduldig. Ich bin überzeugt davon, daß jeder korrekte Statistiken heranzieht, wenn er auch international argumentieren will, aber jeder verwendet eben die Statistik, die ihm genehm ist.

Ich möchte aber doch in aller Bescheidenheit anmerken, daß ich eher Vergleiche mit jenen Ländern anstelle, mit denen es sehr enge wirtschaftliche Verflechtungen gibt, weil es auch wechselweise Beziehungen gibt und unter Umständen positive oder auch negative gegenseitige Einflüsse.

Ich meine daher: So interessant manche Statistik der Entwicklung der amerikanischen Politik auch ist – für mich ist das aus vielerlei Gründen eigentlich kein Maßstab. Sie kennen den vielfach kolportierten Witz: Es unterhalten sich zwei Amerikaner, und der eine sagt: Hast du schon gehört? Es gibt fünf Millionen Arbeitsplätze mehr! – Darauf sagt der andere: Weiß ich, drei davon habe ich.

Ich glaube, das kann es nicht sein. Wir haben eine andere Arbeitsmarktpolitik zu machen, wir haben andere Kriterien anzusetzen. Wir leben auch in einem historisch völlig anderen Umfeld, und unsere Empfindungen, unsere Neigungen und natürlich auch unsere Sorgen sind zum Teil andere als anderswo.

Meine Damen und Herren! Natürlich sind manche sehr optimistische Schätzungen nicht eingetroffen. Ich möchte aber darauf verweisen, daß man sich auch im Vollzug des Budgets 1995 – in einer tatsächlich ganz neuen Phase unserer politischen Entwicklung, denn der Beitritt zur Europäischen Union ist ja nicht irgendein Ereignis gewesen, sondern ein extrem gravierendes, und es war von allem Anfang an klar, daß viele Effekte, die es durch den Eintritt in den größeren Wirtschaftsraum geben wird, mittelfristig zu sehen sind – bewußt war, daß natürlich die Effekte von Beitragszahlungen etwa in privaten Bereichen eintreten werden. Diese Effekte sind mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht in jenem Umfang eingetreten, der es ermöglicht hätte, daß die Umwegrentabilitäten letztendlich auch budgettechnisch sichtbar geworden wären.

Ich kenne das natürlich auch aus den Mechanismen eines Budgets, das ich im Jahr 1995 in einer anderen Gebietskörperschaft zu verantworten hatte. Da war es nicht so gravierend, aber sehr wohl auch spürbar und merkbar, und es war gar nicht so einfach, auch dort den entsprechenden Rechnungsabschluß zu legen.

Ich möchte aber trotzdem darauf hinweisen, daß diese Regierung trotz der schwierigen Situation damals für sozial- und wirtschaftspolitische Initiativen gewaltige Beträge ausgegeben hat. 213 Milliarden – also jeder vierte Budget-Schilling – wurden damals für soziale Wohlfahrt ausgegeben, 68 Milliarden für die Sozialversicherung, 56 Milliarden für Arbeitsmarktpolitik und fast 56 Milliarden für den Familienlastenausgleich.

Es wurden für Forschung und Wissenschaft, für Wohnungsbau, für Eigeninvestitionen des Bundes, für Investitionsförderung insgesamt mehr als 85 Milliarden Schilling ausgegeben, und damit konnte auch in dieser schwierigen Zeit ein entsprechender beschäftigungswirksamer Impuls gegeben werden.

Es ist aber richtig, daß die Finanzschulden des Bundes in diesem Jahr um fast 117 Milliarden Schilling gestiegen sind, eine Entwicklung – Herr Abgeordneter Haselsteiner hat schon darauf aufmerksam gemacht – , die zwar gebremst wird, die aber noch nicht ganz zum Stillstand gekommen ist. Das ist eben die Dynamik eines Budgets.

Ich glaube auch, daß niemand in diesem Hause den Finanzminister ernsthaft auffordern würde, die Schulden innerhalb von ein oder zwei Jahren zu minimieren, denn das würde eine Art von Budgetpolitik auslösen, von der, wie ich glaube, jeder Abstand nehmen möchte.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß das Budget 1995 letztendlich auch der Anlaß dafür war, Strukturanpassungsmaßnahmen zu erarbeiten, um den Bundeshaushalt der Republik Österreich wieder in mittel- und langfristig gesicherte Bahnen zurückzuführen.

Mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996, das viel diskutiert und auch kritisiert worden ist – und es ist legitim, unterschiedlicher Ansicht zu sein –, wurden wirksame Maßnahmen beschlossen, die zum Teil relativ unmittelbar, zum Teil aber auch erst mittel- und langfristig defizit- und schuldenmindernd wirken werden.

Unser vorrangiges Ziel muß es daher sein, die öffentlichen Finanzen in diesem Land neu zu strukturieren, um wieder jene Handlungsspielräume zu gewinnen, die wir auch in dem neuen Wirtschaftsraum, dem wir angehören, benötigen werden.

Dies muß von entsprechenden Maßnahmen begleitet werden: von einer Verwaltungsstrukturreform in Richtung schlanker Verwaltung, von einer Reform des Dienst-, Besoldungs- und Pensionsrechtes im öffentlichen Dienst – daran wird gearbeitet –, von einer qualitativen Verbesserung und Konsolidierung der Sozialleistungen auf unserem hohen Niveau, von einer Verbesserung der Ergiebigkeit des Steuersystems, von einer Überprüfung und Umstrukturierung der Förderungsausgaben, aber auch – und auch darauf wurde dankenswerterweise hingewiesen – von einer verstärkten Kooperation mit den Ländern und Gemeinden.

Nicht nur wegen der Daten, die wir nach Brüssel zu liefern haben, sondern auch aus vielerlei anderen Gründen halte ich die Zusammenarbeit der drei Gebietskörperschaften, die einander brauchen, für notwendig, und zwar in einem stärkeren Maße als bisher, und das ist auch in der laufenden politischen und auch finanztechnischen und finanzpolitischen Arbeit zu berücksichtigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann heute sagen, ohne daß ich der Rechnungsabschlußdebatte für das Jahr 1996 vorgreifen möchte, daß der Budgetvollzug des Jahres 1996 als ein großer Konsolidierungserfolg zu bezeichnen ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wir werden uns noch ein bißchen Zeit lassen müssen (Abg. Böhacker: Aber nicht zu lange!) , um das auch wirklich zu sehen, aber ich prognostiziere es und hoffe, daß alle meine Prognosen so präzise sein werden wie die, die ich jetzt treffe: daß nämlich der Vollzug des Budgets 1996 exakt dem Voranschlag 1996 entspricht, ja besser sein wird als der Voranschlag 1996.

Ich hoffe, daß auch andere hier getroffene Aussagen von meiner Seite und solche, die ich in Zukunft treffen werde, ebenso glaubhaft waren beziehungsweise sein werden, und ich werde mich redlich bemühen, auch Sie davon zu überzeugen, daß dies tatsächlich so ist.

Das Defizit des Bundes ist gegenüber 1995 deutlich rückläufig. Wir sind daher auf dem Weg der Budgetkonsolidierung erfolgreich unterwegs.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir müssen aber – und das sage ich auch in aller Deutlichkeit – diese Politik der Konsolidierung fortsetzen. Ich meine damit nicht Maßnahmen, die eine ähnliche Betroffenheit wie das Konsolidierungspaket des Jahres 1996 nach sich ziehen, aber eines ist klar: daß wir bei aller Verbesserung unserer Situation mit extremer Sparsamkeit auch den Vollzug des Budgets 1997 durchzuführen haben. Wir müssen nämlich die Grundlagen für das Budget 1998 und 1999 so festlegen, daß wir wirklich jenen Atem schöpfen können, den wir brauchen werden, um eine strukturell richtige, aber das jetzige Steuersystem ändernde Reform für das Jahr 2000 vornehmen zu können, wie ich das gestern bereits ausgeführt habe.

Ich weiß schon, daß man in einem Parlament selten gelobt wird, und eigentlich würde ich ja unverdienterweise gelobt werden. Ich möchte aber Ihre Aufmerksamkeit trotzdem auf den OECD-Bericht lenken, der in den nächsten Tagen veröffentlicht werden wird und wo die Beurteilung unseres Konsolidierungskurses lautet: OECD lobt Österreich: Wachstum – Hakerl, Arbeitsmarkt – Hakerl, Gesundheitspolitik – Hakerl. Das heißt nicht, daß wir uns jetzt möglicherweise auf Lorbeeren ausruhen können, sondern bedeutet nur eine Zwischenzensur jener sehr schwierigen Phase, in der wir uns jetzt befinden. Unser Konsolidierungskurs wird also international aner


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kannt, und ich bin daher guter Dinge, daß wir auch jene Ziele erreichen werden, die wir uns vorgenommen haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Bundesregierung hat ein solides, ein konkretes Arbeitsprogramm für die Zeit bis zur Jahrtausendwende. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Und 300 000 Arbeitslose!) Wir haben ein Budgetprogramm, das die Grundlage für die Sicherung von Wohlstand in unserem Lande auch im nächsten Jahrtausend ist. Wir werden, wie ich bereits gesagt habe, bis zum Jahr 2000 eine sehr wichtige und richtige, die Arbeit deutlich entlastende und den Verbrauch von Ressourcen belastende Steuerreform anpeilen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden vor allem jede nur erdenkliche Anstrengung unternehmen, um den Menschen in Österreich dabei zu helfen, eine Beschäftigung zu haben. Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die größte Herausforderung in diesem Lande. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich werde mich als Finanzminister bemühen, alles dazu beizutragen, diese größte Geißel der Menschen, die Arbeitslosigkeit, auch wirksam zu bekämpfen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Bundesminister, für Ihre Ausführungen.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Edler. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.55

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Ich glaube schon, daß sich unser geschätzter Herr Finanzminister ein Vorschußlob verdient hat. Ich glaube, daß seine Aussagen klar und richtungsweisend waren und seine Kompetenz bewiesen. Das verdient ein Vorschußlob, lieber Herr Finanzminister! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir führen heute die Diskussion um den Bundesrechnungsabschluß 1995, und es ist meiner Meinung nach wirklich müßig, noch weitläufiger darauf einzugehen. (Abg. Böhacker: Das glaub’ ich! Verdrängen und vergessen!)

Wesentlich ist sicherlich, welche Strukturmaßnahmen wir in den letzten Monaten gesetzt haben. Ich glaube, die letzten Sätze des Herrn Finanzministers und die Anerkennung der Medien haben gezeigt, daß wir auf dem richtigen Weg sind.

Meine Damen und Herren! Ich war damals dabei, als sich Lacina bei den Budgetverhandlungen bemüht hat, eine Eingrenzung vorzunehmen. Er hat damals von 100 Milliarden Schilling gesprochen, 102 Milliarden Schilling sind es geworden. Es ist sicherlich nicht erfreulich, wenn wir heute zur Kenntnis nehmen müssen, daß letzten Endes in einer Höhe von über 15 Milliarden Schilling überzogen wurde.

Meine Damen und Herren! Man muß sich aber auch die Ursachen ansehen. Budgeterstellungen können nicht aufgrund von Sterndeutungen durchgeführt werden, sondern aufgrund von Prognosen der Wirtschaftsforscher. Wenn sich das Wirtschaftswachstum nicht so entwickelt hat, wie ursprünglich angenommen worden war, ist das für uns sicherlich nicht erfreulich, und wir haben infolge dieser Entwicklung leider auch Einbrüche zur Kenntnis zu nehmen.

Meine Damen und Herren! Vielleicht waren wir damals auch bezüglich der Sozialleistungen, die wir hier im Hohen Haus beschlossen haben, ein bißchen zu mutig. Ich bekenne mich zu Pflegevorsorge und -versicherung. Sicherlich hat man nach einer gewissen Zeit alles zu analysieren und zu diskutieren, und vielleicht kann man etwas besser gestalten. Wenn wir aber heute mit den Menschen reden, die davon betroffen sind, immerhin über 300 000 Frauen und Männer, Jugendliche und Angehörige der älteren Generation, so wissen wir ganz genau, wie wichtig es war, das damals zu beschließen. Das hat aber auch seine Auswirkungen gehabt. Wir waren aufgrund eines mangelnden Wirtschaftswachstums nicht in der Lage, diese hintanzuhalten.


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Ich möchte hier aber auch eine Lanze brechen. Es wird soviel von den Lohnkosten, den Lohnnebenkosten, den Lohnstückkosten gesprochen. Ich möchte deshalb besonders hervorheben, daß die Produktivität in Österreich, der österreichischen Arbeitnehmer nach Japan den zweiten Platz erreicht hat. Ich glaube, das ist durchaus erfreulich.

Ich will damit sagen, daß unsere Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben, in der Arbeitswelt arbeitswillig sind. Sie wissen ganz genau, daß sie mehr leisten müssen. Sie haben auch über die Fachgewerkschaften, über die Interessenvertretungen jetzt die Flexibilisierung der Arbeitszeit zur Kenntnis genommen. Da gibt es sicherlich noch vieles aufzuklären, vieles zu diskutieren, aber zeigen Sie mir bitte ein Land, in dem solche Ergebnisse am Verhandlungstisch erzielt werden können!

Schauen wir in andere Länder. Schauen wir nach Frankreich, schauen wir nach Deutschland, was dort alles passiert. Das bleibt uns Gott sei Dank erspart. Ich glaube, ich kann hier den Sozialpartnern gratulieren, die in Österreich immer so kritisiert werden, denn sie haben bewiesen, daß sie handlungsfähig sind. Sie haben gezeigt, daß sie positive Gesetzesvorlagen auch umsetzen können.

Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Schluß kommen und einige kritische Bemerkungen an die Adresse der sozialdemokratischen Manager, besonders im Bankensektor, machen. (Abg. Böhacker:  Hört, hört!) Hören Sie das auch von meiner Seite, von seiten eines sozialdemokratischen Abgeordneten. Ich kritisiere sehr, daß heute viele Manager – und das geht quer durch alle Couleurs – nur das Kapital, die Geldwirtschaft sehen, nicht aber die Verantwortung für die Menschen, für deren Arbeitsplätze wahrnehmen. Wir werden nicht ruhen, ich persönlich als sozialdemokratischer Abgeordneter und als Arbeitnehmervertreter werde nicht ruhen und immer wieder darauf hinweisen. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, Arbeitsplätze zu erhalten und neue Arbeitsplätze zu schaffen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.00

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Schreiner. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

14.00

Abgeordneter Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesfinanzminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Kollege Edler! Wir reden und debattieren heute eigentlich über den Bundesrechnungsabschluß für das Jahr 1995, aber mir ist schon klar, daß Sie bei den Zahlen nicht sehr viel davon hören wollen – so nach dem Motto: Ist der Ruf einmal ruiniert, lebt man völlig ungeniert! (Beifall bei den Freiheitlichen.) So geht die Koalition offensichtlich über das mißliche Ereignis dieses Rechnungsabschlusses hinweg.

Kollege Edler hat auch gemeint, Manager, auch sozialistische Manager – ich unterscheide nicht zwischen sozialistischen, roten, schwarzen, blauen, violetten Managern –, sollten sich mehr um die humane Verantwortung kümmern. Herr Kollege Edler! Wenn Sie das wollen, dann müssen Sie das Aktienrecht ändern. Sie müssen das Aktiengesetz aus dem Jahr 1937 novellieren, und zwar muß die Gewinnmaximierung, für die der Manager derzeit stehen muß, wegkommen, und es muß eine andere Position dafür gefunden werden. Solange die Manager sich aber an das derzeitige Aktienrecht halten müssen – ansonsten riskieren sie die fahrlässige Krida –, müssen sie so handeln, wie sie es jetzt tun, und können sich aus dieser Verantwortung nicht davonstehlen.

Herr Bundesfinanzminister! Sie haben heute sehr viel Lob bekommen, sehr viele Vorschußlorbeeren. Ich lobe Sie auch in einem Punkt: Erstmalig hat ein Finanzminister, ein Regierungsmitglied, hier zugegeben, daß 1995 auf die Frage, was uns der EU-Beitritt kostet, falsche Zahlen genannt wurden. Sie haben heute hier von der Regierungsbank aus gesagt: In diesem Budget ist anscheinend eine Schätzung abgegeben worden, die nicht stimmig war: 29 Milliarden Schilling Beitrittskosten, 17 Milliarden Schilling kommen zurück – das hörten wir immer von Ihrem Vorvorgänger, Ihres Kollegen Lacina.


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Wir – die Opposition, und die freiheitliche Opposition hat diese Meinung am intensivsten vertreten – haben schon damals gemeint, daß das nicht stimmen kann. Es wurden dabei nicht die Kosten einer Lagerabwertung berücksichtigt, es wurden keine Förderungen berücksichtigt. Es wurde ganz einfach so getan, als ob die Budgetmittel, die Strukturfördermittel, die wieder zurückfließen, sofort budgetwirksam würden, so wie Mehreinnahmen im Bereich der Steuern und Abgaben.

Wir haben schon damals darauf hingewiesen, daß das nicht stimmen kann. Und wir haben recht behalten: 50 Milliarden Schilling sind es geworden, und diese 50 Milliarden haben natürlich auch ein gewaltiges Loch in das Budget des Jahres 1995 und in den Rechnungsabschluß gerissen.

Wir können ganz einfach nicht akzeptieren, daß wir pausenlos Budgets vorfinden, die ökonomische Scharlatanerie sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Herr Bundesfinanzminister! Sie werden auch in Hinkunft Budgets zu erstellen haben, die auf den Grundsätzen der Ordnungsgemäßheit und auf Schätzungen basieren, die eine gewisse Treffsicherheit haben müssen. Und Sie werden gewisse Fakten einbauen müssen, die man vorher schon kennt.

Wir sind – richtigerweise – der Europäischen Union am 1. Jänner 1995 beigetreten. Wir haben aber die Verhandlungen bereits 1994 geführt. 1994 hat die Volksabstimmung stattgefunden. Alle Dinge, die in das Budget 1995 auf der Ausgabenseite Eingang hätten finden müssen, waren bereits bekannt. Das ist ungefähr so, als wenn Sie meinten, daß ein Wirtschaftstreuhänder, der bereits weiß, daß er 100 000 S Nachzahlung an Körperschaftsteuer hat, aber das in der Bilanz nicht ausweist, richtig handelt. – Er handelt ökonomisch unrichtig und wird wahrscheinlich das Mandat seines Klienten verlieren, wenn er dessen Gewinn höher ausweist, als er eigentlich ist.

Herr Bundesfinanzminister! Wir haben heute auch eine kleine Schuldebatte erlebt, es ging dabei auch um die Frage der Benotung. Und Herr Kollege Mühlbachler hat gemeint, diese Regierung und diese Koalitionsparteien hätten sich schon längst die Richtschnur "3 Prozent Neuverschuldung, bezogen auf das BIP" geben sollen, das wäre das Richtige.

Herr Bundesfinanzminister! Diese Koalitionsregierung hat seit dem Jahr 1988 folgende Neuverschuldung produziert: 1988: 4,2 Prozent, 1989: 3,7 Prozent, 1990: 3,5 Prozent, dann geht es ein bißchen abwärts auf 3,3 Prozent im Jahr 1991, 1992 war dann der wirkliche Tiefpunkt – da haben wir alle schon geglaubt, wir durchstoßen die 3-Prozent-Marke – mit 3,2 Prozent, und dann ging es wieder steil bergauf: 4,6 Prozent, 4,7 Prozent und dann 5 Prozent. – Schüler würden als Vertreter des Volkes so einem Lehrer, so einer Bundesregierung eine glatte Fünf geben, nicht nur eine normale Fünf, sondern eine glatte römische Fünf, ein Nicht genügend, Herr Bundesfinanzminister (Beifall bei den Freiheitlichen), wenn wir die Beurteilung einmal umdrehen: Nicht Lehrer beurteilen Schüler und Schüler beurteilen Lehrer, sondern die Bevölkerung beurteilt die Leistung einer Regierung bei den Staatsausgaben und beim Staatshaushalt. (Abg. Haigermoser: Nicht genügend für die Bundesregierung, würde ich sagen!)

Herr Bundesminister! Was sind die wirklichen Ursachen? Es ist in diesem Haus schon mehrmals darüber debattiert worden: Warum kam es in den Budgets der vergangenen Jahre und im Budget 1995 im besonderen jedesmal zu diesem nachhaltigen Desaster? – Die Verwaltungsausgaben sind immer mehr und mehr gewachsen. Die Ausgaben im Sozialbereich gerieten aus den Fugen, und – was am meisten schmerzt – die Ausgaben für Bildung, für Forschung, für Wissenschaft, für öffentliche Investitionen stagnierten oder gingen zurück.

Herr Bundesfinanzminister! Eines muß man klar feststellen: Der Budgetvollzug, den Sie bereits mehrmals hier von der Regierungsbank aus eingemahnt haben, hat überhaupt nicht geklappt. Es fehlte ein wirklicher Anreiz, ein System, das den Beamten einen Anreiz zum Sparen liefert. Es gibt Modelle – etwa ein Bonus/Malus-System, das diskutiert worden ist – zuhauf, aber konkret umgesetzt hat diese Regierung keines davon. Es gab nie ein Umdenken in die Richtung, daß ein Minister auch einmal belohnt wird, wenn er weniger Ausgaben in seinen Detailbudgets hat, als ihm vorher gewissermaßen eingeräumt wurden, weniger Ausgaben, als vorher geschätzt wurden. Es hat vielmehr Fehlentscheidungen zuhauf gegeben, die den Steuerzahler Geld über Geld gekostet haben.


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Ich frage mich, Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie den Budgetvollzug stärker kontrollieren wollen, ob Sie sich nicht in der Regierung auch einmal die Frage überlegen sollten – Sie sind ja der, der das immer auszubaden hat –, wie es wäre, wenn Politiker für gravierende Fehlentscheidungen auch wirklich haftbar gemacht würden. Diese Politiker können diese Haftung ohne weiteres auch einer Versicherung überantworten, wie es in anderen verantwortungsvollen Berufssparten auch gemacht wird. (Ruf bei der ÖVP: Steuerberater zum Beispiel!) Ein Steuerberater zum Beispiel, ein Notar, ein Rechtsanwalt, die sind alle haftbar, die haben Haftpflichtversicherungen in Millionenhöhe abgeschlossen.

Es wäre einmal ganz interessant, zu sehen, was passieren würde, wenn Sie, Herr Bundesfinanzminister, an Ihre Kollegen mit der Bitte heranträten: Schließen Sie eine Haftpflichtversicherung ab! – Wenn Minister gravierende Fehlentscheidungen in ihren Ressorts treffen und die Kontrolle völlig versagt – Sie als Finanzminister müssen das dann ausbaden, und der Steuerzahler erst recht –, dann sollte eine Haftpflichtversicherung einspringen, oder es sollte der Politiker, der Minister ist und sich dieser Aufgabe nicht gewachsen sieht, ganz einfach zurücktreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kurzbauer. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

14.09

Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Professor Van der Bellen, Sie haben in Ihrem Beitrag gemeint, daß das Jahr 1995 ein Katastrophenjahr war. (Abg. Dr. Van der Bellen: Budgetär!) Budgetär, selbstverständlich! Herr Minister Edlinger hat aber darauf hingewiesen, daß das Jahr 1995 – gerade bedingt durch diese Situation – einen Neubeginn markiert hat, wenn Sie so wollen, weil da die Weichen für die zukünftigen Budgets gestellt wurden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Budgetausschuß hat den Bericht über den Bundesrechnungsabschluß 1995 in seiner Sitzung vom 3. Dezember 1996 mehrheitlich beschlossen, und heute wird dieser Bericht hier in diesem Hohen Haus behandelt.

Das Bruttoinlandsprodukt 1995 wuchs real gegenüber dem Jahr 1994 um 1,8 Prozent und beträgt rund 2 352 Milliarden. Wir liegen mit diesem Prozentsatz von 1,8 Prozent im Schnitt der Europäischen Union. Vergleichen wir die Inflationsrate: Diese verringerte sich um 0,8 Prozent gegenüber 1994 und beträgt 2,2 Prozent. Die Arbeitslosenrate weist ein Plus von 0,1 Prozent auf, im Jahresmittel sind es 6,6 Prozent.

Die Tendenz der negativen Leistungsbilanz setzte sich allerdings auch 1995 fort: diese schloß mit einem Abgang von rund 47 Milliarden gegenüber 20,6 Milliarden. Eine der Ursachen ist der weitere Rückgang der Nettoeinnahmen im Fremdenverkehr. Die verfügbaren Güter- und Leistungsvolumina haben eine Größenordnung von 2 376 Milliarden, davon gingen über 50 Prozent, konkret 54,7 Prozent, in den privaten Konsum, fast ein Fünftel, nämlich 18,7 Prozent, in den öffentlichen Konsum und rund ein Viertel in die Bruttoanlageinvestitionen.

Ein Blick auf den fiskalischen Bereich: Der Anteil der Abgaben aller Gebietskörperschaften und der abgabenähnlichen öffentlichen Einnahmen – wieder gemessen am BIP – beträgt 41,4 Prozent. Das ist ein Rückgang gegenüber dem Jahr 1994 von 0,5 Prozent.

Wir haben heute schon vernommen, daß der Bundeshaushalt mit einer Neuverschuldung in der Höhe von fast 118 Milliarden Schilling abschließt. Das ist eine Zunahme von 15,6 Milliarden gegenüber dem Voranschlag. Die Ausgaben liegen, wie bereits bekannt, um 12 Milliarden Schilling über dem Voranschlag, und die Einnahmen weisen eine Verringerung von zirka 4 Milliarden Schilling aus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Neuverschuldungsquote der Jahre 1993, 1994 und 1995 ist laufend angestiegen und liegt im Berichtsjahr mit rund 6 Prozent, gemessen am BIP, am höchsten. Aber auch was die Bruttoverschuldung der öffentlichen Hand mit rund


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69,5 Prozent betrifft, müssen wir im Hinblick auf die Maastricht-Kriterien feststellen, daß wir beide Kriterien, nämlich 3 Prozent des BIP Neuverschuldung beziehungsweise 60 Prozent des BIP Gesamtverschuldung, Ende 1995 nicht erfüllen.

Sehr verehrte Damen und Herren! Die Bundesregierung hat im Jahre 1996 ein deutliches Signal gesetzt, um eine Korrektur vorzunehmen und somit eine Konsolidierung des Budgets herbeizuführen. Denn nur ein konsolidiertes Budget sichert uns auch die Teilnahme am einheitlichen Währungssystem. (Beifall bei der ÖVP.)

Daß wir auf dem richtigen Weg sind, zeigt, daß die Neuverschuldung 1996 bereits auf 98 Milliarden Schilling verringert wurde. Aus derzeitiger Sicht gehen wir davon aus, daß wir zu jenen Kernländern zählen, die bereits ab Einführung des Euro dabei sind.

Herr Bundesminister! Ich ersuche Sie, die prognostizierte Neuverschuldung von 2,7 Prozent per Ende des Jahres 1997 einzuhalten und auch durchzusetzen. Sie haben in Ihren Ausführungen darauf hingewiesen, daß heuer, im laufenden Jahr 1997, die Grundlagen für die Budgetvoranschläge 1998 und 1999 gesichert werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere Fraktion wird diesem Bundesrechnungsabschluß 1995 gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.15

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.16

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Es fällt diesem Hohen Haus offensichtlich besonders schwer, dem Bundesrechnungsabschluß das nötige politische Gewicht in der Debatte zu geben. Es ist der Präsidiale zu danken, daß sie den Tagesordnungspunkt betreffend den Bundesrechnungsabschluß 1995 zumindest für diese Tageszeit angesetzt hat und nicht erst für Mitternacht, wie das schon einmal der Fall war, Herr Präsident des Rechnungshofes.

Es wäre noch zu wünschen, daß ein Bundesrechnungsabschluß nicht eine Geschichtsforschung ist, sondern schon am Ende der Sommerpause vorliegt und diskutiert wird, bevor wir in die Budgetdebatte des nächsten Jahres eingehen. Wir haben darum schon gebeten, Herr Präsident des Rechnungshofes. Von Ihrer Seite hieß es, wenn ich mich richtig erinnere, es stünde dem nichts im Wege. Das ist eine Frage des parlamentarischen Fahrplans. Also die laute Bitte an die Präsidiale: Können wir nicht den Bundesrechnungsabschluß 1996 in der ersten Sitzung nach der Sommerpause diskutieren, wo bewertet wird, wo wir stehen, was wir bisher geleistet haben und was wir falsch gemacht haben, um dann in die Budgetdebatte für das kommende Jahr oder das kommende Doppeljahr einzutreten? – Ich bitte, das in Zukunft zu berücksichtigen und in der Präsidiale zu diskutieren.

Wir haben zwei Jahre der Sündenfälle hinter uns. Das eine ist das Jahr 1970, und Sie werden es nicht glauben, im Jahr 1970 hatte diese Republik 47 Milliarden Schilling Staatsverschuldung. In Worten: vier – sieben, siebenundvierzig. – Da muß doch irgend etwas bei Ihnen läuten! Wir haben damals offensichtlich einen Vorgriff auf die Zukunft gemacht und machen ihn weiter. Von 1970 an hat sich die Staatsschuld verdreißigfacht – wie immer Sie es nehmen, ob Sie jetzt nur die Finanzschuld hernehmen, ob Sie jetzt die Verwaltungsschulden, die außerbudgetäre Finanzierung und die Bundeshaftungen dazunehmen oder nicht: Der Trend geht sogar in Richtung 3 000 Milliarden Schilling Schulden.

Das ist aber nicht so sehr das Thema. Das Thema ist: 1970 waren es 47 Milliarden Schilling, und seither leben wir auf Pump. Seither ist es uns "gelungen" – unter Anführungszeichen –, daß wir 8, 9, ja bis Ende dieses Jahrtausends sogar 10 Prozent der Staatsausgaben für Zinsen aus


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geben und daß umgekehrt die Zinssteuerquote, von den Nettoeinnahmen des Bundes gerechnet, um weit über 20 Prozent gestiegen ist.

Haben wir für diese Schulden, die wir aufgebaut haben, wirklich nur Investitionen finanziert, nämlich Investitionen für die Zukunft unseres Landes, wo es selbstverständlich ist, die nächsten Generationen daran zu beteiligen? Oder haben wir privaten Konsum oder öffentlichen Konsum damit finanziert, weil es halt einfacher war, politisch zu agieren, und weil es die anderen auch tun – so nach dem Motto: Die Italiener haben ja auch Schulden, und die Deutschen haben Schulden, und die Engländer haben Schulden gemacht – also machen wir halt auch Schulden!?

Meine Damen und Herren! Wo sind denn die Spielräume, die übriggeblieben sind? – Das Jahr 1970 war das erste Jahr des Sündenfalls, und das Jahr 1992 war das zweite Jahr des Sündenfalls. Wann immer Sie sich diesbezügliche Grafiken anschauen, werden Sie sehr deutlich merken, daß ab dem Jahr 1992 alles aus dem Ruder gelaufen ist. Es braucht uns nicht wunderzunehmen, daß wir seit dem Jahr 1992 den vierten Finanzminister haben: So schnell sie kamen, so schnell sind sie wieder gegangen.

Herr Edlinger! Ich wünsche mir, daß Sie bei all Ihrem Optimismus und bei all Ihren Vorschußlorbeeren, die Sie heute bekommen haben, etwas mehr Sitzfleisch auf dieser Position beweisen und jetzt die Suppe auslöffeln, die Ihnen andere eingebrockt haben.

Ich kann nicht verstehen, wie das Hohe Haus über die Tatsache einer Verschuldung, die wirklich dramatisch ist, so ganz locker an einem Nachmittag um halb drei reden kann. Warum diskutieren wir bei dieser Debatte über den Rechnungsabschluß nicht auch über die Philosophie, die hinter dem Ganzen steht, und darüber, wohin wir uns bewegt haben? – Wir leben heute im öffentlichen und im privaten Konsum auf Kosten des Wohlstandes und der Lebensqualität unserer Kinder. – Ja glauben Sie wirklich, unsere Kinder werden diese Zinsen bezahlen?

In Deutschland führt man zumindest schon eine Debatte über das Pensionssystem, nur in Österreich hört man noch immer: Es ist alles in Ordnung. – Es ist nicht in Ordnung! Schauen Sie sich die demographischen Zahlen an!

Warum führen Sie von den Regierungsparteien mit der Bevölkerung keine Diskussion über das Pensionssystem, das Sie heute schon auf Pump finanzieren? – Der Anteil, den Sie jährlich aus dem Budget zuschießen müssen, explodiert! Es sind weit über 60 Milliarden Schilling zusätzlich zu den Beiträgen der Menschen notwendig, um den Generationenvertrag einzuhalten. Dieser Generationenvertrag ist auf Dauer nicht einlösbar!

Die Gesundheitsfrage ist nicht geklärt! 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gehen für Gesundheitskosten, die eine stark überproportionale Dynamik aufweisen, auf. Wo sind die Antworten?

Auch die Arbeitslosigkeit werden wir mit großen Parlamentsreden allein nicht eindämmen können. Wir können sie immer wieder beschwören und für das Protokoll immer wieder sagen, für wie wichtig wir sie halten. Die Arbeitslosigkeit ist wirklich wichtig! Das ist wirklich das zentrale Problem, aber Sie können es nur über eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik lösen, die den Standort Österreich so attraktiv macht, daß wir mehr Kunden und damit auch mehr Beschäftigung haben.

Die Personalaufwendungen des Bundes sind ebenfalls nicht gelöst. Im Jänner wurde eine Unzahl von neuen Beamten in die Pragmatisierung übernommen, mehr als jemals im Jänner eines Jahres. Das sind doch wieder die Probleme der nächsten Jahre, Herr Finanzminister! Sie haben jetzt Herrn Rottensteiner, wenn ich seinen Namen richtig behalten habe, seines Zeichen Staatssekretär in Ihrem Ministerium (Bundesminister Edlinger: Ruttenstorfer!) – Ruttenstorfer, ich bitte um Entschuldigung (Abg. Böhacker: OMV!) –, um diese Frage zu klären. Aber Sie haben sich jetzt, im Jänner 1997, hinsichtlich der Pragmatisierung wieder auf 20 oder 30 Jahre gebunden.

Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus diskutiert diese Themen, die ich wirklich von einer gesellschaftspolitischen Dramatik sondergleichen finde, so quasi als Füller zwischen zwei anderen Themen.


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Wir haben die Transferleistungsfrage nicht geklärt. Die Sozialquote im Budget ist auf über 30 Prozent angestiegen, die Investitionen der öffentlichen Hand sind in den letzten Jahren hingegen laufend gesunken. Für das, wofür wir Schulden machen dürften, weil wir sagen könnten, das müssen mehrere Generationen finanzieren – etwa den Ausbau der Bahn, den Ausbau von Straßen, von Kanalisationen, von Infrastruktur, von Datenhighways –, haben wir leider immer weniger Geld, wir haben diese Sachen sogar über die Postfinanzierung in Form von Schulden ausgegliedert. Allein die Post und die Österreichischen Bundesbahnen haben 383 Milliarden Schulden, für die letztlich in allen Ausgliederungen oder Haftungen der Bund geradestehen muß.

Meine Damen und Herren! Die Ausgabendynamik wurde nicht gebrochen, die Sparpakete I und II waren stark einnahmendynamisch, die Prozentsätze sind umverkehrt. Es hat geheißen, die 100 Milliarden werden zu zwei Drittel durch Ausgabenkürzungen eingespart, also zu einem Drittel werden die Einnahmen erhöht und zu zwei Drittel die Ausgaben gesenkt. Es war umgekehrt, wie wir jetzt im nachhinein sehen können: Es sind zwei Drittel neue Einnahmen und nur ein Drittel Einsparungen bei den Ausgaben gewesen.

Die Ausgabendynamik ist aber für die Zukunft nicht gebrochen! Da liegen doch die Probleme! Wenn Sie das fortschreiben, was Sie den Menschen dieses Landes versprochen haben, dann kommen Sie in eine völlige Unfinanzierbarkeit! Sie haben jede Form des Keynesschen Spielraumes verloren. Die nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik nach Keynes funktioniert auf zwei Arten: Die eine ist, daß man dann Schulden macht, wenn es der Wirtschaft schlechtgeht, um sie anzukurbeln und Nachfrage zu erzeugen, wie es Kollege Dolinschek richtig eingeworfen hat. Aber der zweite Satz von Keynes wird immer vergessen: nämlich in guten Zeiten diese Schulden zurückzuführen, um neue Spielräume zu gewinnen.

Sie brauchen sich nur die Trends anzuschauen, die sich in dieser Republik abzeichnen. Ich finde es nicht richtig, einfach darüber hinwegzugehen, so nach dem Motto: Die anderen machen es ja auch.

Die Flucht in den Euro ist der einzig richtige Weg, der der Wirtschafts-, Finanz- und Währungspolitik geblieben ist. Mit sehr schlechten Wirtschaftsdaten – wir liegen mit unserem Wirtschaftswachstum an der letzten Stelle in der Europäischen Union – läuft dieses Land mit fliegenden Fahnen in den Euro. Es bleibt uns auch gar nichts anderes übrig, als diesen Schritt zu setzen. Aber was kommt danach? – Wir haben dasselbe Problem dann im Hartwährungsraum des Euro mit einer europäischen Wirtschafts- und dann gezwungenermaßen auch Finanz-, Umwelt- und Sozialpolitik.

Was uns in Europa allen gemeinsam bleibt – aber zu diskutieren haben wir hier das Schicksal Österreichs –, ist der Fluch der Zinsen. Allein die Mehrverschuldung, die wir von 1992 bis 1996 aufgehäuft haben – inklusive dem Bundesrechnungsabschluß 1996 –, macht nicht ganz 500 Milliarden Schilling aus. Wenn Sie jetzt zwischen 4 und 6 Prozent Zinsen dafür zahlen – ich hoffe, Sie zahlen nur 4 Prozent, Herr Bundesfinanzminister –, dann sind das 20 Milliarden Schilling, sogar bis zu 30 Milliarden, wenn Sie 6 Prozent zahlen, zusätzliche Zinsen, die Ihnen jedes Jahr bei der Bedeckung der Ausgaben in diesem Land fehlen.

Eigentlich ist Ihr Mut zu bewundern, und es ist Ihnen zu gratulieren, daß Sie diese Frage angehen. So, meine ich, sollten wir einen Rechnungsabschluß diskutieren: Es sollte uns wirklich bewußt sein, was dieses Hohe Haus seit 1970 getan hat, welche Fraktionen, welche Persönlichkeiten, welche Namen, welche Frauen, welche Männer immer zugestimmt haben: von 47 Milliarden Schilling Schulden 1970 bis auf 1 700, 1 800 Milliarden Schilling Schulden – wie immer Sie es rechnen – heute. Wir verbauen uns unsere eigene Zukunft! (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.26

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Müller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.26

Abgeordneter Karl Gerfried Müller (SPÖ): Geschätzte Herren Präsidenten! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der Bundesvoranschlag – das ist heute schon mehrere Male gesagt worden –


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für das Jahr 1995 wurde auf der Grundlage einer nominellen Wachstumsrate der österreichischen Wirtschaft von 5,8 Prozent erstellt. Die tatsächliche Wachstumsrate von nominell 3,8 Prozent lag damit um 2 Prozentpunkte unter der bei der Erstellung des Bundesvoranschlages angenommenen Wachstumsrate. Im internationalen Vergleich – das mag ein schwacher Trost sein – liegt Österreich dennoch mit einer realen Zunahme von 1,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Einklang mit der internationalen Wirtschaft.

Im Budgetvollzug wurden die veranschlagten Ausgabensätze um 11,8 Milliarden Schilling überschritten – allerdings entfielen 12 Milliarden Schilling auf Rücklagenzuführungen. Ohne diese Maßnahmen wären keine Ausgabenüberschreitungen zu verzeichnen gewesen. Die Einnahmen blieben allerdings um 3,8 Milliarden Schilling – das sind 0,6 Prozent – hinter dem Voranschlag zurück.

Geschätzte Damen und Herren! Ihnen ist bekannt, daß sich die Bundesregierung das fiskalpolitische Ziel gesetzt hat, mittelfristig das Budget zu konsolidieren und das Nettodefizit auf unter 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu senken. Der Bundesvoranschlag 1995 sah ein Defizit von 102,3 Milliarden Schilling oder 4,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts vor; leider konnte dieses Ziel nicht erreicht werden.

Uns liegt es wirklich fern, etwas zu beschönigen. Die Gründe sind auch nachvollziehbar. Die Überschreitungen wurden zum ersten durch höhere Bundeszuschüsse für die Pensionsversicherung – die Bundesmittel zur Pensionsversicherung betrugen im Jahr 1995 rund 63,8 Milliarden Schilling, das sind um 11 Prozent mehr als im Jahr zuvor –, ferner durch vermehrte Beihilfen für landwirtschaftliche Produkte sowie durch höhere Ausgleichszahlungen im Bereich der Landwirtschaft verursacht.

Auf der Einnahmenseite wurde der Voranschlag für Veräußerungserlöse in Höhe von 7,1 Milliarden unterschritten, weil der Verkauf von Anteilsrechten des Bundes an Unternehmungen nur zum geringeren Teil realisiert werden konnte – bekanntlich erfolgte ja der CA-Verkauf erst in diesem Jahr.

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt hat sich zugespitzt. Daher hat die Bundesregierung bereits Aktivitäten gesetzt und rasch gehandelt. Das heutige Bekenntnis des Finanzministers hiezu war ebenfalls eindeutig und klar formuliert.

Hohes Haus! Es ist allgegenwärtig, daß der Faktor Arbeit entlastet werden muß, damit Beschäftigungsinitiativen noch rascher zum Tragen kommen. Wir sind mit dem Phänomen konfrontiert, daß Betriebe im Zuge technologischer Erneuerung zwar höhere Wertschöpfungen erzielen, der Beitrag dieser Unternehmen zur sozialen Sicherheit jedoch aufgrund der Aushöhlung der Bemessungsgrundlagen immer geringer wird. Zu überlegen ist meiner Meinung nach eine etappenweise Einführung einer Abgabe auf die Betriebsausgaben. Es sollten vorrangig Betriebsausgaben und nicht der Personalaufwand besteuert werden, zum Beispiel würden sich Abschreibungen, sonstige Betriebsaufwendungen und auch Aufwandszinsen dafür anbieten. Das wäre der erste Schritt zu einer Wertschöpfungsabgabe.

Eine Umstellung des Dienstgeberbeitrages zum Familienlastenausgleichsfonds würde sich meiner Meinung nach ebenfalls dafür anbieten. Er würde die optimalen Rahmenbedingungen für den Beginn einer solchen Abgabe, die natürlich nur in Etappen eingeführt werden sollte, erfüllen.

Diese Abgabe müßte sich als beständig und – das betone ich – aufkommensneutral erweisen und gleichzeitig Beschäftigungsimpulse setzen. In Dänemark gibt es beispielsweise eine derartige Wertschöpfungsabgabe in Form einer Arbeitsmarktabgabe bereits seit dem Jahr 1988.

Wir brauchen den Mut, neue Ideen auszuarbeiten und diese dann auch umzusetzen! Nur so sichern wir die Zukunft unseres Landes. Setzen wir neue Akzente, damit die Österreicher dem immer härter werdenden Wettbewerbskampf auf dem Arbeitsmarkt, in der Wirtschaft und in der Sozialpolitik standhalten! (Beifall bei der SPÖ.)

14.30


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Mentil vor. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

14.31

Abgeordneter Hermann Mentil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Herr Rechnungshofpräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bundesrechnungsabschluß reflektiert den Budgetvollzug beziehungsweise die damit verfolgte Politik und reflektiert teilweise die verfehlte Strukturpolitik. Warum verfehlt? – Ich versuche, das anhand eines Beispieles aufzuzeigen.

Wir wissen, daß wir eine längst überfällige Verwaltungsreform nicht angehen, nicht vorantreiben. Laut letztem OECD-Bericht sind 22 Prozent unserer Beschäftigten im Verwaltungsbereich tätig. Vergleicht man diese Zahlen von 1974 bis 1994 mit jenen der anderen EU-Staaten, so sieht man, daß sich unser Verwaltungsaufwand verdoppelt hat.

Wir alle wissen aber – zumindest jene Herrschaften, die sich mit Betriebswirtschaft beschäftigen, wissen das –, daß ein zu hoher Verwaltungsaufwand jene Mittel bindet, die man sonst für Investitionen verwenden könnte, die man in Arbeitsplätze investieren könnte, beziehungsweise könnte man mit diesen Mitteln Arbeitsplätze schaffen. Die Tatsache, daß diese Verwaltungsreform überfällig ist, will diese Regierung einfach nicht zur Kenntnis nehmen. Und daher muß man von einer völlig falschen Strukturbereinigung beziehungsweise Strukturpolitik reden.

Es geht aber noch weiter: Daß die Schwerpunkte falsch gesetzt wurden, erkennen Sie daran, daß Sie im Jahr 1995 im Mehrwertsteuerbereich einen Mindererlös in Höhe von 9,1 Milliarden Schilling eingefahren haben. 9,1 Milliarden Schilling Mindererlös im Mehrwertsteuerbereich zeigen, daß der Konsum, sprich: die Wirtschaft, nicht entsprechend angekurbelt worden ist beziehungsweise nicht funktioniert hat.

Die Abgabenquote sank von 42,6 Prozent auf 41,2 Prozent. Das sind gigantische Rückgänge! Das ist wieder darauf zurückzuführen, daß die Investitionsbereitschaft, die Investitionswilligkeit nicht gegeben ist. 1995 haben Sie ein Gesamtdefizit von 145 Milliarden Schilling eingefahren und eine Gesamtverschuldung in Höhe von 1 632,4 Milliarden – das sind 6,7 Prozent des BIP – verursacht. Diese Gesamtverschuldung spricht meines Erachtens Bände und bringt auch enorme Gefahren mit sich.

Ich glaube auch nicht beziehungsweise sehe nicht den Ansatz, daß die Weichenstellung für 1996/97 diese Situation gravierend ändern wird beziehungsweise daß Sie mit Ihrem Sparpaket diese Budgetmisere in den Griff bekommen werden. Warum? – Sie haben mit dem Sparpaket einen enormen Kaufkraftverlust verursacht. Dieser Kaufkraftverlust wiederum führt zu Steuermindereinnahmen, zu weniger Investitionen und zu weniger Arbeitsplätzen. Das heißt, das dreht sich im Kreis, die Katze beißt sich in den Schwanz. Daher wird das Hochjubeln Ihres Budget"erfolges" 1996 – "Erfolg" unter Anführungszeichen – ein Pyrrhussieg werden. Die von Ihnen vorgelegten Zahlen mögen zwar kurzfristig einen Erfolg dokumentieren, aber auf Sicht gesehen, also über Jahre hinaus, werden Sie so unser Budget nicht konsolidieren beziehungsweise die Gesamtsituation nicht bereinigen können. Und das ist das Problem! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Ich bin mit meinen Behauptungen nicht allein, denn auch die Wirtschaftsforschung betreibenden Institute warnen. Ich habe diesbezüglich von Ihnen gewisse Zweifel gehört. Sie haben zwar teilweise recht: Die Institute machen nur Momentaufnahmen und legen Zahlen vor. Die Weichen muß die Regierung stellen, müssen die Verantwortlichen stellen. Aber diese Institute warnen und zeigen auf, daß die jetzige Entwicklung falsch ist beziehungsweise daß wir aus der Vergangenheit, aus der Entwicklung 1995 nicht die entsprechenden Konsequenzen gezogen haben. Das Wifo sagt beispielsweise: Defizit nur schwer zu halten! Steuerreform wird zum Problem! – Ich sehe das auch so. Diese Steuerreform in der jetzigen Form kann nur zum Problem werden, weil sie die Kaufkraft weiter mindert und die Investitionsfreudigkeit hemmt.


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Weitere Aussagen der Wirtschaftsforscher: Starke Steuerstücke! Explodierende Einnahmen des Fiskus verschaffen dem Finanzminister Luft! Riesige Problemberge! Problemberge warten! – All das geht in dieselbe Richtung. Diese Aussagen stammen von Leuten, die sich sehr wohl korrekt, anständig und seriös mit diesen Dingen auseinandersetzen.

Oder: Die Steuereinnahmen fließen heuer besonders kräftig! Budget: Die neueste Einnahmenstatistik gibt dem Optimismus des Finanzministers recht! Das Budget 1996 hält! – Das ist genau das, was ich sage. Aber 1997 wird die Welt anders aussehen, 1998 wird die Welt anders aussehen, weil wir die Kaufkraft verlieren, weil die Investitionskraft gemindert wird. Und das ist das Problem. Ich rede dabei gar nicht von dem Rekorddefizit der Leistungsbilanz von 47,3 Milliarden Schilling, das Sie 1995 verursacht haben und das darauf zurückzuführen ist, daß zu niedrige Umsätze und zuwenig Investitionen vorhanden sind.

Herr Kollege Kurzbauer hat gesagt, der Fremdenverkehr sei ein Mitverursacher. Aber weshalb ist der Fremdenverkehr ein Mitverursacher, warum gab es dort Mindereinnahmen? – Weil die Strukturpolitik falsch war, weil die Haftungspolitik falsch war, weil die Gestaltung der Rahmenbedingungen falsch war. Und so könnte man noch lange weiterfolgern.

Man kommt eigentlich immer mehr zu dem Schluß, daß die Entwicklung nicht zu unterschätzen ist. Sie haben im Jahr 1995 eine Bundesfinanzschuld von plus 9,9 Prozent zu verzeichnen gehabt. Pro Nase, also vom Baby bis zum Greis, macht die Verschuldung bereits 204 200 S aus. Das ist für mich Alarmstufe eins! Wenn Sie außerdem die Schulden so verkaufen, wie es Herr Umweltminister Bartenstein macht, dann sage ich nur dazu: Das sind krampfhafte Aktionen, um das Budget besser ausschauen zu lassen, aber das wird das Problem nicht lösen.

Ich treffe mich daher sehr stark mit Herrn Dr. Burkert, der weitere Steuertricks, mit denen man das Budget sanieren möchte, befürchtet und meint, man sollte in Zukunft die Budgets beziehungsweise die Budgetüberwachung nur mit Zweidrittelmehrheit beschließen und sollte schauen, daß uns nicht alles entgleitet beziehungsweise unfinanzierbar wird.

Auf den Punkt gebracht hat das der "Trend" in seiner Ausgabe 2/1997: Der Staat kaschiert den Staatshaushalt wie ein Schönheitschirurg, und Viktor Klima ließ sich für die elegante Verringerung des Defizits feiern. Unter der dünnen Schicht des Budget-Make-ups wuchert jedoch eine gewaltige außerbudgetäre Verschuldung. Samt Bundeshaftungen steht die Republik mit rund 3 Billionen Schilling in der Kreide.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die wirtschaftliche Situation der Republik Österreich, die mit einer Gesamtverschuldung von 3 Billionen Schilling zu kämpfen hat, stimmt mich nachdenklich. Die Ziffer 3 mit 12 Nullen dahinter! – Das muß man sich einmal vorstellen! Es ist mir schleierhaft, wer das sanieren, wer das reparieren soll.

Von einem bin ich überzeugt: So wie Sie für die Jahre 1996/97 Budgetpolitik machen oder wie es zumindest im Ansatz zu erkennen ist, dürfen Sie nicht weitertun, denn so werden Sie den Weg aus der Krise nicht finden.

Ich nehme abschließend zur Kenntnis: Sie dürften aus dem schwierigen Jahr 1995 nicht die nötigen Konsequenzen gezogen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.41

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Fink. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

14.41

Abgeordneter Ernst Fink (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Böhacker, Sie haben in einem Zwischenruf gesagt, es sei alles in Ordnung. (Abg. Böhacker: Das hat die Regierung gesagt!) – Ich sage Ihnen: Es ist nicht alles in Ordnung! Dieser Rechnungsabschluß macht auch uns keine Freude.


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Der Bundesrechnungsabschluß 1995 zeigt uns, daß das Maastricht-Kriterium, nämlich ein Nettodefizit in Höhe von 3 Prozent des BIP, klar verfehlt wurde. Das Nettodefizit lag bei 5 Prozent und außerdem um 15,6 Milliarden Schilling über dem Voranschlag. Das hat natürlich sehr viele Gründe.

Positiv ist zu vermerken, daß die Inflationsrate von 3 Prozent auf 2,2 Prozent gesunken ist. Die nominelle Wachstumsrate lag mit 3,8 Prozent leider deutlich unter den im Voranschlag erwarteten 5,8 Prozent.

Herr Abgeordneter Van der Bellen hat natürlich damit recht, daß das eine peinliche Fehleinschätzung war. Das BIP-Wachstum schwächte sich ab und führte zu einer weiteren Zunahme der Arbeitslosigkeit bei leicht rückläufigem Beschäftigungsstand.

Auch die Steuereinnahmen sind im Jahr 1995 leicht zurückgegangen – auch eine Auswirkung der Steuerreform des Jahres 1993. Diese Entwicklung hat auch die Gesamtschuld des Bundes erhöht. Im Vergleich zum Jahr 1994 bedeutet dies einen Anstieg von rund 10 Prozent.

Dadurch ist die Pro-Kopf-Verschuldung – für jede Österreicherin und für jeden Österreicher – auf 179 000 S angestiegen. Wir liegen damit im Mittelfeld, allerdings noch vor Deutschland, das eine Pro-Kopf-Verschuldung von 174 000 S zu verzeichnen hat. Spitzenreiter ist Belgien mit 358 000 S, und Musterschüler ist Luxemburg mit 25 000 S.

Auch bei der Verschuldungsquote konnte das Maastricht-Kriterium von maximal 60 Prozent des BIP nicht erreicht werden. Wir liegen bei 69,5 Prozent.

Diese negative Gesamtentwicklung war für uns, die Österreichische Volkspartei, der Anstoß dazu, einen Kassasturz zu machen. Das ist und war eine Notwendigkeit und letztlich auch ein Erfolg für die Österreichische Volkspartei. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Bundesminister hat heute auch schon gesagt, daß der Bundesvoranschlag 1996 ein großer Konsolidierungserfolg sein wird. Wir haben im Jahr 1995 Neuwahlen vom Zaun gebrochen und somit das Risiko einer Neuwahl auf uns genommen. Diese Wahl endete mit einem für uns zum Teil schmerzlichen Ergebnis. Wir haben aber erkannt – und darauf sind wir stolz –, daß es so nicht weitergehen kann und darf.

Das Sparpaket hat bereits gezeigt, daß der Haushalt konsolidiert wird. Die Maastricht-Kriterien werden erfüllt. Budgetkonsolidierung und Beschäftigungspolitik werden auch in den nächsten Jahren für uns eine Herausforderung sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist ein Verdienst der Bundesregierung, daß sich das Nettodefizit trotz schlechter internationaler Entwicklungen um – ich sage das unter Anführungszeichen – "nur" 15,6 Milliarden Schilling erhöht hat. Mag. Trattner hat heute hier gefragt: Was wäre, wenn? Dazu sage ich Ihnen: Wenn die rechte Seite dieses Hauses das Sagen gehabt hätte (Abg. Scheibner: Vorsicht!) , dann wäre das Budgetdefizit auf mindestens 70 Milliarden Schilling gestiegen. (Abg. Dr. Krüger: Die rechte Seite sind Freiheitliche und ÖVP!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der F-Bewegung! Ich erinnere Sie daran, was Sie, vor allem Mag. Trattner, in diesem Haus alles gefordert haben. Sie haben die Senkung der Mehrwertsteuersätze um 2 Prozent verlangt (Zwischenruf der Abg. Aumayr ) , obwohl Sie wissen, was das das Budget gekostet hätte, nämlich "nur" 20 Milliarden Schilling. Sie haben die Abschaffung der Getränkesteuer gefordert. Das ist zwar gut und schön – wir wollen das auch, und meiner Ansicht nach wird die Getränkesteuer in den nächsten Jahren auch abgeschafft werden –, aber es hätte das Budget mit 6 Milliarden Schilling belastet.

Auf der anderen Seite haben Sie aber nie gesagt, wie Sie die Einnahmenausfälle für die Gemeinden kompensieren werden, sondern Sie haben es einfach nur gefordert. Drittens haben Sie für alle Beschäftigten ab dem 50. Lebensjahr den Entfall der Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitslosenversicherung verlangt. Das wären auch "nur" ein paar Milliarden Schilling, 5 Milliarden Schilling hätte es das Budget gekostet. Weiters haben Sie – und das ist der größte Brocken –


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die Abschaffung der Kommunalabgabe gefordert. Das würde auch "nur" 21 Milliarden Schilling ausmachen. Das ist auch "kein" Betrag, den werden wir doch ohne Schwierigkeit aufbringen! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Wie doppelbödig Sie etwa bei der Kommunalabgabe agieren, möchte ich Ihnen am Beispiel meiner Stadt Feldbach sagen. Die ÖVP-Fraktion der Stadt Feldbach hat einen Antrag auf eine Arbeitsplatzprämie eingebracht, nämlich in der Form, daß die bezahlte Kommunalabgabe für Lehrlinge den Betrieben als Förderung rückerstattet wird. Die Mehrheitsfraktion der Stadt Feldbach und der einzige F-Gemeinderat – er sitzt hier im Haus, mein Kollege Nationalrat Franz Lafer war der Mehrheitsbeschaffer – lehnten diesen Antrag jedoch ab. (Rufe bei der ÖVP: Na schau!)

Im Plenum fordern, im Gemeinderat aber ablehnen – das zeigt, wie glaubhaft Ihre Politik ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das sechste und letzte Beispiel hat die F gestern geliefert. (Rufe bei der ÖVP: Peinlich!) Sie hat die Verminderung der sogenannten kalten Progression gefordert. Herr Mag. Trattner hat bereits im letzten Jahr eine Verminderung der kalten Progression gefordert. Damals hat er das mit Kosten zwischen 8 und 10 Milliarden Schilling beziffert. Gestern – ein Jahr später – fordert er wieder die Verminderung der kalten Progression und nennt wieder eine Zahl, nämlich 50 Milliarden Schilling, also "nur" 40 Milliarden Schilling mehr! Wie soll das Budget konsolidiert werden, wenn Sie derartige Zahlen nennen?

Meine sehr geehrten Damen und Herren und liebe F-Bewegung! (Abg. Dr. Stummvoll: Unseriös!) Das ist wirtschaftlich unseriös und gefährlich für dieses Land! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir werden nicht zulassen, daß Sie unseren ausgezeichneten Wirtschaftsstandort in Gefahr bringen (Abg. Dr. Krüger: Den habt ihr schon ruiniert!) und die Stabilität des Schillings gefährden. Wir werden weiterhin für die Verbesserung und Erhaltung des ausgezeichneten Lebensstandards der Österreicherinnen und Österreicher arbeiten. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.49

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter Lafer hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. – 2 Minuten Redezeit. Die Geschäftsordnung ist bekannt.

14.49

Abgeordneter Franz Lafer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Abgeordneter Fink hat behauptet, ich wäre in einer Beschlußsache im Gemeinderat von Feldbach Mehrheitsbeschaffer gewesen. Das ist falsch! Ich berichtige tatsächlich: Ich hatte einen Antrag zur Förderung von Lehrlingsplätzen in Verbindung mit der Kommunalabgabe gestellt. (Ruf bei der ÖVP: So etwas kann der Gemeinderat perfekt! – Heiterkeit bei der ÖVP.) Dieser wurde im Ausschuß nicht behandelt. Die ÖVP wollte – wie immer in einer Husch-Pfusch-Aktion – diesen Beschluß direkt in der Sitzung fassen. Ich hatte lediglich den Antrag auf Rückverweisung in den Ausschuß gestellt, damit dieser Antrag auch ordnungsgemäß und geschäftsmäßig erfaßt werden konnte. Das ist die Wahrheit. (Abg. Fink: Als es keinen Gemeinderat mehr gegeben hat! – Beifall und Rufe bei den Freiheitlichen: Ah!)

14.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte, Herr Abgeordneter. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. (Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fuhrmann: Jetzt schreit die F-Fraktion schon ihre eigenen Leute nieder!) Herr Abgeordneter Böhacker wäre gerne am Wort und ist es auch von der Geschäftsordnung her. – Bitte, Herr Abgeordneter, machen Sie von Ihrer Wortmeldung kräftigst Gebrauch.

14.51

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Bundesminister! Wenn man dem Kollegen Fink zugehört hat,


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mußte man zur Überzeugung kommen, daß hier ein Blinder von den Farben gesprochen hat. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ein kleiner Nachhilfeunterricht, Herr Kollege Fink: Die kalte Progression und deren Auswirkungen kosten jährlich zwischen 8 und 10 Milliarden Schilling. Wifo-Chef Kramer hat festgestellt, daß bis zum Jahre 1998 die Auswirkungen der kalten Progression eine Gesamtsumme von 50 Milliarden Schilling ergeben würden, sollten keine steuerlichen Änderungen kommen. Dies, Herr Kollege Fink, als kurzer Nachhilfeunterricht. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Nun zu Ihren Ausführungen, Herr Bundesminister. Ich habe Ihnen genau zugehört. Sie haben ein paar Worte im Zusammenhang mit der Defizitentwicklung 1995 gesagt und gemeint, daß das nicht besonders erfreulich wäre. Auch Kollege Fink hat gesagt, er habe keine Freude. Beide Aussagen sind eine nicht zu überbietende Schönfärberei. Ich hätte von Ihnen, Herr Bundesminister, klare Worte erwartet, insbesondere unter dem Aspekt der Defizitentwicklung der Jahre 1993, 1994 und 1995. Denn noch im Jahre 1994 wurden rasch Fremdmittel, die nicht notwendig waren, aufgenommen, nur um eine Rücklage zu dotieren, die im Jahr 1995 defizitmindernd wieder aufgelöst werden konnte.

Herr Bundesminister! Sie haben auch von der Kontinuität der Arbeit gesprochen. Wenn mit Kontinuität der Arbeit die Fortsetzung des sozialistischen Budgetkurses 1993, 1994 und 1995 gemeint ist, dann ist das eine gefährliche Drohung für den österreichischen Bürger.

Herr Bundesminister! Sie haben vorausschauend gemeint, beim Bundesrechnungsabschluß 1996 werde sich das Defizit mit dem Ansatz im Bundesvoranschlag 1996 decken. Das mag zahlenmäßig stimmen. Aber Sie müssen uns dann in den entsprechenden Ausschußsitzungen erklären, wodurch dieses Defizit erreicht wurde. Wodurch? – Durch massive Vorgriffe auf künftige Budgets! Das Budget 1998/99 wird der Knackpunkt werden.

Wenn Sie, Herr Bundesminister, das "Wirtschaftsblatt" vorzeigend, das Problem auf dem österreichischen Arbeitsmarkt als erledigt ansehen, so ist das, wie ich meine, eine Verhöhnung von 300 000 Arbeitslosen in Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Sie haben eine Steuerreform für das Jahr 2000 angekündigt. – Dieser Zeitpunkt ist sicherlich zu spät. Ich befürchte, daß Sie uns, wenn Ihre Amtszeit so kurz wird wie die der sozialistischen Finanzminister der letzten Jahre, die Steuerreform im Jahr 2000 sicherlich nicht präsentieren werden können.

Kollege Gartlehner hat wieder einmal die Steuer- und Abgabenquote verwechselt. Er hat gemeint, daß im Jahre 1995 die Abgabenquote nur 42 Prozent betragen hat. Das stimmt zwar, er hat aber vergessen, zu sagen, daß die Steuer- und Abgabenquote in den Folgejahren stark ansteigen und sich weiter nach oben entwickeln wird.

Herr Bundesminister! Sie haben zugegeben, daß die tatsächlichen Privatisierungserlöse nicht dem Bundesvoranschlag entsprechen. Wenn Sie aber sagen, das werde 1996 und 1997 kommen, vergessen Sie, daß mit jedem Jahr verspäteter Privatisierung eine Milliarde Schilling an Zinsen verlorengegangen sind.

Meine Damen und Herren! Die sechs Minuten meiner Redezeit sind beinahe um. Ich darf noch kurz auf den Bundesrechnungsabschluß eingehen und mich mit der Entwicklung der fälligen Abgabenschulden und dem Abgabenguthaben beschäftigen. (Abg. Dr. Stummvoll: Der erlösende Schlußsatz!) In diesem Bereich ist eine dramatische Entwicklung zu beobachten. Seit 1987 sind die offenen Abgabenschulden um 70 Prozent auf einen Betrag von fast 58 Milliarden Schilling gestiegen. Andererseits sind die schon fälligen und noch nicht zurückbezahlten Guthaben der Steuerpflichtigen von 7 Milliarden auf 15 Milliarden, also um 100 Prozent, gestiegen. Das sollte ein Alarmsignal sein! Denn die Wirtschaft wäre bereit, die Steuern zu zahlen, aber sie kann es nicht mehr, weil die Steuer- und Abgabenquote einfach zu hoch ist und die Wirtschaft knebelt.

Wie schaut es mit der Glaubwürdigkeit und der Ehrlichkeit der sozialistischen Budgetpolitik aus? Hier ist Kollege Nowotny, der Budget-Guru, der sich heute nicht zu Wort meldet, angesprochen,


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weil er uns gestern in der Aktuellen Stunde mangelnde Treffsicherheit und Wahrheit in den Aussagen unterstellt hat. Ich darf Sie nur daran erinnern, was Ihr Finanzminister Lacina noch im Februar 1995 zum Budgetvollzug 1995 gesagt hat.

Da heißt es: Finanzminister Lacina erklärte am Dienstag im "ZiB-Abendstudio", der Bundesvoranschlag 1995 mit einem Defizit von über 102 Milliarden müßte halten. Er glaube nicht, daß es wie in den beiden vorangegangenen Jahren am Jahresende zu einer Überschreitung des Defizits kommen werde. – Man höre und staune – Finanzminister Lacina.

Er geht aber noch weiter und sagt, nun habe man eine Situation, in der die Beschäftigung steige und man mit einem Wirtschaftswachstum, einem robusten Aufschwung, rechnen könne. Man werde sogar bei den Steuern noch das eine oder andere zulegen können. – Soweit zum Wahrheitsgehalt der Aussagen Herrn Finanzministers Lacina.

Das Ergebnis: bei der Umsatzsteuer ein Minus von 9 Milliarden, Beschäftigung: die höchste Arbeitslosenrate seit den fünfziger Jahren, 5 000 Jugendliche finden keinen Lehrplatz. Als wir Freiheitlichen am 9. März 1995 eine Dringliche Anfrage betreffend die Budgetentwicklung an den Finanzminister gestellt haben, hat Finanzminister Lacina weiter stur behauptet, das Budgetdefizit werde halten, der Bundesvoranschlag sei eine solide Grundlage für ein mehrjähriges Sanierungsprogramm. – Das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen: Das Budget 1995 eine Grundlage für ein mehrjähriges Sanierungsprogramm! – Das Ergebnis: ein Belastungspaket, das 1996 den Bürgern 66 Milliarden mehr an Steuern weggenommen hat. Auf 100 Milliarden Schilling beläuft sich allein der Zinsendienst, dazu kommt eine explodierende Gesamtverschuldung des Staates.

Zum Abschluß hätte ich noch ein paar Fragen an den Herrn Präsidenten des Rechnungshofes: Der Rechnungshof kritisiert immer wieder – beinahe jedes Mal –, wenn der Bundesrechnungsabschluß vorgelegt wird, daß es ausstehende Fondsabschlüsse gibt. Er beschäftigt sich auch mit dem Insolvenzausfallgeldfonds, der mit rund 6 Milliarden verschuldet ist. Der Rechnungshof hat festgehalten, daß er beobachten wird, wie dieser Fonds saniert wird und ob ein völliger Schuldenabbau bis 1998 tatsächlich erzielt werden kann.

Herr Präsident! Ich frage Sie nun: Haben Sie die Entwicklung beobachtet, und wie lautet das Ergebnis?

Eine zweite Frage: Auf Seite 180 des Berichtes schreiben Sie: "Zusammenfassend vermag sich daher der Rechnungshof nicht der Auffassung (des Finanzministeriums) anzuschließen, daß eine Änderung der haushaltsrechtlichen Vorschriften im Bundeshaushaltsgesetz entbehrlich sei. Aus diesem Grund hat der Rechnungshof auch die dargestellten Alternativvorschläge entwickelt."

Herr Präsident! Sind diese Ihre Forderungen noch offen, und, wenn ja, welche Forderungen stellen Sie an das Hohe Haus? Ich erachte es als ein Unding, daß das Hohe Haus – beziehungsweise die Mehrheitsfraktionen im Hohen Haus – nicht bereit ist, die Vorschläge, die das Prüforgan des Parlaments, nämlich der Rechnungshof, einbringt, umzusetzen.

Meine Damen und Herren! Wenn der Budgetvollzug, wenn die Unwahrheit in der Budgetierung weiterhin so praktiziert wird wie in den letzten Jahren, dann wird die österreichische Budgetpolitik einem Desaster entgegengehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.01

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über den Bundesrechnungsabschluß für das Jahr 1995 zur Durchführung der kurzen Debatten ab 15 Uhr.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 1522/AB

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen zunächst zur Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 1522/AB. Da die erwähnte Anfragebeantwortung bereits verteilt worden ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.


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Wir gehen in die Debatte ein, und ich mache aufmerksam, daß kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner 10 Minuten zur Verfügung stehen. Stellungnahmen der Mitglieder der Bundesregierung oder zu Wort gemeldeter Staatssekretäre sollen 10 Minuten nicht übersteigen.

Das Wort erhält zunächst Herr Abgeordneter Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.02

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Dr. Haselsteiner hat sich erlaubt, eine Anfrage an Herrn Bundesminister Klima, also Ihren Vorgänger, betreffend die sehr wesentliche Frage des Übernahmerechtes zu richten. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Die Antwort, die wir von Mag. Klima bekommen haben, kann maximal als kryptisch und unausgegoren betrachtet werden. Er versteckte sich hinter seiner Kompetenz und hat uns darauf verwiesen, daß in Wirklichkeit der Herr Justizminister ressortzuständig sei. Nur, so kann es nicht sein! Da geht es um eine Sachfrage und nicht darum, wohin wir den Ball jetzt spielen.

Anlaß ist die Situation bei der Übernahme der Creditanstalt durch die Bank Austria, bei der man entgegen aller Börsenkultur in zivilisierten Staaten – außer in Griechenland und in Österreich, das sind nämlich Wildweststaaten in der Börsenkultur und keine zivilisierten Staaten – vorgegangen ist, denn an sich wäre es selbstverständlich, daß man, wenn man eine Übernahme macht, die die Zielgesellschaft im wesentlichen beherrscht, dieses Übernahmeangebot auch den Minderheitenaktionären macht. Das ist eine ganz wesentliche Voraussetzung, um überhaupt Minderheitenaktionäre an eine Börse zu bekommen.

In Österreich sind 4 Prozent der Menschen Aktienbesitzer, 16 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Österreich dient der Börsenkapitalisierung. – Eine unterentwickeltere Börsenlandschaft als Österreich kann man sich nicht vorstellen. Wenn man die Österreicher, die über ein sehr großes Geldvermögen in privater Hand verfügen, zu Aktienbesitzern machen will, wird man wohl eine Börsenkultur entwickeln müssen, die weit über die der Börse AG, vor allem aber über die vielbelächelte VIP – Vienna-Insider-Party – hinausgeht, wo in Wirklichkeit Insider miteinander handeln, die Kurse bestimmen und der Kleinanleger keine faire aktienrechtliche Basis findet.

Unsere Anfrage an den Herrn Bundesminister Klima, dessen Nachfolger Sie sind, lautete: Was wollen Sie in der Richtung tun? Was wollen Sie unternehmen? Was wird mit den Kleinaktionären der CA geschehen? Die Antwort halten wir im höchsten Maße für ungenügend und fordern Sie daher als Nachfolger von Mag. Klima auf, deutlicher und klarer Stellung zu nehmen.

Ich möchte noch auf eines hinweisen: Staatssekretär Ruttenstorfer – dessen Namen ich mir jetzt schon eingeprägt habe – wurde Ihnen nicht nur zur Seite gestellt, um im Bereich der Verwaltungsreform, sondern vor allem im Bereich eines funktionierenden Kapitalmarktes in Österreich zu arbeiten. Ich nehme an, daß Sie mit ihm schon in Gesprächen sind und wir erwarten uns zumindest jetzt von Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, daß Sie zu dieser Anfrage eine klare Stellungnahme abgeben, daß Sie klar sagen, wohin die Politik Ihres Ministeriums geht und in welche Richtung Ruttenstorfer arbeiten wird. Was kann die internationale Finanzwelt von dem Börseplatz Österreich verlangen? Aber was am allerwichtigsten ist: Worauf können sich jetzt die Kleinanleger in Österreich verlassen, wenn sie ihr Geld zur Börse tragen? (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächstem erteile ich dem Herrn Finanzminister das Wort. – Bitte, Herr Minister.

15.04

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Um die zusammenhängende Problematik dieser Anfrage verständlich zu machen, scheint es mir zunächst einmal notwendig zu sein, einleitend kurz einige Fakten betreffend den Aktienverkauf der Republik Österreich an die Bank Austria AG darzustellen.


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Der am 12. Jänner 1997 abgeschlossene Kaufvertrag der Republik mit der Bank Austria AG ist aufschiebend bedingt. Dies deshalb, weil Transaktionen dieser Art vor ihrer Durchführung durch die Kartellbehörde genehmigt werden müssen. In diesem Falle ist die zuständige Kartellbehörde jene der EU-Kommission. Dort ist zurzeit ein Fusionskontrollverfahren anhängig.

Bis zur Entscheidung der EU-Kommission ist die Republik Eigentümerin der Aktien. Der Kaufpreis in der Höhe von – wie bekannt – 17,2 Milliarden Schilling ist allerdings bereits auf ein Sperrkonto der Republik geflossen.

Mein Amtsvorgänger hat einen Treuhänder mit der Wahrnehmung der sich aus den Anteilsrechten ergebenden Rechte beauftragt. Im Kaufvertrag mit der Republik hat sich die Bank Austria AG zu folgendem Angebot an die Minderheitsaktionäre verpflichtet:

"Der Käufer wird allen anderen Aktionären der CA innerhalb von 3 Jahren ab rechtskräftigem Erwerb der CA-Anteile des Bundes ein Umtauschanbot in Bank-Austria-Aktien unter sinngemäßer Anwendung der Bewertungsgrundsätze der §§ 220 ff des Aktiengesetzes unterbreiten. Stimmberechtigten Kleinaktionären (physische Personen mit einem Aktienbesitz bis zu einem Kursgegenwert von 200 000 S mit Schutzregeln gegen Mißbrauch) wird ein alternatives Barabfindungsangebot gemacht, mindestens zum Kurs von 850 abzüglich maximal 15 Prozent."

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte aber generell zu diesem Problem festhalten, daß es in Österreich keine gesetzlichen Bestimmungen gibt, die eine Abfindung der Minderheitsaktionäre bei Übernahmen vorsehen. Es gibt aber auch noch keine endgültigen Richtlinien der Europäischen Union in dieser Richtung. Aus diesem Grunde kam es in Österreich bis heute bei Unternehmensübernahmen zu keiner Abfindung der Minderheitsaktionäre, wie aus jüngsten Transaktionen etwa der Radex/Veitscher oder auch der BBAG/Gösser-Reininghaus ersichtlich ist. Es ist daher zunächst dezidiert hervorzuheben, daß das Anbot der Bank Austria ein freiwilliges Anbot war.

Ich möchte aber noch einmal auf den Text meines Amtsvorgängers, den Sie zitiert haben, sehr geehrter Herr Abgeordneter Peter, zurückkommen und dabei festhalten, daß für Angelegenheiten betreffend die Materie "Übernahmerecht" tatsächlich primär der Herr Bundesminister für Justiz zuständig ist. Wie Sie allerdings wissen – auch das ist in der Anfragebeantwortung ausgeführt –, ist im Justizministerium unter Mitbefassung aller betroffenen Stellen eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die voraussichtlich bis Ende April 1997 einen Gesetzentwurf vorlegen wird. In dieser Arbeitsgruppe sind unter anderem auch das Bundesministerium für Finanzen und das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten, die Interessenvertretungen sowie prominente Rechtsexperten vertreten.

Ich möchte mich aber nicht verschweigen, weil ich meine, daß einige Kernpunkte sehr wichtig sind. Ich könnte mir unter anderem vorstellen, daß ein obligatorisches Angebot an alle Minderheitsaktionäre erfolgen soll und daß der Angebotspreis für Minderheitsaktionäre in bestimmter Relation zum Übernahmepreis und zum durchschnittlichen Börsenkurs des letzten Jahres oder des letzten halben Jahres zu stehen hat. Ich meine zudem, daß Verhaltens- und Fairneßregeln für Übernehmer und Zielgesellschaften erforderlich sind, und nicht zuletzt, daß auch die Einrichtung einer Schiedsstelle, die in Zweifelsfällen entscheidet, sehr wesentlich sein könnte.

An der Schaffung eines solchen Übernahmerechtes haben das Finanzministerium, aber auch ich als Bundesminister sehr großes Interesse. Dieses Interesse besteht insbesondere deshalb, weil es zu dem Maßnahmenmix paßt, der zur Stärkung des österreichischen Kapitalmarktes, von dem auch Sie gesprochen haben, zum Einsatz kommen soll.

Ich ersuche jedoch um Verständnis dafür, daß derartige Maßnahmen sehr sorgfältig vorbereitet und ausführlich diskutiert werden müssen. Der Verkauf der CA-Anteile des Bundes sollte kein unüberlegter und unmittelbarer Anlaß für eine unausgewogene und nicht mit der Europäischen Union akkordierte gesetzliche Lösung sein. – Ich danke Ihnen schön für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

15.10


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Ich danke dem Herrn Bundesminister für die Stellungnahme.

Wir beginnen jetzt mit der Debatte. Die Redezeiten betragen jeweils 5 Minuten.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. – Bitte.

15.10

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin Ihnen, Herr Bundesminister, dankbar, daß Sie in dieser Klarheit ausgedrückt haben, worauf es uns in Wahrheit ankommt. Sie haben gesagt, daß das Angebot, das die Bank Austria nun den Minderheitsaktionären gemacht hat, ein freiwilliges ist. Wir brauchen aber, wenn wir über den Börsenplatz Wien reden, eine klare, für den einzelnen Marktteilnehmer überschaubare und rechtssichere Regelung. Wir brauchen – das wissen Sie so gut wie ich –, gerade was die Finanzgeschäfte und die Finanzdienstleistungen des Landes betrifft, ein psychologisches Moment, das wir in Österreich aber nicht haben, und wir haben – das muß man ja offen zugeben – durch die Insiderproblematik, durch die Tatsache, daß wir unsere Börse als Kammer organisiert haben, und durch verschiedene, an der Grenze der Legalität befindliche Vorfälle in der Vergangenheit – für die Sie nichts können, für die wir aber alle gemeinsam in irgendeiner Form verantwortlich sind – Reparaturbedarf!

Wenn wir heute feststellen, daß wir Eigenkapitalmangel in den österreichischen Unternehmen haben, daß wir für die internationalen Investoren an Attraktivität verloren haben, wenn wir keine Liquidität im Börsenumsatz haben, wenn wir keine "Marketmaker" haben, die unsere Industriewerte einigermaßen fair und im internationalen Vergleich angemessen bewerten, dann ist das die Auswirkung einer Summe von vielen kleinen Dingen, kleinen Fehlern und Versäumnissen, die wir uns geleistet haben. Und eines dieser Versäumnisse – bei weitem nicht das einzige, vielleicht nicht einmal das gewichtigste – ist, daß wir kein moderndes Übernahmerecht haben.

Ich will jetzt nicht auf die Vienna Insider Party und auf verschiedene andere Dinge eingehen, die ja fast als skandalös zu bezeichnen wären, sondern nur auf diesen einen Punkt. Es ist freiwillig, daher nicht rechtssicher und somit für die Wiener Börse nicht förderlich. Das ist festzustellen.

Wenn Sie, Herr Bundesminister und Ihr Vorgänger in der Anfragebeantwortung gesagt haben, es gebe ja noch nicht einmal eine EU-Richtlinie dafür, dann muß ich Sie darauf hinweisen, daß die Richtlinie der EU eine Rahmenrichtlinie sein wird, die nationale Gestaltungsspielräume zulassen wird, und die EU wird – glauben Sie mir das – im wesentlichen nichts anderes machen, als in bereits bestehenden modernen internationalen Übernahmerechten derzeit schon vorgesehen ist – zum Beispiel in den Vereinigten Staaten –, denn sie könnte sich das auch gar nicht leisten, ansonsten würde sie alle Börsenplätze in Europa gefährden. Das ist ja ein internationaler Markt und nicht ein europäischer! Daher wird es eine Rahmenrichtlinie geben, und in dieser haben wir nationalen Gestaltungsspielraum. Wenn es keine Rahmenrichtlinie geben wird – das ist ja noch nicht entschieden –, dann wird es eine bloße Ratsempfehlung sein, die Ihnen noch mehr Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb dieses Rahmens gibt.

Herr Bundesminister! Wenn Sie uns heute sagen, es gibt dafür eine Arbeitsgruppe, die im April ein Ergebnis vorlegen wird, dann muß ich entgegnen, Herr Bundesminister: Eine Arbeitsgruppe – zwei Jahre nach dem EU-Beitritt, fünf Jahre nach Maastricht und im Wissen, daß mit 1. 1. 1999 der Euro kommt und damit die Wiener Börse in eine ernste, nach meinem Dafürhalten auch nur mehr sehr, sehr schwer reparierbare Existenzkrise kommen wird?! Wir haben ja keine Zeit für einen Arbeitskreis! Wir haben auch keine Zeit zum Warten, sondern wir können, wenn wir den Börsenplatz Wien retten wollen, nur schnell und unmittelbar dieses Signal an die internationalen Investoren ausgeben: Wir wollen euch gut behandeln, kleine wie große, und ihr könnt euch darauf verlassen, Österreich will und wird auch Minderheitsaktionäre nicht schlecht behandeln! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Nur wenn wir das tun und viele, viele andere Maßnahmen setzen, nur wenn wir die Börse reformieren – ob das nun eine AG ist oder wie das sonst ausschaut –, nur wenn wir all diese


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Schritte setzen, werden wir wenigstens eine Minimalchance wahren, daß wir Wien als Börsenplatz nicht verlieren! – Ich danke Ihnen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Gleiche Redezeit. – Bitte.

15.15

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, schon die ersten drei Wortmeldungen zu diesem Thema haben gezeigt, daß wir uns hier in weiten Bereichen – ich würde fast sagen, in allen – einig sind. Jedem von uns ist klar, daß, wenn wir die Nachteile des Wirtschaftsstandorts Österreich auflisten, neben jenen, die sehr oft diskutiert werden, wahrscheinlich einer unserer stärksten Nachteile der Zustand der Wiener Börse und der des Börsenplatzes Wien ist. Wir müssen uns auch darüber im klaren sein, daß natürlich bei der stetig steigenden Zahl von Menschen, die in Finanzdienstleistungen international tätig sind, ein Arbeitsplatz- und Arbeitskräftepotential in Wien verlorengeht, wenn man nicht über eine internationalen Standards entsprechende Börse verfügt.

Es ist daher völlig richtig, daß hier dringender Handlungsbedarf besteht, und ich meine, daß der österreichische Nationalrat dem nachgekommen ist, indem wir am 14. Jänner 1997 eine Entschließung eingebracht haben, in der wir die Bundesregierung aufgefordert haben, für eine Beschlußfassung noch vor dem Sommer einen Regierungsentwurf, eine Regierungsvorlage für ein Übernahmerecht vorzulegen.

Ich glaube, es ist vernünftig, nicht Anlaßgesetzgebung zu betreiben. Klarerweise hat der Deal in der Causa Bank Austria und Creditanstalt-Bankverein das öffentliche Licht sehr stark auf diese Angelegenheit gelenkt, aber ich meine, wenn wir uns schon dazu entschließen, eine nationale Gesetzgebung zu betreiben, dann ist es sinnvoll, danach zu trachten, daß das eine ordentliche Gesetzgebung ist, die auch halten wird. Daher ist es sinnvoll, das – wenn die Bundesregierung dazu imstande ist – für eine Beschlußfassung noch vor dem Sommer hier im Hohen Haus einzubringen, was zum einen genügend Zeit zur Beratung bietet und zum zweiten auch noch rechtzeitig ist vor dem Hintergrund dessen, was uns bevorsteht hinsichtlich der Perspektiven, die Herr Dr. Haselsteiner mit 1. 1. 1999 datiert hat. (Abg. Dr. Hasel


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steiner: Das brauchen Sie nicht neu zu erfinden!)

Herr Dr. Haselsteiner! Wir diskutieren über Wochen. Welchen geänderten Zeitplan schlagen Sie vor? – Einbringung ins Parlament nicht im April, sondern im März? Die Beschlußfassung und die Gültigkeit nicht mit 1. Juli, sondern mit 1. Juni? Also das ist wirklich ein Streit um des Kaisers Bart, der eigentlich nichts bringt! (Beifall bei der SPÖ.)

Jedem ist klar, daß Dringlichkeit geboten ist. Die Regierung ist vom Parlament zum Handeln aufgefordert und, wie der Herr Finanzminister gesagt hat, auch klar zum Handeln bereit. Die substantiellen Aussagen, die er gemacht hat, schließen ja nahtlos an das an, was in der Schweiz, in der Bundesrepublik Deutschland und in anderen Staaten auf diesem Sektor üblich ist. Das heißt, es ist damit zu rechnen, daß auch die Regierungsvorlage internationalen Standards standhält.

Es ist auch – da gebe ich Ihnen recht –, völlig klar, daß die EU-Richtlinie, die in einem Entwurf bereits vorliegt, wirklich sehr allgemein gestaltet ist und der Regierung größten Spielraum läßt. Ebenso klar ist, daß uns diese Richtlinie ohne eine viel präzisere nationale Gesetzgebung in Wirklichkeit nicht weiterhilft. Das heißt, die EU- Richtlinie ist in Ordnung, aber entscheidend ist, welches nationale Gesetz geschaffen wird.

Eine Frage der Ethik an der Wiener Börse wird es allerdings sein, ob sich bei den Übernahmen der kommenden Monate auch alle anderen am Beispiel der Bank Austria orientieren werden. Wenn jetzt zum Beispiel ansteht, daß unter Umständen die Erste Österreichische die Anteile an der GiroCredit kauft, dann stellt sich schon die Frage: Wird dieselbe Ethik, die die Bank Austria gepflogen hat, auch von der Ersten Österreichischen gepflogen werden? (Abg. Dr. Haselsteiner: Die stellt sich nicht sehr! Dort gibt es keine Minderheitsaktionäre und keinen Streubesitz!) Natürlich gibt es bei der GiroCredit einen Streubesitz, Herr Dr. Haselsteiner! Informieren Sie sich! (Abg. Dr. Haselsteiner: Hören Sie auf!)

Das ist nicht der einzige Fall. Ich glaube, für uns und für die öffentliche Debatte, die stattfindet, noch ehe wir ein Gesetz haben, wird es wichtig sein, darauf zu drängen, daß es bei all diesen anstehenden Übernahmen einen öffentlichen Druck gibt, damit alle das gleiche machen, was die Bank Austria dankenswerterweise freiwillig in der Frage der Creditanstalt-Bankverein getan hat. (Beifall bei der SPÖ.)

15.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Fekter. – Bitte sehr.

15.20

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Kollege Haselsteiner und Herr Kollege Peter, der Sie das ganz überraschend eingebracht haben! (Abg. Dr. Haselsteiner: Hat Sie das verwirrt?) Die Intention, die Bank-Austria-Sache zum Anlaß zu nehmen, halte ich, weil dies so nach Anlaßgesetzgebung aussieht, nicht für besonders gelungen. (Abg. Dr. Haselsteiner: Das ist gar nicht wahr! Das haben wir schon eingebracht, bevor Sie als ÖVP ...!) Ich stimme Ihnen, Herr Haselsteiner, aber voll und ganz zu, daß Handlungsbedarf besteht. Ich stimme Ihnen auch zu – in Ihren Ausführungen haben Sie das erwähnt –, daß die mangelnde Gesetzgebung in Österreich, was den Schutz der Minderheitsaktionäre betrifft, dem Börsenplatz Wien nicht guttut. Das Vertrauen zum Börsenplatz Wien ist ausgesprochen gering beziehungsweise, Herr Minister, international überhaupt nicht vorhanden.

Aus diesem Grund genügt auch das freiwillige Angebot der Bank Austria nicht, denn obwohl auch andere Länder keine Übernahmegesetze haben, haben sie doch eine Übernahmekultur und aufgrund eines Börsenkodex Gepflogenheiten, die Vertrauen zu den Börsenplätzen bewirken. – So etwas fehlt uns in Wien allemal!

Wir brauchen ein Minderheitsschutzrecht oder ein Übernahmerecht schon deshalb, um das Vertrauen in den Börsenplatz Wien herzustellen; nicht so sehr, Herr Kollege Haselsteiner, um es nicht zu verlieren, denn es ist gar nicht da! Das heißt, wir werden das Vertrauen durch eine gesetzliche Maßnahme ein bißchen in Gang bringen müssen. Ich stimme Ihnen auch zu, Herr Haselsteiner, daß der Minderheitsschutz allein nicht genügen wird. Wir brauchen dazu ein effizientes Aufsichtswesen. Nur das Schiedsgericht allein, Herr Minister, wird nicht ausreichen.

Es wird auch nicht genügen, die Definition der Minderheit – wie bei der Bank Austria – mit 200 000 S Obergrenze festzulegen. Das wird kein Vertrauen in den Minderheitsschutz bringen. Die Minderheitsaktionäre sind mit einem wesentlich höheren Betrag anzusetzen, sodaß unter Umständen auch kleine institutionelle Anleger noch in diesen Schutz hineinfallen.

Die EU-Richtlinie geht von der Stimmrechtskontrolle aus. Ich glaube, daß wir intensiv diskutieren müssen, ob wir nur bei einem Einfluß von über 50 Prozent Minderheitsschutz gewähren. Ich glaube, wir müssen eine Vorleistung in Richtung Schutzrechte erbringen, um das Vertrauen zum Börsenplatz Wien aufzubauen. Diese Vorleistung kann sein, daß wir, ähnlich wie die Schweiz, bereits bei 33 Prozent Anteilserwerb Minderheitsrechte zur Wirksamkeit bringen oder sogar schon bei 25 Prozent.

Ich glaube, daß im Hinblick auf den Angebotspreis der Abschlag von 15 Prozent willkürlich gewählt ist, weil das Angebot der Bank Austria 15 Prozent über dem Börsenkurs lag und die Differenz daher insgesamt 30 Prozent beträgt. Ein Preis für die Übernahme muß den Aktionärsinteressen entsprechen und diesbezüglich gesetzlich festgelegt werden.

Im Hinblick auf die mittelständische Struktur unserer über die Börse zu kapitalisierenden Unternehmen glaube ich weiters, daß wir im Hinblick auf dieses Gesetz überlegen müssen, wie viele eigene Aktien ein Unternehmen halten darf und ob der Rückkauf eigener Aktien – im speziellen auch im familiären Bereich – über den jetzigen Rahmen hinaus, wenn auch befristet und unter


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effizienter Börsenkontrolle, erlaubt wird. Effizient ist meiner Ansicht nach die Börsenkontrolle dann, wenn die klassischen Unvereinbarkeiten, wie wir sie gegenwärtig zwischen Börse und Bankenwelt haben, ausräumt und beseitigt werden. Die Art, wie sich die Banken derzeit am Börsenplatz Wien alles richten, trägt nicht zur Vertrauensbildung bei.

Herr Kollege Haselsteiner! Den Zeitplan, also April, halte ich für akzeptabel. Damit ist gewährleistet, daß es noch vor dem Sommer zur Beschlußfassung kommen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

15.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schreiner. – Bitte.

15.24

Abgeordneter Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister für Finanzen! Die Frage der Übernahmeangebote an die Kleinaktionäre muß man meiner Ansicht nach auch in dem Licht sehen, daß der gesamte Aktienmarkt in Österreich beleuchtet werden muß.

Es geht darum, die Stellung der Aktionäre und Kleinaktionäre im Vergleich zwischen Österreich und anderen europäischen beziehungsweise internationalen Börsen zu betrachten. Ich glaube, daß Kleinaktionäre in dem guten Glauben, gute Investitionen direkt in Betrieben vorzunehmen, den Kreislauf des Geldes umgehen wollen. Sie wollen nicht ihr Geld bei einer Bank veranlagen, dort inflationsgeschädigt werden und eine Kapitalertragsteuer bezahlen, die sie bei einer Nominalverzinsung von 3 Prozent real auf Null herunterführt, sondern sie wollen einen Weg gehen, der direkt in die Unternehmen führt, und sind bereit, ein gewisses Risiko in Kauf zu nehmen. Dieses Risiko darf aber nicht so aussehen, daß es sich große Anleger richten können, während man die Kleinen im Regen stehen läßt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mit einer solchen Politik wird es dabei bleiben, daß wir – das ist im internationalen Vergleich lächerlich – an die 4 Prozent Aktionäre haben, denen in Schweden 8 bis 10 Prozent und in den USA 25 Prozent gegenüberstehen. Ich kenne den immer wieder erhobenen Einwand, daß dort institutionelle Anleger – Pensionsfonds und dergleichen – das Gros der Aktienkäufe ausmachen, glaube aber, daß es schon wegen der dramatischen Entwicklung im österreichischen Eigenkapital notwendig wäre, zu versuchen, den Aktienmarkt für Kleinanleger attraktiver zu machen. Das erfordert Vertrauensbildung, das erfordert eine umfassende Novellierung des Aktienrechts, eines Gesetzes, das aus der Zwischenkriegszeit stammt und in den sechziger Jahren novelliert wurde, und das erfordert eine Novellierung des Genossenschaftsrechts, das aus dem vorigen Jahrhundert stammt. Es ist der größte Skandal, daß wir heute noch mit einem Wirtschaftsgesetz hantieren, das aus dem vorigen Jahrhundert stammt. (Abg. Dr. Fekter: Auch wenn es ein gutes Gesetz war? Das ABGB stammt auch aus dem vorigen Jahrhundert!)

Nein, Frau Kollegin Fekter, wir können heute keine Anpassungen im GmbH-Recht brauchen, die eher unternehmerfeindlich sind, weil zum Beispiel auch kleine Gesellschaften zur Offenlegung gegenüber dem Firmenbuch verpflichtet werden. Eine Änderung des Genossenschaftsrechts wollen Sie nur deswegen nicht durchführen, weil Ihre Freunde vom Raiffeisenverband das nicht wollen, und Sie richten es sich einfach, indem Sie hier abblocken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist eine Situation, die eines funktionierenden Kapitalmarktes unwürdig ist. Meiner Meinung nach sind für den Kapitalmarkt zwei Dinge dringend erforderlich, und die müssen von uns angegangen werden: erstens die Attraktivität der Aktien insgesamt, auch die Attraktivität von kleinen Kapitalgesellschaften. Zweitens ist ein Vertrauen zwischen Aktionären und Unternehmern herzustellen, das es rechtfertigt, daß der Kapitalanleger nicht dem Kreislauf des Geldes über die Banken folgt, sondern den Weg der direkten Investition geht.

Wenn uns das gelingt, wird die Eigenkapitalquote in Österreich in vielen Betrieben ansteigen. Wir brauchen dieses Kapital dringend für den Wettbewerb, für Investitionen und Marketingmaßnahmen. Wir brauchen es, Frau Kollegin Fekter, für die Eroberung der Märkte, die wir erobern müssen, um wirtschaftlich wettbewerbsfähig zu sein, um die Arbeitsplätze zu sichern, und wir brauchen es, damit die Unternehmer wieder Gewinne machen können. Sie, Frau Kollegin


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Fekter, als ehemalige Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium müßten wissen, daß das das Gebot der Stunde ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte sehr.

15.30

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich mache es ganz kurz. Ich schließe mich den Ausführungen des Kollegen Haselsteiner an, einschließlich der Anerkennung für die erläuternden, klärenden Bemerkungen des Finanzministers, aber ausschließlich des Halbsatzes, daß wir alle irgendwie mitverantwortlich seien für die Zustände an der Wiener Börse.

Wenn Sie aus mir unerfindlichen Gründen glauben, diese Mitverantwortung übernehmen zu wollen, zu müssen oder zu können, soll es mir recht sein, für die Grünen gilt das nicht. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

15.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit haben wir diesen Verhandlungsgegenstand in 30 Minuten abgehandelt.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 1671/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Durchführung der kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 1671/AB. Es hat sich dabei um eine Dringliche Anfrage gehandelt, zu der der Bundeskanzler eine mündliche Stellungnahme abgegeben und danach eine schriftliche Anfragebeantwortung nachgereicht hat.

Die Redezeiten sind gleich, nämlich für die Begründung 10 Minuten und in weiterer Folge 5 Minuten.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte sehr.

15.31

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn auf das Procedere näher eingehen.

Der Herr Bundeskanzler – damals war es noch Herr Dr. Vranitzky – hat die Dringliche Anfrage im Dezember generalisierend beantwortet und uns zugesichert, daß die Beantwortung der – sicherlich sehr umfangreichen – schriftlichen Fragen innerhalb des bestmöglichen Zeitraumes erfolgen werde. Eingetroffen ist die Beantwortung der Anfrage – das mag durch die Regierungsumbildung bedingt gewesen sein – genau nach Ablauf der Frist von zwei Monaten. Deshalb möchte ich anregen, daß sich die Präsidiale für Dringliche Anfragen einen anderen Modus überlegt. Es darf nicht so sein, daß die detaillierte Beantwortung der Dringlichen Anfrage genauso zweier Monate bedarf wie die Beantwortung jeder anderen Anfrage. Das Interessante an einer Dringlichen ist ja, daß man auf eine rasche Antwort hofft.

Aus meiner Sicht das Wichtigste an der schriftlichen Beantwortung dieser Dringlichen Anfrage – und zugleich Gegenstand unserer massiven Kritik – ist die Festlegung, die in der Frage 12 getroffen wird: daß das Risiko der Armutsgefährdung in Österreich in den letzten Jahren gesunken sei. Nicht gestiegen, sondern gesunken, heißt es in der Anfragebeantwortung!

Herr Staatssekretär! Auch wenn Sie hier stellvertretend für den Herrn Bundeskanzler stehen müssen, möglicherweise sogar stellvertretend für einen Bundeskanzler, der diese Anfrage – das weiß ich nicht – gar nicht zu verantworten hat, möchte ich feststellen, daß es nach der Debatte im Parlament Mitte Dezember und nach der Armutskonferenz, die im Jänner stattgefunden hat,


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sowie nach einer doch sehr breiten öffentlichen Debatte zum Thema Armut heute, im Februar 1997, meiner Ansicht nach nicht mehr möglich ist, zu sagen, das Risiko der Armutsgefährdung sei in den letzten Jahren gesunken. Das kann man beim besten Willen nicht behaupten.

Meine Damen und Herren! Das Risiko der Armutsgefährdung ist gestiegen. Worüber wir uns zu unterhalten haben, ist höchstens das Ausmaß, in dem es gestiegen ist, wie viele Personengruppen es tatsächlich umfaßt und wie wir Armut und Armutsgefährdung definieren wollen. Für den Fall, daß nach all den Beispielen, die in den letzten Wochen und Monaten zu diesem Thema zutage getreten sind, noch immer behauptet werden sollte, das Risiko sei gesunken, bringe ich Ihnen hier noch einmal exemplarisch zwei Fälle zur Kenntnis, an denen demonstriert werden kann, daß dieses Risiko nicht gesunken, sondern gestiegen ist.

Der Fall eins betrifft einen Arbeiter in Tirol, der nach einem schweren Verkehrsunfall langzeitarbeitslos gemeldet war und Ende 1995 in ein Beschäftigungsprojekt einstieg, ein sozialökonomisches Projekt, das ein Jahr dauerte und mit dem er wieder für eine Beschäftigung mobilisiert werden sollte. – Übrigens ist das – Klammer auf – erfolgreich – Klammer zu – gelungen: Er hat eine Stelle in Aussicht, aber er hat sie noch nicht. Er hat sie für Mitte dieses Jahres in Aussicht. Das einjährige Beschäftigungsprojekt ist abgelaufen, er ist wieder arbeitslos – bis zu dem Zeitpunkt, der noch nicht eingetreten ist und zu dem er die Arbeit wird aufnehmen können – und sucht um Arbeitslosenunterstützung an. Und nun treffen ihn die Bestimmungen, die im Rahmen des Sparpakets festgelegt worden sind, wonach die Grundlage für die Berechnung des Arbeitslosengeldes das Vorjahr ist beziehungsweise auch das Vorvorjahr sein kann, wenn der Antrag innerhalb des ersten Halbjahres gestellt wird. (Abg. Dr. Feurstein: Das kann auch ein Vorteil sein!)

Herr Abgeordneter Feurstein! Wissen Sie, was das im konkreten Fall heißt? – Dieser Arbeiter erhält jetzt nicht mehr ein Arbeitslosengeld in der Höhe, in der er es vorher erhalten hat – dieses ist nicht näher genannt, ich nehme aber an, daß es zwischen 7 000 und 12 000 S lag, wie es dem Durchschnitt entspricht –, sondern er erhält nunmehr ein Arbeitslosengeld von 3 600 S, weil das Arbeitslosengeld jetzt aufgrund des Arbeitslosengeldbezuges, also seines Einkommens im Jahr 1995, berechnet wird und davon 60 Prozent ausmacht.

Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär, in Vertretung des Herrn Bundeskanzlers! Unter diesen Umständen wollen Sie behaupten, daß das Risiko gesunken sei?! Tatsächlich ist es gestiegen!

Den Fall zwei trage ich Ihnen vor, weil Sie vermutlich argumentieren werden, daß der Arbeiter die Möglichkeit habe, Sozialhilfe zu beantragen. Der Fall zwei betrifft eine Frau in Wien mit einem Notstandshilfebezug von 12 000 S. Diesen hatte sie. Das war der Maximalbezug, und das sage ich insbesondere an die Adresse der Freiheitlichen, weil sie manchmal den Eindruck erwecken, man könnte in Österreich in der Arbeitslosigkeit wie im Schlaraffenland leben. Diese Frau bezog 12 000 S, hat ein Kind zu versorgen und ist zu 40 Prozent behindert. Das heißt, das Ausmaß ihrer Behinderung beeinträchtigt mit Sicherheit ihre Chancen, jemals wieder Beschäftigung zu finden. Insoweit können wir uns einig sein, nehme ich an.

Wegen des Sparpakets ist ihr Notstandshilfebezug von ungefähr 12 000 S auf 7 800 S gesunken. Diese Frau hat uns – ich nehme an, auch den anderen Parteien – einen Brief geschrieben, in dem sie fragt: Was soll ich machen? Womit soll ich überleben? Ich kann nicht mit diesen 7 800 S meine Miete bezahlen, ein Kind versorgen und gleichzeitig auch noch Arbeit suchen. Darum geht es ihr auch.

Wir haben ihr recht hilflos zurückgeschrieben: Versuchen Sie es im Rahmen der Sozialhilfe wenigstens mit der Mietzinsbeihilfe der Gemeinde Wien. Die Frau sagte – ich habe mit ihr telefoniert –, daß sie die Mietzinsbeihilfe selbstverständlich schon beantragt hätte. Sie hatte vorher 1 200 S erhalten und hat, bedingt durch die Kürzung Notstandshilfe um 4 000 S, aufgrund eines Neuantrags um 100 S mehr Mietzinsbeihilfe erhalten.


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Das ist eine Leistung aus der Sozialhilfe. Das heißt, die Sozialhilfe, die eigentlich das Risiko abfedern soll, das von Sozialversicherungen und Arbeitslosenversicherung nicht mehr getragen werden kann, sichert dieses Risiko nicht ab. Das ist Armut, und zwar Armut pur!

Die Frau hat mir am Telefon erzählt: Ich bin seit zwei Monaten die Miete schuldig. Ich weiß nicht, wie lange ich in der Wohnung noch wohnen kann. Ich muß das in Kauf nehmen. Ich kann mich nicht darum kümmern, jetzt auch noch daran zu denken, was mit meiner Wohnung passiert. – Die Konsequenz war, daß die Gemeinde Wien auch die Mietzinsbeihilfe eingestellt hat, die diese Frau zur Einkommensaufbesserung zu verwenden versuchte.

Ein klarer Fall! Aber in der Konsequenz, meine Damen und Herren, ist das Armut. Damit sind wir beim eigentlichen Problem. Sie haben durch Ihre Bestimmungen in diesem Gesetz, in diesem Sparpaket, in den letzten Jahren eminent dazu beigetragen, daß sich die Armutsgefährdung in Österreich erhöht hat!

Wenn Sie daher in den Fragen 20 bis 23 behaupten, die ausgewogene Budgetkonsolidierung habe alle Gruppen erfaßt und gleichmäßig bedacht, dann übersehen Sie, meine Damen und Herren, Herr Staatssekretär, daß die Gruppen, die schon vorher armutsgefährdet waren, durch die "ausgewogene" Kürzung bei den Einkommen in einem ungleich größeren Ausmaß von der Armut erfaßt beziehungsweise gefährdet worden sind.

Das heißt, gerade Ihre Argumentation von gleicher Gefährdung für alle verkennt völlig, daß da von vornherein eine ungleiche Verteilung gegeben war und jene Personen, die vorher schon arm waren, durch Ihre Maßnahmen noch ärmer geworden sind.

Ich möchte anerkennen, daß der Herr Bundeskanzler in seiner Erklärung vor diesem Plenum zum ersten Mal – das war ja auch Gegenstand unserer Armutsdebatte – das Wort "Armut" in den Mund genommen hat. Es ist ja eigentlich eine Tragik, daß wir soweit sind, daß in diesem Land Jahrzehnte hindurch die in diesem Land versteckte Armut nicht thematisiert wurde. Ich anerkenne, daß das gesagt wurde, aber, meine Damen und Herren von der Bundesregierung und von den Regierungsparteien, Sie müssen auch die Konsequenzen daraus ziehen, die notwendigen Maßnahmen setzen. Die Armut als Problem anzuerkennen ist ein Teil des Problems, den anderen Teil des Problems stellen Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, mit Ihrer Politik der letzten Jahre dar, die Sie zu verantworten haben und die Sie im Interesse der Armutsbekämpfung ändern müssen. (Beifall bei den Grünen.)

15.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf nun den Herrn Staatssekretär um eine Stellungnahme zum Thema ersuchen. Die Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte sehr.

15.41

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst ist festzuhalten, daß wir de facto in einem äußerst wohlhabenden Land leben, in dem dennoch die Armut für einige Bevölkerungsgruppen eine realistische Bedrohung beziehungsweise Realität geworden ist. Dazu zähle ich insbesondere kinderreiche Haushalte, alleinerziehende Frauen und Haushalte, in denen die Haupteinkommensquelle durch Arbeitslosigkeit weggefallen ist.

Armut aber ist ein sehr komplexes Phänomen und betrifft nicht nur die genannten, sondern alle Lebensbereiche. Die Bekämpfung der Armut verlangt daher nicht nur Maßnahmen im Bereich des Sozialen und der Beschäftigungspolitik, sondern auch Maßnahmen in der Bildungs-, Familien-, Wohnbau- und Fiskalpolitik. Konkret muß die Armutsbekämpfung auch weiterhin bei einer aktiven Beschäftigungspolitik ansetzen. Zentrale Aufgabe ist es daher, die Chancen auf dem Arbeitsmarkt insgesamt und jene der benachteiligten Personengruppen insbesondere zu erhöhen. (Abg. Öllinger: Das merkt man aber nicht!) Das ist das primäre Ziel dieser Bundesregierung. Es wurde in den verschiedensten Stellungnahmen anläßlich der Regierungserklärung, aber auch bei der Sondersitzung darauf hingewiesen.


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Wenn es gelingt, die bestehenden Arbeitsplätze zu sichern und darüber hinaus mehr Menschen den Zugang zu ausreichend entlohnten Arbeitsplätzen zu ermöglichen, ist der wichtigste Schritt eigentlich schon getan. Dies wurde auch in der Regierungserklärung von Bundeskanzler Klima und im umfangreichen Maßnahmenkatalog, der im Hohen Haus anläßlich der Sondersitzung vor einer Woche präsentiert wurde, festgehalten.

Ich wiederhole daher nur in Kürze: Wir müssen bei einer europäischen Beschäftigungspolitik anfangen, dem Ausbau der Infrastruktur weitere Intensität verleihen, die Bürokratie abbauen, die Modernisierung der Ausbildung forcieren, die Exporte stärken und die Förderung der Betriebsansiedlung sowie die Schaffung neuer Beschäftigungsfelder, insbesondere im Dienstleistungssektor, vorantreiben. – Das sind die Schwerpunkte dieser Regierung, die schon bei mehreren Anlässen genannt wurden und die ich nur zur Unterstützung der Bekämpfung der Armut hier in den Mittelpunkt rücken will, da der Ansatz wohl richtig ist.

Es gibt in diesem Bereich nichts zu beschönigen, dennoch möchte ich darauf hinweisen, daß etwa die Ausgleichszulage der Pensionsversicherung in den Jahren 1984 bis 1996 siebenmal überproportional erhöht wurde und damit ein wesentlicher Beitrag zur Existenzsicherung im Alter geleistet wurde.

Während in den vergangenen Dekaden die Altersarmut in zahlreichen Studien als entscheidendes Problem ausgewiesen wurde, zeigen die neueren Studien, daß dieses Phänomen in Österreich erfolgreich bekämpft wurde. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch auf die Einführung der Pflegevorsorge in Österreich im Jahre 1993 hinzuweisen.

Ich möchte folgendes noch einmal festhalten: Ein hohes Beschäftigungsniveau ist der beste Garant für eine Weiterentwicklung des Systems der sozialen Sicherheit und zur Sicherung der Finanzierung des Sozialstaates. Die Bekämpfung der Armut kann nicht allein Aufgabe der Bundesregierung sein, sondern muß auch in den Ländern und Gemeinden vorangetrieben werden. Sie ist aber auch eine gesellschaftspolitische Aufgabe, zu deren Erfüllung man nicht allein Institutionen der öffentlichen Hand heranziehen kann. Es gilt, in diesem Bereich auch die zahlreichen privaten Organisationen einzubinden, die im täglichen Umgang mit diesem Problem Hilfestellungen leisten, und es ist Aufgabe der öffentlichen Hand, diese Organisationen hiebei weiterhin zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ .)

Hohes Haus! Das Erscheinungsbild der Armut in unserem Land hat sich in den letzten Jahren wesentlich geändert. Die Bundesregierung wird die hier angeführten neuen beziehungsweise fortzusetzenden Strategien zur Bekämpfung der aufkeimenden Armut einsetzen. Darüber hinaus gilt es, alle Kräfte der Gesellschaft zu mobilisieren, um diesen sozialen Kampf aufzunehmen und insbesondere jenen die Hand zu reichen, die über keine Möglichkeit verfügen, sich selbst zu helfen.

In diesem Sinne werden die Unterstützungsmaßnahmen dieser Bundesregierung zu sehen sein. (Beifall bei der SPÖ.)

15.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Staatssekretär.

Für die weiteren Wortmeldungen beträgt die maximale Redezeit 5 Minuten.

Am Wort ist Frau Abgeordnete Reitsamer. – Bitte.

15.47

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Bei der Vorbereitung dieser Rede habe ich mir die Nachberichterstattung zur zweiten Armutskonferenz ein bißchen angesehen. Dabei ist mir ein Artikel von Professor Marin – Professor Marin ist ja kein Unbekannter – aufgefallen. Er schreibt vom wohltätigen Fallenstellen und von wehleidigen Ansprüchen ausgeborgter Not und davon, daß seiner Ansicht nach damit eine der Einkommensrealität angemessene Sozialpolitik blockiert würde.


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Die Referenten bei dieser Armutskonferenz haben gemeint, daß die neue Armutsdebatte in Österreich von Aufgeregtheit und sozialpolitischem Aktionismus gefährdet würde. – Ich sehe das nicht ganz so, denn ich denke, daß wir es schon mit steigender Armut und vor allem mit Armutsgefährdung zu tun haben. Es beruhigt mich nicht, daß die Armut, wenn man diesen Statistiken glauben kann, nur vorübergehend ist, aber es ist immerhin besser, als wenn es lebenslange Armut wäre.

Vor allem dürfen wir eines nicht vergessen: daß die Armut vorwiegend weiblich ist. Armut hat vorwiegend etwas mit dem Verlust des Arbeitsplatzes, mit Wohnungsproblemen, mit Ehescheidung, aber auch mit Überschuldung zu tun.

Zum Arbeitsmarkt: Wir müssen danach trachten, daß wir die bezahlte Arbeit anders verteilen, aber wir haben es verstärkt mit Teilzeitarbeit zu tun, und wer ist auf Teilzeitarbeitsplätzen zu finden? – Frauen. Wer ist in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen zu finden? – Frauen. Und sehr viele Frauen sind – das weiß ich ganz genau, weil ich in einer kleinen Gemeinde lebe und das sehr gut beobachten kann – im Bereich der Schwarzarbeit tätig. Sie haben fünf, sechs, sieben Stellen, wo sie mit ihrer Hände Kraft wirklich schwerste Arbeit verrichten; es sind meistens Putzstellen. Diese Frauen bringen zwar ein angemessenes Entgelt nach Hause, haben aber keinerlei Alterssicherung, überhaupt keine soziale Absicherung.

Da müssen wir aufklärend wirken, meine Damen und Herren. Diese Arbeiten müssen von jenen, die sie heute erbringen, verweigert werden! Dabei müssen wir diesen Frauen aber Hilfestellung leisten, weil sie auf das Einkommen nicht verzichten können. Aber dann können wir bezahlte, sozialrechtlich abgesicherte Arbeit besser verteilen.

Meine Damen und Herren! Die meisten Arbeitsplätze finden wir im Bereich der sozialen Dienste, und wir sind aufgerufen, dafür Sorge zu tragen, daß diese Frauen – auch da sind es wieder überwiegend Frauen – angemeldet sind. (Beifall bei der SPÖ.)

In Salzburg haben wir auch mit sehr viel Armut aufgrund von Wohnungsnot und Wohnungsproblemen zu tun. In Salzburg ist das Wohnen ganz besonders teuer. Im Bereich der geförderten Wohnungen gelten 25 Prozent des Einkommens als zumutbarer Wohnungsaufwand. Dazu kann ich nur sagen: Bei einem hohen Einkommen ist das durchaus zumutbar, aber wenn jemand ein Einkommen von 8 000 S hat, können ihm 2 000 S doch keinesfalls zugemutet werden. – Vielleicht ist es ganz gut, sich mit der Forderung nach einer einheitlichen Wohnbauförderung und einer einheitlichen Sozialhilfe näher auseinanderzusetzen.

Ich möchte noch ein kritisches Wort zum Vorgehen der Versandhäuser verlieren, denn auch Menschen, die arm sind, haben ein gewisses Konsumbedürfnis.

Ich hatte vorige Woche einen interessanten Anruf – man hatte natürlich nicht gewußt, wen man dabei erwischt. Ich wurde angerufen, weil ich ein Fest gefeiert habe, und aus diesem Anlaß hat mir ein Versandhaus ein Geschenk angeboten. Man hat gesagt: Sie bekommen ein Geschenk, wenn Sie ein zweites bestellen! (Abg. Dr. Khol: Haben Sie Geburtstag gehabt, Frau Kollegin?) So etwas ähnliches. (Abg. Dr. Khol: Herzliche Glückwünsche!) Ist nichts mehr zum Feiern, Herr Kollege Dr. Kohl. (Abg. Dr. Nowotny: Ist immer zum Feiern!) Es wurde jedenfalls gesagt: Sie bekommen das Doppelte, müssen aber erst in drei Monaten bezahlen! Und da habe ich eingehakt. Es war dann von diesem Geschenk und auch von diesem Angebot nicht mehr die Rede. Man hat sich aus diesem Telefongespräch sehr schnell zurückgezogen.

Und genau das ist das Verwerfliche: Menschen, die naturgegeben auch ein Konsumbedürfnis haben, mit solchen Dingen zu ködern. Das müssen wir verhindern, und da müssen wir aufklärend wirken!

Ich habe in meinem Bundesland so etwas wie einen Katastrophenfonds, der Menschen, die in Not sind, eine Überbrückungshilfe gewährt. Da sehe ich zwar schon, daß es sich um eine vorübergehende Not handelt, daß es aber eine große Not ist, die wir nicht auf die leichte Schulter nehmen dürfen.


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Zur Forderung nach einer Grundsicherung muß ich sagen: Es kann diese Grundsicherung einfach nicht kostenneutral sein, und sie ist nur über Beiträge zu finanzieren. Und man muß wirklich darüber reden, welche Risken manche Frauen – denn es sind mehrheitlich Frauen – da eingehen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. – Bitte.

15.53

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! In Ihrer Anfrage, Herr Öllinger, beklagen Sie, daß die Schere zwischen reich und arm immer weiter auseinanderklafft. Ich glaube, Sie sollten den Blick für internationale Vorgänge nicht verlieren.

Gestern habe ich gelesen, daß in Amerika der Vorstandsvorsitzende von Disney pro Jahr 470 Millionen Schilling bekommen wird – auf zehn Jahre gesichert. Sie können aber auch Vorgänge in anderen Staaten der EU, etwa in Deutschland, in Frankreich, heranziehen.

Sicher gibt es in Österreich die Schere, es stellt sich aber die Frage, wie weit sie auseinandergehen darf. Ich glaube, das ist die entscheidende Frage, und über diese sollten wir uns unterhalten.

Sie beklagen in Ihrer Anfrage die drohende Massen- und Dauerarbeitslosigkeit und meinen, daß diese der Motor für Armut ist. – Das ist eine völlig korrekte Befundaufnahme, Sie übersehen jedoch, daß das indirekt zu Aktionen der Regierung geführt hat, um eben diese Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. – Nur zu sagen: Es gibt eine Arbeitslosigkeit, und wir schaffen sie per Erlaß ab!, wäre eine wirklich naive Betrachtungsweise.

In Spanien beträgt die Jugendarbeitslosigkeit 20 Prozent, bei uns hingegen haben erst gestern die Ministerinnen Gehrer und Hostasch ein Paket vorgestellt, nach dem jeder, der von der Schule abgeht, in irgendeiner Form weiterbeschäftigt wird beziehungsweise im Bereich der Bildung bleiben soll. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, Sie unterliegen einem prinzipiellen Mißverständnis, was das Sparpaket anlangt. Sie klagen und meinen, daß das Sparpaket zu Armut führt. Ich sage Ihnen: Das Sparpaket sichert das soziale Netz der Zukunft, denn mit Schulden können Sie auf lange Sicht kein soziales Netz sichern. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Öllinger. ) Auch wenn ich Arzt bin, verstehe ich so viel vom wirtschaftlichen Einmaleins, daß ich weiß, daß man nur den Kuchen verteilen kann, den man irgendwann einmal irgendwo erwirtschaftet hat. (Abg. Dr. Petrovic und Abg. Öllinger: Aber an wen?) Und mit Anfragen allein kann man noch keinen Kuchen verteilen!

Bedenken Sie zum Beispiel den hohen Standard – der Herr Staatssekretär hat schon darauf hingewiesen –, den wir in Österreich haben. Wir haben trotz Sparpaket die gesetzlichen Ansprüche im Hinblick auf das Krankengeld von 26 auf 52 Wochen erhöht. Auch das ist für Arme und Kranke ein wesentlicher Punkt. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Öllinger. ) Von 26 auf 52 Wochen.

Das Pflegegeld wurde heute schon angesprochen. Glauben Sie mir: Das Pflegegeld ist weltweit einmalig! Wir aber tun ständig so, als wären die Sachen, die wir in Österreich als Errungenschaft eingeführt haben, nichts. Andere Staaten wären froh, wenn sie nur ansatzweise unsere Formen des Pflegegeldes hätten. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das wollen Sie eh schon wieder abschaffen, das Pflegegeld!)

Oder ich erwähne nur – als Arzt bin ich, glaube ich, schon kompetent genug, darüber zu reden –, daß unsere Kranken- und Spitalsversorgung nicht von der Scheckkarte abhängt, wie dies zum Beispiel in Amerika der Fall ist.


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Ich glaube, die Regierung thematisiert nicht Armut im Sinne von Mißbrauchsverhinderung. Ich meine, es ist sehr wohl sinnvoll, sich die Frage zu stellen: Können wir mit der Gießkanne drüberfahren, oder sollten wir uns nicht doch bemühen, jenen zu helfen, die wirklich Hilfe benötigen?

Sie beklagen auch die Ideologie der Leistungsgesellschaft. Ich glaube, ohne Leistung wird es wohl nicht gehen, sonst haben alle nichts, sondern ich meine, Leistungsgesellschaft muß immer mit Augenmaß gekoppelt sein; mit Augenmaß für Arme, Schwache, Kranke.

Ich gebe Ihnen vollkommen recht, daß ein Mehr immer wünschenswert ist, aber immer nur staatliche Lösungen allein zu fordern, wird zuwenig sein. Wir brauchen auch beispielgebende Initiativen, wie sie zum Beispiel die Caritas setzt.

Für eine reine Ellbogengesellschaft, Herr Öllinger, würde ich mich nicht hergeben. Sie paßt nicht zu Österreich und ist auch nicht das Ziel von ÖVP und SPÖ. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

15.57

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Der Herr Staatssekretär hat gesagt, daß Österreich trotz allem ein wohlhabendes Land sei, er hat aber auch zurückgenommen, was der ehemalige Bundeskanzler Vranitzky gesagt hat, nämlich daß das Risiko der Armutsgefährdung gesunken ist und daß die Armut auch durch Maßnahmen im bildungspolitischen, fiskalpolitischen und familienpolitischen Bereich bekämpft werden muß. Er hat gemeint, daß es das primäre Ziel dieser Bundesregierung sei, die Armut zu bekämpfen und die bestehenden Arbeitsplätze zu sichern.

Herr Staatssekretär! Ihr Wort in Gottes Ohr, aber die Partei, der Sie angehören, hat in der großen Koalition von SPÖ und ÖVP im Jahr 1994 ein Sparpaket beschlossen, das 1995 das erste Mal gegriffen und dazu beigetragen hat, daß die Österreicher ein geringeres Einkommen haben. Es ist das Arbeitslosengeld geringer geworden. Wir haben eine steigende Arbeitslosenrate zu vermerken. Wir hatten laut Sozialbericht im Jahr 1995 bei der Notstandshilfe – und das gibt mir besonders zu denken – ein durchschnittliches Einkommen von 7 100 S; jenes der Frauen war überhaupt noch geringer, es lag bei 6 200 S pro Monat. 30 Prozent dieser Frauen bekamen gar nur 4 900 S. Und das gibt mir schon zu denken, denn diese Frauen können davon nicht leben.

Frau Kollegin Reitsamer hat gesagt, daß sehr viele Frauen im Putzdienst tätig sind. Aber was sollen diese Frauen sonst machen? Sie gehen eben im Pfusch putzen, damit sie sich etwas dazuverdienen, anders kämen sie nicht über die Runden.

Diese Bundesregierung hat nach dem ersten Sparpaket noch ein zweites Sparpaket beschlossen, das weitere Belastungen mit sich gebracht hat, und jetzt wurde auch die flexible Arbeitszeit eingeführt. Wir haben in Österreich zwar einen steigenden Beschäftigungsstand, wir haben eine steigende Arbeitslosigkeit, aber wir haben ein geringeres Einkommen, und mit der Einführung der flexiblen Arbeitszeit haben Sie einen Stein ins Rollen gebracht, weil in Österreich für die unselbständig Beschäftigten dafür kein Ausgleich gewährt wird. Wir haben die kalte Progression zu verzeichnen.

Die Einführung der flexiblen Arbeitszeit, die laut dem Präsidenten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes keine Einbahnstraße ist, weil alles im KV geregelt ist und weil sich die tägliche und die wöchentliche Arbeitszeit nicht ändert, hat aber Einkommenseinbußen zur Folge. Eine eklatante Einkommenseinbuße müssen jene Bezieher, die zwischen 15 000 S und 25 000 S im Monat verdienen, hinnehmen, und zwar zwischen 4 000 S und 6 000 S pro Monat, je nachdem, wieviel jemand mit Überstunden verdient hat.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ist das jetzt eine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich, oder ist das eine Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich? – Auf jeden Fall bewirkt das


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einen Kaufkraftverlust für Österreich, weil nur jene Betriebe davon profitieren, die sich dadurch etwas einsparen, und das sind jene Betriebe, die exportieren. Diejenigen Betriebe aber, die von der Nachfrage im Inland abhängig sind, sind genauso betroffen, weil die Kaufkraft in Österreich sinkt.

Nun zur Ladenöffnungszeit: Es werden immer mehr Beschäftigte im Handel teilzeitbeschäftigt. Vergleichen wir einmal das Einkommen einer Handelsangestellten in Österreich mit jenem einer Handelsangestellten in der Bundesrepublik Deutschland, wobei zu beachten ist, daß die Preise in beiden Ländern ungefähr gleich hoch sind: In Deutschland verdient eine Handelsangestellte zirka 22 000 S monatlich, in Österreich zirka 13 000 S monatlich. Das müßte Ihnen doch zu denken geben! Wo geht denn das Geld hin? Versickert es? Oder streift es irgend jemand ein?

Sehr geehrte Damen und Herren! So kann es nicht weitergehen! Wir müssen bei der flexiblen Arbeitszeit auch die Infrastruktur berücksichtigen. Bedenken Sie den Kostenschub bei den Kindergärten, wenn dort auch eine flexible Arbeitszeit eingeführt wird, oder beim öffentlichen Verkehr! Bedenken Sie, daß im Zuge dieser flexiblen Arbeitszeit keine Reform der Abfertigung durchgeführt worden ist! Man hätte die betriebliche Altersvorsorge ausverhandeln können. Aber das hat der Österreichische Gewerkschaftsbund verabsäumt, inklusive der ÖAAB-Abgeordneten und der FSG-Abgeordneten, die das mit beraten haben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Auch die Krankenscheingebühr, die eingeführt worden ist, und die Rezeptgebühr, die erhöht worden ist, betreffen die kleinen Einkommensbezieher in Österreich. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Der 13. und 14. Monatsbezug wird die österreichische Bevölkerung wiederum treffen, denn er wird jetzt nicht mehr vom laufenden Bezug, sondern direkt vom 13. und 14. Monatsbezug abgezogen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte, die Redezeit zu beachten.

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (fortsetzend): Sehr geehrte Damen und Herren! Für mich sind das unvorstellbare Maßnahmen. Wir haben dadurch in Österreich mit einem Einkommensverlust zu rechnen.

Die beschlossene Werkvertragsregelung, die Sie ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um den Schlußsatz.

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (fortsetzend): ... beschlossen haben, trifft ebenfalls die Durchschnittsverdiener und die Verdiener der kleinen Einkommen in Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Mag. Peter. – Redezeit: 5 Minuten.

16.03

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Meine Damen und Herren! Armut in einem reichen Land muß uns betroffen machen, und wenn wir Wohlhabende hier in diesem Hohen Hause darüber diskutieren, muß es uns doppelt betroffen machen, daß es das in demselben Land in einer Bevölkerung gibt, die wir hier vertreten.

Armut ist ohne Zweifel etwas Objektives – dort, wo Mangel herrscht –, es ist aber noch viel mehr etwas Subjektives, nämlich das Gefühl, in einer Gesellschaft zu leben, in der man selbst nicht gewinnen kann, in der man zu den Verlierern gehört und abhängig ist, und zwar abhängig von diesen und jenen Förderstellen.

Die Verteilungspolitik dieses Landes zu hinterfragen, ist wohl hoch an der Zeit, und zwar sich die Frage zu stellen, wohin denn die Transferleistungen aus der Gießkanne fließen und warum denn Wohlhabende in unserer Gesellschaft, die Gott sei Dank wohlhabend sind, Transferleistungen


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bekommen und so zwangsläufig für diejenigen Menschen in unserem Land, die sie wirklich brauchen, weniger übrigbleibt.

Die Notstandshilfe ist wirklich nur eine Notstandshilfe mit 80 Prozent des Arbeitslosenbezugs. Eine Ausgleichszulage der Pension mit 7 887 S ist wirklich die allgemeine allerunterste Grenze, mit der jemand in diesem Land noch leben kann. Und die Sozialhilfe, die ja noch bundesländerweise organisiert ist, liegt weit darunter. Wenn jemand in St. Gilgen am Wolfgangsee zu Hause ist, bekommt er als alleinstehende Person eine Sozialhilfe von 4 785 S, hat er aber das Glück, in Oberösterreich in St. Wolfgang zu wohnen, bekommt er 6 180 S. Da liegen 1 400 S dazwischen! Es macht also Sinn, wenn das Liberale Forum am 29. Jänner einen Selbständigen Antrag eingebracht hat – er liegt zurzeit im Sozialausschuß, und ich bitte um dessen Behandlung –, in dem wir fordern, ein einheitliches Bundessozialhilfegesetz zu schaffen, um diese eklatante Ungerechtigkeit rund um ein Seeufer zu beseitigen.

Viel schmerzhafter ist aber die gesellschaftliche Kohäsion, die zerfällt: Die Armut existiert, und wir sind gar nicht davon betroffen, nämlich betroffen im emotionalen Bereich. Denken wir wirklich daran, was wir tun, wenn wir hier Gesetze beschließen, wenn wir neue Rahmenbedingungen setzen? Denken wir dann auch wirklich an die armen Menschen in diesem Land, die nicht schreien, die keine Lobby haben, die sich nicht zu Wort melden, die in keiner Kammer organisiert sind?

Meine Damen und Herren! Es macht mich sehr betroffen, daß wir darüber zu wenig nachdenken. Ich zitiere den von mir sehr verehrten Professor Weidenholzer aus Oberösterreich, der am 10. Jänner im "Standard" wörtlich schrieb – ich zitiere –: "Unverzichtbar wird dabei eine Neubestimmung der Rolle des Individuums sein. Sozialpolitik wird sich nicht mehr damit begnügen dürfen, einen flächendeckenden Versorgungsstaat zu offerieren, weil dies weder wünschenswert noch auf Dauer finanzierbar ist, sondern muß den selbständigen und den selbstverantwortlichen Bürger als Ausgangspunkt ihrer Bestrebungen akzeptieren. Bürgerrechte und Konsumentensouveränität haben auch für soziale Einrichtungen zu gelten."

Das sind keine neoliberalen Thesen – das stimmt sehr weit mit dem überein, was wir Liberale sagen, wenn wir meinen, der Wohlfahrtsstaat als solcher ist unfinanzierbar geworden, er ist letztlich in Konkurs gegangen, er ist zahlungsunfähig geworden.

Eigenverantwortung einzufordern und das durch einen Sozialstaat abzusichern, muß der Weg sein, und das bedeutet eine ganz klare Staffelung von Transfers nach Bedürftigkeit und in jedem Fall sozialer Schwierigkeiten, die ein Mensch hat, diesem zu sagen: Du hast ein Problem, und wir werden alles tun, um dir zu helfen, daß du dein Problem lösen kannst. Aber du mußt eines wissen: Wenn es dir nicht gelingen sollte, werden wir dich auf einem menschenwürdigen, unserer Gesellschaft entsprechenden Niveau auffangen!

Wer nicht sicher ist, kann nicht frei sein. Die Voraussetzung für Freiheit ist ein gewisses Mindestmaß an sozialer Sicherheit. Ich bitte Sie, so auch die Bestrebungen des Liberalen Forums im Hinblick auf eine Grundsicherung zu verstehen.

Die Arbeitswelt wird sich weiter aufsplittern, ob wir das wollen oder nicht: Es wird auf der einen Seite ein kleiner Teil von Mitarbeitern mit festen Dienstverhältnissen übrigbleiben, es wird in Zukunft viel mehr Selbständige geben, in ganz, ganz kleinen Firmen, die infolge des In-and-out-Sourcing für die großen Firmen Dienstleistungen erbringen, und es wird auf der anderen Seite einen größer werdenden Teil an Menschen geben, die in projektbezogener Weise Arbeit finden werden.

Wenn wir wissen, daß sich der Arbeitsmarkt in diese Richtung entwickelt und wir es nicht bremsen können, sind wir dazu verpflichtet, eine gesellschaftliche Grundsicherung einzuführen, die natürlich bis zu einem gewissen Mindesteinkommen voll zu bezahlen ist – immer im Hinblick auf die Selbstveranlagung eines mündigen Bürgers in all seinen Einkommensarten – und die natürlich einen oberen Interventionspunkt haben wird, ab dem sie nicht mehr gewährt wird, und dazwischen eine Abschmelzregelung. Aber eines ist sicher: Für die neue Arbeitswelt (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), die kommt, ob wir sie wollen oder nicht, wird es einer


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Grundsicherung bedürfen. Daher fordere ich Sie auf, meine Damen und Herren des Hohen Hauses: Treten Sie endlich mit uns, mit dem Liberalen Forum, in eine ernsthafte Diskussion zu diesem Thema ein! (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist Frau Abgeordnete Kammerlander. – Bitte sehr.

16.09

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Kolleginnen und Kollegen! – Herr Staatssekretär Wittmann! Eines begreife ich nicht ganz: Man kann Ihnen natürlich nicht vorwerfen, daß Sie eine Antwort vertreten müssen, mit der Sie mehr oder weniger nichts zu tun haben. Das ist sozusagen Pech für Sie und ein Problem für uns, weil wir über die Dinge, die wir vor Weihnachten angeschnitten haben, nicht weiterdiskutieren können. Aber Sie müssen sich schon gefallen lassen, daß Ihnen gesagt wird: Wenn die Anfragebeantwortung schon so schwach ist – mein Kollege ist darauf eingegangen, wir können dann noch einmal ein paar Punkte herausnehmen –, dann hätte wenigstens Ihre Antwort einen Qualitätssprung gegenüber der schriftlichen Darstellung dieser Beantwortung darstellen können.

Wenn Sie nämlich auf der einen Seite darauf hinweisen, daß in der Anfragebeantwortung – und ich nehme an, Sie haben sie gelesen – immer wieder darauf verwiesen wird, daß die Armut ein sehr vielschichtiges Problem ist, ein multidimensionales Problem ist, das sich nicht so leicht beantworten und schon gar nicht in Daten darstellen läßt, wie wir das wollten, Sie aber dann auf der anderen Seite nur von Beschäftigungspolitik und von der Frage der Arbeitslosigkeit reden, dann reduzieren Sie, Herr Staatssekretär, das Problem wieder zu einem eindimensionalen.

Sie scheinen vor allem eines übersehen zu haben oder in Unkenntnis dessen zu sein: daß es schon längst nicht mehr so ist, daß die Wirtschaftsinitiativen, die Sie hier aufgezählt haben, in einem unmittelbaren Zusammenhang mit Beschäftigungsimpulsen stehen.

Im Gegenteil: Wir wissen längst, daß zwar viele Wirtschaftsinitiativen positive Auswirkungen auf die Indikatoren, was das Wirtschaftswachstum betrifft, haben können, aber nicht auf die Arbeit und nicht auf die Beschäftigung. Da gibt es ein deutliches Auseinanderentwickeln. Sie reduzieren die Frage der Armut wieder auf die Beschäftigung und auf die Arbeitslosigkeit, und Sie delegieren gleichzeitig in Ihrer Stellungnahme die Frage, wie damit umgegangen wird, in den Bereich der privaten Organisationen. Sie reden sozusagen einen Zustand der privaten Klostersuppenpolitik herbei, wo irgendwer das in bewährter Art und Weise schon bisher getan hat, und meinen, diese Organisationen sollen es auch weiterhin tun.

Ich kann Ihnen dazu nur folgendes sagen: Das war nicht die Absicht unserer Anfrage vor Weihnachten und ist auch nicht die Absicht der Debatte hier. Wir meinen, daß sich dieses Haus mit dem Zustand in diesem Land ganz dringend befassen sollte.

Nun lassen Sie mich auf einige Fragen und Antworten eingehen, um die deutliche Diskrepanz zwischen der Realität und dem, was da geantwortet wird, zwischen Traum und Wirklichkeit, wie das der Bundesregierung vorschwebt, aufzuzeigen. Frau Kollegin Reitsamer ist natürlich darauf eingegangen, daß Armut besteht. Nur – das möchte ich auch in die Richtung der SPÖ sagen –: Es ist schön, wenn Sie die Berichte über die Armutskonferenz gelesen haben, doch noch schöner wäre es gewesen, wenn Sie dort gewesen wären. Es ist keine Vertreterin und kein Vertreter der SPÖ bei der Armutskonferenz gewesen (Ruf bei der SPÖ: Damals war Plenum!), und es wäre sehr wichtig gewesen, das einmal überhaupt wahrzunehmen. Es war die zweite Konferenz dieser Art in diesem Land. (Ruf bei der SPÖ: Damals war Nationalrat!)

Nun zu der Anfragebeantwortung: Das Thema Obdachlosigkeit ist zurzeit eines der markantesten Phänomene in diesem Land. Es gibt eine wirklich drastische Steigerung der Obdachlosigkeit, die in keiner Weise unbedingt damit zusammenhängt, ob ein Mensch beschäftigt ist oder nicht. Es gibt viele Ursachen dafür. Es gibt, wie wir inzwischen wissen und wie auch Sie wissen – das setze ich voraus –, die Tatsache, daß Familien mit mehreren Kindern immer mehr in die Armutsfallen rutschen, daß Familien delogiert werden, daß Familien in die Situation kommen, ohne Wohnung, ohne Dach über dem Kopf dazustehen. Zu diesem Bereich fiel Ihnen in


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dieser Anfragebeantwortung schlichtweg gar nichts ein. Es beruhigt mich nur wenig, auf die Zukunft und auf zukünftige Pläne und Vorstellungen vertröstet zu werden.

Aber das Gravierendste ist eigentlich, daß Sie sagen – es wurde schon in der Frage angeschnitten –, daß es zu keinem weiteren Risiko der Armutsgefährdung kommt. Wie Sie zu dieser Feststellung kommen können und ihr hier nicht widersprechen, Herr Staatssekretär, das begreife und verstehe ich nicht, wo doch inzwischen, zumindest von Weihnachten bis jetzt, alle Daten, alle Berichte, in der Öffentlichkeit oft und oft dargestellt, genau das Gegenteil aufgezeigt und bewiesen haben. Das Risiko der Armutsgefährdung ist in diesem Land drastisch gestiegen! Daß man zu so einer Behauptung kommen kann und sie hier nicht zumindest mündlich gegenüber der schriftlichen Beantwortung relativiert, das ist – entschuldigen Sie, daß ich Ihnen das hier sagen muß –, kein rühmliches Zeugnis für diese Bundesregierung, sondern das ist sogar ein ziemlich erbärmliches Zeugnis. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn Sie sagen – und das möchte ich als meinen Schlußsatz sehen –, daß das Budgetkonsolidierungsprogramm sozial ausgewogen ist (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) , so muß ich Ihnen sagen: Auch damit widersprechen Sie schlichtweg allen Fakten, die auf dem Tisch liegen. Sie haben es bisher unterlassen – Sie hätten es tun können, haben es aber unterlassen –, auch das in den verschiedensten Berichten aufzuzeigen. Bewußt haben Sie es unterlassen, um solche (die Rednerin zeigt die Anfragebeantwortung vor) falschen Ansichten weiterhin vertreten zu können. (Beifall bei den Grünen.)

16.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit ist die Kurzdebatte über die Anfragebeantwortung 1671/AB abgeschlossen.

Kurze Debatte über Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen als nächstes zur kurzen Debatte über den Antrag der Angeordneten Dr. Graf und Genossen, dem Finanzausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 252/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz geändert wird, eine Frist bis zum 13. Mai 1997 zu setzen.

Ich mache darauf aufmerksam, daß nach dem Ende dieser kurzen Debatte die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag durchgeführt wird.

Erstredner: 10 Minuten, weitere Redner: 5 Minuten.

Das Wort erhält Herr Abgeordneter Dr. Graf.

16.15

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die "Presse" titelte am 22. Jänner dieses Jahres folgerichtig und, wie ich auch meine, eindeutig, daß es verdammt hart sein wird, anonymer Sparer in Österreich zu bleiben. Herr Kollege Nowotny grinst bereits. Warum ist es verdammt hart, anonymer Sparer in Österreich zu bleiben? – Eben weil lange Zeit Banken und Politiker gehofft haben, daß sich Österreich mit typisch alpenländischem Schlawinertum, wie es auch die "Presse" bezeichnet, um die Aufhebung der Sparbuchanonymität herumschwindeln kann.

Was ist die Geschichte? – Die Geschichte ist die Vernachlässigung von Hausaufgaben im Zuge des Beitritts Österreichs zur EU, aber auch schon bei den Beitrittsverhandlungen zum EWR, als die Geldwäscher-Richtlinie bekannt war und auch das Prinzip, nach dem letztendlich im EWR und in der EU vorgegangen wird und das da lautet: Know your customer, und das heißt schlichtweg Wegfall der Anonymität, dieses österreichischen Spezifikums.

Was war in der Vergangenheit diesbezüglich in der Politik los? – Schüssel vermeinte noch im April 1996, daß wir in der Frage der Aufhebung der Anonymität der Sparbücher gegen die EU nicht den Kürzeren ziehen werden. Er hat damit schon impliziert, daß dann, wenn die Anonymität wegfällt – nämlich ersatzlos wegfällt –, tatsächlich nicht nur der Finanzplatz Österreich, son


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dern auch der Konsument, der Sparer den Kürzeren ziehen wird. Dies hat er gemeinsam mit der gesamten Bundesregierung wider besseres Wissen der Bevölkerung weisgemacht. Die Beibehaltung der Anonymität wurde versprochen, obwohl Österreich, wie bereits gesagt, mit dem EWR-Beitritt im Jahre 1994 die Geldwäscher-Richtlinie übernommen hat, sie unterfertigt und damit verpflichtet hat, sie auch umzusetzen.

Im Jahre 1996 ist dann in der Fachwelt bereits die Meinungsfront, an der Anonymität festhalten zu können, abgebröckelt. So hat René Alfons Haiden damals in seiner Funktion als GiroCredit-Aufsichtsratspräsident bereits vermerkt, daß die Anonymität heimischer Sparbücher längerfristig nicht aufrechtzuerhalten ist. Dieser seiner Meinung haben sich auch renommierte österreichische Banker angeschlossen, und sie haben die Auffassung vertreten, daß jeder hierzulande, der nur halbwegs sehenden Auges ist, weiß, daß wir mit unserer eigenwilligen Auslegung der Richtlinie nicht durchkommen werden. Die Regierung demonstrierte statt dessen ihre scheinbare Entschlossenheit, das anonyme Sparbuch gegenüber der EU zu verteidigen.

Aber selbst innerhalb der Regierung ist diese Linie keine durchgängige gewesen und wies bereits Abweichungen auf. So hat der seinerzeitige EU-Staatssekretär Schlögl bereits am 2. Mai 1996 in der EU von einer Einmallegitimation der Sparbücher gesprochen und damit Tür und Tor weit aufgemacht. Justizminister Michalek, der ja keiner Fraktion angehört, ist da direkter gewesen. Ohne Parteizwang hat er im Mai 1996 dezidiert ausgesprochen, daß er für eine restlose Beseitigung der Möglichkeit anonymer Kontoführungen eintritt.

Außerdem hat Österreich ja laut EU niemals – und das ist bitte immer wieder anzumerken –, weder bei der EWR- noch bei der EU-Beitrittsverhandlung, eine Ausnahmeregelung oder auch nur eine Übergangszeit für die entsprechende EU-Richtlinie beantragt, sodaß sich die EU tatsächlich überrascht über die österreichische Haltung zeigt, die letztendlich gefährlich für den Finanzplatz Österreich ist.

EU-Kommissär Fischler hat es, nachdem er gewählt wurde, nicht mehr den österreichischen, sondern den europäischen Standpunkt vertreten und hat es im Februar dieses Jahres ganz eindeutig gesagt: Die Anonymität von Sparbüchern ist in der EU nicht zu halten.

Fest steht also, und das ist das Resümee, daß die Regierung in der Frage der Anonymität der Bevölkerung etwas vorgegaukelt hat. Offensichtlich setzt die Regierung darauf, sich bis zur nächsten Wahl, die 1998 jedenfalls stattfinden wird, nämlich der Europawahl, mit diesem Standpunkt hinwegzuretten und strebt nunmehr ein Verfahren an, das, wie ich meine, für Österreich äußerst gefährlich sein kann, nämlich die Anrufung des Europäischen Gerichtshofes.

Die Regierung beglückt permanent – nicht nur in der Frage der Anonymität – die Bevölkerung mit Durchhalteparolen, sei es bezüglich NATO-Beitritt, sei es bezüglich Transitvertrag, sei es bezüglich Euro –, so auch bei der Anonymität. Aber wir alle wissen, daß Durchhalteparolen letztendlich meistens in der bedingungslosen Kapitulation enden, und diese wird sich zeigen, wenn man nicht wirklich etwas unternimmt.

Vizegeneraldirektor Karl Samstag von der Bank Austria hat erst vor wenigen Tagen in einem Presseinterview gesagt, daß er davon ausgeht, daß Österreich in der Frage der Anonymität hinhaltenden Widerstand leisten wird. (Abg. Auer: Ihr werdet schon wieder umfallen!) Wie sieht der hinhaltende Widerstand aus? (Abg. Mag. Stadler: Die ÖVP, die Umfallerpartei!) Fragen Sie lieber Ihren Kollegen Khol, der bei den EU-Wahlveranstaltungen den dort anwesenden Bürgern garantiert hat, daß die Anonymität beibehalten wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Anonymität ist löchrig wie ein Schweizer Käse geworden. Sie wissen, daß bei Wertpapierdepots keine Anonymität mehr vorhanden ist, und Sie wissen, daß mit der Einmallegitimation bei der Eröffnung oder bei Transaktionen über 200 000 S auch beim Sparbuch die Anonymität bereits weggefallen ist.

Sie haben Ihre Wahlversprechen gebrochen und brauchen diesbezüglich nicht abzulenken! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Auch der neue Finanzminister, ehemals Stadtrat, Edlinger hat hier am 20. Februar 1997 den hinhaltenden Widerstand dargestellt. Er hat den offensichtlichen Konsens des hinhaltenden Widerstandes bereits aufgegeben, indem er vermeint hat, Österreich solle nicht voll auf der Anonymität der Sparbücher beharren, sondern auch hier die Eisberglösung anbieten. Das heißt, daß zwar keine neuen Sparbücher anonym errichtet werden dürfen, aber von schon bestehenden weiterhin ohne Legitimierung abgehoben werden kann. Anmerkung von mir: maximal 200 000 S.

Man sieht also, daß in der Regierung diesbezüglich bereits ein Umdenkungsprozeß angebrochen ist und daß man gar nicht mehr bereit ist, voll an der Anonymität festzuhalten, sondern man möchte nur noch der Bevölkerung einige wesentliche Dinge verheimlichen. Aber ich sage Ihnen, wir brauchen keinen hinhaltenden Widerstand, sondern Lösungen zum Schutz unseres Bankplatzes, der Kunden und der Wirtschaft.

Die Kommission hat das ja selbst in ihrer Pressemeldung vom 24. Februar 1997 aufgezeigt, indem sie gesagt hat, es ist nicht so, daß man die Anonymität gleichzusetzen hat mit dem Bankgeheimnis. Die Kommission – und ich zitiere wörtlich – hat festgestellt, daß es unabhängig von der Anonymität den Mitgliedsländern offen bleibt, ein strenges Bankgeheimnis zu wahren, denn die Geheimhaltung ist nicht mit der Anonymität gleichzusetzen. – Das ist die Hausaufgabe, vor der wir stehen und die wir in Angriff nehmen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nicht nur die Freiheitlichen sind der Meinung, daß wir mit einem strengen Bankgeheimnis nach Schweizer oder liechtensteinischem Muster mehr Biß in die Bankenwelt bekommen. Auch der ehemalige Notenbankpräsident Liebscher hat das bereits am 5. August 1996 der Presse mitgeteilt und hat vermeint, Österreich brauche zum Schutze des Finanzplatzes ein Bankgeheimnis mit mehr Biß nach Schweizer Modell, ebenso der ehemalige Generaldirektor Haumer von der Ersten Österreichischen Spar-Casse, der unverhohlen sagt, ein Bankgeheimnis nach dem Vorbild der Schweiz und Liechtenstein und die Geheimhaltung müssen einfach kommen, und es muß strikter formuliert werden, wenngleich auch hier Vorkehrungen gegen verbrecherischen Mißbrauch zu treffen sind.

Auf der anderen Seite ließ Staatssekretär Ruttenstorfer am 8. Februar 1997 ausrichten, das österreichische Bankgeheimnis sei in Ordnung und eine Verschärfung derzeit kein Thema.

Herr Staatssekretär! Ich kann mich erinnern, daß der vorletzte Finanzminister hier im Hohen Haus auch behauptet hat, in Österreich gebe es keine Geldwäscherei. Er ist heute nicht mehr Finanzminister. Sie werden auch noch merken, daß das Bankgeheimnis in Österreich ein dringendes Thema ist, das es zu behandeln gilt, und dazu dient unser Antrag, den wir bereits vor knapp einem Jahr eingebracht haben und der bis heute im Ausschuß keiner Behandlung zugeführt wurde. In Anbetracht der Umstände rund um den drohenden Verlust der Anonymität auch der Sparguthaben beziehungsweise der Sparbücher ist es ein Gebot der Stunde, nunmehr unseren Antrag im Finanzausschuß zu behandeln, gemäß dem Schweizer Muster ein Bankgeheimnis mit diesem Niveau einzurichten und gleichzeitig von dem Prinzip des Schweizer Käse in der Anonymität wegzugehen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort hat sich der Herr Staatssekretär gemeldet. – Bitte sehr.

16.26

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Wolfgang Ruttenstorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Dr. Graf, ich kann Ihren Ausführungen, daß der Finanzplatz Österreich leide, sei es durch die Diskussion über die Anonymität oder durch die Beibehaltung unseres bewährten Bankgeheimnisses, nicht folgen.

Zum derzeitigen Zeitpunkt ist meines Erachtens eine Änderung des Bankgeheimnisses unter anderem deshalb nicht erforderlich, weil es durch die eingeleiteten Strukturmaßnahmen im Bereich des Bundeshaushaltes zu einer erheblichen Stärkung des österreichischen Kapitalmarktes gekommen ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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Dies kommt unter anderem durch ein gesunkenes Zinsdifferential zu Deutschland zum Ausdruck. Im zehnjährigen Bereich ist, wie Sie wissen, der Zinsspread zu Deutschland, der im Herbst 1995 noch bei 45 bis 50 Basispunkten gelegen hat, völlig verschwunden – und dies bei einem tendenziell sinkenden Zinsniveau. Auch die österreichischen Devisenreserven weisen eine eindeutig steigende Tendenz auf. Sie haben gemäß dem letzten Wochenausweis der Oesterreichischen Nationalbank eine Höhe von 204 Milliarden erreicht, während es Ende 1995 erst 179 Milliarden waren. Dies ist ein eindeutiger Beweis des Vertrauens der internationalen Kapitalmärkte in die österreichische Budgetpolitik und in den österreichischen Bankplatz.

Auch die Entwicklung der Aktienkurse zeigt dies deutlich. Wir haben erst gestern das Sechsjahreshoch beim ATX erreicht, und dies, obwohl bei neuen Engagements bei Aktien die Anonymität eben nicht mehr gegeben ist. Trotzdem kam es zu diesem Höchstkurs. Es ist daher meines Erachtens zurzeit keine Änderung bezüglich Bankgeheimnis erforderlich.

Zur Frage der Sparbuchanonymität, die Sie angezogen haben: Auch das kann kein Grund für eine Änderung des Bankgeheimnisses sein. Österreich wird bei seinem Standpunkt bleiben, daß die anonymen Sparbücher nicht zur Geldwäsche geeignet sind, und wird dies juristisch sehr gut begründet auch der Kommission darlegen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Dr. Graf: So wie bisher!)

Ich kann natürlich nicht mit Sicherheit sagen, zu welcher Schlußfolgerung der Europäische Gerichtshof kommen wird, sofern die Kommission sich an ihn wenden wird. Aber eine Notwendigkeit, das Bankgeheimnis etwa vorsorglich zu ändern, ist nicht gegeben.

Das österreichische Bankgeheimnis ist so, wie es im österreichischen Recht abgesichert ist, als ein sehr gutes zu bezeichnen. Die normierten Ausnahmen vom Bankgeheimnis sind aus Gründen der Zivil- und Strafrechtspflege, aber auch zur Vermeidung der Steuerhinterziehung erforderlich. Hinzuweisen ist auch besonders darauf, daß eine Verschärfung des Bankgeheimnisses Österreich im internationalen Umfeld in eine schiefe Optik bringen könnte. (Abg. Mag. Stadler: Warum? Begründung!)

Im internationalen Vergleich ist das österreichische Bankgeheimnis durchaus herzeigbar. Lassen Sie es mich mit dem der Schweiz vergleichen, um hier eine Begründung zu geben.

Während das Bankgeheimnis in Österreich eine gesetzliche, nur mit Verfassungsquoren abänderbare Basis hat, beruht das schweizerische nur zum Teil auf Gesetz, teilweise nur auf Judikatur, welche sich natürlich auch ändern kann. Die strafrechtliche Absicherung des Bankgeheimnisses in Österreich und in der Schweiz ist gleichwertig. Der Unterschied liegt lediglich darin, daß es sich in Österreich um ein Ermächtigungsdelikt, in der Schweiz um ein Offizialdelikt handelt. (Abg. Dr. Graf: Und in der Beweislastumkehr!)

Bei der Durchbrechung des Bankgeheimnisses fällt auf, daß die Banken in der Schweiz in Geldwäschefällen – und gerade das ist ein sehr wichtiges Thema – zur Anzeige berechtigt sind, während die österreichischen Banken dazu verpflichtet sind, und das ist ein sehr wesentlicher Punkt in der momentanen Diskussion. Andererseits ist das österreichische Bankgeheimnis im Zivilprozeß besser geschützt.

Sehr ähnlich, wenn man das wirklich seriös vergleicht, verhält es sich in Österreich und in der Schweiz bei der Handhabung in Abgabesachen. Das schweizerische Bankgeheimnis wird bei einfachen Steuerwiderhandlungen nicht durchbrochen, wohl aber bei Steuerbetrug, das österreichische Bankgeheimnis nur bei vorsätzlichen Finanzvergehen, und ich meine, es ist durchaus berechtigt, das Bankgeheimnis in solchen Fällen zu durchbrechen. (Abg. Dr. Graf: Gerichte sollen entscheiden, nicht Behörden!)

Hohes Haus, ich fasse zusammen: Zum jetzigen Zeitpunkt ist eine Verschärfung des Bankgeheimnisses aus unserer Sicht nicht erforderlich, und wir setzen daher derzeit keine Schritte in diese Richtung. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.32


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Abgeordneter Dr. Nowotny. Er hat das Wort.

16.32

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Unmittelbar ist ja davon auszugehen, daß es sich bei diesem Fristsetzungsantrag um einen formalen Antrag handelt. Als Obmann des Finanzausschusses darf ich Ihnen die Versicherung abgeben, daß wir diesen Antrag im Finanzausschuß selbstverständlich seriös behandeln werden. (Abg. Haigermoser: Wir gehen davon aus, Herr Kollege!) Es freut mich, daß Sie davon ausgehen, daß meine Vorsitzführung korrekt ist. Sie haben auch allen Grund zu dieser Annahme, und ich kann Ihnen versichern, daß Sie diese Meinung nicht ändern werden müssen. (Abg. Böhacker: Wir werden das genau beobachten, Kollege!) Das steht Ihnen selbstverständlich frei, und ich hoffe, daß wir das gute Klima, das wir bis jetzt gehabt haben, auch weiterhin fortsetzen können.

Wie gesagt: Ich glaube daher, es gibt von der formalen Seite keinen speziellen Grund zur Bevorzugung. Ich möchte aber doch ganz kurz inhaltlich darauf eingehen.

Wie Sie wissen, und das ist ja hier schon diskutiert worden, gibt es derzeit einen Konflikt zwischen Österreich und der EU-Kommission in Sachen Anonymität. Ich glaube, jetzt Maßnahmen zu setzen, wie sie von seiten der FPÖ verlangt werden, würde einfach heißen und der EU gegenüber signalisieren, daß wir unsere Ansprüche in bezug auf die Anonymität aufgeben, das heißt, daß wir andere Lösungen suchen. Und ich glaube, eine solche Haltung würde die österreichische Verhandlungsposition eindeutig schwächen. Ihr Antrag wäre daher letztlich nicht im Interesse Österreichs, und daher sind wir der Meinung, daß wir diesem Antrag nicht folgen sollen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Böhacker: Ich bin überrascht!)

Sie sind offensichtlich leicht zu überraschen, Herr Kollege, aber das muß an Ihnen liegen und nicht an uns. (Abg. Dr. Khol: Die Freiheitlichen wollen ja, daß wir das Verfahren verlieren!) Offensichtlich. (Abg. Haigermoser: Keine Polemik vom Klubobmannsessel aus!)

Es ist sehr eigenartig: Sie übernehmen hier Argumentationen der EU-Kommission in einer Weise, die etwas erstaunlich ist. Vielleicht zur Nachhilfe für die freiheitliche Fraktion und um Ihnen noch einige Argumente zu geben, warum wir sehr wohl meinen, daß wir die Anonymität, wie wir sie in Österreich haben, sowohl rechtlich wie inhaltlich vertreten können:

Die Anonymität ist, wie Sie sehr gut wissen, aus steuerlicher Sicht irrelevant. Wir haben eine Regelung getroffen mit der Endbesteuerung, die ja für viele andere EU-Staaten geradezu ein Vorbild sein kann und dort auch als Vorbild diskutiert wird. Was die Frage der Geldwäscherei betrifft, so wissen Sie sehr wohl, daß die Anonymität, wie wir sie in Österreich haben, kein Instrument der Geldwäsche sein kann. Wir haben ja schon eine Legitimationspflicht eingeführt. (Abg. Dr. Graf: Warum wollen Sie das wissen, wenn der Sparer anonym sein soll?)

Also bitte, das ist unsere Position, die begründet ist. Wenn Sie jetzt die Position der Feinde der Anonymität einnehmen, dann ist das Ihre Sache. Wir werden diese Position nicht einnehmen (Beifall bei SPÖ und ÖVP), und ich hoffe, daß wir diesbezüglich eine gemeinsame Meinung haben können.

Ich glaube, Sie befinden sich auf einem sehr gefährlichen Weg, Herr Kollege, und sollten in der Argumentation doch die Dinge übernehmen, die wir mit gutem Grund sagen. Es gibt ab 200 000 S eine Pflicht zur Identifikation. Es sind Sparbücher, da nur Barabhebungen möglich sind, sicher nicht für die Geldwäsche geeignet. Bei begründetem Verdacht besteht auch jetzt schon die Notwendigkeit der Identifikation. Und in der Praxis, wie Sie wissen, ist es ja so, daß wir in Österreich streng beobachtet werden. Es gibt ein großes Land, das hat sogar einen eigenen Attaché an seiner Botschaft, der sich genau mit diesem Thema beschäftigt. Das Ergebnis ist: Es gibt eben nur sehr wenig Fälle. Österreich ist im Vergleich weit unter dem Durchschnitt in bezug auf Geldwäscherei.

Ich glaube, wir sollten diese Praxis auch deutlich zeigen. Wir sollten zeigen, daß wir hier in Österreich saubere Verhältnisse haben, wir sollten uns nicht selber schlecht machen. Genau


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aus diesem Grund, daß wir auf den österreichischen Stärken bestehen sollten, werden wir den Antrag, wie Sie ihn gestellt haben, sicherlich nicht verabschieden können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.36


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Abgeordneter Dr. Stummvoll. Er hat das Wort. Gleiche Redezeit.

16.36

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir heute aus formalem Anlaß eine kurze Debatte über Anonymität und Bankgeheimnis führen, so diskutieren wir eigentlich über zwei Wesenselemente unserer Sparkultur in Österreich.

Meine Damen und Herren, Geld ist eine sehr sensible Ware. Das Vertrauen der Sparer und Anleger in das Geld, in die Sicherheit, in die Geldwertstabilität ist ein sehr hohes gesellschaftliches und ökonomisches Gut. Lassen Sie mich eines sagen: Wir von den beiden Regierungsparteien werden alles tun, um dieses Vertrauen der Sparer und Anleger in die Sicherheit unserer Währung, in die Sicherheit unserer Sparbücher entsprechend zu verteidigen – trotz aller Polemik der Opposition, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wie schon mein Vorredner halte ich es wirklich für bedauerlich, daß eine hier im Parlament vertretene Partei eine Position einnimmt, die die Position Österreichs gegenüber Brüssel schwächt.

Meine Damen und Herren, das ist an sich etwas, das ich mir gerade in solch sensiblen Dingen wirklich nicht wünschen würde, aber ich glaube, wir sind stark genug, trotz dieser Verunsicherungsaktivitäten der Opposition dieses Vertrauen der Sparer und Anleger hier entsprechend zu verteidigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich eines sagen. Worum es geht bei der Frage der Anonymität, ist ganz simpel eine Rechtsfrage. Wir, die Republik Österreich, sind der Auffassung, daß dieser berühmte Artikel 3 der Geldwäscherei-Richtlinie für Österreich deshalb nicht anzuwenden ist, weil wir dieses Ziel, den Kampf gegen die Geldwäscherei, mit anderen Mitteln erreichen. Der Artikel 189 des EU-Vertrages sagt ja nur, daß das Ziel, Geldwäscherei zu verhindern, verbindlich ist, aber die Mittel, die angewendet werden, den einzelnen Nationalstaaten freistehen.

Erstens ist laut Sorgfaltspflichterklärung der österreichischen Banken bei jeder Einlage von 200 000 S oder mehr die Identität nachzuweisen, und zweitens stellen die §§ 39 bis 41 Bankwesengesetz sicher, daß, wenn der geringste Verdacht auf Geldwäscherei besteht, der Schalterbedienstete nicht nur die Identität festzustellen hat, sondern angehalten ist, sofort die EDOK, die Eingreifgruppe gegen die organisierte Kriminalität, zu verständigen.

Das sind zwei ausreichende Elemente, die sicherstellen, daß wir bei allem Vertrauen in unsere Sparkultur dennoch sehr energisch den Kampf gegen die Geldwäscherei in Österreich aufnehmen. Natürlich bekennen wir uns dazu. Ich sage eines auch sehr deutlich: Wir werden diesen Rechtsstreit vor dem Europäischen Gerichtshof ausfechten. Wir leben in einem Rechtsstaat, und auch die Europäische Union ist eine Rechtsgemeinschaft. Das ist durchaus legitim, sonst bräuchten wir keinen EuGH, wenn es unterschiedliche Rechtsauffassungen gibt. Ich sage Ihnen eines: Ich bin guten Mutes, daß wir diesen Rechtsstreit gewinnen werden.

Ich sage aber auch: Sollten wir ihn verlieren, stürzt die Welt nicht ein. Es ist das kein Grund zur Hysterie und zur Krankjammerei, meine Damen und Herren. Wenn wir den Prozeß wirklich verlieren und wenn unsere Rechtsauffassung nicht halten sollte, dann werden wir das Bankgeheimnis verschärfen. Aber wir sollten nicht Verunsicherung betreiben und Schwäche signalisieren, indem wir rasch das Bankgeheimnis verschärfen. Das ist die falsche Politik. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. – Bitte.

16.40

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren im Plenum! Es gibt zwei Themen, die Österreich im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt besonders sensibilisiert oder emotionalisiert haben: Das eine ist die Debatte um die Neutralität und das andere ist die Debatte um die Anonymität.

Ich will mich heute nicht darüber auslassen, ob die Anonymität sinnvoll ist, ob sie berechtigt ist, ob sie gut oder schlecht ist. Tatsache ist, meine Damen und Herren: Wenn Sie die einschlägigen europäischen Richtlinien und Gesetzesbestimmungen lesen, dann wissen Sie, daß Sie den Prozeß verlieren werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Herren! Wir werden Sie ohnehin bald daran erinnern, was Sie hier gesagt haben. Es ist Gott sei Dank alles protokolliert. Diese Partie, das wissen Sie, Herr Stummvoll, ist nicht zu gewinnen. (Abg. Dr. Khol: Die Welt stürzt nicht ein!)

Und jetzt sagen Sie, die Welt stürzt nicht ein. Natürlich stürzt sie nicht ein. Aber Sie haben der EU und unserer Mitgliedschaft in der EU neuerlich einen Bärendienst erwiesen. (Abg. Dr. Khol: Mein Gott!)

Es gibt doch schon eine Ablehnung breiter Bevölkerungskreise. Und Sie, die Regierenden, machen es sich leicht. Sie schieben die Verantwortung für Unpopuläres, für das, was die Bevölkerung sich mehrheitlich nicht wünscht, nach Brüssel ab. Das ist aber nicht das, was wir darunter verstehen, was eine Regierung auf sich nehmen sollte.

Sie sollten den Menschen die Wahrheit sagen – nicht mehr und nicht weniger. Sie brauchen sie nicht zu werten. Sie können einfach sagen, was Recht ist, was EU-Recht ist, Herr Stummvoll, damit könnten Sie diesem Land und der Idee der europäischen Integration einen wertvollen Dienst erweisen.

Wenn wir, Herr Staatssekretär, über Anonymität und Verschärfung des Bankgeheimnisses diskutieren, dann bedauere ich, daß ich Ihnen in dem Punkt nicht folgen kann, wenn Sie meinen, wir hätten eine Verbesserung im Spread zwischen Österreich und Deutschland, es gäbe höhere Einlagen und das Vertrauen sei auch gegeben. Ich glaube doch, daß das Bankgeheimnis in erster Linie ein Interesse der Bürger dieses Landes ist, und diese sind nur zum kleinsten Teil Teilnehmer in dem von Ihnen genannten und von Ihnen sozusagen apostrophierten internationalen Finanzgeschehen.

Ich verstehe schon, daß Sie als Verantwortlicher im Bundesministerium für Finanzen kein Bankgeheimnis wollen, weil in Wahrheit haben Sie damit ein messerscharfes Instrument zur Verfolgung von Steuerhinterziehung. Aber Sie haben es in einem Ausmaß, das – wie wir glauben – im Widerspruch zum berechtigten Schutzbedürfnis des Individuums steht.

Wenn Sie, Herr Staatssekretär, meinen, bei vorsätzlichen Finanzvergehen werde das Bankgeheimnis durchbrochen, dann bitte ich Sie, dazuzusagen: schon bei Verdacht auf vorsätzliche Finanzvergehen! Wenn hinterher herauskommt, es war nichts, dann ist das Bankgeheimnis beim Teufel und nichts ist gewesen. Und das ist das, was wir in erster Linie kritisieren.

Herr Kollege Nowotny! Ich bitte Sie wirklich – denn ich gehöre auch zu denjenigen, die ein verschärftes Bankgeheimnis einfordern –, bei diesem Thema, aber auch bei allen anderen Themen, die wir hier diskutieren, doch nicht immer den Andersdenkenden in irgendeiner Form des Vaterlandsverrates zu bezichtigen. Man muß doch über das Bankgeheimnis und dessen Verschärfung – dessen sinnvolle Verschärfung, wie wir glauben und wie wir argumentieren –, diskutieren können, ohne daß Sie dann gleich sagen: Das sind die Feinde der Anonymität! Das ist unzulässig, Herr Kollege Nowotny, und es ist auch im höchsten Maße unfair. (Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny. )


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Ich bin der Meinung, daß Österreich eine Verschärfung des Bankgeheimnisses vornehmen sollte, und zwar als Regierungskoalition, meine Damen und Herren, damit Sie das Vertrauen Ihrer Bürger etwas stärken, damit Sie Ihre Wähler ermutigen und ihnen suggerieren: Wir – die österreichische Bundesregierung – haben keine unlauteren Absichten. Das Schweizer Bankgeheimnis ist ein Modell, es ist nicht das einzige, es ist ein taugliches, aber es gäbe auch noch andere. Und wenn Sie all das nicht annehmen, sondern das Rad neu erfinden wollen, dann schaffen Sie ein eigenes österreichisches Bankgeheimnis – aber schaffen Sie eines! (Beifall beim Liberalen Forum, bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Wir haben ja eines!)

16.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Van der Bellen. – Bitte.

16.45

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin schon wieder nach dem Kollegen Haselsteiner dran, ich muß mich seinen Ausführungen schon wieder anschließen.

Ich glaube auch, daß Österreich den Prozeß verlieren wird. Das wäre nicht so schlimm, wie Sie richtig sagen. Aber ich glaube auch, wenn es wegen anderer Fragen darum geht, die Identifikation der Österreicher mit der EU etwas zu stärken, dann leisten Sie diesen Interessen Österreichs keinen guten Dienst, wenn Sie alle unangenehmen Entscheidungen nach Brüssel verlagern und das Angenehme hier erledigen.

Unabhängig davon – ich will in der Sache gar nicht weiter Stellung nehmen – handelt es sich um einen Fristsetzungsantrag. Wir werden diesen Fristsetzungsantrag unterstützen. Der Antrag liegt lange genug vor; es ist Zeit, ihn zu behandeln. (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen.)

16.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. Er hat das Wort.

16.46

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Wenn man den Ausführungen der Regierungsfraktionen zuhört und analysiert, was hier alles von sich gegeben wurde, dann muß man den Eindruck gewinnen, alles sei in bester Ordnung, alles paletti. Es läuft, wie es laufen muß. Lassen wir die Sache getrost an uns herankommen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte eines klarstellen: Nicht die Opposition ist jene treibende Kraft, die Österreich einen Schaden zufügen wird, sondern Sie von den Regierungsparteien sind es, die Österreich neuerlich dem internationalen Gespött und dem internationalen Gelächter preisgeben werden! Nicht wir, sondern Sie! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben in Wirklichkeit einer tauglichen gesetzlichen Regelung drei Jahre lang die Zustimmung verwehrt. Sie haben diese Verschärfung des Bankgesetzes verhindert, verschleppt, in Ausschüssen verschimmeln lassen und so weiter.

Meine Damen und Herren! Wie oft hat es von diesem Pult aus, von der Regierungsbank aus die Beteuerung gegeben: Die Anonymität wird halten, das ist überhaupt keine Frage! Gepredigt haben es der Kanzler, der Vizekanzler, der Finanzminister, egal welcher es war: ein ständiges politisches Credo. Und dieses Credo wird zusammenstürzen wie ein Kartenhaus. Es ist ein Lügengebälk, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich muß Ihnen auch sagen, Sie haben, meine Damen und Herren von der Regierungsfraktion, sämtliche Warnungen der Oppositionsparteien in den Wind geschlagen. Österreich ist auf dem besten Wege, sich international zu blamieren.


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Lassen Sie mich aber bitte noch eines sagen: Sie haben, meine Damen und Herren, auch zugeschaut. Sie haben jahrelang zugeschaut. Da gibt es einen Herrn Zourek, stellvertretender Generaldirektor in der Binnenmarktdirektion. Dieser Herr Zourek gehört bekanntlich der sozialdemokratischen Fraktion an. (Abg. Leikam: Mit der Fraktion ist das ein bißchen ein Problem!) Er hat geschwiegen, aber nur solange – genauso wie Agrarkommissär Fischler –, bis seine Bestellung über die Bühne war, bis er definitiv in dieses Amt berufen wurde. Dann hat er nicht mehr geschwiegen, dann hat er den Mund aufgemacht.

Meine Damen und Herren! Ich meine, man kann nicht von Herrn Zourek verlangen, daß er als wichtiger EU-Beamter Österreich begünstigt. Aber man kann wohl von ihm erwarten, daß er Österreich nicht schadet. Und dieser Herr Zourek hat Österreich geschadet! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Diese Verhaltensweise ist ausgesprochen schäbig – ich bedauere, daß ich kein anderes Wort dafür finde –, und die Verhaltensweise des Herrn Agrarkommissärs Fischler ist genauso schäbig!

Meine Damen und Herren, bitte besinnen Sie sich! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Rufe bei SPÖ und ÖVP.) Sorgen Sie dafür, daß diese Materie schleunigst im Ausschuß behandelt wird und fügen Sie dieser Republik nicht neuerlich Schaden zu! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Anhaltende Rufe bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Leikam: Der Fraktionswechsel war schäbig!)

16.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Fristsetzungsantrag vor.

Ich werde die Stimmung jetzt nicht weiter aufheizen, sondern zur Abstimmung kommen.

Es ist abzustimmen über den Antrag, dem Finanzausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 252/A der Abgeordneten Dr. Graf und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz geändert wird, eine Frist bis zum 13. Mai 1997 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag auf Fristsetzung bis zum 13. Mai 1997 stimmen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Damit haben wir die Kurzdebatten beendet.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die Verhandlungen über den 5. Punkt der Tagesordnung betreffend den Bundesrechnungsabschluß für das Jahr 1995 wieder auf.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Sigl. – Bitte.

16.51

Abgeordneter Robert Sigl (SPÖ): Geschätzte Herren Präsidenten! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! In die Beurteilung des österreichischen Bundesbudgets für das Jahr 1995, dessen veranschlagter Abgang nicht eingehalten werden konnte, müssen mehrere Faktoren, die im vorhinein nicht kalkulierbar waren, miteinbezogen werden. Denn wie jedes Bundesbudget natürlich Auswirkungen auf die Wirtschaft zeigt, so wirkt sich auch die Wirtschaftslage stark auf das Budget aus.

Ebenfalls sollten in der Beurteilung des Budgets 1995 die erhöhten strukturellen Anpassungserfordernisse durch den EU-Beitritt 1994, der Beginn der Budgetkonsolidierung und die Auswirkungen der Steuerreform 1994, die sich dämpfend auf die Steuerquote auswirkte, berücksichtigt werden. Weiters darf man die schlechte internationale Wirtschaftslage dieses Zeitraums nicht außer acht lassen.


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All diese Gegebenheiten wirkten sich entscheidend auf das Budget 1995 aus, wodurch es umso schwieriger wurde, die im § 2 Bundeshaushaltsgesetz beinhalteten Indikatoren für ein gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht zu erreichen.

Obwohl die reale Zunahme des Buttoinlandsproduktes durchaus im Einklang mit der internationalen Wirtschaft stand, ist das BIP gegenüber 1994 um 1,2 Prozent gesunken. Insbesondere in der Bauwirtschaft ließen Nachfrage und Produktion nach. Dies ist sicher auch auf die Witterungslage 1995 zurückzuführen.

Weitere negative Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum waren die sinkende Auslandsnachfrage im Reiseverkehr und die seit längerem angebotenen billigen Flugpauschalreisen.

Großen Einfluß hatte auch die Nachfrageschwäche auf den für Österreich wichtigen Exportmärkten. Trotzdem konnte die Exporttätigkeit 1995 um 8,1 Prozent verstärkt werden, sie wurde aber gleichzeitig durch die dynamische Entwicklung der Importe von Dienstleistungen und Warendirektimporten relativiert. Diese Entwicklung ist gemeinsam mit den Rückgängen der Nettoeinnahmen aus dem Fremdenverkehr Hauptursache für die negative Leistungsbilanz, die gegenüber 1994 eine Steigerung von 26,7 Milliarden Schilling erreichte.

Auch die Lage am Arbeitsmarkt begann sich 1995 zu verschlechtern. So stieg die Arbeitslosenquote um 0,1 Prozent. Es scheint sich jedoch diese Tendenz, die sich auch 1996 fortzog, endlich eingebremst zu haben, wie die sinkende Arbeitslosenzahl am Beginn des Jahres 1997 zeigte.

Ein weiterer beachtenswerter Wirtschaftsindikator ist die Inflationsrate, die 1995 mit 2,2 Prozent weniger stark anstieg als im Vorjahr, sodaß, gemeinsam mit den Lohnverhandlungen in diesem Jahr, die Österreicher trotzdem eine bessere Realeinkommenssteigerung als in den Vorjahren lukrieren konnten. Abermals zeigt sich in dieser Situation die wichtige stabilitätspolitische Funktion der Sozialpartnerschaft, die durch ihr Wirken Österreich als Wirtschaftsstandort mit stabilen Rahmenbedingungen gestärkt hat.

Abschließend möchte ich noch zur Budgetüberschreitung in der Höhe von 15,6 Milliarden Schilling Stellung nehmen. Erstens: Durch die wirtschaftliche Lage, die ich eingangs erläutert habe, konnte der Budgetvoranschlag von 102 Milliarden Schilling leider nicht eingehalten werden. Mindereinnahmen von 4 Milliarden Schilling und die Überschreitung der präliminierten Ausgaben von rund 12 Milliarden Schilling führten zu dieser Differenz.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Bundesrechnungsabschluß zeigt, daß die Regierung in diesem wirtschaftlich schwierigen Zeitraum die richtigen Maßnahmen gesetzt hat, wie zum Beispiel die Konsolidierungsmaßnahmen. Weiters zeigt dieser Bundesrechnungsabschluß aber auch, daß das Budget 1995 Grundlage für den Erhalt des Wirtschaftsstandortes Österreich war und die sozialdemokratische Budgetpolitik den Weiterbestand Österreichs als finanzstabiles Land garantiert. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich möchte nach Studium der Geschäftsordnung den Vorwurf des "schäbigen Verhaltens" an einen österreichischen EU-Kommissär und einen österreichischen Beamten im Ausland scharf zurückweisen. In einer früheren Gesetzgebungsperiode ist dafür sogar ein Ordnungsruf erteilt worden.

Nächster Redner ist Herr Rechnungshofpräsident Dr. Fiedler. – Bitte.

16.57

Rechnungshofpräsident Dr. Fiedler: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Böhacker hat eine Frage im Zusammenhang mit dem Insolvenzausfallgeldfonds an mich gerichtet, und zwar, was die weitere Entwicklung im Zusammenhang mit den Kreditschulden dieses Fonds anlangt. – Herr Abgeordneter! Dazu wäre folgendes zu sagen: Wir haben die Kreditschulden des Insolvenzausfallgeldfonds bereits seit einigen Jahren im Bundesrechnungsabschluß immer wieder zur Darstellung gebracht, und wir


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haben auch die Entwicklung aufgezeigt, die sich innerhalb dieses Fonds gerade im Zusammenhang mit der Gebarung dieser Kreditschulden ergibt.

Die letzten uns zur Verfügung stehenden Zahlen des Jahres 1995 finden sich im Bundesrechnungsabschluß. Ende 1995 betrugen diese Kreditschulden 6 Milliarden Schilling. Wir haben allerdings keine neueren Zahlen – ich habe die letzten Informationen dazu eingeholt. Die Zahlen für das Jahr 1996 werden erst im April 1997 vorliegen, sodaß ich Ihnen im Moment auch kein aktuelleres Zahlenmaterial mitteilen kann. Ich kann Ihnen aber versichern, daß sich der Rechnungshof dieses Zahlenmaterial ehestens beschaffen und im nächsten Bundesrechnungsabschluß natürlich wieder zur Darstellung bringen wird, denn er hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Zielsetzungen der Bundesregierung, nämlich die Schulden des Fonds bis Ende 1998 abzubauen, zu überprüfen und im jeweiligen Bundesrechnungsabschluß darzustellen.

Ihre zweite Frage, Herr Abgeordneter, hat sich darauf bezogen, wie es der Rechnungshof im Zusammenhang mit seiner Forderung hält, daß jene sich aus dem Inkrafttreten des § 65a des Bundeshaushaltsgesetzes ergebenden verrechnungstechnischen Schwierigkeiten gelöst werden müssen.

Herr Abgeordneter! Ich darf dazu folgendes ausführen: Es wurde mit dem neu eingeführten § 65a des Bundeshaushaltsgesetzes die Möglichkeit geschaffen, bereits im laufenden Finanzjahr Kreditoperationen, also Finanzschuldaufnahmen, durchzuführen, die allerdings erst im nächsten Finanzjahr voranschlagswirksam zu verrechnen sind. Auf der anderen Seite sind die dadurch entstandenen Schulden, nämlich die Verpflichtungen zur Rückzahlung, gemäß § 52 Abs. 2 des Bundeshaushaltsgesetzes bereits im laufenden Jahr als Finanzschulden voranschlagswirksam in Verrechnung zu bringen.

Es ergeben sich aufgrund dieser neu eingeführten Bestimmung verrechnungstechnische Schwierigkeiten. Denn wenn die Schulden nach § 65a des Bundeshaushaltsgesetzes erst dem nächsten Finanzjahr zuzurechnen sind, sind die Erlöse aus diesen Finanzschuldenaufnahmen im Wege der passiven Rechnungsabgrenzung als Pro-forma-Schuld nachzuweisen. Da gemäß § 52 Abs. 5 des Bundeshaushaltsgesetzes die Finanzschulden aus diesen Erlösen aber schon im laufenden Finanzjahr als voranschlagswirksame Schulden buchmäßig erfaßt werden, sind diese Beträge, um diese Schulden nicht doppelt nachweisen zu müssen, wieder im Wege der aktiven Rechnungsabgrenzung richtigzustellen.

Das ist also ein recht komplizierter Vorgang, der unserer Meinung nach verrechnungstechnisch einfacher gelöst werden sollte, und zwar indem eine Änderung des § 52 Abs. 5 des Bundeshaushaltsgesetzes in der Weise Platz greift, daß die Schuldaufnahmen, also die Erlöse, und die Schuldnachweisung bereits im laufenden Finanzjahr, in dem der Erlös kassenmäßig zufließt, zur Darstellung gebracht werden. Unserer Ansicht nach würde sich dieses Problem auf diese Weise am einfachsten lösen lassen. Wir wissen allerdings, daß es dazu bisher keine Zustimmung seitens des Finanzministeriums gegeben hat. Wir haben aber in diesem Bundesrechnungsabschluß das Problem in sehr ausführlicher Weise – ich habe es jetzt nur sehr kurz dargestellt – erörtert und sind der Meinung gewesen, mit diesem Vorschlag unsererseits an den Gesetzgeber herantreten zu sollen. Wir haben dies mithin getan, und ich habe dies mithin auch noch des näheren ausgeführt.

Von mehreren Abgeordneten, unter anderem auch von Ihnen, Herr Abgeordneter Van der Bellen, ist in der Diskussion die Problematik der Rücklagenzuführung erörtert worden.

Herr Abgeordneter! Ich darf dazu folgendes sagen: Wir haben die Probleme, die sich um die Rücklagenzuführung ranken, bereits in den vergangenen Jahren immer wieder im Bundesrechnungsabschluß aufgezeigt, und zwar deshalb, weil unserer Ansicht nach hier eine Differenz zwischen der rein haushaltsrechtlichen Betrachtung und der ökonomischen Betrachtung Platz greift. Denn es ist nun einmal nicht ganz leicht, jemandem erklären zu wollen, daß eine Rücklagenzuführung als Ausgabe zu verrechnen ist, eine Rücklagenentnahme hingegen als Einnahme.

Ich möchte allerdings zur Klarstellung deutlich machen, daß wir, so wie wir das auch diesmal im Bundesrechnungsabschluß zum Ausdruck gebracht haben, damit nicht die Absicht verbunden


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haben, etwas zu verschleiern oder etwas zu bagatellisieren, sondern wir haben nur die Haushaltsverrechnung, wie sie in Ansehung der Rücklagen zum Tragen kommt, zur Darstellung gebracht und haben damit im Zusammenhang, allerdings an anderer Stelle im Bundesrechnungsabschluß, auch einen Vorschlag eingebracht, wie man vielleicht einen Beitrag dazu leisten könnte, dieses Problem zu umgehen beziehungsweise für mehr Transparenz zu sorgen.

Der Vorschlag des Rechnungshofes in diesem Zusammenhang lautet, daß man die Umsätze der Ausgleichsrücklage im Ausgleichshaushalt erfassen sollte, wo sie unserer Ansicht nach eher am Platz wären. Damit wäre dieses Problem gelöst. Auch diesbezüglich haben wir noch keine Zustimmung seitens des Finanzministeriums bekommen. Wir haben uns aber erlaubt, auch diesen Vorschlag im Bundesrechnungsabschluß festzuhalten.

Herr Abgeordneter! Sie haben darüber hinaus dem Rechnungshof die Anregung gegeben, er möge entweder in der Einleitung oder in der Zusammenfassung mehr analytische Bemerkungen anbringen. Wir sind für eine solche Anregung durchaus offen, und wir sind uns natürlich bewußt, daß gerade im Zusammenhang mit dem von der Bundesregierung vorgegebenen Ziel der Erreichung der Maastricht-Kriterien jetzt auch ein besonderer Anlaß besteht, dieses Problem den Abgeordneten, aber auch der Öffentlichkeit näherzubringen.

Ich möchte allerdings doch darauf hinweisen, daß wir uns der Problematik, wie es mit den Maastricht-Kriterien im Jahre 1995 bestellt war, angenommen haben. Man hätte aufgrund Ihrer Wortmeldung, Herr Abgeordneter, den Eindruck gewinnen können, wir hätten dazu überhaupt nichts gesagt. Es finden sich an zwei Stellen des Bundesrechnungsabschlusses unsere Bemerkungen, daß die Neuverschuldung zu Ende des Jahres 1995 6,2 Prozent und die Gesamtverschuldungsquote 69,5 Prozent betragen hat, daß also insoweit die Maastricht-Kriterien im Jahre 1995 deutlich verfehlt wurden. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben auch noch darüber hinaus unter Kapitel 7 des Bundesrechnungsabschlusses darauf verwiesen, daß man sehr wohl zu unterscheiden hat zwischen der Erfüllung der Maastricht-Kriterien auf der einen Seite und der Budgetkonsolidierung auf der anderen Seite. Denn sosehr man vielleicht der Meinung sein könnte, dies seien zwei völlig gleichgelagerte Problemgestaltungen, ist doch im Hinblick auf die von Ihnen auch erwähnte andere Berechnung der Maastricht-Kriterien als der Finanzschulden nach dem Bundeshaushaltsgesetz insoweit keine vollständige Parität gegeben. Daher sind wir der Auffassung – und haben uns bemüßigt gefühlt, dies auch dem Gesetzgeber näherzubringen –, daß man unabhängig von der Erfüllung der Maastricht-Kriterien auch ein Auge darauf zu werfen hat, wie im übrigen die Budgetkonsolidierung abläuft.

Sie haben auch bereits in Ihrem Diskussionsbeitrag darauf Bezug genommen, daß im Rahmen der Erfüllung der Maastricht-Kriterien gewisse formale Gestaltungsspielräume gegeben sind, die nach dem Bundeshaushaltsrecht nicht bestehen. Auf diese Problematik beziehungsweise auf diese Disparität haben wir auch im Bundesrechnungsabschluß hingewiesen, und wir meinen daher, der Verpflichtung, die der Rechnungshof in diesem Zusammenhang hat, doch entsprochen zu haben. Wir nehmen aber gerne Ihre Anregung auf, Herr Abgeordneter, uns im nächsten Bundesrechnungsabschluß noch weiter mit dieser Problemstellung zu befassen und auch nähere Detaillierungen zu bringen.

Ich darf allerdings auch darauf verweisen, daß der Rechnungshof, was die Erfüllung der Maastricht-Kriterien anlangt, bereits in der Vergangenheit in Berichtsform dem Nationalrat gegenüber Stellung genommen hat, und zwar zuletzt sehr ausführlich im Tätigkeitsbericht über das Verwaltungsjahr 1994, der dem Nationalrat Ende 1995 vorgelegt und in dem darauf verwiesen wurde, welche Unterschiede in der Berechnung der Maastricht-Kriterien einerseits gegenüber dem – wenn ich so sagen darf – normalen Finanzschuldenbericht beziehungsweise der normalen Finanzschuldenquote anderseits, wie sie sich nach dem Bundeshaushaltsgesetz ergibt, bestehen.

Wir haben in diesem Tätigkeitsbericht auch der Rolle der Länder und Gemeinden gedacht, die ja ihren Beitrag im Zusammenhang mit den Maastricht-Kriterien zu erfüllen haben – wie wir wissen, nach den derzeitigen Festlegungen im Ausmaß von 0,3 Prozent –, und wir werden auch


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im Laufe dieses Jahres sehr streng beobachten, wie nicht nur der Bund, sondern wie auch die Länder und die Gemeinden dieser ihrer Verpflichtung nachkommen werden.

Herr Abgeordneter! Ich hoffe, in diesem Sinne mit Ihnen einer Meinung zu sein, daß vom Rechnungshof schon bis jetzt in diesem Zusammenhang vieles geleistet wurde. Aber ich darf nochmals auf Ihre Anregung zurückkommen: Wir werden sie sehr gerne aufnehmen und im nächsten Bundesrechnungsabschluß noch mehr darüber dem Nationalrat berichten. (Beifall bei der ÖVP.)

17.08


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte.

17.08

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Herr Finanzminister hat heute zur nicht erfreulichen Entwicklung des Bundesrechnungsabschlusses 1995 Stellung genommen und auch die Notwendigkeit des Konsolidierungspakets und der Beibehaltung des Konsolidierungskurses unterstrichen.

Wir alle wissen, daß durch die ständig steigenden Ausgaben und die ständig steigenden Zinsbelastungen der finanzielle Handlungsspielraum eines Haushaltsbudgets sehr stark eingeschränkt wird. Ich glaube, es kann gesamtgesellschaftlich auch im Hinblick auf den sozialen Frieden nicht zielführend sein – das meine ich jetzt durchaus nicht böse –, daß in einer derartigen Situation, in der immer mehr für Zinsbelastungen zu bezahlen ist, eine bestimmte kleine Personengruppe, nämlich die Besitzer von Wertpapieren des Bundes, profitiert. Meiner Meinung nach sollten alle Menschen in diesem Lande profitieren und insbesondere jene, die keine Arbeit haben.

Der Herr Bundesminister hat gesagt – und das ist auch im Bundesrechnungsabschluß zu lesen –, daß für die Arbeitsmarktpolitik 56 Milliarden Schilling ausgewiesen sind. Von diesen 56 Milliarden Schilling konnten im Jahr 1995 5,6 Milliarden Schilling für aktive Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung gestellt werden. Diese 5,6 Milliarden Schilling wurden für 170 000 Förderfälle eingesetzt, also für Qualifikationsmaßnahmen für arbeitslose Personen, im Zusammenhang mit Ausbildung, Weiterqualifizierung, Lehrausbildung, Berufsvorbereitungsmaßnahmen und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Kinderbetreuungsbeihilfen und ähnlichem mehr.

Warum ich das auch erwähne? – Ich denke, der Bundesrechnungsabschluß 1995 sollte auch aufzeigen – und darauf muß hingewiesen werden –, daß die Ausgaben für diese 170 000 Förderfälle, für diese Qualifikationsmaßnahmen zu 52 Prozent arbeitslosen Männern und zu 48 Prozent arbeitslosen Frauen zugute gekommen sind.

Genau dieser Punkt ist es, der mich positiv stimmt. Damit wird die Richtung vorgegeben – und ich würde Sie alle darum bitten, daß wir diese Richtung beibehalten –, den Arbeitsmarkt für alle offenzuhalten, also für Männer und für Frauen. Es sollte nicht, wenn es auf dem Arbeitsmarkt eng wird, so sein, wie es manchmal auch in diesem Haus schon angesprochen worden ist, nämlich daß sich die Frauen um die Familie kümmern und zu Hause bleiben mögen, dies sei auch besser für die familiäre Entwicklung, während die Männer die Arbeitsplätze einnehmen. Erst wenn wir wieder genügend Arbeit hätten, könnten auch die Frauen wieder auf den Arbeitsmarkt kommen.

Die Vergabe dieser 5,6 Milliarden Schilling stimmt mich positiv, daß wir auf dem richtigen Weg sind. Ich bitte darum, in Zukunft für die aktive Arbeitsmarktpolitik auch unter Beibehaltung eines strikten Konsolidierungskurses mehr Mittel zur Verfügung zu stellen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das sind nur Schlagworte!)

Eine Korrektur in Richtung des Kollegen Böhacker: Er hat gesagt, der Bundesminister hätte in seiner Rede die Arbeitsmarktpolitik einfach abgehakt. Er hat sie nicht abgehakt, Herr Böhacker (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen)  – ja, plakativ, in der Zeitung ist es gestanden – , sondern er hat darauf verwiesen, daß er gerade der Arbeitsmarktpolitik in Zukunft besonderes Augenmerk schenken wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.12

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor.

Die Debatte ist geschlossen.

Der Berichterstatter wünscht kein Schlußwort.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 572 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Entwurf ist mehrheitlich angenommen worden.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer dem Entwurf in dritter Lesung zustimmt, möge dies gleichfalls durch ein Zeichen der Zustimmung kundtun. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung mehrheitlich angenommen worden.

6. Punkt

Bericht des Landesverteidigungsausschusses betreffend den Situationsbericht 1996 des Bundesministers für Landesverteidigung (III-73 der Beilagen) und über den Antrag 112/A (E) der Abgeordneten Hans Helmut Moser und Genossen betreffend Vorlage eines Berichtes über den Zustand des Bundesheeres (582 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen daher sofort in die Debatte ein.

Ich erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Scheibner das Wort. – Sind Sie überrascht? (Abg. Scheibner: Ja!) Bitte, ich habe diese Meldung.

Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

17.14

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich bin deshalb überrascht, weil mir vorher bedeutet wurde, daß sich der Herr Bundesminister noch kurz zu Wort melden wollte. Wir hätten nichts dagegen gehabt. Vielleicht hätte er einige Dinge klarstellen können, die bei dem jetzt zur Verhandlung stehenden Situationsbericht noch offengeblieben sind. Ich weiß nicht, welche Fraktion das verhindert hat. Ich weiß nicht, ob es Kollege Moser oder Kollege Wabl gewesen ist. Vielleicht war es aber auch der Koalitionspartner. Zumindest habe ich dort eine gewisse Aufregung wegen des Wunsches des Ministers gesehen.

Herr Minister! Leider dürfen Sie hier noch nicht sprechen. Wir hoffen aber, daß Sie diese Klarstellungen später noch machen können.

Meine Damen und Herren! Um einmal mit etwas Positivem zu beginnen: Es ist positiv, daß dieser Zustandsbericht des Bundesheeres nun endlich zur Debatte steht, damit wir hier im Parlament auch einmal umfassend über die Situation unserer Landesverteidigung diskutieren können. Leider war es in der Vergangenheit so, daß viele Dinge, die wir eigentlich hier im Parlament hätten diskutieren sollen, an dieser Volksvertretung vorbeigelaufen sind.

Herr Bundesminister! HG-Neu, die angeblich so gut gelungene Reaktion auf die Veränderungen in Europa: Keine Diskussion darüber im Landesverteidigungsausschuß oder hier im Plenum!


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Die Frage der Beteiligung Österreichs an internationalen Kooperationen, etwa der "Partnerschaft für den Frieden": Keine Diskussion hier im Parlament!

Herr Bundesminister! Ich erinnere Sie daran, daß der Landesverteidigungsplan für das Bundesheer, der schon viele Jahre zurückliegt, auf einer Entschließung dieses Hauses gefußt hat, die damals fast einstimmig mitgetragen worden ist. Sie haben mit der Heeresgliederung-Neu, die Sie so hoch loben, die, so glaube ich, ein Ministerratsbeschluß gewesen ist, diesem Entschließungsantrag des Parlaments widersprochen beziehungsweise ihn abgeändert. Trotzdem hoffen wir, daß das nicht der Schlußpunkt der Verteidigungsdebatte für die Zukunft sein wird, sondern der Beginn.

Herr Bundesminister! Nun zu diesem Bericht. In der neuesten Ausgabe des "Soldaten", einer Zeitung, die Ihnen, glaube ich, nicht ganz unbekannt sein dürfte und die Ihrem Ressort auch nicht gerade abgeneigt ist, hat man mit Ihnen ganz schön Mitleid gehabt. Man entschuldigt sich darin praktisch für die Allgemeinplätze, die in diesem Bericht enthalten sind, sodaß er von uns als geschönt bezeichnet werden mußte.

Man schreibt: Ja was soll der Minister denn anderes tun als so allgemeine Dinge in diesen Bericht hineingeben? Soll ein Heereschef – so steht es da wörtlich – all das auflisten, was ihm seine politischen "Partner und Gegner" – das steht unter Anführungszeichen; damit sind anscheinend Sie von der SPÖ gemeint – in den vergangenen Jahren verwehrt haben, um sich anschließend seine Unfähigkeit oder sein Versagen selbst von den Heeresnegierern vorwerfen zu lassen?

Abschließend schreibt man dann: Das Heer ist derzeit eindeutig unter der kritischen Masse, gemessen an den gestellten Anforderungen der Zukunft. Verantwortlich dafür ist die gesamte Bundesregierung.

Herr Bundesminister! Sogar Ihre Zeitung schreibt, daß die Bundesregierung dafür verantwortlich ist. Nicht Sie alleine natürlich, Sie sind nur der verantwortliche Ressortminister. Aber da gibt es noch einen "bösen" Koalitionspartner, auf den man sich schön ausreden kann. Der ist dafür verantwortlich, daß das Bundesheer in Wahrheit seine Aufträge nicht erfüllen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jetzt möchte ich das ja gar nicht glauben, Herr Minister, denn in diesem Zustandsbericht sieht es anders aus. Herr Kollege Maitz hat Sie heute schon in einer Aussendung dahin gehend gelobt, daß "sechs Jahre Fasslabend" eine gute Zeit für das Bundesheer gewesen sind. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. )

Die neue Heeresgliederung haben Sie umgesetzt. Der Grenzeinsatz in der Slowenienkrise wird positiv herausgestrichen. – Herr Bundesminister! Über diesen Grenzeinsatz reden wir besser nicht. Was wäre denn dort passiert, wäre es wirklich zu Kampfhandlungen gekommen? Wir wissen doch – Sie haben das selbst oft genug gesagt –, welche Grundwehrdiener mit welchem Ausbildungsstand Sie als politisch Verantwortlicher dorthin geschickt haben. (Abg. Schwarzenberger: Aber sie haben ihre Sache gut gemacht!)

Die so hoch gepriesene Heeresgliederung-Neu ist doch in Wahrheit gescheitert. Auch das geht aus diesem Zustandsbericht, auch wenn er nur in Allgemeinplätzen formuliert, hervor. Dies zeigt sich allein dadurch, daß Sie jetzt, kurz nach Abschluß dieser Heeresgliederung-Neu, schon wieder eine "Heeresgliederung-Neu-Neu" planen und wieder gravierende Umgliederungen und vor allem Reduzierungen bei den Truppen vornehmen wollen. 120 000 Mann war die Vorgabe, 1 Prozent Budgetanteil am Bruttoinlandsprodukt, ein ordentliches Beschaffungsprogramm – all das wären die Voraussetzungen für eine funktionierende Heeresgliederung-Neu gewesen.

Jetzt gehen die Planungen, wie wir hören, in Richtung Reduzierung der Gesamttruppenstärke auf 70 000 Mann. Eine "Verzichtsplanung" – das ist ja ein wirklich ehrlicher Ansatz in diesem Zustandsbericht! Da wird von einer "Verzichtsplanung" in den letzten Jahren gesprochen, nämlich daß man das Budget nicht bekommen hat, das notwendig gewesen wäre, um das Bundesheer ordentlich auszustatten.


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Herr Bundesminister, wer ist denn dafür verantwortlich, daß dem Bundesheer diese Mittel zur Verfügung gestellt werden? Sind Sie denn nicht der politisch Verantwortliche für unsere Landesverteidigung? Sollten Sie nicht weniger die Argumente der politischen Gegner oder der Heeresgegner übernehmen, sondern vielmehr aktiv dagegen ankämpfen und sagen: Das Bundesheer hat eine wichtige Aufgabe für diese Republik zu erfüllen, und um diese Aufgabe erfüllen zu können, ist eben ein gewisses Mindestbudget, ist eine gewisse Mindestinfrastruktur notwendig!? Wenn man das nicht zur Verfügung stellt, dann ist dieser Auftrag unerfüllbar. Wir hätten uns vorgestellt, daß Sie uns das in diesem Bericht klar und deutlich zur Kenntnis bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie, Herr Bundesminister, loben in diesem Bericht, daß die Führungsstrukturen reorganisiert worden sind. Das Armeekommando wurde abgeschafft, und das, meinen Sie, sei ein großer Fortschritt gewesen. Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall, Herr Bundesminister: Jetzt sind Planung und Führung auseinandergetriftet. Der Rechnungshof hat das immer wieder kritisiert. Eigentlich wäre es doch notwendig und sinnvoll, wieder einen militärisch Verantwortlichen zu installieren, bei dem Planung und Führung zusammenlaufen, einen Generalstabschef, einen Armeekommandanten, so wie das in allen oder in den meisten anderen Staaten auch der Fall ist. Das wäre sinnvoll, Herr Bundesminister.

Wenn Sie schon reduzieren bei den Kommanden und bei der Bürokratie – das wäre durchaus sinnvoll –, dann sehen Sie sich doch einmal an, wie es in den bürokratischen Schreibstuben aussieht, wie viele Soldaten wir zur Truppe bringen könnten, wenn wir dort einmal ausmisteten, wenn wir Kommanden zusammenlegten. Schauen wir uns einmal die Ergänzungsabteilungen an, ob das alles notwendig ist, durchforsten wir auch einmal Ihre Zentralstellen, ob es wirklich notwendig ist, daß dort so viele Soldaten in Uniformen sitzen!

Herr Bundesminister! Es geht dann weiter in diesem Bericht mit Personalfragen. Dabei fehlt uns völlig das Verhältnis aktiver Truppendienst zu den Schulen, zu den Kommanden; es fehlt uns auch das Dienstrecht. Wir haben erst kürzlich wieder mit Personalvertretern gesprochen, die darüber klagen, daß die Truppenverwendungen zu niedrig bewertet sind. Wir hätten uns erhofft, daß Sie auch das in diesem Bericht bringen.

Oder betreffend die Frage des Grundwehrdieneraufkommens. Sie haben geschrieben, daß Sie in den letzten Jahren 35 000 Mann gehabt haben. Wir können es nicht nachprüfen, aber Sie haben im Ausschuß selbst zugegeben, daß das nur unter Aufbietung aller möglichen Reserven gerade noch gelungen ist und daß Sie in Zukunft diese Reserven nicht mehr zur Verfügung haben werden. Sie haben gesagt, 32 000 Mann werden ausreichen, wir wissen aber, daß im Ministerium bereits mit 28 000 Mann geplant wird.

Jetzt frage ich Sie, Herr Bundesminister: Auf welchen Planungen fußen denn diese Zahlen? Brauchen wir jetzt zur Aufrechterhaltung unserer Landesverteidigung 35 000 Mann, 34 000 Mann, 32 000 Mann, 28 000 Mann? – Das sind doch alles Dinge, die wir hier diskutieren müssen, die man nicht nur so in Planspielen im Sandkasten auf die Beine stellen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In einem Punkt möchte ich auch etwas Positives herausstreichen: die Neuordnung der Ausbildung der Offiziere und Unteroffiziere. Damit ist sicherlich etwas Positives gelungen: Die Ausbildung unserer Offiziere ist erstklassig. Das haben wir auch bei den Auslandseinsätzen gesehen. Wir hoffen nur, daß auch die entsprechende Aufwertung etwa der Militärakademie in Form des Fachhochschulstatus bald gelingen wird und daß die Widerstände, die es aus dieser Ecke (in Richtung SPÖ deutend) gibt, bald aufgegeben werden.

Herr Bundesminister! Wie sieht es denn bei den anderen Dingen aus; etwa bei der Infrastruktur und beim Budget? Auch hier gibt es, wie gesagt, eine Verzichtsplanung. In das Mech-Konzept haben Sie noch hineingeschrieben, daß unsere Soldaten bei der mechanisierten Truppe derzeit eine minimale Überlebenschance haben – eine minimale Überlebenschance; das schreiben Sie selbst in das Konzept hinein –, und dann beschließen wir alle hier ein Mech-Konzept, ein Mech-Paket, das ja nur einen Tropfen auf dem heißen Stein darstellen kann, einen Tropfen auf dem


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heißen Stein, der aber nach Ihren Konzepten anscheinend wieder zu einer Reduzierung der mechanisierten Truppe führen soll. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie können mir doch nicht erklären, daß Sie die 170 Kampfpanzer M 60 durch 112 Leopard II ersetzen können, denn auch, wenn sie kampfstärker sind, Herr Bundesminister, so hilft es nichts, wenn Sie in einem Bereich einen Panzer brauchen, wenn Sie argumentieren, daß Sie anderswo einen kampfstärkeren haben. Sie brauchen wohl auch eine gewisse Anzahl an Gerät, um größere Gebiete abdecken können.

Ich gebe schon zu, daß Sie mit dem Koalitionspartner Probleme haben, aber wir würden uns erwarten, daß Sie das zumindest in einem solchen Bericht auch offen und deutlich zum Ausdruck bringen und nicht weiter in dieser Schönfärberei verfahren.

Herr Bundesminister! Was uns in diesem Konzept auch fehlt – damit komme ich schon zum Schluß –, ist, daß man einmal an die Grundsätze geht, daß man einmal fragt, in welche Richtung unsere Sicherheitspolitik künftig gehen wird, und daß man darauf aufbauend erst die Umgliederung macht. Man sollte nicht jetzt herumplanen, alle Leute verunsichern, obwohl man noch gar nicht weiß – weil Sie eben nicht entscheiden –, in welche Richtung die Sicherheitspolitik gehen wird. Nehmen wir teil an der internationalen Integration im Rahmen der NATO oder bleiben wir alleine?

Das sind doch ganz grundlegende Voraussetzungen. Aufgrund dieser Entscheidung sollten wir die Aufträge formulieren, und wenn wir diese Aufträge formuliert haben, dann sollten wir auch hier im Parlament dem Bundesheer jene Infrastruktur, jene Gliederung und jene Geldmittel zur Verfügung stellen, die notwendig sind, um diese Aufträge zu erfüllen.

Das wäre ein seriöses Konzept, Herr Bundesminister. Man kann doch nicht so vorgehen, wie das jetzt geschieht, nach Ostblockmanier zu sagen, man kauft nicht das, was notwendig ist, sondern das, was man bekommen kann beziehungsweise was gerade auf dem Markt ist; und das mit dem Geld, das gerade zur Verfügung steht.

Herr Bundesminister! Sie haben Verantwortung, wir alle haben Verantwortung für die Bevölkerung, daher werden wir Sie nicht aus der Ziehung lassen und darauf dringen, daß Sie dieser Verantwortung auch nachkommen.

Wir haben deshalb zwei Entschließungsanträge vorbereitet, die ich hiemit einbringen möchte, und zwar zunächst den

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Herbert Scheibner und Kollegen betreffend die Vorlage eines Weißbuchs über die Einsatzbereitschaft des österreichischen Bundesheeres und die Erarbeitung eines neuen Landesverteidigungsplanes

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Landesverteidigung wird aufgefordert, jährlich ein ,Weißbuch über die Einsatzbereitschaft des Bundesheeres‘ als Bericht dem Nationalrat vorzulegen. Darüber hinaus wird der Bundesminister ersucht, umgehende Gespräche mit allen Nationalratsfraktionen aufzunehmen mit dem Ziel, bis Ende 1998 eine neue von möglichst allen Fraktionen, die die militärische Landesverteidigung unterstützen wollen, getragene Verteidigungsdoktrin (Landesverteidigungsplan 1998) zu erarbeiten."

*****


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Es wäre, glaube ich, sinnvoll, daß auch wir hier im Parlament wieder gemeinsam einen tragfähigen Landesverteidigungsplan erstellen können und auch Sie Berichte für unsere Beratungen erstellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch der zweite Entschließungsantrag, Herr Bundesminister, ist wichtig, weil Sie jetzt viele Truppenkörper beunruhigen, die von der Auflösung bedroht sind, und zwar interessanterweise gerade jene, die wir hier im Osten bräuchten – Stichwort 9. Panzergrenadierbrigade und 3. Korps.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Herbert Scheibner und Kollegen betreffend die Durchführung von Umgliederungen erst nach Abschluß grundsätzlicher Entscheidungen über den sicherheitspolitischen Weg Österreichs

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Landesverteidigung wird aufgefordert, keine neuerlichen Umgliederungen in der Friedens- und Mob-Gliederung des österreichischen Bundesheeres vorzunehmen, die über die Ebene der militärischen Einheit hinausgehen, bevor nicht die grundsätzliche Entscheidung über den sicherheitspolitischen Weg Österreichs in Europa und die daraus ableitbaren Planungen für die budgetäre Ausstattung des Bundesheeres, der rechtlichen, materiellen und personellen Grundlagen (Gerät, Militärdienst- und Besoldungsrecht, Schaffung von Freiwilligenverbänden für den Dienst im In- und Ausland) sowie deren Umsetzungsmaßnahmen zur Akzeptanz durch die Angehörigen des österreichischen Bundesheeres und der Bevölkerung abgeschlossen sind."

*****

Vielen Dank, Herr Bundesminister, für die Aufmerksamkeit. Ich bin gespannt, was Sie zu diesen Anträgen sagen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Beide Entschließungsanträge, die Herr Abgeordneter Scheibner vorgetragen hat, sind geschäftsordnungsgemäß ausreichend unterstützt und werden in die Verhandlung mit einbezogen.

Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Maitz. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. (Abg. Haigermoser: Das wird jetzt ein rhetorischer Absturz nach dem Scheibner!)

17.28

Abgeordneter Dr. Karl Maitz (ÖVP): Verehrter Herr Präsident! Herr Verteidigungsminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe dem Kollegen Scheibner sehr aufmerksam zugehört. (Abg. Mag. Stadler: Na geh!) Er hat mich erinnert (Abg. Haigermoser: An wen?) an einen Spruch in der Werbung für eine ganz bestimmte Kette in Österreich. (Abg. Haigermoser: Für ein Waschmittel?) Oh nein! Dieser Spruch heißt: Ich will alles, und zwar sofort! (Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner: Sofort? – Notwendiges!) Und das geht leider nicht, denn zwischen Werbung und Wirklichkeit ist eben ein weiter Weg, den wir gemeinsam beschreiten möchten, und ich bin sehr dafür, daß wir hier auch über Grundsätzliches reden. (Abg. Haigermoser: Das ist gut so!)

Die vorrangige Aufgabe jeglicher Sicherheitspolitik ist Konfliktvorsorge, ist die Aufgabe, alles zu unternehmen, damit Konflikte gar nicht entstehen. Priorität der Sicherheitspolitik ist es also, Frieden zu stiften und Krisen zu verhindern. (Abg. Haigermoser: Das ist ja peinlich, wie der das verliest! Das ist ja fürchterlich!) Und wenn Krisen entstehen, dann muß zuerst jedes Mittel der gewaltfreien Beilegung versucht werden. (Abg. Mag. Stadler: Herr Minister, einen solchen Redner haben Sie nicht verdient!) Trotzdem gibt es – wie fast täglich in den Medien zu sehen ist –


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brutale Aggression, Gewalt, Verbrechen zwischen Völkern und Volksgruppen, die nicht anders als mit militärischen Mitteln beendet werden können. Wir haben das ja auch in jüngster Vergangenheit erlebt. Deshalb braucht jeder Staat auch in Zukunft eine glaubwürdige militärische Landesverteidigung.

In Österreich hat unser Heer grundsätzlich drei Aufgaben: erstens die eigentliche Verteidigungsaufgabe gegenüber gewaltsamen Übergriffen auf unser Staatsgebiet, zweitens die Hilfestellung und Hilfeleistung im In- und Ausland bei Katastrophen, Großunfällen bis hin zum Atomstörfall und drittens die internationale friedensschaffende und friedenserhaltende Mission (Abg. Haigermoser: Herr Kollege! So einen Aufsatz können Sie in der Hauptschule Ihrer Heimatgemeinde vorlesen!) – Sie nehmen das nicht ernst, aber das ist Ihr Problem (Abg. Mag. Stadler: Das ist auch nicht ernst zu nehmen!) – im Rahmen der UNO, der EU, der OSZE oder der NATO als internationale Instrumente des Friedens. (Abg. Aumayr: Das ist ganz neu, Herr Kollege! – Abg. Haigermoser: Haben Sie den Aufsatz selber geschrieben? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Wer das will – und das auch hat Kollege Scheibner angesprochen –, muß auch dafür sorgen, daß die notwendigen personellen und materiellen Ressourcen zur Verfügung stehen.

Meine Damen und Herren! Zum Situationsbericht konkret. Für die einen – und dazu zählen wir uns von der Volkspartei – ist dieser Situationsbericht eine umfassende Darstellung der Leistungen und Probleme des Bundesheeres (Abg. Haigermoser: Diesen Wehrsprecher hat sich Fasslabend nicht verdient!) : offen, ehrlich ... – Prost, Herr Kollege! Vielleicht setzen Sie Ihre Bemerkungen woanders fort. (Abg. Haigermoser: Na, hallo!) Sie schauen so aus, als ob Sie ... (Abg. Haigermoser: Wie Sie aussehen, möchte ich gar nicht kommentieren! – Abg. Böhacker: Keine Polemik vom Rednerpult!) – ... offen und ehrlich, ohne Schönfärberei und Wehleidigkeit. (Abg. Haigermoser: Jetzt weiß ich, warum Sie nicht mehr Klubobmann sind!) Dieser Situationsbericht ist auch eine ausgezeichnete Grundlage für künftige Entscheidungen.

Die anderen meinen, es ist alles zu wenig, es ist alles zu spät oder es ist alles falsch, wir wissen alles besser – dazu gehört das Liberale Forum –, oder es ist gar nur zum Abschaffen, wie das die Grünen wollen, die heute an der Debatte gar nicht teilnehmen. (Abg. Böhacker: Die haben sich selbst abgeschafft!)

Was sind die eigentlich brennenden Probleme der Landesverteidigung? Die öffentliche Akzeptanz dieser staatsnotwendigen Aufgabe – dafür könnten wir sehr viel gemeinsam tun –, die Strukturverbesserung für die neuen Aufgaben, die internationale Einbindung Österreichs in einen Sicherheitsverbund in und für Europa und das Ersetzen der zum Teil veralteten Ausrüstung im notwendigen Ausmaß. Und das geschieht zurzeit, das geschieht schon seit Jahren, und zwar in einer Form, die jede künftige Konstellation berücksichtigt.

Die Finanzierung ist sicherzustellen einerseits – wie schon bisher – durch Einsparungen im eigenen Bereich und andererseits durch zusätzliche Mittel, die entweder projektbezogen vergeben werden oder durch eine Anhebung des laufenden Verteidigungsbudgets zur Verfügung gestellt werden.

Meine Damen und Herren! Für die meisten Österreicherinnen und Österreicher ist Sicherheit ein Gefühl, und solange der Eiserne Vorhang bei jedem Sonntagsausflug noch sichtbar war, solange die Berliner Mauer für jeden ausländischen Gast ein Pflichtbesuch war, solange der kalte Krieg zwischen Ost und West fast täglich in den Medien war, so lange war Sicherheit ein anerkanntes Gut. Es ist zwar menschlich verständlich, aber äußerst bedenklich, wenn wir heute spüren, daß Frieden und Sicherheit erst dann zu Werten werden, wenn sie nicht mehr vorhanden sind oder unmittelbar bedroht sind, so wie eine Flugstunde von Wien entfernt in Sarajewo, in Br#ko oder Mostar.

Ich will nicht dramatisieren, aber lesen Sie bitte die Überschrift im "Kurier" vom 14. Februar: "Weil die Stadt Br#ko serbisch bleiben soll, sprechen die Moslems und Kroaten offen von einem neuen Krieg." – Und das ist keine Phantasie, sondern das ist tägliche Realität. Wir waren in


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diesen Gebieten und haben das gespürt. (Abg. Dr. Pumberger: Warum sind Sie dann heute da?)

Ein wesentliches Argument zum Thema Internationalisierung der Sicherheitspolitik kann man nicht oft genug, muß man immer wieder sagen: Nur wer sicherheitspolitisch aktiv ist, kann sich auch wirtschaftlich behaupten. (Abg. Jung: Dann werden Sie es doch endlich! Was ist denn mit der Bündnismitgliedschaft?) Das heißt, kein Mitgliedstaat der Europäischen Union kann und wird auf dem Gemeinsamen Markt wirtschaftlich erfolgreich sein, ohne auch sicherheitspolitisch seinen Beitrag zu leisten. Und der wirtschaftliche Erfolg ist natürlich die Basis und Voraussetzung für die Sicherung der Arbeitsplätze, für die Sicherung des Sozialsystems, für die Sicherung unserer Umweltstandards und für die Sicherung unseres Bildungsniveaus.

Wenn ich die letzten sechs Jahre Revue passieren lasse – seit Dezember 1990 ist Werner Fasslabend Verteidigungsminister in Österreich –, dann waren das gute sechs Jahre für die Sicherheitspolitik in Österreich (Beifall bei der ÖVP) , dann waren das sechs gute Jahre für das österreichische Bundesheer.

Nur einige Beispiele dazu: Ein halbes Jahr nach dem Amtsantritt herrschte Krieg an der steirisch-kärntnerischen Grenze zum früheren Jugoslawien. Unser Heer und unser Verteidigungsminister haben sich bestens bewährt.

Zweitens: Nach dieser Krise ist es gelungen, erstmals die Ausstattung des Bundesheeres mit Lenkwaffen durchzusetzen.

Drittens: Die Strukturänderung, die Heeresgliederung-Neu und die Halbierung der Mobilmachungsstärke in einem Zeitraum, der kein leichter war, durchzusetzen, ist ebenfalls ein solches Verdienst. (Abg. Scheibner: Die Kasernensanierung haben Sie vergessen!)

Viertens: Kasernensanierungen wurden fortgesetzt und werden forciert. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler .) – Sie sind ja nur neidisch, weil Sie so etwas nicht zustande bringen, Herr Kollege. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Fünftens: Ausbildungsreform auf drei Ebenen: Grundwehrdiener, Unteroffiziere und Offiziere.

Sechstens: zukunftsweisende Ersatzbeschaffung. Das war tatsächlich ein Durchbruch für die mechanisierte Truppe der Panzerfahrzeuge verschiedenster Art. 

Siebentens: vorbildliche Personaleinsparung trotz der Bewältigung der Probleme in den Zentralstellen.

Achtens: Die wesentlichste und für mich auch die wichtigste Weichenstellung war der Schritt von der reinen Verteidigungspolitik zur umfassenden Sicherheitspolitik. (Abg. Mag. Stadler: Sie lesen umfassend Ihre Aussendung vor!) Nicht selten wurde auch in diesem Haus Fasslabend wegen seines umfassenden Ansatzes zur Sicherheitspolitik kritisiert. (Abg. Mag. Stadler: Ja das steht hier!) – Sie lesen meine Aussendungen, das freut mich außerordentlich. (Abg. Mag. Stadler hält offensichtlich die Aussendung in der Hand und liest mit.) – Es ist seine Qualität, daß er unbeirrt diesen Weg weitergeht.

Meine Damen und Herren! Wir von der Volkspartei stehen voll und ganz zu diesem umfassenden Sicherheitsbegriff und zu unserem internationalen Engagement für Frieden und Freiheit in Europa. (Abg. Mag. Stadler: Jetzt extemporieren Sie aber! Das sollten Sie nicht machen, sonst kommen Sie ins Trudeln! Halten Sie sich an das Manuskript! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Jetzt ist er völlig aus dem Konzept!) Der Bosnigl dieses Parlaments wird seiner Rolle wieder gerecht. Machen Sie, wie Sie glauben, Sie werden mich nicht beirren. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Ich helfe Ihnen gerne, wenn Sie steckenbleiben!)

Wir werden (Abg. Mag. Stadler: Wir werden! Jawohl, das haben wir da! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen) , wie das auch bei der "Partnerschaft für den Frieden" zum Ausdruck kommt, diese Linie halten. Auch für unsere Entscheidung


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für die Teilnahme an jenem Sicherheitssystem, das in und für Europa entsteht, werden wir unsere Überzeugungsarbeit leisten. (Abg. Mag. Stadler: Wo ist der Khol? Der würde das normalerweise sofort abdrehen! Der würde schon auf die Uhr zeigen! – Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Unmittelbar nach dem NATO-Gipfel in Juli dieses Jahres in Madrid werden wir in Österreich die diesbezüglichen Arbeiten aufnehmen: im Rahmen der Bundesregierung, im Rahmen der befaßten Ministerien und zeitversetzt in den parlamentarischen Gremien.

Meine Damen und Herren! Österreich hat stets darauf geachtet, die größtmögliche Handlungsfreiheit in außen- und sicherheitspolitischen Fragen zu haben. Spätestens aber im ersten Vierteljahr 1998 ist die Entscheidung über den österreichischen Weg einer künftigen Sicherheitspolitik zu treffen, und wir werden unseren Teil für diese Überzeugungsarbeit gerne leisten. (Beifall bei der ÖVP sowie ironische Bravorufe und Beifall der Abg. Mag. Stadler und Firlinger .)

17.40

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.40

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Maitz! Ich muß auf einige deiner Aussagen eingehen. Wenn jemand Schwierigkeiten hat, zwischen Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden, dann bist das wirklich du beziehungsweise deine Fraktion, die ÖVP (Beifall beim Liberalen Forum, demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen) , und zwar vor allem dann, wenn erklärt wird, daß die letzten sechs Jahre gute Jahre für die Landesverteidigung waren, wenn hier erklärt wird, daß dieser Zustandsbericht eine ausgezeichnete Grundlage für eine weitere Beurteilung der Sicherheitspolitik ist. Da liegen Sie weit daneben, das ist sehr weit gefehlt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn dann auch noch diejenigen, die sich kritisch dazu äußern und konstruktive Vorschläge einbringen, abqualifiziert werden, dann muß ich sagen, das ist nicht der politische Stil, den wir uns im Bereich der Verteidigungspolitik erwarten und wünschen und der hier in diesem Hohen Hause gerade in der sensiblen Frage der Sicherheitspolitik herrschen sollte. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Ich komme nun (Abg. Schwarzenberger und Abg. Steibl: Zum Schluß!) zu dem zur Debatte stehenden Zustandsbericht, weil es wirklich notwendig ist, sich kritisch damit auseinanderzusetzen. Das ist eine längst fällige Debatte. Ich bedauere es außerordentlich und ich halte es für einen schweren Fehler, daß wir erst jetzt, mehr als ein Jahr nach Abschluß des Reformschrittes Heeresgliederung-Neu, diesen Zustandsbericht im Hohen Hause debattieren können. Wir halten es für eine absolute Notwendigkeit, hier im Parlament diese Debatte über den Zustand der Landesverteidigung und über den Zustand des Bundesheeres führen zu können.

Ich halte es auch wirklich für einen Fehler im Bereich der sicherheits- und verteidigungspolitischen Entwicklung, daß wichtige Fragen der Landesverteidigung einfach totgeschwiegen und unter den Tisch gekehrt werden. Es ist einfach eine Notwendigkeit, daß hier kontinuierlich und periodisch Fragen der Landesverteidigung debattiert werden! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen.)

Wir werden daher den Antrag des Kollegen Scheibner, daß der Verteidigungsminister hier jährlich ein Weißbuch vorzulegen hat, unterstützen. Wir selbst haben ja bereits – ich darf Sie daran erinnern – zwei Anträge auf Vorlage eines Zustandsberichtes eingebracht. Der erste Antrag wurde im Jahr 1993 eingebracht, der zweite Ende 1994, und jetzt steht endlich jener Antrag, den ich vor einem Jahr eingebracht habe, in Verhandlung und wird in einem erledigt.


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Meine Damen und Herren! Wir erweisen dem Bundesheer, wir erweisen der Verteidigung keinen guten Dienst, wenn wir diese Fragen hier im Hohen Hause nicht debattieren und diskutieren.

Nun zum Zustandsbericht, zum Situationsbericht 1996. Meine Damen und Herren! Ich bin wirklich enttäuscht über das vorgelegte Papier. Es ist zwar wunderschön formuliert, keine Frage – das habe ich auch im Ausschuß gesagt –, aber das ist kein politischer Rechenschaftsbericht, Herr Kollege Murauer. Dieser Bericht ist unvollständig, läßt viele Fragen offen und beschönigt die Situation im Bundesheer. Das sei hier mit aller Deutlichkeit gesagt! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Schwarzenberger: So schlecht, wie Sie es darstellen, ist es nicht. Seit Sie in Frühpension sind, machen Sie das Bundesheer schlecht!)

Lieber Herr Kollege! Es ist wirklich skandalös, daß dieses Hohe Haus aufgrund dieses unvollständigen, geschönten Berichts nicht richtig informiert wird. Das ist eine Zumutung und ein Schaden für das Bundesheer insgesamt.

Meine Damen und Herren! Ich bin gespannt, was Kollege Gaál machen wird. Ich bin gespannt, wie Kollege Gaál beziehungsweise die SPÖ-Fraktion sich verhalten wird und ob sie heute zustimmen wird. Kollege Gaál hat nämlich in einer Aussendung unter anderem erklärt – ich zitiere daraus –: ... daß dieser Zustandsbericht leider relativ wenig aussagekräftig ist. Es ist zuwenig auf die Zielsetzungen eingegangen, vor allem für die betroffenen Bereiche, wie Verdichtung des Kaderpersonals, Verringerung der Anzahl der Einheiten, Lagerkonzept, Kasernenkonzept, Kompetenzregelung zwischen der Zentralstelle ... und so weiter. All das wurde auch aus seiner Sicht unzureichend behandelt. Daher kann man, wie ich meine, einem derartigen Zustandsbericht, einem derartigen Situationsbericht nicht zustimmen, und daher werden wir diesen Zustandsbericht ablehnen, meine Damen und Herren! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe der Abg. Rosemarie Bauer .)

Wir werden ihn auch aus inhaltlichen Gründen ablehnen, Frau Kollegin. Ich werde gleich darauf eingehen. Schauen wir uns nur einige Punkte daraus an. – Ich habe nur noch 10 Minuten Redezeit, aber diese 10 Minuten möchte ich entsprechend nutzen.

Schauen wir uns einmal den Zustandsbericht zum Thema Bedrohungsbild an. Da wird sehr interessant ausgeführt: Es kommen neue Aufgaben wie die Bewältigung und Steuerung der Migrationsströmungen und die Kontrolle der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität auf das Bundesheer zu. – Meine Damen und Herren! Seit wann hat das Bundesheer von der Verfassung her sicherheitspolizeiliche Aufgaben wahrzunehmen? Wir sollen plötzlich die subkonventionelle Bedrohung als eigenständige, taktisch-operative Herausforderung beherrschen? Ja wie denn, meine Damen und Herren?!

Oder: Plötzlich haben wir die Aufgabe, die EU-Außengrenze zu verteidigen. Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, sind nicht in der Lage, in der Regierung durchzusetzen, daß wir Mitglied der Westeuropäischen Union werden, daß wir uns einen Beitritt zu einem europäischen Sicherheitssystem wie beispielsweise der NATO überlegen. Und dann kommen Sie beziehungsweise kommt der Verteidigungsminister daher und erklärt, daß es plötzlich die Aufgabe des Bundesheeres sei, die EU-Außengrenze zu verteidigen. – Das, meine Damen und Herren, kann doch nicht wirklich ernst gemeint sein! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Daher haben wir Probleme im Zusammenhang mit diesem Sicherheitsbericht, vor allem mit der Frage, in welche Richtung das Bundesheer plötzlich entwickelt werden soll. Das ist nicht im Sinne der Bundesverfassung. Einer derartigen Entwicklung, wonach das Bundesheer künftig verstärkt sicherheitspolitische Aufgaben wahrnehmen soll, werden wir sicherlich nicht zustimmen. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Der nächste Punkt, meine Damen und Herren, ist die Frage der Führungsorganisation. Auch dieser Punkt ist inhaltlich zu hinterfragen. Wir sollten hier wirklich darüber diskutieren, was in diesem sogenannten Situationsbericht steht. Da steht zum Beispiel, welche strukturverbessernden Maßnahmen getroffen worden sind:


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Es ist das Armeekommando aufgelöst worden, aber gleichzeitig ist in der Zentralstelle eine Sektion zusätzlich geschaffen worden. Es ist das Kommando der Grenadierdivision aufgelöst worden (Abg. Kiss: Das stimmt ja gar nicht!) , aber gleichzeitig, Herr Kollege, ist ein Korpskommando aufgestellt worden. Es ist das Divisionskommando ZBV – Militärakademie aufgelöst worden. Die Militärakademie steht noch, das Divisionskommando ZBV ist als Mob-Kommando weg.

Es sind 25 Regimentskommanden der Mob-Organisation aufgelöst worden, aber nicht im Rahmen einer Straffung und der Notwendigkeit, die Führungsstruktur zu verbessern oder den neuen Gegebenheiten anzupassen. Inhaltlich ist dieser Zustandsbericht daher in dieser Form nicht zu vertreten. (Abg. Schwarzenberger: Herr Minister! Ist ein General, der ein Träumer ist, wirklich am richtigen Platz?)

Nächster Punkt: Was die Führungsstruktur betrifft, kann ich der Führung der Korpskommanden, der Militärkommanden als rein territoriale Kommanden in Ansätzen zustimmen. Man verschweigt aber die Notwendigkeit der Rolle der Brigadekommanden als wesentliche Kommanden der mittleren Führungsebene, obwohl man weiß, daß es eigentlich notwendig wäre, gerade solche Kommanden aufrechtzuerhalten und, wenn Sie so wollen, sogar weitere zu schaffen, und zwar deshalb, weil wir in den letzten Jahren unser Einsatzkonzept umstellen mußten, weil wir eben von einem territorialen, raumgebundenen Konzept der Raumverteidigung abgekommen sind, hin zu einem sehr beweglichen Konzept der Verteidigung unserer Grenzen, des Grenzschutzes. Aber in den Strukturen hat man dem nicht Rechnung getragen.

Meine Damen und Herren! Daher liegen Sie inhaltlich falsch, wenn Sie meinen, daß dieser Zustandsbericht die Gegebenheiten im Bundesheer entsprechend positiv widerspiegelt.

Der nächste Punkt, den es zu hinterfragen gilt, ist die Frage der Entwicklung des Kaderpersonals, die Personalentwicklung innerhalb des Bundesheeres. Da steht groß: Es sind 1 731 Planstellen reduziert worden, eine Reduktion um weitere 599 Planstellen ist vorgesehen. Wissen Sie, wo man reduziert hat? – Man hat im Bereich der Truppe reduziert, genau dort, wo es gemäß Zielsetzungen der Heeresgliederung-Neu notwendig und sinnvoll gewesen wäre, eine Verdichtung herbeizuführen. Das heißt, Sie haben genau das Gegenteil von dem gemacht, was mit der Heeresgliederung beabsichtigt war, was notwendig gewesen wäre, durch die Heeresgliederung-Neu entsprechend umzusetzen.

Im Detail: Es wird die Situation mit den Militärpersonen auf Zeit groß gelobt. (Abg. Dr. Fuhrmann: Das hat er gemacht? Das glaube ich nicht! – Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.) – Das hat er gemacht. Kollege Gaál wird das bestätigen, Herr Kollege Fuhrmann.

Zur Situation mit den Zeitsoldaten – ich erwähne dies deshalb, weil es für die personelle Entwicklung im Bundesheer schlechthin entscheidend ist –: Von den 7 809 Planstellen – die Heeresgliederung-Neu hatte über 8 000 vorgesehen – sind sage und schreibe nur 3 600 besetzt. (Ruf bei den Freiheitlichen: Dabei gäbe es genügend Anwärter!) Warum? – Weil es nicht mehr Planstellen gab, weil die Planstellen durch ein verfehltes Personalmanagement falsch verwendet wurden. Daher haben wir eben kein Geld für die Planstellen der Zeitsoldaten. Ich meine, daß man, wenn weiter so vorgegangen wird, der Truppe, dem Bundesheer die Basis entzieht und die Voraussetzungen für eine gedeihliche Kaderentwicklung nimmt.

Aber wenn wir uns ansehen, wie der Erfüllungsgrad im Arbeitsplatzrahmen aussieht, dann finden wir folgende Werte: Im Bereich der Unteroffiziere beträgt der Erfüllungsgrad 58 Prozent, bei den Zeitsoldaten liegt er unter 50 Prozent. Aber, meine Damen und Herren, wo liegen wir bei den Vorgaben über 100 Prozent? – Bei den Zivilbediensteten, also genau dort, wo es gemäß Heeresgliederung-Neu notwendig gewesen wäre, Reformschritte zu setzen und den Verwaltungsbereich abzuspecken.

Dafür haben wir die Planstellen genutzt, dort haben wir Personal eingesetzt, aber nicht im Bereich der Truppe. Das ist eine Fehlentwicklung, und wir werden eine solche Fehlentwicklung immer kritisch aufzeigen. Wir werden aber auch weiterhin konstruktive Vorschläge einbringen, wie man diese Angelegenheit bereinigen kann. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Meine Damen und Herren! Ich komme weiters zu den in der Zusammenfassung dargestellten Konsequenzen im Zusammenhang mit der Personalsituation. (Rufe bei der ÖVP: Jetzt geht es los!) Da steht: Es wird nach erfolgter Einnahme eine Strukturoptimierung durchzuführen sein, wobei wiederum eine Verdichtung erfolgen soll. Aber wo verdichtet man wieder? – Bei der Truppe. In Wahrheit geht es nur wieder darum, Verbände und Einheiten aufzulösen, aber man setzt keine Schritte, um die Verwaltung zu reduzieren.

Als nächstes wird eine mögliche Differenzierung in kaderstarke und Normalverbände erwähnt. Herr Bundesminister! Ein derartiger Ansatz ist schon einmal gescheitert. Schon einmal ist eine Heeresgliederung gescheitert, weil man unterschieden hat: Auf der einen Seite gibt es die Bereitschaftstruppenverbände, auf der anderen Seite die Landwehr; auf der einen Seite gibt es Verbände der Kategorie A, die rasch verfügbar sein und eine entsprechende Präsenzstärke haben müssen, und auf der anderen Seite gibt es die mobil zu machende Miliz. Damit hat man das Bundesheer auseinanderdividiert.

Ich meine, der richtige Weg ist, daß wir ein Bundesheer haben, das entsprechende Aufgaben hat. Ich befürworte das integrierte Zusammenführen von Aktivkader und Milizkader, ein integratives Zusammenführen mit den aktiven und stehenden Verbänden, die auch eine entsprechende Aufgabe im Rahmen der Mobilmachung haben.

Meine Damen und Herren! Ich komme abschließend noch kurz auf einige andere Punkte, bei denen die Zielsetzung der Heeresgliederung-Neu nicht erfüllt werden konnte, zu sprechen, zum Beispiel bei den Präsenzkräften. Betreffend die Präsenzkräfte steht im Zustandsbericht, daß man eine Schwergewichtsverlagerung hin zur Truppe vornehmen will und vornehmen muß. Aber es war schon bisher vorgesehen, das zu tun. Was aber hat man gemacht? – Man hat das wertvolle Kaderpersonal, man hat die Grundwehrdiener im Bereich der Stäbe in Verbänden mit weniger hoher Priorität eingesetzt und nicht in den präsenten Kräften.

Im Bereich der Rüstungspolitik sind die Entscheidungen nicht zeitgerecht getroffen worden. Ich darf Sie etwa an das Mech-Paket erinnern: Da hätten wir längst die Entscheidung treffen sollen. Die Mannesausrüstung ist nach wie vor unzureichend; im Bereich der Hubschrauberbeschaffung ist nichts geschehen; im Bereich der Transportflugzeuge, die dringend notwendig sind, um unsere Aufgaben im Rahmen der internationalen Katastrophenhilfe wahrzunehmen ist nichts passiert. Da sind Sie säumig.

Im Zuge der Verwaltungsreform wurde eine Reduzierung im Bereich der Zentralstelle groß angekündigt. – Die Planstellen in der Zentralstelle sind seit Jahren gleich geblieben, aber die Reduzierungen im Personalbereich hat man dann bei der Truppe vorgenommen. Im Bereich der Ämter ist auch nichts geschehen. Meine Damen und Herren, das heißt, die Verwaltungsreform ist auch in diesem Bereich gescheitert.

Oder: der Bereich des betriebswirtschaftlichen Rechnungswesens, der Kostenrechnung, eine weitere Zielsetzung gemäß Heeresgliederung-Neu. Auf parlamentarische Anfragen von den Liberalen an den Bundesminister hat man geantwortet: Wir können keine Berechnungen anstellen, was uns das erste Korps kostet, was uns das zweite Korps kostet, was uns die Fliegerdivision kostet. Das ist nicht möglich. – Herr Bundesminister! Sie haben in Ihrem Ressort nicht einmal die einfachsten notwendigen betriebswirtschaftlichen Entscheidungsgrundlagen. Auf dieser mangelhaften Grundlage kann man keine wirklich sinnvolle Heeresreform und auch keine Strukturverbesserungen aufbauen. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Schwarzenberger: Ohne einen einzigen Vorschlag zu machen!)

Meine Damen und Herren! Bevor ich zum Schluß komme, möchte ich, weil es mir ein besonderes Anliegen ist und auch dazugehört, noch auf einen anderen Bereich der Personalentwicklung hinweisen. Gerade die Diskussionen der letzten Wochen haben gezeigt, daß wir ein sehr schweres Versäumnis im Zusammenhang mit der Pensionsvorsorge für jene Soldaten, die den ordentlichen Präsenzdienst, aber auch für jene, die den außerordentlichen Präsenzdienst im Rahmen der Vereinten Nationen leisten, haben. Da gibt es Bestimmungen, die einfach unverständlich sind.


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Ich werde daher in naher Zukunft einen entsprechenden Selbständigen Antrag einbringen. Wir haben im Parlament bereits einen Entschließungsantrag eingebracht, der sicherstellen soll, daß der Bundesminister für Landesverteidigung aufgefordert wird, umgehend alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, die erstens gewährleisten, daß für alle ordentlichen und außerordentlichen Präsenzdiener die während ihrer Wehrdienstzeit erworbenen Versicherungszeiten als pensionswirksame Beitragszeiten in vollem Umfang einbezogen werden, und zum zweiten, daß dort, wo es Probleme gegeben hat, wo es noch keine derartige Absicherung gegeben hat, für eine Entschädigung der als Ersatzzeit nicht beitragswirksamen Versicherungsjahre gesorgt wird. Meine Damen und Herren! Das halten wir für eine zwingende Notwendigkeit gerade denjenigen gegenüber, die für unser Land, für das Bundesheer ihren Dienst im In- und Ausland ordentlich wahrgenommen und durchgeführt haben.

Ich komme zum Schluß. Herr Bundesminister! Dieser Situationsbericht, den Sie vorgelegt haben, ist – ich habe es schon gesagt – kein politischer Rechenschaftsbericht, ist auch kein wirklicher Zustandsbericht, sondern eigentlich eine Schönfärberei. Er ist für mich auch Ausdruck dafür, daß diese Heeresreform gescheitert ist, er ist für mich auch Ausdruck dafür, daß dieses Bundesheer nicht wirklich einsatzbereit ist, daß wir noch weit von einem Europa-Standard entfernt sind und daß Sie, Herr Bundesminister, dafür die politische Verantwortung tragen! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Deshalb werden Sie als Offizier nicht mehr ernst genommen!)

17.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaál. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.58

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir geben heute diesem Situationsbericht unsere Zustimmung, weil wir darin einen sehr brauchbaren Ansatz dafür sehen, daß damit die Basis für die weitere Grundsatzplanung des Bundesheeres gelegt wurde. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es ist viel Positives enthalten, aber dennoch, Herr Bundesminister, ist einiges an dem vorliegenden Situationsbericht zu kritisieren, da er viele Punkte betreffend die Umsetzung der 1992 eingeleiteten Heeresgliederung offen läßt.

Kollege Moser hat mich heute schon zitiert. Ich hätte mir von einem Zustandsbericht wirklich mehr erwartet. Herr Bundesminister! Ich hätte mir erwartet, daß auf viele Bereiche eingegangen wird, die heute hier schon angesprochen worden sind, zum Beispiel auf die Verdichtung des Kaderpersonals im Ausbildungsbereich, auf die Verringerung der Anzahl der Einheiten, auf die Erstellung eines Schulkonzeptes – Kollege Dr. Antoni wird sich in seinem Debattenbeitrag im Detail damit beschäftigen – oder auch auf die Durchführung der Personalreduktion im Bereich der Zentralstellen sowie bei den Kommanden und Stäben. Das alles geht aus dem vorliegenden Bericht wirklich nicht hervor. (Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen.)

Viele der darin aufgestellten Schlußfolgerungen hätten ja bereits bei der Verwirklichung der Heeresgliederung 1992 umgesetzt werden müssen. Welche Maßnahmen wurden zum Beispiel getroffen, damit das Mißverhältnis zwischen Truppenumfang und Führungskader behoben wird? Warum wird zum Beispiel die Ausbildung von Generalstabsoffizieren im bisherigen Umfang weitergeführt, Herr Bundesminister? – Das Bundesheer hat über 200 Generalstabsoffiziere. Ein laufender Kurs "produziert" heuer weitere 30 Absolventen, und für den Herbst ist bereits ein neuer Kurs für 30 weitere Teilnehmer einberufen worden. Für welchen Heeresumfang "produzieren" Sie diese Experten, Herr Bundesminister?

Grundsätzlich fehlt mir in diesem Bericht auch eine Aufschlüsselung, wie viele Grundwehrdiener der Einsatzausbildung zugeordnet werden und wie viele nur als Systemerhalter eingesetzt werden. Diese Zahlen sind deshalb so wichtig, weil für das Funktionieren unseres Milizsystems ein jährlicher Neuzugang erforderlich ist.

Wenn die Gerüchte stimmen, daß für 1998 nur noch Einberufungen zum Grundwehrdienst in der Dauer von acht Monaten erfolgen, also es nur noch sogenannte Durchdiener gibt, dann be


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deutet das, Herr Bundesminister, die Aushöhlung und das Aushungern des Milizsystems. Ich möchte mit aller Deutlichkeit darauf hinweisen, meine Damen und Herren, daß eine solche Vorgangsweise im krassen Gegensatz zu den Bestimmungen des Wehrgesetzes steht, denn der § 1 sagt ja ganz klar und deutlich: Das Bundesheer als die bewaffnete Macht der Republik Österreich ist nach den Grundsätzen eines Milizsystems einzurichten.

Herr "Bundesheerminister"! Ich empfinde es auch als einen echten Mangel, daß es keine generelle Übersicht zum Personaleinsatz der 21 700 Planstellen des Bundesheeres gibt. Wir hätten gerne Aufschluß darüber, wie viele Planstellen in den Zentralstellen, nicht nur in nachgeordneten Dienststellen, wirklich eingespart worden sind oder in andere Bereiche verschoben wurden. (Abg. Mag. Steindl: Im Ausschuß hätten Sie alles diskutieren können!)

Die tatsächlichen Einsparungen, Herr Kollege, interessieren uns. Das ist die wichtige Frage, und die bedarf einer sehr konkreten Antwort. Eine solche ist aber bis heute nicht erfolgt.

Auch die Altersstruktur des Bundesheeres sollte dargestellt werden. Ich glaube, das gehört in einen Zustandsbericht sehr wohl mit hinein.

Und ein Weiteres, Herr Bundesminister: Obwohl das Bundesheer immer wieder Umfragen über die Motivation des Kaders und der Grundwehrdiener in Auftrag gibt, fehlt in diesem Situationsbericht jeder Hinweis darauf.

Für die neuen Aufgabenstellungen des österreichischen Bundesheeres bedarf es ja grundsätzlicher Maßnahmen zur Straffung der Heeresstruktur, und Ausgangspunkt dieser Strukturänderung muß der Grundsatz sein, daß all diese Maßnahmen in einem Gesamtkonzept geregelt sind, nachvollziehbar sind und künftig isolierte Maßnahmen ausgeschlossen sind. (Abg. Jung: Ich glaube, jetzt fordert er den Rücktritt!)

Es besteht kein Grund für eine Rücktrittsaufforderung, Herr Kollege, sondern wir wollen zu dieser an sich guten Arbeit nur sinnvolle Ergänzungen, weil viele Punkte hier offen sind. Das wird von uns hier eingefordert, denn wir sollten uns alle gemeinsam um eine effiziente Landesverteidigung bemühen.

Herr Bundesminister! Wir wissen, daß das Bundesheer in seiner obersten Führungs- und Verwaltungsebene überdimensioniert ist. Das liegt daran, daß 1992 zwar die Mobilmachungsstärke von 300 000 Mann auf 120 000 Mann reduziert wurde, aber Reduktionsmaßnahmen im Führungs- und Verwaltungsapparat nur marginal erfolgt sind. Dadurch explodieren natürlich die Fixkosten, und der Investitionsspielraum wird immer geringer.

Trotzdem muß bei den Umstrukturierungsmaßnahmen darauf geachtet werden, daß die Verfügbarkeit von präsenten Verbänden erhöht wird und auch der Zeitbedarf für die Einnahme der Einsatzorganisationen berücksichtigt wird. Das heißt, es ist nicht erforderlich, Quantität zu produzieren, sondern es müssen qualitativ hochstehende Verbände in relativ kurzer Zeit verfügbar sein. Darum geht es uns, und diesbezüglich wollen wir doch gemeinsam etwas erreichen.

Die Tendenz zu einer mehr oder weniger verpflichtenden Teilnahme an der Friedenssicherung, aber auch die Beteiligung an internationaler Katastrophenhilfe und humanitären Einsätzen ist steigend, und das bedeutet, daß Österreich für diese multinationalen Einsätze gerüstet sein muß. Daher muß für diese Aufgabe eine erhöhte Verfügungsbereitschaft von militärischen Einheiten sichergestellt werden. Mit den derzeitigen Strukturen und den derzeitigen Abläufen können diese internationalen Aufgaben aber weder in qualitativer noch in zeitlicher Hinsicht erfüllt werden.

Es gäbe noch eine ganze Reihe von Maßnahmen, die ich hier ansprechen könnte, Maßnahmen zur Verbesserung der Effizienz des Bundesheeres, Maßnahmen, die auch Auswirkungen im finanziellen Bereich haben, aber ich möchte mich nur auf einige wenige beschränken.

Grundsätzlich, Herr Bundesminister, sollten alle diese Maßnahmen in Angriff genommen werden, und das heißt, daß aus Reden Praxis werden muß.


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Herr Bundesminister! Die 1992 beschlossene Verteidigungsdoktrin und die damit verbundene Reduzierung des Heeresumfanges erfordern sinnvollerweise Konsequenzen im Hinblick auf die benötigten Kasernen, Lager und Truppenübungsplätze. Ich gehe davon aus, daß die nicht mehr benötigten oder unwirtschaftlichen Objekte und Liegenschaften auch veräußert werden, daß Ausbildungsstätten, die im Laufe der Jahrzehnte in die Städte hineingewachsen sind, verlegt werden und ein möglichst kurzer Zugang zu den Übungsgeländen gewährleistet ist.

Es muß auch die Anzahl der in vielerlei Hinsicht äußerst unwirtschaftlichen Kleinkasernen verringert werden. Es ist dies sicherlich ein sehr schwieriges Unterfangen, aber wir werden Sie hier politisch unterstützen.

Ich glaube, wir müssen in Österreich den Weg zu einer neuen, verkleinerten Heeresstruktur gehen. Die jetzigen Strukturen erfordern hohe finanzielle Mittel, die nicht zur Verfügung stehen und realistisch betrachtet auch in Zukunft nicht zur Verfügung stehen werden. Das Bundesheer produziert zuwenig Kampfkraft, nämlich in einem Ausmaß, das in keinem Verhältnis zu seiner Stärke steht, und dieses Verhältnis gilt natürlich auch für den finanziellen Bereich.

So niedrig das österreichische Verteidigungsbudget im Vergleich zu anderen Staaten auch erscheinen mag, es sind zweifellos Investitionen im Materialbereich erforderlich. Aber da kaum mehr Geld zur Verfügung steht (Abg. Scheibner: Warum steht nicht mehr zur Verfügung?) , kann eine Sanierung nur dadurch erfolgen, muß man seriöserweise sagen, daß Kostenstellen, also Personal, Material, Infrastruktur, reduziert werden.

Das Ergebnis ist möglicherweise ein kleineres Heer, aber es ist das, glaube ich, der einzig sinnvolle Weg, weil dadurch militärische Landesverteidigung glaubhaft wird und damit auch die erforderliche Akzeptanz in der Bevölkerung erreicht wird.

Der sicherheitspolitische Weg Österreichs ist, wie immer an einzelnen Weggabelungen entschieden werden mag, einer, der nicht ohne die militärische Komponente denkbar ist, denn selbst die beste präventive Friedenspolitik wird ohne Sanktionsmittel nicht auskommen.

In seiner jetzigen Version, Herr Bundesminister, kann der vorliegende Situationsbericht sicherlich nicht als Fundament für die zu treffenden Grundsatzentscheidungen und die erforderlichen Maßnahmen angesehen werden. Hier bedarf es noch vieler Ergänzungen. Einige habe ich heute bereits angesprochen. Ich möchte Sie einladen, Herr Bundesminister, unsere immer wieder eingebrachten Vorschläge und Konzepte zur Modernisierung der österreichischen Landesverteidigung ernst zu nehmen, und Sie ersuchen, sie in Ihre wehrpolitischen Überlegungen mit einzubeziehen.

Sorgen wir gemeinsam für eine glaubwürdige Landesverteidigung und für ein effizientes Bundesheer, das für diese neuen Herausforderungen, vor allem für diese neuen internationalen Herausforderungen, gerüstet ist. Wir sind bereit, hier aktiv mitzutun und mit Ihnen gemeinsam diesen Weg zu gehen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort hat sich Herr Bundesminister Fasslabend gemeldet. – Herr Bundesminister, Sie sind am Wort.

18.08

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich präsentiere heute den Situationsbericht des österreichischen Bundesheeres mit Stolz auf die Leistungen der Angehörigen des österreichischen Heeres, die in einer Zeit, die nicht einfach war, unter schwierigsten Umständen und insbesondere auch mit äußerst begrenzten finanziellen Mitteln ein hervorragendes Ergebnis erzielt haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist gelungen, innerhalb weniger Jahre die Einsatzbereitschaft und Leistungsfähigkeit des österreichischen Bundesheeres bedeutend zu steigern, und zwar nicht nur dadurch, daß in diesen Jahren eine der größten Organisationsänderungen durchgeführt wurde, sondern es war


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gleichzeitig auch die erste Reaktion in Europa auf die neue Sicherheitssituation, die erfolgreich begonnen und fortgeführt wurde. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben damit – insbesondere durch die Verknüpfung von Friedens- und Einsatzorganisation – ein wesentlich höheres Ausmaß an Einsatzbereitschaft, an Führungsfähigkeit erreicht, was zweifellos ein bedeutender Beitrag für die Sicherheit des Landes ist.

Darüber hinaus wurde in den letzten Jahren auch eine der größten Ausbildungsreformen durchgeführt, die nicht nur die Grundwehrdiener und die Offiziere, sondern auch die Unteroffiziere erfaßt hat und ihren sichtbaren Ausdruck auch in der Schaffung der Heeresunteroffiziersakademie gefunden hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich kann heute durchaus mit Stolz sagen, daß Österreich, was das Ausbildungsniveau des österreichischen Heeres betrifft, zweifelsohne zum ersten Drittel in Europa zu zählen ist, daß es nur wenige Armeen gibt, die den Standard der österreichischen Ausbildung in der Qualität übertreffen können. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir haben es geschafft, trotz der begrenzten Mittel einen Technologieschub für das Bundesheer zu erreichen und zweifelsohne auch die Schlagkraft des Heeres ganz bedeutend zu erhöhen, und zwar nicht nur durch die Anschaffung der Lenkwaffen Boden-Boden, Boden-Luft und Luft-Luft, sondern auch im Bereich der Artillerie und insbesondere auch was die Führungsfähigkeit betrifft, was etwa Radarsysteme betrifft, und nicht zuletzt durch das mechanisierte Paket, durch das sogenannte Mech-Paket, das vor wenigen Wochen beschlossen worden ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben in diesem Zeitraum außerdem mit allen unseren Nachbarstaaten und einer sehr großen Anzahl weiterer europäischer und außereuropäischer Staaten auch enge Kooperationsprogramme eingeführt und sind zweifellos eine der Armeen in Europa, die über ein höchst intensives Kooperationsprogramm mit anderen verfügen.

Wir haben in diesem Zeitraum auch die größte Dichte von Einsätzen gehabt, beginnend mit dem Einsatz in Jugoslawien bis hin zum Assistenzeinsatz im Burgenland. Es stehen zurzeit ständig 3 500 Soldaten im Einsatz. Übertragen auf internationale Größenordnungen würde das bedeuten, daß etwa Deutschland ständig 35 000 Soldaten im Einsatz haben müßte.

Dieser Einsatz unserer Soldaten hat zweifelsohne auch internationale Anerkennung gefunden, und ich möchte das Lob, das unsere Leute bekommen haben, hier nur kurz wiedergeben.

Die bekanntesten und anerkanntesten Soldaten und Militärexperten der Welt wie General Joulwan oder der amerikanische Verteidigungsminister Perry klassifizieren die Arbeit und die Leistung der österreichischen Soldaten mit Worten wie "outstanding contribution", "excellent work", "great success", "outstanding" und "most professional".

Ähnliche Worte für den Einsatz unserer Soldaten fanden die Franzosen, die Deutschen und auch die Engländer, und wir haben allen Grund, darauf stolz zu sein. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich möchte auch dazusagen, in welchen Bereichen wir über besondere Qualitäten verfügen. Wir können ohne Übertreibung sagen, daß wir im Bereich der Katastrophenhilfe in Europa heute absolute Spitze sind, von keinem einzigen anderen Land übertroffen. Wir können sagen, daß wir im Bereich Intelligence zu den Weltbesten gehören. Wir können sagen, daß wir im Alpinbereich über absolut überdurchschnittliche Qualitäten und Kapazitäten verfügen, und wir werden nach der erfolgreichen Implementierung des Mech-Paketes auch im mechanisierten Bereich in Europa durchaus über besten europäischen Standard verfügen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Scheibner: Ist das die Hauptaufgabe? Sagen Sie, was die Hauptaufgabe einer Armee ist und ob Sie die erfüllen können!)

Wir werden diese Linie fortsetzen. Mein Ziel ist es, alles zu unternehmen, um die österreichische Armee insgesamt auf den besten europäischen Standard, auf NATO-Standard zu bringen, unabhängig von der Frage einer Vollmitgliedschaft in dieser Organisation. Es ist nämlich not


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wendig, wenn man international kooperieren und für die Sicherheit des eigenen Landes das Beste tun will, auch den besten Standard anzustreben und zu realisieren. Diesbezüglich sind wir bereits auf dem besten Weg.

Wir haben, was den NATO-Review-Prozeß für unsere Armee betrifft, von insgesamt 15 angestrebten Kriterien neun bereits erfolgreich absolviert, und wir werden die restlichen sechs im ersten und zweiten Halbjahr 1997 absolvieren und damit einen ganz gewaltigen Schritt in der Leistungssteigerung weitergekommen sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Scheibner: Was hilft das, wenn wir nicht dabei sind?)

Der Situationsbericht verschweigt auch nicht, wo unsere Probleme liegen, nämlich im finanziellen Bereich. Zweifelsohne ist das österreichische Verteidigungsbudget nach internationalen Maßstäben eines der geringen. Zweifellos bedeutet das zahlreiche Erschwernisse nicht nur für unsere Mitarbeiter, sondern es bedeutet auch, daß wichtige Anschaffungen oft verspätet oder auch in einer Anzahl getätigt werden müssen, die nicht dem Idealtypus entspricht.

Ich halte es daher für ganz wichtig, auch darauf hinzuweisen, daß wir uns zum Sparkurs der österreichischen Bundesregierung bekennen – selbstverständlich werden wir ihn auch in Zukunft mittragen –, aber andererseits muß uns selbstverständlich auch die Sicherheit unseres Landes und die Sicherheit unseres Umfeldes, von der wir ganz enorm profitieren, etwas wert sein. In diesem Sinne ersuche ich Sie auch um Ihre Unterstützung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Redner ist der Abgeordnete Dr. Ofner. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

18.16

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! – Herr Bundesminister, an deiner Stelle würde ich mir Sorgen machen. Ich weiß schon, daß man recht einsam ist auf der Regierungsbank, aber die Verteilung der Kritik und der Zustimmung hier im Haus ist doch recht eindeutig: Die Freiheitlichen kritisieren massiv, die Liberalen kritisieren massiv, die Sozialdemokraten kritisieren massiv, eingehüllt in den Mantel eines schönen Eröffnungssatzes und eines schönen Schlußsatzes. Die Grünen haben sich abgemeldet, das wundert mich weniger. Aber: Nur die eigene Fraktion und nur die eigenen aufmunternden Worte des Ministers – das ist auf die Dauer zum Fürchten, da wird man aufpassen müssen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Stolz auf unsere Soldaten sind wir alle. Umso unverantwortlicher finden wir Freiheitlichen es, daß sie von der politischen Führung in einer Art und Weise im Regen stehengelassen werden, wie es in der Zweiten Republik noch nie der Fall gewesen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie leisten etwas im Inland und im Ausland, und sie verdienen es, daß wir uns deutlicher ihrer Probleme annehmen, als das derzeit der Fall ist, und daß wir ihnen Überlebenschancen geben.

Die Heeresgliederung-Neu ist übergegangen in die Heeresgliederung-Neu-Neu, und hinter den Kulissen wird darüber geredet, daß auch diese Gliederung schon zwischen den Händen der Verantwortlichen zerrinnt und wir uns eigentlich schon in der Heeresgliederung-Neu-Neu-Neu befinden. Denn: Wir haben zwar viele Häuptlinge, aber keine Indianer.

Für die Heeresgliederung-Neu-Neu wären 34 000 Grundwehrdiener im Jahr notwendig. Wir halten derzeit bei 29 000, ja es ist auch schon von 28 000 die Rede.

Der Zivildienst, die vielen Freistellungen – deshalb applaudieren ja die Bauernkammerfunktionäre so leidenschaftlich bei den Ausführungen des Ministers –, die hohe Zahl der Untauglichen, auch jener, die nachträglich untauglich werden, höhlen das Heer aus. (Abg. Schwarzenberger: Und die Freiheitlichen intervenieren bei uns, wir sollen für sie vorsprechen!) Aber du freust dich darüber, daß es ausgehöhlt wird, denn ihr meint alle, daß das Hemd jedem näher ist als der Rock, aber das kann einmal fürchterlich ins Auge gehen. (Abg. Schwarzenberger: Wir freuen


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uns, wenn solche Schwachstellen wie der Jung ausgemerzt werden! – Abg. Scheibner: Was wollen Sie wo ausmerzen, Herr Kollege?)

Tatsächlich ist es so, daß man dort, wo es das Ausland verlangt, ein eher musterschülerhaftes Verhalten an den Tag legt oder zumindest den Grundanforderungen entspricht. Der Bosnien-Einsatz stand vor der Tür, und auf einmal waren taugliche Stahlhelme da, auf einmal waren Splitterschutzwesten da, aber alles bisher in einer Stückzahl, die für die neue Mob-Summe keineswegs ausreicht.

Alle anderen müssen sich mit Stahlhelmen nach dem Modell "Zweiter Weltkrieg" begnügen, müssen sich mit den normalen RAL-Anzügen begnügen, ohne in irgendeiner Weise gegen Splitter oder ähnliches geschützt zu sein.

Es gibt den neuen Allwetteranzug, den Goretex-Anzug. Wer hat ihn? Haben ihn die Jäger draußen in der Kälte und im Graben? – Nein, die Angehörigen der Kommanden und die Angehörigen der Stäbe haben ihn! Da kann uns auch nicht trösten, daß es heißt – und vielleicht stimmt das sogar –, es werden ihn auch alle anderen früher oder später bekommen. Nicht diejenigen, die die Allwetterkleidung wirklich brauchen, haben sie zuerst bekommen, sondern die, die an der Quelle sitzen.

Man kauft neue Panzer, aber sie sind natürlich nicht neu. Sie sind ungefähr so alt wie die Panzer, die man ausmottet, die man zur gleichen Zeit auf den Mist schmeißt. Man unterscheidet nicht – ich weiß nicht, ob aus Nachlässigkeit oder weil man einfach nicht unterscheiden möchte – zwischen dem M60A1 (Abg. Murauer: Geht es nicht etwas leiser?) , kampfwertgesteigert, Murauer, auf A3, der im Osten Österreichs plaziert ist und der Jahrgang 1964 ist, und dem M60A3 späterer Provenienz, der Auslieferungsjahrgang 1981 ist.

Und die übertragenen Leopard-Panzer, die man kauft, sind auch Jahrgänge 1981 bis 1986, wenn auch, wie ich zugebe, mit Masse 1982, 1984 und 1985. Die sind grundsätzlich nicht jünger als ein guter Teil, als ein Drittel der Panzer, die wir in Betrieb haben.

Vor ein paar Tagen hat man im Zusammenhang mit dem Tod eines Mächtigen in China, in Taiwan wieder einmal gezeigt, was man militärisch kann. Dort hat man bekanntlich Geld, und dort nimmt man die Verteidigung auch ernst. Was fährt dort über den Bildschirm? Der M60. So wie das auch bei ähnlichen Anlässen in anderen Ländern der Fall ist. Und darum verstehe ich nicht, warum man partout reduzieren möchte, warum man den M60A3, der in Oberösterreich zu Hause ist, etwa Panzerbataillon 14, nicht behält und auf diese Weise die Kampfkraft nicht so deutlich reduziert, wie es offenbar derzeit vorgesehen ist.

Es wird das deutsche gepanzerte Fahrzeug Jaguar gekauft. Nachträglich stellt sich heraus, daß das alles, was man an Bergepanzern zur Verfügung hat, was man gehofft hat, zum Einsatz bringen zu können, für den Jaguar, der gut und wichtig sein mag, leider nicht verwendet werden kann. Der Bergepanzer Greif ist zu schwach, der derhebt ihn nicht. Und die Bergepanzer der M-Serie sind in so geringer Stückzahl vorhanden, daß man sie schon deshalb dafür nicht heranziehen kann.

Bei einer diskreten Zählung stellt sich heraus, daß es etwas gibt, was wie ein Staatsgeheimnis behandelt werden sollte und wohl auch behandelt wird: Für alles, was es an neuen Panzern gibt, gibt es nicht einmal eine volle Munition-Erstmalsausstattung. Das heißt, man kann sie alle nicht einmal munitionieren, geschweige denn sie wirklich in den Einsatz führen. Man muß sich auf die Dauer wirklich überlegen, was man jungen Leuten sagen soll, wenn sie vor der Wahl stehen, sich dem Heer zu verschreiben oder nicht.

Die zahlreichen Steyr-LKW, die es gibt, werden nicht dann aus dem Dienst beim Heer ausgeschieden, wenn sie wirklich kaputt sind, sondern ganz automatisch, wenn sie in ihrer persönlichen Geschichte eine gewisse Reparaturkostensumme schon erreicht haben. Wenn der ein neues Getriebe hat, einen neuen Motor hat – das hat ein paar hunderttausend Schilling gekostet, und er ist praktisch neuwertig –, er aber dann noch einen Schaden hat, der eine Reparatur in der Höhe von 10 000 S verursachen würde, wird er ausrangiert, denn er hat dann sein


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Pensum an Reparaturkosten schon erreicht. Einen anderen LKW aber, dessen "Innereien" vielleicht schon ganz kaputt sind, der aber insgesamt doch noch weniger Reparaturkosten verursacht hat, behält sich das Heer. Ein Schildbürgerstreich sondergleichen!

Aber Patrouillenboote müssen wir anschaffen, lese ich in dem Bericht! – Offenbar um einer Notwendigkeit Abhilfe zu leisten, die wesentlich ist.

Ich muß mich beeilen und bringe einen Entschließungsantrag ein, denn zu allem Überfluß sind die Soldaten gegenüber anderen vergleichbaren Bürgern auch noch pensionsrechtlich massiv benachteiligt.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Ofner und Kollegen betreffend die pensionsrechtliche Absicherung von Soldaten

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, für alle Soldaten und ehemaligen Soldaten sicherzustellen, daß Dienstzeiten für das österreichische Bundesheer hinsichtlich der Voraussetzungen für die vorzeitige Alterspension und in bezug auf die Bemessungsgrundlage verglichen mit Beitragszeiten keine pensionsrechtlichen Nachteile bewirken, und – soweit erforderlich – dem Nationalrat entsprechende Regierungsvorlagen zuzuleiten."

*****

Ich bitte Sie, diesen Entschließungsantrag, der nichts Parteipolitisches an sich hat, zu unterstützen, und weise noch einmal darauf hin: Stolz zu sein auf unsere Soldaten, die das wahrlich verdienen, das ist zuwenig! Wir müssen ihnen das geben, was sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben und zum Überleben brauchen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Ofner hat einen Entschließungsantrag vorgetragen, der ausreichend unterstützt ist und in die Verhandlung mit einbezogen wird.

Der nächste Redner ist der Abgeordnete Murauer. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. (Abg. Hans Helmut Moser spricht mit Bundesminister Dr. Fasslabend. )

18.24

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! – Herr Kollege Moser! Halt bitte nicht den Herrn Minister auf, denn ich möchte jetzt gerne auf deine tiefschürfenden Vorschläge zurückkommen. (Beifall bei der ÖVP.) Ich würde ersuchen, daß du meinen Ausführungen Aufmerksamkeit schenkst. Du hast in deinen Ausführungen gesagt: Jetzt kommen die Vorschläge!, und ich habe mit Spannung auf diese gewartet, aber es kam keiner. Und müßte ich die Highlights der Landesverteidigung aufzählen, würdest du sicher nicht drunterfallen. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber Kollege Ofner – starker Vertreter und ehemaliger Minister und jetzt Kollege – hat uns ja gezeigt, worauf es ankommt. Auch Herr Scheibner hat gesagt, worauf es ankommt: Wir müssen diskutieren, wir müssen Vorschläge bringen. Es hat zu lange gedauert, bis der Bericht gekommen ist, wir hätten viel früher über jene Inhalte, die er uns gebracht hat, reden müssen. Die Bekleidung müßte früher vorhanden sein, als wenn sie gebraucht wird, nicht erst dann, wenn die Soldaten sie brauchen. Die Bekleidung brauchen wir früher – und nicht nur für diejenigen, die im Einsatz sind, sondern für alle, selbstverständlich.


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Wir müssen uns immer darüber unterhalten, ob wir sofort genügend Helme für alle haben. Keiner redet von Budgetansätzen. Da haben wir natürlich genug an Budget. Wir brauchen mehr. Der Kollege Gaál hat gemeint, wir müßten schon damit auskommen. Aber der Finanzminister, der das Budget festgesetzt hat, war immer ein sozialistischer und später dann ein sozialdemokratischer. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber weiter zu Kollegen Ofner. Was hat er uns erzählt? Er hat uns von den alten Panzern, die wir haben, erzählt und gesagt, jetzt kaufen wir noch ältere Panzer, und hat dabei vergessen, daß der Pandur angeschafft wird, daß der Ascod angeschafft wird. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. ) Sie wollen das nicht einsehen, aber ich komme aus Steyr, aus Oberösterreich, und weiß, was es volkswirtschaftlich und betriebswirtschaftlich bedeutet, daß diese Beschaffung vorgenommen wird. Nicht alte Panzer werden in Steyr und in Graz gebaut, sondern neue! – Kollege Ofner! Du weißt es ohnehin, aber du willst es nur hier nicht sagen. – Und dann hat er noch gesagt, daß es für die dann keine Munition gibt und so weiter.

Ich habe von der Opposition natürlich nicht erwartet, daß man hier herausgeht und sagt, es wäre alles in Ordnung, und man könne sich freuen über die Erfolge des Bundesheers, der Soldaten. Nein, es wird natürlich kritisiert, das verstehe ich schon. Aber daß das auch der Koalitionspartner in einem Ausmaß tut, wie das Kollege Gaál gemacht hat, hat mich sehr verwundert, was ich auch im Ausschuß schon festgestellt habe.

Meine Damen und Herren! Nun zu einigen Positionen des Berichtes: Unser Bundesheer leistet Beispielgebendes, das haben etliche Redner schon festgestellt. Dort, wo andere nicht mehr in der Lage sind, zu helfen, springt das Bundesheer mit Hilfe und Unterstützung ein: Assistenz an der Grenze, Umwelt- und Katastrophenschutz im Inland wie im Ausland und auch Friedenssicherung.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich als Abgeordneter und Mitglied der Österreichischen Volkspartei auch die umfassende Landesverteidigung ansprechen. Ich möchte darauf hinweisen, daß es neben der militärischen Landesverteidigung auch ganz wichtig ist, die zivile, die wirtschaftliche und die geistige Landesverteidigung in unserem Land weiter hochzuhalten beziehungsweise zu intensivieren. Und auch die Neutralität sieht die militärische Landesverteidigung vor – ich darf in diesem Zusammenhang nur an die gestrige Debatte erinnern.

Geschätzte Damen und Herren! Die Heeresgliederung-Neu nimmt Bezug auf das neue Bedrohungsszenario, auf die geringen Ressourcen, auf die nicht ausreichenden Finanzen, auf die sinkende Zahl an Präsenzdienern und war in der Lage, innerhalb von 22 Monaten – ohne die Einsatzfähigkeit des Heeres zu beeinträchtigen – sich auf diese Situation einzustellen und entsprechende Vorlagen zu bringen. Das ist eine ganz besondere Leistung, die auch hier erwähnt werden muß, auch wenn es der Opposition nicht recht ist und auch wenn es der Koalitionspartner nicht für wert genug befindet, hier diese Leistung zu erwähnen. (Beifall bei der ÖVP.)

Und daß das natürlich kein Status einer Momentaufnahme sein kann und daß die Heeresgliederung-Neu wiederum einer Reform bedarf, einer Modifikation, einer Überarbeitung ... (Abg. Leikam: Denk an deine Rede beim Innenminister, die du vor einigen Wochen gehalten hast!) Wieso? (Abg. Leikam: Die war voll des Lobes für den Innenminister! – Abg. Jung: Das macht ihr euch in der Koalition nachher aus!) Kollege Jung! Ich rede, mit wem ich will. (Beifall und Heiterkeit bei der ÖVP.)

Die Heeresgliederung-Neu bedarf einer weiteren Erneuerung. Es wird hier immer wieder gesagt, es gibt die Heeresgliederung-Neu und eigentlich schon wieder eine Erneuerung dieser neuen Heeresgliederung, aber das ist nur zu befürworten und zu begrüßen, weil man sich neuen Bedingungen anpassen muß und weil man neue Situationen erkennen muß – und das erkennt Minister Fasslabend, und das erkennt unser Landesverteidigungsministerium.

Als oberösterreichischer Abgeordneter aus Steyr möchte ich noch auf das Mech-Paket zurückkommen. Ich bin sehr, sehr froh, daß dieses Mech-Paket verabschiedet worden ist, daß neben dem Leopard auch Ascod-Kampfschützenpanzer angeschafft wurden, daß 200 weitere Radpanzer Pandur – 68 wurden ja bekannterweise bereits angeschafft für die Peace-keeping-


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Operationen – in Auftrag gegeben wurden. Das bedeutet für die Wirtschaft in Steyr, für die Wirtschaft Oberösterreichs, für die Betriebe, für die Zulieferbetriebe eine Arbeitsplatzsicherung bis über das Jahr 2000 hinaus. Das bedeutet einen wirtschaftlichen Impuls, der nicht zu vernachlässigen ist, auch wenn dies Kollege Ofner nicht sehen möchte. Ich sehe die Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie.

Wir müssen uns auch einmal dazu bekennen, daß diese Aufträge die Chance für weitere Entwicklung, für weitere Exporte bieten und wir für diese Firmen Möglichkeiten schaffen, zu expandieren und entsprechende betriebswirtschaftliche Gewinne zu erzielen.

Was den Export von Kriegsmaterial betrifft, so meine ich, daß wir diesem einmal etwas konstruktiver und nicht mit dieser restriktiven Position entgegenkommen sollten, wie das in der Vergangenheit der Fall war. Auch freut es mich, daß nach Möglichkeit 1 000 neue LKW angeschafft werden.

Geschätzte Damen und Herren! Zum Abschluß: Die vorgelegte Konzeption ist für das österreichische Bundesheer mit Minister Fasslabend an der Spitze ein Auftrag, für die Sicherheit unseres Landes, für die Sicherheit Österreichs und deren Bürger alles zu unternehmen, und konzentriert sich auf drei Positionen, nämlich erstens auf die Landesverteidigung, zweitens auf die Hilfestellung für andere Behörden und drittens auf den Auslandseinsatz für Frieden und humanitäre Hilfe. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scheibner: 1 000 neue LKWs – das ist ja etwas ganz Neues!)

18.33

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.33

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte zuerst das erwähnen, was mir in dem Bericht eigentlich abgeht. Im Zustandsbericht über die militärischen Nachrichtendienste findet sich keine Bewertung, inwieweit der Datenschutz dort zum Beispiel zu respektieren sei. Da würde ich mir einige Erläuterungen von Ihnen, Herr Bundesminister, wünschen, da ich natürlich nicht kundig bin in der Materie und erhofft habe, daß ich diesbezüglich etwas finde werde, wenn ich den Bericht durchlese. Aber das war leider nicht der Fall.

Allerdings wird er ja gelobt, denn die Einleitung der Organisationsänderung erfolgt aus eigener Lage, beurteilt zu einem Zeitpunkt, zu dem die übrigen europäischen Staaten ihren militärischen Strukturen noch die Dimensionen des Ost-West-Konfliktes zugrunde legten. Das heißt, daß dieses Heeres-Nachrichtenamt in seiner Funktion anscheinend durchaus sinnvolle Lageeinschätzungen macht. Aber wenn man es schon lobt, sollte man das auch ausführlich behandeln und das nicht einfach verschweigen.

Das nächste, was mir abgeht, ist die Frage des Zugangs von Frauen zum Bundesheer. Es soll ein Bericht bis März dieses Jahres vorliegen. Mir wäre es recht gewesen, wenn wir schon jetzt in der Lage wären, kurz vor Anfang März, darüber zu diskutieren, denn ich halte unqualifizierte Äußerungen vom Kollegen Stadler bei der Angelobung dieser Damen, die er gestern abend gemacht hat, für nicht sinnvoll in bezug auf die Eingliederung von Frauen ins Bundesheer, und zwar jenen Frauen, die das wünschen würden.

Ich habe auch einen Wunsch. Das Bundesheer verfügt über Hubschrauber, die nicht permanent im Einsatz sind. Es gibt Situationen, in denen Hubschrauber für den Rettungsdienst durchaus notwendig wären, aber private Träger und private Organisationen dafür nicht mehr zur Verfügung stehen. Ich würde mir wünschen, Herr Bundesminister, daß Sie eine Vereinbarung treffen oder einen Vertrag mit den Ländern abschließen, daß für den Fall, daß die Rettungshubschrauber, die privat zur Verfügung stehen, alle im Einsatz sind, das Bundesheer gewillt ist, seine Hubschrauber dafür einzusetzen, zumal das auch die Piloten wünschen würden, weil sie die Flugstunden brauchen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Scheibner: Und wer soll das bezahlen?)


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Über die Verwaltung und deren "Blüten" ist in dem Bericht auch kaum etwas drinnen. Ich glaube, daß das zumindest eine Erwähnung finden müßte, daß Sie sich ernsthafter mit dem Thema befassen müßten.

Herr Bundesminister! Eines hat mich am Anfang der Ausführungen meines Kollegen Moser irritiert. Ich weiß nicht, ob Sie durch Ihre Nervosität eine kurzzeitig ungezügelte Handbewegung gemacht haben oder ob Sie meinem Kollegen den Vogel gezeigt haben. Das war mir nämlich nicht ganz klar, wie Sie das gemeint haben. (Abg. Murauer: Das können wir ausschließen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Und deshalb würde ich um eine Aufklärung bitten, auch wenn es meine Kollegen von der ÖVP irritiert. Man kann sich doch diesbezüglich äußern.

Dieser Bericht ist kein Zustandsbericht, sondern ist ein Bericht darüber, wie es eigentlich sein sollte. Ausführlicher würde ich mir einen Zustandsbericht deswegen wünschen, weil ich selber in der Bundesheer-Beschwerdekommission sitze und wir oftmals Dinge beurteilen müssen, die nicht in Ordnung sind. Unter anderem gibt es oft Beschwerden in bezug auf Krankheiten von Soldaten und jungen Wehrmännern, die einfach nicht akzeptiert werden von ihren Ausbildnern. Ich würde mir wünschen, wenn Sie, Herr Bundesminister, einmal mit all den Ausbildnern reden und darauf hinweisen würden, daß es sich da nicht um Simulanten handelt, die sich vor irgendwelchen Übungen drücken wollen, sondern daß es sich bei einem Bandscheibenvorfall zum Beispiel durchaus um eine ernstzunehmende Erkrankung handelt, die die Gesundheit einer Person so beeinträchtigt, daß sie den Dienst nicht antreten kann. (Abg. Scheibner: Aber das kann doch nicht der Ausbildner entscheiden!)

Es werden in dieser Kommission aber auch andere Dinge diskutiert, etwa daß es einem unmöglich ist, eine korrekte Haltung einzunehmen, nachdem man kurz in Ohnmacht gefallen ist, was aber da und dort verlangt wird. Ich kann Ihnen nur sagen, daß das aus medizinischer Sicht für mich unverständlich ist. Ich würde mir wünschen, wenn Sie in der Hinsicht aktiv sein könnten, auch wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie für diese Kommission nicht nur eine Telefonleitung zur Verfügung stellen und die Infrastruktur dieser Bundesheer-Beschwerdekommission insgesamt verbessern würden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Tychtl. – Bitte.

18.38

Abgeordneter Ing. Gerald Tychtl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Der heute vorgelegte Zustandsbericht des Bundesheeres, wenn ich richtig lese, bezieht sich auf den Zeitraum 1995/96. Er ist also ein Jahr alt. Es ist also kein neuer Zustandsbericht, sondern ein Zustandsbericht, den wir schon sehr lange eingefordert haben und der dann offensichtlich noch einige Zeit gebraucht hat, bis er alle Hürden überwunden gehabt hat, um dann endlich zu uns zu gelangen. – Das zur Vorbemerkung.

Ich freue mich, wenn ich in diesem Bericht feststellen kann, daß die Internationalität unserer Soldaten und unseres Ausbildungspersonals durchaus zugenommen hat und daß die Ausbildungsmöglichkeiten optimal genützt werden. Ich hätte mir nur gewünscht, daß es nicht nur bei diesem einen Satz geblieben wäre, sondern daß man vielleicht auch in einem zweiten Satz einen Hinweis gegeben hätte, um welche Einsätze oder welche Schulungsmöglichkeiten es sich handelt, welche Ausbildungssituationen im Ausland vorgefunden wurden.

Sie haben in Ihrer Wortmeldung, Herr Bundesminister, kurz darauf hingewiesen, daß unsere Soldaten international sehr gut beurteilt werden. Ich hätte mir gewünscht, daß Sie auch dazugesagt hätten, in welchen Ländern es solche Ausbildungsmöglichkeiten gibt und an welchen Ausbildungen unsere Soldaten teilgenommen haben.

Lassen Sie mich ein Wort zum Dienstbetrieb selbst sagen. Da geht es mir vor allem um die Zeitordnung und die Zeitplanung für jene Grundwehrdiener und Soldaten, die verheiratet sind und die ihre freie Zeit natürlich mit der Familie verbringen möchten. Für sie ist es von großer Bedeutung, wenn sie einigermaßen davon ausgehen können, daß die im Aushang befindliche Zeitordnung auch tatsächlich eingehalten und nicht, wie es oftmals vorkommt, am Freitag kurzfristig


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geändert beziehungsweise umgeworfen wird. Ich meine, man sollte sich darauf verlassen können, daß das, was geplant ist, dann auch eingehalten wird.

Bei der Behandlung des Punktes, der sich mit der Meinungsbefragung der Soldaten, mit der Befragung der Jungmänner, wenn sie einrücken und wenn sie wieder abrüsten, beschäftigt, hätte ich mir einen Hinweis darauf gewünscht – einer meiner Vorredner hat das kurz angesprochen –, ob sich das Verhalten, die Arbeit, die Tätigkeit und das Befinden der Soldaten spürbar verändert haben und in welche Richtung. Ich glaube, das kann man als Steuerungsinstrument benützen, und wenn wir diese Möglichkeit schon haben, dann sollten wir es in dieser Richtung auch einsetzen.

Damit komme ich zu einem wesentlichen Punkt: Ich glaube, es war gerade an jenem Tag, an dem der Landesverteidigungsausschuß tagte, als einige Pressemeldungen durch die Lande gingen, die sich sehr stark mit einem Problem beschäftigten, das mir auch sehr am Herzen liegt und das natürlich ein großes Problem gerade für das Bundesheer und für unsere Soldaten darstellt, nämlich die Frage des Suchtgiftmißbrauches.

Ich glaube, Herr Bundesminister, es ist richtig, notwendig und gut – man sollte dies auch mit aller Kraft unterstützen –, daß wir eine eigene Truppe mit Hunden eingerichtet haben, die man präventiv einsetzt. Es kann sich nur um ein präventives Verhalten handeln, denn wenn es wirklich Dealern gelingen sollte, in die Kasernen einzudringen, dann haben wir ein Problem, das wir nur sehr schwer wieder lösen können. (Zwischenruf des Abg. Scheibner. ) Daher ist es wirklich notwendig, wenn solche Fälle auftreten, mit aller notwendigen Härte vorzugehen, um dies endgültig abzustellen. Wir sind es unseren jungen Menschen und letztendlich auch jenen, denen wir unsere jungen Burschen anvertrauen, schuldig, daß sie mit dieser Zusicherung rechnen können.

Aber ich weiß auch um die Problematik und die Schwierigkeit der Feststellung. Ich denke an diese Ecstasy-Tabletten, wo man natürlich seine Probleme mit der Feststellung hat. Das ist mir durchaus bekannt.

Lassen Sie mich zu einem anderen Problem überwechseln: Im vorliegenden Bericht wird auch von einer Verbesserung der Wohnkultur gesprochen, insbesondere im Bereich der Grundwehrdiener. Herr Bundesminister, ich glaube, da ist wirklich Not am Mann, im wahrsten Sinne des Wortes. Mir sind Fälle bekannt, wo Soldaten unter Bedingungen leben müssen – ich spreche jetzt vor allem von den Soldatenheimen –, die meiner Meinung nach untragbar sind. Ich möchte aber mit dem positiven Beispiel beginnen, und zwar mit einem Beispiel in Salzburg.

In Salzburg hat man ein Soldatenheim wirklich mustergültig renoviert und hergerichtet. Es ist ein Schmuckstück. Aber: Bereits bei der Planung wurde darauf hingewiesen, daß man bestimmte Einrichtungen so plazieren sollte, daß Putzmittel und Essensbestände nicht miteinander vermischt werden können. Genau das ist aber eingetreten. Es geht da nicht um höhere Kosten, sondern um eine optimale Verwendung der Mittel.

Ein weiteres Beispiel: In einem Soldatenheim, in dem man sich natürlich auch in der Freizeit aufhält, verlegt man gerade bei den Spielautomaten, wo von dem einen oder anderen schon einmal eine Zigarette geraucht wird, einen Plastikbodenbelag. In allen anderen Räumen werden Fliesenböden verwendet. Wer sich ein bißchen überlegt, was mit einer heißen Zigarette passiert, die man auf einen Plastikboden fallenläßt, wird anders darüber denken. Da muß man, glaube ich, wirklich darüber nachdenken, was man tut.

Noch ein Beispiel, und das ist wirklich schockierend: In einer steirischen Kaserne gibt es eine Sanitätsabteilung mit einer äußerst steilen Stiege – in der Steiermark nennt man das Hühnerleiter –, und oben befinden sich die Kranken. Diese müssen wahrscheinlich hinaufgetragen werden. Ich frage mich, was in einem Brandfall passiert. Da ist, würde ich meinen, Abhilfe mehr als notwendig. (Abg. Scheibner: "Hendlleiter" heißt das!)

Das ist aber noch nicht alles. Ein spezieller, ganz delikater Fall – auch in einem Soldatenheim – ging mir besonders unter die Haut, weil man einen Kontrapunkt gesetzt hat: In einem desolaten Soldatenheim, das sich seit Jahrzehnten in demselben Zustand befindet, werden Steckdosen


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auf folgende Art aufgesplittet: Man nimmt ein Holzbrett, dieses wird mit sechs Steckdosen bestückt, dieses Holzstück legt man dann auf einen Heizkörper, um von dort aus Pizzaöfen zu betreiben.

Ich halte das wirklich für skandalös, und ich frage mich: Warum macht die Dienstaufsicht nichts dagegen? Gehen die Vorgesetzten nie in dieses Gebäude, oder gehen sie dort nie durch? Da geht es darum, daß sich – das steht auch in diesem Bericht – die Zusammenarbeit zwischen Kader und Grundwehrdienern verbessern soll. Ich frage mich: Geht das Kaderpersonal nie in diese Räume? (Abg. Jung: Da muß streng durchgegriffen werden!) Wahrscheinlich würden Sie das tun, nach Ihrer Aussage zumindest – ich weiß es nicht.

Herr Bundesminister! Ich möchte Sie wirklich bitten, die Mittel konzentriert einzusetzen, denn da geht es nicht um Millionenbeträge, sondern meist nur um einige hunderttausend Schilling, mit denen man aber auch viel bewegen kann.

Ein weiterer Punkt, den ich nicht außer acht lassen und den ich hinterfragen möchte, ist auf Seite 19 zu finden. Da steht: Um die "HG-Neu" in dienstrechtlicher und organisatorischer Hinsicht adäquat umsetzen zu können, war das Vorhandensein von drei Korpskommandanten zweckmäßig und notwendig.

Ich frage Sie, Herr Bundesminister: War es damals notwendig, und ist es jetzt nicht mehr notwendig? Wenn nicht, bitte ich um Aufklärung, von welchem Zeitpunkt an und warum es nicht mehr notwendig war.

Im übrigen möchte ich noch sagen: Ich freue mich, daß dieser Zustandsbericht endlich zustande gekommen ist. Es ist wahrlich ein Zustandsbericht. Ich habe einige Highlights, die mir persönlich bekannt sind, dazugeschmuggelt, weil ich sie im Bericht nicht gefunden habe. Ich bitte um Nachsicht, möchte aber noch einmal bitten, sie trotzdem ernst zu nehmen und unseren Soldaten die Möglichkeit zu geben, sich bei unserem Bundesheer tatsächlich wohl zu fühlen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte.

18.48

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich sage heute einmal etwas Erfreuliches über den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung. Ich habe nicht oft die Gelegenheit, ihn zu loben, deshalb will ich heute die Gelegenheit beim Schopf packen und dem Herrn Bundesminister Fasslabend meinen aufrichtigen Dank dafür sagen – ich glaube, das ist heute eine Premiere –, daß dieses Haus einen Situationsbericht in dieser Fassung bekommt. (Abg. Scheibner: Das ist eine gefährliche Drohung!) Man kann über den Inhalt dieses Situationsberichtes natürlich geteilter Meinung sein, und da werden Sie in der Annahme richtig gehen, daß es diesbezüglich massive Kritikpunkte gibt, aber daß es so einen Situationsbericht überhaupt gibt, das ist positiv, Herr Minister. Da kann man nur eines sagen: Das ist in Ordnung! Sie kommen Ihrer Pflicht als Exekutive nach, indem Sie dem Parlament einen Bericht über das Bundesheer vorlegen.

Es hat im Ausschuß massive Kritik gegeben – nicht nur von jenen, die etwas kritisch gegenüber dem Bundesheer eingestellt sind, sondern auch von jenen, die dem Bundesheer durchaus aufgeschlossen gegenüberstehen –, daß dieser Bericht ein bißchen so aussieht, als ob er aus mehreren Berichten zusammengeschnipselt worden wäre, sodaß er in der Endredaktion nicht ganz zusammenpaßt. Aber das ist nicht mein Thema, Herr Bundesminister. Mein Thema ist, daß Sie in Ihrem Situationsbericht offensichtlich von einer Verzichtsplanung sprechen, obwohl Sie eine massive Aufrüstung betreiben.

Ich weiß, Sie sind ein sehr geschickter Verhandler, Sie sind in der Öffentlichkeit dafür gelobt worden, wie Sie die Sozialdemokratische Partei, Ihren Koalitionspartner, von einigen Beschaffungen überzeugt haben. Ich denke da etwa an die Frage Pandur, wo es Ihnen gelungen ist, alte Panzer aus den Niederlanden und aus Deutschland zu kaufen, mit der Gegenleistung, daß Sie


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den Sozialdemokraten dafür mehr oder weniger die Möglichkeit geben, bei ihrer Klientel zu punkten, indem die Arbeitsplätze in jenen Industriebereichen angesprochen werden, in denen traditionell sozialdemokratische Einflußsphären vorhanden sind.

Meine Damen und Herren! Was mich bei dem Arbeitsplatzargument allerdings etwas trübsinnig werden läßt, ist, daß ich eigentlich geglaubt habe, das Argument, daß der Waffenbereich, die Waffenindustrie, die Rüstungsindustrie Arbeitsplätze schaffen würde, wäre bereits in den sechziger Jahren ausgestorben.

Meine Damen und Herren! Daß jetzt auch in Österreich eine sehr, sehr abgemagerte Rüstungsindustrie, eine in Bedrohung geratene Rüstungsindustrie wieder Renaissance feiert – und das ist europaweit so –, das ist Ihrer Einfallslosigkeit und offensichtlich Ihrem Verhandlungsgeschick, Herr Bundesminister, zu verdanken. Ich halte es für eine – gelinde gesagt – Perversion, daß man im Rüstungsbereich mit dem Arbeitsplatzargument argumentiert. Das kann man natürlich im Waffenbereich immer tun. Sie sagen natürlich sehr zynisch: Wenn wir die Waffen nicht machen, dann machen sie andere. – Ich kenne das Argument aus einem anderen Bereich, nämlich aus dem Rauschgiftsektor. Da gibt es ähnliche Meinungen.

Meine Damen und Herren! Ich will überhaupt nicht so weit gehen, eine ähnlich scharfe Position wie die "Salzburger Nachrichten" zu vertreten, die meinen, daß das Bundesheer massiv aufrüstet und 90 Milliarden Schilling für die Rüstung verwendet. Das ist nach meiner Einschätzung sogar plausibel und nachvollziehbar. Aber daß Sie, Herr Bundesminister, bei einer Planung, bei der bis zum Jahr 2005 100 Milliarden Schilling für Rüstungsgüter ausgegeben werden sollen, von einer Verzichtsplanung sprechen, ist meines Erachtens für die Menschen und für eine Partei, die eigentlich in Richtung Schlankmachung des Bundesheers, in Richtung Sparpaket für das Bundesheer geht, eine sehr große Provokation! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Ihre Prioritätenliste: Panzerpaket: 8,5 Milliarden Schilling, Funk- und Fernmeldesystem: 2,5 Milliarden Schilling, Abfangjäger – der Herr Moser ist nicht da, er spart inzwischen schon wieder kräftig und zählt, wie weit er schon ist –: 20 bis 30 Milliarden Schilling, weitere Fliegerabwehrraketen: 2 Milliarden Schilling, Hubschrauber: 2,5 Milliarden Schilling. Da werden sich die NATO-Generäle freuen! (Abg. Scheibner: Hubschrauber will sogar der Kostelka!) – Ich weiß schon, da gibt es eine unheilige Allianz zwischen ÖVP, SPÖ, den Liberalen und den Freiheitlichen.

Meine Damen und Herren! Die Grünen haben immer die Position vertreten – ich habe das gestern im Zusammenhang mit der NATO-Debatte ausgeführt –, daß es einerseits sehr richtig ist, in Richtung Integration in die UNO zu gehen. Ich sage das zwar nicht oft, aber da muß man einmal jene Institutionen innerhalb des Bundesheeres loben, die in diese Richtung gehen wollen. Das ist ein wertvoller Beitrag, und das ist durchaus zu unterstützen.

Andererseits sind wir aber auch der Auffassung, daß der zivile Bereich, die Verteidigung und die Sicherung des Friedens, gestärkt werden muß. Herr Maitz! Diese Beträge sind einfach nicht vertretbar. Wir wünschen uns, daß es ein Sparpaket auf Kosten des Wehrbudgets gibt.

Ein Satz zu Ihren Propagandaschriften und zu Ihren Propagandareden, wonach die Ausgaben Österreichs im Rüstungsbereich angeblich so gering seien. Es gibt in Österreich pro Kopf höhere Ausgaben für diesen Bereich als in Norwegen, Portugal, Irland, Ungarn und allen anderen osteuropäischen Staaten. (Abg. Jung: Burundi!) Ich weiß zwar nicht, warum Sie Burundi nennen, wenn ich von Norwegen, Portugal und Ungarn spreche, aber möglicherweise haben Sie ein sehr einfaches Weltbild: Hier der starke Westen und dort drüben jene, die nicht mehr in die Kategorie der Ernstzunehmenden fallen.

Meine Damen und Herren! Wir wünschen uns, daß das Militärbudget radikal reduziert wird. Ich weiß, das trifft auf wenig Verständnis beim Herrn Bundesminister. (Zwischenruf des Abg. Hans Helmut Moser. ) Wir glauben aber, daß dann, wenn diese Art der Waffenbeschaffung weitergeht – und Sie werden es wahrscheinlich merken, Herr Kollege Moser, wenn sich das in allen Bereichen der österreichischen Sozialbewegungen herumspricht –, Sie, Herr Moser, Schwierigkeiten mit Ihrer liberalen Argumentation haben werden.


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Ja, ich weiß schon, Sie sind ein leidenschaftlicher Offizier. Das verstehe ich. Sie sollten sich eher auf andere Positionen verlegen. Es kann nicht sein, meine Damen und Herren, daß Sie diese Position weiterhin vertreten. Wenn das so weitergeht, dann werden Sie auch für die Stärkung der mobilen Panzerkräfte eintreten und eine Budgeterhöhung um bis zu 10 Milliarden Schilling im Jahr verlangen.

Meine Damen und Herren! Wir werden dagegen Widerstand leisten. Wir werden auch gegen die schleichende Aufrüstung im Zusammenhang mit einem schleichenden NATO-Beitritt Widerstand leisten.

Meine Damen und Herren! Jene, die glauben, der militärische Bereich gehöre ausgeweitet, haben Schwierigkeiten mit dem Bedrohungsbild. Wenn man sich den Situationsbericht ansieht, dann kann man sich ausdenken, welche sicherheitspolitischen Folgerungen sich daraus ergeben.

Da steht im Punkt 2 "Sicherheitspolitische Folgerungen, Assistenzleistungen" in Klammern: insbesondere zur Bewältigung von Migrationsströmungen. – Meine Damen und Herren! Wir enthalten diesen Ländern eine Wirtschaftshilfe vor, brauchen dann aber im Gegenzug diese Gelder, um jene Menschen, die sich dann unter wirtschaftlichem oder ökologischem Druck auf Wanderschaft begeben, von unseren Grenzen fernzuhalten.

Jedes Mal, wenn der Abgeordnete Haider in der Öffentlichkeit mit einer gewissen Genugtuung davon spricht, welche Mauer die Amerikaner an der mexikanischen Grenze errichtet haben, kommen mir Assoziationen zu jener Mauer, die wir in Europa gehabt haben. Jetzt wird eine militärische Mauer aufgerichtet.

Meine Damen und Herren! Jahrelang, jahrzehntelang wurden die Oststaaten dafür verhöhnt, daß es bei ihnen keine Reisefreiheit gab. Jetzt gibt es diese Reisefreiheit, aber jetzt ist es plötzlich ein Bedrohungsbild für uns, daß sich diese Menschen auf Wanderschaft begeben. (Abg. Dr.  Lukesch: Es ist jeder willkommen!) Ja, Herr Kollege Lukesch, das ist Ihr Problem: Statt daß Sie diese Gelder systematisch in eine Wirtschaftshilfe investieren, versuchen Sie, mit der Aufrüstung des Bundesheeres die Bedrohungsbilder weiter zu verschärfen.

Meine Damen und Herren! Ein weiterer Punkt ist die Beherrschung subkonventioneller Bedrohungen durch flächendeckenden Sicherungseinsatz. – Ich weiß nicht, ob damit Herr Kollege Kiss gemeint ist, aber ich nehme nicht an, daß das die subkonventionelle Bedrohung ist. Ich meine jetzt die Beschaffungsvorgänge im Vorfeld. Jahrelang waren ja die Grünen die subkonventionelle Bedrohung für die Republik. Herr Jung hat ja einen gut Teil seines Lebensunterhaltes bisher damit verdient, daß er die Grünen dabei beobachtet, was für "böse" Dinge sie tun.

Meine Damen und Herren! Interessant sind in diesem Situationsbericht die Punkte 4 und 5: Man sollte einmal über die Formulierung "Schutz des eigenen Staatsgebietes und von 1 300 Kilometern EU-Außengrenze gegen konventionelle Bedrohung" nachdenken. – Meine Damen und Herren! Der Bericht ist schon so verfaßt, als ob wir bereits bei der NATO wären! Ich weiß nicht, ob das nur ein Redaktionsfehler ist. Ich verstehe jedenfalls nicht ganz, warum Ungarn eine Bedrohung für Sie ist, warum Tschechien eine Bedrohung für Sie ist, warum Slowenien eine Bedrohung für Sie ist. (Zwischenruf des Abg. Dr. Lukesch. )

Herr Abgeordneter Lukesch! Dann werden Sie Schwierigkeiten haben, noch irgendein Bedrohungsbild zu zeichnen. Dann werden Sie wahrscheinlich sagen: Wir dürfen keine Trittbrettfahrer sein. Wir müssen unseren Solidarbeitrag, unsere "Schutzgebühr" an die Generäle und an die Oberbefehlshaber der NATO abliefern.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie heute früh das "Morgenjournal" und die Ausschnitte aus den bisher geheimgehaltenen Tonbändern mit dem ehemaligen Präsidenten der USA, Richard Nixon, gehört haben, dann können Sie vielleicht in diesem Kontext besser verstehen, warum ich gestern dafür eingetreten bin, daß wir keinem Militärbündnis beitreten sollten, bei dem ein Staat allein den Oberbefehl innehat. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)


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Wenn Sie sich dieses Dokument der Gaunerei, der Kriminalität anhören – dieser Präsident hatte letztendlich den Oberbefehl über die NATO –, dann werden Sie ... (Abg. Dr. Lukesch: Gestern haben Sie gesagt, Sie lieben die USA!)

Ich weiß schon, es ist für Sie nicht so wichtig, wenn ein amerikanischer Präsident sagt: Wann brechen Sie denn endlich ein bei den politischen Gegnern, wann holen Sie mir denn endlich diesen Hurensohn, der die politischen Gegner ...? (Abg. Scheibner: Eine Ausdrucksweise!)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Verzeihen Sie, Kollege Wabl! War das jetzt ein Zitat, oder meinen Sie das ernst?

Abgeordneter Andreas Wabl (fortsetzend): Das ist ein Zitat des amerikanischen Präsidenten Nixon. Entschuldigung: Wenn Sie das "Morgenjournal" gehört hätten, dann hätten Sie das auch als solches erkennen können. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Du warst intellektuell schon besser!)

Meine Damen und Herren! Deshalb sind wir dafür, daß es internationale Rechtsnormen gibt, die verteidigt werden. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Du warst intellektuell schon besser!) Herr Abgeordneter Bauer! Ich gebe schon zu, ich bin heute nicht so kampfeslustig wie gestern (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Du bist heute nicht so intellektuell!), und Ihre Aufmerksamkeit ist so ungeteilt, daß es mir auch schwerfällt. (Abg. Mag. Stadler: Sie waren nicht so lange in der Cafeteria!)

Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Stadler! Jungmann Stadler! (Abg. Mag. Stadler: Da sind Sie besser, wenn Sie länger in der Cafeteria sind!) Sie sollten Ihre Zeitung weiterlesen, um Ihr Bildungsniveau etwas zu heben. (Abg. Mag. Stadler: Haha! "Schurke"!)

Meine Damen und Herren! Vielleicht hören Sie sich das "Morgenjournal" noch einmal an, lassen Sie sich ein Tonband kommen, damit Sie wissen, für wie abwechslungsreich die amerikanischen Präsidenten das Leben halten.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Vielleicht wird es einmal eine konstruktive Zusammenarbeit im Friedensbereich geben. Diese Art der Rüstungspolitik, diese Art der Aufrüstungspolitik ... (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Nein, das hat natürlich mit der NATO-Erweiterung zu tun, aber diese Zusammenhänge sind Ihnen etwas schwer verständlich zu machen. Wenn es bei Ihnen um Führung geht, dann ist immer nur Haider gemeint, das ist mir schon klar. Das ist ein bißchen schwierig zu verstehen.

Meine Damen und Herren! Wir haben ein riesiges Einsparungspotential beim Bundesheer, und das werden wir in Zukunft nutzen, Herr Bundesminister. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

19.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Amon. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

19.03

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es war wieder sehr interessant, Herrn Kollegen Wabl zuzuhören. Ich bin eigentlich überrascht, daß die Grünen jetzt wieder sehr klar die Abschaffung des Bundesheeres vertreten. Denn eines ist ja heute in der Debatte schon angesprochen worden: (Abg. Wabl: Bei der Jungen ÖVP ist das ...!) Als der Herr Bundesminister 1990 die Funktion des Verteidigungsministers übernommen hat, haben die Grünen sehr vehement die Abschaffung des Bundesheeres verlangt. Sie haben diese Position überall, in allen Broschüren publiziert. Als aber dann der Krieg im ehemaligen Jugoslawien ausgebrochen ist und das Bundesheer in vorzüglicher Weise unsere Grenze geschützt und damit der österreichischen Bevölkerung Sicherheit gegeben hat, sind auf einmal die Stimmen bei den Grünen verstummt. (Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. ) Da war plötzlich in Richtung Abschaffung des Bundesheeres von den Grünen nichts mehr zu hören. Im Gegenteil, es ist sogar die Idee aufgekommen, man könnte eine pro


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fessionelle Grenzschutztruppe aufstellen. – Also die Grünen haben in dieser Frage eine umfassende Wandlung durchgemacht.

Ich glaube auch, daß die Vorschläge des Kollegen Wabl, daß im Bereich der Landesverteidigung ein Einsparungspotential gegeben ist, nicht allzu ernst gemeint sein können, denn Sie wissen genauso gut wie ich, daß wir mit unserem Verteidigungsbudget, das ungefähr 0,85 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmacht, wirklich nicht an der Spitze der weltweiten Rüstung, sondern eher sehr weit hinten liegen. Und gerade deshalb ist der Bericht des Verteidigungsministers beachtlich.

Ich teile auch nicht die Auffassung des Kollegen Tychtl, der sagt, es sei ein alter Bericht, weil er aus den Jahren 1995 und 1996 stammt. Wenn ich einen Bericht am 20. Jänner 1997 vorlege, dann kann er natürlich nicht viel weiter als bis zum 31. 12. 1996 gehen. Der Vorwurf entbehrt also einer gewissen Logik. Meiner Meinung nach ist der Bericht aktuell, und er ist auch von den Inhalten her insofern diskutierenswert, als er eben diese Aktualität genießt. (Beifall bei der ÖVP.)

Aus diesem Bericht gehen auch die Leistungen des Bundesheeres sehr deutlich hervor. Herr Kollege Moser hat gesagt, daß das Bundesheer endlich Europareife erlangen sollte. In diesem Zusammenhang möchte ich schon die internationale Arbeit des österreichischen Bundesheeres gerade im Zusammenhang mit den UNO-Einsätzen hervorstreichen. Da haben wir nicht nur europäischen Standard – gerade Sie müßten das wissen –, sondern da haben wir durchaus einen weltweit sehr guten Standard. Und es sind gerade die österreichischen UNO-Soldaten maßgeblich daran beteiligt gewesen, daß die UNO-Soldaten den Friedensnobelpreis erhalten haben. Ich glaube, das sollte man bei dieser Diskussion auch nicht ganz außer acht lassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit einem verhältnismäßig geringen Verteidigungsbudget ist es dem Herrn Bundesminister gelungen, eine Reihe von Modernisierungen voranzutreiben, und man kann hier nicht – das hat Kollege Wabl gemacht – von einer Hochrüstung oder Aufrüstung des Bundesheeres reden. Es geht in Wahrheit um eine Modernisierung. Sie wissen sehr gut, daß das österreichische Heer (Abg. Wabl: "Salzburger Nachrichten", das ist eine bürgerliche Zeitung!) ein Verteidigungsheer ist, kein offensives, sondern ein defensives Heer ist, das der Landesverteidigung dient. Und der Schutz des Landes sollte auch für Sie, Herr Kollege Wabl, Priorität haben.

Verbesserungen hat es in einer Reihe von Punkten gegeben. Manche sind angesprochen worden: die Ausstattung des Bundesheeres mit Lenkwaffen, die Reduzierung von Reservepersonal im Bundesheer mit einer parallel dazu vorangetriebenen Professionalisierung und die Vorantreibung der internationalen Tätigkeit des österreichischen Bundesheeres.

Ich möchte aber abschließend noch einen Punkt ansprechen, der mir persönlich wichtig ist: Es ist dem Verteidigungsminister zu danken, daß bei den Verhandlungen im Zusammenhang mit dem Zivildienst die ungeliebte Zivildienstkommission abgeschafft werden konnte. Es liegt auf der Hand, daß ein Bundesheer die nötigen Kapazitäten sicherstellen muß, die ja in Wahrheit das Parlament vorschreibt. Solange wir an der allgemeinen Wehrpflicht festhalten, solange muß der Verteidigungsminister schauen, daß er die nötige Zahl von Grundwehrdienern zur Verfügung hat.

Abschließend habe ich den Wunsch (Abg. Wabl: Spricht jetzt die Junge ÖVP oder die alte?), daß sich die Grünen endlich überlegen, ob sie für die Abschaffung des Bundesheeres eintreten oder nicht. Wenn ja, dann sollten sie das auch sehr deutlich sagen. Wir tun das nicht, wir treten für eine effektive Landesverteidigung ein. Und es wäre sehr schön, wenn uns bei den nächsten Budgetverhandlungen auch die Sozialdemokraten ein wenig entgegenkämen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)


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19.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete. 2 Minuten Redezeit.

19.09

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Kollege Amon hat in seiner Rede den Anschein erweckt, als wäre die Haltung der Grünen zur Frage der Abschaffung des Bundesheeres jemals von uns selbst in Zweifel gezogen worden. Ich kann berichtigen, daß dem nicht so ist. Wir sind und waren immer für die Abschaffung des Bundesheeres. (Abg. Dr. Lukesch: Da streiten die Grünen schon wieder untereinander!) Die Frage ist nur der Zeitplan, die Frage sind nur die einzelnen Schritte der Umsetzung. Zu Ihrer Erhellung, Herr Kollege Amon, werde ich Ihnen gerne unser Friedens- und Sicherheitsprogramm übermitteln. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Kiss. )

19.10

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist als nächster Herr Abgeordneter Jung. – Bitte, Herr Abgeordneter. 6 Minuten freiwillige Redezeit.

19.10

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Minister kann einem heute direkt leid tun in der Position, in der er sich befindet. (Zwischenruf des Abg. Auer. ) Aber wer sich solche Verteidiger und Wehrsprecher hält, der braucht keine Feinde mehr, er ist mit ihnen genug geschlagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Gaál hat vorhin gesagt, dieser Situationsbericht bilde kein Fundament für eine künftige Entwicklung, und ich muß ihm recht geben. Das ist auch kein wirklich seriöser Bericht, sondern eher eine auszugsweise Darstellung des traurigen Zustandes, in dem sich unser Bundesheer befindet. Er soll die Situation am Ende einer Reform darstellen, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Denn die Voraussetzung jeder Reform ist ein klares Wissen um das, was man in der Zukunft will, und genau das vermissen wir im Bereich der österreichischen Sicherheitspolitik. Wir haben das gestern ganz deutlich beobachten können.

Denn wenn man wissen will, wie unser Heer der Zukunft ausschauen soll, dann muß man nicht nur wissen, wie sein derzeitiger Zustand ist, sondern auch, in welchem Rahmen man den Auftrag erfüllen will – im Bündnis oder alleine. Aber genau diese Auskunft verweigert die Koalition dem österreichischen Heer seit langer, langer Zeit.

Wir haben gestern eine Debatte darüber geführt, und ich habe heute in der "Kleinen Zeitung" einen kurzen Artikel dazu gefunden – treffender und prägnanter kann man es nicht wiedergeben –, den ich Ihnen nicht vorenthalten will.

Hans Winkler schreibt: Die gestrige Debatte über das Neutralitätsvolksbegehren im Parlament machte wieder einmal die ganze Unentschlossenheit und Verlogenheit deutlich, mit der die Regierung mit der österreichischen Sicherheitspolitik umgeht. – Wenn ich nicht einen Ordnungsruf vermeiden wollte, wäre ich versucht zu sagen, ich schließe mich dem vollinhaltlich an. – Und weiter heißt es: Es ist nicht möglich, ohne ausreichendes Wissen über die Zukunft eine vernünftige Heeresplanung zu erstellen.

Nun zu einigen wenigen Punkten aus dem Bericht selbst. Der Istzustand, der darin geschildert wird, stellt eine Schönfärberei schlimmster Art dar. Man spricht von einer abgeschlossenen Heeresgliederung-Neu. Dabei wissen wir alle – es wird hinter vorgehaltener Hand darüber geredet –, daß von den drei Korps eines abgeschafft werden soll. Weiters ist die Abschaffung einer der drei Panzergrenadierbrigaden in Diskussion. (Abg. Scheibner: Aber nicht mit uns! Da werden sie sich noch wundern!)

Die Militärkommanden sollen reduziert werden. Herr Minister! Ich frage Sie wirklich: Wenn Sie mehr als ein Drittel dieses Heeres noch reformieren müssen, wieso trauen Sie sich dann von einer abgeschlossenen Reform zu sprechen? Diese Vorhaben sind durchaus diskussionswürdig, aber ihre Umsetzung würde das Heer völlig umkrempeln. Hier wird eine Heeresgliederung-"Neu-Neu", auch wenn sie bestritten wird, zumindest in Ansätzen, aber wahrscheinlich wieder unter falschen Prämissen versucht, und es wird auch diese "neu-neue" Gliederung wieder reformbedürftig sein, bevor sie abgeschlossen ist.


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Wenn Sie so sicher waren, was Sie tun wollen, warum haben Sie dann 1992/93 ein neues Korpskommando geschaffen, das Sie jetzt wieder abschaffen? Sie haben im Ausschuß gesagt, daß es darum ging, eine geschlossene Führung für die Mech-Kräfte in einem Großverband zu haben. Warum haben Sie dann die Grenadierdivision abgeschafft, die genau die geschlossene Führung der Mech-Kräfte durchgeführt hat? Oder war die Schaffung dieses Korpskommandos nichts anderes als ein Versorgungsposten für einen ehemaligen Adjutanten des Bundespräsidenten? – Diese Frage drängt sich auf.

Sie haben von der Mobilmachungsfähigkeit und vom guten Zustand des Heeres gesprochen. – Von den sechs Artilleriebataillonen, die mit der M 109 "neu" – "neu" unter Anführungszeichen; die Umrüstung ist ohnehin noch nicht abgeschlossen – ausgerüstet wurden, ist keines in dieser Konfiguration feldverwendungsfähig. Es ist keines von diesen einsatzbereit! Wenn diese Bataillone heute ausrücken müßten, dann müßte man das alte, gezogene Artilleriegeschütz wieder hervorholen, weil die M 109 im Ausbildungsbereich noch nicht so weit ist. – So schaut es aus.

Ihre Umrüstungen und Umgliederungen sehen folgendermaßen aus: Mir hat ein Kommandant aus Salzburg geschrieben, daß seine Versorgungskompanie in den letzten vier Jahren fünf verschiedene Namen und Stempel bekommen hat. – Das ist Ihre "Umgliederung".

Über die Bündnismitgliedschaft haben wir schon gesprochen. Ich finde es sehr seltsam, daß Sie versuchen, über den Weg eines Entsendegesetzes die österreichische Neutralität zu umgehen, weil Sie sich nicht trauen, der Bevölkerung die Wahrheit zu sagen. Aber auch darüber werden wir noch reden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Ihre Kommission, die die Reformvoraussetzungen geschaffen hat, hat davon gesprochen, daß mindestens 1 Prozent des BIP als Voraussetzung notwendig wäre, um diese Reform sinnvoll durchzusetzen. Sie sind nie über die 0,8 Prozent hinausgekommen. Das heißt: 20 Prozent zuwenig. Und wer weiß, wie eng der Bewegungsspielraum im Beschaffungsbereich des Bundesheeres ist – Herr Minister, das müssen Sie ja wissen –, der weiß, daß das danebengehen kann. Aber Sie sagen, 24 Abfangjäger genügen, wenn wir ins Bündnis gehen, und 30, wenn wir allein bleiben. – Die Schweiz allein hat über 150, aber das müßte Ihnen eigentlich bekannt sein.

Das gleiche Debakel – teilweise ein noch schlimmeres – gibt es im Personalbereich, wo Sie Ihre ursprünglichen Reformwünsche von 34 000 auf 28 000 Mann reduzieren mußten. Ihre Experten haben es Ihnen jetzt wieder im nachhinein bestätigt – vorher haben sie etwas anderes gesagt. Ich frage mich – und da richte ich meinen Blick auf die Bank dort drüben –: Was sind das eigentlich für Experten, die sich auf Zuruf den politischen Wünschen anpassen?

In diesem Zusammenhang darf ich einen Entschließungsantrag einbringen, der auch die prekäre Personalsituation des Bundesheeres im Auge hat, nämlich den Aufnahmestopp der Bundesregierung für Soldaten.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Jung und Kollegen betreffend die Überleitung von Zeitsoldaten auf Militärpersonen auf Zeit

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Landesverteidigung wird aufgefordert, umgehend in Verhandlungen mit dem zuständigen Bundesminister für Finanzen und dem Bundeskanzler zu treten, damit rasch eine Neuregelung der Übernahmebestimmungen für Militärpersonen auf Zeit getroffen wird, die einen problemlosen Kaderzuwachs in den nächsten Jahren erlaubt.

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Herr Bundesminister! Sie haben mit diesem sogenannten Bericht nur eine Verlegenheitsarbeit abgeliefert. Er enthält weder eine ungeschönte Istdarstellung der Situation des Bundesheeres noch eine realistische Lagebeurteilung. Sie sind mit dem, was Sie Wehrpolitik nennen, auf dem besten Weg, dem Bundesheer seine Zukunft zu verbauen. Herr Wabl müßte Ihnen eigentlich dankbar sein. Wir Freiheitlichen werden diesen Weg jedenfalls nicht mitgehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Dr. Antoni vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.17

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mir schwerpunktmäßig den Bereich Ausbildung angesehen und möchte dazu einige kurze Bemerkungen festhalten.

Herr Bundesminister! Nach Aussage des Situationsberichtes ist derzeit der Zugang zur Militärakademie ausschließlich über den Weg von Reifeprüfungen möglich. Ich meine, daß diese Ausschließlichkeit in der Zeit, in der wir leben, weder zweckmäßig noch zeitgemäß ist. Wir diskutieren – heute ist ja schon mehrfach darauf hingewiesen worden – häufig darüber, daß in der Bildungspolitik mehr Flexibilität und mehr Durchlässigkeit unumgänglich sind. Wenn die Ausbildung der Führungskräfte im Bundesheer von diesen Maßnahmen der Flexibilität und Modernisierung noch ausgenommen ist, dann meine ich, daß hier Handlungsbedarf besteht.

Wir haben in Österreich die allgemeine Wehrpflicht, die Präsenzdiener rekrutieren sich daher aus allen Berufsgruppen. Es scheint daher sinnvoll und logisch zu sein, daß sich auch das Ausbildungs- und Führungspersonal im Bundesheer – so wie in anderen Bereichen – aus allen Bevölkerungsschichten und Berufsgruppen zusammensetzt.

Meines Erachtens gibt der Situationsbericht des Bundesheeres 1996 auch zuwenig Aufschluß über das neue Schulkonzept, wie es im Bericht bezeichnet wird. Immerhin wurde mit der Heeresgliederung 1992 der Einsatzrahmen von 300 000 auf 120 000 Mann reduziert, und ich glaube, daß diese Tatsache selbstverständlich Auswirkungen auf das Ausbildungskonzept, aber auch auf Waffenschulen und Fachschulen haben müßte. Ich frage daher, Herr Bundesminister: Gibt es konkrete Überlegungen, wie künftig – im Unterschied zur Ausbildung mit den seinerzeitigen Waffengattungen – die Truppenausbildung aussehen soll?

Was mich wirklich betroffen macht – da spreche ich wieder als Bildungspolitiker –, ist jener Hilferuf, den alle Abgeordneten von der österreichischen Offiziersgesellschaft erhalten haben. Darin wird betont, daß die geistige Landesverteidigung in unserem Staat ein absolutes Stiefkind sei. Und wenn in diesem Schreiben weiters festgehalten wird, daß die Gefahr besteht, daß die Österreicher nicht mehr zu den Grundwerten dieser Republik stehen, dann glaube ich fürwahr, daß darüber nachgedacht werden muß, was man tun kann, damit diese Situation verändert werden und es wieder zu einer positiveren Einstellung unserer Bevölkerung zum Heer insgesamt kommen kann.

Mich würde eine Antwort auf folgende Frage interessieren: Sind diesbezüglich Maßnahmen geplant? Das wäre für mich sehr interessant. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Steindl. – Bitte, Herr Abgeordneter. Feiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

19.20

Abgeordneter Mag. Franz Steindl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst möchte ich eine allgemeine Feststellung treffen: Ich war im Landesverteidigungsausschuß, und ich werde den Eindruck nicht los, daß dieser Situationsbericht, den


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uns Herr Minister Fasslabend vorgelegt hat, von verschiedenen Seiten verschleppt werden sollte. Ich habe auch den Eindruck gehabt, Herr Kollege Scheibner, daß die Vorsitzführung sehr "light" war; der Begriff "light" ist heute schon gefallen. Abgeordneter Moser hat sein Statement abgegeben und war dann so dynamisch, daß er gleich wieder weg war, sodaß wir gar nicht diskutieren konnten.

Abgeordneter Wabl war auch nur zeitweise im Ausschuß anwesend. Die Grünen haben derzeit interne Probleme. In der "Kronen-Zeitung" von heute schreibt Wolf Martin – ich zitiere aus seiner Rubrik "In den Wind gereimt" –: "Mit Dreck bewerfen sich jetzt froh / die Grünen coram publico. / Sie können sich das freilich leisten, / denn sie sind eh schon Wurscht den meisten." – Ungefähr so stellt sich die Situation bei den Grünen derzeit dar.

Ich hatte auch bei der SPÖ – das muß ich ganz offen sagen – den Eindruck, daß man versucht hat, den Bericht zu verschleppen in dem Sinne, daß man gar keinen Abschluß hat finden wollen. Letztendlich wurde aber dann nach langer Diskussion dieser Bericht im Ausschuß fertiggestellt. (Abg. Gaál: Seit Jahren legen wir den Bericht vor!) Das wollte ich hier schon sagen, Herr Kollege Gaál.

Zum Inhalt des Berichtes: Es hat sich – das wurde heute schon betont – in den letzten Jahren sehr vieles geändert, und es wird sich auch in den nächsten Jahren viel ändern. Es sind eben alte Bedrohungsbilder weggefallen, neue Situationen, vor allem in der Ost-West Beziehung, entstehen, und es wird auch neue Formen der Partnerschaften geben. Es ist ganz klar, daß sich natürlich Organisation und Zielsetzungen des Bundesheeres immer wieder anpassen werden. Leider gibt es – auch das wurde heute hier schon des öfteren betont – in Zeiten des Sparens vor allem im öffentlichen Bereich, wo man, wie es immer wieder heißt, sparen soll, kaum eine Möglichkeit, sich finanziell auszuweiten, und zwar gerade in diesem Bereich. 0,8 Prozent des BIP ist, das gebe ich zu, sehr wenig. (Zwischenruf des Abg. Scheibner. )

Herr Kollege Scheibner! Ich glaube aber, daß vielen diese Situation recht ist. Das kommt auch in verschiedenen Zeitungskommentaren zum Ausdruck. So wollte der ehemalige Innenminister Caspar Einem laut Zeitungsberichten die allgemeine Wehrpflicht abschaffen. Er hat gemeint, Österreichs Grenzen könnten durch eine Art qualifizierter Polizei mit etwas schwerem Gerät geschützt werden. Solche Aussagen stimmen mich sehr nachdenklich.

Aber ich kann noch weiter zurückgreifen. Im Jahre 1970 hat Kreisky im Wahlkampf gemeint, sechs Monate Wehrdienst seien genug. Dann trat Abgeordneter Marizzi für ein "Bundesheer light" ein. Der Slogan hieß damals: Vier Monate sind genug! – Die Liste der Beispiele könnte man noch fortsetzen. Zuletzt hat Brigitte Ederer im Wahlkampf sogar gemeint, man sollte die Bestellung der Radpanzer zurückstellen. (Abg. Gaál: Was hat das mit dem Situationsbericht zu tun?) Das zu sagen, ist schon wichtig, denn das spiegelt die Atmosphäre wider, in welcher dieser Situationsbericht, Herr Kollege Gaál, im Ausschuß diskutiert wurde. (Abg. Gaál: Aber geh! Das stimmt doch überhaupt nicht!) Das möchte ich hier ganz deutlich hervorheben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich meine, daß dieser Situationsbericht sehr viele positive Ansätze hat; ich hoffe, da sind wir uns einig. (Abg. Gaál nickt.) Jeder Bericht hat selbstverständlich zwei Seiten, daß gebe ich auch zu, das ist einfach so, aber man sollte vor allem das Positive hervorkehren. (Abg. Gaál nickt abermals.) Zum Positiven zähle ich den Bereich der Ausbildung, vor allem die Neugestaltung der Ausbildung der Berufsunteroffiziere sowie des Kaderpersonals. Besonderes Augenmerk ist auf die Menschenführung zu lenken. Ich meine, daß das ganz wesentlich ist, denn die Präsenzdiener sind auch Meinungsbildner für das Bundesheer.

Ich möchte nun als burgenländischer Abgeordneter auf ein spezielles Thema eingehen, nämlich auf den Grenzeinsatz des Bundesheeres an der burgenländischen Grenze. 2 000 Bundesheerangehörige überwachen gemeinsam mit der Grenzgendarmerie und den Zollbeamten seit längerer Zeit die grüne Grenze, und zwar 397 km. Sie haben bisher eine exzellente Arbeit geleistet! Dafür möchte ich als burgenländischer Abgeordneter von diesem Rednerpult aus all diesen Soldaten herzlich danken! (Beifall bei der ÖVP.)


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Es sind schon viele illegale Grenzgänger an dieser Grenze aufgegriffen worden. Sie kommen aus verschiedenen Staaten. Der größte Teil von ihnen wurde vom Bundesheer aufgegriffen. Ich weiß gar nicht, wie sich die burgenländische Bevölkerung fühlen würde, würde es das Bundesheer im Assistenzeinsatz an den Grenzen nicht geben. Das muß man immer wieder betonen, zumal beispielsweise von der Abgeordneten Stoisits immer wieder von unmenschlichen und zynischen Aktionen gesprochen wird. Sie sagt, Flüchtlinge würden mit Waffengewalt zurückgetrieben. – Derartige Aussagen sind von ihr zu hören. Ich glaube, das traut sich die Kollegin Stoisits, eine burgenländische Abgeordnete, im Burgenland sicher nicht zu sagen, denn dort würde Sie damit auf Ablehnung stoßen.

Insgesamt glaube ich, daß das Bundesheer im Grenzdienst eine wertvolle Arbeit leistet. (Abg. Mag. Kammerlander: Das ist ja solch ein Blödsinn!) Auch die Kritik des Abgeordneten Moser ist nicht angebracht, wenn er meint, daß das Bundesheer zuviel kostet. Da kann man leicht eine Rechnung aufstellen, und ich trete gerne den Gegenbeweis an.

Alles in allem glaube ich, daß sich das Bundesheer ständig anpassen muß, und die notwendige Flexibilität und den Modernisierungsschub gewährleistet einer: unser Minister Fasslabend. Ich hoffe, daß er noch lange diesem Ressort vorstehen wird! (Beifall bei der ÖVP.)

19.27

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum zweiten Mal zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte, Herr Abgeordneter. Maximale Redezeit: 7 Minuten.

19.27

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Danke, Herr Präsident! Nur ganz kurz: Kollege Steindl hat die Arbeit im Ausschuß und auch meine Vorsitzführung im Ausschuß kritisiert; er war anscheinend das erste Mal in diesem Ausschuß. Eine Replik: Kollege Steindl, wärest Du schon vorher in diesem Ausschuß gewesen, dann hättest Du gewußt, daß wir versuchen, dort weitestgehend einen Konsens zu erreichen, vor allem, was den Ablauf der Ausschußsitzungen und auch die Terminvereinbarungen anlangt. Das haben wir auch diesmal versucht. Diese Vorgangsweise ist dann aber nicht aufrechtzuerhalten gewesen. Da kann man jetzt fragen, warum das so war.

Aber weil du, Kollege Steindl, gesagt hast, irgendwer wollte den Bericht verschleppen: Dazu möchte ich mich gar nicht äußern, denn man könnte auch sagen, daß Beantwortungen von Fragen durch den Minister in Form von halbstündigen Referaten ebenfalls zur Verschleppung von Sitzungen beitragen können.

Ich habe als Vorsitzender versucht, einen weitgehenden Konsens zu erreichen. Aber das war leider nicht möglich. Ich werde aber deine Kritik gerne aufnehmen und in Zukunft streng nach der Geschäftsordnung und ohne Rücksichtnahme auf die Terminplanung des Herrn Ministers die Ausschußsitzungen führen. (Abg. Mag. Steindl: Sei nicht so sensibel!) Das werde ich gerne machen. Ich hoffe nur, daß sich dein militärisches Wissen etwas verbessert. (Abg. Mag. Steindl: Du bist beim Austeilen streng, beim Einstecken sehr sensibel!) Ich habe nämlich aus deiner Fraktion gehört, daß du dir dein Wissen in Form eines "Untergrundkämpfers" von Weinkeller zu Weinkeller angeeignet hast. Ich hoffe, daß das nicht der Realität entspricht. Vielleicht lernst du in den künftigen Sitzungen in den Bereichen der Landesverteidigung ein bißchen etwas dazu. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Kummerer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.29

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Über ein so sensibles Thema wie das Thema der Landesverteidigung wurde bis jetzt eigentlich recht sachlich diskutiert. Auch die Aussage der Grünen, daß sie für die Abschaffung des Bundesheeres sind, ist eine sachliche und klare Aussage. Nur beim Kollegen Steindl, der ein bißchen in die untere Lade gegriffen hat, kam ich nicht ganz mit. Ich


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war auch in der genannten Ausschußsitzung, es hat für diese Ausschußsitzung einen klaren Fahrplan gegeben: Es sollte um 13.00 Uhr eine Sitzungsunterbrechung geben, und es sollten in vier Runden die Fragen an den Minister gestellt werden. (Abg. Mag. Steindl: Bis 13.00 Uhr!) Wir waren um 13.00 Uhr soweit, daß die erste Runde absolviert war. Es war dann die ÖVP der Ansicht, dieser Bericht sei ausreichend diskutiert und frei für das Plenum. Ich war nicht dieser Ansicht. Aber meine Fraktion ist durchaus in der Lage, diesen Bericht hier im Plenum fertig zu diskutieren.

Ich halte diesen Bericht für sehr wichtig, und zwar für so wichtig, daß man für die Diskussion dieses Themas sehr wohl noch einen weiteren Tag hätte verwenden können, unter Umständen sogar noch in einem weiteren Ausschuß darüber hätte befinden können.

Nun zum Bericht selbst: Herr Minister! Gerade das Militär ist dafür bekannt, daß sich viele seiner Führungsmethoden in der Wirtschaft umsetzen lassen und dann Management heißen. Im modernen Management liegen Berichte aber in einer anderen Form vor. Ich erinnere etwa an den Bericht des Landwirtschaftsministers, den Grünen Bericht, und auch an den Umweltbericht des Umweltministeriums. Allein von der Optik her gibt es Qualitätsunterschiede: Diese Berichte sind besser, sie finden auch größere Akzeptanz. Der Grüne Bericht wurde von allen Fraktionen hier im Hohen Hause als guter Bericht deklariert, beim heute vorliegenden Bericht ist das weniger der Fall. Aber so schlecht, Kollege Amon, daß man in diesen Bericht nicht einmal hineinschaut, ist er wirklich auch nicht. Die Mühe à la Pröll, wenigstens eine halbe Seite zu lesen, hättest du dir schon machen können.

Unter Punkt 3 auf Seite 1 steht: Die im Bericht angeführten Jahresdaten beziehen sich im allgemeinen, insbesondere im Hinblick auf die Annahme der HG-Neu, auf den Zeitpunkt des Jahreswechsels 1995/96.

Du hast dich durch den Titel "Standortbericht 1996" irritieren lassen. Der Bericht selbst ist sehr wohl in dem Alter, das Kollege Tychtl erwähnt hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Diskussionen über das Bundesheer werden sich immer auf zwei Dinge reduzieren: auf Personal und auf Beschaffung. Beim Personal ist, glaube ich, sehr wohl Kritik berechtigt. Aus der Praxis wissen wir, daß jeder Präsenzdiener, der zur Truppe durchdringt, ein Geschenk für die Truppe ist. Das hat mehrere Gründe. Es hat Gründe im System, weil unter Umständen Einberufungstermine nicht optimal abgestimmt sind. Ein Einberufungstermin im Juni ist schwierig, die Schüler können ihn nicht wahrnehmen, weil sie mit der Schulausbildung nicht fertig sind, die Lehrlinge ebensowenig. Sollte die Lehre drei oder dreieinhalb Jahre dauern, ist auch ein Dezembertermin nicht der glücklichste.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit aber den einzelnen Stellungskommissionen, den Beamten, die die Einberufungen durchführen, danken. Sie bemühen sich wirklich, im Sinne der Jugend, im Sinne des Machbaren zu wirken und Wünsche zu berücksichtigen.

Es fehlt mir in diesem Bericht auch das Kasernenprogramm. Wir reden seit Jahren über eine Strukturbereinigung, sie wird im Bericht auch andiskutiert. Ich glaube nicht, daß es Sinn macht, Konzentrationen, wie sie angeblich in der Karl-Kaserne unmittelbar neben dem Donauzentrum in Wien stattfinden sollen, durchzuführen, wenn es zum Beispiel in der Kaserne Großenzersdorf eine Auslastung der Kaderbelegung von 61 Prozent gibt.

Ich glaube, daß es auch mit einfachen Mitteln, die wenig Geld erfordern, möglich ist, die Infrastruktur zu verbessern, die Logistik zu verbessern. Auch dazu ein Beispiel: Der Schießplatz Mistelbach wurde vor etwa 30 Jahren errichtet, war grob geschätzt 15 Jahre in Betrieb und ist heute gesperrt, weil man 15 Jahre später draufgekommen ist, daß ein Damm zu niedrig ist und das Scharfschießen daher nicht mehr durchgeführt werden kann. Einfache Begrenzungen für den Lauf würden dieses Problem lösen.

Zu den Prioritäten, die wir auf Seite 33 des Berichtes finden. Es hat mich schon überrascht, daß die höchste Priorität, die Sie, Herr Minister, sehen, die Führungsfähigkeit ist. Du hast in deinen Ausführungen von der hervorragenden Ausbildung gesprochen und gesagt, daß wir praktisch


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mehr als NATO-reif sind. Zu hinterfragen, warum die oberste Priorität die Führungsfähigkeit ist, hatten wir im Ausschuß leider keine Zeit mehr.

Interessant finde ich auch, daß die Ausbildungsinfrastruktur erst an neunter, also vorletzter Stelle von zehn Prioritäten liegt.

Meine Damen und Herren! Die Ausbildung selbst ist uns sehr wichtig, mehr als wichtig. Ich schließe mich dem Dankeswort des Herrn Ministers an, der hier auf den Kader eingegangen ist. Ich möchte meinen Dank aber auch auf die Soldaten an der burgenländischen Grenze ausdehnen. Es sind 32 000 bis 35 000 junge Männer, die nicht freiwillig, sondern in Erfüllung eines gesetzlichen Auftrages, in Erfüllung der allgemeinen Wehrpflicht dort ihren Dienst leisten, und zwar oft unter nicht optimalen Voraussetzungen, wie wir alle wissen. Sie sind aber dennoch für diese Republik da. Auch ihnen herzlichsten Dank! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Ich bin froh, daß wir aus dem Konflikt mit den Zivildienern herausgekommen sind. Gerade dieser Situationsbericht zeigt es wieder: An den Miseren, die es gibt, ist sicher nicht der Zivildienst schuld. Mit der Zwölf-Monate-Regelung, die wir jetzt getroffen haben, mit einem Einpendeln um die Zahl von 6 000 Zivildienern können alle leben: Es können die Zivildiener leben, es kann das Bundesheer leben. In meinen Dank und in den Dank meiner Fraktion seien auch die Zivildiener ausdrücklich eingeschlossen!

Meine Damen und Herren! Aufgrund der Kürze, die ich hier einhalten möchte, nur einige Schlußfolgerungen. Es ist in diesem Situationsbericht sicher nicht einfach – wir haben es auch gestern in der Sicherheitsdebatte gehört –, ein Szenario zu entwickeln, das längere Zeit glaubhaft ist. Wir sind in einem Umbruch, wir wissen nicht, was auf uns zukommt. Wir können auch nicht die nächsten 10 oder 15 Jahre nur von dem Erfolgserlebnis Jugoslawien leben. Wir müssen daher eine vernünftige Politik betreiben, und zwar mit einem Beschaffungsprogramm, das auf alle Fälle paßt.

Im Gegensatz zum Kollegen Wabl meine ich, daß die Entscheidung, im Zuge des Mech-Pakets – der Mech-Plan fehlt mir auch noch – den Pandur anzuschaffen, eine gute Entscheidung ist. Ich glaube auch, daß diese Entscheidung vordringlich sein sollte. Wir brauchen den Pandur! Wir brauchen den Pandur auch für jene Aspekte, die sich in der Zukunft für uns, für unsere Republik ergeben werden.

Herr Minister! Du weißt es, aber ich kann es nur immer wiederholen: Die Anschaffung von 200 Pandur-Panzern hat für mich erste Priorität, und zwar nicht nur deshalb, weil es dadurch eine Wertschöpfung im Inland gibt, sondern auch deswegen, weil ein vernünftiger Einsatz schon morgen gegeben ist: In Mistelbach warten wir dringend auf 45 Pandur-Panzer. Herr Minister, die Tore sind offen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Leikam. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.39

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Zunächst einige Bemerkungen zu meinem Vorredner aus dem Burgenland, zum leidigen Thema Grenzdienst: Ich glaube, so gut, so wichtig und so positiv das Bundesheer im Burgenland arbeitet, so klar muß auch gesagt werden, daß der Grenzdienst dort nur eine Assistenzleistung des Bundesheeres ist und keine Dauereinrichtung bleiben kann. Ich glaube, darüber sollten wir uns im klaren sein. Es gibt auch in der Regierung eine ganz klare Vereinbarung darüber: In dieser Legislaturperiode gibt es keine Debatte darüber, das Bundesheer bleibt im Burgenland, und dann wird man darüber weiter diskutieren. Aber daraus einen Dauereinsatz herbeireden zu wollen, dagegen muß man, glaube ich, sein, denn immerhin sind wir das einzige EU-Land, das sein Bundesheer an der Grenze stehen hat. Ich glaube, das kann nicht sein. (Abg. Jung: Nein, das stimmt aber nicht ganz!) Doch, das stimmt. (Abg. Jung: Nein, Italien hat es auch!)


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Ein weiterer Punkt: Auch wenn jetzt so getan wird, als ob das das Wichtigste wäre – das Bundesheer leistet da zweifellos gute Arbeit –, ist doch festzuhalten, daß es kein Geringerer als der Vorgänger des Herrn Bundesministers Fasslabend war, der mehrmals in diesem Hause erklärt hat, daß die Ausbildung des Bundesheeres in Gefahr gerät, wenn es noch länger im Burgenland Assistenzeinsatz leistet. Die Begeisterung für die Assistenzleistung, die der jetzige Verteidigungsminister zweifellos aufbringt, hatte zumindest sein Vorgänger nicht. – Das nur zur Richtigstellung.

Wenn vom Kollegen Murauer ein bißchen in Richtung SPÖ geklagt wurde, daß der Beifall von unserer Seite für den Verteidigungsminister nicht so stark gewesen sei, dann sei schon daran erinnert, daß gerade Kollege Murauer bei Debatten zu Berichten von Ministern, die der SPÖ angehören, auch nicht immer die feine Klinge hier am Rednerpult führt, oft sehr tief in die Kiste greift und die Sachlichkeit vermissen läßt. Ich erinnere etwa an den Bericht des Innenministeriums, an den Sicherheitsbericht, der schon über viele, viele Jahre dem Hause vorgelegt wird, während wir heute überhaupt zum ersten Mal Gelegenheit haben, über einen Bericht des Verteidigungsministers zu diskutieren. (Abg. Rosemarie Bauer: Ach so! Kollege Leikam, Sie sind nachtragend!)

Also, diese Wehleidigkeit des Kollegen Murauer ist wirklich nicht angebracht! (Abg. Haigermoser: Murauer gegen Leikam, das ist Brutalität! Murauer gegen Leikam, das ist wie Kapfenberg gegen Simmering!)

Selbstverständlich, Kollege Haigermoser, bekennen wir uns ganz klar zum Bundesheer, selbstverständlich! Wir wissen auch, daß gerade die jungen Leute, die im Bundesheer sind, es verdienen, daß dort die besten Organisationsstrukturen gegeben sind, und es gibt durchaus auch in diesem ersten Bericht Ansätze, bei denen man lobend die Arbeit des Verteidigungsministeriums hervorheben kann. Ein solcher Bereich ist zweifellos die Ausbildung der Unteroffiziere, denn gerade die Unteroffiziere sind es ja, die am engsten mit den Jungmännern arbeiten müssen. Da kann eine gute Ausbildung nur positiv gesehen werden. Die Unteroffiziersakademie, die geschaffen worden ist, ist eine gute Einrichtung, Herr Bundesminister, da sind wir durchaus auf einer Linie. Es gäbe natürlich auch noch andere Punkte, die man lobend erwähnen könnte.

Womit ich aber einige Probleme habe, das ist beispielsweise der Bereich der Tauglichkeit beziehungsweise der Untauglichkeit. Drei Bundesländer weichen bei der Tauglichkeit beziehungsweise Untauglichkeit eklatant vom Gros der anderen Bundesländer ab: Das sind die Bundesländer Vorarlberg und Tirol – wir haben immer gedacht, dort sind die gesunden jungen Leute zu Hause; das scheint aber nicht so zu sein –, und das ist auch Wien. Wenn aber in diesem Bericht drinnensteht, daß verglichen mit Wien Oberösterreich etwa nur die Hälfte Untaugliche habe, dann mag das ein gezielter Hinweis auf die Bundeshauptstadt sein, denn noch mehr Untaugliche haben zum Beispiel die Länder Vorarlberg und Tirol. Die hat man aber nicht erwähnt, Herr Bundesminister! Bitte erwähnen Sie das nächste Mal auch diese beiden Länder.

Ich wundere mich auch, aber vielleicht gibt es eine Erklärung des Bundesministers dazu, warum gerade in diesen beiden Ländern, wo wir immer geglaubt haben, daß dort die kernigen Burschen zu Hause sind, am meisten Untaugliche zu verzeichnen sind. Ich weiß, die Tiroler schauen jetzt ganz ungläubig, aber das steht im Bericht des Verteidigungsministers. Ich weiß es nicht, vielleicht können mir das die Kollegen von der ÖVP einmal erklären. Es gibt dafür keine Erklärung in diesem Bericht. Oberösterreicher hingegen sind gesunde Leute, das steht auch drinnen. (Abg. Auer: Das muß ein Arzt erklären!) Vielleicht arbeitet die Kommission dort nicht so wie in anderen Bundesländern, das ist durchaus denkbar.

Ein weiterer Punkt, der zwar nicht drinnen steht, aber den ich auch gerne in diesem Bericht hätte: Es gibt auch Musterungen im Bereich der Auslandseinsätze. Auch für diese Einsätze werden die Leute – es sind ja überwiegend Freiwillige – gemustert. Darüber gibt es aber nur Dunkelziffern, wonach etwa die Hälfte, also jeder zweite, der sich dafür meldet, nicht die körperliche Eignung hätte, zum Auslandseinsatz zugelassen zu werden. Das ist eine Entwicklung, die sehr bedenklich ist, und man muß diskutieren, warum das so ist.


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Herr Bundesminister, noch ein Punkt, bei dem ich Sie wirklich nicht loben kann: (Abg. Dr. Khol: Es wäre ja ein Wunder, wenn Sie das Bundesheer einmal loben würden!) Ich habe es bis jetzt nur gelobt! (Abg. Dr. Khol: Man könnte glauben, die SPÖ ist in der Opposition! Das ist ja unglaublich!) Nicht so empfindlich sein!

Vor wenigen Wochen hat der Herr Bundesminister für Landesverteidigung den neuen Kärntner Militärkommandanten bestellt. Es heißt ausdrücklich im Wehrgesetz, daß vor der Bestellung des Militärkommandanten die jeweilige Landesregierung Gelegenheit bekommen sollte, sich dazu zu äußern.

Herr Bundesminister! Bei der Bestellung des Kärntner Militärkommandanten ist diese Äußerung von seiten der Kärntner Landesregierung nicht erfolgt beziehungsweise von Ihnen nicht abgewartet worden. Sie haben einen Alleingang unternommen. Ich bin wirklich nicht glücklich über diese Vorgangsweise, weil damit ein vielleicht sehr guter neuer Militärkommandant immerhin den Stempel aufgedrückt bekommt, daß seine Bestellung nicht korrekt nach den Richtlinien des Wehrgesetzes erfolgt ist.

Herr Bundesminister! Mein persönlicher Eindruck, den ich gewonnen habe, ist: Sie haben diese Bestellung nicht als Bundesminister für Landesverteidigung, sondern als Bundesobmann des ÖAAB vorgenommen! (Beifall bei der SPÖ.)

19.46

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nunmehr Herr Bundesminister Dr. Fasslabend gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

19.46

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Einige ganz kurze Bemerkungen zu direkt aufgeworfenen Fragen.

Zuerst zu einer Frage, die der Abgeordnete Gaál hinsichtlich der Anzahl der Offiziere beziehungsweise der Generalstabsoffiziere aufgeworfen hat. – Herr Abgeordneter, wir haben nicht zu viele, sondern nach allen internationalen Kenndaten zu wenig Offiziere! Die Kennziffer etwa für die Struktur der belgischen Armee beträgt ein Offizier auf dreieinhalb Unteroffiziere und ein Unteroffizier auf vier Mann. Vergleichen Sie unsere Struktur damit.

Gerade dort, wo ein Höchstmaß an Planungsgenauigkeit, wie es bei uns immer gewünscht wird, an Einsatzvorbereitung und an Führungskapazität erforderlich ist, ist natürlich die Ausbildung für Generalstabsoffiziere ganz besonders wichtig. Daher werden wir dort auch in Zukunft weiter intensivieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Abgeordnete Gredler hat zwei Probleme angesprochen, und zwar hat sie die Frage gestellt, inwieweit der Datenschutz in den Nachrichtenämtern gewährleistet ist. Diese werden vom Datenschutzamt überprüft, und es ist dort der Umgang mit den Daten höchst positiv bewertet worden.

Zur zweiten Frage, ob man aus einer Handbewegung von mir nicht schließen könnte, daß sie sozusagen als Vogeldeuten gemeint gewesen könnte: Das war mit Sicherheit nicht so gemeint – und schon gar nicht beim Abgeordneten Moser, wenn ich mir das erlauben darf, zu sagen. (Beifall des Abg. Mag. Peter. )

Abgeordneter Tychtl hat unsere Vorkehrungsmaßnahmen gegen das Eindringen von Suchtgift und Drogen im Bundesheer angesprochen. Auch wenn es sehr rigide Maßnahmen sind, auch wenn wir Hunde et cetera dafür einsetzen, bekenne ich mich voll und ganz dazu. Ich habe das persönlich veranlaßt, weil ich glaube, daß alles unternommen werden muß, damit dieser Bereich von Drogen freigehalten wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Antoni hat die geistige Landesverteidigung angesprochen. Es gibt nach wie vor Prämierungen für geistige Landesverteidigung. Zweifelsohne ist es so, daß nach der grundsätzlichen Entscheidung Österreichs über seine sicherheitspolitischen Optionen ein neuer


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Impuls auf diesem Gebiet ausgehen sollte, als Grundlage für eine gut durchdiskutierte geistige Landesverteidigung.

Herrn Abgeordneten Leikam möchte ich noch folgendes sagen: Offensichtlich ist eine Fülle von Informationen nicht bekannt. Selbstverständlich habe ich eine Äußerung der Kärntner Landesregierung zu der von Ihnen erwähnten Bestellung bekommen. (Abg. Müller: Nur des Landeshauptmannes!) Nein, ich habe eine persönliche, über zwei Seiten lange Stellungnahme des Landeshauptmann-Stellvertreters, der Ihrer Fraktion zuzurechnen ist, bekommen, habe sie höchst aufmerksam studiert und kann Ihnen nur das eine sagen: Ich werde sicherlich mein Prinzip, daß ich mich nicht von parteipolitischen Gesichtspunkten leiten lasse (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), sondern von der Leistungskraft der Bewerber, auch in Zukunft beibehalten! (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Haigermoser. )

19.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters entfällt.

Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen. Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Antrag des Landesverteidigungsausschusses, den vorliegenden Bericht III-73 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Bericht ist damit angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Scheibner und Genossen betreffend die Vorlage eines Weißbuchs über die Einsatzbereitschaft des österreichischen Bundesheeres und die Erarbeitung eines neuen Landesverteidigungsplanes.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir stimmen weiters ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Scheibner und Genossen betreffend die Durchführung von Umgliederungen erst nach Abschluß grundsätzlicher Entscheidungen über den sicherheitspolitischen Weg Österreichs.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Ofner und Genossen betreffend die pensionsrechtliche Absicherung von Soldaten.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Jung und Genossen betreffend die Überleitung von Zeitsoldaten auf Militärpersonen auf Zeit.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

7. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (574 der Beilagen): Teilzeitnutzungsgesetz – TNG (586 der Beilagen)


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8. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (561 der Beilagen): Grundbuchsnovelle 1997 – GBNov. 1997 (587 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zu den Punkten 7 und 8 der Tagesordnung. Die Debatte wird unter einem durchgeführt.

Auf die Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

19.52

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Das Bundesgesetz über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an unbeweglichen Sachen, kurz Teilzeitnutzungsgesetz genannt, hat den Hauptzweck, den Erwerber besser zu informieren und vor allen Dingen besser zu schützen. (Unruhe im Saal.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit oder zumindest um etwas mehr Ruhe für die Frau Abgeordnete! – Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (fortsetzend): Teilzeitnutzungsrechte können erworben werden zum Beispiel an Ferienwohnungen, Ferienanlagen oder auch zum Beispiel an Hotelzimmern.

Teilzeitnutzungen von Ferieneinrichtungen sind besser bekannt unter dem Begriff Time-sharing. Sie wurden in den letzten Jahren immer beliebter.

Es gibt verschiedene Ausformungen. Als Beispiel möchte ich Tauschpools nennen. Tauschpools ermöglichen es, daß jemand mit einem österreichischen Teilzeitbesitz zum Beispiel mit einem australischen Teilzeitbesitzer tauschen kann. Das eröffnet Möglichkeiten, die natürlich gerne genutzt werden und diese Art des Urlaubmachens noch verschönern und die Attraktivität erhöhen. (Beifall des Abg. Dr. Ofner. )

Gerade im Bau- und Tourismusbereich, wo ja auch Wirtschaftskriminalität auftritt, tauchen nicht selten zwielichtige Gestalten und auch Firmen auf, wenn es darum geht, bei etwas Neuem das schnelle Geld zu machen, sozusagen abzuzocken und damit auch Nichtsahnende zu übervorteilen.

Ein anderer Problembereich ist, daß sich hinter den Betreibern auch nicht selten undurchsichtige Organisationen verbergen. Weiters machen die Betreiber oft hohe Schulden, es kommt dadurch zu Insolvenzen, und der Erwerber kommt um sein Geld.

Es wird auch beklagt, daß Abschlüsse oft aufgrund sehr günstiger Angebote zustande kommen, den Käufern jedoch unzureichend klar gemacht wird, daß die laufenden Betriebskosten sehr hoch sein können. Manchmal stehen diese in keinem Verhältnis zum Wert der angebotenen Leistungen.

Man kann also sagen, das Time-sharing ist ein bißchen ins Gerede gekommen. Daher ist es sehr wichtig und notwendig, daß dieser Bereich jetzt geregelt wird (Beifall bei der SPÖ), und zwar zum Nutzen der Erwerber, um Mißbrauch und Kriminalität im Bereich der Teilzeitnutzung von Ferienobjekten einen Riegel vorzuschieben.

Das Europäische Parlament hat diese verbraucherschutzrechtlichen Defizite schon Ende der achtziger Jahre erkannt und die Kommission aufgefordert, eine Richtlinie zu erlassen. Diese Richtlinie zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten, vor allem Immobilien, ist von der Kommission nach Jahren letztendlich auch vorgelegt und im Oktober 1994 vom Europäischen Parlament und vom Europäischen Rat beschlossen worden.


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Zweck dieser nun seit 1995 für den ganzen EWR, also für den Europäischen Wirtschaftsraum gültigen Richtlinie ist es, eine minimale Grundlage an gemeinsamen Vorschriften auf diesem Gebiet zu schaffen, die das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarktes und auch den Erwerberschutz gewährleisten.

Die wichtigsten Inhalte dieser Richtlinie und natürlich dieses Gesetzes sind neben Begriffsbestimmungen und der Umschreibung des Geltungsbereiches die in 14 Abschnitte unterteilten Regelungen – zum Beispiel über die vorvertraglichen Informationspflichten, über die Form, den Inhalt und die Sprache des Nutzungsvertrages. Sehr wichtig ist auch das Rücktrittsrecht, das verankert wurde. Die Richtlinie läßt den Mitgliedstaaten ausdrücklich offen, Vorschriften zu erlassen oder auch beizubehalten, die aus Sicht des Erwerberschutzes noch vorteilhafter sind.

Die 30 Monate dauernde Frist zur Umsetzung dieser Richtlinie endet für die Mitgliedstaaten am 29. April 1997.

Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ihre Zustimmung vorausgesetzt, können wir diese Fristsetzung einhalten. Ich gehe davon aus, denn es haben ja alle Fraktionen im Ausschuß ihre Zustimmung zu diesem Gesetz bereits gegeben. Leider konnten wir bei den seinerzeitigen Beratungen zu dieser Richtlinie nicht dabei sein, da Österreich bei deren Erlaß ja noch nicht Mitglied der Europäischen Union war.

Der nun vorliegende Gesetzentwurf ist natürlich geprägt durch die vorgegebene EU-Richtlinie, aber manche Regelungen überläßt die Richtlinie zur Gänze den Mitgliedstaaten, wie zum Beispiel die Form der Rücktrittserklärung, die näheren Bestimmungen über die Auflösung des Kreditvertrages oder die Sanktionierung von Verstößen gegen die Normen der Richtlinie.

Einige der Regelungsinhalte der Richtlinie mußten mit dem österreichischen Rechtssystem in Einklang gebracht, mit bereits bestehenden Bestimmungen harmonisiert und natürlich auch unserer Rechtssprache terminologisch angeglichen werden. Besonders trifft dies auf Teile des Konsumentenschutzgesetzes zu. Da wurde etwa andiskutiert, ob man die vorgegebenen Bestimmungen der Richtlinie nicht ins Konsumentenschutzgesetz einarbeiten sollte. Man ist aber davon abgegangen, weil es doch ein sehr spezieller Bereich ist, der hier geregelt wird, und das Konsumentenschutzgesetz sonst überlagert wäre. Es ist dies doch eine komplexe Materie, die mit über zwölf Paragraphen geregelt wird.

Der § 10 dieses Gesetzes ist nicht durch die Richtlinie vorgegeben, sondern bietet darüber hinaus – fakultativ allerdings – grundrechtliche Sicherungsmöglichkeiten – wichtig und nützlich immer dann, wenn Probleme auftreten, wenn zum Beispiel ein Unternehmen in Schwierigkeiten kommt beziehungsweise insolvent wird. Die Inanspruchnahme einer solchen Sicherheit wie zum Beispiel der Treuhänderhypothek bleibt nicht zuletzt wegen der unterschiedlichen Time-sharing-Systeme in der uneingeschränkten Autonomie der Vertragsparteien.

Es wird aber erwartet – und das erhoffe ich mir dadurch auch –, daß eine grundbücherliche Sicherstellung ein Unternehmen für den Kunden erst seriös und attraktiv macht.

In diesem Zusammenhang stellt sich allerdings die Frage, inwieweit dieses Gesetz in all seinen Ausformungen dann auch wirklich in den Bundesländern mit den Grundverkehrsgesetzen in Einklang gebracht werden kann, da in den Bundesländern oft sehr restriktive Grundverkehrsgesetze bestehen. Ich erinnere nur an die Ferienwohnsitze.

Zum Schluß kommend möchte ich noch sagen, daß sich der OGH in seiner Stellungnahme zu diesem Entwurf sehr positiv geäußert hat – das freut uns und macht uns stolz. So erkläre ich mir, daß der Justizausschuß in der Ausschußsitzung sozusagen angestachelt von diesem Lob noch einige Veränderungen, Verbesserungen vorgenommen hat.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Gleichbehandlung von Erwerber, Veräußerer oder Kreditgeber und daran – und das ist eine sehr wichtige Änderung, die noch am Schluß eingefügt wurde –, daß die absolute Höchstfrist von 3 Monaten und 14 Tagen dann nicht zur Geltung kommt, wenn im Vertrag oder auch im Ergänzungsblatt des Vertrages keine Rücktritts


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möglichkeiten erwähnt sind. Das ist, glaube ich, etwas Richtiges und Wichtiges, was uns da noch gelungen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend möchte ich festhalten, daß in diesem expandierenden Bereich des Time-Sharing durch dieses Gesetz wesentliche Rechtssicherheit geschaffen wird. Die Vorlage geht beträchtlich über die EU-Richtlinie hinaus und gibt nach alter österreichischer Tradition, das wage ich zu behaupten, dem Schwächeren bessere Möglichkeiten, zu seinem Recht zu kommen.

Wir von der sozialdemokratischen Fraktion stimmen diesem Gesetz mit Freude zu. (Beifall bei der SPÖ.)

20.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

20.03

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf regelt in Österreich erstmals das Time-Sharing, obwohl der Begriff im Gesetzentwurf überhaupt nicht vorkommt. Trotzdem verbergen sich hinter diesem Begriff eine Reihe von Erscheinungsformen, letztendlich geht es aber um die Verwertung und Vermarktung von Ferienwohnungen.

Dem Prinzip nach erwirbt der Kunde das Recht, eine Ferienwohnung oder einen Teil einer Ferienwohnung für einen Zeitraum im Jahr ausschließlich für sich zu nutzen, wobei allerdings die rechtlichen Konstruktionen vielfältig sein können. Die Palette reicht von Fruchtgenuß, Miteigentum, Ausgabe von Aktien über Vereinssysteme und Treuhandmodelle bis hin zu Miet- und Beherbergungsverträgen.

Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Teilzeitnutzungsverträge ist international gesehen durchaus unterschiedlich. In Österreich, das entnehme ich einer Tageszeitung, werden zurzeit 3 bis 5 Prozent aller Betten im Rahmen des Time-Sharing angeboten; das sind 30 000 Betten. Allerdings stellt man eine Zunahme im städtischen Bereich, zum Beispiel in Wien, Bregenz und Klagenfurt, fest, während die Zahl der Time-Sharing-Systeme in anderen Gegenden Österreichs stagniert. In Deutschland war in den letzten drei Jahren eine Zunahme von 5 Prozent zu verzeichnen. In anderen Urlaubsgebieten, in Übersee, zum Beispiel in der Karibik, steigerte sich diese Vertriebsform um rund 270 Prozent.

Wir sehen also, daß durchaus Handlungsbedarf gegeben ist. Dieser Handlungsbedarf hat sich insofern verstärkt, als in den letzten Jahren durch aggressive Verkaufspraktiken unüberlegte und übereilte Vertragsabschlüsse erzielt wurden und es dadurch zu Schädigungen der Erwerber gekommen ist. Meine Vorrednerin hat darauf hingewiesen: Die EU hat mit einer Richtlinie reagiert und verlangt von ihren Mitgliedsländern, daß sie diese EU-Richtlinie in innerstaatliches Recht umsetzen.

Die Hauptinhalte dieser EU-Richtlinie umfassen die Informationspflicht des Anbieters, das Rücktrittsrecht – vor allem des Erwerbers – und letztendlich auch Regelungen über Form und Inhalt des Nutzungsvertrages.

Die heutige Vorlage des österreichischen Teilzeitnutzungsgesetzes folgt in weiten Teilen der EU-Richtlinie, geht aber zu einem beachtlichen Teil darüber hinaus.

Ich habe von dieser Stelle aus in anderen Zusammenhängen immer wieder darauf hingewiesen, daß wir in Österreich Vorsicht walten lassen müssen, um nicht österreichische Anbieter, österreichische Normanwender schlechterzustellen, als dies im EU-Raum gegeben ist. Daher war da der Spagat zu schaffen. Im konkreten Fall bedeutet dies, daß es galt, überzogene Regelungen zu verhindern, um nicht das endgültige Aus für den Verkauf von Teilzeitnutzungsverträgen in Österreich zu erreichen. Auf der anderen Seite braucht unsere Tourismuswirtschaft diese neue Finanzierungsform, um ihre schwierige Situation zu verbessern. (Beifall bei der ÖVP.)


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Vor diesem Hintergrund ist der vorgelegte Entwurf, so scheint mir, ausgewogen. Er bringt einerseits eine wesentliche Verbesserung des Verbraucherschutzes und trägt andererseits wesentlich zur Rechtssicherheit, aber auch zur Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Anbieter bei.

Den Inhalt des Teilzeitnutzungsgesetzes möchte ich nicht noch einmal wiederholen. Er reicht von genauen Bestimmungen in der Informationsschrift bis hin zu Form und Inhalt der Vertragsurkunde. Dabei kommt der Vertragssprache besondere Bedeutung zu, weil der Erwerber nicht durch mangelnde Sprachkenntnisse einen Nachteil haben soll. Das Kernstück dieses Entwurfes aber ist das Rücktrittsrecht, wobei dem Erwerber innerhalb einer bestimmten Frist ein Rücktrittsrecht ohne Rücktrittsgrund eingeräumt wird.

Ich habe schon erwähnt, daß das österreichische Teilzeitnutzungsgesetz über die EU-Richtlinie hinausgeht. Einer dieser Bereiche ist jener der fakultativen Sicherstellung. Es wird das grundbücherliche Recht eingeräumt, eine Reallast des Betreibens der Teilzeitnutzungsanlage einzuverleiben, und zwar soll der Nutzer auch das Recht haben, daß ihm der Unternehmer ein aktives Handeln anbietet.

Dabei geht es um folgendes: Wenn der Nutzer per Kaufvertrag, worin ihm Golf, Tennis, Pool und so weiter angeboten werden, eine Anlage erworben hat, so soll er den Unternehmer zwingen können, diese Leistungen auch künftig anzubieten. Außerdem ist es möglich, eine Treuhänderhypothek einzutragen, damit der Erwerber die erbrachten Zahlungen auch sicher zurückbekommt.

Diese zusätzlichen Sicherstellungen tragen einerseits dazu bei, den Schutzstandard für den Erwerber weiter zu verbessern, aber sie sind auch geeignet, das Ansehen des Time-Sharing-Systems insgesamt zu heben. Diese Möglichkeit kann den österreichischen Anbieter in die Lage versetzen, gegenüber ausländischen Anbietern wettbewerbsfähiger zu sein, weil er eben ein zusätzliches Werbeargument in der Hand hat.

Meine Vorrednerin hat schon darauf hingewiesen, daß im Ausschuß einige Klarstellungen und Verbesserungen eingefügt wurden. Ich darf noch einen kurzen Abänderungsantrag zur Verlesung bringen, der zwei kleine Klarstellungen bringt:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Fuhrmann, Dr. Fekter und Genossen betreffend den Bericht des Justizausschusses (586 der Beilagen) über die Regierungsvorlage (574 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an unbeweglichen Sachen (Teilzeitnutzungsgesetz – TNG)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der Gesetzesantrag im Bericht des Justizausschusses (586 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

1. In § 7 Abs. 1 lautet der zweite Satz:

"Ist die ausgefolgte Vertragsurkunde im Sinne des § 6 Abs. 2 unvollständig, so beginnt die vierzehntägige Wartefrist erst nach Ausfolgung einer Ergänzungsurkunde, die sämtliche fehlenden Angaben enthält, spätestens jedoch drei Monate nach Ausfolgung der zumindest die Hinweise auf das Rücktrittsrecht nach § 3 Abs. 1 Z 1 lit. f und g, § 4 Abs. 2 enthaltenden Vertragsurkunde."

2. Dem § 8 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

"Ist die ausgefolgte Vertragsurkunde über den Nutzungsvertrag im Sinne des § 6 Abs. 2 unvollständig, so ist jeglicher Kostenersatzanspruch des Veräußerers aus der Kreditgewährung ausgeschlossen."

*****


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Ich komme zum Schluß und darf als steirischer Abgeordneter aus der Stellungnahme der UNI Graz zum Entwurf des Teilzeitnutzungsgesetzes zitieren, die feststellt: Insgesamt ist der vorliegende Entwurf sehr sorgfältig ausgearbeitet. Es handelt sich dabei um eigenständige österreichische Lösungen, denen hoffentlich die durchaus verdiente europaweite Vorbildwirkung zuteil werden wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diesem Urteil können wir von der Österreichischen Volkspartei uns vollinhaltlich anschließen und werden daher dem vorliegenden Entwurf sehr gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

20.12

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Abänderungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

20.12

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Mein Vorredner hat davon gesprochen, daß Österreich eine eigenständige Lösung der Time-Sharing-Problematik in legistischer Weise vorgenommen hat. Ich kann dieser Aussage nicht ohne weiteres beipflichten, denn es ist nun einmal Tatsache, daß eine EU-Richtlinie vorliegt, die die Republik Österreich innerstaatlich umzusetzen hat. Und genau mit dem vorliegenden Teilzeitnutzungsgesetz kommt Österreich dieser Verpflichtung nach.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Time-Sharing ist grundsätzlich nichts Negatives, sondern durchaus positiv zu sehen, positiv in zweierlei Richtungen: erstens aus der Sicht des Time-Sharing-Unternehmers – sehr häufig handelt es sich um Hoteliers, Besitzer von Hotelanlagen; es ist ein durchaus positives Instrument der Finanzierung weiterer Hotelausbauten, der Finanzierung der Infrastruktur in Hotels –, zweitens entspricht das Time-Sharing auch dem Bedürfnis der Konsumgesellschaft nach größtmöglicher Mobilität und dem Bedürfnis, Ferien und Freizeit abwechslungsreich zu gestalten, etwa in Form der Teilnahme an Tausch-Pools, wobei Tausch-Pool-Punkte europaweit und teilweise weltweit ausgetauscht werden können. Auf diese Art wird der einzelne Time-Sharing-Berechtigte in die Lage versetzt, sein Time-Sharing zu tauschen und andere Länder und andere Sitten kennenzulernen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als wir das Teilzeitnutzungsgesetz im Justizausschuß besprochen haben, ist uns Freiheitlichen sofort die Tatsache ins Auge gestochen, daß mit dem Vorschlag das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird, und zwar deshalb, weil der § 3 dieses Teilzeitnutzungsgesetzes eine Informationsschrift vorsieht, die vom Veräußerer, also vom Time-Sharing-Unternehmer, jedem Interessenten zwingend auszufolgen ist, also nicht nur jedem Erwerber, sondern bereits jedem, der sich völlig lose mit Time-Sharing befaßt und sich dafür interessiert. Es ist ihm nicht nur die Informationsschrift auszuhändigen, sondern gleichzeitig auch eine Übersetzung in der Sprache jenes Landes, dem er angehört.

Es drängt sich sofort der Verdacht auf, daß findige Time-Sharing-Unternehmer diese Bestimmung dazu mißbrauchen könnten, die Organisationsstrukturen von Konkurrenten in Erfahrung zu bringen und zu vergleichen, indem sie sich ganz einfach als Interessent ins Spiel bringen. Die "angefragten" Unternehmer sind dann verpflichtet, Auskünfte zu erteilen – bei sonstiger Strafe sind sie verpflichtet. Dadurch hat der Anfrager einerseits eine Vergleichsmöglichkeit, wie er zum Beispiel das Layout, die Prospekte und die Art der Vertragsgestaltung et cetera machen könnte, denn das ist ihm ja auszufolgen, und andererseits könnte er dann seinen Konkurrenten vernadern, wenn dieser der Informationspflicht nicht nachgekommen ist. Das würde dann eine Strafe von bis zu 20 000 S bedeuten.

Wir haben die Richtlinie im Justizausschuß einer genauen Überprüfung unterzogen und zur Kenntnis nehmen müssen, daß die Europäische Union ein sehr enges Korsett für die innerstaatliche Umsetzung geschaffen hat. Es war gar nicht so leicht, dem berechtigten Interesse nach einer Entschärfung Rechnung zu tragen und gleichzeitig der EU-Richtlinie zu entsprechen. Daß


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dies gelungen ist, ist – hinsichtlich des Justizausschusses kann man das fast sagen – dem traditionellen Einigungsgedanken im Justizausschuß zu verdanken.

Es ist gelungen, eine Entschärfung dergestalt herbeizuführen, daß zwar die Informationsschrift einem Interessenten auszuhändigen ist, aber die Unterlassung der Übergabe einer Übersetzung nur dann eine Strafsanktion nach sich zieht, wenn ein Erwerber nicht mit dieser Übersetzung ausgestattet wurde. Es gilt also nicht für einen Interessenten, so wie es im Gesetzentwurf gestanden ist, sondern nur für den Erwerber.

Unter diesen Prämissen hat sich die Freiheitliche Partei in die Lage versetzt gefühlt, im Ausschuß die Zustimmung zu erteilen, und es besteht keine Veranlassung, hier im Plenum von dieser Haltung abzugehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.18

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte. Ihrem Klub stehen noch 16 Minuten Redezeit zur Verfügung.

20.18

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Selten genug gibt es Gelegenheit für einen Oppositionsabgeordneten, die Regierung zu loben. Das tue ich hiemit! (Ruf bei der ÖVP: Bravo!)

Erstens: Die Grundbuchnovelle ist urgescheit. Ich muß Ihnen gratulieren: Das Grundbuch funktioniert in Österreich, das Firmenbuch funktioniert ebenfalls. Das ist ein Teil der Verwaltung, der ein Vergnügen ist. Herr Bundesminister, vielen Dank, daß das so gut funktioniert.

Beim Teilzeitnutzungsgesetz geht es im wesentlichen um die Finanzierung von Ferienobjekten – das ist klar. Ich glaube nicht, daß es für die Finanzierung von neuen Ferienobjekten sosehr gebraucht werden wird, denn so viele neue werden in der nächsten Zeit nicht gebaut werden, weil sie nicht finanzierbar sind. In Österreich geht es vielmehr darum, bestehenden Objekten zusätzliche Nutzungsmöglichkeiten zu geben. Es ist kein Allheilmittel, aber eine Möglichkeit, zu zusätzlichen Auslastungen zu kommen, damit der Konsument zu interessanteren Konditionen wohnen kann.

Fest steht, daß es notwendig war, dieses Gesetz zu beschließen. Wir haben eine EU-Richtlinie umgesetzt. Danke, daß Sie es getan haben!

Wir werden beiden Gesetzen und auch dem Abänderungsantrag, der vorgebracht wurde, zustimmen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

20.19

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Michalek. – Bitte, Herr Bundesminister.

20.19

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde schon erwähnt, daß die weltweite Verbreitung des Time-Sharing nicht nur von positiven Auswirkungen begleitet war, sondern aus der Sicht des Verbraucherschutzes zunehmend auch mit einer problematischen Entwicklung verbunden war. Häufig wurden aggressive Vertriebsmethoden oder irreführendes Werbematerial eingesetzt, wichtige Informationen, etwa über den rechtlichen Charakter des erworbenen Rechtes oder über die tatsächliche Kostenbelastung, vorenthalten. Überdies haben die meist grenzüberschreitende Bezüge aufweisenden Verträge schwierige kollisionsrechtliche Fragen aufgeworfen, und oft waren die Kunden auch mit der Anwendbarkeit eines ihnen völlig unbekannten Rechtes konfrontiert.

Die EU hat sich dieses Problems in der Überzeugung angenommen, daß auch ein hoher nationaler Verbraucherschutzstandard wirkungslos bleiben muß, wenn ein anzuwendendes anderes Recht kein solches Schutzniveau bietet. Diese EU-Richtlinie ist in meinen Augen ein besonders gutes Beispiel dafür, welche Fortschritte die EU im Verbraucherschutz im Gegensatz zu gelegentlichen Unkenrufen bietet. Nicht nur, daß heute wesentliche Impulse zu einer


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Fortentwicklung des Konsumentenschutzes von der EU selbst ausgehen, bietet die Vereinheitlichung eines hohen Verbraucherschutzstandards im EU-Bereich Gewähr für Schutz auch bei über die nationalen Grenzen hinausgehenden Bezügen.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist – darauf wurde auch schon hingewiesen – keine bloße schematische Nachvollziehung der Richtlinie zur fristgerechten Umsetzung. Manche Regelungen der Richtlinie wurden zur Gewährleistung eines in sich möglichst geschlossenen Verbraucherschutzes modifiziert und systemkonform erweitert. Insgesamt wird mit dem vorliegenden Gesetz ein abgerundetes, ausgewogenes Verbraucherschutzsystem für den speziellen Bereich des Time-Sharing geschaffen.

Noch einige Worte zum zweiten Tagesordnungspunkt, der jetzt in Verhandlung steht, der Grundbuchsnovelle: Mit dieser Novelle sollen einige Schritte gesetzt werden, um den Dienstleistungsbetrieb Justiz noch effizienter zu gestalten.

Die für die Praxis wichtigste Neuerung ist die im § 6 des Grundbuchumstellungsgesetzes vorgeschlagene Angleichung der Grundbuchabfrage an die nun schon seit Jahren bewährte Firmenbuchabfrage. Künftig soll also für jedermann die Grundbuchabfrage möglich sein, ohne dazu einer bescheidmäßigen Bewilligung zu bedürfen.

Auch durch die Novellierung des § 469a ABGB, womit die grundbücherliche Behandlung der vorbehaltslosen Löschungsverpflichtung vereinfacht wird, wird das Grundbuch von unnötigen Eintragungen entlastet, damit übersichtlicher und auch benützerfreundlicher.

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, daß das Justizressort vor wenigen Wochen der Öffentlichkeit die auch den Mitgliedern des Justizausschusses übermittelte Broschüre mit dem Titel "Bürger, Client-Server, Justiz" vorgestellt hat. In dieser Broschüre wird nicht nur neuerlich ein klares Bekenntnis zum Selbstverständnis der Justiz als Dienstleistungsbereich – bei aller Autorität im Rechtsprechungs- und Durchsetzungsbereich – abgegeben, sondern es werden auch die – wie ich sagen muß – weltweit beispielgebenden Leistungen der österreichischen Justiz im Zusammenhang mit dem Einsatz moderner Informationstechnik dargestellt. Mit dieser Schrift sollen einer breiten, vor allem aber auch der ausländischen Öffentlichkeit die besondere Leistungsfähigkeit Österreichs als Wirtschaftsstandort durch die effizienten rechtlichen Mechanismen des Grundbuchs und Firmenbuchs, aber auch die durch den elektronischen Rechtsverkehr raschere und effiziente Rechtsdurchsetzung vor Augen geführt werden.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß die Justiz gerade auch durch diese Leistungen nicht unwesentlich dazu beitragen kann, daß unternehmerische Investitions- und Standortentscheidungen von Ausländern zugunsten Österreichs ausfallen, sodaß die Justiz damit einen Beitrag zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich leistet. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie beim Liberalen Forum.)

20.25

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Bundesminister! Ich danke Ihnen für Ihren Bericht.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Huber. – Bitte.

20.25

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir haben vor wenigen Wochen das Konsumentenschutzgesetz verabschiedet, nun steht mit dem Time-Sharing-Gesetz wohl ein weiteres sehr wichtiges Konsumentenschutzgesetz vor seiner Verabschiedung. Es ging in erster Linie – das wurde heute schon mehrfach gesagt – um die Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht. Es war aber auch hoch an der Zeit, die ausufernden Sümpfe, die es gerade in diesem Bereich gegeben hat, trockenzulegen und den schwarzen Schafen in diesen Bereichen das Handwerk zu legen.

Ich möchte darauf hinweisen, daß es bei den Konsumentenschutzorganisationen in den letzten Jahren einen markanten Anstieg von Beschwerden durch Personen gegeben hat, die sich bei


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diesen Time-Sharing-Verträgen meist völlig zu Recht geprellt gefühlt haben. Und das wundert mich nicht, weil aufgrund der mangelnden rechtlichen Absicherung und der Aussicht auf lukrative Gewinne der Boden tatsächlich sehr gut aufbereitet war, Glücksrittern und schnellen Abzockern Möglichkeiten zu eröffnen. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Das Teilzeitnutzungsgesetz schafft nun Mechanismen, durch die die Überrumplung des Verbrauchers verhindert werden soll. Vor allem soll auch zu einer Erhellung des oftmals sehr klein Gedruckten im Time-Sharing beigetragen werden. Künftig hat nämlich der Veräußerer von Time-Sharing-Objekten vor Abschluß eines Vertrages eine sehr umfassende Informationspflicht, vor allem auch in der Sprache des Käufers.

Was mich ganz besonders freut und was man nicht deutlich genug hervorheben kann, ist das Faktum, daß Österreich in einigen vor allem für die Verbraucher sehr wesentlichen Punkten deutlich über die Mindeststandards, die die EU vorschreibt, hinausgegangen ist. Das wird daran deutlich, daß auch sehr kurzfristige Benutzungsverträge bereits unter dieses Time-Sharing-Gesetz fallen. Es wurde die Informationspflicht gegenüber der EU-Richtlinie abgeändert, und auch die Möglichkeit der grundbücherlichen Absicherung für die Verbraucher im Insolvenzfall scheint mir eine deutliche Verbesserung für die österreichischen Verbraucher zu sein.

Ursprünglich war eine zehntägige Frist für einen eventuellen Rücktritt vorgesehen. Angesichts der nicht einfachen Verträge und in Anbetracht der Tatsache, daß solche Verträge oftmals im Rahmen von sogenannten Schnupperaufenthalten abgeschlossen werden, war diese zehntägige Frist jedoch zu kurz, und es freut mich daher besonders, daß jetzt nach Erhalt der Vertragsurkunde 14 Tage lang die Möglichkeit des Rücktrittes bestehen soll.

Ich denke, daß durch das heute zu beschließende Gesetz jenen Personen, die sich zum Abschluß eines solchen Time-Sharing-Vertrages entschließen, ein relativ guter Schutz geboten wird, möchte aber doch jedem zu bedenken geben, ob nicht die Kosten-Nutzen-Rechnung gerade in Anbetracht des relativ hohen Kapitaleinsatzes negativ ausfällt. Es sollte sich jeder zweimal, dreimal oder noch öfter fragen, ob 14 Tage Urlaub in einem Luxushotel in jedem gewünschten Urlaubsort dieser Welt letzten Endes nicht billiger und angenehmer sind als der Urlaub in einem Time-Sharing-Appartement! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

20.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte Sie daher, Ihre Plätze einzunehmen.

Wir kommen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschußantrag getrennt vornehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 586 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Fuhrmann, Dr. Fekter und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend § 7 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 eingebracht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich über diesen Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Fuhrmann, Dr. Fekter und Genossen abstimmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen daher sogleich zur dritten Lesung.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist in dritter Lesung angenommen, was ich ausdrücklich festhalte.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 587 der Beilagen.


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Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Entwurf ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht gleichfalls durch sämtliche Anwesenden. Der Antrag ist daher einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte Sie um ein Zeichen der Zustimmung, wenn Sie dem Antrag auch in dritter Lesung Ihre Zustimmung erteilen. – Dies geschieht gleichfalls durch Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist daher in dritter Lesung angenommen.

9. Punkt

Erste Lesung des Antrages 347/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die strategische Prüfung der Umweltauswirkungen neuer rechtssetzender Maßnahmen (Umweltwirkungsgesetz – UWG)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nunmehr zu Punkt 9 der Tagesordnung und gehen sogleich in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. Ich erteile es ihm hiemit. – Sie haben 14 Minuten Restredezeit, Herr Abgeordneter.

20.32

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Danke, Herr Präsident! Ich werde sie nicht zur Gänze ausnützen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag, der heute in erster Lesung vorliegt, ist sehr kurz und sehr einfach formuliert: Dieser Antrag wurde mit der Absicht gestellt, dazu beizutragen, daß die Umweltauswirkungen von neu zu beschließenden und zu setzenden Maßnahmen leichter beurteilt werden können. Es soll gewährleistet werden, daß all den Gesetzesanträgen ein Blatt vorgeschaltet wird, auf welchem klargelegt wird, welche konkreten Umweltauswirkungen mit dem jeweiligen Gesetz verbunden sind. Das muß nicht bis ins Detail gehen, es muß jedoch eine Darstellung der Grundzüge erfolgen.

Wir haben uns ja auch entschlossen, gemäß § 14 Bundeshaushaltsgesetz jeden Entwurf dahin gehend zu prüfen, welche finanziellen Auswirkungen er haben wird. In Anbetracht der Bekenntnisse zu einer ökologischen Steuerreform ist es sinnvoll, auch die ökologischen Auswirkungen bei Gesetzesanträgen zu überlegen.

Meine Damen und Herren! Ich darf daran erinnern, daß in diesem Hause der Nationale Umweltplan zur Beratung vorliegt. Es handelt sich hiebei um ein sehr gutes und sehr umfassendes Papier, das im Juli 1996 von der Bundesregierung als jene Leitlinie beschlossen wurde, die sie in Zukunft in ihrer Politik, bei gesetzlichen Maßnahmen beachten will. Der Inhalt eines Papiers mit 326 Seiten Umfang kann jedoch in die konkrete Maßnahme nicht einfließen. Es ist daher notwendig, eine Standardisierung vorzunehmen und diese den jeweiligen Regierungsvorlagen voranzustellen, damit gewährleistet ist, daß die darin artikulierten Aspekte auch wirklich in die Politik einfließen.

Das und nicht mehr wollen wir mit diesem Antrag erreichen, meine Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, diesem Antrag in den Beratungen im Ausschuß jenes Augenmerk zu schenken, das auch der Nationale Umweltplan verdient – denn beides sollte umgesetzt werden! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

20.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters ist Herr Abgeordneter Kopf zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

20.34

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Thomas Barmüller! Meine erste Reaktion, als ich den Gesetzesantrag auf den Tisch be


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kommen habe, war: Nicht schon wieder ein neues Gesetz!, wenngleich ich zugeben muß, daß hehre Ziele hinter diesem Antrag stehen und das Ganze auch von der Begründung her durchaus meine Sympathie hat, daß nämlich negative Umweltfolgen durch geplante rechtssetzende Maßnahmen vermieden werden sollen.

Ich glaube aber, daß wir auch sonst genügend Möglichkeiten haben, um dieser Begründung und dieser Zielsetzung gerecht zu werden. Der Umweltminister kann seiner Verantwortung in der Regierung durch eine Reihe von Einvernehmenskompetenzen gerecht werden. Er hat aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips in der Bundesregierung jederzeit die Möglichkeit, negative Umweltfolgen zu verhindern. Und es ist nicht nur möglich, sondern angebracht, daß die Abgeordneten bei jedem Gesetz mit Vernunft und Aufmerksamkeit auf das achten, was du mit deinem Antrag intendierst.

Ich glaube also nicht, daß wir dafür ein eigenes Gesetz brauchen werden, das uns dazu zwingt, im Sinne unserer Umwelt Vernunft walten zu lassen und die entsprechende Verantwortung wahrzunehmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.36

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt mir von Herrn Abgeordneten Dr. Keppelmüller vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.36

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Kollege Barmüller! Selbstverständlich werden wir im Ausschuß über diese Thematik reden. Ich stimme aber weitgehend mit den Ansichten des Abgeordneten Kopf überein. Auch ich habe Bedenken dahin gehend, daß wir die an sich schon aufgeblähte Umweltbürokratie damit noch weiter ausbauen würden.

Sie haben in der Zielsetzung sicher nicht unrecht, aber es ist, abgesehen davon, daß wir in der Verfassung bereits den umfassenden Umweltschutz und seine Berücksichtigung bei allen Gesetzen verankert haben, auch die Begutachtung durch die Ministerien bei jedem Gesetz gegeben, und dabei muß auch der Umweltschutz entsprechend berücksichtigt werden.

Ich möchte aber konstruktive Vorschläge machen, nämlich: Sie könnten für die Ausschußberatungen konkrete Beispiele vorbereiten, bei welchen Sie Handlungsbedarf erkannt zu haben glauben, und dies auch begründen. Gleichzeitig bitte ich Kollegen Kopf, den Umweltminister, der heute nicht hier ist, zu ersuchen, ganz konkrete Gesetze der letzten Zeit von seinen Experten – ich denke jetzt an das Umweltbundesamt, das uns in der jetzigen Form hoffentlich noch lange erhalten bleiben wird – in dieser Hinsicht sozusagen exemplarisch abklopfen zu lassen, und zwar Gesetze, die in Richtung Umweltauswirkungen gehen, aber auch Gesetze, die – wie etwa das Sozialversicherungsgesetz oder das Mietrecht – vordergründig betrachtet mit Umweltschutz nicht unmittelbar etwas zu tun haben.

Wir sollten wirklich vermeiden, Mechanismen einzuführen, durch die es wieder zu Verzögerungen kommt – bei aller Anerkennung Ihres guten Vorhabens!

Ich glaube auch, daß der NUP, den wir demnächst wieder behandeln und auch beschließen werden, eine Leitlinie für die Bundesregierung ist, auch Ihre Anliegen ernst zu nehmen. Und seitens der Sozialdemokraten kann ich Ihnen zusichern, daß wir diesen Antrag mit Ihnen ernsthaft diskutieren werden. (Beifall bei der SPÖ.)

20.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordnetem Ing. Reichhold vor. – Bitte. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

20.38

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Hohes Haus! Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Barmüller! Die Idee mag gut gemeint sein, aber ich möchte dich doch daran erinnern, daß wir in einem Land leben, in welchem die Bürokratie im


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Vergleich zum europäischen Durchschnitt sehr groß ist, und daß es gerade im Umweltbereich bei uns ohnehin sehr umfangreiche Begutachtungsverfahren und auch ausführliche Beratungen und Debatten im Umweltausschuß und hier im Plenum gibt. Darüber hinaus gibt es in Österreich auch eine sehr umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung bei sensiblen Projekten und sehr hohe Standards, die, wie du weißt, auch sehr streng kontrolliert werden.

Ich stelle daher fest, daß wir Freiheitliche der Forderung, zusätzliche, neue Bürokratie zu schaffen, in einem Land, in dem die Bürokratie ohnehin schon vorherrscht, und in einer Zeit, in der wir eigentlich sparen sollten, nicht nähertreten werden können. Wir sind aber gespannt auf deine Ausführungen im Ausschuß.

Ich möchte auf einen Hinweis eingehen, den auch Abgeordneter Keppelmüller hier vom Rednerpult aus aktualisiert hat, nämlich betreffend das Umweltbundesamt: Auch dieses steht mit Bürokratie in Zusammenhang, es handelt sich hiebei aber um Bürokratie, die den Abgeordneten dieses Hohen Hauses zur Verfügung steht. Das Umweltbundesamt ist eine der wenigen Einrichtungen, die die Abgeordneten dieses Hohen Hauses objektiv informiert.

Was höre ich aber jetzt? – Ich höre, daß der Umweltminister gerade im Bereich dieser nachgeordneten Dienststelle Einsparungen vornehmen, das Umweltbundesamt abmagern und diese Informationsquelle für das Hohe Haus sozusagen beseitigen will. (Abg. Kopf: Das stimmt doch nicht!) – Wissen Sie das nicht? Dann lesen Sie die Presseaussendungen und die Zeitungen, und reden Sie vor allem mit den sehr verunsicherten Mitarbeitern des Umweltbundesamtes!

Meine Herrschaften von der ÖVP! Im Umweltbundesamt werden, wie Sie dem Bundesvoranschlag 1997 entnehmen können, ohnehin Rationalisierungen und Einsparungen vorgenommen, und zwar in einem ganz erheblichen Ausmaß, nämlich im Ausmaß von 2 Millionen Schilling innerhalb von zwei Jahren!

Sie können Ihren Minister, der heute nicht hier sein muß, fragen, wie er es in seinem Ressort hält, in dem es eine Explosion bei den Personalkosten gibt. Im Bundesvoranschlag 1997 ist gegenüber dem Jahr 1995 allein im Personalbereich eine Kostenerhöhung von 112 Millionen auf 159 Millionen Schilling vorgesehen; das ist eine Erhöhung um 47 Millionen Schilling oder 42 Prozent! Fragen Sie einmal Ihren Herrn Minister, wo er eigentlich einspart! Er soll einmal vorlegen, wo er in den Zentralbereichen seines Ressorts einspart! Er soll nicht so einsparen, daß uns Abgeordneten Informationen abhanden kommen! (Zwischenruf des Abg. Kopf. ) Ich möchte vom Herrn Minister einmal konstruktive Einsparungsvorschläge sehen!

Sehr verehrte Herren Abgeordneten von der ÖVP! Ich kann Ihnen folgendes sagen: Wenn Sie zulassen, daß in diesem Bereich eingespart wird, dann können Sie mit unserem erbitterten Widerstand rechnen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.41

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Den Antrag 347/A weise ich dem Umweltausschuß zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Rosenstingl und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der politischen Verantwortung für das Autobahnvignettenchaos.

Dieser Antrag wurde inzwischen an alle Abgeordneten verteilt.


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Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Zur Untersuchung der politischen und rechtlichen Verantwortung für die Unzulänglichkeiten bei der Vorbereitung, Auftragsvergabe, Herstellung, Verbreitung und allgemeinen Organisation der Einführung der Autobahnvignette wird gemäß § 33 GOG ein Untersuchungsausschuß eingesetzt, der aus insgesamt 15 Abgeordneten im Verhältnis 5 SPÖ: 4 ÖVP: 4 FPÖ: 1 LIF: 1 Grüne besteht."

Die unterzeichneten Abgeordneten verlangen gemäß § 33 (2) iVm 57a und 57b GOG die Durchführung einer Debatte über diesen Antrag.

*****

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gehen in die Debatte ein.

Gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit in dieser Debatte 5 Minuten, wobei dem Erstredner für seine Begründung 10 Minuten zur Verfügung stehen. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zum Wort gemeldeter Staatssekretäre sollen 10 Minuten nicht übersteigen.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Rosenstingl. – Bitte.

20.41

Abgeordneter Peter Rosenstingl (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die gestrige Diskussion hat deutlich gezeigt, daß beim Vignettenchaos Handlungsbedarf besteht. Es war erschreckend, wie hilflos der Wirtschaftsminister gestern dagestanden ist, und es ist wohl erwiesen, daß es bei der Auftragsvergabe für die Vignette fragwürdige Vorgänge gab.

Aber man muß auch feststellen, daß es schon vor der Auftragsvergabe zu einer Gesellschaftskonstruktion gekommen ist, die zu hinterfragen ist, denn da gibt es politische Verantwortung: Als sich die beiden Gesellschaften ASG und ÖSAG nicht über die Vorgangsweise der Einführung der Vignette einigen konnten, wurde die Österreichische Mauterrichtungsgesellschaft gegründet. Nach Gründung dieser Mauterrichtungsgesellschaft gab es aber keine richtige Kontrolle mehr über die Vorgänge, die dann stattfanden – und das ist eine politische Nachlässigkeit sondergleichen!

Bei der Auftragsvergabe ist es dann – wie ich schon erwähnt habe – zu dubiosen Vorgängen gekommen. Die Auswahl der Unternehmen erfolgte zweistufig: Zuerst sollten die Fähigkeiten und die Qualifikationen verschiedener Unternehmen überprüft werden. Aber bereits in dieser ersten Phase erfolgten Ablehnungen, ohne daß es dafür qualifizierte Gründe gab. Es wurden diesfalls zweifellos qualifizierte österreichische Unternehmen benachteiligt.

Auch die zweite Phase, die Auftragsvergabe, wurde nicht korrekt abgewickelt. Es gab bereits Empfehlungen für den späteren Auftragsnehmer, obwohl es – nachweisbar! – erst nach dieser Empfehlung Gespräche mit anderen österreichischen Unternehmern gab.

Es ist auf jeden Fall klar, daß nicht der Billigstbieter zum Zug gekommen ist. (Abg. Zweytick: Gott sei Dank!)  – "Gott sei Dank"? Es erstaunt mich sehr, wenn Sie das feststellen, da wir heute doch wissen, daß der Auftragnehmer nicht in der Lage war, die Vignette ordnungsgemäß herzustellen beziehungsweise zu garantieren, daß der Vertrieb der Vignette ordnungsgemäß erfolgen konnte.

Aber es ist noch etwas interessant: Bevor es überhaupt zur Auftragsvergabe kam, gab es schon eine Reise von einigen Herren der österreichischen Straßengesellschaften nach Chicago. (Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. ) Auch diese Reisen sind zu untersuchen, da es, wie auch


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Sie begreifen werden, Herr Kollege, bei solchen Reisen vor Auftragsvergabe Beeinflussungen geben könnte. Sie sollten daher wirklich wünschen, daß das aufgeklärt wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Tatsache ist aber auch, daß in diesem Verfahren angeblich die Liefersicherheit geprüft werden sollte, wir jetzt aber feststellen müssen, daß die Liefersicherheit in einem erschreckend hohen Ausmaß nicht gegeben ist.

Außerdem kam es bereits Wochen vor Einführung der Vignette zu großen Schwierigkeiten. Man wußte von diesen Schwierigkeiten, aber es gab keine Reaktion der Verantwortlichen und schon gar keine Reaktion des politisch Verantwortlichen, nämlich des Wirtschaftsministers. Es gab Nachlässigkeiten in bezug auf die Aufsichts- und Kontrollfunktion des Wirtschaftsministers, und es gab dubiose Vorgänge, die möglicherweise ungesetzlich waren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie im Interesse des Rufes unseres Landes etwas unternehmen wollen und Klarheit in diese Angelegenheit bringen wollen, wenn Sie im Wirtschaftsministerium nichts zu verbergen haben ... (Zwischenruf bei der ÖVP.)  – Gerade Sie, Frau Kollegin, sollten an der Aufklärung interessiert sein, denn es handelt sich um einen Minister von Ihrer Partei.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie nichts zu verbergen haben, dann stimmen Sie diesem Untersuchungsausschuß zu, um der Bevölkerung zu zeigen, daß wir hier in diesem Haus in der Lage sind, dubiose Vorgänge wirklich zu überprüfen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.46


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Ich erinnere daran, daß die Redezeit für jeden Abgeordneten jetzt maximal 5 Minuten beträgt.

Die nächste Wortmeldung liegt von Abgeordneten Eder vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.46

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich verstehe natürlich die Sorge, die von meinem Vorredner, Kollegen Rosenstingl, hier geäußert wurde, und darf sagen, daß auch in meiner Fraktion nicht gerade große Freude und Euphorie geherrscht hat, als dieses Thema hier behandelt wurde. (Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Böhacker: Eitel Wonne!) Bitte applaudieren Sie ein bißchen später.

Ich darf weiters dazu sagen, daß seitens des Herrn Bundesministers Farnleitner sehr wohl eine Reihe von Maßnahmen getroffen wurde. Zunächst ist der Aufsichtsrat, der für solche Angelegenheiten in einer Gesellschaft zuständig, verantwortlich und erstes Kontrollorgan ist, zusammengetreten. Zweitens hat der Herr Bundesminister sehr rasch auch gesellschaftsrechtliche Änderungen herbeigeführt. Die besagte Gesellschaft wurde aufgelöst, und die Kompetenzen wurden neu verteilt. (Abg. Böhacker: Das ist eine Pflichtverteidigung!) – Laß mich zu Ende reden, das ist schon in Ordnung! Das soll gar keine Verteidigung sein, sondern ich nenne reine Fakten betreffend Maßnahmen, die der Minister gesetzt hat.

Darüber hinaus – ich weiß nicht, ob die Damen und Herren von der Opposition das schon wissen, aber ich nehme es an – ist ja der Rechnungshof bereits dabei, die ganze Angelegenheit zu prüfen. Und selbstverständlich ist es auch im Sinne meiner Fraktion, daß der Rechnungshof jetzt einmal sehr genau all die Dinge, die hier von Herrn Kollegen Rosenstingl genannt wurden, prüft. (Abg. Rosenstingl: Aber nicht die politische Verantwortung!)

Das Organ, das wir als Parlament selbst geschaffen haben, um solche Dinge zu prüfen, nämlich der Rechnungshof, wird nun einmal eingesetzt und soll prüfen. Und wenn dann alle Ergebnisse auf dem Tisch liegen, sollten wir wirklich ernsthaft überlegen, wie wir in dieser Angelegenheit fortfahren. Ich hoffe, daß wir dann mittlerweile beim Road-Pricing angekommen sind.

Meine Fraktion wird diesem Antrag sicher nicht die Zustimmung geben. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosenstingl: Noch nicht!)

20.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Dr. König vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.48

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP): Herr Abgeordneter Rosenstingl! Ich verstehe, daß Sie von Ihrem Klub den Auftrag haben, die gestern verunglückte Anfragebeantwortung jetzt zu wiederholen. (Zwischenruf des Abg. Rosenstingl. )

Ich zitiere nur Sie selbst: Gestern hat Klubobmann Stadler erklärt, daß nicht der Bestbieter den Zuschlag erhielt. Ihr Klubsekretär – ich nehme an, er hat den Antrag des Kollegen Rosenstingl formuliert – ist jetzt viel vorsichtiger. Er spricht nicht mehr davon, daß der Bestbieter nicht genommen wurde, sondern spricht von "zumindest fragwürdigen Vorgängen bei der Vergabe der Herstellungsaufträge". Was sagt Kollege Rosenstingl, der das offensichtlich nicht gelesen hat, jetzt wörtlich hier, ohne es gelesen zu haben? – Er sagt, daß zweifelsohne österreichische Unternehmer benachteiligt wurden. – Das sind Behauptungen, die durch nichts gedeckt sind. Sie äußern hier vielmehr Unterstellungen! (Zwischenruf des Abg. Rosenstingl. ) – Hören Sie mir doch zu!

Was soll ein Minister tun, wenn solche Behauptungen aufgestellt werden und von den Betroffenen widersprochen wird? – Er beauftragt den Rechnungshof, das zu prüfen. Der Rechnungshof ist ein Organ des Parlaments und sollte daher von uns allen anerkannt werden. Es sollte daher eine solche Untersuchung auch begrüßt werden.

Es stimmen auch die anderen Dinge nicht: Zuerst haben Sie erklärt, die EU werde das Mautpickerl ablehnen, die Maut halte nicht. Jetzt schreiben Sie nur mehr, daß die Koordination verspätet erfolgt ist. Also: Es ist koordiniert worden, die EU hat das ja anerkannt, aber verspätet sei es gewesen. (Aha-Rufe bei der ÖVP.)

Sie behaupten: offensichtlich ungeeignete Organisationsstrukturen, qualitativ ungeeignetes Material, keine nennenswerten Konsequenzen – weil es angeblich qualitativ ungeeignetes Material ist – und generelle Vernachlässigung der Aufsichts- und Kontrollfunktion. – Wollen Sie mit den Konsequenzen nicht warten, bis uns der Rechnungshof ein objektives Prüfergebnis vorgelegt hat? Ich glaube, das kann man auch von der Opposition verlangen; das ist sicher nicht zuviel verlangt.

Ich muß Ihnen noch etwas sagen, was mich wirklich sehr betroffen gemacht hat – ich sage das nicht gerne, aber ich glaube, man muß es hier sagen, weil man es nicht einfach im Raum stehen lassen kann –: Gestern hat Abgeordneter Reichhold hier betreffend die Frage der Entlassung von Österreichern in Kärnten durch eine Firma und die Erklärung von Dr. Haider erklärt, daß dafür kurz darauf Ausländer eingestellt worden wären, daß er eine eidesstattliche Erklärung des dortigen Betriebsrates hätte. Die eidesstattliche Erklärung, die er mir dankenswerterweise genau erklärt hat, hat besagt, daß man die Abgänge durch interne Umschichtungen abgedeckt hat – durch interne Umschichtungen, nicht durch Neueinstellungen! (Abg. Aumayr: Nein, stimmt nicht! – Aha-Rufe bei der ÖVP.) Interne Umschichtungen! – Ich meine daher, man sollte mit solchen Erklärungen vorsichtig umgehen.

Wenn Kollege Reichhold jetzt hier eine tatsächliche Berichtigung macht, würde ich ihn bitten, jetzt auch das vorzulegen, was dort steht (Abg. Ing. Tychtl: Das kann er nicht!) , damit man nicht wieder in Halbwahrheiten flüchtet.

Man sollte mit Beschuldigungen vorsichtig umgehen und auch in diesem Fall den objektiven Befund, die objektive Untersuchung des Rechnungshofes abwarten, bevor man vorschnell ein Urteil fällt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.5


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2

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.53

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Beispiel, das Herr Abgeordneter König gebracht hat, hat mich ein wenig stutzig gemacht. Ich habe mir den Antrag durchgelesen, es steht darin: "Zumindest fragwürdige Vorgänge bei der Vergabe der Herstellungsaufträge an die cicagoer Produktionsfirma", und ich muß daher Abgeordnetem Rosenstingl sagen: Man schreibt nicht alles so, wie man es spricht, Herr Abgeordneter! (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) Aber das ist das wirklich einzig Lustige, das in dieser Angelegenheit insgesamt vorgefallen ist.

Es kann kein Zweifel daran bestehen, meine Damen und Herren, daß das, was in diesem Antrag behauptet wurde, nämlich daß ein Schaden für Österreich entstanden ist, daß es ein Problem bei der Vergabe gegeben hat, etwas ist, was berücksichtigt werden muß. Ich habe bereits in der gestrigen Diskussion ausgeführt: Es ist das Glück des Herrn Bundesministers Farnleitner, daß die Schäden für Österreich nicht wirklich ziffernmäßig zu benennen sind – sonst würde er als Wirtschaftsminister nicht mehr auf der Regierungsbank sitzen.

Nächster Punkt, meine Damen und Herren: Es ist sinnvoll, gerade weil diese Thematik als sehr ernst betrachtet werden muß, die Untersuchungen und den Bericht des Rechnungshofes abzuwarten und aufgrund dieser Ausführungen des Rechnungshofes dann auch wirklich hier im Plenum die Konsequenzen zu ziehen. Wir werden, wenn dieser Bericht vorliegt, darüber befinden. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

20.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Stadler. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.54

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Zunächst einmal zur Behauptung des Abgeordneten König, Herr Kollege Dr. Haider habe die Unwahrheit gesagt, was diese Kärntner Firma betrifft. (Abg. Steibl: "Frau Stadler"!)

Herr Kollege König! Haben Sie diese eidesstattliche Erklärung gelesen oder nicht? (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)  – Ich kann mir schon vorstellen, daß er sie nicht verstanden hat, aber ich möchte einmal wissen, ob er sie überhaupt gelesen hat, ob er überhaupt weiß, wovon er spricht.

In einem Punkt wissen Sie, Herr Kollege König, als jemand, der sein Dasein nun im geschützten Bereich fristet – darum haben Sie auch Ihr Rückkehrrecht in den Nationalrat wahrgenommen –, mit Sicherheit nicht, wovon Sie reden (Abg. Steibl: Wir wissen sehr wohl, wovon wir reden!): daß dort nämlich Inländer gekündigt wurden und ihre Jobs im Betrieb jetzt durch Ausländer wahrgenommen werden, weil sie billiger sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Und das ist das, was die Kärntner Bevölkerung aufregt, meine Damen und Herren! Aber davon, wie es den "kleinen Leuten" in Kärnten geht, deren Jobs mittlerweile von Ausländern wahrgenommen werden, hat natürlich der Herr Spitzenmanager Ex-EU-Abgeordnete Wieder-Abgeordnete zum Nationalrat Dr. König keine Ahnung! (Abg. Steibl: Ihr habt eine Ahnung!)

Meine Damen und Herren! Nun zur eigentlichen Debatte.

Herr Dr. König tut so, als wäre der Rechnungshof der Inbegriff der Objektivität. Ich hätte ihm beim vorigen Rechnungshofpräsidenten noch recht gegeben, habe aber erhebliche Zweifel, daß das unter dem nunmehrigen Rechnungshofpräsidenten auch noch der Fall ist. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

In Vorarlberg haben wir derzeit einen Bericht des Rechnungshofes vorliegen, in dem gegenüber dem Rohbericht 18 Seiten fehlen. Immer dann, wenn ein ÖVP-Bürgermeister, ein ÖVP-Funktionär, ein ÖVP-Firmenvertreter betroffen ist, fehlen "sonderbarerweise" wichtige Teile des Rechnungshofrohberichtes im Endbericht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Wenn das die Objektivität ist, die Sie uns versprechen, dann glaube ich an Objektivität unter diesem Präsidenten nicht mehr – mit Verlaub. Wir werden daher auch weiterhin für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses eintreten, denn der Skandal rund um die Vignette geht ja weiter. Die "Kronen-Zeitung" setzt sich zu Recht auf den "Vignettenman".

Es ist heute zu lesen, daß jetzt nur noch Männer Vignetten verkaufen dürfen. Ich frage Sie: Wo ist der Sturm der Entrüstung der feministisch bewegten Kolleginnen und Kollegen von gestern? – Nur noch Männer dürfen Vignetten verkaufen!

Im morgigen "Kurier" – das ist in der heutigen Abendausgabe zu lesen – heißt es, die Vignettengeschichte ist eine unendliche Fortsetzungsgeschichte, nur noch Männer dürfen Vignetten verkaufen. (Abg. Steibl: Das ist die Fortsetzung von der "Frau Stadler"!)  – Das ist die Vignettenpolitik, die dieser Minister zu verantworten hat! So schaut es aus, weil der Wirtschaftsminister nicht mit der Sozialministerin Einvernehmen darüber erzielen kann, ob man es gestattet, den ausländischen Gästen, die nach Österreich kommen wollen, um als Urlaubsgäste ihre Devisen hier zu lassen, nächtens eine Vignette zu verkaufen.

Das ist eine unendliche Fortsetzungsgeschichte, die wahrlich nach der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses schreit. – Aber welch ein Zufall: Schon wieder ist eine ÖVP-Organisation betroffen. Es ist nämlich der ÖAMTC, der die Vignetten nicht nächtens verkaufen kann. Schon wieder eine ÖVP-Organisation, die mittendrin steckt – und da soll dann der ÖVP-Rechnungshofpräsident einen kritischen Rechnungshofbericht vorlegen? – Ich bin gespannt darauf, glaube aber nach all dem, was wir zwischenzeitig vom Herrn Rechnungshofpräsidenten gewöhnt sind, nicht mehr daran. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Im Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 13. Jänner, von der ich gestern schon gesprochen habe, heißt es, daß die Vertriebsorganisation deswegen nicht funktioniere, weil beim ÖAMTC eine gegenteilige, feindliche Produktdialektik vorhanden sei. – "Produktdialektik" heißt das jetzt. Weil der ÖAMTC die Vignetten, die der Wirtschaftsminister von der ÖVP beschlossen hat, nicht verkaufen will, weil er gegen die Vignetten ist, hat er eine gegenteilige "Produktdialektik", und es dürfen daher nur noch Männer die Vignetten, deren Erlös ins österreichische Budget fließen soll, verkaufen!

Der Vignettenmann schreit nach der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, daher wird man in der österreichischen Öffentlichkeit kein Verständnis dafür finden, daß die ÖVP – die SPÖ sowieso – die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ablehnt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Schwimmer. ) – Wie war Ihr Kommentar, Herr Kollege Schwimmer? Herr Kollege Schwimmer! Sie wollten einmal etwas Intelligentes sagen, sagen Sie es jetzt, Sie haben jetzt die Möglichkeit dazu, damit Frau Cordula Frieser darüber entscheiden kann, ob Sie wieder kandidieren dürfen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schwimmer, Multifunktionär und Überabkassierer Schwimmer will etwas Intelligentes sagen. – Bitte, Herr Kollege Schwimmer! Jetzt sagen Sie es! – Alle warten darauf. Jetzt hat es Ihnen die Sprache verschlagen. Also: Wieder nichts Intelligentes! Minuspunkt! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter! Den Schlußsatz bitte.

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (fortsetzend): Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist und bleibt notwendig, weil die Vignettencausa letztlich eine unendliche Skandalfortsetzungsgeschichte ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.00

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Rosenstingl und Genossen. – Ich bitte daher, den jeweiligen Platz einzunehmen. – Herr Kollege Cap, bitte.


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Wir kommen also zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Rosenstingl und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Wer für diesen Antrag stimmt, möge ein entsprechendes Zeichen geben. – Dies ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt.

Einlauf

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich gebe bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 404/A bis 410/A eingebracht worden sind.

Ferner sind die Anfragen 2054/J bis 2106/J eingelangt.

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen betreffen wird, berufe ich für 21.01 Uhr ein – das ist gleich im Anschluß an diese Sitzung.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 21.01 Uhr